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Von Tina Esther Wagner Rückwärts auf den Stöckelschuhen, die Balance finden- das Leben einer Querdenkerin
Es werden nur Texte von über 10 Internet-Seiten publiziert.
Zurzeit sind 520 Biographien in Arbeit und davon 291 Biographien veröffentlicht.
Vollendete Autobiographien: 176
 
Tina Esther Wagner
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Letzte Aktivität
47.
Zusätzliche Aktivitäten / 14.10.2021 um 20.47 Uhr
51.
Die Zeit in Grenchen ab 1991 bis 2002 / 03.09.2022 um 10.41 Uhr
2.
Was weisst du oder erfuhrst du über deine Geburt? / 03.09.2022 um 10.41 Uhr
3.
Wie gross war dein erstes Zuhause? Erinnerst du dich an die einzelnen Räume? / 03.09.2022 um 10.41 Uhr
5.
Welche Rolle spielten Sonntage und Feiertage wie Weihnachten, Sankt Nikolaus, Ostern und Geburtstage in deinem Kinderleben? / 03.09.2022 um 10.41 Uhr
6.
Was für Kleider hast du getragen? / 03.09.2022 um 10.42 Uhr
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Vorwort
1.
Danksagung
2.
Was weisst du oder erfuhrst du über deine Geburt?
3.
Wie gross war dein erstes Zuhause? Erinnerst du dich an die einzelnen Räume?
4.
Wohnte noch jemand bei euch?
5.
Welche Rolle spielten Sonntage und Feiertage wie Weihnachten, Sankt Nikolaus, Ostern und Geburtstage in deinem Kinderleben?
6.
Was für Kleider hast du getragen?
7.
Meine Mutter
8.
Mein Vater
9.
Was weisst du über sein Leben?
10.
Was waren Vater’s herausragende Eigenschaften?
11.
Meine Grossmutter väterlicherseits
12.
Meine Grossmutter mütterlicherseits
13.
Kindergartenjahre
14.
Meine Lieblingstanten
15.
Wie hast du diese Zeit ganz allgemein erlebt?
16.
Erinnerst du dich an bestimmte Kinder, die mit dir in den Kindergarten gingen?
17.
Krankheiten und Unfälle
18.
Schulzeit, Bestrafungsmethoden
19.
Und die Zeit danach
20.
Und was ist aus dir geworden?
21.
Hattest du zu dieser Zeit schon einen Schulschatz?
22.
Und was gibt es sonst noch zu erwähnen aus dieser Zeit?
23.
Meine Beziehungen in meinem jungen Leben und meine Weiterreise ins Ausland
24.
Meine besten Freunde bzw. Freundinnen
25.
Wie hast du deinen Lebensunterhalt verdient?
26.
Auslandaufenthalte
27.
Was sind deine wertvollsten Erfahrungen und Lehren?
28.
Arbeit, Familie und Freizeit
29.
Leben in den Studentenhousings
30.
Unsere Hoch’s und Tief’s in unserer Beziehung
31.
Wieder in der Türkei
32.
Wie ging es weiter nach dem langen Aufenthalt von meinem Ehemann in den USA?
33.
Wie würdest du euer Familienleben beschreiben nach der informellen Scheidung?
34.
Die Katastrophe in Ullus
35.
Wie ging es bis ihr in die Schweiz ausreistet und wie war’s dann in der Schweiz?
36.
Wie wurde die Erziehung, die Grenzen, Werte für Faika in der Schweiz geregelt?
37.
Wenn du auf dein Leben zurückblickst, worauf bist du besonders stolz?
38.
Gab es in deinem Leben Dinge, die du heute bereust?
39.
Wie ging die Geschichte weiter, mit diesem Heinz Wagner?
40.
Wie ging es weiter mit dieser grossen Familie und mit deiner zweiten Ehe?
41.
Wie stark seid ihr auf Wünsche eurer Kinder eingegangen?
42.
Wie war meine Tochter und die Kinder von meinem Partner, in der Pubertät und verschiedenen Berufswahlfächern?
43.
Wieder grosse Veränderungen für Faika
44.
Gossliwil und Unternehmensgründung
45.
Bist du jemals für etwas Wichtiges eingetreten?
46.
Wie ging es weiter in Gossliwil bis 1991?
47.
Zusätzliche Aktivitäten
48.
Habt oder hattet ihr Haustiere? Und wie inspirierten sie dich?
49.
Wie ist dein Verhältnis zu deinen Enkelkindern?
50.
Unternahmt ihr Reisen? Was gab euch das?
51.
Die Zeit in Grenchen ab 1991 bis 2002
52.
Die Zeit in Rombach 2002 bis 2006
53.
Die Zeit in Safenwil AG von 2006 bis 2009
54.
2009 Umzug nach Zürich Seebach
55.
Geburtstage und Ferienerinnerungen während den 10 Jahren in Seebach und die Tragödie für Faika
56.
Wie reagierte dein Umfeld auf dein Älterwerden?
57.
Mein Kater Aslan
58.
Ausblick - Wie stellst du dir ein Leben in einem Altersheim vor?
59.
Wie ist es nun nach 2 Monaten leben im letzten Lebensabschnitt?
60.
Warst du schon früh mit Sexualität konfrontiert? Wie? Wie hast du das erlebt und inwiefern hat dies dein späteres (Sexual-)Leben geprägt?
61.
Résumé - und plötzlich wurde es mir noch klarer wie Zusammenhänge entstehen - mein Beitritt zu Exit
62.
Wie ging es weiter seit ich im Altersheim eingezogen war?
63.
Wie stellst du dir deine letzten Jahre auf Erden vor?
64.
Jugend heute - Der Corona Virus und danach
65.
Nachgedanken
66.
Was glaubst du, können andere aus deiner Lebensgeschichte lernen?
67.
Planst du noch weitere Selbstzeugnisse? Falls ja, dokumentierst du jetzt mit Blick darauf dein aktuelles und zukünftiges Leben, z. B. mit einem Tagebuch?
An meine zwei Grosskinder, Cengiz und Melis und meiner Tochter Faika. Für Eltern und Kinder und vor allem für alle jungen Menschen die nicht ins Schema passen wie Legastener, Linkshändler, Querdenker, Zappelphilippe, Menschen mit AD(H)S …
Vorwort
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  Vorwort

Warum wurde ich Querdenkerin? Ein Teil war sicher meine starke Links-Orientierung, die Legasthenie, deshalb die schlechte Ausgangslage in der Schule.

- Nicht ich Armes - ich will kein Opfer sein -ich bestimme mit -
Deshalb wurde ich zu meiner Lebensgestalterin.

Ich lernte von klein an und mein ganzes Leben lang, durch beobachten, zum Teil durch nachahmen, wie die anderen Menschen etwas machten. Nicht als lernende Schülerin, sondern als neugierige Entdeckerin und Gestalterin, das war mein Lernprozess. Auch lernte ich von ganz klein auf schlimme, schmerzhafte Dinge auszublenden, mich auf mein Vertrauen zu verlassen und mich so gut wie möglich nicht zum Objekt machen zu lassen. Logischerweise als klein intuitiv, erst später bewusst. Ich hatte das Wichtigste geübt, mich nur auf mich zu verlassen und nicht abhängig zu werden. Ich habe immer nur mir gehört, nicht meinen Eltern und nicht Chefs oder sonst jemanden. Ich habe auch nie des Sieges Willen etwas gemacht, für mich war der Weg zum Ziel mein Motto.

Mein Weg war von Neugier begleitet: wie kann ich etwas das mich faszinierte mit einer kreativen Herangehensweise erreichen? Das physikalische Gesetz kannte ich ja nicht von der Schule.
Als ganz klein wurde ich mit 6 Monaten oral von Vater missbraucht, was nach vielen Jahren durch Hypnose festgestellt wurde. Ich hatte über 35 Jahre beinahe jede Nacht Albträume. Nach einer intensiven Hypnose hörte das Träumen auf. Für diese Albträume gab es einige Beweise: Ich verweigerte mit 6 Monaten die Brust meiner Mutter. Sie musste mit mir ins Kinderspital um Wege zu finden, dass ich nicht verhungerte. Damals gab es noch keinen Ersatz für Muttermilch. Und wenn ich mich zu sehr bedrängt fühlte, kriegte ich ganz stark den Krampf im Hals und konnte kaum mehr atmen. Wenn auch immer seltener, hat mich dieses Symptom bis heute begleitet. Die Albträume äusserten sich im Schreien wie am Spiess, im Davonrennen, durchs Fenster springen oder im Verkriechen in die hinterste Ecke. Oder ich zwängte mich unters Bett und wenn mir jemand zu nahekam, suchte oder fand ich einen Gegenstand und drohte zuzuschlagen. Doch richtig wach wurde ich nicht. Auch erinnern konnte ich mich nicht. Viel später wurde mein Kopf gründlich untersucht, jedoch wurde nichts Auffälliges gefunden.

Das was ein Kind als Grundlage für eine gute Entwicklung am meisten braucht ist Geborgenheit. Auch kommt ein 6-monatiges Kind erst langsam seelisch in dieser Welt an. Ich erlebte Vertrauen und Geborgenheit Tina NICHT im Zusammenhang mit einer Todesangst, durch den Orgasmus zu ersticken. Mein Glück im Unglück war, dass ich mit dem Universum stark verbunden geblieben bin. Was ich bis heute spüre. Dies gibt und gab mir eine innere seelische Sicherheit, Vertrauen und stärkte meinen Glauben an etwas weit Grösseres. Diese Fähigkeiten und Gaben nutzte ich mein ganzes Leben lang. Diese haben mir bis jetzt viel geholfen und mich stark gemacht.

Ich studierte Psychologie, um alles besser zu verstehen. Bei der Selbstanalyse gelangte ich immer wieder nur bis zum Ereignis des ersten Missbrauchs und brauchte danach Hilfe um wieder im Leben «funktionieren» zu können. Ich entschied mich dann mit der Selbsthypnose aufzuhören.

Ich war auch immer wieder in psychiatrischen Behandlungen. Erst mit 35 Jahren bekam ich eine «volle Hypnose». Lange Zeit wurden bei mir nur Teilhypnosen angewendet, doch mein damaliger Psychiater wusste, dass eine «volle Hypnose» der einzige Weg sein würde, das Trauma zu entschärfen. Nah dies nah wurde mir durch viele Sitzungen alles bewusst und half mir, mehr Frieden und Ruhe zu finden. Die Albträume verschwanden danach.



Ich und die Welt als Gestalterin meines Lebens. «Aquarell 1985»
Danksagung
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1.  Danksagung

Eine grossartige Hilfe und Unterstützung erhielt ich von Herrn Erich Bohli von der Biografieplattform «meet-my-life». Er hat mich tatkräftig und kompetent unterstützt und nächtelang Support geleistet. Ihm verdanke ich, dass ich nicht verzweifelt aufgegeben habe und mein Leben veröffentlichen durfte.

Und ein MEGA grosses Danke an meine Freundin Barbara Fiorucci, die ich seit über 30 Jahren kenne. Sie hat meine Biografie mitfühlend und 100%-ig in meinem Sinn und Verständnis korrigiert und in ein «tragbares» Deutsch gewandelt.

Was weisst du oder erfuhrst du über deine Geburt?
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2.  Was weisst du oder erfuhrst du über deine Geburt?

(1) Meine Geschwister 1942. Mami war noch in Erwartung mit mir. Die letzte Gelte war schon vorhanden für mich
Meine Geschwister 1942. Mami war noch in Erwartung mit mir. Die letzte Gelte war schon vorhanden für mich


Ich war immer wieder im Dialog mit meiner Schwester Madlen.
 
Weisst du Mami hat mir das irgendwann erzählt. Bestimmt nach meiner vielen Fragerei, ich wollte doch alles wissen und verstehen.


Bruder Walter Luis, der Erstgeborene, trug den gleichen Namen wie mein Vater. So war es damals. Zu Vaters grosser Enttäuschung, hatte er einen Geburtsfehler, der zwischen dem 2. und 3. Lebensjahr zum Vorschein kam. Er hatte eine Trichterbrust, die mit etwa 13-jährig operiert wurde, sonst wäre er gestorben. Als er ins Spital kam waren wir 3 Mädchen sehr neidisch, weil er wegen seiner Beschwerden so viel Aufmerksamkeit erhielt. Er wurde später zu einem aufgeblasenen Gockel, sicher versteckte er damit seine Unsicherheit mit prahlen und Wichtigtuerei.


(2) Da sieht man Walters Trichter-Brust

Da sieht man Walters Trichter-Brust

Meine erste Schwester war Frieda Luise, die "Busle" genannt wurde und wie Mami hiess. Ein sanftes, immer williges, etwas melancholisches molliges Mädchen. Zu meinem grossen Unverständnis war sie immer hilfsbereit und eine duldsame Tochter. Sie wurde Vater sehr hörig. Wenn er selten mal zu Kunden ging, wartete sie zu unserem Erstaunen ungeduldig und traurig auf seine Rückkehr. Später war sie auch ihrem Ehemann hörig.

Meine zweite Schwester war aus Sicht meines Vaters wieder eine riesige Enttäuschung. Sie hiess Madelene und wurde "Mädi" genannt. Mein Vater kannte wohl schon damals seine schlimme krankhafte Seite.
Madelene war als Einzige ganz anders. Wir waren dunkelhaarig mit grünen Augen. Sie hatte blonde Zapfenlocken und runde blaue Augen, war eher «gäderig» - ein widerspenstiges trotziges zähes Mädchen. In Wut bekam sie riesige «Bullaugen» und ihre Haare ragten wie Antennen oder Zapfenzieher auf alle Seiten raus. Dazu ballte sie ihre Hände zu Fäusten und wurde ganz steiff. Ich beobachtete, dass das Verhalten meinen Vater noch wütender machte. Wenn sie davonrannte bekam sie umso mehr Prügel und Bestrafung.

Und dann kam ich als drittes Mädchen. Zu allem Elend wieder kein kräftiger Junge. Esther Hilda (Hilda - für mich ein schrecklicher Name). Aus grosser Enttäuschung und Angst kam Vater uns nicht einmal in die Frauenklinik in Zürich besuchen. Der Arzt sagte zu meiner Mutter, dass mein Vater so ein hübsches Mädchen nicht verdient hätte und er mich behalten und zu sich nach Hause nehmen würde. Natürlich nahm Mami mich heim. Ich war sehr feingliedrig, vielleicht auch deshalb Mutters Schützling? Ich machte Vater von klein an in meinem Kopf durchsichtig, zu Luft, zu einem NICHTS. Wie ein riesiges Untier, als Wolke am Himmel, das sich in kürzester Zeit auflöste. Damit spürte ich immer weniger Schmerzen!
Alle – ausser Mami – teilten die Meinung über mich als Eine mit einer übertriebenen Fantasie, eine Lügnerin, die dumm, blöd, unfähig und rebellisch war. Vater brachte es zur Weissglut. Schlimme Strafen und Demütigungen waren die Folge.

Wir wurden alle drei Mädchen auf viele Arten und Weisen sexuell missbraucht. Während des Aktes wurden die jeweils anderen weggeschickt, zum Beispiel in den Wald oder Daheim nach draussen.


(3) Papi, Gründer und Verehrer des Nudismus, mit meinen Geschwistern bei einer «Gugelfuhr»

Papi, Gründer und Verehrer des Nudismus, mit meinen Geschwistern bei einer «Gugelfuhr»

Wir mussten Papi abwechslungsweise mit Sonnenöl einreiben, was wir alle gar nicht gerne taten.


(4) Das war ursprünglich die Clique vom Strandbad, die später eine Nudisten-Clique gründeten

Das war ursprünglich die Clique vom Strandbad, die später eine Nudisten-Clique gründeten

Papi hatte mit Freunden eine Blockhütte am unteren (kleinen) Katzensee. Heute ist dort ein Naturschutzgebiet. Das eingehegte Gelände war nur für Verehrer von Nudismus zugänglich. Soviel ich weiss machte Mami dem Frieden zuliebe mit. Wir hatten keine Wahl, doch wir hatten es gar nicht gerne, irgendwie schämten wir uns auch. Wir waren alle eher braun gebrannt, Mamis Haut war eher bleich. Sie drückte sich vermutlich nackt zu sonnen.
  


(5) Mein erster Ausriss zum Bauern ganz unten an der Strasse und zu den kleinen «Säulis»

Mein erster Ausriss zum Bauern ganz unten an der Strasse und zu den kleinen «Säulis»
Wie gross war dein erstes Zuhause? Erinnerst du dich an die einzelnen Räume?
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3.  Wie gross war dein erstes Zuhause? Erinnerst du dich an die einzelnen Räume?


(1) Seebacherhus Rümlangstr. 8052 Zürich-Seebach

Seebacherhus Rümlangstr. 8052 Zürich-Seebach


Unser «Seebacherhus» an der Rümlangerstrasse findet man wegen seiner neuzeitlichen Atrium-Bauweise (1939) mit dem Trampelpfad über unserem Grundstück, dem sogenannten Waschhausweg von 1915, jetzt mit Foto im Internet OGS (Seebacher Ortsgeschichte. Unter der Bezeichnung Dubler Walter gibt es noch weitere Beschreibungen).

Unser «Schein-Heim», mit gestärkten schneeweissen Vorhängen und Geranien vor den Fenstern zur Zierde, neben der OKEY Fabrik auf dem Hügel. Bei guter Sicht sah man damals noch auf die Berge und über die ganze Stadt.

Vater liess es damals von einem Architekten namens Egli bauen. Es war ein sehr neuartiges Haus. Alle Räume hatten Zugang von der Halle her. Wenn man die Haustür öffnete gelangte man in eine Garderobe, durch die dann eine zweite Tür in die grosse Halle mit einem Bordeaux Klinkerboden führte. Mitten in der Halle befand sich ein grosser Holztisch mit einem grossen Leuchter, ein grosses Buffet an der Wand, darauf das Telefon und ein Grammophon, wo Vater ab und zu eine Langspielplatte auflegte. Ich erinnere mich noch an das Lied «Oh mein Papa» von Lys Assia und an den hölzernen Radio. Weiter befand sich eine Stehlampe mit Tischli, darauf ein grosser Aschenbecher für Vaters Pfeifen, ein bequemer Sessel und daneben und ein grosses Bordeaux Sofa im Raum. Das Schönste war der Kachelofen. Obendrauf befand sich eine Gussplatte, auf der im Winter gefüllte Äpfel oder Maroni gebraten wurden. Das roch dann wunderbar und füllte den Raum mit dem feinen Duft, was wir alle sehr liebten.
Mir gefielen auch die Pfeifenputzer, damit konnte man Figürchen bilden. Klar, dass auch das verboten war.

Von dieser Halle aus konnte man ins WC und durch eine weitere Tür ins Badezimmer gelangen sowie zu den anderen Zimmern. Auch eine gute Stube, wie das früher hiess, befand sich im Haus mit Parkettboden, einem Teppich, Tisch und grossen Buffet, wo das schöne Geschirr, Silberbesteck und die Kristallgläser aufbewahrt wurden. Dies alles zusammen mit bestickten Tischtüchern für Spezialanlässe. Am faszinierendsten fand ich die vielen grossen Gläser über dem Buffet, gefüllt mit Verschiedenem wohlriechenden Tabak, die Vater regelmässig mit Fruchtschalen von Orangen und Äpfeln usw. unterschiedlich bestückte. Alle rochen so herrlich, jedes anders. Viel interessantes gab es im Büchergestell - für mich tolle Bildbände über die ganze Welt, Kunst und Kulturen. Oft blätterte ich heimlich darin und vergass alles rund um mich. Oft wurde ich dabei auch erwischt und bestraft, denn das war nicht für Kinderhände vorgesehen. Auch in diesem Raum gab es einen grossen Holztisch, der sogar auf beiden Seiten ausziehbar war. Ich erinnere mich nicht mehr wie viele Stühle darum herum standen und auch nicht daran, jemals viele Gäste gesehen zu haben.

Ab und zu sass Vater in einem Stuhl und fertigte sehr schöne Kohlezeichnungen an. Was mich am meisten interessierte war, wie er am Ende mit einem Mundgebläse die Kohle auf den Zeichnungen fixierte. Einige Ölbilder hingen an der Wand von einem Kunden und Freund von Vater: auf einem roten Sofa, liegt eine weisse Langhaarkatze; Vögel und Landschaften. Ich weiss eigentlich nicht wofür wir diesen Raum hatten. Wir waren sehr selten darin, oft wurde der Raum auch nur mit einer Zentralheizung temperiert, gleich wie unsere Schlafzimmer.
Von der Stube her gelangte man auf einen grossen Balkon. Da spielten wir und assen sonntags an einem grossen Tisch mit Aussicht auf die Berge. An Weihnachten stand immer ein Tannenbaum in der Stube, bis zur Diele hinauf voll geschmückt mit Kugeln, Schokolademäusen und andere feine Sachen. Wir durften uns nicht selber bedienen. Wehe wenn man beim Naschen erwischt wurde.

Es gab auch noch das grosse Büro von meinem Vater, mit einem riesigen Pult und einem Bürostuhl, der drehen konnte, sowie ein Büchergestell. Natürlich wieder Pfeifen, Utensilien, ein Tintenfass, Federhalter und ein dazugehöriger Tintensaug-Roller. Dieser reizte mich speziell,
wenn Vater nicht zuhause war, weil alle sagten, dass links schreiben nicht gehen würde. Ich wollte aber mit einem total verdrehten Blatt, die Hand von oben führend üben. Gleichzeitig musste ich mit dem Roller die Tinte sofort trocknen und das befleckte Fliessblatt entfernen, sodass Vater es nicht bemerkte. Ich hatte zu dieser Zeit keinen Zugang zu Füllhalter, Tinte und Federn, da ich noch im Kindergarten war und mich mit Farb- und Bleistiften zu beschäftigten hatte, während meine Geschwister in der Schule waren. Mami liess mich gewähren solange Vater nicht zuhause war, so teilte ich mit ihr meine Geheimnisse.

Dann gab es das grosse Elternschlafzimmer. Von dort aus konnte man auch direkt ins Badezimmer und durch eine zusätzliche Tür zur Toilette gelangen, die auch von der Diele aus zugänglich war. Wir wurden allesamt einmal pro Wochen gebadet und die anderen Tage von oben bis unten gewaschen.
Im Elternschlafzimmer befand sich eine schöne Kommode mit Spiegel und einem Hocker - Mamis Kosmetik - die mich natürlich auch faszinierte. Im grossen Kleiderschrank waren Mamis wunderschöne Kleider und Satinschuhe mit Absätzen. Selten durfte ich sie anfassen und sogar die Füsse reinstecken. Wenn ich krank war durfte ich in Mamis Bett liegen. Weil sie wusste wie gerne ich alles untersuchte, gab sie mir einmal den schönen goldenen Wecker. Leider nahm ich ihn auseinander, weil ich wissen wollte, wie das funktioniert. Ich glaube, dass sie ihn nur noch verstecken konnte, weil sie ihn nicht wieder zusammensetzen konnte.

Dann gab es noch unsere Schlafzimmer. Spielen und Aufgaben wurden in der Halle verrichtet. In den Zimmern gab es Betten, Schränke und unsere Spielsachen, jedoch war es im Winter zu kalt, um darin zu verweilen.

Von der Halle aus konnte man direkt in die grosse Küche gelangen. Auch hier befand sich wieder ein Tisch mit einer Bank. Eine weitere Tür führte von der Küche in den Estrich. Das war einer meiner Lieblingsspielorte. Dort hatte ich meine Puppen und «schnurpfte» Kleider für sie oder malte. Ich liebte es im Estrich zu verweilen, da fühlte ich mich geborgen.

Dann konnte man von der Halle aus auch in den Keller gelangen, ein grosser Raum mit Werkzeugen, Vorratskammer und Holzhurden für Früchte sowie Sand fürs Gemüse. Auch gab es einen Heizkeller mit Kohle für die Zentralheizung und Holz für den Kachelofen. Dort lebten auch Mäuse. «Oh waia» - wenn eine schlimme Strafe anstand, war das der Ort wo wir, insbesondere ich, eingesperrt wurden.

Vom Grosskeller gelangte man in die Waschküche und Trocknungsraum, von dort weiter in das grosse Gartenzimmer, das mit allem möglichen eingerichtet war. Man konnte dort auch leben. Es gab eine Kochnische eine Dusche und ein WC.

Eine weitere Dusche gab es vor dem Gartenzimmer, um sich abzukühlen. Vater spannte jeweils Tücher auf um uns vor den eventuellen «Gwundernasen» zu schützen, wenn wir Sonnenbadeten. Es sollte ja alles geheim bleiben. Auch war unser ganzer Garten mit einem immergrünen Lebehag abgegrenzt. Das restliche Land bis hin zur Strasse hinunter, war an einen Bauern verpachtet. Vor dem Gartenzimmer befand sich eine grosse flache Grasterrasse. Nachbarhäuser befanden sich nur zwei oberhalb unseres Hauses in Richtung Aussichtspunkt.
Ich liebte unseren grossen Garten, die viele Blumen und Bäume, die Glocken- und Klaräpfel, die Bernerrosen-, Boskop-, Grafensteineräpfel, die Kirschen, Pfirsiche, Aprikosen, Birnen, Beerensträucher, Stachel-, Johannis- und Himbeeren und die grosse Erdbeeren.

Ein Bauer half uns mit dem grossen Garten und dem vielen Gemüse. Wir konnten unser Sackgeld mit dem Jäten von Gartenwegen aufbessern, was wir alle brav taten. Ich erinnere mich, dass ich ein Werkzeug fand, welches zum Schaben geeignet war. So gelang es mir in kürzester Zeit mehrere Wege säuberlich zu räumen und ich konnte so schneller mehr Sackgeld verdienen, was Mami tolerierte. Meine Geschwister entschieden sich dagegen. Oft wurde ich von meinen Geschwistern als von Mami verwöhnt beschimpft. Ich sass dann gerne in der Wiese und beobachtete Käfer und Blumen oder schaute den unterschiedlichsten Wolken nach.
Der Duft der Wiese, das Zwitschern und Brummen beruhigte mich unglaublich.
Es gab in der Abenddämmerung auch Glühwürmchen, die mich unglaublich faszinierten. Wenn ich eines erwischte, sah es so unscheinbar aus in meiner Hand. Auch die wunderschönen Sommervögel bewunderte ich, wenn sie sich aus einer Raupe entpuppten. Für mich war schon von klein auf alles ein Kommen und Gehen. Die Bäume liessen ihre Früchte im Herbst fallen, die Samen, die im Boden wieder zu kleinen Bäumen wuchsen. Ein grosses Wunder, das mich zum Staunen brachte.


(2) Mami mit uns 4

Mami mit uns 4

 

 

Wohnte noch jemand bei euch?
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4.  Wohnte noch jemand bei euch?

Ich weiss es nicht ganz sicher oder ob ich mir dies in meiner Fantasie ausmalte. Meine Schwester Madlen weiss es auch nicht. Mir ist, als ob das Gartenzimmer einige Male durch Familien für einige Tage bewohnt war. Irgendwie erinnere ich mich, dass an diesen Tagen unser Alltag anders ablief und es Verbote gab, die sonst nicht herrschten.

Wir durften nicht in den Keller und ich glaubte leise Stimmen zu hören, das war im Winter, im Jahr 1945. Mami wollte nicht darüber sprechen, und meinte ich hätte mir das nur eingebildet, doch meine Tante Elisabeth sagte mir später, dass Vater einigen Jüdischen Familien für einige Tage Unterschlupf ermöglichte, bis sie eine Bleibe in der Schweiz fanden. Er hätte es sich ja leisten können, trotz den begrenzten Essensmarken, da er mit den Bauern eine spezielle Beziehung hatte und unser Haus vor den Blicken von Nachbarn gut geschützt war. Mein Vater war ja meistens Zuhause und behielt die Übersicht und Kontrolle. Nun, erst viel später, passte alles zu dem Bild, das ich immer mehr von meinem Vater gewann: er war ein Patriarch, brutal zu uns, aber im Aussen wollte er ein gerechter geachteter Mann darstellen. Um dieses Bild zu wahren wandte er so strenge Regeln bei uns an. Wir hatten so nicht den Mut, durch Kontakte im Aussen Beziehungen aufzubauen. Hundertprozent isoliert, er wusste genau wie lange unser Schulweg war. Wenn wir etwas später heimkamen war er schon oben auf dem Hügel und wartete. Danach gab es Strafen und Schläge für uns alle. Auch einladen durften wir nie jemanden. Dazu mehr in einem anderen Kapitel.
Welche Rolle spielten Sonntage und Feiertage wie Weihnachten, Sankt Nikolaus, Ostern und Geburtstage in deinem Kinderleben?
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5.  Welche Rolle spielten Sonntage und Feiertage wie Weihnachten, Sankt Nikolaus, Ostern und Geburtstage in deinem Kinderleben?

Jedes Jahr gab es einen riesigen Weihnachtsbaum. Er musste immer bis an die Decke reichen und Vater schmückte ihn. Wir durften vorher nie rein in die Stube. Am Heiligabend erklang ein kleines Glöcklein und dann durften wir eintreten. Die Kerzen brannten und die vielen Kugeln glänzten, unter dem Baum war ein watteähnliches weisses Tuch, darauf befanden sich schön verpackte Geschenke. Wir glaubten an das Weihnachtskind. Vorher gab es immer ein feines Festessen wie Truthahn oder so. Erst danach war das Weihnachtsfest mit dem Baum. Dann wurden Weihnachtslieder gesungen und Flöte gespielt, was ich gar nicht gerne tat und dann durften wir die Geschenke auspacken. Es gab damals Schokolade, Spiele oder auch mal Puppen. Einmal stand ein ganz moderner Puppenwagen neben dem Baum, den Mami heimlich für mich kaufte. Sie schmuggelte ihn kurz nach dem Essen in die Stube. «Wau», das gab ein riesiges Donnerwetter von Vater. Mutter weinte und das war das Ende dieser Weihnacht. Meine Geschwister waren oft wütend auf mich, wegen solcher Privilegien. Sie sagten ich sei ein verwöhntes Ding. Ich hatte immer das Gefühl ich sei etwas ganz Besonderes, einfach so!!

Dann war natürlich der Samichlaus mit Schmuzli. Der Samichlaus hatte einen Sack auf dem Rücken, ich glaubte mal etwas Beine mit Schuhen rausragen gesehen zu haben. Wir mussten aus dem grossen Buch unsere «Untaten» anhören, dann immer einen Vers aufsagen und zuletzt gab es einen Sack Nüsse, Datteln, Orangen und Äpfel mit einigen Schokolademäusen und mein Lieblingsbärendreck aufgerollt. Ich weiss noch heute wie ich eine Riesenangst hatte und mich hinter dem Couch versteckte.

Es gab auch immer ein Osternest, das Vater bei schönem Wetter draussen versteckte. Wir alle glaubten lange an den Osterhasen, und waren überzeugt, ihn durch die Rolladen mit einem gefüllten Korb auf dem Rücken, gesehen zu haben. Einmal konnte ich mein Nest nicht finden und Vater hatte anscheinend vergessen, wo er es versteckte. Also mussten alle mir etwas aus ihren Nestern abgeben, was sie gar nicht freute. Die Eier durften wir von oben und unten gegen einander schlagen. Dasjenige welches ganz bleib kriegte das kaputte. Walter benutzte dabei einmal ein Gipsei, doch es kam raus – «oh waia!».

Ja, jetzt fällt es mir ein. Jeden 1. August mussten wir unterhalb des Hauses in der Wiese einen riesigen Holzhaufen zu stappeln. Am 1. August wurde die Schweizerfahne aufgezogen und der Holzstappel angezündet. Er musste, nach meinem Vater, weit herum gesehen werden. Auch Lampione hingen herum, die man herumtragen konnte, alles mit Schweizerkreuz. Im brennenden Feuer wurden dann eingepackte Kartoffeln gebraten und "Marshmallows" am Stecken geröstet. Feuerwerk gab es bei uns, soviel ich weiss, nur Zuckerstöcke und diese entzündete unser Vater.


An ganz speziellen Tagen durften wir bei Mami das Essen wünschen, zum Beispiel an Geburtstagen. Was mir noch unglaublich lecker in Erinnerung blieb sind die Omelettes soufflées oder Meringuee mit Maroniwürmli. Das ist für mich auch heute noch eines der höchsten Gefühle von Genuss.
 


(1) ich noch ganz klein

Mit Mami mit uns 4 am 1. August

 

An Geburtstagen gab es auch jeweils ein kleines Geschenk und ich glaube ein von Mami gebackener Kuchen. Was auch besonders war, dass Vater sonntags oft zum Beck Gnädinger am Schaffhauserplatz ging, ab und zu einen Zopf und manchmal Schwarzwälder Torte mitbrachte. Selten mal Marzipanfrüchte und -tiere. Leider musste ich jedesmal erbrechen, obwohl sie sooo schön waren. Ich vertrug die Blausäure der Mandeln nicht.

Wenn das Wetter es erlaubte war sonntags immer spazieren angesagt, was ich hasste.

 

(2) Wir vier mit Vater, sicher an einem Sonntag, Mami fotografierte vermutlich.

Wir vier mit Vater, sicher an einem Sonntag, Mami fotografierte vermutlich.

 

Alle anderen Kinder von Seebach gehörten der einen oder anderen Kirche an und gingen jeden Sonntag natürlich mit ihren Familien dorthin.
Was anders war bei uns. Wir gehörten keiner Kirche an. Vater wurde Atheist und ist früh aus der Katholischen Kirche ausgetreten, sie waren in seiner Familie damals in Wohlen AG sehr katholisch. Mami war früher Reformiert.

Was für Kleider hast du getragen?
Seite 6
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6.  Was für Kleider hast du getragen?


(1) Ich hasste Hosen! Meine Geschwister und ich
Ich hasste Hosen! Meine Geschwister und ich

 
Später hasste ich, wenn Papi an den Schuhen kleine «Iselis» vorne und hinten anbrachte, die bei jedem Schritt Klick-Klack machten, zum Schutz der Sohlen.

Schürzen mochte ich ganz und gar nicht, die wir zur Schule tragen mussten. Ich versteckte sie jeweils schön zusammengelegt im Lebehag und wenn ich gefragt wurde wo diese sei, sagte ich, Mutter hätte sie vergessen mir zu geben oder so ähnlich.


(2) Wir 4

Wir 4

Genau erinnere ich mich, wie Mami ab und zu für uns drei Mädchen schöne Kleider nähen liess. Gelbe mit weissen Mustern, sogenannte Cloqués-Stoffe. Auch erhielt ich schon sehr früh gestrickte Stumpfhosen, ich jammerte nicht, wenn mich die Wolle kratzte, denn ich fand sie toll. Die meisten Kinder, auch meine Geschwister, hatten damals noch Strümpfe mit einem «Gestältli». Dieses wurde mit Gummibändern und Löchern für die Knöpfe an den Strümpfen festgemacht. Ich musste keine solche tragen. Auch liebte ich nur kurze Socken und jedoch keine Kniestrümpfe. Immer hat Mami mir mit grossen weissen Bändern die Haare zusammengebunden, was ich auch sehr schön fand, es sah aus wie Sommervögel an meinem Kopf.

Ab und zu genossen wir mit Kleider draussen zu spielen, vielleicht war Vater bei Kunden???
und Mami liess uns machen.


(3) Wir 4 beim Zelten
Wir 4 beim Zelten

 

 


(4) Mami, meine Geschwister und ich nach dem Tod von Vater 1959
 
Mami, meine Geschwister und ich nach dem Tod von Vater 1959
Meine Mutter
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7.  Meine Mutter

Woher stammt deine Mutter? Was weisst du über ihr Leben? Wie hat sie den Krieg erlebt?



(1) Mami mit ca. 18 Jahren

Mami mit ca. 18 Jahren

 

(2) Mami und Papi vor ihrer Hochzeit

Mami und Papi vor ihrer Hochzeit

 


(3) Mami und Vater, Hochzeitsbild

Mami und Vater, Hochzeitsbild

 



(4) Mamis und Vaters Hochzeit mit Grosmutter, Mamis Halbgeschwister und Pflegekinder

Mamis und Vaters Hochzeit mit Grosmutter, Mamis Halbgeschwister und Pflegekinder

 

 
Meine Grossmutter kannte ich. Von Vater aus, durfte Mami Kontakt pflegen mit ihren Verwandten. Meine Grossmutter war eine hagere grosse Frau, sicher sehr verbraucht und auch verbittert von ihrem schweren Leben. Ich mochte sie nie wirklich, wir waren selten bei ihnen. Mutters jüngster Bruder Werner mit Frau, oft auch Tante Anna, hatten einen Hof in La Heutte im Jura.

Mami wurde am 5. August 1913 geboren. Grossmutter verliebte sich in den Sohn von einer wohlhabenden katholischen Familie Rickenbach, die eine Transportfirma in Zürich, damals mit Ross und Wagen, besassen. Am Bürkliplatz steht ein grosser steinbehauener Stier mit Mann, das könnte anscheinend Mamis Vater dorthin transportiert haben. 

Diese Familie hatte jedoch eine andere Partie für ihren Sohn im Sinn, denn meine Grossmutter kam aus eher ärmlichen Verhältnissen und sie waren Protestanten, was damals eigentlich ein Tabu war für Katholiken. Doch bestand der Sohn auf die Heirat, vermutlich war Grossmutter schon schwanger mit meiner Mutter. So zog meine Grossmutter zu ihren Schwiegereltern. Die ganze Familie behandelten sie sehr schlecht. Mami erzählte mir später, Grossmutter sei sehr unglücklich gewesen. Meine Mutter war noch kein Jahr alt, als Grossvater von einem Pferd am Kopf geschlagen wurde und gleich starb. Danach flüchtete meine Grossmutter zu ihrer Mutter – wie viele Geschwister sie hatte, weiss ich nicht. Dort ging sie dann in einer Fabrik arbeiten und Mami wurde von ihren Tanten und der Urgrossmutter betreut.






(5) Stierbändiger am Bürkliplatz Zürich

Stierbändiger am Bürkliplatz Zürich

 

Später heiratete meine Grossmutter einen einfachen Mann. Er war verwitwet und soviel ich weiss Tagelöhner und brachte zwei Söhne aus erster Ehe mit. Mit ihm hatte Grossmutter dann noch drei Mädchen und sehr viel später noch einen Sohn. Leider war er sehr oft krank und musste zur Kur. Ich vermute er hatte Tuberkulose. Deshalb musste meine Grossmutter zusätzliche Kinder betreuen, die halbwaise waren und konnte so mitverdienen. Sie waren vermutlich sehr arm. Mami wurde von ihren Halbschwestern Anna, Rosette und Elisabeth sehr geliebt. Den Stiefvater mochte meine Mutter sehr. Er war ein stiller und sanfter Mann. Ich glaube er ist dann früh gestorben, als der Halbbruder noch klein war. Meine Mutter kümmerte sich nebst der Schule um die Halbgeschwister und die Pflege der Kinder. Sie wurde als eine sehr geduldige und liebevolle Person überall geschätzt, das weiss ich auch von meinen Tanten.

Sie ging in die Sekundarschule und der Lehrer fand, dass sie weitermachen sollte, weil sie eine gute Schülerin war, doch das war finanziell nicht möglich. Ich weiss von ihr, dass sie gerne Sprachen studiert hätte. Rosette und Elisabeth waren nach der obligatorischen Schule in verschiedenen Haushalten tätig, um mitzuverdienen. Mami musste ab und zu auch in der Fabrik arbeiten. Später kam Mami zur Familie Dubler als Haushälterin und Hilfe für die Pflege der kranken Frau Dubler. Sie wurde kurz vor Frau Dubler’s Tod schwanger und heirateten darauf meinen Vater. Elisabeth und Rosette kamen anscheinend zu Beginn zu ihr zu Besuch, doch hat sich mein Vater auch an ihnen vergriffen, das weiss ich von den Tanten. Er kaufte der Grossmutter (Mutter’s Mami) ein Haus, damit sie weniger Sorgen hätte, doch Grossmutter konnte sich ihm nicht unterordnen. Sie entschied sich kurzerhand mit Werner, ohne meinen Vater zu informieren, nach La Heutte in den Jura zu ziehen und dort einen Hof als Pächterin zu übernehmen. Vater brach jede Verbindung zu ihr ab, erlaubte aber meiner Mutter weiterhin den Kontakt.

Mami war immer eine zierliche gut gekleidet und sehr ruhige duldsame Person. Wir merkten schon früh, dass sie sich einhundert Prozent bei Vater und auch bei ihrer Mutter unterordnete. Sie konnte sich leider nie behaupten und durchsetzen.

Bis zu dem Zeitpunkt als mein Vater starb. Das war der Moment wo Mami sich mithilfe eines Beistands arrangierte, damit wir als Halbwaise nicht verteilt wurden. Er war jedoch nach einiger Zeit nicht mehr oft da und wir vier entwickelten uns immer mehr zu einer sehr wilden Horde. Oder wie Vögel, die aus dem Käfig freigeworden sind und flügge werden. Das vorhandene Erbe wurde später, vor allem als Walter die Kaufmännische Lehre beendete, eine grosse Versuchung. Die Zürcher Vormundschaftsbehörde hätte alles überwachen müssen, denn wir waren ja Halbwaise, doch wurde alles nur schubladisiert. Für meine Mutter wurde es dann sehr belastend. Mehr darüber später.




(6) Wir Kinder und Mami nach dem Tod von Vater

Wir Kinder und Mami nach dem Tod von Vater

 

Mein Vater
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8.  Mein Vater
Was fällt dir als erstes ein, wenn du an deinen Vater denkst?

Aussen fix innen nix!!!! Für mich damals eine heile Scheinwelt in der wir lebten. 

Wir alle haben unter Vater, jedes auf seine Weise gelitten und waren unterdrückt. Weil wir nicht wie die anderen lebten, waren wir Kinder Aussenseiter in allen Belangen. 

Wir gehörten keiner Kirche an, also Atheisten. Wir wurden von anderen Kindern als Heiden, manchmal sogar brutal als Menschenfresser beschimpft.

Vater war ein Nudist. Damals als einer der Ersten gründete er einen Club in einem Holzhaus am kleinen Katzensee. Es wurde sicher gemunkelt doch sagte und fragte niemand danach. Wir durften auch Daheim keine Badehosen tragen, nur bei Mutter machte er ab und zu Ausnahmen. Er trug auch keine, jeweils mussten wir Mädchen ihn einschmieren, was wir alle verabscheuten. Auch um den Garten herum gab es einen hohen immergrünen Lebehag um neugierige Blicke abzuhalten. Die Nachbaren waren alle ausser Sichtweite, auch die Firma OKEY links von uns. Eines der Nachbarhäuser seht noch gleich neben dem Aussichtsplatz Ende der Rümlangerstrasse. Oben auf dem Felsen lebte damals der Pilot Mittelholzer in einem grossen «Holz-Schale», die später an die Besitzer eines Elektrofachgeschäfts von Oerlikon verkauft wurde.

Zuunterst bei der Käsehaldenstrasse lebten die Bauern, Schnellmann’s und die Kläusli’s. Aber wir hatten ja keinen Kontakt zu ihnen. Der Bauer der meinem Vater half und seine Schwester, die meine Mutter im Haushalt unterstützte, lebten in Rümlang hinter dem Aspholz-Wald.


(1) Mittelholzer einer der ersten Piloten, mein Vater und der Architekt Egli waren befreundet

Mittelholzer einer der ersten Piloten, mein Vater und der Architekt Egli waren befreundet

Damals waren wir wie stumme Kanarienvögel, oder eher mundtote Spatzen, die in einem goldenen Käfig gehalten wurden. Ja, wir waren Exoten, nicht zu beneiden, das ist meine Meinung.

Also mein Vater Walter Luis, ein Herrscher, ein riesiger stämmiger und mächtiger Mann, mit polternder Stimme, immer braun gebrannt. Grau meliertes dunkles krauses Haar, grün-gelbliche Augen. Er arbeitete zuhause, war Kaufmann und Treuhänder, eine autoritäre Person, die von allen – ausser uns - sehr respektiert und geachtet wurde. Meistens mit einer fein riechenden Pfeife im Mund.

Er hatte Hobbys, die wir nicht schätzten: Pilze und Tannenzapfen sammeln. Oft mussten wir Mädchen einzeln mitgehen… ja und dann!!! Ein weiteres Schauspiel, dass er liebend gerne aufführte war im Zoo und wir mussten alle still zuschauen, dabei schämten wir uns alle sehr, aber niemand hielt ihn auf. Bei den Raubkatzen stand er davor und «hypnotisierte» sie bis sie sich in die hinterste Ecke drückten und fauchten. Dann war er befriedigt und wir zogen ab.

Für uns war er ein Monster, für nichts und wieder nichts gab es brutale Strafen, welche auch mal sichtbare Spuren hinterliessen. Nach meinem heutigen Wissen war er masochistisch veranlagt, weil er sich für seine Sucht selbst strafte. Das spürte ich ganz klar, denn er litt, nachdem er uns als Täter misshandelte und traktierte jeweils mehr als wir Opfer.

Ich erinnere mich an drei grosse schöne Birken neben dem Sandkasten. Sie waren eines meiner Lieblingsorte, kaum konnte ich klettern. Hoch oben im Horst, in einer Vergabelung, niemand traute sich so weit hinauf wie ich, fühlte ich mich so unnahbar und sicher. Dem Himmel, der Sonne und sogar dem Mond so nah. Sogar im Sturmwind schaukelnd, fühlte ich mich geborgen und sicher. Noch heute rieche ich gerne den Duft der Birken. Zwei Nachteile gab es dennoch, doch das gehörte dazu. Zum einen war da die Birkenlaus, flach, hellgrün mit Tupfen. Sie verströmte einen ganz penetranten Geruch und verursachte Flecken. Beides blieb oft in den Kleidern hängen, Hosen wollte ich ja nie tragen. Zum andern war da Vater. Wenn er uns hoch oben in der Krone erwischte und nichts machen konnte, gab es danach Strafen. Doch egal, ich hatte ja mein Vergnügen. Augen, Ohren zu und durch bis es vorbei war.

Warum er so war oder wurde? Viel später konnte ich einiges rausfinden, wir hatten ja gar keinen Kontakt oder hörten nichts über seine Familie. Als ich in Winterthur, als junges Mannequin meine ersten Modeschauen lief, wurde ich am Ende gebeten zu einem Herrn zu kommen der mich dann fragte, ob ich ein Dubler-Kind sei, was ich natürlich bejahte. Er sagte mir dann, er sei der jüngere Bruder meines Vaters. Durch ihn erfuhr ich dann einiges über Vater’s Vergangenheit.


Was weisst du über sein Leben?
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9.  Was weisst du über sein Leben?


(1) Vater, seine Mutter, seine kleinste Schwester, die sich früh das Leben nahm, dann sein Bruder und eine weitere Schwester
Vater, seine Mutter, seine kleinste Schwester, die sich früh das Leben nahm, dann sein Bruder und eine weitere Schwester

 


(2) Vater noch zuhause in Wohlen, Kanton AG, wahrscheinlich 18-19 Jahre alt

Vater noch zuhause in Wohlen, Kanton AG, wahrscheinlich 18-19 Jahre alt

Er hat sich auf den Fotos meistens einen Schnauz gemalt. Ich vermute, um älter auszusehen.



(3) Vater noch nicht 20 Jahre

Vater noch nicht 20 Jahre




(4) Vaters Comestible-Laden am Central, den er mit seiner ersten Frau eröffnete

Vaters Comestible-Laden am Central, den er mit seiner ersten Frau eröffnete

 

  


(5) Mami mit meinem Bruder Walter

Mami mit meinem Bruder Walter

 

Eigentlich wollte ich betreffend Missbrauch keine Details schreiben. Doch im Verlaufe der Zeit wurde mir klar, dass dies einen der wichtigsten Teile meines unkonventionellen Verhaltens prägte. Das heisst ich hatte Glück, meine Eigenarten, die sich aus meinen Reaktionen darauf entwickelten, zu meinem Vorteil umzunutzen, dies ganz speziell als Jugendliche. Mehr darüber später.

Mein Vater, stammte von Wohlen AG. Viel später erfuhr ich, dass die Familie streng katholisch war. Er war der Älteste von 4 Kindern. Nach ihm folgte eine Schwester, dann ein Bruder und zuletzt, viel später noch eine weitere Schwester. Über seinen Vater weiss ich sozusagen nichts, ich weiss auch nicht, weshalb mein Vater auch in dieser Familie wie ein Oberhaupt funktionierte. Ich weiss auch nicht, ob sein Vater oft weg war, krank oder im Militär weilte. Als seine jüngste Schwester noch klein war, wurde eine Hausangestellte von Deutschland angestellt. Diese Frau Lienhard war ca. 20 Jahre älter als mein Vater. Anscheinend hat er sich in sie verliebt. Seine jüngste Schwester hat sich in der Pubertät das Leben genommen. 

Nach dem Tod der kleinsten Schwester heiratete er diese Frau, gegen den Willen seiner Familie, zog mit ihr nach Zürich und brach jeden Kontakt zu seiner Vergangenheit ab. Er trat aus der katholischen Kirche aus und wurde Stadtbürger von Zürich. Seine Frau konnte keine Kinder kriegen, deshalb eröffnete er mit ihr ein Comestible-Geschäft in der Nähe vom Central. Sie wurde dann nierenkrank und es ging ihr immer schlechter. Das war dann da, als meine Mutter für den Haushalt und ihre Pflege engagiert wurde. Als sie starb heiratete Vater meine Mutter, sie bereits schwanger mit meinem Bruder.

Mein Vater war ca. 190 cm gross, kräftig gebaut und braun gebrannt, meine Mutter zierlich und ca. 163 cm gross.
Übrigens, mein Vater wurde wegen Angina Pectoris, als dienstuntauglich erklärt und musste deshalb keinen Militärdienst leisten.

Meine Eltern zogen nach der Fertigstellung des Seebacherhauses mit meinem Bruder um. Mein Vater starb 1952 zuhause an einem Herzschlag. Er fiel von seinem Bürostuhl nach hinten und war sofort Tod. Wir Kinder fühlten uns alle riesig erlöst und erleichtert. Meine Geschwister zeigten es nicht so offensichtlich, ich tanzte jedoch herum und fühlte mich viel leichter. Ich fühlte mich wie eine Feder.

Es geschah kurz vor dem Abendessen, ich weiss noch genau es gab Birchermüsli, das hat mir noch nie so gut gemundet. Wir sassen alle ganz still am Tisch, was sonst ein Muss war. Mutter telefonierte dem Arzt, der dann vorbeikam und den Tod feststellte. Mein Vater wurde ins Gartenzimmer gebracht und dort aufgebahrt. Ich ging ihn öfters anschauen, um sicher zu sein, dass ich nicht träumte. Kurz darauf wurde er kremiert und ins gleiche Grab gebracht, wo seine erste Frau begraben war. Ein behauener Grabstein, mit dem Namen und Datum von beiden erinnerte an sie. Ich ging ihn nie gerne auf den Friedhof Nordheim besuchen, doch wir mussten oft alle mit. Nach seinem Tod war bei uns Daheim die ganze Halle, «bums voll» mit Blumen. Ich rieche noch heute die Nägelis. Kurz nach der Beisetzung wurden wir alle reformiert getauft. Danach kam über längere Zeit ein Beistand zu meiner Mutter. Wir waren ja danach Halbwaisen. Ich weiss, dass es damals darum ging, uns aufzuteilen. Ich zu meiner Gotte, evt. Madlen und oder Fried auch. Doch wehrte sich meine Mutter vehement und verhinderte diese Massnahme. Alle dachten, sie sei mit vier Kindern, zum Teil Teenies, total überfordert. Mein Vater besass eine Lebensversicherung, mehrere Appartements und unser Haus. Also war es kein finanzielles Problem. Vermutlich wollte meine Mutter beweisen, dass sie, das erste Mal in ihrem Leben auch in der Lage sei, zu führen. Doch kam es leider anders, wir waren alle wie Vögel, die aus einem Käfig entflohen. Jedes auf seine Weise. Mein Bruder war Ende seiner Kaufmännischen Lehre, Madlen und Fried Ende der Sekundarschule, alle schon im Teenageralter.


(6) Beerdigung von Papi. Wir und meine Gotte (Tante) Margrit, eine Cousine von Mami mit ihrer Tochter
 
Beerdigung von Papi. Wir und meine Gotte (Tante) Margrit, eine Cousine von Mami mit ihrer Tochter
Was waren Vater’s herausragende Eigenschaften?
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10.  Was waren Vater’s herausragende Eigenschaften?

Sehr viel später lernte ich auch seine guten Seiten kennen. Oder besser gesagt, bei wichtigen Erkenntnissen in meinem Leben, begann ich auch Vater’s Vorteile zu sehen. Das Erste was mir einfällt ist, dass ich weiss oder besser gesagt lernte, dass die Grundkondition für den Körper im Kindesalter geformt wurde.
Unsere Ernährung war hervorragend, da war Vater Pionier für damalige Verhältnisse, wir hatten immer dunkles Brot die Woche durch und Süssigkeiten gab es nur zu besonderen Gelegenheiten. Durch unseren Garten und vom Bauern hatten wir immer frisches saisonales Gemüse wie Bärlauch, Zwiebeln, Knoblauch und Früchte. Wir assen, wenn Fleisch, vorwiegend weisses Fleisch wie Huhn, manchmal Fisch. Eigentlich keine Würste, kein Schweinefleisch und sozusagen kein rotes Fleisch. Ganz selten Wild und Kaninchen vom Bauer. Und was ja auch sein grosses Hobby war, viele Pilze, die er gut kannte. Bis auf einmal hatten, wir alle Bauchschmerzen wegen den Eierschwämmen. Wir mussten jedoch nicht ins Spital, sondern bekamen einen speziell gebrauten Tee von Vater. Am nächsten Tag war der «Spuck» vorbei. Getränke bestanden vorwiegend aus Wasser, von Mutter zubereitetem Tee und ganz selten Sirup. Saisonal mal frischen Süssmost und immer frische Milch. Ganz selten gab’s Fritiertes wie zum Beispiel Fasnachtsküchlein. Ein tolles Erlebnis war das jeweils, wenn Mami diese herstellte und wir auf der Küchenbank sitzen und zuschauen durften. Ich erinnere mich noch an all die Stangen, um die sie die Teigfladen trocknen liess. Ein Riesenfest für uns war auch, wenn wir ganz alleine zuhause waren – was ja beinahe nie vorkam – und wir uns dick Kondensmilch aufs Brot strichen oder Maggiwürfel naschten. Einmal wollten wir sogar «Caramelzältli» zubereiten, doch es gab ein Feuer, weil die ganze Sache zu heiss wurde und verbrannte. Was danach passierte weiss ich nicht mehr.

Zum Frühstück gab es jeweils Brot mit Butter und Mamis Konfi, mit wenig Zucker, Honig vom Bauern oder Haferflocken mit Früchten und Milch. Weil ich keine Milch vertrug, kriegte ich von Mami zubereitetes Naturejoghurt. Wir besassen einen idealen Keller für die Lagerung von vielen Nahrungsmitteln: Sand für den Chicorée, für die Rüeblis und Holzroste für die Früchte usw.

Auf der Schulreise bekamen wir Studentenfutter usw. - wir alle sahen darin nur Schikane. Doch heute weiss ich, dass wir durch Vaters bewussten Ernährungsstil, eine robuste körperliche Grundkondition erhielten.

Auch schaute Vater darauf, dass wir viel an der Sonne waren, was wir damals jedoch nicht schätzten wegen des Nudismus. Wir gingen oft im Wald laufen, im Winter schlitteln oder liefen auf dem gefrorenen Katzensee und wie ich mich erinnere im Dolder. Wir besassen Schlittschuhe, Skis mit Riemen und Velos, zwar schwere Dinger so ähnlich wie Militärfahrräder, aber sie dienten uns, viel draussen an der frischen Luft zu sein.

Später lernte ich, dass all dies grundlegend für ein lebenslanges starkes «Gerüst», für einen gesunden Körper ist – eine sehr gute ausgewogene Ernährung und viel Bewegung in der Natur.

«Ui» und dann kam noch dazu, dass wir uns im Winter jeden Morgen in Reih und Glied aufstellen mussten und «oh, graus» Vater schüttete jedem einen Löffel Fischtran in den Mund. Das machte wohl, dass wir sozusagen nie oder nur selten erkältet waren.

Ich bin heute davon überzeugt, dass all dies zu unserer starken Grundkondition beigetragen hat. In einem gewissen Sinne bin ich ihm dankbar dafür. Auch half mir, dass ich mein ganzes Leben lang an meinem Seelenwohl und an meinen psychischen Themen und Problemen gearbeitet habe und dadurch eigentlich die Tragik überwunden habe.
Meine Geschwister konnten dies nicht so wie ich, jedoch hatten wir alle die körperliche Grundkondition, wovon wir als wertvolles grosses Geschenk fürs Leben profitieren konnten.

Eines möchte ich hier erwähnen, ich bin sehr neugierig über die neuen Erkenntnisse in der Wissenschaft. Ich lese viel und sehe mir Vorträge zu den verschiedensten Themen im Internet an. Es ist meine grosse Leidenschaft mich weiterzubilden und zu lernen. Zum Beispiel von Prof. Gerald Hüther; früher Hirnforscher, Neurologe, heute mit viel ganzheitlichem Wissen: wie Potentiale entfalten, wie miteinander umgehen, wie nicht Objekt von anderen werden und auch andere nicht als Objekt zu behandeln. Mich inspirieren auch viele andere Wissenschaftler und Themen wie Quantenphysik, der Philosophe Prof. Martin Saar, spezialisierter Machtexperte und Moralforscher. Solche Themen verfolge ich mit viel Begeisterung. Kürzlich habe ich einen Vortrag von Biologie Professor Bruce Lipton, mit 30 Jahre Erfahrung in Stammzellenforschung und Entwicklungsbiologie, gehört. Er erwähnte aus neusten Erkenntnissen aus der Epigenetik, dass es eine grosse Rolle spielte, war wir selber lernen und in welchem Umfeld wir uns befinden. Auch was wir mit der Macht unseren Gedanken tun und wie diese unsere Biologie beeinflussen und das Leben so mitbestimmen und wir nicht der vererbten DNA unterworfen sind.

Ganz unbewusst habe ich mein Leben so gestaltet: Offen für Neues, neugierig, nicht hängenbleiben an Altem. Mich nicht mit eingeimpftem Schulwissen zu befassen – das hat mir ja sowieso in jeder Hinsicht gefehlt. Ich konnte so nicht verharren im Alten und Vorgegebenem, sondern kreierte meine eigenen Lebenserfahrungen. Mein unbewusstes fantasievolles Denken half mir, mich und das Leben besser verstehen zu lernen, zu begreifen. Was heute Bruce Lipton wissenschaftlich beschrieb, praktizierte ich Zeit meines Lebens völlig unbewusst und finde nun ein Verständnis dafür – Durch die Macht unserer Biologie mit Unbewusstem Sein mit positiven Gedanken unsere Gene zu verändern.
Der rote Faden in meinem ganzen Leben dreht sich genau um diese Aspekte – nicht weil ich besonders klug war – aber weil ich frei von Normen und Werten der Gesellschaft unbewusst meinen ureigenen Weg gehen konnte.
Meine Grossmutter väterlicherseits
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11.  Meine Grossmutter väterlicherseits

Wir hatten, wie bereits erwähnt, gar keinen Kontakt zu ihr. Erst viel später durch die Frau vom Bruder meines Vaters, hörte ich Einiges. Sie war viele Jahre in der Psychiatrischen Klinik, anscheinend schwermütig und Selbstmord gefährdet, was sie schliesslich auch in den Tod gehen liess. Sie spielte sehr gerne Harfe und irgendwann erlaubten ihr die Ärzte, in der Klinik zu spielen. Sie schnitt sich dann mit einer Saite die Schlagader durch und man fand sie dann tot auf.

Auch die grössere Schwester von Vater war immer wieder in der Psychiatrischen Klinik wegen Schwermut. Auch sie hat sich dann das Leben genommen. Und auch die kleinste Schwester hat sich, wie schon erwähnt, zwischen dem 18. oder 19. Lebensjahr das Leben genommen.

Anscheinend bestand ein schweres Karma in dieser Familie. Ich weiss überhaupt gar nichts über meinen Grossvater. Die einzige Bezugsperson für mich zu dieser Familie war Eduard, der Bruder meines Vaters, den ich ja nach der Modeschau kennenlernte. Er war überhaupt nicht schwermütig. Viel später erfuhr ich von seiner Frau, dass vermutlich seine kleine Schwester von ihrem Vater missbraucht wurde, er auch etwas dem Alkohol verfallen war und das wohl dazu beigetragen hat, dass mein Vater «Blaukreuzler» wurde und sich von seiner Familie trennte. Beruflich war anscheinend mein Grossvater auch Kaufmann.

Eine Zeitlang wollte ich mehr über die Familie erfahren, wollte die grosse Schwester meines Vaters treffen. Doch schon damals, war sie ab und zu in der Klinik und mein Onkel meinte dann, ich solle es sein lassen.
Meine Grossmutter mütterlicherseits
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12.  Meine Grossmutter mütterlicherseits

Wie schon erwähnt pachtete meine Grossmutter einen kleinen Hof, hoch oben in La Heutte. Ihr Sohn Werner hütete im Sommer die Kühe der Bauern.
Sie hatten es sicher schwer, um über die Runden zu kommen, bestimmt half ihnen Mutter finanziell. Alles um die Hütte war steil und unzugänglich.

Meine Grossmutter mütterlicherseits war eine grosse und hagere Person.
Sie war sehr verbittert, lachte fast nie, war sehr streng und rücksichtslos.
Sie mochte mich nicht, was auf Gegenseitigkeit beruhte. Ich war über Ihr
Verhalten sehr enttäuscht. Zum Beispiel besass sie einen Hahn der sehr
aggressiv war. Wenn man auf die Toilette gehen musste, musste man nach draussen gehen. Hinter dem Haus stand ein Plumpsklo. Jedesmal wenn ich aufs Klo gehen musste, war da plötzlich dieser «Güggel» und versuchte auf meinen Kopf zu fliegen. Ich schrie nach Hilfe, und meine Tante scheuchte ihn mit einem Besen davon. Meine Grossmutter meinte dann, ich sei selber schuld, oder es geschehe mir recht. Eines Tages erschlug meine Tante den Hahn mit dem Besen. Grossmutter war ausser sich, ich freute mich darüber und war erlöst.

Einmal waren wir im Sommer alle bei ihr und es wurde «gehäuet». Wir waren uns nicht gewöhnt, in dieser Hitze so streng zu arbeiten. Das Rechen war uns allen zuviel. Unsere Mutter setzte sich durch und wir mussten nicht mehr helfen. Kurz darauf fuhren wir heim. Ich wollte nie wieder hingehen.

Ich weiss nicht einmal genau, wann sie starb. Anscheinend im Spital, bestimmt war sie nicht so alt. Sie hatte immer ein schweres Leben.



(1) Wir alle bei Grossmutter in dem Bauerngut

 

Wir alle bei Grossmutter in dem Bauerngut

 


(2) 4 Generationen: Grossmutter, Mami, Madlen mit ihrem ersten Sohn Toni und ihrem zweiten Sohn Renato

4 Generationen: Grossmutter, Mami, Madlen mit ihrem ersten Sohn Toni und ihrem zweiten Sohn Renato

 

(3) 4 Generationen: Grossmutter, Mami, Frieda mit ihrer ersten Tochter Carina

4 Generationen: Grossmutter, Mami, Frieda mit ihrer ersten Tochter Carina
Kindergartenjahre
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13.  Kindergartenjahre

Weisst du Madlen, noch ab wann ich nachts Albträume hatte?

Ich kann mich leider nicht genau erinnern, vieles von Damals ist einfach ein dunkles Loch in meinen Erinnerungen. Wiederum komisch, dass dafür Gewisses sehr klar und bewusst bis ins kleinste Detail da ist. Zum Beispiel sehe ich mich, wie ich die ganze steile Steintreppe in den Keller herunterfiel. Ich glaube ich war nachts im Traum herumgesprungen und so kam es zu diesem Unfall, mehr weiss ich nicht darüber. 

Wir haben unter uns Mädchen Einiges über unseren Vater ausgetauscht, doch auch da gibt es unterschiedliche Erlebnisse. Unter uns herrschte nach wie vor eine Angst. Eigentlich durfte man nicht über solche Sachen sprechen, es war alles ein Tabu. Madlen meinte sogar einmal, dass man sich deshalb schämen müsse. Ich finde das nicht. Aber eben, die Wahrnehmung ist von jedem wieder anders. 

Mami haben wir alle drei nie um Hilfe gebeten, oder ihr irgendetwas erzählt oder uns wegen Vater beklagt. Auch haben wir nie jemand anders ins Vertrauen gezogen. Es war für uns auch ein Tabu nach aussen zu treten, es gab kein Nottelefon für Kinder, wie heute und über Missbrauch geschriebenes oder veröffentlichtes gab es damals noch gar nichts. 

Erst viel später haben wir darüber mehr gesprochen. Unser Bruder Walter wollte auch später nie etwas über den Missbrauch hören. Er verstarb ca. 62-jährig an einem Herzinfarkt. Viel später erfuhren wir, dass seine jüngste Tochter immer wieder Weiterbildungen besuchte, bei welchen solche Themen bearbeitet wurden. Zu unserem grossen Entsetzen vernahmen wir dann, dass er auch sie missbrauchte. Frieda war ja damals als Kind eher traurig, und sass auf der Treppe vor der Haustür und wartete bis Vater heimkam. Was mir damals schon sehr unbegreiflich vorkam, Madlen und ich freuten uns immer riesig, wenn er weg war. Frieda erkrankte später psychisch und wurde, als ihre Kinder zum Teil noch klein waren, in Embrach zwangseingewiesen. Bis heute ist sie mit Beistand und in Heimen versorgt. Das ist eine traurige Geschichte. Sie lebt schon lange in geschlossenen Institutionen, teils offenen Heimen und ich besuche sie alle paar Wochen. Sie wird auch psychisch betreut und spricht vielleicht deshalb erst jetzt ab und zu über Vater und sagt wie schlimm es für uns war. 

Erinnerst du dich Madlen auch noch wie eifersüchtig wir waren, als Walter nach der Operation sehr viel Aufmerksamkeit erhielt und zum Beispiel eine «Knickerbocker» Hose bekam?

Er wurde viel von den Schulkameraden «gehänselt», weil er gebrechlich und schwach war. Als er mit den neuen Hosen wieder in die Schule ging, kam er total verschmutzt nach Hause und kriegte dann als Erstes Schläge von Vater. Am nächsten Tag ging Vater dann wütend in die Schule. Das weiss ich von Madlen und Fried, wie er laut an die Schultür polterte und den Lehrer von Walter packte und ihn anschrie er solle gefälligst seine Aufgabe als Lehrer für seine unerzogenen Zöglinge ernstnehmen. Das half natürlich meinem Bruder und auch uns nicht. Wir waren ja eh schon in allem für alle suspekt.

Zu erwähnen ist auch noch, dass Vater Walter immer als unfähig und wie behindert behandelte. Er kriegte viel Prügel auch mit Teppichklopfer und Gürtel für nichts und wieder nichts. Oft ist Mami eingesprungen um Walter zu schützen, was aber wenig half. Das sind vermutlich die Gründe, weshalb Walters später grosse Minderwertigkeitskomplexe und eine masslose Aufschneiderei zeigte.

Ja und jetzt fällt mir die Geschichte ein, wie du Madlen unter dem Bett eine schöne Schachtel verstecktest. Darin hast du immer feine «Zältli, Schoggi» und vieles mehr gesammelt und gespart, was ich nicht von mir behaupten kann, ich musste immer alles gleich verschlingen. Ab und zu habe ich mich heimlich in dein Zimmer geschlichen und aus der Schachtel etwas genascht. Doch du hast es immer bemerkt und es Mami geklagt, oder mich auch mal traktiert, worauf ich dich ein Kamel beschimpfte. Darauf folgte eine Strafe von einer Woche – Entzug meiner Lieblingsspielsachen. Oder noch etwas das ich nie vergesse, wie du über eine längere Zeit beim Beck «Gaba-Zältli» holtest und im Laden sagtest, dass dein Vater dann bezahlen komme. Da bekamst auch du eine grosse Strafe, was weiss ich nicht mehr.
Meine Lieblingstanten
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14.  Meine Lieblingstanten


(1) Elisabeth und ich 4

 

Elisabeth und ich 4



(2) Elisabeth und Rosette

Elisabeth und Rosette

 


(3) Tante Moli in Indien

Tante Moli in Indien



(4) Elisabeth und Emanuel

Elisabeth und Emanuel

 

Was mich faszinierte war Elisabeths Nähkunst, sie machte wunderschöne «Deux-Pièces». Ganz besonders waren ihre Kleider für den Künstler Maskenball in Zürich. Eines ist mir immer komisch vorgekommen, beide nahmen jeden Tag Aspirin, auch hantierten sie mit Bleiglasuren und schützten sich nie besonders. Emanuel starb mit 50 an einem schlimmen Krebs und Elisabeth litt jahrelang aufgrund der Bleivergiftung an fürchterlichen Schmerzen.

Elisabeth war mit einem Maler verheiratet, Emanuel Jackob, der später sehr berühmt wurde. Ich war immer überglücklich, wenn ich bei ihnen ein paar Tage sein durfte. Sie lebten in Seefeld, später in Russikon. Bei ihnen durfte ich mit Ton kneten und malen, das gefiel mir schon damals riesig. Es war eine grosse Ausnahme, dass Papi mir dies erlaubte, denn meine Geschwister durften nie irgendwo in die Ferien.

Ich hatte drei Tanten, die sehr kreativ waren, töpferten und malten.
Elisabeth und Rosette waren Mamis Halbschwestern. Rosette lebte in Genf und arbeitete in einer berühmten Töpferei. Mit Mami konnte ich sie auch einige Male besuchen. Eine weitere Tante war Moli, sie war die Tochter von Grossmutters Schwester. Moli lebte in Indien und war mit einem Inder verheiratet. Sie ist ziemlich jung an Nierenversagen gestorben. Auch Moli modellierte wunderschön, besuchen konnte ich sie natürlich nicht. Doch von meiner Gotte und Tante Margrit, das war Molis Schwester, konnte ich viel über sie erfahren und kriegte später sogar Objekte von ihr.
Wie hast du diese Zeit ganz allgemein erlebt?
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15.  Wie hast du diese Zeit ganz allgemein erlebt?
Der Weg zum Kindergarten Kolbenacker war für ein kleines Mädchen wie mich weit. Ich war aber überglücklich, dass ich nun auch in den Kindergarten gehen durfte. Auf dem Weg dorthin, war ich neugierig auf alles was so läuft und kreucht, doch musste ich mich beeilen, dass ich nicht zu spät kam. Ich begegnete am ersten Tag einem Mädchen, das den halben Weg wie ich laufen musste. Das was mich aussergewöhnlich interessierte, war dass sie, von den Knie an, Holzprothesen hatte. Diese schwang sie beim Gehen seitlich raus. Das sah sehr umständlich aus. Ich hatte auch Mitleid mit ihr. Sie war jedoch sehr dominant und verwöhnt. Wenn ihr etwas nicht passte, konnte sie einem sehr weh tun mit den Holzbeinen. Nun ich lernte einigermassen mit ihr zurecht zu kommen. Ihre Eltern fragten mich, ob ich an einem Nachmittag mit Renate in ihrem Pool schwimmen wollte. Sehr gerne hätte ich mit Renate eine Freundschaft genossen. Doch kam das überhaupt nicht in Frage. Wir mussten immer direkt nach Hause heimkehren und nochmals weggehen gab es nie.

Im Kindergarten gab es noch keine Probleme, wegen meiner Linkshändigkeit. Ich liebte die Zeit im Kindergarten, das Spielen mit anderen Kindern, malen, kochen auf dem Spielherd, Post und Einkaufsladen, natürlich mit Puppen und Puppenhäusern zu spielen. Das war ganz anders für mich als zuhause mit meinen Geschwistern, denn wir hatten alles auch, doch waren sie meistens Besserwisser, das machte mir keinen Spass.

Auch auf dem Schulweg, gab es manchmal sehr böse Buben. Wir Mädchen wurden von diesen Bengeln mit «Hagraffen» und einer Schleuder in die Beine geschossen, das war wirklich schlimm. Ich zeigte es der Lehrerin, sie bestrafte die Buben, doch dann machten sie es umso mehr. Also war es klüger still zu sein.

Ich mochte die Lehrerin sehr, sie liess mich im Gegensatz von zuhause gewähren, wenn ich meine linke Hand zum Malen gebrauchte. Mir gefielen die vielen Spielsachen, die Puppen, Puppenhäuser usw. Mit farbigen Murmeln konnte man eine steile Abfahrt inszenieren. Scherenschnitte machten mir links Probleme, die Schere hat nicht richtig funktioniert, weil der Druck sich aufhob beim Schneiden. Damals gab es noch keine
Scheren für Linkshänder. Aber die Kindergärtnerin hat mich deshalb nie bestraft. Ich liebte auch Zusammensetzspiele, überhaupt das Spielen mit anderen Kindern. Das liebte ich über alles.
Es war für mich die schönste Schulzeit, weil ich so wissensdurstig und noch so positiv gegenüber dem Schulsystem eingestellt war. Doch langsam änderte sich das, weil die Lehrer und zuhause mein Vater begannen, mich dauernd zu rügen und mich mit dem Lineal auf die Knöchel schlugen, wenn ich die linke Hand benutzte. Also verlor ich die Begeisterung schreiben und lesen zu wollen. Überhaupt interessierte mich Vieles an der Schule nicht, zum Beispiel Geografie, Mathematik…

Natürlich auch wegen der Legasthenie kriegte ich oft Strafen, dass ich mir gar keine Mühe geben und Tagträumen würde, ich voll unkonzentriert gewesen bin. Auch die Schweizer Geschichte faszinierte mich nicht, es war damals einfach nicht realistisch für mich. Ich mag mich noch erinnern wie die Gestirne, Sterne, Sonne und Mond mich fesselten und ich nicht genug davon bekommen konnte, in Vaters Büchern Fotos anzuschauen. Auch die Dinosaurier begeisterten mich, die Natur im Allgemeinen und Tiere hatten es mir angetan.
Auf dem Schulweg gab es für mich viel zu entdecken, da fühlte ich mich frei und unkontrolliert.



(1) 5 Jährig mit Katze bei Grossmutter

5 Jährig mit Katze bei Grossmutter

 

(2) Ich mit etwa 8 Jahren

Ich mit etwa 8 Jahren
Erinnerst du dich an bestimmte Kinder, die mit dir in den Kindergarten gingen?
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16.  Erinnerst du dich an bestimmte Kinder, die mit dir in den Kindergarten gingen?
Eine ist mir bis heute noch ein Anliegen, Renate mit den Holzbeinen. Auch wenn sie oft gemein zu mir war, beschützte ich sie immer gegen Angriffe von anderen.
Es gab eine Verena, sie hatte schwache Kinderlähmung und hielt dadurch ihre Hand leicht eingerollt. Komischerweise machte ich dies oft nach. Ich weiss jedoch nicht weshalb. Vielleicht um ihr Sympathie zu zeigen, jedenfalls ist sie auch immer unter meinem Schutz gestanden. Ich sehe sie auch heute noch. Sie war eine erfolgreiche Beamtin irgendwo im Bundeshaus. Es gab auch Mariann, die eine Mutter hatte, die dem Alkohol verfallen war. Auch sie lebten alleine, hintenherum wurde sie gehänselt wegen dem unseriösen Verhalten ihrer Mutter. Ich habe generell einen Hang – bis heute noch – die Schwachen zu schützen. Vielleicht auch, weil ich sie bewunderte, wie sie mit ihrem Schicksal umzugehen lernten und es bemeisterten. Es kann sein, dass ich mich wegen meiner Situation bis heute solidarisch und authentisch fühle.

Arnold Wirz war ja mein Retter für seine günstige Wohnung in Seebach.


(1) Kindergarten oder 1. Klasse
Kindergarten oder 1. Klasse
Krankheiten und Unfälle
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17.  Krankheiten und Unfälle


(1) Madlen und ich nach Armbruch am Zürichsee
Madlen und ich nach Armbruch am Zürichsee

 

Nach Vater’s Tod gab es zwei Sachen. Die eine war, dass wir zu Grossmutter in die Ferien gingen, zu meinem Verdruss. Ich wollte nie mehr zu ihnen gehen. Ich fiel da von einer hohen Treppe hinunter, auf der ich und Madlen strickten. Ein Wollknäuel ist runtergefallen. Ich wollte sehen wohin dieser fiel und verlor dabei das Gleichgewicht. Zu meinem Glück war nur mein rechter Arm gebrochen. Ich musste ca. 1.5 Stunden zu Fuss mit Onkel Werner runter ins Dorf zu einem Tierarzt laufen. Der Tierarzt zog an meinem Arm und danach kriegte ich ein Brett, um diesen zu stabilisieren. Danach durfte ich links schreiben, «juhi!!!», doch deshalb habe ich noch lange nicht Frieden mit dem Schulsystem finden können, ich war einfach zu tief verletzt.


Später war ich wegen Niereninsuffizienz im Spital. Ich bin dann in kurzer Zeit in die Höhe geschossen, von eher klein wurde ich 1m72 gross. Bei den ersten Modeschauen wurde es mir oft schwindlig oder ich fiel in mir zusammen. Da stellte man fest, dass einige Wirbel verschoben waren, ich zu schnell gewachsen war. Leider verschrieb man damals ein ganz steifes Korsett mit Stäbchen. Meine Muskulatur wurde dadurch immer schwächer. Erst viel später lernte ich von einem Weissrussen in den USA, meine Muskulatur neu aufzubauen.

Einige Zeit nach dem Tod von Vater kriegte ich seitlich am Körper furchtbare Schmerzen. Der Arzt meinte ich hätte eine Blindarmentzündung. Im Spital stellten sie aber dann fest, dass die linke Niere nicht mehr richtig arbeitete. Ich lag damals im Kinderspital auf der Nierenabteilung, in einem grossen Zimmer mit vielen Betten und Nierenmaschinen die zum Teil benutzt wurden. Es roch penetrant, Besuch hatte man damals nicht, ich hatte jedoch Glück im Unglück: der Chefarzt war kurz zuvor einige Zeit in den USA, wo er neue Methoden zur Heilung der Niere kennenlernte. Damals wusste man noch nicht, dass man mit nur einer Niere leben konnte.

Also wurde bei mir dreimal im Tag meine Niere von unten her gewaschen. Mehrere hielten mich fest und führten einen Schlauch hinein, leerten eine Art «Seifenwasser» rein, das war aber für mich genau wie der Missbrauch meines Vaters. Niemand fragte, weshalb ich mich steif machte und mich schreiend wehrte. Solche Prozeduren waren damals alltäglich, ein Kind wurde nicht als zurechnungsfähig angesehen und wurde auch nicht nach seinem Empfinden gefragt. Ausser, die Familien wehrten sich. Meine waren aber alle zu sehr mit sich selbst beschäftigt, so musste ich es erdulden und «oh Wunder» ich habe diese Niere immer noch, wieder funktionstüchtig. Leider dauerte diese Zeit ungefähr 8 Monate.


(2) Walter und ich ca. 10 Jahre vor der Felswand
Walter und ich ca. 10 Jahre vor der Felswand

 


Einmal gingen Walter und ich in der Sandstein Felswand klettern, diese war besetzt mit vielen Löchern. Plötzlich rutschte ich aus und viel ziemlich tief. Damals war die Wand um Einiges höher als heute, sie wurde zwischenzeitlich ausgeebnet. Walter musste Mutter rufen, weil ich liegen blieb und schlecht atmete. Mami liess dann einen Arzt kommen, der konnte aber nichts Schlimmes feststellen. Ich musste dann einige Zeit das Bett hüten, ich hatte Kopf- und Rückenschmerzen. Mami salbte mich jeden Tag, so wurde es besser, ohne grosse Folgen.
Als ich ca. 15 Jahre alt war, wurden mir in St. Gallen an beiden Beinen dicke innere Krampfadern entfernt, da diese zu einem Zirkulationsstau führten.
Schulzeit, Bestrafungsmethoden
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18.  Schulzeit, Bestrafungsmethoden

Ich erinnere mich wenig an die ersten Schuljahre bis 1952. Nur eines ist tief in meiner Erinnerung eingeprägt. Ich hasste die Lehrer und auch die Massnahmen, einem zu zwingen rechts zu schreiben, mit brutalen Schlägen auf die «Knödli» an der linken Hand und Zöpfe reissen,
oder den linken Arm anbinden. Ich konnte einfach rechts nicht mithalten, hatte aber auch Mühe die Buchstaben den richtigen Weg herum zu sehen. Viel später merkte ich, dass ich eine Legasthenikerin gewesen sein musste, doch damals wurde das nicht behandelt. Dazu kam, dass ich auch in Mathematik die Zahlen verdrehte. Ich war sicher auch ein «Zappelphilipp» und gedanklich immer woanders. Konzentration im schulischen Bereich gleich null.
Ich musste durchs Fenster den Wolken nachsehen. Deshalb wurde ich immer wieder in die Ecke gestellt mit dem Gesicht gegen die Wand, im Papierkorb, wo kein Platz zum Stehen war, bis die Pause kam. Ich erlebte mich immer nur als Störenfried und konnte mich auch nicht aufs Lesen und Lernen konzentrieren, alles verpasste ich und fühlte mich beschimpft, manchmal dumm und blöd, widerspenstige und rebellisch, eigensinnig. Ein hoffnungsloser Fall. Zuhause war es ja überhaupt nicht besser, immer Strafen, Vater hinter mir bei den Aufgaben, schlimme Schläge und ohne Essen zu Bett oder in den Keller weggesperrt.
 
Die ganzen Jahren bis Vater starb waren für mich nur Horror. Die Lehrer durften Strafen wegen meiner Linkshändigkeit, was viel später dann verboten wurde. Ich konnte also in der 3. Klasse nicht lesen, schreiben und rechnen. Auch alles andere ging an mir vorbei, ohne etwas zu hinterlassen. Schon von sehr klein an biss ich meine Nägel bis auf den Mond hin blutig und wurde auch deshalb wiederum bestraft. Brennendes Mittel wurde draufgeschmiert.

Der einzige Vorteil hatte das Ganze, dass ich auf meine Art und Weise lernte mit der Umgebung zurechtzukommen, weil ich nicht schulisch gedrillt werden konnte. Ich lernte Wichtiges durch beobachten. Das war meine Lebensschule, mich durchzuschlängeln ohne grossen Wirbel aufzurühren. Ich hatte viel Fantasie und meine eigene Meinung über mich und die Umgebung. Ich finde ich bin tief im Herzen speziell und lasse mich nicht schablonisieren, degradieren oder zwingen.
Das wichtigste war, was ich lernte und was mir nicht passte zu ignorieren und meiner Fantasiewelt viel Raum zu geben. Auch lernte ich lange Zeit keine Schmerzempfindungen zu haben, was ich zu meinem Vorteil wertete. Weil ich mich überhaupt nicht geborgen fühlen konnte, verliess ich mich auf niemanden und konnte so auch nicht enttäuscht werden. Als ich feststellte, dass andere Kinder und Erwachsene auch Fehler hatten, ermöglichte mir dies, Distanz im Geschehen zu entwickeln. Das half mir immer mehr, meine Strategien und vermutlich meine Wertvorstellungen auf einem ganz anderen Niveau zu erlangen. Was anderen Kinder wichtig war, war für mich unverständlich. Ich wollte nicht ein liebes braves Kind sein, ich suchte keine Anerkennung, die gab ich mir eben selber in meiner Fantasie. Ich liebte schöne Sachen, ich liebte die Natur und staunte viel darüber.

Die einzige Zeit, die für mich ein Highlight war, wenn ich im Estrich mit meinen Puppen spielen konnte und Kleider «schnurpfte», das war meine Welt. Ich konnte ja nicht lesen so entstand alles über mein Unterbewusstsein. Ich war mehr mit dem Universum verbunden, das stellte ich später fest.
Als Quintessenz der vielen Strafen, des unverstanden seins, der fehlenden Anerkennung, stärkte sich meine Eigenwilligkeit und die eigene Strategie zu lernen und beobachten. Das war deshalb eigentlich mein Glück im Unglück. Ich konnte nicht in ein Schema gepresst werden.

Später im Leben merkte ich, dass ich in dieser Inkarnation viele Talente und Begabungen in meinem Rucksack hatte. Mein Strahlen von innen, die Liebe fürs Schöne, meine Handfertigkeit, das Malen, Nähen usw. so viel Positives. Das merkte ich auch im Vergleich zu meinen Geschwistern. Die getrauten sich gar nicht etwas Unübliches auszuprobieren, ich war hingegen immer neugierig und unternehmungslustig. Also fühlte ich mich eben in keiner Art und Weise als Opfer, obwohl ich ja wie meine Schwestern auch missbraucht wurde bis zum Tod meines Vaters.

Ich möchte gerne bei der Wahrheit bleiben, doch es gibt in meinem Kopf von damals viele schwarze Löcher.

Also nach dem Spitalaufenthalt brauchte ich so viel ich mich erinnere, einige Zeit, um mich langsam zu orientieren und die Situation einzuschätzen, was so in unserem Seebacher zuhause so ablief. Damals schwänzte ich oft die Schule und schlief bei einer Freundin in Oerlikon.
Ich fand leider keine Fotos von dieser Zeit, ich hatte anscheinend schwarz gefärbte Haare, lange Fransen über den Augen, enge Jeans mit Reisverschluss bis hin zu den Knie, das ich überhaupt reinkam erstaunt mich noch heute. Darüber trug ich gestreifte T-Shirts. Das alles ahmte ich dieser Freundin nach, mit der ich sehr viel Zeit verbrachte. Wir hingen viel im Niederdorf, mit den «Existenten» in den Kellern herum. Damit ich mir diese Kleider kaufen konnte, stahl ich im Seefelderladen, als meine Mutter den Laden hütete, das Geld dazu. Die Leute zeigten mit den Fingern auf meine Freundin und mich - das war ja auch unser Ziel - verdorben eine Schande. Auch Madlen und Fried wurden beschimpft wegen ihren Freunden, damals war das verpönt, dass Schweizermädchen und Gastarbeiter zusammen waren. Auch mein Bruder mit seiner teuren «Auto-Grosskotztuerei».
In Seebach war alles darunter und darüber: Mutter überfordert mit den Behörden, dem Beistand. Was ich auch nicht weiss, wie er zu Mutter stand und wie er seine Aufgabe wahrnahm. Dann meinen Teenie-Geschwister mit ihren Italo-Freunden mit BMW’s, was sie sehr beeindruckte, beide Madlen, Frieda und mein Bruder, der sich immer wichtiger nahm.

Ich glaube, in der Zeit hatte Mutter gesundheitliche Probleme und musste auch ins Spital.

Ich war wirklich sehr neben meinen Schuhen, fühlte mich unverstanden und vergessen, wie wenn es mich nicht gegeben hätte. Doch Gott sei Dank, das half mir die Augen zu öffnen, und ich merkte, dass ich so nicht enden wollte. Das «Pack» im Niederdorf, meine Freundin, was die so alles trieben, ich konnte mich noch eine Zeitlang als Beobachterin bewegen, bis ich entschied «NEIN, das ist nicht meine Zukunft». Sicher muss ich auch meine Mutter innerlich danken, dass sie mich schützte vor den Behörden und an mich glaubte ohne Grund. Dieser Glaube war wie mein Schutzengel.
Und die Zeit danach
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19.  Und die Zeit danach


(1) Tina bei Primella als Hausmannequin
Tina bei Primella als Hausmannequin



(2) Aufnahmen von TV-Proben

Aufnahmen von TV-Proben


Damals veränderte ich mich über Nacht, ich pflegte mich und begann mit der Frau Pfarrer, eine der ersten reformierten Pfarrerinnen, intensive Gespräche. Ich löcherte sie förmlich mit Fragen und sie unterstützte mich in meinen Gedanken. Später entschied ich mich, mich nicht konfirmieren zu lassen. Ich wollte nicht nur für die Geschenke und den guten Ruf dazuzugehören zu etwas an das ich gar nicht glaubte. Die Pfarrerin unterstützte mich voll und ganz, toll, ich bin ihr noch heute dankbar. Ich weiss nicht einmal mehr wie sie hiess.

Dann begann die neue Zeit. Ich lernte eine Frau kennen, die hatte in Oerlikon eine Boutique und sie fragte mich, ob ich für sie nicht an Wochenende Ihre Kollektion zeigen würde. Sie zahlte mir die Mannequinschule, doch ich konnte das ja sowieso, es war mein Talent schöne Sachen zu präsentieren, geschminkt sah ich sicher eher wie 17 oder 18 aus.

Weil ich so gerne und gut nähen konnte, wollte meine Mutter, dass ich in einer «Couturerie» die Schneiderlehre mit dem Besuch der Gewerbeschule anfange. Das dauerte jedoch höchstens eine Woche. Ich brach dieses Unterfangen dann kurzer Hand ab. Danach begann ich mit 14 in der Primella als Hausmannequin und Modezeichnerin durfte Kleider entwerfen. Das alles aber ohne Gewerbeschule, toll genau richtig für mich!!!!! Lernen durch Machen und praktische Erfahrungen sammeln, das war genau mein Ding.

Hast du den Lehrer aus deiner Abschlussklasse wieder einmal gesehen?

Ja, den Lehrer von der Abschlussklasse, den habe ich nochmals gesehen. Er war damals ganz neu direkt vom Lehrerseminar, sehr jung und mit noch wenig Erfahrung. Er war massiv überfordert mit uns Randfiguren, die keine Leistung in der Schule zeigten und alles andere im Kopf hatten als zu lernen und den Lehrer zu ärgern war unser Ziel.

Viel später kam er mit seiner Frau an eine Vernissage und sagte, er sei so stolz auf mich. Er hätte nie gedacht, dass aus einem der schlimmsten Schüler ein so toller Mensch und Künstler geworden ist. Seither ist er meistens an die Vernissagen gekommen. Was mich sehr gefreut hat.

Und was ist aus dir geworden?
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20.  Und was ist aus dir geworden?



(1) Frieda in Genf als Kleinkindererzieherin

Frieda in Genf als Kleinkindererzieherin

 

Meine Schwester Frieda war in Genf als Kleinkindererzieherin in Ausbildung und lebte nur an Wochenenden bis zu ihrem Abschluss in Seebach. Da war auch ein Freund von ihr, ein Gastarbeiter Bruno, der viel im Seebacherhaus aus- und einging.


(2) Madlen Hochzeit

Madlen Hochzeit


Meine Schwester Madlen machte eine Verkaufslehre und wurde von ihrem Freund, einem italienischen Gastarbeiter, schwanger und heirateten ihn. Alle lebten dann im Seebacherhaus als Familie.



(3) Walters und Ines Hochzeit in Italien, Mamis Blick eindrücklich

Walters und Ines Hochzeit in Italien, Mamis Blick eindrücklich

Also war das ganze Haus total überfüllt. Ich war damals mit 14 Jahren bereits bei der Firma Primella. Meine Mutter hat natürlich immer für mich unterzeichnet. Ich war als Modezeichnerin Designerin und Hausmannequin unterwegs auf Tourneen und ich hatte ein externes Zimmer, denn zuhause hatte ich ja gar keinen Platz mehr.

Hattest du zu dieser Zeit schon einen Schulschatz?
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21.  Hattest du zu dieser Zeit schon einen Schulschatz?

Leider habe ich keine Fotos von dieser Zeit mehr. Alles was im Seebacherhaus aufbewahrt war, war verschwunden, bevor ich damals ausreiste. Meine arme Mutter musste ja über Nacht das verkaufte Seebacherhaus verlassen.

Ja, ich hatte meinen ersten Freund damals, ihn lernte ich auf dem Eisfeld Dolder kennen, wohin ich sehr gerne ging. Er hiess Bruno Jud ich war etwa 12-14 Jahre alt und er etwa 16-17. Er lebte neben der Bührli Fabrik in Oerlikon und machte eine Lehre als Technischer Zeichner. Er sah sehr gut aus und war sehr zuvorkommend, gut erzogen! Seine Eltern waren geschieden und er lebte bei seiner Mutter, die auch im Bührli arbeitete. Wir beide tanzten leidenschaftlich gerne Rock n’Roll. Ich nähte mir Jupes mit vielen Steifen, Unterröcke, und Oberteile, die schulterfrei waren und enge Gürtel. Damals schlief ich in Seebach in Mutters Bett, sie mochte Bruno. Unsere erste sexuelle Erfahrung passierte in der Natur. Viel weiss ich nicht darüber, es gehörte für mich einfach dazu. Ich denke, über dieses Thema war ich sicher sehr verkorkst. Er liebte mich glaube ich über alles, doch ich hatte wie eine innere Blockade, die mir nicht erlaubte, jemandem anzugehören, oder mich ganz hinzugeben. Als Reaktion war dementsprechend mein Verhalten, wenn es zu eng wurde, liess ich die Verehrer wie heisse Kartoffeln fallen. Das begann als erstes mit Bruno. Das wurde dann mein Muster, es kümmerte mich nicht, wie sie litten oder genoss es sogar ein wenig.


(1) Ungefähr 12-14 Jahre alt, kurz vor der Mannequinkarriere
Ungefähr 12-14 Jahre alt, kurz vor der Mannequinkarriere
Und was gibt es sonst noch zu erwähnen aus dieser Zeit?
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22.  Und was gibt es sonst noch zu erwähnen aus dieser Zeit?

Was ich noch erwähnen muss ist, dass ich so ca. mit 11 Jahren begann, die Schule zu schwänzen, indem ich Absenzen schrieb und Mutters Unterschrift fälschte. Ich konnte ein Beispiel kopieren und immer wieder, wiederholen. Damals hat es auch begonnen, dass ich mit Mutter immer wieder vor die Schulkommission gehen mussten. Doch wie ein Wunder, sie konnte es verhindern, dass ich nicht in ein Heim gesteckt wurde. Das war mein grösstes Glück! Denn damals war es üblich, wenn Kinder Halbwaisen waren und nicht der Norm entsprachen, einfach in Heime versorgt wurden, sogenannte Schwererziehbare. Im Kapitel: Über die Jahre bis 1963 werde ich Einzelheiten zu dieser Zeit erzählen.

Dazu muss ich erwähnen, dass zuhause alle, jede und jeder, in ihren Leben total nur mit sich beschäftigt waren. Mein Bruder hat nach der KV Lehre einen Comestible Laden in Seefeld eröffnet. Meine arme Mutter musste den Laden hüten, sie hat ihn leider in allem immer wieder unterstützt. Sogar wenn er mit dem Gesetz in Schwierigkeiten kam und sehr spielsüchtig wurde. Nah dies nah verspielte er das ganze Erbe in Konstanz und mit Spekulationen, von denen noch viel zu wenig Erfahrung hatte. Zu guter Letzt musste unser Eigenheim in Seebach kurzerhand verkauft und abgerissen werden. Meine Mutter musste sich bei Nacht und Nebel eine Wohnung suchen.

Wir Mädchen bekamen kein Erbe von unserem Vater. Die zuständige Verwaltung, die Vormundschaftsbehörde hat leider nichts geprüft. Das werde ich später noch detailliert erzählen.


(1) Walter mit 20 Jahren

Walter mit 20 Jahren

 

(2) Erste Fotos als Fotomodell von Luxus Seifen

Erste Fotos als Fotomodell von Luxus Seifen

 

 

 

Meine Beziehungen in meinem jungen Leben und meine Weiterreise ins Ausland
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23.  Meine Beziehungen in meinem jungen Leben und meine Weiterreise ins Ausland
Hattest du jemals ein «gebrochenes Herz»? Oder hast du jemandem das «Herz gebrochen»?

Ja, zwischen 12-13 Jahren, bis zu dieser Zeit als ich in die Türkei reiste, kurz bevor ich 20 war, habe ich sehr viele Herzen gebrochen. Insbesondere dem ersten Freund Bruno Jud und dem letzten Joe Tann. Vermutlich habe ich auch danach Freunde weiter verletzt. Doch nicht so
extrem mit Rache, was mir nie ganz bewusst war. Es war mir nicht möglich, mich voll und ganz jemandem hinzugeben. Ich musste immer autonom bleiben, sonst kriegte ich keine Luft mehr und haute ab oder trennte mich klar. Es war mir nicht immer ganz gleichgültig, war ich doch manchmal auch etwas mehr verliebt, aber nie so die tiefe grosse Liebe, die kannte ich nie.

Wie schon erzählt, war mein erster richtiger Freund Bruno Jud, dann kam Bruno Meier in mein Leben, nach einigen weiteren Liebschaften. Bruno war ein etwa 10 Jahre älterer Geschäftsmann, der unbedingt auf eine Hochzeit mit mir hindrängte. Ich war so in Panik und versteckte mich für einige Tage bei Tante Margit (meiner Gotte) im Tessin und dann als ich zurückkam, trennte ich mich klar von ihm. Madlen sagte mir damals ich würde es mal schwer büssen, ich sei schuld an seinem Tod. Bruno Meier starb einige Jahre später an Tuberkulose. Ich konnte das aber nicht akzeptieren, denn ich war mir keiner echten Schuld bewusst, ich war auch immer ein wenig verliebt, was nicht schwer war. Ich stand auf gutaussehende junge Männer, die gross gebildet und charmant waren. Doch angehören konnte ich niemanden, ausser mir! Natürlich wusste ich was Männer wollten, ich war darin sehr gut, beinahe professionell, sah auch sehr gut aus und konnte mich in der gehobenen Gesellschaft präsentieren.

Da mir ja Grösstenteils die Schule fehlte, konnte ich mich nicht gut, eher schlecht schriftlich ausdrücken. Ohne viele grammatikalische Fehler ging damals nichts. Ich war ja beinahe eine Analphabetin. Doch im Allgemeinen war ich sehr gut, weil ich neugierig war, ohne viel zu lesen, was mir ja sehr schwer viel, wegen der Legasthenie. Doch ich wusste immer über vieles Bescheid, ich lernte durch Beobachten auch Einiges über das Verhalten der anderen. Ich wusste zum Beispiel auch, dass Einstein ein Querulant und ein schlechter Schüler war. Also auch über Berühmtheiten wie Michel Angelo, Picasso wusste ich Bescheid, über Philosophen, Politiker, andere Länder und Hauptstädte. Ich lernte eben wie ein Kind, das wie ein Schwamm alles aufsaugte, voller Neugier und Interesse aufnimmt und dann filtert, was gut oder schlecht ist. Mein Bauchgefühl, beriet mich immer sehr gut. Mein Selbstwertgefühl war komischerweise stark und gut, weil ich eine tiefe Verbundenheit mit meiner Intuition und dem Universum entwickelt hatte.

Was ganz wichtig war, ich lernte sehr gut und schnell und konnte meine Schwächen oder Mängel gut verstecken. Ich war überzeugt, dass ich zu gegebener Zeit alles Unwichtige aufarbeiten wollte, auf meine Art und Weise, also fühlte ich mich nicht mehr dumm und blöd. Ich fühlte mich sogar als Prinzessin, zu geistig Erhabenem fähig und geboren. Eigentlich waren mir Banalitäten ein Gräuel. Auch Menschen die nur Interesse am Essen, Trinken, Besitztum hatten oder prahlten und keinen tieferen Fragen nachgingen, interessierten mich nie. Schon als jung merkte ich, dass ein Titel wie Dr., Professor etc. nichts über den Wert eines Menschen aussagte, es beeindruckte mich auch nie. Was nicht heisst, dass ich einfache Menschen nicht achtete, ich kannte Einige, oft waren sie mir mit ihren tiefgründigen Überlegungen Vorbilder.

Im Sommer hatte ich keine Tourneen. Joe musste von seinem Vater aus nach San Paulo, um nach seinem Studium eine Fabrik zu managen. Er drängte mich, dass ich mitkomme und wir heiraten. Das wollte ich aber auf keinen Fall. Ich sagte ihm, er solle gehen und ich komme nach.
So reiste er traurig ab. Die türkischen Freunde Berin und Fahri meinten, ich solle doch während der Sommerpause nach Istanbul mitkommen. Da ich frei war sagte ich gleich zu und wir flogen nach Istanbul. Ich residierte im ältesten und schönsten Hotel Pera Pals. Später reisten wir nach Ankara. Joe schrieb herzzerreissend an die Adresse meiner Mutter.
Er wollte wissen wann ich wiederkomme. Mehr dazu später.

 

(1) Berin und Fahri türkische Freunde in St. Gallen

Berin und Fahri türkische Freunde in St. Gallen


Damals gab es auch einen Geliebten, ein junger Anwalt, der sehr daran interessiert war, eine Klage gegen die Städtische Zürcher Vormundschaftsbehörde zu machen. Er wusste, dass sie ihre Arbeit nicht richtig machten. Als wir uns näher kennenlernten erfuhr er wegen meiner Träume über meine Jugend und vor allem, dass mein Bruder unser ganzes Vermögen, zumeist in Konstanz, verjubelte und die Behörden alles einfach unkontrolliert in ihren Akten ablegten. Er wollte, dass ich ihm mittels einer Klage half, gegen meinen Bruder, aber vor allem gegen die Vormundschaftsbehörde, auszusagen. Doch, da kam heraus, dass meine Mutter als erste schuldig würde, das wollte ich auf keinen Fall. So beendete ich diese Beziehung kurzerhand.

Ich hatte damals eine Einzimmerwohnung im Central und arbeitete vorwiegend als Mannequin und Fotomodell für eine Agentur in ganz Europa. Parallel arbeitete ich für Rotschild in St. Gallen. Dort lernte ich auch Studenten von der Hochschule und Universität kennen. Ein halber Holländer und halber Indonesier, Joe Tann und auch ein Türke, der sehr verliebt war in mich. Ich aber war in Joe verliebt, der sah super aus, war aber ein verwöhnter Sohn. Vom Charakter her aber keine Leuchte. Der Türke reiste in die Türkei zurück, enttäuscht, dass es bei uns nicht klappte und kam dann später mit einer Frau zurück, die mir sehr glich. Wir wurden gleich Freundinnen ich mochte sie sehr gerne wie eine Schwester. Wir sprachen englisch und sie lernte schnell deutsch.

Meine besten Freunde bzw. Freundinnen
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24.  Meine besten Freunde bzw. Freundinnen

Welche sind deine grössten Enttäuschungen mit Freunden und Kollegen?

Was mir immer wieder schwer zu denken gibt ist, wenn jemand eine bestimmte Aussage oder eine Sichtweise vehement gegen eine Handlung oder Meinung von mir vertrat und sich im Nachhinein herausstellte, dass ich richtig war, hörte ich selten ein «Wau», da habe ich mich getäuscht von meinem Umfeld.
Ich finde ehrlich einzugestehen, dass man sich getäuscht hat oder dem anderen gegenüber zuzugestehen, dass man einen Fehler gemacht hat, zeigt für mich Stärke und Grösse.

Also was ich mich immer wieder frage ist, ob es wohl dabei um blinde Flecken geht, die man oft selber nicht sehen kann?

Oft fragte ich gute Freunde, was nach mir das Wertvolle an einer Freundschaft ist, mir ehrlich mit Takt, Achtung und Liebe meine blinden Flecken zu erläutern, denn eben selber sieht man diese ja nicht. Es wurde mir von ihnen bestätigt, doch ich erlebte es in Wirklichkeit beinahe nie. So ein ehrlicher Austausch wäre mir wichtig gewesen, denn wer weiss schon die Wahrheit, aber es hilft doch darüber nachzudenken, verlieren kann man nichts, und die Achtung und Würde bleibt. Meiner Meinung nach ist das der einzige Weg Muster und blinde Flecken aufzulösen.

Eine weitere Möglichkeit wäre, wenn das Verhalten des Gegenübers einem sehr stört oder verletzt, nachzudenken was einem denn stört und sich die Frage zu stellen, ob es ein Spiegel sein könnte, der etwas Unbewusstes meiner selbst aufzeigt. So könnte ich mich hinterfragen und etwas entdecken, um bei mir selber etwas zu verändern.

Ich zweifle, ob meine ehrliche Meinung von mir wirklich auch so ist und der echten Wahrheit entspricht. Oder haben wir sehr viele blinde Flecken, die uns durch gesellschaftliche Normen und Werte einfach eingeimpft werden und nicht mit unserem persönlichen Ursprung zu tun haben? Anders gesagt wir werden verformt bewusst oder unbewusst?

Also Quintessenz ist: Ich brauche gute Freunde die mir lieb und achtungsvoll meine eventuellen blinden Flecken versuchen aufzuzeigen, damit ich nachdenken kann, ob etwas dran ist, um mich meinem Ursprung selbst immer näher zu kommen.
Wie hast du deinen Lebensunterhalt verdient?
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25.  Wie hast du deinen Lebensunterhalt verdient?


(1) Arbeit als Fotomodell
Arbeit als Fotomodell

 




(2) Aufnahmen im Studio

 

Aufnahmen im Studio

 

 


(3) Modeschau in Paris

Modeschau in Paris

 

 

(4) Fotomodell am Meer in Italien

Fotomodell am Meer in Italien




(5) Foto im Studio

Foto im Studio

 



(6) Im Studio

Im Studio

 

Wie schon erzählt habe ich schon mit 14 Jahren bei einer Bekannten, die eine Boutique hatte und selber mit ihren Kollektionen Modeschauen organisiert, die Kleider vorgeführt. Dann arbeitete ich in Modehäusern, zuerst als Hausmannequin, ich zeichnete und entwarf Mode. Das waren meine ersten Einkünfte.

Mein Umfeld zu beobachten war immer mein Lernfeld, wie zum Beispiel auch andere Mannequins. Diese unternahmen zum Teil sehr viel, um Karriere zu machen, fielen dadurch aber auch sehr tief, bis in die Gasse.
Ich habe schon damals mein Leben geformt, ich habe mich nicht leben lassen. Jeder ist für sein Leben selbst verantwortlich. Ich merkte schon früh, dass in den grossen Agenturen sehr viel Wert auf Seriosität gelegt wurde, deshalb führte ich für den gleichen Lohn mehrere Arbeiten durch. Ich mache mich dadurch rarer und wertvoller. Ich konnte auf Annäherungen von Chefs und Kunden nein sagen, dadurch hatte ich mehr Macht über mich selbst zu bestimmen. Später wurde ich, weil ich einen guten seriösen Namen hatte, auch an Modeschauen von unterschiedlichsten Geschäften vermittelt und durch die Agentur für Mannequin und Fotomodelle auch im In- und Ausland. Später vorwiegend im Ausland trat ich in vielen Ländern auf Tourneen auf.
Auch in Paris für Christian Dior, Nina Ricci, Jacques Heim. Ich verdiente mit der Zeit immer mehr und konnte mir alles leisten. Ein Studio in Zürich im Central, ein glamouröses Luxusleben konnte ich so führen. Sehr oberflächlich doch aus damaliger Sicht und für mein junges Alter (20 Jahre) ideal, wunderbar und unabhängig. Bis ich mit den türkischen Freunden von St. Gallen in der Sommerpause nach Istanbul reiste. Das war eine Pause von 2 Monaten. Gemäss Vertrag mit der Agentur musste ich Ende August 1963 wieder einsatzbereit sein.
Auslandaufenthalte
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26.  Auslandaufenthalte
Meine Freunde und ich reisten also nach Istanbul. Joe, mein Verlobter hatte die Adresse meiner Mutter und ich bat meine Mutter, ihm meinen Aufenthalt nicht bekannt zu geben. Damals gab es noch kein Handy.

Ja so wohnte ich als erstes im schönsten Hotel Istanbuls, im Pera Palace. Ich wurde von überall her herzlich eingeladen zu Partys, Festen, Events und zum Essen. Berin und Fahri gehörten zur High Society. Es galt damals in diesen Kreisen als gesellschaftlich modern, wenn man mit Europäerinnen Beziehungen pflegte. Auch wurde ich für mein Aussehen und Auftreten von Männern und Frauen bewundert. Die meisten jungen Menschen dieser Kreise waren an Universitäten von ganz Europa und den USA, also gebildet und zuvorkommend. Ich war es ja auch gewohnt begehrt und bewundert zu werden. Also gefielen mir diese Aufmerksamkeiten. Wir reisten auch herum und hatten viel Spass. Einmal sind wir auch nach Ankara gereist, da lebte Berins Schwester. Später hörte ich, dass Berin unbedingt wollte, dass mich ihr Cousin kennen lernte. Es ergab sich, dass bei einem Fest auch Üstün Ergüder eingeladen wurden. Er studierte in England. Nach der Sommerpause war er in Syracuse NY für sein
Doktorat in Economie und Politik Wissenschaften eingeschrieben.

Ich genoss es von allen Seiten umworben und begehrt zu werden. Unter meinen Verehrern war auch Üstün. Er war gross blond und blauäugig, guckte etwas melancholisch, was mir sehr gefiel damals. Ich war ein grosser Fan von James Dean, dem er sehr ähnlichsah. Wir trafen uns oft in Ankara, denn es funkte ziemlich schnell zwischen uns. Ich wohnte damals bei Berins Schwester in einem grossen Haus. Üstüns Eltern lebten im Winter, wie viele, in Ankara und im Sommer am Bosporus in Istanbul im Sommerhaus. Sein Vater war General und Chirurg, der Grossvater war auch General zu Atatürks Zeiten und seine rechte Hand.

Nun die Familie wollte umziehen nach Istanbul und Üstün sollte mitgehen, aber er wollte in meiner Nähe bleiben. Genau in der Zeit kriegte ich furchtbare Zahnschmerzen und musste notallmässig ins Spital in die Zahnklinik. Dort sass ich auf dem Stuhl und wurde an den Zähnen untersucht, schlussendlich kam der Chef der Abteilung und meinte, ich müsse am Blinddarm untersucht werden. Alsdann wurde ich dort untersucht und es wurde festgestellt, dass der Blinddarm kurz vor dem Platzen war. Deshalb wurde ich notfalls gleich an den Chirurgen
überwiesen, der sich dann entschied sofort zu operieren. Es war damals in der Türkei üblich, dass niemals eine junge Frau alleine gelassen wird, so schlief Bernin und abwechslungsweise ihre Schwester in meinem Zimmer. Üstün kam mich besuchen und erzählte es seinem Vater. Der war ausser sich, dass man ihn nicht informiert hatte. Zur Beruhigung wurde ihm dann der Blinddarm zugestellt, um zu beweisen, dass er notfalls operiert wurde. Üstün musste nach Istanbul, ich musste noch im Spital bleiben. Es war
für mich sehr komisch so viel Besuch zu bekommen, immer mit weissen Mänteln, kurz Decke runter, Kontrolle und Weggang. Später stellte sich heraus, dass das ganze männliche Personal diese rothaarige Schweizerin sehen wollten und deshalb einfach einen weissen Mantel anzog und so ihre Neugier stillten.

Bei meiner Entlassung fragte der Chirurg Berin, ob ich noch frei sei, denn er möchte mich heiraten. Kaum zu glauben, doch wahr. Eigentlich war es klar, dass Üsten der Favorit für mich war und ich fühlte mich so frei, dass alles möglich war. Ich schrieb Joe meine Entlobung und steckte den Ring mit ins Couvert. Meine Mutter hatte ja Anweisungen die Adresse nicht bekannt zu geben.

Wir kehrten nach Istanbul zurück. Ich war noch nicht belastbar und so lebte ich im Sommerhaus von Üstens Eltern, in guter Obhut seiner Familie. Sein Vater schrieb ein Arztzeugnis, dass ich noch 3-4 Wochen nicht arbeiten könne und auch noch nicht reisen durfte. Doch Üstun wollte sobald wie möglich in die USA reisen, deshalb wurden wir offiziell verlobt. Ein riesiges Fest fand statt.


(1) Verlobung Istanbul

 

Verlobung Istanbul

Mit meiner damaligen Haltung und Lebensansichten, eher oberflächlich, von der Modebranche, passte ich sehr gut in die Verhältnisse und den Lebensstil der Familie von Üstün Ergüder.

Später reisten wir in die Schweiz zurück und ich ging in die Agentur. Meine Vorgesetzten meinten dann, ich solle doch die Saison noch beenden und dann in die USA reisen. Üstün der sonst nicht so dezidiert war, sagte dann aber schlicht und einfach, jetzt oder nie.

Wie ich damals war, spontan und auch sehr verliebt, bat ich meine Mutter meine Wohnung aufzulösen, packte meine Sachen und reiste mit Üstün nach New York.

Ich liebte dieses Leben, die Türkei gefiel mir und NY lernte ich gut kennen, so dachte ich mir, wenn es nicht klappen sollte mit Üstün und mir, könne ich ja wieder zurück, oder in NY für eine Agentur arbeiten.

Ich hatte genug Erspartes und konnte meiner Verwöhntheit nachkommen, wie Coiffeur, Mani- und Pedicure, Besuche in Kosmetiksalons etc. Das war in den USA sehr teuer. Üstün hatte limitierte Finanzen als Student und bekam ein Stipendium. Ich wollte auf keinen Fall in einem Studenten-Housing wohnen, deshalb mieteten wir eine Attikawohnung. Ich langweilte mich, schaute viel TV und habe mein Englisch aufgebessert. Üstün kaufte mir einen Cocker Spaniel um mich aufzumuntern.



(2) In Syracuse mit Cocker Spaniel
In Syracuse mit Cocker Spaniel


Ich war noch nicht bereit in NY eine Agentur aufzusuchen, es war weit von Syracuse nach NY City. Ich hätte dort wohnen müssen. Syracuse war eine Universitätsstadt, ein Vorort, wo keine guten Bedingungen mit Agenturen herrschten wie in NY City.

Wir heirateten zivil, um eine Aufenthaltsbewilligung zu erhalten und um länger bleiben zu können. Ich wusste noch nicht, dass ich auch studieren wollte. Um in NY zu leben und als Mannequin zu arbeiten, brauchte ich eine Aufenthaltsbewilligung, das wollte ich aber noch nicht. Eigentlich wusste ich zu dieser Zeit noch nicht genau was ich wollte, nur was ich nicht wollte.

Damals verlor eine Frau ihr Bürgerrecht, wenn sie nicht ausdrücklich verlangte, ihr ursprüngliches Bürgerrecht zu behalten. Was ich Gott sein Dank intuitiv tat. Natürlich wurde ich auch Türkin, doch das war mir gleichgültig, solange ich Schweizerin blieb. Es war vorgesehen eine Hochzeit zu einem späteren Zeitpunkt in Istanbul zu feiern.

Ich war der Meinung ich könnte immer noch jederzeit einen Rückzieher machen, wenn es mir nicht mehr passen würde. Ich war immer noch sehr «oberflächlich» damals und zu verwöhnt von meiner Vergangenheit, dass ich alles machen konnte ohne Konsequenzen zu tragen. Das glaubte ich jedenfalls damals.

Meistens kommt es doch anders als man denkt. Alles hat immer einen höheren Sinn, was so geschieht und was einem das Leben ungeahnt zuspielt.

Ich wurde schwanger und das veränderte mein/unsere Leben komplett.
Was sind deine wertvollsten Erfahrungen und Lehren?
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27.  Was sind deine wertvollsten Erfahrungen und Lehren?

Wir lebten noch in der Stadt und nicht auf dem Campus, wo alle internationalen Studenten lebten. Wir wohnten schon ein paar Monate in Syracuse. Ich vertrug keine Pillen, um zu verhüten, so erhielt ich eine Spirale, die dann kurzerhand wieder entfernt werden musste. Ich hatte grosse Schmerzen. In der Folge kriegte ich ein Diafrom.

Das führte zu dem Wendepunkt in meinem Leben. Ich wurde trotz des Diafroms schwanger.

Also wurde mein Schicksal bestimmt, was mein Leben total veränderte.

Wir beide fühlten uns in jeder Hinsicht überfordert. Finanziell und auch wegen der fehlenden Zeit fürs Studium. In den USA war es gegen das Gesetz abzutreiben. Wir konnten für eine Abtreibung auch nicht in die Türkei zurückkehren wegen der Familie. Sie wollten Nachkommen. Also wäre die einzige Möglichkeit gewesen nach Mexiko zu reisen, doch viele Studentinnen kamen danach mit grossen Schwierigkeiten zurück. Die Hygiene war sehr schlecht und es gab sogar Todesfälle. Ich hatte Angst diese Option zu wählen. Übrigens hatte ich damals noch kein schlechtes Gewissen wegen der Abtreibung. Damals glaubte man bis 3 Monaten sei das kein Mord, es sei wie die Verhütung. So hatten auch Üstün und ich das Gefühl legitim mitzubestimmen.

Wir machten alles Mögliche: heisses Senfbad, bis nahe zur Bewusstlosigkeit, vom Tisch herunterhüpfen und das x-mal, immer wieder mit dem Auto über holperige Steine fahren. Wir versuchten einfach alles, was wir von Hausmitteln erfuhren, doch es nützte nichts. Faika hatte entschieden zu kommen.
Nach den drei Monaten hatte ich moralisch, seelisch und auch körperlich riesige Probleme. Ich vertrug sozusagen kein Essen, musste alles immer wieder erbrechen.

In dieser Zeit zogen wir in die «Studentenhausing», was viel günstiger war. Für Boncuk den Cocker Spaniel fand ich ein sehr gutes Zuhause und trennte mich von ihm. Wir hatten mit der Zeit auch ein viel interessanteres Leben und schlossen mit vielen internationalen Studenten Freundschaften.
Alle halfen sich gegenseitig, denn viele hatten auch schon Kinder. Eine unglaublich tolle und lehrreiche Zeit. Dieser wertvolle Abschnitt konnte ich erst langsam erkennen. Wir hüteten die Kinder untereinander, so klappte es sehr gut mit Studium und Haushalt. Es gab auch «Ami»-Mütter und ihre Töchter, die gleichzeitig schwanger waren. Für uns Europäerinnen etwas befremdend.
Wenn wir zu sehr Heimweh hatten, reisten wir zusammen nach Montreal und Toronto, das war viel ähnlicher von unserem gewohnten Lebensstil.

Üstün begann abends an einem Bankschalter stundenweise zu arbeiten, ich kriegte Aufträge von den Europäerinnen, Kleider zu nähen, was ich ja sehr gut beherrschte. Und eben nicht den USA Style: Sneeakers mit Bermudashorts, sondern chic, eben europäisch.



(1) Selbst genähtes Ensemble
Selbst genähtes Ensemble


Das gefiel allen Freundinnen und so ging es uns ziemlich gut, finanziell, zeitlich war es ja eine rein organisatorische Sache.

Ich war in der Kunst und Philosophie eingeschrieben, das war alles gut möglich unter einem Hut zu bringen. Ausser, dass ich immer dünner wurde und nur langsam eine kleine Ausbuchtung am Bauch sichtbar wurde, lange sah ich nicht schwanger aus.
 
Welche Erfahrungen hast du mit den Menschen gemacht? Wie wurdest du als Ausländerin aufgenommen? Ergaben sich Freundschaften?

Ich habe bis heute noch regen Kontakt mit den damaligen Freunden, also schon über 55 Jahre. Wenn sie durch Europa reisten gab es oft Wiedersehen-Treffen. Einfach toll.

Also wie schon erzählt, lebten wir dann in den «Studentenhausings», voll international. Ganz nach unserem Geschmack, denn wir beide mochten den typischen «Ami» nicht so sehr. Sie kamen uns wie grosse Kinder vor, die gerne «one-dimensionality» lebten in allen Bereichen.

Die dunkelhäutigen Menschen mochten wir sehr gut, doch gab es eher weniger in den «Hausings», warum weiss ich nicht so genau. Vermutlich hatten sie Mühe sich in der Universität einzuschreiben.

Wenn wir Partys machten, dann tanzten wir auch viel, dabei waren die Afrikaner sehr gut und schätzten auch unsere Esskulturen, was die weissen «Amis» nicht begriffen. Auf alles taten Sie Ketchup, sogar in die unterschiedlichsten liebevoll zubereiteten «Bourguignon Saucen».
Und für den guten Wein verlangten sie Eiswürfeln. Sie hatten auch keinen guten Geschmack in ihrem Wohnstil und bei ihrer Kleidung. Deshalb hatte ich grossen Erfolg für die Europäer mit meinen genähten Kleidern, denn in den Einkaufsläden gab es keine speziellen Stücke, nur in Boutiquen und diese waren sehr teuer.



(2) Internationale Gruppe

Internationale Gruppe


Wir waren unter uns Frauen, die Männer waren da nicht anwesend. Es gab natürlich wie Üstün und ich Mischehen, z.B. zwischen Holland, Frankreich, Deutschland, England, Belgien, Ungarn, Österreich, Italien, Schweden und Dänemark. Die meisten waren Studentinnen, auch wenn sie schon Kinder hatten. Wir hüteten die Kinder untereinander, so klappte es sehr gut mit Studium und Haushalt.

Das Kind auf meinem Schoss in der Mitte war von der Mutter aus Dänemark. Zu unser aller Entsetzen hatte ihr Arzt sie am Ende der Schwangerschaft, viel zu lange warten lassen und den Geburtstermin viel zu lange überzogen und der kleine Peter musst zuletzt notallmässig mit Kaiserschnitt geboren werden. Er war viel zu gross und hatte schwere Behinderungen. Wir waren alle mit dem medizinischen Vorgehen gar nicht einverstanden. Kleinkinder und Neugeborene wurden zudem einfach alle masslos geimpft.

Deshalb wollten alle einen privaten Arzt, um nichts dem Zufall zu überlassen, wenn die Geburt im Spital stattfand. Der Arzt, der Dienst hatte und der, der die Schwangerschaft begleitete, war immer ein anderer. Das war günstig und bezahlbar. Ich glaube es waren 100 Dollar für die Betreuung und die Geburt. Bei einem privaten Arzt kostete es 800 bis 900 Dollar oder mehr. Das war damals viel Geld, vor allem für uns Studenten, Krankenkassenversicherungen hatten wir alle nicht.

Ich war auf dem Foto im 9. Monat, ich wollte und hatte einen privaten Arzt. Wir haben die Kosten ratenweise abgestottert. Für mich war die Schwangerschaft und die Geburt wegen meines Kindheitstraumas ein riesen Problem. Wegen meiner nächtlichen Albträume hatte ich immer wieder blaue Flecken am Bauch. Oft war der Zustand von mir und dem Ungeborenen kritisch.

Faika's Geburt und die Zeit danach erzähle ich später.

Arbeit, Familie und Freizeit
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28.  Arbeit, Familie und Freizeit


Inwiefern hat deine Zeit im Ausland dein Leben beeinflusst?

Unser Leben hat sich grundsätzlich nach der Geburt von unserer Tochter verändert, speziell meines.

Ich wollte ja unbedingt einen persönlichen Arzt die ganze Schwangerschaft hindurch und auch bei der Geburt im Spital, das war aber damals in Syracuse NY nicht üblich. Viele gingen, wenn es soweit war einfach ins Spital und dann war der jeweilige dienstleistende Arzt zuständig für die Geburt.

Als meine Wehen begannen, auf dem Weg brach auch das Fruchtwasser, wurde ich am frühen Morgen am 14.9.1964 gegen 6 Uhr eingeliefert. Üstün durfte nicht in den Gebärsaal. Ich wurde in das hinterste Bett verfrachtet und anscheinend wurde mein Arzt informiert. Doch nichts passierte, ich fühlte mich ganz allein und total verlassen, unsicher und ängstlich. Mein englisch war ja auch nicht optimal, stundenlang hatte ich fürchterliche Schmerzen, wie wenn jemand mich entzwei schneiden würde auf einer Schlachtbank. Niemand kümmerte sich um mich, höchstens kam ab und zu jemand vorbei und sagte mir, ich solle mich zusammenreissen, ich sei ja nicht die erste Frau, die gebäre. Anscheinend erfuhr auch mein Arzt, dass ich eigentlich so weit sei zu gebären, doch er kam nicht. Viele, viele Stunden lag ich mir selbst überlassen im Geburtssaal. Viele Frauen bekamen ihre Kinder oder wurden rausgeholt, nur ich blieb zuhinterst ganz alleine meinem Schicksal überlassen. Ich dachte ich werde sterben oder wollte sterben, nur diese fürchterlichen Schmerzen wollte ich nicht mehr. Irgendeinmal wurde ich nachts doch untersucht und anscheinend wurde danach nochmals der Arzt informiert, ich wurde zwischendurch ohnmächtig oder war nahe dran. Um etwa 5 Uhr 30 Uhr kam dann mein Arzt. Sie mussten einiges unternehmen, weil Faika sich während den Wehen drehte und nun quer lag. Ich weiss es nicht genau, was alles unternommen wurde, ich war gar nicht mehr wirklich anwesend. Einige Zeit später wurde mir dieses kleine «Bündeli» in die Arme gelegt. Nach der Geburtsurkunde ist sie um 6 Uhr 05 geboren. Ich war leider noch gar nicht glücklich, und mit dem Versuch zu stillen klappte es auch nicht. Vermutlich schlief ich sehr lange und als ich sie das zweite Mal sah, ging es mit stillen auch nicht, ich war mit allem total überfordert. Nach einigen Tagen wurden wir entlassen. Ich hatte immer noch sehr Schmerzen im Unterleib. Üstün telefonierte mit dem Arzt und der verschrieb Mittel gegen Schmerzen und Antibiotika, weil ich hohes Fieber hatte. Diese Medikamente konnten wir in der nächsten Apotheke holen.

Er hat mich nicht untersucht und sagte Üstün, er verreise in die Ferien, er müsse den Rest von den 800 Dollar noch überweisen. Üstün musste bei Freunden Geld borgen, um diesen Betrag zu begleichen. Ich hatte eine Nachgeburtsinfektion und lange sehr grosse Schwierigkeiten und Schmerzen. Eigentlich bis ich in der Schweiz eine Totaloperation mit 35 Jahren machen musste. Anscheinend wurde während der Geburt vieles verrissen, was dann vernarbte.

Faika veränderte unser Leben total, ich wurde mir meiner Verantwortung erst langsam bewusst, was das alles heisst Mutter zu werden und sein. Ich veränderte mich zusehends, meine Oberflächlichkeit verschwand und damit auch etwas Leichtigkeit. Wir, respektive ich kriegte sehr viel Hilfe und Unterstützung von den Freunden. Ich konnte Faika auch in die Vorlesungen mitnehmen. Faika war ein liebes Baby und eigentlich sehr pflegeleicht. Üstün entpuppte sich als ein eher nicht so pflichtbewusster Vater. Er ging seinen Interessen nach, Unterstützung von ihm gab es wenig bis nie. Ich merkte langsam, dass ich eher «zwei» Kinder hatte.

Mutter werden, so denke ich, hat mein ganzes Wesen, meine Haltung und Werte total verändert, wie über Nacht wurde ich ein anderer Mensch. Mir fiel wie Schuppen von den Augen, wie ich war und nicht mehr bin. Üstün arbeitete weiterhin am Bankschalter und half den Unterhalt zu verbessern und ich trug mit nähen dazu bei. Ich denke er liebte Faika sehr, doch seine Interessen waren ihm immer näher. Beim Hüten halfen ihm oft Freunde, weil er dies vergas. Ihm fehlte die nötige Empathie, ich dagegen entwickelte diese automatisch, auch im Umfeld, durch mein Mutter sein und mein Studium. Unsere Ehe wurde auch oft durch viele kleine Dinge geprüft, die für mich belastend und fragwürdig erschienen. Wir zogen nicht am gleichen Strick, wir waren meiner Empfindung nach nicht ein Familienpaar mit einer gemeinsamen Tochter, wo über Werte und Umgang im Familienleben diskutiert wurde. Jedoch hatten wir tolle Freunde, mit denen ich viel über alles diskutieren konnte, das liess mich nicht so einsam fühlen. Auch dachte ich, wenn das Studium fertig ist und wir in der Türkei sind würde alles besser. 

In der Zeit schrieb ich meiner Mutter einen 3-seitigen Brief, wie leid es mir tat, was für eine schwierige Tochter ich gewesen war und ihr so viele Sorgen machte. Das wurde mir plötzlich sehr bewusst. Natürlich schrieb ich in deutsch, was ich ja mehr beherrschte als Englisch, denn damals war mein Alltag und das Studium in Englisch. Aber auch deutsch war für mich schriftlich schwierig. Ich erhielt diesen Brief ohne Kommentar total übersäht, rot korrigiert zurück, denn Fehler schreiben war damals ein «no go»!!!!




(1) Faika Zuhause angekommen
Faika Zuhause angekommen

 


(2) Üstün mit Faika

Üstün mit Faika
Leben in den Studentenhousings
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29.  Leben in den Studentenhousings

Wie schon geschrieben hat sich unser Leben mit unserer Tochter Faika grundsätzlich verändert.

Wir waren ja beide Studenten, lebten in den «Studentenhausing», was viele Vorteile brachte, denn die meisten hatten Kinder, so half man sich gegenseitig, hütete und unterstützte sich. Wir hatten auch viel Spass, kochten, feierten lachten und weinten oft zusammen.

Oft war ich auch etwas übermüdet, vor allem wenn ich nachts nähte für Freunde, denn tagsüber hatte ich keine Zeit mit Kind, Haushalt und meinem Studium. Gott sei Dank wurde ich deshalb langsam eine gute Organisatorin, das sagten mir viele Freunde. Sie bewunderten mich, wie ich das alles unter einen Hut brachte. Wir gingen oft auch in Pärken «pic-nicen», wo es für Kinder viele Möglichkeiten zum Spielen gab und wir Erwachsenen uns so austauschen und unterhalten konnten. Wir hatten viele internationale Spiele, die wir alle zusammen mit viel Freude machten.

Üstün war keine grosse Hilfe mit hüten. Er guckte dabei «Football» und so konnten die Kinder währenddessen alles möglich anstellen. Einmal nahmen sie meine Schmuckschachtel nach draussen in die Wiese und verloren wertvolle Sachen, die im hohen Gras nie mehr gefunden wurden. Aber ernsthaftes ist nie passiert. Einmal ist Faika ganz alleine auf dem Campus davongelaufen und wurde dann von Freunden wieder zurückgebracht. Üstün war so erstaunt, dass sie mit ihr kamen, er hatte gar nichts bemerkt. Auf dem Campus war ja alles sehr gut abgesichert. Üstün war schon immer ein verträumter Professor, er rauchte Pfeife, manchmal steckte er sie in die Manteltasche und Passanten machten ihn dann darauf aufmerksam, weil es aus seinem Sack rauchte.

Ich hatte am Anfang gar keine Erfahrung mit kochen, doch lernte ich schnell die besten internationalen Rezepte zuzubereiten und diese waren erst recht noch günstig. Ich war eben in allen Bereichen sehr neugierig und deshalb lernte ich schnell.

Einmal hütete Üstün Faika und sie spielte mit den anderen Kindern drinnen und draussen. Ich musste etwas erledigen und benötigte das Auto, doch der Schlüssel, der sonst einen speziellen Platz hatte, war nicht mehr dort. «Oh, Gott», wie wir suchten… schlussendlich fanden wir ihn in einer Schachtel bei den Spielsachen. Faika hatte ihn da versteckt, sie konnte damals noch nicht richtig sprechen. Es wurde uns nie langweilig. Ich konnte das Vorgesehene dann am nächsten Tag erledigen.
Mir passierte einmal, dass ich mit dem Auto in eine Mall einkaufen ging und da gleich die Wäsche wusch. Wir hatten eine Automarke, die trotz eingestecktem Schlüssel, wenn die Türe zuging, verriegelte. Üstün musste dann mit einem Freund und mit einem Ersatzschlüssel kommen, um mit dem Auto wieder fahren zu können.

Zu Faika’s Geburtstag kamen Grossmutter und Urgrossmutter zu Besuch. Das war ein Marathon für mich, alles unter einen Hut zu bringen, und einen einigermassen guten Eindruck zu machen. Gott sei Dank fuhren wir noch nach Niagara und Montreal. So verging die Zeit einigermassen gut.

Mein Studium in Kunst konnte ich mit links bewältigen, doch die Psychologie nahm mich sehr in Anspruch, vor allem wegen meiner Defizite in der Sprache. Eine Freundin, die ursprünglich Deutsche war konnte mir viel helfen, dafür nähte ich ihr schöne Sachen.

Alles in allem ging es mir immer wie besser und ich lernte viel. Auch im Bereich Verständnis im Umgang zwischenmenschlicher und sozialer Beziehungen, neuen Werten, die für mich wichtig wurden und über die ich viel und gerne unter Freunden diskutierte, erlangte ich Sicherheit und Boden. Mit der Zeit gewann ich eine ganz andere Weltanschauung. Vor allem tiefgründigere Gedanken. Ich war überhaupt nicht mehr oberflächlich, alles berührte mich was nicht gerecht war. Es war so wunderbar, dass ich das mit Freunden teilen konnte. Denn Üstün war nicht sehr interessiert an diesen Themen. Er war eigentlich eher introvertiert und ich extrem extrovertiert. Das führte immer mehr dazu, dass jeder in seiner Welt lebte.



(1) Faikas 1. Geburtstag
Faikas 1. Geburtstag

 


(2) Ich mit Faika

Ich mit Faika

 

(3) Wir vor der Studentenwohnung

Wir vor der Studentenwohnung

 


(4) Üstün mit Faika

Üstün mit Faika

 

(5) Ich beim Nähen

Ich beim Nähen
Unsere Hoch’s und Tief’s in unserer Beziehung
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30.  Unsere Hoch’s und Tief’s in unserer Beziehung

Unsere Ehe lebten wir einfach, daran gearbeitet haben wir leider nicht gross. Üstün war an solchen Themen nicht interessiert.

Nah dies nah lernte ich wichtige Methoden über Aktion und Reaktion im Studium kennen. Wenn ich versuchte unsere Probleme mit ihm zu analysieren, sagte Üstün oft, der Psychokram interessiere ihn nicht. «Man ist wie man ist, Punkt!» Oft war ich sehr traurig darüber, doch konnte ich auch mithilfe meiner Freunde, die mich verstanden und unterstützten, nichts erreichen.

Üstün war ein sachlicher grosser Denker und wurde dafür auch bewundert. In zwischenmenschlichen, sozialen und geistigen Bereichen hatte er wenig bis gar kein Verständnis. Es schien mir, dass nur Facts zählten für ihn; Kopf ja, rational ja, aber wenig Herz, Mitgefühl und Intuition. Diese Themen waren für ihn verwirrend und verunsicherten ihn enorm. Ich entwickelte mich leider immer mehr zum Gegenteil. Werte wie authentisch sein, Einfühlsamkeit, Intuition mit viel Bauchgefühl waren bei mir dominant. Spiritualität interessierte mich unglaublich, ich liebte es auch überaus mit Freunden stundenlang zu philosophieren. Ich war neugierig und begeisterungsfähig und emotional ein rücksichtsvoller Mensch. Ich würde von meinen Freunden dafür sehr geschätzt.


Ich hoffte, wenn wir in der Türkei lebten und unabhängig waren, ich mit dem Studium fertig und Üstün an der Universität am Dozieren, dass alles besser werden würde. Dies war jedoch ein Wunschdenken, doch es gab mir Kraft und Mut. Manchmal dachte ich auch, dass Üstün unter dem Druck von Finanzen und Studium litt, doch merkte ich später, dass alles eine Illusion war!!!!!

Bevor Faika geboren wurde reisten wir ab und zu nach Boston zu Freunden. Im Winter gab es eine Strecke mit viel Schnee, ich weiss jedoch nicht mehr genau wo das war, da kam Üstün mit dem Auto ins Schleudern, wir kamen von der Strasse ab und landeten im Tiefschnee auf dem Dach. Ich hing im Sicherheitsgurt und konnte mich nicht selber befreien. Üstün konnte wegen des vielen Schnees die Autotür nicht öffnen. Es war in einer Waldgegend, weit weg von der Zivilisation. Gott sei Dank war ein Wildhüter in der Nähe und bemerkte, dass etwas nicht stimmte. Ich glaube Üstün konnte durch das Fenster nach Hilfe rufen. Jedenfalls kam Hilfe und sie schleppten uns raus. Ich war sehr unterkühlt und die Helfer meinten, wir sollten in ein Spital zur Kontrolle gehen. Doch Üstün entschied sich, direkt zu den Freunden zu fahren, da wir ja keine Krankenversicherung hatten. So fuhren wir noch eine längere Strecke ohne Rückfenster, dieses zerbrach beim Sturz. Bei den Freunden wurde ich in ein heisses Bad gesteckt. Schlussendlich überstanden wir alles glimpflich, auch Faika, ich war ja schwanger mit ihr. Die Versicherung zahlte eine Abfindung, aber wir durften dafür später nie wieder auf den Schadenfall oder Folgeschäden zurückkommen.

Am meisten reisten wir, wenn wir Zeit fanden, nach Montreal und Toronto, das gefiel uns sehr gut. Auch New Orleans, San Francisco mochten wir, doch der ganze andere Rest gefiel mir gar nicht. Wie die Amis
waren, wie sie lebten und auch die Städte. Üstün liebte Auto fahren und so reisten wir viel herum, wann immer es uns möglich war.



(1) Faika war überglücklich in der Studentenhousing

Faika war überglücklich in der Studentenhousing

 


(2) Faika ca. 1 1/2 Jahre alt

Faika ca. 1 1/2 Jahre alt
Wieder in der Türkei
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31.  Wieder in der Türkei


(1) Bei der Familie von Üstün in Ankara

Bei der Familie von Üstün in Ankara

 


(2) Wieder in der Türkei in Ankara

Wieder in der Türkei in Ankara

Das Packen war sehr schwierig und die Frage, was sich lohnte über den grossen Teich zu schicken und was nicht.

Ich freute mich eigentlich und hoffte mit meinen naiven Wunschgedanken, dass sich vieles in unserer Beziehung bessern würde, wenn wir dann unabhängig von unseren Familien sein würden. Natürlich war ich auch sehr traurig wegen meiner vielen tollen Freunde, die ich nicht mehr in meiner Nähe haben werde.

Ich war ja, bevor wir nach USA fuhren, sehr begeistert von der Türkei und der Familie.
Dass ich mich sosehr veränderte und nicht mehr dieselbe war, war mir zu Beginn nicht bewusst, oder ich wollte nicht daran denken.

Wir wurden herzlich empfangen, es war abgemacht, dass wir bei seinen Eltern lebten bis Üstün seine Doktorarbeit fertig geschrieben hatte. Diese handelte speziell über türkische politische Wissenschaft und Economy. Eigentlich dachte ich, dass es sich um ein bis zwei Monate handeln würde. Dass wir dabei komplett finanziell abhängig sein werden, habe ich mir gar nicht erlaubt zu denken. Und das Zusammenleben auch nicht, Gott sei Dank hatte ich einen guten Draht zu Üstün’s Vater. Er konnte mich oft sehr gut verstehen, dass es für mich mit den zwei dominanten Frauen – Üstün’s Mutter und Grossmutter - sehr schwierig war. Auch Faika hatte sehr grosse Mühe in dieser ganz anderen Art zu leben. Sie war in den USA sehr frei gewesen, durfte auch mal schmutzig werden und durfte selber essen, auch wenn sie dabei kleckste. Die Einrichtung war sehr wertvoll und zerbrechlich. Überall waren Bedienstete und reinigten hinterher. Auch sie waren sehr unglücklich, dazu kam auch die Sprache, denn es wurde vorwiegend türkisch gesprochen, nur wenn es «donnerte», das war klar und deutlich, wurde englisch gesprochen.

Oft gab es offiziellen Besuch im Salon, wo für Faika alles verboten war. Da musste man schön stillsitzen und nett dreinschauen, das war nicht Faika’s Stärke. Meine übrigens auch nicht und es langweilte mich fürchterlich, denn damals konnte ich noch nicht gut türkisch. Von früher her wusste ich ja schon sehr gut, wie Schein und nicht Sein zu präsentieren sind. Was zu sagen ist Faika’s Grossmutter war meine sehr gute Türkischlehrerin. Sie unterrichtete mich zuvorkommend in Traditionen und High Society sowie ihre Werte. Oh, wie ich und Faika das hassten, auch Üstün doch er konnte dem gut ausweichen, indem er ausserhalb seiner Arbeit nachging. Wir teilten ein grösseres Zimmer und Faika hatte eines nebenan. Also blieb uns beiden nur die Flucht dorthin, wann immer es ging.

Da wir finanziell abhängig waren, konnten wir uns nicht oft erlauben alleine in den Ausgang mit Freunden zu gehen. Auch wenn Üstün’s Familie reich war, hatten wir kein eigenes Budget.
Natürlich waren wir immer bei Anlässen gestylt und gut instruiert dabei, jedoch mit grossem inneren Widerwillen.

 

(3) Bei offiziellen Anlässen in guter Obhut der Familie

Bei offiziellen Anlässen in guter Obhut der Familie

 

So ging das nicht allzu lange, bis ich Faika in eine Krippe brachte mit dem Vorwand, dass sie so schneller türkisch lernen konnte. Dort konnte sie wenigstens spielen und Kind sein. Ich meldete mich für eine Weiterbildung an, um ein Sekretärinnen-Diplom zu machen, damit ich von zuhause weggehen konnte. Denn einfach so in der Stadt Freunde treffen und herumzuhängen gehörte sich nicht. Nachmittags wurde oft Bridge gespielt und ich hätte es lernen sollen, doch mit diesen überheblichen Ladies, mit diesem Klatsch und Tratsch, gefiel mir dies ganz und gar nicht.


(4) Faika in der Krippe

Faika in der Krippe


So fand ich doch immer wieder den Rank, damit ich nicht ganz verzweifelte. Das konnte ich schon als Kind: Unstimmiges ausblenden und meine Wege finden und trotz allen Widrigkeiten meinen inneren Frieden und meine innere Balance einigermassen halten. Am schlimmsten war, dass wir finanziell abhängig waren und alles und jedes erbeten mussten, das fiel mir sehr schwer. Die prunkvollen Kleider für Grossanlässe wurden uns natürlich gekauft oder ich durfte diese selber nähen. Uns optimal zu präsentieren, unsere Erscheinung waren das wichtigste. Das Kleid im oberen Bild habe ich selber genäht.

Zeynep, Üstün’s kleine Schwester, war sehr oft mit ihrem Sohn Recai und dem Kindermädchen bei uns. Recai war beinahe gleich alt wie Faika, durfte aber nicht am Boden kriechen und auch nicht selber einen Löffel in die Hand nehmen. Jede Mahlzeit war ein riesiges Theater. Er erbrach als Reaktion jedes Mal. Ab und zu biss er aus Verzweiflung das Kindermädchen. So eine Erziehung war in diesen Kreisen normal. Für mein Verständnis nur schrecklich!!! Doch ich mischte mich wohlweislich nicht ein.

Es ging viel länger als gedacht mit der Dissertation, ich weiss nicht mehr genau wie lange. Jedenfalls als es endlich klar war, wann er in die USA reisen konnte, um die Dissertation zu präsentieren und zu vollenden, wurde einfach über meinen Kopf hinweg entschieden, dass ich und Faika hierbleiben müssen, damit Üstün nicht etwa auf die Idee kommen könnte, dort zu bleiben. Oft war dies ein leiser Wunsch von ihm. Ich wollte Üstün klar machen, dass ich in dem Fall, während dieser Zeit in die Schweiz wolle, bis er zurückkam. Ich wollte mich dort finanziell unabhängig machen. Doch das war gar keine Option für ihn, niemals, dann gehe er nicht für die Dissertation in die USA. Er hatte sehr selten eine feste Meinung, aber hiervon war er hundertprozentig überzeugt. Natürlich war die Familie auch seiner Meinung, wir waren ein Pfand und somit waren sie sicher, dass er zurückkommt.

Damals hatte ich doch einige Freundschaften mit jungen Leuten von befreundeten Familien, die wir ab und zu auch treffen konnten, bei Anlässen usw. Als Ausgleich planten eine gute Bekannte und ich ein Projekt, denn ich realisierte, dass ich besser den Wünschen der Familie nachgebe, mit der tiefen Hoffnung, dass es nicht allzu lange dauern würde und wir danach unabhängig leben könnten.
«Wunschgedanken!!!!» Meine Sekretärinnenschule war längst abgeschlossen.

Die Dörfer um Ankara herum waren sehr arm und vieles fehlte überall. Also zettelte ich mit der Freundin ein weiteres Projekt an. Sie war auch nicht glücklich zuhause beim Rumsitzen und sich präsentieren. Wir baten Üstün’s Vater um Infos, wie wir es anstellen konnten, in den umliegenden Dörfern mit gesammelten Farben, Papier und anderen Materialien kreative Arbeiten mit den Dorfkindern zu basteln. Natürlich neben der offiziellen Schule. So fuhren wir oft in die Dörfer. Mit der Zeit hatten wir auch Materialien von den Reichen sammeln können für Handarbeiten, die von den Dorffrauen gefertigt wurden. Wir konnten sie mehr und mehr dazu motivieren, denn es waren sehr schöne Sachen, die sie anfertigten. Diese Gegenstände verkauften wir dann an Händler und der Erlös daraus ermöglichte den Frauen, nötige Reparaturen machen zu lassen und Wichtiges für ihr Leben zu kaufen. Mit der Zeit konnten wir auch eine Krankenschwester mitnehmen und Nötiges für Pflege und kleine Arzthandlungen vornehmen. Diese ermöglichte uns Vater. Es war wunderbar und sehr sinnvoll, eine sehr befriedigende Arbeit. Leider kamen nach einer gewissen Zeit seitens Behörden Männer mit, um zu sehen was wir da machten. Es verletzte ihren Stolz, dass Frauen solche Lücken entdeckten und etwas bewegten, da sie als Behörden nicht aktiv genug waren, den Dörfer zu helfen, um Verbesserungen herbeizuführen.
Es wurde uns eines Tages einfach verboten dieser Freiwilligenarbeit nachzugehen. Auch Üstün’s Vater, obwohl er Senator war, konnte nichts daran ändern.

Es war das Ende meiner ausgeglichenen Zufriedenheit, ich wurde sehr stark reduziert auf Ausgang und treffen mit Freunden. Es gehöre sich nicht, damals als Ehefrau, ohne Gatten, sich zu amüsieren!!!!! Ich müsse mir bewusst sein, dass ich mit einer ehrenhaften Familie liiert
sei und das müsse ich respektieren. Von da an fühlte ich mich wie ein Vogel im goldenen Käfig. Im Sommer lebten wir im Sommerhaus am Bosporus in Istanbul. Wir gingen viel an Anlässe, schön in der Mitte, gut präsentiert und lächelnd wurde ich mitgeführt. Oh, ich kann es heute kaum glauben, wie sehr ich gelitten habe, total abhängig und völlig in Obhut, kein Ausweg. Ich war oft in meinem Zimmer heulte und holte die Koffer, um zu packen und um in die Schweiz zurückzureisen. Doch immer wieder zwang ich mich Ruhe zu bewahren mit der grossen Hoffnung, dass wenn Üstün abgeschlossen hatte, alles gut wurde und wir unabhängig und zufrieden sein würden. Ich hatte auch ziemlich gut türkisch gelernt und das Land und die Menschen mochte ich ja sehr gerne. Was ich jedoch in der Zwischenzeit bemerkte war, dass Üstün wenn niemand ihn «anheizte», nicht vorwärts machte und nicht zielgerichtet arbeitete.

Er hatte keine Eigendisziplin, war eben ein verwöhnter Sohn. Das wusste ich ja eigentlich, ich schrieb viel an meine Freunde, sie trösteten mich und versuchten, ihm zuzureden oder auch Druck zu machen, doch man glaubt es nicht …. es dauerte über ein Jahr, bis er zurückkam!!!!!!!!
Also waren ich und Faika über ein Jahr in strengster Obhut und Aufsicht, glänzend und beneidet von allen. Das einzige was mir erlaubt war und mir grosse Freude machte, war schöne Kleider zu nähen!



(5) Faika und Recai und ich mit selbstgenähten Sachen

Faika und Recai und ich mit selbstgenähten Sachen

 

(6) Faika und Recai

Faika und Recai
Wie ging es weiter nach dem langen Aufenthalt von meinem Ehemann in den USA?
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32.  Wie ging es weiter nach dem langen Aufenthalt von meinem Ehemann in den USA?

Als Üstün wieder in Ankara war, gab es einige grosse Enttäuschungen für mich. Er wurde gross gefeiert und erhielt, ohne nachzufragen ein neues Auto als Geschenk. Ich sagte Üstün, dass er unbedingt seiner Mutter sagen solle, dass er während seines Aufenthaltes in den USA Schulden gemacht hatte und es für uns eine grosse Hilfe gewesen wäre, anstelle des Autos unsere Schulden zu übernehmen. Das war aber gar nicht in seinem Sinne, denn er liebte Autos.

Als ich es Mutter vorschlug meinte sie, das sei nicht ihre Sache, ein Geschenk sei nicht zu wünschen. Ein Auto ist ein sichtbarer Wert und Statussymbol, jedoch Schulden abzubezahlen wird von niemandem gesehen und hat demzufolge auch keinen Wert.

Das zweite was ich nicht wusste, ist ein altes Gesetz vom Militär, welches früher auch in vielen anderen Ländern galt, aber dann abgeschafft wurde. Wenn studierte Männer im Militär automatisch in höhere Ränge kamen, also Leutnant etc. wurden und solche Männer mit einer Ausländerin verheiratet waren, verloren sie automatisch ihren Status und wurden einfache Soldaten, was in der Türkei hiess, an der Grenze den Dienst zu absolvieren. Denn es könnte sich bei den angeheirateten Frauen um Spioninnen handeln. Ein Sohn aus höheren Schichten war ein gefundenes «Fressen» an der Grenze für die Vorgesetzten, er wurde bis aufs Blut geschlaucht. So wurde es jedenfalls erzählt. Anscheinend war es üblich, dass die Söhne aus höheren Schichten oft im Ausland studierten und sich da verliebten und dann heirateten. Es gehörte zum guten Ton und galt als sehr modern. Mit einer ausländischen Schwiegertochter wurde aufgeschnitten. Also wurde schon seit einiger Zeit das Gesetz umgangen, sich während der Dauer des Militärs informell zu scheiden. Was ich auch machen musste, es war keine Frage, so eine Gemeinheit den Ehemann in so ein Unglück zu stürzen. Ich war sprachlos. So wurden wir informell geschieden von einem Onkel Orhan Ergüder, der Anwalt (Richter) war. Er und seine Frau mochten mich sehr und halfen mir ab und zu bei Problemen. So verlas er die Bedingungen der Scheidung. Die Familie war natürlich anwesend: Üstüns Mutter und Grossmutter, als er vorlas, dass die Tochter der Mutter zugesprochen würde und mir symbolisch 1.50 Lira im Monat Alimente ausbezahlt würde, ging ein Gemurmel los. Mutter wie Grossmutter wollten Einsprache machen, Vater nicht, doch mussten sie schweigen, denn es war ja nur eine informelle Scheidung!!! Oh, das war mein Glück!!! Denn ich wollte sowieso Faika nie in der Türkei zu zurücklassen. Das hätte geheissen, dass sie in ein Internat geschickt worden wäre, womit ich nie einverstanden gewesen wäre, denn das fand ich keine gute Erziehung, ein Kind braucht Geborgenheit und Liebe in den jungen Jahren. Ich sah ja genügend «verkorkste Exemplare», die von Jung an nur im Internat aufwuchsen. Ich glaubte damals noch nicht ans Wegziehen, ich hoffte immer noch, dass wir den Rank finden, wenn wir unabhängig sein würden.
Ich meldete es dem Konsul in Istanbul. Der meinte ganz gelassen, das dies hier in den Gesellschaften üblich sei. «Sie sind ja nur in der Türkei geschieden, wenn das Militär vorbei ist, könne ich denselben Mann wieder heiraten.» Das Melden dieses Umstandes an mein Ursprungsland sei nicht nötig, versicherte mir der Konsul. Eigentlich wusste ich zum voraus davon nichts. Doch hörte ich es von anderen Misch-Ehepaare, dass das so gemacht wird. Ich machte mir auch darüber keine grossen Sorgen, wollte nur unabhängig werden und selbstbestimmt sein. Das war mein Ziel.

Der Militärdienst dauerte 3 Jahre. Üstün dozierte an der Istanbuler Militärakademie.
Wie würdest du euer Familienleben beschreiben nach der informellen Scheidung?
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33.  Wie würdest du euer Familienleben beschreiben nach der informellen Scheidung?

Nach der informellen Scheidung wegen des Militärdienstes von Üstün, lebten wir in Istanbul. Er wurde an der Militärakademie in Istanbul, als Dozent eingeteilt, dort musste er jeweils auch zeitweise übernachten. Auf meinen innigsten Wunsch hin, lebten wir zuerst im Sommerhaus
am Bosporus. Es war aber schon Herbst und nach Üstüns Eltern war das Haus ungeeignet im Winter, denn es war feucht und schlecht heizbar. Doch ich liebte es, es machte mir nichts aus, das Cheminée im Salon anzuzünden. Da konnte man so schön die riesigen Schiffe vorbeiziehen sehen, begleitet von Delfinen und den Nebelhörnern, ich liebte es ihrem Klang zuzuhören. Es stimmte, es war nicht optimal für den Winter, doch mir passte es trotzdem sehr gut. Vis à vis lebten Freunde, ein Ehepaar aus den USA. Er dozierte an der Bogazici Universität. Sie hatten einen Sohn und sie war schwanger mit ihrem zweiten Kind. Wir verbrachten viel Zeit zusammen. Faika brachte ich jeweils in den Kindergarten der Universität. Die Familie war wieder in Ankara, das war so üblich, nur den Sommer hindurch verweilten sie in Istanbul. So hatten wir mehr Freiheit.

Natürlich lebten wir finanziell total abhängig von Üstüns Familie. Nun ehrlich ich dachte mir immer, dass dies ja nur vorübergehend sein würde, mit viel naiver Hoffnung auf Unabhängigkeit. Der Militärdienst dauerte 3 Jahre.
Gott sei Dank konnte ich auch an der Boagzici Universität das Atelier und das Fotostudio sowie die Dunkelkammer benützen, um Fotos zu entwickeln und Vorlesungen zu besuchen. Ich knüpfte schnell und mit vielen Menschen gute Freundschaften, auch mit ausländischen Dozenten. Auch die Partnerin vom Präsidenten der Universität war Amerikanerin. Wie lange wir im Sommerhaus leben konnten weiss ich heute nicht mehr.

Es war ein Dauerthema, dass wir in ein modernes Appartement ziehen sollten, das nicht neben dem Bosporus sein sollte, eben in eine moderne Siedlung, was mir gar nicht gefiel. Doch Sie hatten ja das Sagen und ihr Image war das Wichtigste!!!!
Also beugten wir uns Ihren Vorstellungen und zogen in die neue Ulus Siedlung, die auf einem Hügel waren, mit Sicht auf den Bosporus. Es war eine Eigentumswohnung von ihnen, die ihren Vorstellungen entsprach.

Möbliert und eingerichtet wurde natürlich auch nach ihren Vorstellungen. Eine Haushilfe mussten wir von Anfang an akzeptieren, das gehörte sich in diesen Kreisen. Ich wollte etwas arbeiten, was ich später auch tat, gegen ihren Willen, um etwas eigenes Geld zu besitzen. Ich konnte an einer Privatschule Kunst, Basteln und Malen unterrichten. Ausstellungen konnte ich erst später erzwingen. Denn in diesen Kreisen gehörte eine Ehefrau nicht in der Öffentlichkeit, durfte auch kein eigenes Geld verdienen natürlich, sondern war zum Präsentieren da. Üstün konnte und wollte sich nicht für mich ein- und durchsetzen.

Eines muss ich dringend erwähnen, ich wollte sie eigentlich nicht verurteilen, denn für mich galt: ich bin in ein fremdes Land gezogen und habe mich da verheiratet, also galten da ihre Normen und Werte. Ich hatte mich da einzufügen, das war meine Einstellung. Doch dabei meine Selbstachtung zu wahren, in dem Prozess, war äusserst schwierig!!! Eigentlich achtete ich sie und schätzte sie auch in ihrer Art, doch bedeutete das, dass ich mich unglaublich verbiegen musste. Der arme Üstün war zwischen den beiden Fronten sehr unglücklich. Das belastete natürlich auch unser Eheleben sehr.

Faika ging dann in das erste Schuljahr in der Nähe von Ulus, mit Taxi geholt und gebracht.
In der Siedlung waren mehrere Wohnhäuser. Die Bewohner waren alles gut gebildete Leute, mit denen ich regen Kontakt pflegte. Mit der Zeit regte ich mich fürchterlich auf, weil wir täglich braunes Wasser mit Tanker einkaufen mussten. Das Trinkwasser hatte man immer separat in grossen Behältern mit Wasserhahn. Fürs Duschen, Abwaschen, Waschen etc. benutzte man das gekaufte dreckige Wasser, welches in grosse Reservetanks auf das Dach gepumpt wurde, was obendrauf noch sehr viel kostete!!!

So typisch Tina, informierte ich mich bei Orhan Ergüder über das Wasserrecht in Istanbul und fand heraus, dass die neue Siedlung Ulus auch ein Wasserrecht für sauberes städtisches Wasser hatte, aber irgend jemand hat da aus Eigeninteresse gemogelt.
Als ich genügend Sicherheit hatte, ging ich wochenlang von Haushalt zu Haushalt mit einer Petition für das städtische Wasserrecht, um dann diesen beim Wasseramt vorzutragen. Das hat natürlich ein Freund für mich mit korrektem türkisch geschrieben. Ich sammelte viele Seiten mit Unterschriften und ging dann damit aufs Wasseramt. Ich musste mehrmals vorbeigehen und wurde immer wieder abgewimmelt, doch bat ich im Bekanntenkreis um Namen, die an der richtigen Position sassen und habe dann erreicht, dass eines Tages sauberes Wasser floss. Vermutlich immer noch. Darauf bin ich heute noch stolz!!!
Ja es gibt noch heute Freunde, die davon erzählen, wie ich das damals machte, um dem Ulus zu sauberem Wasser zu verhelfen.

Dazu muss ich von unserem Alltagsleben erzählen. Üstün war ja oft tagelange und nächtelang
in der Militärakademie. Wenn er Zuhause war schaute er leidenschaftlich gern Fussball am Fernseher. Nur ganz selten sass er mit uns zusammen, spielte oder diskutierte mit mir und Faika. Eigentlich hatte er wenig Beziehung mit Faika und mit mir nervte er sich. Über meine Liebe zu diskutieren und zu analysieren, ob über politische oder soziale Themen zu sprechen, er fand das nicht genügend sachlich fundiert. Ab und zu wenn Freunde dabei waren und mitdiskutierten, dann war er eher abwesend in Gedanken versunken. Auch in solchen Momenten kam er nicht richtig aus sich heraus.

Am besten erinnere ich mich an seine und Zeyneps Leidenschaft, sie war mit ihrem Sohn Recay sehr oft bei uns zu Besuch. Faika und Recay waren ja beinahe gleich alt, sie waren sehr eifersüchtig aufeinander. Zur Unterhaltung nahmen Üstün und Zeynep Spielzeug von den Kindern und zettelten einen Streit an indem, der eine dem andern etwas wegnahm und in den Bosporus warf oder versteckte und schon lagen sich die zwei kleinen Kinder in den Haaren, bissen sich und schlugen sich. Darüber konnten Üstün und Zeynep sich köstlich amüsieren. Ich hasste diese Spiele ausserordentlich und geriet sehr in Rage, war ausser mir. Das gefiel den beiden dann noch obendrauf.

Was noch speziell war, ich war sehr gerecht und zuvorkommend mit den Angestellten im Haushalt, doch das wurde überhaupt nicht respektiert, sondern ausgenutzt und wenn es darum ging, dass sie das Arbeitsverhältnis beendeten, wurden alle mit einer Geste geehrt, mich haben sie nicht einmal verabschiedet. Das habe ich lange nicht begriffen, doch in dieser Schicht waren die Leute nicht gewohnt auf gleicher Augenhöhe behandelt zu werden und somit hatten sie für mich auch keinen Respekt.

Üstün liebte es zu reisen und mit dem Auto durch die Gegend zu fahren und zu erkunden. Das war meistens eine schöne Zeit, auch für Faika und mich.

Sonst war der Alltag in unserer Familie alles andere als harmonisch und ich war dazu leider sehr Harmonie süchtig. Wir lebten sehr oberflächlich und in einer Show-Ehe.

In dem Haus indem wir wohnten, lebte auch ein Türke von Zypern, er war geschieden und war auch ein Dozent an der Universität. Er diskutierte gerne über Gott und die Welt und philosophierte wie ich. Er ass viel bei uns zu Mittag oder zu Abend. Ab und zu kamen noch andere Kollegen und Kolleginnen, dann hörten wir gute Musik und tanzten dazu, das machte Üstün sehr gerne. Er hatte auch ein grosses Talent: beinahe jedes Instrument konnte er schnell imitieren und spielen. Am liebsten hatte er Jazz, wie die meisten von uns auch. Eigentlich hätte er gerne am Liebsten Musik studiert, doch das fand seine Familie zu wenig als Beruf. Eines muss man noch erwähnen, als Dozent verdiente man nicht besonders gut, doch galt es als repräsentativ. Aber das Wichtigste war für die Gesellschaft in diesen Kreisen auf einem sehr hohen Standard zu leben, deshalb waren die Meisten abhängig von den Familien um den Ansprüchen gerecht zu werden.
Die Katastrophe in Ullus
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34.  Die Katastrophe in Ullus


(1) In der Ullus Wohnung, Faika in der 1. Klasse

 

In der Ullus Wohnung, Faika in der 1. Klasse

Wie schon erwähnt, lebte ein Freund von Üstün, auch ein Dozent zyprischer Nationalität, geschieden, im gleichen Haus. Er war viel bei uns und wir verstanden einander sehr gut, konnten eben diskutieren und hatten gleiche Interessen, er war auch sehr vorbildlich mit Faika, wir spielten und bastelten oft zusammen.

Und ich war nicht mehr glücklich in meiner Ehe, dieses Leben entsprach überhaupt nicht meinen Vorstellungen. Auch in der Gesellschaft fühlte ich mich nicht wohl und unverstanden, fand vieles Ungerecht, wie die Löhne der Arbeitenden. Zum Beispiel Polizisten konnten sich mit ihrem Lohn nicht mal die Wohnung bezahlen, also mussten viele von ihnen zwei bis drei Jobs ausführen, um über die Runde zu kommen. Das fand ich alles sehr ungerecht, gleichzeitig lebte ich in einer Familie, die sich alles leisten konnten und es auch präsentierten. Die Zeitungen waren oft voll mit Fotos von diesen überschwänglichen Partys und Festen. So fühlte ich mich zwischen Stuhl und Bank eingeklemmt. Ich sah mich immer mehr in einem Dilemma, unfähig meine Selbstachtung zu wahren. Ich lebte nicht mehr authentisch!



(2) Zeitungsartikel, wer wann und wo gesehen wurde

 

Zeitungsartikel, wer wann und wo gesehen wurde

Es gab einige Freunde, die teilten meine Einstellung, auch dieser Zypern-Türke im Haus. Ich war nicht wirklich in jemanden verliebt, obwohl ich viele Verehrer hatte, ich sah ja damals noch sehr gut aus.

Eines Abends, Faika war schon im Bett und Üstün noch in der Akademie über Nacht, bastelten wir gemeinsam an einer neuen Methode von Kunststoff mit Einschlüssen, das war sehr aufregend als es uns gelang. Da geschah etwas das ich nie wollte, wie aus heiterem Himmel, liebten wir uns wild und leidenschaftlich. Ich war danach sehr ausser mir und wollte alleine sein. Es ist kaum zu glauben doch ziemlich bald realisierte ich, dass ich schwanger war. Ich verbot ihm weiter zu uns zu kommen und sagte ihm auch nichts über meine Vermutung. Ich machte den Test, der leider positiv ausfiel. Also plante ich ganz heimlich eine Abtreibung, die Familie wollte ja sehr gerne einen Sohn als Nachkommen haben. Doch ich und Üstün nicht, unser Leben war ja noch nicht wie wir es wünschten.

Ich hatte immer weniger Hoffnung auf eine gute Zukunft. Es entsprach nicht meiner Ethik, was mir da passiert war und ich geriet immer mehr in ein Loch. Die Abtreibung liess ich heimlich machen, es war eine schmerzliche und seelisch schreckliche Sache, im Versteckten ohne, dass die anderen etwas merkten. Der Arzt wusste wer ich war und wollte auch noch Schweigegeld oben drauf. Gott sei Dank hatte ich ja etwas eigenes verdientes Geld. Diese Abtreibung machte ich zwischen Familienanlässen, ich war gesundheitlich sehr angeschlagen. Zum Glück kam nichts ans Licht.

Danach plante ich ganz bewusst einen Selbstmord. Ich war so verzweifelt, ohne jeglichen Ausweg meine Selbstachtung und meinen inneren Frieden wieder zu finden. Die Schlaftabletten konnte ich bei Vater in der Praxis entwenden und plante Faika bei Freunden für eine Woche in Obhut zu geben. Üstün verbrachte in dieser Zeit einige Nächte in der Militärakademie. Ich konnte mein Gesicht nicht mehr im Spiegel ertragen, sah für mich, für Üstün und vor allem für Faika keine Zukunft mehr und auch nicht für die Familie. Es ab einfach keinen Ausweg aus diesem Dilemma. So nahm ich die Mittel und schlief ein. Wie durch ein Wunder und mit einem siebten Sinn, bat Üstün in dieser Nacht seinen Kollegen, ihn zu decken falls jemand auftauchte mit der Begründung, dass er dringend nach Hause gehen müsse. Er fand mich bewusstlos vor und brachte mich in ein Spital. Dort haben sie mir Infusionen gemacht und wollten mich in eine Psychiatrische Klinik einliefern. Das hat Üstün aber vehement verhindern können und versprach zu unterschreiben und die Verantwortung für mich zu übernehmen. Er werde sich vorübergehend vom Militär dispensieren lassen und sich um mich kümmern. Was er auch tat. Die Familie erfuhr nie den wahren Grund meiner Krankheit. Wir verbrachten viel Zeit mit Sprechen und hatten ein gutes Einvernehmen.

Üstün erfuhr von der Schwangerschaftsabtreibung. In vielen Bereichen erbrachte er grosses Verständnis. Ich weiss nicht ob er noch an unsere Zukunft glaubte. Ich hingegen nicht mehr und ich plante einen langsamen Ausstieg und Wegzug. Es dauerte eineinhalb Jahre bis dahin.

Mein Plan war, bis zu den Ferien mit Faika in die Schweiz zu gehen und von da aus danach in die USA nach Arizona einzuwandern. Mit Freunden plante ich meinen Weggang und bereitete die Reise vor. Sie bürgten auch für mich.


(3) Zeitungsartikel wer wann und wo wieder gesehen wurde

Zeitungsartikel wer wann und wo wieder gesehen wurde


Also ich war ja informell geschieden und Faika war mir zugesprochen. Der Militäreinsatz endete ca. anderthalb Jahr danach. Ich wusste, wenn wir offiziell in die Schweiz ziehen wollten, würde mir Faika niemals freigegeben werden, sondern in einem Internat landen. Was ich hundert Prozent nicht wollte. Ich wollte auch keine Probleme und mich mit Unzulänglichkeiten herumzuschlagen war mir unwichtig. Das Wichtigste war immer die Wahrung des Images der Familie. Sie wussten relativ wenig über unsere Probleme.

Nach der Familie durfte ich nicht selber den Haushalt machen, das gehörte sich nicht wie schon beschrieben, deshalb mussten wir auch eine Angestellte haben, die von meiner Schwiegermutter bezahlt wurde.
Ab und zu kam Schwiegermutter mit ihren Angestellten zu uns, wenn ich nicht daheim war, stellte alles um und polierte das Silber. Ich liess es jeweils schwarz werden, weil es mir so besser gefiel. Einmal kam ich heim, bevor sie wieder abzogen. Ich war so wütend und beleidigt, dass ich neben mir eine sehr antike Bodenvase aus Glas, die mit Silberfäden verziert war packte, und sie mit aller Wucht auf den Boden schmetterte. Schwiegermutter zog ganz still mit ihrem Personal ab.

Die Frau des Direktors der Universität Bogazici war eine gute Freundin. Sie kannte unsere Probleme bestens. Sie war USA-Bürgerin und ihr Gatte war Türke. Also planten wir, dass Üstün zusätzlich Studentenberatungen machen konnte, damit kriegten wir eine Wohnung auf dem Campus und waren so finanziell etwas unabhängiger. Ich konnte auch Unterricht geben und im Atelier von der Universität malen, um diese an einer späteren Ausstellung zu zeigen. Üstün war Gott sei Dank damit einverstanden.


(4) Zuoberst links war die erste Wohnung. Später gab es eine zweite Wohnmöglichkeit im Wald, in einem Haus auf dem Campus

Zuoberst links war die erste Wohnung. Später gab es eine zweite Wohnmöglichkeit im Wald, in einem Haus auf dem Campus



(5) Letzter Wohnsitz im Haus auf dem Campus im Wald

Letzter Wohnsitz im Haus auf dem Campus im Wald

Das zweit Wichtigste war, dass ich wartete, bis Vater im Senat beantragte, dass das alte Gesetz vom Militär für Offiziere, aufgelöst wurde, welches besagte, dass die Ehefrauen die mit Türken verheiratet waren, die türkische Staatsangehörigkeit aufgeben konnten und ihre Ursprungsnationalität behalten konnten. Was ich im Stillen auch sofort tat.

Also war ich danach nur noch Schweizerin. Ich ging dann zum Schweizer Konsul und meldete ihm, dass ich meinen informell geschiedenen Ehemann, sobald er das Militär abgeschlossen hatte, heiraten wollte. Er meinte dann ganz selbstsicher, dass dies kein Problem sei und wir doch jederzeit in der Türkei heiraten konnten. Er wusste aber nicht, dass ich ja nur noch Schweizerin war und so musste er den ganzen offiziellen Teil der Schweiz melden und erklären, dass wir in der Türkei informell geschieden wurden, doch in der Schweiz noch als verheiratet galten. So kam es zu einem offiziellen Aushang unserer Scheidung und ich zu einem Urteil, dass Faikas Sorgerecht mir zugesprochen wurde. So wie es in dem Urteil stand von der formellen Scheidung in der Türkei. Vaters und Onkels Hilfe waren im Stillen nun doch sehr wertvoll.

Meine Mutter hat mir mitgeteilt, dass sie den Aushang im Stadthaus sah, und mir nach einer vorgeschriebenen Wartezeit mitteilte, dass meine Scheidung nun auch in der Schweiz offiziell anerkannt war.

Ich machte danach einen kurzen Besuch in der Schweiz, um einiges abzuklären. Was genau weiss ich aber nicht mehr genau. Vielleicht war es auch, um meine Unabhängigkeit zu demonstrieren, ich verdiente ja mit Unterrichtsstunden auch eigenes Geld. 


(6) In Zürich auf Besuch zwischendurch

In Zürich auf Besuch zwischendurch

Vielleicht war es auch um zu abklären ob ich eine Chance hätte in der Schweiz, genug zu verdienen, ohne Alimente für Faika und mich. Denn eines war klar, Mannequin und Fotomodell sein war mit Reisen verbunden, denn in der Schweiz war die Modebranche damals schon am Aussterben. Als Künstlerin wären wir vermutlich verhungert und in der Psychologie hatte ich nicht die nötigen Papiere, um damit genügend Geld zu verdienen.

Und nicht zu vergessen, ich hatte nicht offizielle Schul- und Weiterbildungsbelege, was in der Schweiz sehr verlangt wurde. Diese fehlten mir durchs Band hinweg. Ich konnte vieles wie nähen, entwerfen und war auch im sozialen Bereich sehr gut, jedoch nirgends etwas Fundiertes!!!!! Mein Diplom als Sekretärin kam mir gar nicht in den Sinn, denn mein Deutsch war ja sehr sehr mangelhaft. Eigentlich kam mir auch nicht in den Sinn die Schweizerbehörde um Hilfe anzufragen, als Auslandschweizerin, da ich ja selbständig ins Ausland ging. Also passte es gar nicht zu meinen Werten, um unter diesen Umständen um Hilfe zu bitten. Ich traf auch meinen Bruder, doch sein Geschäft lief wie immer nicht gut. Um etwas Erbe anzufragen, das ich von ihm ja nie erhalten hatte, kam für mich auch nicht in Frage. Was ich herausfand war, dass wir bei meiner Lieblingstante Elisabeth wohnen konnte bis wir ausreisen würde.
Wegen all dieser Gründe, dazu kam noch, dass Faika kein Deutsch konnte, wurde alles besprochen und mit den USA Freunden in Arizona in die Wege. Wohl begründet und überlegt, Faika wurde in die 3. Klasse angemeldet, für mich fanden sie eine Stelle als Innendekorateurin mit einer parallelen Ausbildung um offizielle Papiere zu erhalten. Ein Appartement wurde auch gefunden und das Wichtigste, es wurde für uns gebürgt. Und das Ticket gekauft. Das alles brauchte es, um in USA einzureisen, Faika war ja schon Bürgerin in den USA, da sie dort geboren war. Ich wollte als eine verantwortungsvolle Mutter dastehen, deshalb war mir wichtig, dass alles genauestens geplant und vorbereitet war.

Noch zu sagen ist, dass ich die USA niemals als mein Favoritenland angesehen habe, doch den Umständen entsprechend war das die beste Lösung damals. Ich wollte Üstün Faika auch nicht wegnehmen und dachte mir, dass sie einander in den grossen Ferien besuchen können, denn er verweilte oft beruflich in den USA.

Also wurde meine Rückreise geplant, vorher jedoch noch die Ausstellung, um genügend Geldreserven zu machen. Ich wusste, dass ich gut verkaufen würde.

Der Tag und Ort der Ausstellung war geplant, die Ausreise in den Sommerferien proforma in die Schweiz auch. Ob Üstün etwas ahnte, weiss ich nicht. Er war mit allem, mit uns Faika und mir und mit seiner Familie überfordert!!!!

Wie ging es bis ihr in die Schweiz ausreistet und wie war’s dann in der Schweiz?
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35.  Wie ging es bis ihr in die Schweiz ausreistet und wie war’s dann in der Schweiz?

Die Familie akzeptierte unsern Entscheid für die Sommerferien in die Schweiz zu reisen.

Ich wollte sie nicht hintergehen, doch musste ich meinen Plan für mich behalten, das wusste ich intuitiv. Sie wären niemals einverstanden gewesen, dass wir nicht mehr zurückkehren würden, vorallem dass Faika nicht zurückkam. Üstün ahnte sicher etwas, wollte es aber auch nicht wahrhaben, dass es mit uns so einfach nicht mehr ging.

Ich fühlte mich auch sehr schlecht und traurig, wie auch Üstün, es war eine sehr schwere Zeit.
Es war wirklich für mich aussichtslos in allen Belangen. Es war nicht so, dass ich Üstün nicht mehr mochte, doch fehlte mir der Respekt. Auch meine Selbstachtung musste ich wiedererlangen.
Ich plante nur jeweils einen Koffer für mich und einen für Faika mitzunehmen. Damit nicht etwa jemand misstrauisch werden konnte.

Die Ausstellung in der Istanbul Galerie war ein riesen Erfolg. Alle Bekannten und viele Verwandten kamen. Ein Grossteil kannte mein Problem. Sie wussten, dass ich nichts Schlechtes gegen die Familie wünschte, doch den Umständen entsprechend einfach gehen musste. Dass es einfach mein Problem war und nur so für mich zu lösen war, zum Vorteil aller Beteiligten.




(1) Vernissage in Istanbul
 
Vernissage in Istanbul

Ich malte sehr viel und konnte das Meiste verkaufen. Die Bilder waren nicht in einem unbezahlbaren Segment und ich hatte einen grossen Freundes- und Verwandtenkreis die meine Bilder mochten. Durch den Verkauf kriegte ich eine gute Reserve für unsere Reise zusammen.
Das Packen war ziemlich schwierig, auch der Abschied von den vielen sehr guten Freunden.

Hier muss ich doch wieder einmal erwähnen wie viel Glück und Schutzengel ich immer wieder hatte, trotz der vielen Widrigkeiten, merke ich einfach, dass ich geführt werde. Mein Vertrauen wurde immer stärker.
Sehr traurig und doch voller Hoffnung flogen wir ich in Schweiz.



(2) Auf dem Istanbuler Flughafen bei der Abreise
Auf dem Istanbuler Flughafen bei der Abreise

Das war 1973 ca. Mitte Juni, sicher bin ich nicht mehr, ich war 30 Jahre alt und Faika 9.

Wir kamen in Zürich an und wurden von Tante Elisabeth abgeholt. Sie lebte in einem schönen Haus in Russikon mit einem grossen Atelier. Sie und Emanuel waren erfolgreiche Künstler. Ihr Gatte ist vor einigen Jahren an Krebs verstorben. Sie hatten nie Kinder. Sie freute sich auf uns, Faika dachte, dass sie dann mit der Tante und mir basteln könnte, doch war das leider nicht so. Elisabeth war der Umgang mit Kindern nicht gewohnt, es war ihr alles zu lebendig, zu laut und zu unordentlich. Faika kannte Elisabeth von Ferien her, als sie in die Türkei kam. Faika wusste, dass Elisabeth englisch konnte, doch verstand sie uns natürlich nicht, wenn wir uns in schweizerdeutsch unterhielten. Kinder hatte es in dieser Gegend leider auch nicht.
Es war für uns alle keine einfache Zeit.

Wir besuchten oft meinen Bruder, der ja auch Kinder hatte oder meine Schwester. Doch war es für Faika dennoch sehr schwierig, sie verstand das Meiste nicht.
Ich machte viele Telefonate mit den Freunden in den USA, die für uns alles vorbereiteten, damit Faika zeitgerecht den Schulbeginn ins zweite Halbjahr der 3. Klasse machen konnte. Der Abflug für die USA war gebucht und bezahlt und das Visum ausgestellt.

Noch viel mehr telefonierte ich mit Üstün und musste ihm ja von meinem Plan erzählen. Dass wir in die USA wollten, war noch viel schlimmer als nur in der Schweiz zu bleiben.
Es gab ein unglaubliches Durcheinander. Er meinte, dass ich ihm seine Tochter wegnehme, was nach mir nicht stimmte, er war ja viel auch beruflich in den USA. Doch zuerst wollten er und die Familie unbedingt, dass wir zurückkommen, für einen Neubeginn!!!

Für mich war das auf keinen Fall eine Option. Diese Zeitspanne ist in meiner Erinnerung wie eine schwere Nebelschicht, die mich beinahe erdrückte. Ich fühlte mich so hilflos.

Elisabeth half mir wo sie konnte, doch ihr englisch war leider nicht optimal. Üstün wollte zu uns reisen, um alles zu besprechen, ich wollte es aber nicht, auch nicht wegen Faika das wäre für sie eine noch grössere Belastung gewesen.

Das Datum unseres Abfluges in die USA kam immer näher. Ich erinnere mich aber nicht mehr wieviel Zeit vergangen war. Da kam ein Telefon von der Botschaft der USA, sie hätten wegen bestimmten Gründen das Visum gesperrt. Den wahren Grund dürften sie mir nicht verraten!!!!!

Eine ganze Welt fiel in mir zusammen, ich kriegte Panik. Elisabeth kannte den Konsul der USA in Bern persönlich und telefonierte ihm. Sie konnte einen Termin für mich abmachen, um vorzusprechend. So lieh ich ein altes Auto von meinem Bruder, um nach Bern zu fahren. Ich traf den Konsul, nach seiner Schilderung telefonierte er mit Zürich. Nach einer Weile meinte er, er dürfe mir den Grund nicht sagen, doch er vermute, dass etwas zu machen sei. Er benötige jedoch einige Monate. Ich wusste ja, dass die Familie viele wichtige Beziehungen hatte, so vermutete ich, dass dort der Grund der Sperrung herkam.

Ich sagte ihm, dass ich diese Zeit nicht abwarten könne, denn dann würde ich mein Sorgerecht für Faika aufs Spiel setzen. Schulbeginn in der Schweiz ohne Deutschkenntnisse, um dann nach einigen Monaten in die USA zu wechseln, was wieder eine grosse Umstellung bedeutete, das war auf keinen Fall zumutbar für Faika.

So musste ich unverrichteter Dinge wieder zurück nach Zürich reisen. Ich war in einem riesigen Loch und sah meine Planung in einem totalen Scherbenhaufen. In der Schweiz unsere Existenz aufzubauen sah ich noch gar nicht und andere Wege gab es auch nicht. Ich wollte mit Üstün telefonieren, um herauszufinden was der Grund für die Visum Sperrung war.
Doch machte ich mich erstmals wohl oder übel auf den Heimweg. Nach einiger Zeit auf der Autobahn Richtung Zürich ratterte plötzlich hinten am Auto etwas. Ich fuhr auf den Pannenstreifen, um nachzusehen was der Grund sein könnte. Es war der Auspuff der teilweise abgebrochen war und den ich mitschleifte.

Na toll das auch noch, es war schon am Eindunkeln. Ich versuchte den Auspuff ganz abzureissen, doch gelang es mir nicht. Mit der Verrenkung und meinem Kraftaufwand blockierte ich meinen Rücken und konnte mich kaum mehr bewegen. So machte ich Autostopp. Viele fuhren einfach vorbei. Ich glaubte schon, dass ich den SOS anrufen müsste. Dann hat ein Deutscher seinen Wagen parkiert und fragte ob er helfen könne. Sehr zuvorkommend, ich erklärte ihm wegen dem abgebrochenen Auspuff, und meinem blockierten Rücken und frage ihn, ob er den Auspuff ganz abreissen könnte, was er fertigbrachte. Er war aber mit meiner Idee, mir zu helfen mich ins Auto zu setzen, um dann mit dem Automaten heimzufahren, gar nicht einverstanden. Er fand das Unverantwortlich.

Ich erklärte ihm kurz die Geschichte, dass ich weder Geld noch eine Versicherung hätte und, dass das Auto meinem Bruder. Er fand es sehr riskant, doch ich war so beharrlich, also half er mir ins Auto zu steigen und meinte dann, dass ich mit Warnlicht langsam vorfahren solle und er mir dann hinten nachfolge. Das machten wir bis die ersten Ampeln kamen, dann ging es nicht mehr weiter. Er stellte das Auto auf einen Parkplatz, half mir in sein Auto und fuhr mich ins nächste Spital. Er verabschiedete sich dann, weil er einen dringenden Termin hatte.

Im Notfall erzählte ich, dass ich kein Geld habe und keine Versicherung. Ich versuchte mein Rückenproblem zu erklären. Seit Jahren half mir mit meinem verkorksten Rücken, dass sie mich streckten und dann eine Spritze in die schmerzhaften Stellen verabreichten. Doch die Ärzte dort wollten zuerst ein Röntgen machen, ich wehrte mich. Sie riefen dann den Professor, der sah meine miese Lage und zeigte etwas Verständnis.

Nach einigen Untersuchungen streckten sie mich, was etwas half und der Professor machte Spritzen an Ort und Stelle, so liess der schlimmste Schmerz nach. Wir besprachen, dass ich alle Tage kommen müsse für eine Spritze und, dass ich mich ruhig verhalten sollte dazwischen. Ich fuhr mit dem Taxi von Madlen jeweils hin und her. Ich und Faika konnten bei ihrer Nachbarin wohnen für diese Tage und Faika war mit den Kindern von Madlen zusammen. Es vergingen einige Tage, es wurde jedoch nicht viel besser. Ich meinte am dritten oder vierten Tag, dass meine linke Seite taub sei. Der Professor meinte dann, dass es so nicht weitergehen könne und er operieren müsse. Ich bettelte noch um einige Tage, was er schlussendlich bewilligte, noch 2 Tage zuzuwarten. Wie ein Wunder wurde es merklich besser und langsam wieder normal. Gott sei Dank!!

Die Telefonate mit der Türkei wurden immer intensiver und bedrohlicher. Verwandte wollten nach Zürich kommen, was ich strickte verweigerte. Es war eine sehr turbulente Zeit und ich wusste oft nicht ein und aus. Vieles ist mir auch nicht mehr im Gedächtnis. Von meiner Familie konnte mir auch niemand helfen.
Als sich mein Rücken einigermassen erholte und ich vom Professor bis auf weiteres entlassen wurde, war ich langsam soweit, dass ich mir andere Optionen vorzustellen begann, was ich machen könnte in der Schweiz, damit Faika im Herbst zeitgerecht in die dritte Klasse eintreten konnte. Ich hatte ja das Sekretärinnendiplom und so begann ich zu überlegen, wo ich mit meinem schlechten schriftlichen Deutsch aber mit guten mündlichen Sprachkenntnissen und meinem gutem Auftreten am besten hinpassen könnte. Meine Idee kam auf den Flughafen Kloten.

Ich begann mich vorzubereiten mit Listen und Zeugnissen, natürlich als erstes ein Schulzeugnis von der Sekundarschule von Madlen. Sie war entsetzt, doch ich kopierte es mit meinem Namen, mit der Begründung, dass ich im Ausland war und meine Papiere zum Teil verloren hätte. Alles parat mit einer Mappe unter dem Arm fuhr ich eines Morgens zum Flughafen. Dort stieg ich mit meinem Schutzengel aus, sah mich um und entdeckte einen Polizisten, den ich gleich ansprach und fragte, ob er mir einige Firmen nennen könnte, bei denen ich mich als Sekretärin bewerben konnte.

Er sah mich eindrücklich an und lächelte, ja als erstes könnte er mich an das Amt für die Flughafen Direktion verweisen, denn heute morgen sei zum zweiten Mal die Sekretärin von der Public Relation notfallmässig ins Spital gefahren worden. Es sei eine ältere Person, die demnächst sicher nicht wieder arbeiten könne. Das Personalbüro sei da hinten in dem Pavillon, was ich natürlich gleich besuchte. Der Personalchef war anwesend und ich stellte mich für diese Stelle vor. Ich fand auch gute Gründe, weshalb ich für diesen Posten geeignet sei, denn meine Gewandtheit im Umgang mit internationalen Menschen und mein gutes Auftreten hatte ich schon viel unter Beweis gestellt. Ich erwähnte einige Beispiele.

Es ging nicht lange und wir gingen zu dem Chef Public Relations, um ihn kennenzulernen. Der war sofort einverstanden mich einzustellen. Herr Gaudin, ein älterer «Welscher». Also gingen wir wieder ins Büro und machten einen Vertrag für die Probezeit als Kantonsangestellte. Unglaublich, doch so lief es zack zack! Ich verlies das Büro ca. eine Stunde später mit einem Vertrag in der Tasche. Der Polizist war noch dort, ich bedankte mich herzlich.

Gleich darauf ging ich in eine Telefonkabine und rief meine Schwester Madlen an: «Ich bin eine Angestellte vom Kanton Zürich, Sekretärin der Public Relations im Amt für Luftverkehr». Ich weiss nicht mehr genau, doch der Lohn war sehr ansehnlich und nach der Probezeit noch viel besser. Madlen fiel beinahe in Ohnmacht. «Wie schaffst du das nur immer wieder?» Ohne die nötigen Belege und Beweise im herkömmlichen Sinne.

Es ist so wie Madlen sagt, ich staune und bin immer äusserst dankbar, wie viel Glück oder Himmel es gut mit mir meinte und mich führte. Es ist für mich einfach schon immer so gewesen. Wenn etwas gelungen ist, bin ich wie auf einer Wolke und schwebe in Dankbarkeit und Erleichterung, ich fühle mich leicht wie eine Feder, die Luft ist voller Melodie und duftet wie im Frühling.

Bei Madlen bereitete ich mich vor, um mich in der Einwohnergemeinde Kloten und gleichzeitig auch Faika für die Schule und für den Hort anzumelden. Ich besprach mit Faika, dass wir nun in Kloten leben werden, da ich ab sofort eine Stelle im Flughafen haben werde. Ich fragte sie nochmals nach ihrer Meinung was sie am Liebsten machen würde, bei mir zu bleiben oder zu ihrem Vater zu gehen. Sie meinte dann ganz traurig, dass sie am liebsten hätte, dass wir beide zurück in die Türkei gehen und mit ihrem Vater zusammenleben sollen. Doch wenn das nicht gehe, dann wolle sie halt lieber bei mir hierbleiben. So fand mein nächstes Telefon mit
Üstün statt. Trotz allem war er sehr erleichtert, dass wir in der Schweiz bleiben und dazu noch in Kloten, in der Nähe vom Flughafen, leben wollten. Faika konnte ich dann erleichtert in der Schweiz einbürgern.

Wie wurde die Erziehung, die Grenzen, Werte für Faika in der Schweiz geregelt?
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36.  Wie wurde die Erziehung, die Grenzen, Werte für Faika in der Schweiz geregelt?


(1) Wir verbrachten viele Wochenenden bei einer Freundin in Aarau mit ihren 2 Kindern. Sie war auch geschieden

 

Wir verbrachten viele Wochenenden bei einer Freundin in Aarau mit ihren 2 Kindern. Sie war auch geschieden

An dem Anfang unseres Aufenthaltes waren ich und Faika sehr mit den Gepflogenheiten, Normen und Werte der Schweiz gefordert. Ich war ja sehr lange weg gewesen und lebte damals meine Art von Vorstellung übers Leben. Faika lebte die ersten Jahre in den USA und wuchs mit diesen Gepflogenheiten und dem damaligen Studentenleben auf. Ziemlich frei und ohne grosse Regeln. Dann kamen die Jahre in der Türkei, mit strengen und vorgegebenen Regeln der Familie. Faika hatte eine harte und unterschiedliche Lebensschule während ihrer ersten 9 Jahre. Und jetzt nochmals ganz anders hier in der Schweiz. Dazu kommt noch mein selbstgemachter Druck, eine gute alleinerziehende Mutter zu sein, was ich unter Beweis stellen und vorallem auch gegenüber der türkischen Familie zeigen wollte.

Hierzu möchte ich noch erwähnen, was ich vom türkischen Konsulat erfuhr, betreffend meines Visumsverbot nach den USA auszureisen.

Der türkische Konsul erzählte mir bei einem Besuch, als ich schon in Kloten lebte, dass er ein Schreiben von hoher Stelle erhalten habe, dass ich Faika entführte hätte und ein zweifelhaftes Leben führen würde wie u.a. Drogen zu konsumieren und auch sonst andere unzulängliche Sachen machte, die meine Fähigkeit Faika gut zu erziehen sehr in Frage stellten. Deshalb wurde das Visum gestoppt. Ich zeigte dem Konsul meine Scheidungsurkunde und er sah, dass ich zuverlässig und voll zurechnungsfähig war. Es bestand auch kein Beweis einer Entführung, das stimmte ihn sehr nachdenklich und er vermerkte diesen Fehler. Doch das änderte für uns nichts mehr, jetzt waren wir da und Faika hatte die Schweizerschule begonnen. Für mich gab es nun natürlich keine Änderung mehr!!



(2) So misstrauisch waren wir beide anfangs in Kloten

 

So misstrauisch waren wir beide anfangs in Kloten

Wie ich schon über meine Jugend geschrieben habe, war ich sehr den Gefahren meines damaligen Lebensstils ausgesetzt. Ich hatte einfach Glück. Das war der Grund meiner strengen und konsequenten Erziehungsart. Für Faika war es sicher oft unbegreiflich und ungerecht. Erst hatten wir gar kein Fernseher. Sie durfte manchmal bei Freunden eine Sendung ansehen, wenn sie in der Schule ein entsprechendes Thema behandelte. Ich war noch so geprägt von den USA, wie alle jeder einzelne für sich einen eigenen Fernseher hatte und individuell Sendungen ansah. So nach dem Motto, nach Hause kommen «hey» sagen und ins Zimmer verschwinden. Jeder nahm sich sogar etwas aus dem Kühlschrank und es wurde nicht einmal gemeinsam gegessen.

Ich entschied mich aber dann doch, nach einiger Zeit einen Fernseher zu kaufen. Faika durfte dann abends nach den Hausaufgaben eine Stunde eine festgelegte Sendung anschauen.

Später als sie nicht mehr in den Hort musste, montierte ich einen Kasten mit einer Zeituhr, dass sie nur zu bestimmten Zeiten den Fernseher anlassen konnte. Einmal merkte ich, dass der Fernseher warm war, so kam heraus, dass sie den Kasten selber öffnen konnte. Strafe folgte dann zum Beispiel mit dem Entzug eines ihrer Lieblingsspielzeuge oder keinen Besuch bei Freunden. Natürlich nur bei solchen, bei denen ich die Familien gut kannte. Damals gab es aber noch keine Gamebox usw. Ich habe ihr immer erklärt, dass es bei jeder Familie anders sei, bei uns nehme ich mir viel Zeit, um zusammen zu basteln oder etwas zu unternehmen. Sie hat oft darüber gejammert und gelitten, doch ich war überzeugt es richtig zu machen.
Natürlich wurden die Hausaufgaben kontrolliert, sie war aber eigentlich in dieser Beziehung sehr effizient und brauchte wenig bis gar keine Hilfe.

Es wurde vieles von der Türkei unternommen, um Faika zu holen. Ich verbot, dass Faika von Fremden von der Schule abgeholt wurde, aus Angst vor Entführung. Auch kam es sogar dazu, dass gewisse Leute nicht einreisen durften, ich war ja an der Quelle und hatte Beweise von Entführungsversuchen für einige Verwandte, sogar für Üstün, was ihn ausserordentlich wütend machte. Das Ganze hielt an bis Üstün wieder heiratete. Ich wollte ihm ja Faika nicht nehmen, doch wollte ich 100% sicher sein, dass sie bei ihm verweilte und nicht irgendwo sonst und auch, dass sie pünktlich zum Schulanfang zurückkam. So ergab es sich, dass sie betreut in die Sommerferien fliegen durfte, denn die Situation hatte sich gelegt. Doch wurde ich von Freunden informiert, dass Faika nicht mehr bei Üsten war. So nahm ich das nächste Flugzeug und flog mit dem Einverständnis meiner Chefs gleich nach Istanbul. Dort telefonierte ich mit Üstün und fragte nach Faika. Er meinte, momentan sei sie bei Verwandten. Ich sagte ihm klar und deutlich, dass wenn sie bis morgen nicht da sei, einiges ausgeplaudert würde und in der Zeitung stehen werde. Ich hatte gute Beziehungen, das wusste er. Rukije seine Gattin mischte sich ein, denn sie war nicht gross daran interessiert eine so grosse Stieftochter für immer bei sich zu haben. So merkte ich schnell, dass ich mich 100% auf sie verlassen konnte. Von da an klappten die Sommerferien jeweils mit pünktlichem Rückflug.

Ein anderes ziemlich grosses Problem zwischen Faika und mir war, dass sie in Sachen Geschenke sehr verwöhnt wurde. Manchmal kam sie mit schönen Lackschuhen zurück. Ich kaufte ihr extra speziell stabile Schuhe, um Ihre Füsse mit Einlagen zu korrigieren oder Kleider, die man gut waschen konnte und die nicht ein spezielles Reinigungsverfahren brauchten. Auch war in der Schweiz den Kindern untersagt, echten Schmuck zu tragen. Doch sie trug auffallenden Schmuck und ich musste sie überzeugen, diesen nicht zu tragen, was für einigen Unfrieden zwischen uns sorgte. In der Türkei wurde sie wie eine Prinzessin verwöhnt und hier musste ich mit meinem Budget, ohne Alimente auskommen. Also musste Faika hier auch kürzer treten mit ihren Wünschen.


(3) Faikas neue Halbschwester Janan
Faikas neue Halbschwester Janan

 

 

Wenn du auf dein Leben zurückblickst, worauf bist du besonders stolz?
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37.  Wenn du auf dein Leben zurückblickst, worauf bist du besonders stolz?
Dass ich je einmal wieder Fuss fassen könnte in der Schweiz, mit meinen Defiziten, unglaublich! «Wau», was für ein Leben.
Darauf bin ich heute noch stolz: «Back to the Roots!!!!!!!!!!!!!»

Einiges war erst gewöhnungsbedürftig, doch ziemlich schnell fand ich mit den Behörden den Rank. Ich wollte keine finanzielle Unterstützung, da ich selbstbestimmt ins Ausland ging. Deshalb finde ich auch, dass ich meinen Weg finanziell selber finden musste, um mich hier wieder einzuleben.

Kurzerhand kriegte ich in Schwamendingen eine Notwohnung, die ich bedürftig mit Sachen von der Heilsarmee einrichtete. Faika musste ich morgens früh dort in den Hort bringen. Von da aus ging sie in die 3. Klasse und erhielt von da aus auch Nachhilfestunden, um im Unterricht mithalten zu können. Sie lernte erstaunlich schnell, dazu kam, dass sie gleich zwei Sprachen lernen musste: daheim schweizerdeutsch und in der Schule schriftdeutsch. Einfach bewundernswert, wie schnell sie das hinkriegte.

Kurze Zeit später bekam ich eine 3-Zimmerwohnung in Kloten und wir konnten uns schön einrichten. Auch fanden wir ein Hort in der Nähe und Nachbarn mit einer gleichaltrigen Tochter. Alles lief wunschgerecht in dieser Beziehung.

Meine Arbeit war ein anderes Kapitel, weil mir mein Chef sehr «an die Wäsche rückte», ja eben wie Freiwild 30 Jahre jung, geschieden und attraktiv. Er fand natürlich schnell heraus, dass meine Schwäche im schriftlichen deutsch war. Als Schikane fand er einen Haufen Rapporte und Sonstiges zum Schreiben, das ich mit begrenzter Zeit zu erledigen hatte. Alle Empfänge machte er selber zu meinem grossen Frust. Ich wollte mich nicht bei ihm beklagen und ging am Feierabend nach dem Nachtessen, nachdem ich Faika ins Bett gebracht hatte, wieder ins Büro zum Schreiben. Oh, es war für mich überhaupt nicht so, wie ich mir meinen Job vorstellte, ich war grauenhaft unter Druck.
Das merkten auch die anderen Angestellten und mein Chef war auch bekannt wegen seiner Schwächen. So sagten mir zum Beispiel die Vorgesetzten von der Flughafenpolizei, ich sollte mit dem Personalbüro sprechen und mich versetzen lassen. Das tat ich dann auch und konnte nach der Probezeit von 3 Monaten die Abteilung wechseln in das Ausweisbüro.



(1) In der Zeit des Wechsels in das Ausweisbüro

 

In der Zeit des Wechsels in das Ausweisbüro


Für Faika und mich war das eine gute Abwechslung, ich verstand mich mit dieser Annemarie in Aarau sehr gut, sie konnte mich in gewissen amtlichen Dingen sehr gut beraten und auch in allen Lebenslagen. Ich war mich nicht mehr an die Normen und Werte in der Schweiz gewohnt und kannte die Gepflogenheiten auch nicht mehr.

Als Beamtin des Kantons Zürich erhielt ich dann nach einigen Monaten eine günstigere 3 ½ -Zimmerwohnung in Kloten. Die Hausgemeinschaft war oft mit allen Kindern übers Wochenende unterwegs. Wir hatten es sehr gut untereinander. Doch die Frauen waren oft etwas distanziert mit mir. Alle Männer waren aber sehr hilfreich, wofür ich nichts konnte.
Es gab schon oft schwierige Situationen. Auch heute noch sehe ich sie aber ab und zu. Es sind die Männer, die sich um Termine bemühen und organisieren. Ja das ist das Los einer geschiedenen jungen hübschen Frau. Ich träumte ja immer noch nachts, einmal, dass ich durch die Scheibe in den Garten stürmte und die Männer mich dann retteten und wieder alles in Ordnung brachten.

Auch musste ich über unsere Ämter meine hohe Meinung ändern, dass immer alles korrekt und sauber ablief in der Schweiz. Ein Bewohner, der im Finanzamt arbeitete und im gleichen Haus lebte, musste kurzfristig seinen Posten verlassen. Ich erlebte dies mit grossem Entsetzen. So
lernte ich, dass nicht alles glänzend war wie es schien. Und ich als alleinstehende Frau mich hüten musste und wachsam sein.



(2) Alle Bewohner von der neuen Wohnung in Kloten

Alle Bewohner von der neuen Wohnung in Kloten

Dann lernte ich den Flughafenfotografen Alex kennen. Er lebte schon viele Jahre in der Schweiz und eigentlich passten wir ganz gut zusammen. Er war sehr kreativ, einfallsreich und unternehmungslustig, Faika mochte ihn nicht besonders. Er war aber auch sehr eifersüchtig und wenn wir Probleme hatten, schmeichelte er sich mit Geschenken bei Faika ein, damit wir uns wieder versöhnten. Es wurde jedoch immer schlimmer und abartiger. Er benutzte alles, um mich wieder zu gewinnen. Er kam sogar in mein Büro und «schleimte» sich bei meinen Chefs und Mitarbeitenden ein. Er wusste, dass ich die meisten Männer im Flughafen nicht mochte, es waren vorwiegend Piloten, Steward-Machos oder Homosexuelle. Alleine ging ich abends nicht aus und er wusste, dass ich eigentlich keine Möglichkeiten hatte neue Leute kennen zu lernen. Einladungen bei Paaren waren auch sehr selten denn die Frauen hatten Angst um Ihre Gatten, wenn ich dabei war, obschon ich ihnen gar keinen Grund gab.



(3) Alex und ich

Alex und ich

Die Sekretärin vom Direktor ist bis jetzt eine meiner besten Freundinnen. Sie hat sehr viel dazu beigetragen, dass ich mich langsam wertschätzte im Ausweisbüro. Ich dachte, das sei nicht eine passende Stelle für mich und liege unter meinen Fähigkeiten. Doch sie überzeugte mich davon, dass ich für sehr viele Menschen eine wichtige Drehscheibe sei, denn alle mussten bei mir vorbei. Auch hatten viele Sorgen oder Probleme und ich konnte sehr gut vermitteln und zuhören. Später merkte ich wie ich durch gewisse positive Veränderungen meine Fähigkeiten noch gezielter einsetzen konnte, wie mir später erzählt wurde.



(4) Der Direktor mit seiner Sekretärin vom Amt für Luftverkehr

Der Direktor mit seiner Sekretärin vom Amt für Luftverkehr

So wurde diese einfache Arbeit zu einem wichtigen Moment in meinem Leben: gute Organisation, Rapporte schreiben, welche ich bei Freunden gegenlesen lies, damit es nichts Fehlerhaftes gab, da es damals noch keine Speicherschreibmaschine gab. So hatte ich das Büro gut unter Kontrolle und ich lernte vielseitige Tätigkeiten kennen, vor allem wurde ich von allen Angestellten vom ganzen Flughafen, vom «Wägelisammler» bis zu den Direktoren sehr geschätzt und wurde eben eine Drehscheibe für den ganzen Flughafen. Es wurde eine meiner liebsten Tätigkeiten.
Gab es in deinem Leben Dinge, die du heute bereust?
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38.  Gab es in deinem Leben Dinge, die du heute bereust?

Grundsätzlich nicht, weil ich glaube, dass es einen Lebensplan gibt.

Wie schon beschrieben ich hatte einen Freund Alex, er war der Flughafenfotograf. Er war sehr kreativ und sehr einfallsreich in allen Belangen. Auch wenn es um Szenen mit seiner riesigen Eifersucht ging. Er benutzte meine Nachbarn, Mitarbeiter, Vorgesetzten und sogar Faika, manipulierte sie, um mich positiv auf ihn zu stimmen. Denn ich wollte unsere Beziehung immer wieder beenden, es artete so aus, dass es sich nur noch falsch anfühlte zu bleiben.
Doch den Rat meiner Vorgesetzten zu beherzigen und gegen ihn eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch zu erstatten, konnte ich noch nicht umsetzen. Das hätte für ihn mit dem Ausweisen aus der Schweiz bedeutet. Es war wirklich eine widerliche Situation, die mir den Frieden raubte.

Eines Tages läutete es an unserer Tür und ein Typ stand davor, der sagte er hätte mir einen Vorschlag mein Privatleben zu verändern! Es ging darum neue Bekanntschaften durch Vermittlung zu erhalten. Ich sagte ihm, dass ich keinen Anlass sehe, so auf diese Art mein Privatleben in den Griff zu bekommen. Er sagte, dass er das ja verstehen könne, doch wenn ich das noch auf die lange Bank schieben würde, werde meine Tochter ein Alter erreichen, wo sie niemanden mehr akzeptieren würde neben mir. Das leuchtete mir ein!

Also bat ich diesen Typen rein, nahm mir vor sehr vorsichtig zu sein, bevor ich etwas unterschrieb. Es stellte sich heraus, dass diese Vermittlung recht teuer war, speziell für Frauen. Ich sagte, wenn ich unterzeichne, ich eine lange Liste machen würde mit meinen Wünschen, alles Sachen, die man über ein System gut überprüfen konnte. Er stimmte zu und ich vertraute ihm. Die Liste war wirklich lang und ich dachte, dass ich ja genügend Zeit habe, um Alex das unter die Nase zu reiben. Ich wollte ihm zeigen, wie weit ich gehen konnte, damit er mich in Ruhe liess.

Punkt eins war, der Mann musste mindestens 1.80 m gross sein, das konnte man messen! Gute Bildung und einen höheren Standard musste er auch haben. Weiter vielseitig interessiert, kulturell, weltoffen, modern in seinen Einstellungen usw. Wirklich eine lange Liste, über eine Seite. Dann musste ich das Geld borgen, um vorauszuzahlen.

Wie diese Firma auf mich kam muss ich noch erzählen, denn ich hatte nie ein Inserat gemacht. Ich fand auch ich hätte es nicht nötig, auf so einem Weg jemanden zu finden. Es war eine Mitarbeiterin, die sich auf ein Lockinserat für mich meldete. Sie wollte, dass ich Alex ein für alle Mal los wurde. So kam dieser «Verkäufer» zu mir.
Die ersten Vorschläge kamen per Post. Alle Männer mit einer guten Bildung, aber nur zwischen 1.70 m und 1.75 m gross, obwohl ich mir jemanden von mindestens 1.80 m wünschte. Dies hatte den Grund, dass ich selbst 1.72 m gross war und mit Absätzen und Hüten, mochte ich nicht, wenn ein Mann neben mir kleiner ist. Das nervte mich riesig. Ich retournierte die Steckbriefe jeweils mit Rotstift die Grösse korrigierend. Ich war sehr enttäuscht, da ich ja bezahlte.

Eines Tages kam ein Telefon ins Geschäft von einem Herr Wagner, der sagte, dass er ein Bewerber von der Vermittlungsfirma sei. Postwendend sagte ich, es tue mir aufrichtig leid, doch bis jetzt habe ich alle Steckbriefe retourniert, weil die Firma wirklich nicht seriös arbeite. Meine erste Bedingung sei, dass der Mann mindestens 1.80 m gross sein müsse, also hätte ich seinen Steckbrief sicherlich auch retourniert. Es täte mir leid.

Er antwortete auch postwenden, er sei auch sehr enttäuscht über die Firma, denn er hätte als erste Bedingung geschrieben, dass seine Wunschperson ein Kind haben sollte, denn er wolle keine weiteren Kinder mehr. Alle von ihm erhaltenen Steckbriefe seien Frauen ohne Kinder. Auch da gab es Fehler. Mein Traum war gewesen, einen Mann mit einer 10-jährigen Tochter zu finden, doch das erzähle ich später. Er redete weiter, ja das sei unverschämt so eine unseriöse Art, da müsse man dringend etwas unternehmen und deshalb rufe er mich an. Wir hätten sehr gute Argumente gegen diese verlogene Firma vorzugehen. Wir wollten das Geld zurück. «Ha» genau das passte mir, ich war sofort begeistert von der Idee gegen die Schlamperei vorzugehen. Er schlug mir vor uns zu treffen und gemeinsam einen Brief aufzusetzen. Er wohnte in Bern und wir verabredeten uns, uns in Aarau zu treffen. Da konnte ich bei meiner Freundin wohnen. Also hatten wir ein Date an einem Samstagmittag im Bahnhofrestaurant Aarau.

Ich hatte seit einigen Monaten ein neues Auto, einen grasgrünen Citroen. Mit dem fuhren Faika und ich am Wochenende meisten aus. Ich hatte einen Termin in Lausanne vom Freitagabend bis Samstagmittag 13 Uhr bei Freunden. Wie es oft passierte ging meine Zeitrechnung nicht genau auf, ich konnte mit dem «Döschwo» nicht so schnell auf der Autobahn fahren und oft gab es auch schon damals Stau’s. Also bis ich Faika bei Annemarie ablieferte und im HB Aarau eintraf, war es anstelle von 13 Uhr, 16 Uhr. Ich dachte, dass mein Date bestimmt schon gegangen war. Damals gab es noch keine Handys so wie heute. Doch er war noch dort und war überhaupt nicht übelgelaunt. Sehr zuvorkommend und verständnisvoll sogar!

Nun wir setzten uns an seinen Tisch, der Aschenbecher war bereits schon von ihm überfüllt und ich half weiter wacker mit. Sein Aussehen beeindruckte mich nicht speziell, denn ich wusste ja, dass er nicht über eine grosse Erscheinung verfügte. Er war dennoch sehr gepflegt und vor allem aufmerksam und zuvorkommend. So kamen wir ziemlich schnell zur Sache, nämlich dieses Beschwerdeschreiben an die Vermittlungsfirma aufzusetzen. Mir fiel gleich auf, wie überaus clever und sachlich er vorging. Es beeindruckte mich sehr und auch seine hohe Intelligenz. Der Brief wurde schliesslich fertiggestellt, und er meinte er würde ihn dann absenden und wir würden uns sicher wieder hören, wenn Antwort von der Vermittlungsfirma zurückkomme. So verabschiedeten wir uns.



(1) Damals zu der Zeit mit Archi (Heinz) und ich

Damals zu der Zeit mit Archi (Heinz) und ich



(2) Ich in Kloten

Ich in Kloten


Anscheinend hat er nach unserem Treffen seine restlichen Zigaretten aus dem Fenster geworfen und sich geschworen, mit Rauchen aufzuhören, wenn ich die Frau an seiner Seite werden würde. Das erzählten mir seine Freunde später, zu denen er hinfuhr. Anscheinend hat er sehr von mir geschwärmt.

Für mich war das eigentlich erledigt. Ich begnügte mich mit der Hoffnung, dass die Firma mir das Geld zurückgeben würde oder mindestens bessere seriösere Arbeit leistete.

Wie ging die Geschichte weiter, mit diesem Heinz Wagner?
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39.  Wie ging die Geschichte weiter, mit diesem Heinz Wagner?

Es ist unglaublich, wie erfinderisch er war, um mich zu gewinnen. Kurze Zeit darauf kam ein Telefon von ihm, er müsse während 14 Tagen eine Weiterbildung in Zürich machen und er kenne Zürich sehr schlecht und ob ich einmal Zeit hätte, ihm Zürich näher zu bringen. Nun ich dachte mir nicht viel dabei, glaubte ihm und fand ganz nebenbei, dass er ja ein sehr intelligenter und zuvorkommender Mann sei, warum also nicht? Also verabredeten wir uns und gingen ins Niederdorf. Dort assen wir etwas und führten vielseitige Gespräche über das Leben, Gott und die Welt. Hoch interessant. Ich merkte überhaupt nicht, dass er Zürich sehr gut kannte und seine geografischen Fähigkeiten sehr gross waren. Er lebte nach dem Prinzip: einmal gesehen gespeichert. Als Student hiess er deshalb Azimuth. Ja so begann eine unglaubliche Geschichte.

Er erfand immer wieder Gründe, damit wir uns treffen. Dann kam es, dass er eines Tages bei uns in Kloten zum Essen kam und Faika kennenlernte. Es war sehr gemütlich und Faika war nicht negativ ihm gegenüber eingestellt. Spät am Abend, es war heiss und drückend, Faika schlief schon, fragte er mich, ob wir nicht noch einen Spaziergang machen wollten. Ich hatte nichts dagegen. Bei jedem Treffen mit ihm trug ich flache Schuhe, weil ich es hasste, grösser neben einem Mann zu sein. Dann passierte etwas Unglaubliches…. ich muss noch erwähnen, in meiner Fantasie, bereits als Kind, stellte ich mir immer vor, dass ein starker Mann auf einem Pferd daherkommt, mich packt und mitnimmt. Obwohl ich ja meinen Vater lange verachtete, muss mir seine Größe gefallen haben. Vielleicht kam meine Fantasie auch daher, dass mir mein Vater keine Geborgenheit geben konnte und ich oft durch ihn fremdbestimmt war? Der Gedanke gepackt und mitgenommen zu werden war vielleicht Ersatz für Fehlendes erwünscht sein und begehrt werden?
Nun, wir gingen spazieren und plötzlich kamen wir an einen Zaun, bevor ich mich umsehen konnte schwang mich Heinz über den Zaun! Wie er das machte weiss ich nicht, doch gefühlsmässig war es wie gepackt und mitgenommen zu werden. Von da an sah ich Heinz mit anderen Augen! Er war ja sehr gepflegt, hatte schöne Hände, seine Füsse sah ich noch nicht und er hatte ein gutes Deodorant. Später musste ich feststellen, dass ich seinen persönlichen Geruch, wenn er in Erregung war, nicht mochte. Wau! Das war für mich ein schlechtes Omen, doch hatte ich auch einen sehr eindrücklichen Traum, der mir tief in Erinnerung blieb.

Wir beide waren in einer ganz anderen Zeit Geschwister, er war der grosse Bruder und ein hoher Priester oder grosser Führer, der eine grosse Verantwortung hatte für das Volk. Er sass in einem Marmorraum auf dem Stuhl und hielt sich den Kopf in den Händen, weil er für ein enorm wichtiges Ereignis die «Schlüssellösung» vergessen hatte. Ich stand neben ihm und riet ihm sich zu entspannen, dann werde es ihm bestimmt wieder in den Sinn kommen. Doch in diesem Traum endete alles in einer Katastrophe. Für mich war der Traum wie eine Botschaft, dass wir seelenverwandt sind und eine Aufgabe zusammen in diesem Leben zu lösen hatten. Das Gefühl begleitete mich durch unsere ganze Beziehung hindurch, bis zu seinem Tod. Seine Asche ist heute auf einem Berg im Boden gestreut. Ich erinnerte mich an meinen Traum und legte zuoberst einen symbolischen Schlüssel drauf für seine nächste Inkarnation. Mehr darüber später.



(1) Archi und ich

 

Archi und ich

 


(2) Archi und ich

 

Archi und ich


Was war deine grösste Dummheit?

Nein, so sehe ich es eben nicht, es ist viel mehr der Lebensplan und hatte einen tieferen Sinn!
Ich dachte nach der Trennung von Üstün, dass ich nie mehr heiraten wollte. Doch meistens kommt es anders als man denkt!

Die Beziehung mit Heinz später von mir Archi genannt dauerte an, wir lernten seine 3 Kinder kennen, Bruno beinahe gleich alt wie Faika, Thomas in der Mitte und Brigitte eine Nachzüglerin.
Dann gab es noch ein Hund Dino, den Faika über alles liebte.



(3) Faika und Archi

Faika und Archi

 

(4) Faika, ich und Archi mit seinen 3 Kindern

Faika, ich und Archi mit seinen 3 Kindern

 

 

(5) Faika mit Dino

Faika mit Dino


Wir verbrachten viele Wochenende alle zusammen, wir haben dabei viel Tolles unternommen. Ab und zu reisten Faika und ich nach Bern, doch meistens kam Archi nach Kloten, Dino begann bei uns zu wohnen, was Faika sehr gefiel.
So verging die Zeit schnell, bis Archi begann über den Weg von Bern nach Kloten zu jammern, doch wollte ich eigentlich nichts daran ändern. Mir gefiel meine Stelle und auch meine Unabhängigkeit. Obenauf wollte ich Faika nicht wieder aus der gewohnten Umgebung nehmen. Und eines muss ich sagen, ich lernte Archi zu schätzen und bewunderte seine hohe Intelligenz, doch verliebt war ich eigentlich nie in ihn.

Nach einiger Zeit, wann genau weiss ich nicht mehr, entschieden wir uns doch nach Bern zu ziehen, doch habe ich für Faika eine private Schule gesucht, weil das Schulsystem der beiden Städte sehr unterschiedlich war. In Zürich wäre sie in die 6. Klasse gekommen, in Bern war die 6. Klasse bereits schon Sekundarschulstufe. So entschied ich mich, sie in die Feusi ins Untergymnasium zu schicken.
Wir hatten eine Wohnung an der Grenze von Bern in Frauenkappelen gefunden die uns gefiel, von dort aus konnte ich auch ohne Auto in der Stadt arbeiten. Denn mir war sehr wichtig meinen und Faikas Anteil selber zu bestreiten. Ich hatte bei Adia Interim eine Zusage, jeweils temporär als Sekretärin zu arbeiten.
Archi hatte das Haus der Familie überlassen und zahlte sehr viel für die Alimente der Kinder.

Also kam der Tag unseres Umzugs, welchen Faika und ich schweren Herzens vollbrachten. Doch war es aus damaliger Sicht das Beste. Ich glaube es war am 06.06.1976!!!

Es ist daraus sicher auch sehr viel Positives entstanden, das konnte ich aber eben erst nach einiger Zeit erkennen. Gewisse Umstände bereiteten mir als erstes sehr viel Mühe.

Wie ging es weiter in Bern, mit der neuen Lebenssituation?
Es gab einige wichtige Gründe die mir grosse Probleme bereiteten, denn nach einiger Zeit stellte sich heraus, dass Archi mit seinen Kindern und Dino sehr aggressiv reagierte. Zum Beispiel schlug er Dino, wenn er nicht gehorchte, sogar die Kinder, das war für mich einfach unglaublich und erinnerte mich an meinen Vater. Das war für mich ein «no go». Das habe ich Archi dann deutsch und deutlich gesagt, dass ich das nicht, besser gesagt niemals ertrage und dulde und, dass ich ihn verlassen würde wenn das weiterhin andauere. Er merkte, dass mir das sehr ernst war und beteuerte mir er wolle sich ändern und wolle sich sicher Mühe geben sich in den Griff zu bekommen.

Meine Freundin vom Flughafen kam mich oft besuchen, ich heulte und jammerte, wie konnte ich mich nur auf so einen Mann einlassen, der mich an meine Jugend erinnerte. Wie konnte ich mich ein zweites Mal in so eine Beziehung einlassen? Doch kam mir immer wieder mein Traum in den Sinn, wie wenn wir eine gemeinsame Aufgabe zu lösen hätten. Auch ein zweites Mal davonlaufen, das wollte ich nicht. Schon damals war mir klar, dass ich so meine Probleme nur weiter mitnehmen würde. Also stellte ich mich dieser Herausforderung. Wir werden es zusammen schaffen. Seine Familie bestätigte mir, wie sehr er durch unsere Beziehung umgänglicher wurde und, dass er soviel weicher und weniger impulsiv geworden sei. Ich lernte seinen Kern zu schätzen, der sehr gut war, das spürte ich auch sehr gut. Ich sah seine Qualitäten begann mehr und mehr ihn behutsam zu beeinflussen, ihm vorzuleben, was mir wichtig war, ihm Grosszügigkeit und Toleranz zu zeigen.

Nah dies nah hörte ich von seiner Schwester, vor allem wie seine Jugend war und was er alles überstand. Er war ein «resus» Kind, das damals eigentlich keine Überlebenschance hatte, doch seine Mutter kämpfte und fütterte ihn Tag und Nacht bis zur Erschöpfung, entgegen dem Rat der Ärzte.
Sie sagte sie merkte wie hoch intelligent er doch wäre und brachte es fertig, ihm dadurch wie ein Wunder, zum Überleben zu verhelfen. Doch mit sehr viel Tragik. Bis in die zweite Klasse lief ihm der Kot einfach die Beine runter, was für eine Tragik, später kriegte er noch Rachitis und eine Knochenmarkentzündung. Dass er alles mit seinem hohen IQ überspielte, ist kein Wunder. Oft entwürdigte er die anderen Menschen und beleidigte sie schwer, stellte sie an die Wand. Das war seine Reaktion gegen seine Komplexe anzukämpfen, weil er ja nicht gleich gross und kräftig war wie sein Bruder oder seine Kollegen.

Das half mir immer mehr, nachsichtig mit ihm zu sein, denn ich verstand warum es ihm noch nicht gelang grosszügig und achtsam zu leben. Viele meiner Freunde fanden, ich sei zu nachsichtig und ordnete mich zu sehr unter, was für mich überhaupt nicht stimmte.

Was ich am Anfang noch nicht merkte war, dass ich dadurch auch immer mehr über meinem Vater nachdachte und versuchte, auch in ihm das Gute zu sehen, was sich sehr positiv auswirkte, mehr Frieden in mir zu finden, was meine Kindheit und Jugend betraf.



(6) Zu Beginn die Kinder von Archi

Zu Beginn die Kinder von Archi
Wie ging es weiter mit dieser grossen Familie und mit deiner zweiten Ehe?
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40.  Wie ging es weiter mit dieser grossen Familie und mit deiner zweiten Ehe?
Ich nannte Heinz, Archi anstelle Azimuth. Er war ja schon mit Edith verheiratet gleich nach der Rekrutenschule und Bruno war schon unterwegs, der älteste Sohn. Dann kam kurz darauf Thomas und danach Brigitte. Edith war eine sehr kreative und eine gute Lehrerin, leider war sie schon von Jung an manisch-depressiv. Ich mochte sie sehr gut und half ihr ab und zu, wenn sie Probleme hatte. Denn das hatte sie oft, sogar riesengrosse!

Ich hörte immer mehr über ihr früheres Familienleben durch Archis jüngste Schwester. Er arbeitete in der EDV tagsüber und absolvierte das HTL Studium nebenbei, dies über mehrere Jahre. Damals war es leider sehr üblich in der Studentenverbindung, oft nach dem Studium auszugehen, um zu singen und zu saufen. Was für Ihn kein Problem war mit seinem hohen IQ. Mit wenig lernen schloss er mit Bravour die Ingenieurschule als Ing. HTL ab. Er half sogar einigen Freunden noch den Abschluss zu schaffen. Davon spricht man heute noch, wie überaus intelligent er gewesen war, auch die damaligen Dozenten.



(1) 7 beste Freunde aus der Studiumszeit

7 beste Freunde aus der Studiumszeit

Von rechts nach links, Ibis, How, Sprint, Donar, Azi, Lux, Reto - Studentennamen? Über die Umgangsart dieser Freundschaften schreibe ich später.

Wir gingen jedes Jahr regelmässig an Pfingsten 2 Tage mit ihnen zusammen mit den Ehepartnerinnen wandern.

Während des Studiums ging es damals bei Wagners zu und her wie in einem hölzernen Himmel. Es muss sehr schwer gewesen sein für Edith und die Kinder. Archi war beinahe nie zuhause und wenn, dann war er sehr ungeduldig und oft brutal.

Seine drei Kinder kamen sehr oft zu uns in den Ferien und an Wochenenden. Ich musste schleunigst Matratzenschoner kaufen, den alle drei nässten nachts die Betten ein. Also musste ich den ganzen Bettinhalt von den dreien jeden Tag waschen. Ich bestand darauf, sie deshalb nicht zu bestrafen, was Archi akzeptieren musste. Denn es war ja klar, dass das etwas mit ihren Traumatas zu tun hatte.

Ich stellte mir vor, dass Faika glücklich war, endlich Geschwister zu haben, denn sie bedauerte es, ein Einzelkind zu sein. Doch erst kürzlich vernahm ich von ihr, dass das nicht der Fall war, sie war anscheinend sehr eifersüchtig, vermutlich auch weil sie nicht so anhänglich war.
Alle drei waren sehr anhänglich und klebten wie kleine Kletten an mir. Alle drei sagen noch heute, ich sei «ihr zweites Mami», wir sehen und hören uns bis heute noch regelmässig. Ja eine plötzliche Grossfamilie, meine Tochter Faika, die drei Kinder von Archi, Bruno, Thomas und Brigitte. Dazu kam dann noch ein Auslandstudent, halb Schweizer halb USA Bürger, «Werner». Er kam zu uns als Praktikant in der EDV, weil Archi sich selbständig machte. Er hatte ein Zimmer im obersten Stock aber lebte mit uns. Also wenn wir ab und zu ausgingen zum Beispiel in ein Matiné Jazz Konzert mit Frühstück, ich war ja noch sehr jung, ging ich jeweils mit hohlem Kreuz voraus und alle staunten.



(2) Bruno

 

Bruno



(3) Brigitte

Brigitte

 


(4) Thomas, Bruno und Archi

Thomas, Bruno und Archi




(5) Werner der Praktikant, Archi, Faika und ich

Werner der Praktikant, Archi, Faika und ich


Ich arbeitete ja jeweils als temporäre Sekretärin für Adia Interim, was mir auch sehr Freude machte, denn oft kam ich wieder in eine neue Firma und musste viel Neues lernen. Das empfand ich als sehr lehrreich. So profitierte ich mehr als eineinhalb Jahre im Bereich des Sekretariates.
Adia Interim vermittelte mich gerne und ich erhielt viele Komplimente.

Als sich Archi selbständig machte, half ich ihm im Büro und er bezahlte mich stundenweise. So verliess ich Adia Interim. In der Firma Stämpfli hat er das SBB-Kursbuch vom Bleisatz ins Digitale umgewandelt, er war ja dort Chef EDV. Das war eine Sensation. Danach wurde er von der Österreichischen Staatsdruckerei angefragt, ob er für sie dasselbe mache, das war der Grund, dass er selbständig wurde und seine eigene erste Firma wdv AG gründete.

In dieser Zeit begann ich nebenbei wieder zu malen und konnte in Frauenkappelen ausstellen.
Von da an malte ich regelmässig, wenn immer ich Zeit fand. Archi unterstützte mich in meinen kreativen Interessen. Schon bald mietete ich im Keller einen Bastelraum und begann zu töpfern, drehen und brennen und glasieren. Ich kannte eine Töpferin, wo ich die Gegenstände fertig stellen konnte.

In Moosseedorf stellte ich Ölbilder aus mit meiner Tante Rosette von Genf. Sie machte wunderschöne Wandteppiche, worin sie ganze Geschichten stickte. Sie war auch Töpferin und Malerin. Wir hatten sehr grossen Erfolg.

Am 06.06.78 heirateten wir, warum weiss ich nicht mehr genau, denn es war ja gut so wie es war.
 

(6) Hochzeit in Unilook-Kleidern

Hochzeit in Unilook-Kleidern


Beide Mütter, Archis und meine waren Trauzeugen. Faika war sehr enttäuscht über unsere Garderobe und schämte sich deshalb auch, glaube ich. Zur Feier des Tages fuhren wir nach Luzern und assen chinesisch. Natürlich setzten wir einen Ehevertrag auf.



(7) 6.6.1978 Hochzeitsessen

6.6.1978 Hochzeitsessen


Von rechts nach links, meine Mutter, Faika, Mutter von Archi, ich und von Archi sieht man nur den Arm.

In Frauenkappelen hatten wir mit den Nachbaren ein sehr gutes Verhältnis, alle waren gegenseitig füreinander da, wenn es um Hilfe ging. Auch gab es viele Kinder. Im Sommer hatten wir einen grossen Grill. Wir kochten, assen und spielten oft zusammen. Mit einem Ehepaar gingen Archi und ich nach Irland. Dort reisten wir mit je einem Zigeunerwagen und Pferden umher. Das war oft auch sehr abenteuerlich.



(8) Nachbarschaftskinder in Frauenkappelen

Nachbarschaftskinder in Frauenkappelen


Wir organisierten Schlittenabfahrten, im Wald bauten wir Staudämme, schwammen gemeinsam, führten ein Kleintheater auf und feierten Weihnachten im Wald usw.

 

(9) Wir 4 waren eine Malgruppe

Wir 4 waren eine Malgruppe


Es entstand eine Gruppe rund um den pensionierten Arzt Dr. Schütz, den ich zufällig an einer Ärzte-Ausstellung kennenlernte.
Von rechts nach links Peter Wichtermann, Grafiker, Dr. Andre Schütz, ich, Hans Meier, Apotheker
Wir gingen bei schönem Wetter oft auch draussen in die Natur um zu malen oder trafen uns im Atelier von Dr. Schütz.
Er hatte in seinem Haus im Rosengarten oben ein Atelier, darin hatte sogar ein berühmter Maler, weiss nicht mehr wer er war, früher auch gemalt und die Wände waren voller Entwürfe von ihm.

Wie stark seid ihr auf Wünsche eurer Kinder eingegangen?
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41.  Wie stark seid ihr auf Wünsche eurer Kinder eingegangen?

Es war oft nicht einfach. Die Erziehungsmethoden waren bei Archi und mir nicht gleich, also mussten wir uns absprechen. Ich setzte mich natürlich jedes Mal durch, wenn es gegen Autoritäten ging.

Ich verlangte von allen, dass der Umgang miteinander gerecht zu- und herging, wir hatten mehrere Jahre keinen Fernseher. Also war spielen und Kreativität angesagt. Streit musste in Worten ausgetragen werden. Ämtlis wurden alle paar Wochen besprochen und dann festgelegt, natürlich kontrolliert eingehalten. Ich war sehr konsequent. Wünsche durften auch regelmässig angebracht werden und dann auch eingehalten. Die Kinder mussten auch teilen altersgerecht oder etwas weitergeben, was nicht immer problemlos über die Bühne ging. Das wichtigste war, dass es alle gleich betraf. So lernten sie Gerechtigkeit. Grosse Wünsche lagen meistens finanziell nicht drin. Also musste auch verzichtet oder auf etwas hin gespart werden. Alle liebten es, wenn wir auf einem gefrorenen See eislaufen gingen, oder wanderten mit «pic-nic» mit einem Feuer, etwas brätelten wie z.B. Würste, Kartoffeln und Mashmallows.

Während längeren Ferien ging Faika später regelmässig zu ihrem Vater in die Türkei. Archis Kinder gingen dann jeweils in die Sportschulferien. Zweimal ging Faika in den Ferien zu ihrem Vater in die USA.



(1) Faika in den Ferien mit ihrem Vater in den USA und an ihrer Konfirmation      
(2) Faika an der Konfirmation

Faika in den Ferien mit ihrem Vater in den USA und an ihrer Konfirmation

Faika empfand mich ausserordentlich streng und konsequent, was sie mir erst später erzählte, dass sie sehr darunter litt. Also ich gab den Ton an bei ihr, Archi hatte wenig zu sagen. Sie durfte nicht einfach für Partys ausgehen, ich wollte genau wissen was wann und wo los war, brachte sie dann jeweils hin und holte sie auch wieder ab.

Ein Töffli kriegte sie auch nicht, jedoch ein schönes Velo zur Konfirmation. Und das mit dem Töfflifahren glaubte ich unter Kontrolle zu haben, denn ich fand Velofahren viel gesünder. Doch eines Tages wurde sie erwischt mit einem ausgeborgtem Töff ohne Ausweis. Ja dann gab es halt Strafen, zum Beispiel wie den Entzug von Ausgang für einige Zeit, usw.

Sie war sehr hübsch und ich hatte sehr Angst um sie, denn ich wusste aus meiner Jugend wie gefährlich es sein konnte für junge Mädchen.




(3) Klassenfoto in der Feusischule

Klassenfoto in der Feusischule

 

(4) Faika mit einer Freundin der Feusi

Faika mit einer Freundin der Feusi


In der Zwischenzeit hat ja Üstün wieder geheiratet und Faika kriegte eine Halbschwester namens Janan.



(5) Faikas neue Halbschwester Janan

Faikas neue Halbschwester Janan


Leider bereute ich den Entscheid, Faika in die Feusi zu schicken, denn da waren alles reiche verwöhnte Jugendliche. Vieles hatte ich erst später vernommen, was da alles ablief. Die Montessorischule wäre vermutlich viel besser gewesen. So trifft man auch ab und zu falsche Entscheide.
Das Resultat zeigte sich uns dann, indem immer schlechter werdende Noten reinkamen. Ich musste öfters zum Hauptlehrer. Er meinte, sie müsse sich verbessern sonst müsse sie ein Jahr wiederholen.

In dieser Zeit hatte ich eine Totaloperation, weil ich immer Schmerzen hatte im Unterleib. Es stellte sich heraus, dass alles verwachsen war von der Geburt her und aufgrund der vielen Auskratzungen.

Wie ich im Kapitel 2 «warum ich Gestalterin meines Lebens wurde» geschrieben habe, hatte ich ja die Hypnose, dass die OP geholfen habe, dass ich die nächtlichen Albträume langsam überwand.

Wie war meine Tochter und die Kinder von meinem Partner, in der Pubertät und verschiedenen Berufswahlfächern?
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42.  Wie war meine Tochter und die Kinder von meinem Partner, in der Pubertät und verschiedenen Berufswahlfächern?

Archi hatte ja seine ERSTE neue Firma und den grossen Auftrag für die Österreichische Staatsdruckerei, das Kursbuch auch vom Bleisatz ins digitale zu programmieren. So reiste ich ab und zu mit ihm nach Wien, wo wir fürstlich im Grabenhotel logiert wurden und überallhin eingeladen. Es war wirklich sehr eindrücklich, denn Wien gefiel mir sehr gut.

Archi wollte alles kennenlernen, wie und wo ich in den USA lebte. Also planten wir eine längere Reise dorthin, übernachteten abwechslungsweise in Hotels und auch immer wieder bei Freunden von mir, verstreut in Kanada und quer durch die USA. Gleichzeitig verbrachte Faika Zeit mit Üstün und seiner Familie auch in den USA.

Das war der Grund, dass ich nicht immer anwesend war und somit auch keine Kontrolle über Faika hatte. Wenn ich jeweils abwesend war, war ihre Gotte und Götti für sie da, die im gleichen Haus wohnten und meine Schwägerin oder Schwiegermutter logierten bei uns. Auch wohnte ja Werner der Praktikant noch bei uns. Das gab Faika mehr Freiheit.

Faika war ja in der Feusi, jedoch nicht mehr so fleissig und ich machte mir sehr grosse Sorgen. Die Gespräche mit der Lehrerschaft waren nicht sehr erfreulich auch, dass Faika die Klasse evt. wiederholen müsse, wenn sie sich nicht um Einiges verbessere beschäftigte mich. Längere Zeit wies ich darauf hin, dass ich für das Schulgeld schwer arbeiten musste und ich es auch gefährlich fand, wenn in dem Alter alles andere wichtiger war als die Schule und das Lernen. Herumzuhängen und kein Ziel mehr zu verfolgen, keine Ambitionen zu haben, waren für mich keine Optionen. Auch erklärte ich immer wieder, dass es in der Schweiz üblich ist, wenn es mit dem Studium nicht so klappte, als Zwischenlösung eine Berufslehre zu machen und dann später evt. mit einer Weiterbildung aufzuholen, was man verpasste.

Ich erklärte ihr auch immer wieder, dass Jugendliche in der Türkei nicht die gleichen Vorteile hätten wie hier in der Schweiz, weil diese auf Biegen und Brechen von einer Hochschule zur anderen geschickt wurden. Auch fand ich, dass es wichtig war, etwas zu beenden, um so zu lernen und einen guten Start für den weiteren Weg bekam.

Ich merkte schon, dass sie alles nicht so ernst nahm, auch bei der Berufsberatung keine Interessen zeigte. Sie war von der türkischen Vorgehensweise beeindruckt. Nun nach einiger Zeit, gegen Ende des Schuljahres erklärte ich ihr, es gebe nur noch den Weg mit einer Lehre. Sie bemühte sich aber dennoch nicht, trotz Hilfe von mir und mit der Unterstützung der Berufsberatung und des Lehrers.

Jetzt muss ich dringend noch etwas erwähnen, wenn man meinen Werdegang und meine Jugend liest, muss es sehr komisch klingen, dass ich so uneinsichtig, konsequent und streng war mit Faika.

Jetzt kommt ein ABER, Faika hatte eine ganz andere Ausgangslage und wurde von ganz anderen Umständen geprägt, ich hatte niemals die Möglichkeit, dass ich einfach machen konnte wie ich wollte.

Ich sah wie gefährlich und aussichtslos ihre Zukunft werden würde, denn sie lebte nicht in der Türkei und in der Schweiz war Vieles anders und ihre Situation sah für mich bedrohlich aus. Ich machte mir schreckliche Sorgen. Es gab viele Jugendliche die beim Rumhängen in die schwersten Situationen und mit Drogen abstürzten.

Es zeichnete sich nicht die kleinste Veränderung bei Faika ab, sogar ihr benehmen artete zum ersten Mal extrem aus, so dass ich ihr das erste und einzige mal eine Ohrfeige verpasste. Warum weiss ich nicht mehr, nur eines weiss ich, es war morgens beim Frühstücken, ich glaube sie hatte die Aufgaben nicht gemacht und mir sehr frech geantwortet. Dieses Ausrasten hat mich sehr traurig gemacht, dass ich mich nicht im Griff hatte. Es schien mir, dass alles ausser Rand und Band geriet.

Im August entschied ich, dass Faika die Feusi beenden musste. Ich ging in die Feusi um den Abschluss in die Wege zu leiten. Durch gute Beziehungen von Archi mit Druckereien, zeichnete sich eine Lehrstelle für sie in Bern ab, die in den kreativen Bereich gehörte, und später die Möglichkeit bestand, im typografischen Bereich weiter zu machen. Im Oktober konnte sie die Lehre als Schriftsetzerin antreten und parallel dazu in die Kunstgewerbeschule gehen. Es war eine 4-jährige Lehre, meiner Meinung nach würde sie Vieles lernen in der Arbeitswelt und ein strukturiertes Leben bekommen. Ich war der Überzeugung, dass wenn sie etwas abgeschlossen hatte, von dort aus viele Wege offen werden für sie.

Sie war ausser sich und wollte nicht mitmachen, doch schlussendlich hat sie sich abgefunden, nach vielen vielen Diskussionen und Gesprächen. Sicher sah sie es nicht gleich wie ich, damals und auch heute nicht, was sie mir viel später erzählte. Dass diese Zeit und die Lehre eines ihrer grössten Traumata gewesen war, sie sich von mir und ihrem Vater fürchterlich alleine gelassen fühlte, und keine Chancen erhalten habe ihre Pubertät und die damit verbundenen Probleme zu lösen und dabei unterstützt zu werden. Dass das aus ihrer Sicht das hinterletzte gewesen sei, eine Lehre als Schriftsetzerin machen zu müssen und, dass dies vier verlorene Jahre waren. Diese Aussage quälte mich einige Zeit enorm, ich fühlte mich so miserabel, denn meine Sicht wollte sie gar nicht hören. Schliesslich merkte ich, dass es eben eine Tatsache ist, man kann Wahrnehmungen schlecht rechtfertigen oder erklären, sie sind tief eingeprägt und für denjenigen die Wahrheit, weil es tiefe Gefühle sind. So konnte ich es mit der Zeit auch verstehen und mich nicht alleine als Versagerin fühlen, sondern auch mein Gefühl und mein Wille und meine Absichten als meine Wahrheit annehmen. Das half mir, es stehen zu lassen und es nicht zu persönlich zu nehmen.

Bruno und Thomas schlossen die Schule ab, sie hatten keine Ambitionen ins Gymi zu gehen. Mit ihrer pubertären Situation bekamen wir wenig mit. Bruno lernte Dachdecker und ein Jahr später Thomas Elektriker. Brigitte war ja einiges kleiner. Wie es bei ihr verlief darüber werde ich später schreiben.
Wieder grosse Veränderungen für Faika
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43.  Wieder grosse Veränderungen für Faika

Ein Jahr war Faika schon in der Lehre. Sie hatte sicher ihre Probleme, doch weiss ich nicht mehr so genau, was alles bei ihr in der Lehre und im Privaten ablief. Ich arbeitete viel und der Haushalt, Ausstellungen und Archis berufliche Ambitionen brachten mich oft an Grenzen.

Archi musste sich nach dem Geschäft in Österreich um neue Kunden kümmern. Ja und da begannen meine Sorgen, weil ich schon länger merkte, dass er fachlich ein Genie war, aber kein Geschäftsmann. Er wäre als Angestellter ein hervorragender Forscher gewesen, davon bin ich hundertprozentig überzeugt. Doch wollte er von so einem Werdegang gar nichts hören.

Wie es bei vielen Menschen abläuft, wollte er genau das, was nicht seinen Stärken entsprach beweisen, sich selbst gegenüber und der Umgebung. So gründete er bei einem Freund und Geschäftsmann von einer Druckerei in Grenchen seine zweite Firma. Er fuhr von da an jeden Tag von Bern nach Grenchen, oft bis spät nachts, das gehörte zu ihm; grenzenlos und auch eine Art programmierte Krankheit. Sehr oft fuhr er sehr übermüdet zwischen Grenchen und Bern hin und her und hatte mehrmals Glück mit Unfällen, die Gott sei Dank glimpflich abliefen, doch als Warnung zu verstehen waren.

Ich arbeitete nur noch kreativ und stellte in vielen Orten Bilder und Keramik aus und wurde darin recht erfolgreich. Doch ich arbeitete immer noch im Keller und in der Wohnung bei uns Zuhause. Zusätzlich richtete ich in dem Zimmer von Werner dem Praktikanten, der nun selber eine Wohnung hatte, ein kleines Atelier mit einem kleinen Brennofen für die Keramik ein.

Faika war eine wunderschöne junge Frau geworden, sie lernte einen sympathischen jungen Mann kennen. Er war auch in der Lehre als Elektriker, zwei Jahre älter als sie glaube ich.



(1) Faika in der Lehre

Faika in der Lehre



(2) Remo Faikas Freund

Remo ihr Freund


Da kam immer stärker der Druck von Archi, dass er nach Grenchen umziehen wolle, ich war ganz und gar nicht davon begeistert. Denn mir gefiel Bern sehr und vor allem wegen Faika, von Grenchen nach Bern zu fahren wäre ein gewaltiger Weg gewesen.

Also kam es schlussendlich zu einer Entscheidung, ich musste langsam nachgeben, um eine mögliche Lösung zu suchen, die für uns alle einigermassen akzeptabel war. Also Archi schrieb mir alle möglichen Dörfer in der Umgebung von Grenchen auf, die für ihn infrage kamen. Als erstes besprach ich mit Faika, was sie wollte. Dann sprach ich mit Dr. Schütz der pensionierte Arzt, den ich sehr schätzte, der ein Zimmer mit Dusche und Toilette neben dem Atelier hatte, das wir für Faika herrichteten. Und, wenn sie baden wolle könne sie es bei ihm in der Wohnung machen und auch bei ihm verweilen, wann immer sie wollte, er war ja so etwas wie ein Grossvater für sie. Das wäre jeweils die Woche durch und an den Wochenenden konnte sie zu uns kommen. Sie fand das nicht toll, denn es war eben nicht mit uns zusammen möglich und der Weg von dort zu beschwerlich. Ich bin überzeugt sie fühlte sich im Stich gelassen, und nicht geborgen. Auch war es für sie bestimmt schwierig, nicht an erster Stelle berücksichtig zu werden. Das muss ich heute eingestehen, obwohl mir Faike in meinem Leben immer das Wichtigste war. Doch ich entschied in Anbetracht auf das Ganze für diese Lösung. Heute würde ich es anders sehen.

Heute denke ich, wäre eine noch bessere Lösung gewesen, einen Ort zwischen Bern und Grenchen zu wählen, doch fand Archi das steuerlich nicht geeignet, weil er das Geschäft in Grenchen hatte. Er fand wir müssten im Kanton Solothurn leben. Da hätte ich mich durchsetzen müssen! Die grösseren Orte mit guter öffentlicher Verbindung für Faika waren alle im Kanton Bern.

Ich wollte nicht nach Grenchen, also begann ich langsam alle Dörfer im Bucheggberg zu besuchen, teils gefielen sie mir, teils nicht. Bei denen, die mir gefielen ging ich in die «Dorfbeiz», dort informierte ich mich ob sie etwas wissen über eine Wohnung mit Atelier oder ein Stöckli.

Mit meinem Grashüpfer, dem grünen Citroen, mit Dino hinten drin, fuhr ich sporadisch die Dörfer ab. So auch Gossliwil im Kanton Solothurn, im Bucheggberg. Ich hielt im Gasthof Kreuz, bestellte mir etwas und fragte die Wirtin, ob sie etwas wüsste in diesem Dorf. Sie meinte dann, dass sie um eine 3-Zimmerwohnung mit evt. einem Atelier wüsste. Sie meinte dann auch, soviel sie wisse sei bei den Witschis etwas frei geworden. Sie rief dann eine Käti an, die Gemeindeschreiberin war. Sie beschrieb wo es war, mitten im Dorf vis a vis vom Restaurant Sternen. Käti sah mich von der Seite her missmutig an und meinte dann, «nein» da ist nichts frei! Ich bezahlte, dachte das bringt kein Glück mit der Haltung dieser Gemeindeschreiberin und fuhr wieder weiter. Mitten im Dorf nach der Beschreibung der Wirtin, sah ich rüber zu einem alten Bauernhaus und hielt kurz an, um es mir anzusehen. Da viel mir ein Traum ein, ganz genau wie dieses Haus mit einer riesigen Trauerweide und ein Holztor. Darin sah ich mich in der oberen Wiese, wie ich auf einem Gerüst stand und eine grosse Figur behaute. Ich spürte die Hände wie sie verschunden waren und roch den Duft der Bäume, das Ländliche alles schien ganz echt. So entschied ich zu parkieren und liess aber Dino im Auto. Ging rüber zum Tor, trat ein und sah den Eingang. Als erstes war da die Wohnküche und durch das Türfenster sah ich zwei Leute am Tisch sitzen, sie rüsteten etwas, ein Mann mit Bart und eine Frau mit einem langen Zopf. Ich klopfte und sie baten mich herein und waren ganz neugierig. Ich erzählte ihnen, dass ich Töpferin und Malerin sei und mein Mann ein Geschäft in Grenchen hätte, wir aber noch in Bern lebten und jetzt etwas suchten in der Nähe. Sie sahen sich an lächelten und sagten, sicher schicke mich der Himmel, denn sie dachten an ein Inserat gedacht, was ihnen aber zuwider war, auf diesem Weg neue Mieter zu finden. Sie seien beide Künstler und
hätten unten ein grosses Atelier mit Brennofen, es wäre sicher möglich einen Weg zu finden, dass wir unten die Wohnung haben könnten und sie würden in den mittleren Stock ziehen, denn sie lebten vorwiegend im Tessin und hätten dort ein «Rustiko». Ich sah, dass rund ums Haus viel Bäume, Beerensträucher, Blumen, ein Garten und eine Wiese war. Sie forderten mich auf doch mal die Räume unten anzusehen. Was wir machten, ich war hell begeistert. Es war ein altes Bauernhaus mit Putzfenster, einem Cheminée im Wohnzimmer und ein grosses Atelier, eine Dusche, Wohnküche und Zimmer. Alles sehr romantisch, für mich ungewöhnlich das Ländliche, doch genau deshalb gefiel es mir sehr. Ich sagte Ihnen, dass es mir sehr gefalle eigentlich genau das richtige für uns sei, ich werde es meinem Partner erzählen und wir würden zusammen nochmals kommen, um alles zu besprechen. Ich verabschiedete mich und fuhr so schnell wie möglich ins Geschäft zu Archi um es ihm zu erzählen.

Er war anscheinend erleichtert, dass sich etwas in Aussicht stellte und er nicht mehr immer hin und her fahren musste. Doch als wir nochmals zu Witschis nach Gossliwil fuhren, um es zu besichtigen und zu besprechen, war er wie ich auch sehr begeistert, er war ja ursprünglich als Kind in einem Dorf aufgewachsen.

Die gewissen Anpassungen wurden besprochen, auch ein Schlafzimmer über dem Atelier von Framus, darin machte er grosse Eisenplastiken. Der Termin des Umzugs wurde festgelegt und die Miete besprochen. Sie war moderat, denn weil sie ja sehr viel im Tessin weilten, waren wir zuständig für den Garten und alles Drum und Dran. Wir hatten gegenseitig Vorteile. 

Sehr mulmig war mir wegen Faika, dieses Dorf liegt eben im Bucheggberg und es gab wenige Postautos pro Tag ich glaube 3-4 Mal. Also musste ich sie jeweils beim Bahnhof Grenchen oder Solothurn abholen an den Wochenenden. Und noch etwas war, das Zimmer, das sie benutzen konnte, war für Gäste gedacht, aber es hatte keine richtige Türe vom Esszimmer und Wohnzimmer her war nur ein Durchgang. Ich stellte einen Paravan als Abgrenzung hin.
Alles nahm Form an, Faika durfte Remo jeweils mitnehmen übers Wochenende. Sie schickte sich wohl oder übel in die neue Situation. Auch mit dem Zimmer bei Dr. Andre Schütz. Die längeren Ferien verbrachte sie sowieso in der Türkei bei ihrem Vater. Eine ganz andere Welt und Lebensweise, unterschiedlicher könnte es nicht sein. Dort in Luxus und in Gossliwil ländlich einfach, doch glaube ich es begann ihr und Remo langsam auch zu gefallen.

Wir feierten viele gute Feste, beinahe wöchentlich, manchmal veranstalteten wir auch nach dem Ausgang noch bis spät in die Nacht hinein einen Spaghettiplausch.


(3) Gossliwiler Feste

Gossliwiler Feste



(4) Gossliwiler Feste

Gossliwiler Feste



(5) Gossliwiler Feste

Gossliwiler Feste



(6) Gossliwil im Garten mit Freunden

Gossliwil im Garten mit Freunden
Gossliwil und Unternehmensgründung
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44.  Gossliwil und Unternehmensgründung

(1) Garten Gossliwil
Garten Gossliwil

Als erstes musste ich mich an das Leben in einem Dorf mit 172 Einwohnern gewöhnen.
Viel Neues gab es für mich zu lernen. Archi und ich machten einen Kurs für naturgerechtes gärtnern. Ich stürzte mich ins Atelier, um eigene Glasuren zu produzieren und führte Buch über alle Erfahrungen. Alles wurde genausten beschrieben, Rezepturen, Muster und Brand. Ich hatte ja einen Elektroofen von Witschis und zwei von mir, einen Grossen und einen Kleinen, dazu kaufte ich noch einen Gasofen.

Ja so war ich sehr beschäftigt mit Haushalt, Garten und Umgebung, denn Archi arbeitete immer mehr. Er fand beinahe keine Zeit mehr, mir zu helfen. Das Atelier wurde auch immer intensiver, ich machte immer wieder Ausstellungen mit gemalten Bildern, mit meiner Töpferei und der Bildhauerei. Ein riesen Pensum, aber ich war überglücklich.


(2) Ich am Arbeiten im Atelier

 

Ich am Arbeiten im Atelier

 

(3) Ausstellung

Ausstellung

Ich lernte schnell alle Bewohner von Gossliwil kennen und erstaunlich schnell, wurde ich als eine von ihnen angenommen. Sie schätzten mich sehr, auch viele von ihnen wurden gute Freunde, zum Teil bis heute sind diese Beziehungen geblieben.

Langsam hatte es sich auch eingependelt, dass Faika und Remo übers Wochenende kamen. Sie waren aber nicht aktiv im Ausgang, sie hingen bei uns Zuhause herum, machten mit, wenn wir Feste feierten.
Ich fand das nicht so gut, in dem Alter wäre es doch normal gewesen, mit Gleichaltrigen etwas zu unternehmen. Oft waren sie wie zwei alte unzufriedene Partner und zankten fortlaufend. Ich musste jeweils an den Sketch von Loriot, das Frühstücksei, denken.

Ich hatte einen Freund von Grenchen, der als Beistand amtete für Jugendliche, die auf die schiefe Bahn geraten sind. Er fragte mich, ob ich nicht für einige Zeit mithelfen konnte, indem diese Jugendlichen in allen Sparten bei mir helfen konnten, auch im Atelier und dadurch einen geregelten Tagesablauf hätten. Dies würde ihnen wie ein Sprungbrett dienen, um wieder in einen normalen Alltag eingegliedert zu werden.

Immer nur eine Person aufs Mal, einmal kam es vor, dass ein 14-jähriges Mädchen abhaute, dann musste ich ihren Beistand informieren. Das machte mir sehr zu schaffen. Ich fühlte mich verantwortlich, obwohl mir beteuert wurde, dass sei nicht mein Versagen und, dass dies auch in den Heimen passiere. Das war für mich aber keine Motivation mehr, dieses Angebot weiterzuführen.


(4) Gerda und ich im Atelier
Gerda und ich im Atelier

Brigitte war auch ab und zu bei uns, sie wollte Tierarztgehilfin werden. Was sie dann später auch in Solothurn in einer Tierpraxis beginnen konnte. Gleichzeitig musste sie die Gewerbeschule machen. Nach einiger Zeit merkten wir bei ihr Verhaltensveränderungen, nicht nur pubertäre Erscheinungen, es schien mehr dahinter zu stecken. Mit der Zeit artete es aus, was genau der Grund war, wussten wir noch nicht. Ihre Mutter und Archi wurden in der Gewerbeschule vorgeladen, weil ihre Noten ungenügend waren, der Vorschlag war von der Schule und der Praxis, dass sie ein Auslandaufenthalt machen könnte und ein Jahr später dann die Lehre fortsetzen. Ich hatte immer noch gute Freunde in USA Arizona, mit denen setzte ich mich in Verbindung.

Es stellte sich heraus, dass es eine Möglichkeit auf einer Reitfarm gibt. Brigitte reitete gerne und auf dieser Farm konnte sie, um Englisch zu lernen im Stall und auf der Farm mithelfen. Wir versuchten, es ihr schmackhaft zu machen, doch ich wollte erst sicher gehen, dass sie keine Drogen zu sich nahm. Also meldete ich sie bei ihrem Arzt an, um einen Test zu machen, denn wie ich vermutete kriegte sie in der Gewebeschule von Schulkollegen selbstgemachte Drogen. Sie weigerte sich erst zum Arzt zu gehen, ich wurde jedoch so wütend und zwang sie mitzukommen. Sie bekam Gott sei Dank dann eine Bestätigung, dass sie sauber sei, was ich meinen Freunden schuldete. Denn in den USA waren strenge Gesetze, bis 21 kein Alkohol und natürlich auch keine Drogen. So wurde der Plan langsam immer konkreter, alles wurde vorbereitet, der Flug und das Abholen am Flughafen vor Ort. Wir blieben in ständigem Kontakt mit meinen Freunden, erst hörte es sich gut an, doch dann kamen immer wieder Meldungen wie sie mit Mexikanern, die auch Angestellte waren, herumhänge, was aber natürlich nicht erlaubt war, für ein junges Mädchen, das noch minderjährig war. Auch Alkohol war ein Thema, so mussten meine Freunde einen anderen Platz finden, denn die Verantwortung wollten die Gastgeber nicht mehr. Das Ganze spielte sich, soviel ich mich erinnere dreimal ab. Immer die gleichen Vorwürfe. Bis meine Freunde uns meldeten sie setzten sie an einem bestimmten Tag und Zeit ins Flugzeug, um sie uns zurückzuschicken. Das war sehr heftig und traurig für uns, danach konnte sie auch die Lehre nicht mehr weiterführen. Ich bestand darauf, dass Archi ihr immer wieder eine Chance anbot gegen Bezahlung im Stundenlohn bei ihm zu arbeiten. Und wenn sie nur rumhängte, musste sie gehen. So ging das Jahre, sie geriet immer mehr in die Drogen, sie lebte ja bei ihrer Mutter und vieles erfuhren wir so auch nicht.

Sie durfte immer wieder auch bei uns wohnen und bei Archi arbeiten, aber nur, wenn sie einen Entzug nachweisen konnte und mit Methadon unter Kontrolle war. Sie begann immer mehr auf der Gasse zu leben. Es war sehr sehr schwer für uns, machtlos zusehen zu müssen. Einige Zeit später lernte sie einen Marokkaner kennen, Kerim. Als erstes arbeitete er und fand Anschluss, jedoch verlor er nach einiger Zeit die Stelle und fiel aus dem Markt. Eines Tages kam Brigitte mit der Hiobsbotschaft nach Hause, dass sie schwanger sei, heiraten wolle und regelmässig bei Archi arbeiten wollte. Inzwischen sind viele schwere Zeiten vergangen. Sie war sehr clever und hatte auch einen starken Willen entwickelt, langsam erholte sich die Situation um sie. Dank ihrer Tochter brachte sie es schlussendlich sogar fertig, im KV Fuss zu fassen und sogar eine Weiterbildung mit einem höheren Abschluss zu schaffen. Sie trennte sich von Kerim. Der dann schlussendlich wieder zurück nach Marokko ging. Yasmin war ein wunderschönes Mädchen. Brigitte wurde auch eine sehr gute konsequente Mutter und meisterte es hervorragend als Alleinerziehende.



(5) Brigitte und Yasmin


Brigitte und Yasmin

Langsam spitzte es sich auch mit Faika zu, es wurde auch immer schwieriger, bis auch sie schwanger wurde. Ich handelte leider nicht genug überlegt und führte mit ihr ein Gespräch, ohne Remo einzubeziehen. Mit ihrem Einverständnis rief ich Dr. Schütz an, um
eine Abtreibung so schnell wie möglich in die Wege zu leiten. Wir gingen zusammen diesen schweren Schritt, ich fühlte mich hundsmies, sie vermutlich auch. Remo erfuhr es erst im Nachhinein. Ich sah überhaupt keine Möglichkeit ihr anbieten zu können, für das Kind zu sorgen. Sie waren noch beide in der Lehre und ich war mit meiner damaligen Situation bereits schwer am Limit. 

Zu all dem hatte ich noch eine Weiterbildung begonnen als diplomierte Erwachsenenbildnerin, um einen grundlegenden fundierten Abschluss zu erhalten, mit allem was ich bereits wusste und gelernt hatte.

Diese Weiterbildung dauerte 3 1/2 Jahre, nebst allen anderen Aufgaben. Wie ich überhaupt diese Weiterbildung machen konnte, muss ich noch erzählen. Nach einem Termin durfte ich mich bei Prof. Lüthi und Dr. Madlen Löbner vorstellen, die die EB /MSE in Bern leiteten. Denn ich hatte ja die grundlegenden Voraussetzungen ein Abitur oder einen Abschluss von einer höheren Mittelschule nicht. Sie befragten mich, was ich so machte und ich erzählte gewisse Episoden aus meinem Leben, was ich alles schon erreichte, ohne eine Grundausbildung und Schulbildung. Sie guckten sich gegenseitig an und meinten, wenn jemand perfekt geeignet sei als Erwachsenenbildnerin, dann sei ich das. Sie meinten einstimmig, dass wir das schon hinkriegen würden. Dann kamen die Kosten zur Sprache, alles im allen mit den Wochenenden, würden diese ca. 25'000 Franken kosten. Ich musste ihnen sagen, dass ich keine finanziellen Möglichkeiten hätte über so viel Geld und ich meinen Mann nicht fragen wollte. Sie guckten sich wieder an und sagten auch das, dass sich das organisieren liesse. Sie hätten einen Fonds für solche Fälle, wenn ich dann diplomiert sei, und das werde ich sein, meinten sie, werde ich genügend verdienen, um das Geld zurückzuzahlen.

So hatte ich noch zusätzlich zu den vielen Tätigkeiten, Ausstellungen, die sozialen Aufgaben, die Weiterbildung und die jeweiligen Hin- und Herfahrten nach Bern zu bewältigen. Doch war ich in allen Bereichen mit vollem Herzblut dabei und fühlte mich überglücklich.

Ich hatte auch im Atelier Praktikanten, einmal läutete die Glocke am Tor und eine junge Frau stand davor und meine «Ich bin Eli aus Slowenien», ich suche eine Praktikumsstelle in der Töpferei, brauchen sie jemanden? So war Eli eine von den Praktikantinnen, die mir sehr ans Herz gewachsen sind, bis heute besteht eine gute Freundschaft.

Fast zeitgleich mit uns zog eine Holländerin im obersten Stockwerk, in Framus Atelier ein, um vorübergehend da zu wohnen. Sie hiess Gerda van Gent. Sie war verheiratet mit einem Schweizer, der von Beginn der Ehe weg immer eine Freundin nebenbei hatte. Er schrieb sogar ein Buch über Polygamie. Sie kam zu uns als ihr Haus abgebrannt war. Gerda forderte ihn auf, das zu unterlassen, dann werde sie ihm finanziell helfen, ein neues Haus aufzubauen. Er meinte, dass er niemals bereit dazu sei.

Deshalb zog sie zu uns, um sich zu überlegen wie weiter. Sie war ihm sehr hörig doch mit vielen vielen Gesprächen wurde sie stärker und liess sich dann sogar scheiden. Sie lebte 20 Jahre an unserer Seite, sie hatte eine Tochter und ein Grosssohn, die ab und zu auch bei uns waren. Sie liebte Gartenarbeit, vor allem Blumen. Sie half uns in vielen Bereichen. Nebenbei lernte sie mit meiner Hilfe malen und verarbeitete ihre Vergangenheit so immer besser. Ihre Bilder waren sehr gut und eindrucksvoll.

Für die siebenhundert Jahre Schweiz-Feier machten wir 7 Künstlerinnen eine Ausstellung zum Thema, was habe ich zu den 700 Jahren Schweiz zu sagen. Dabei kamen auch andere Themen zur Sprache. Bei uns im Garten machten wir eine lange Tonkette für eine gemeinschaftliche Aussage als Frauen, gemeinsam sind wir stärker. Ich gab auch ein Projekt an das zuständige Komitee ein, für grosse behauene Blöcke der Schweizer Geschichte, darin hätte man teils die Geschichten anhören können, die mit passender Musik umrahmt gewesen wären. Aber die Verantwortlichen verbrauchten viel Geld für teure Sitzungen sodass schlussendlich kein Geld mehr übrig blieb für solche individuellen Projekte.



(6) Für die 700 Jahr Feier; Modellblock am Behauen von Pestallozzi

Für die 700 Jahr Feier; Modellblock am Behauen von Pestallozzi



(7) Von 7 Künstlerinnen, eine Kette die zusammenhält

Von 7 Künstlerinnen, eine Kette die zusammenhält

Ja und in dieser Zeit passierte sehr viel, Faika kam nach der Lehre eine zeitlang zu uns und arbeitete in der Firma von Archi. Dann lebte sie noch kurz bei einem Freund, der auch dort arbeitete, aber es war nur eine kurze Episode mit vielen Turbulenzen. Schlussendlich entschieden wir uns, dass sie nach Basel zieht und dort eine Stelle im grafischen Bereich antrat. Später wollte sie dann in die Kunstgewerbeschule, wo sie auch unter vielen aufgenommen wurde. Aber sie war gar nicht glücklich und ich hatte oft grosse Sorgen, denn ich wusste wenig über diese Zeit, zweimal half ich ihr beim Zügeln. Das zweite Mal war es mit einer Freundin, sie kamen auch nach Gossliwil, ich hatte aber das Gefühl, dass sie etwas komisch war, diese Babs, und mit leichten Drogen zu tun hatte. Doch Faika meinte nein. Faika und ich konnten eigentlich in dieser Zeit überhaupt nicht gut kommunizieren, wir hatten oft sehr schwierige Auseinandersetzungen.

Gegen Ende meiner Ausbildung startete ich unter anderem einen Projektplan für eine Dachfirma «Tinetics», darin enthalten waren das ganzheitliche Body-Forming, in der Kunst Angebote für
kreatives Arbeiten, im pädagogischen Bereich soziale Entwicklung und Teamentwicklung für Firmen und individuell Interessierte. Ich erstellte ein Arbeitshandbuch mit Anleitung wie schrittweise die Fähigkeiten und Kompetenzen erforscht werden können und bot dies im neuen Stil an.

In allen Bereichen hatte ich Freelancer als Mitarbeiter.
Die unterrichteten nach meinem Leitbuch oder Vorlagen in den unterschiedlichsten Bereichen. Denn alleine hätte ich das nie machen können. Ich pflegte immer klare und gute Umgangsformen, so hatten wir immer alle ein gutes kreatives Klima untereinander. Im Body-Forming hatte ich 10 Mitarbeiterinnen, die jeweils eine Lektion leiteten nach meiner Einführung und meinen Vorgaben. Natürlich hatten wir regelmässig Weiterbildungen und ich musste regelmässig auch unterrichten, um zu sehen wie zufrieden die Kunden waren.




(8) Tinetics Prospekte

Tinetics Prospekte

 


(9) Tinetics Prospekte

Tinetics Prospekte

 

(10) Tinetics Prospekte

Tinetics Prospekte

 

(11) Tinetics Body-Forming in Grenchen, später auch in Biel

Tinetics Body-Forming in Grenchen, später auch in Biel

Eintragung im Handelsregister mit Urheberrecht, das alles wurde in meinem Abschlussprojekt als Diplomarbeit eingereicht und ich habe als einzige in der Klasse ein so fertiges Projekt auf die Beine gestellt. Ja ich habe meine Berufung in den Bereichen gefunden und kann sie nun 100 % professionell einsetzen und natürlich auch mein Darlehen schnellst möglichst zurück zu bezahlen.

In der Abschlussfeier als Erwachsenenbildnerin stellte ich mich so vor, ich hatte Seifenwasser und machte daraus Seifenbalsen, die ich dann von der Bühne ins Publikum blies, dabei erklärte ich meine Art und Weise wie ich mein Wissen vermittle, «Jeden einzelnen individuell dazu zu motivieren, seine Visionen zu erhaschen» und eine kleine Glut zum Feuer zu erwecken.

Mein Ehegatte hatte in der Zwischenzeit schon seine xte Firma gegründet und wieder kurz vor dem Konkurs verloren. Ich half ihm immer wieder aufzulösen finanziell und mit Körperkraft, und wenn er neu anfing auch mit neuen Finanzen… einmal meine ersparten Goldstücklein, einmal mit meiner Pensionskasse… ja leider. Entgegen dem Rat aller Freunde nicht mehr zu helfen, konnte ich es leider nicht. Es war für mich immer wieder, wie wenn ich bei einem sinkenden Schiff nicht beistand. Natürlich ist es klar mit jedem Helfen war ich mitschuldig für das nächste Fiasko. Darüber werde ich später noch schreiben. Es war eigentlich genau das gleiche Fehlverhalten wie meine Mutter hatte mit meinem Bruder, nach dem Tod unseres Vaters. Das Vermögen, das er nah dies nah mit Mutters Hilfe verspielte, bis zuletzt auch unser Haus in Seebach verloren war. Mit diesem immer wieder helfen, konnte er seine Strategie nie ändern und fand keinen anderen Weg Geld zu verdienen bis nichts mehr von unserem Erbe da war.
Bist du jemals für etwas Wichtiges eingetreten?
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45.  Bist du jemals für etwas Wichtiges eingetreten?
Ja in der Ulus Siedlung in Istanbul wo wir in der Wohnung von Üstüns Familie lebten, stellte ich fest, dass viele Bewohner in der Siedlung für teures Geld dreckiges Wasser kauften, welches per Camion geliefert und in die Tanks umgefüllt wurde. Denn von der Städtischen Wasserversorgung war kein Anschluss gemacht worden. Ich konsultierte Orhan Ergüder und er bestätigte mir, dass das Gesetz allen ein Recht auf sauberes Wasser zugestehe. Dieses Wasserrecht wurde einfach woanders hin umgeleitet.
Ich ging in allen Häusern Unterschriften sammeln, um den Antrag für sauberes Trinkwasser zu stellen und an das Städtische Wasseramt angeschlossen zu werden. Nach einigen beharrlichen Vorsprachen gelangte dann mein Unterfangen. Dank diesem Anschluss erhielt die Siedlung sauberes Wasser. Was bis heute der Fall ist.


(1) Ulus Siedlung, noch ganz neu erstellt

 

Ulus Siedlung, noch ganz neu erstellt

Ich wollte noch viel mehr bewirken, doch fehlte mir meistens die nötige Zeit. Ich fühlte mich verpflichtet gegen Ungerechtigkeiten und gegen den mangelnden Einsatz von Behörden und Autoritäten zu engagieren und mich für eine bessere Welt einzusetzen.



(2) Ueli Flückiger, wie die Geschichte vom Ueli der Pächter, Aquarell von mir

Ueli Flückiger, wie die Geschichte vom Ueli der Pächter, Aquarell von mir


Es war im Jahr 1981, als wir nach Gossliwil zogen, da gab es noch Knechte, die als Verdingbuben zu den Bauern kamen, wie zu Gotthelfs Zeiten. Nebst der schweren Arbeit besuchte er die nötige Schule und schlief oft in der Nähe vom Stall im Heu. So erging es auch Ueli Flückiger. Er war gut in der Schule und so wollte sein Lehrer, dass er die Sekundarschule machte, doch der Bauer fand das überflüssig. So wuchs Ueli schwer arbeitend auf und fand im Dorf wenig bis keine Anerkennung.

Er begann in seinem Elend zuviel zu trinken, was natürlich seinem Ansehen nicht weiterhalf. Auch duschte er sich nicht richtig und hatte keine sauberen Kleider. So wurde er leider zum Dorftrottel und anstelle, dass ihm geholfen wurde, wurde er zur Unterhaltung und zum Gespött in der Dorfbeiz. Das erlebte ich mehrmals mit und verteidigte ihn. Die Männer in Dorf waren gegenüber jungen Frauen oft sehr «couragiert», was ich ihnen aber postwenden zu merken gab. Ueli nannte ich immer Herr Flückiger, was er sonst nie hörte und mit der Zeit hatte er Vertrauen in mich. Wenn er Hilfe brauchte kam er, um zu fragen. Es passierten einige unschöne Dinge, die mich sehr betroffen machten.

Unter anderem Archi’s Verhalten wie er mit Ueli umgegangen ist und wie gemein er ihn behandelte.

So begann ich auf Ueli Flückiger einzureden, dass er von diesem Dorf wegziehen müsse, denn nur so könne er ein neues Leben beginnen. Natürlich hatte er keinen Mut. Ich fand heraus, dass er eine Weiterbildung als Baumschneider in der Nähe machen konnte, die nicht allzu teuer war. Er begann diese Ausbildung und ich setzte mich bei seinem Bauern dafür ein, dass er die Kosten übernehmen sollte. Was er dann auch tat. Stolz kam Herr Flückiger dann, um mir seine Arbeiten zu zeigen, er schloss mit Bravour ab. Auch liebte er es mit Pferden zu arbeiten. Er war sehr gut mit ihnen. So half ich ihm, eine Stelle in einem anderen Gebiet zu finden, bei einem Bauer mit Pferden und vielen Obstbäumen. Ich half ihm beim ersten Gespräch und er kriegte die Stelle auf Anhieb und oben drauf auch noch einen viel besseren Lohn. Ich half ihm dann auch bei der Wahl seiner neuen Kleider. Übrigens hatte er mit dem trinken während der Ausbildung aufgehört. Wir haben viel telefoniert und ich erfuhr, dass er sehr glücklich war. Einmal verriet er mir ganz schüchtern, dass er ein Date habe, eine sehr nette junge Dame kennengelernt hätte. 6 Monate später kam dann leider die traurige Nachricht, dass er am frühen Morgen beim Gras holen verunfallte. Der Traktor kam am Hang ins Rutschen und begrub ihn darunter. Er war gleich tot. Doch meiner Meinung nach, war er wenigsten die letzten 6 Monate seines Lebens glücklich.

Die Wagner Motion war ein grosser Einsatz. Ich ging täglich von Haus zu Haus, teilweise stundenlang, um Unterschriften zu sammeln für die Einführung der Proporzwahl. Dabei ging es auch darum, die Gemeinderäte aufzustocken von 3 auf 5 sowie Männer und Frauen, junge und alte zu berücksichtigen. Der Ammann Ferdinand Mollet war sehr dagegen. Er regierte mit sehr altmodischen Bedingungen und Ungereimtheiten, dies schon seit langer Zeit. Es war wirklich wie zu Gotthelfs Zeiten. Nun die Motion wurde angenommen. Neue Bewegungen entstanden in Gossliwil, die jungen Bürger bauten auf dem Land ihrer Eltern neue Häuser, die Schule wurde wieder geöffnet und viele Ämter wieder belegt. Bevor wir wegzogen musste der 95-jährige Ammann, beinahe blind, zurücktreten.


(3) Wagner Motion

Wagner Motion
Wie ging es weiter in Gossliwil bis 1991?
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46.  Wie ging es weiter in Gossliwil bis 1991?
Wie schon erzählt zog Faika nach Basel, arbeitete im grafischen Bereich und wartete für den Start ihrer Weiterbildung, welche im Herbst beginnen sollte. So nahm sie sich einige Wochen Sommerferien und reiste mit ihrer Freundin Babs nach Istanbul.



(1) Faikas Abreise mit Babs nach Istanbul

 

Faikas Abreise mit Babs nach Istanbul

Ich war gar nicht glücklich und machte mir Sorgen, ob das alles gut gehen würde mit Babs und der Familie von Üstün. Babs war mir suspekt und Faika war für mich auch nicht in einer guten Verfassung. Sie sah eher kränklich und nicht wirklich glücklich aus. Eigentlich war ich sehr bedrückt beim Abschied am Flughafen. Doch wie schon gesagt konnten wir damals gar nicht gut kommunizieren. Für mich war es keine gute Trennung.


(2) Die neue wdv gegründet

Die neue wdv gegründet

 

(3) So viele Firmenautos. Immer musste es gross und eindrücklich sein

So viele Firmenautos. Immer musste es gross und eindrücklich sein

 

(4) Die Einrichtung war ich zuständig

Die Innendekoration und das Konzept setzte ich um

Ich muss sagen eigentlich war ich in Gossliwil sehr glücklich mit all meinen Aufgaben, die ich leidenschaftlich gern machte, auch der Garten und das Leben im kleinen Dorf.
Mit vielen Dorfbewohnern gab es tiefere Freundschaften, die zum Teil noch bis heute aktiv ist.

Es gab einen Film über Gossliwil, mit der Aussage: «Wir lassen uns nicht von anderen bestimmen und fremde «Fötzel» wollen wir nicht». Ich war ja eine Fremde, doch wurde ich sehr schnell geschätzt und akzeptiert. Archi war auch in der Feuerwehr. Er war da Kassier. So erlebten wir wie engstirnig der Ammann funktionierte. Er bestimmte alles im Alleingang. Er war beinahe blind und war unfähig seine Verantwortung zu tragen. Er benahm sich wie zu Gotthelfs Zeiten.
Wir bemerkten, dass in Gossliwil eine sehr grosse Diskrepanz zwischen dem Gemeinde Ammann und den Bewohnern bestand und niemand sich mehr engagieren wollte für die Ämter. Alle hatten auch Angst vor ihm, schon sein Vater und Grossvater waren Gemeindeammann. Diese Erkenntnis bildeten den Start der Wagner Motion, wo ich alsdann begann von Haus zu Haus zu gehen, um Unterschriften zu sammeln. Die Wagner Motion wurde erfolgreich angenommen und von Solothurn abgesegnet.

Faika und Remo liessen sich etwas grosses Einfallen für meinen 40. Geburtstag. Nach einigen Stopps und Ablenkungen brachte mich Archi wieder nach Hause. Von drinnen ertönte Musik und viele Menschen waren da um mir zu gratulieren, es war eine riesige Überraschung und ein wunderbares Fest.



(5) An meinem 40. Geburtstag bereit zum Ausgehen als Überraschung

An meinem 40. Geburtstag bereit zum Ausgehen als Überraschung

Eines Tages kam ein Telefon von Faika aus Istanbul, sie erzählte mir, dass sie sich verlobt hätte, und demnächst heiraten werde. Ich rastete aus, sagte ihr, dass sie doch nicht ihre Weiterbildung an den Nagel hängen solle und sie könne ja auch noch nach diesen 3 Jahren heiraten, dann hätte sie eine gute berufliche Grundlage. Sie könne ja ihren Zukünftigen ja immer noch während den Ferien sehen. Sie war sicher beeinflusst von der Familie. Möglich war auch, dass sie der Luxus und das andere Leben lockte. Ich merkte, dass ich gar keinen Einfluss mehr hatte. Ich sagte ihr dann, dass ich nicht an die Hochzeit kommen werde, wenn sie das so übereilt mache.

Doch wie das so ist, sie ist meine einzige Tochter und ich konnte es nicht durchziehen, da wegzubleiben. Also flogen wir mit Archi nach Istanbul an die Hochzeit. Sie war eine sehr schöne Braut, doch gestrahlt hatte sie nicht, wie ich dies von einer verliebten Braut erwartete, leider !!!




(6) Faika und Sülü - Hochzeit

Faika und Sülü - Hochzeit

 

Nach der Hochzeit reisten wir in den Süden bis nach Mersin und genossen das «Dolce Vita», baden mit Jachten auf Inseln, Heissquellen und historische Städte besuchen, von denen es sehr viele Interessante gab, feines Essen und abends Tanz und Vergnügen. Das Hotel in Mersin gehörte einer Verwandten von mir. Da hatte ich das erste Mal eine Sonnenallergie, war voller Blasen, die sehr schmerzhaft und unansehnlich waren. Von da an musste ich aufpassen und nicht mehr direkt in der Sonne weilen.

 

(7) Dolce Vita im Süden der Türkei

Dolce Vita im Süden der Türkei
Zusätzliche Aktivitäten
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47.  Zusätzliche Aktivitäten

1981 lernte ich einen sehr guten Astrologen kennen, Wim Kok, der ursprünglich Holländer war, jedoch seit langem in Paris lebte. Er kam zweimal im Jahr für Beratungen in die Schweiz. Ich habe für ihn in den vielen Jahren jeweils Termine organisiert. Meistens wohnte er bei mir und hat dafür jeweils meine Beratung kostenlos gemacht. Ich fand seine Beratungen jeweils sehr hilfreich und wertvoll über all die Jahre hinweg.

Ich war auch schon längere Zeit aktiv mit Thomas Litzenburger unterwegs, einem bekannten deutschen Psychotherapeuten, der sich im Familienstellen nach Hellinger weiterbildete und Familienaufstellungen anbot. Ich war mindesten bei 10 Familienaufstellungen nach Hellinger, organisierte diese und assistierte in Rombach und Grenchen. Eine sehr eindrückliche und wertvolle Erfahrung. Doch den Abschluss, um das im
Alleingang als Therapeutin durchzuführen war nicht meine Absicht. 


(1) Familienstellen nach Hellinger

 

Familienstellen nach Hellinger



(2) Bild über das Familienstellen, Aquarell

Bild über das Familienstellen, Aquarell


Meine Schwägerin Lotti «Belara» Wagner führte ein Seminar zum Thema «Inneres Kind» durch. Es hinterliess sehr viele Erkenntnisse und half mir, alte Muster abzubauen. Als Krönung am Ende des Seminars kam eine Spezialistin für Feuerlauf, das war unglaublich eindrücklich und lehrreich, das Ganze war eine hoch wertvolle Erfahrung.


(3) Gruppe des Seminars «Inneres Kind»

Gruppe des Seminars «Inneres Kind»




(4) Seminar inneres Kind als Abschluss Feuerlauf



(5) Seminar «Inneres Kind» als Abschluss der Feuerlauf

Seminar «Inneres Kind» als Abschluss der Feuerlauf

 

(6) Töpferkurse im Garten

Töpferkurse im Garten




(7) Getöpferte Abschlussarbeiten mit Brand in einem Papierofen

Getöpferte Abschlussarbeiten mit Brand in einem Papierofen


Solche Angebote machte ich ausserordentlich gerne, auch im Wald mit dem behauen eines Baumstrunks im Team. Manchmal passierte es, dass der Lehrling dem Chef helfen konnte, so lernten sie untereinander gegenseitige Wertschätzung und konnten mit ein «win win»
Verhältnis im Betrieb danach genüsslicher und erfolgreicher zusammen arbeiten.



(8) Seminar für kleine Betriebe, Teamwork üben mit dem Behauen von «Yton»



(9) Seminar für kleine Betriebe Teamwork zu üben mit Yton 

Seminar für kleine Betriebe, Teamwork üben mit dem Behauen von «Yton»

Weitere Angebote von mir für Frauen, Männer und Partnerschaften im Umbruch. Methoden, Rollenspiele alltägliche Beispiele, Gruppenarbeiten und Videos, Wochenendseminare sowie kreatives Ausdrucksarbeiten wie Malen, Bildhauen, Keramik Arbeiten und Gestalten mit diversen Materialien.


(10) Seminare in verschiedensten Bereichen

Seminare in verschiedensten Bereichen


Eine weitere sehr wichtige Aktivität, die ich mit Helga van Riet entdeckte, war Theater und Pantomime. Helga ist ausgebildete Pantomistin von der Dimitri Schule im Tessin. An einer meinen Vernissagen kam mir die Idee als Einstieg, meine Themen zu den Kreationen in einer «Pantomistischen»
Aufführung darzustellen. So fragte ich Helga van Riet was sie dazu meinte. Sie sah meine Vorschläge an und meinte dann, dass ich sehr geeignet dazu sei. Wir übten dann jeweils für mehrere Ausstellungen zusammen.

Das Publikum fand es interessant und war jeweils sehr begeistert. Es machte sehr viel Freude und Spass, die Zuschauenden miteinzubeziehen. 



(11) Vernissage Pantomimische Darbietung


(12) Pantomimischer Totentanz

Vernissage Pantomimische Darbietung




(13) Vernissage Pantomimische Darbietung



(14) Pantomimischer Totentanz

Vernissage Pantomimische Darbietung


Ein grösseres Projekt lancierte Helga van Riet in Grenchen und Solothurn über den Tod. Es waren viele Beteiligte, die mitwirkten auch ein Bildhauer, der das Tor zum Tod darstellte. Beim Publikum löste die Aufführung Betroffenheit wie Begeisterung aus. Geburt und Tod gehören zu unserem Leben. Ich durfte den Tod darstellen. Für mich war das eine einmalige unvergessliche Erfahrung, die mich seither das ganze Leben hindurch begleitete und mir sehr bewusst ist.



(15) Pantomimischer Totentanz

Pantomimischer Totentanz



(16) Pantomimischer Totentanz

Pantomimischer Totentanz




(17) Pantomimischer Totentanz

Habt oder hattet ihr Haustiere? Und wie inspirierten sie dich?
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48.  Habt oder hattet ihr Haustiere? Und wie inspirierten sie dich?

Ja, ich schrieb schon von Dino, dem Münsterländer von Archi. Er kam ja später zu uns nach Kloten. Faika liebte ihn über alles, ich auch, doch war er ein Jagdhund und oft hatte ich meine Probleme mit ihm, wenn er weglief, um zu jagen. Da musste man immer Angst haben, dass der Jäger ihn evt. erschoss. Gott sei Dank war das nicht passiert. Er war auch gegenüber Rüden sehr aggressiv, griff immer ohne Grund an. Ab und zu gab’s auch mal eine Bisswunde.

Eines Tages fragte mich eine Nachbarin ob ich nicht ein Büsi haben möchte, sie hätten 5 kleine schöne Tigerlein. Ich hatte noch nie ein Büsi und fragte Archi, ob er damit einverstanden war. Strizzi war ein wunderschöner noch ganz kleiner verspielter Kater.

Ich spielte mit ihm die ganze Zeit. Dies inspirierte mich, mehrere Katzen zu töpfern. Ich spürte ihren Körper und die Anatomie. Es entstanden wirklich wunderschöne Exemplare. Das ist sehr typisch, bei mir
färbte mein Leben meine momentane Kunst in allen Belangen.



(1) Strizzi beim Spielen
Strizzi beim Spielen




(2) Strizzi beim Spielen, soooo süss

Strizzi beim Spielen, soooo süss



(3) Getöpferte Büsi wegen Strizzi

Getöpferte Büsi wegen Strizzi


Meine getöpferten Katzen verkauften sich wie heisse «Wegglis»!!! Doch ich musste immer wieder etwas Neues ausprobieren, trotz Bitten von vielen Seiten her, machte ich nach einiger Zeit keine Büsis mehr.
Dino, Archis Hund und Strizzi wurden nie grosse Freunde, doch duldeten sie sich gegenseitig. Ich ging ja jeden Tag morgens bei jedem Wetter mit Dino im Wald rennen, mittags und abends. Dazwischen lag er immer in der Nähe wo ich arbeitete. Strizzi spielte auf meinem Arbeitsplatz und half mir beim Töpfern, natürlich störte er mich auch manchmal, doch abhalten liess er sich nicht davon.

Er war ein sehr besonderer Kater, schnell vergrösserte er um das Haus herum sein Revier. Leider lebte er jedoch nicht so lange, mit nur 4 Jahren kam er unter ein Auto. Ich erzähle später noch mehr darüber.

Verschiedene Arbeiten aus verschiedenen Zeiten. Immer war der Gefühlszustand im Leben die Inspiration meiner Kreationen. Die Umwelt, die Menschen um mich herum, die Tiere, alles was mich begeisterte, beschäftigte oder traurig machte. Ich bewegte mich nicht im internationalen Kunstplatz, ich wollte immer frei sein, nicht dem Trend folgen zu müssen, sondern mich dem zuwenden, was mich fesselte.



(4) Figuren bis zu 50 cm



(5) Figuren bis zu 50 cm

Figuren bis zu 50 cm



(6) Öl-Bild von 1972 | Aquarellbild aus der Zeit 1991

Öl-Bild von 1972 | Aquarellbild aus der Zeit 1991

 

(7) Öl-Bild von 1972 / Aquarel-Bild aus der Zeit 1991


(8) Aquarellbild 1990 | Acrylbild 2018

Aquarellbild 1990 | Acrylbild 2018

 

(9) Bild aus der Zeit 1993

Bild aus der Zeit 1993



(10) Objekte bis zu 3 m Höhe

 


(11) Objekte bis zu einer Höhe von 3 m

Objekte bis zu einer Höhe von 3 m
Wie ist dein Verhältnis zu deinen Enkelkindern?
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49.  Wie ist dein Verhältnis zu deinen Enkelkindern?



(1) Cengiz Geburt 19.01.1987 in Samsun

Cengiz Geburt 19.01.1987 in Samsun


Bei Cengiz Geburt hatte ich mir frei genommen und bin nach Samsun geflogen, wo Faika damals lebte. Süleymann arbeitete im Management der Firma von Familie Balkan, einem Onkel, denn sein Vater war bereits verstorben. Es war eine grosse Fabrik die Ambulage Säcke produzierte und diese in die ganze Welt exportierte. Die Familie Balkan war eine sehr reiche und einflussreiche Familie in dieser Region mit viel Besitztum.

Es war eine spannende Zeit, erstens Faika und Sülü mit ihrem ersten Kind, die neue Gegend, die ich kennenlernen konnte, die so ganz anders als Istanbul war. Ich bewunderte Faika wie sie sich angepasst hat, doch merkte ich auch, dass sie nicht sehr glücklich war in ihrer Ehe. Nicht dass Sülü nicht gut zu ihr war, ich mag ihn auch heute noch sehr, aber sie passten einfach nicht optimal zusammen. Ich versuchte mit ihr darüber zu reden, um evt. mit Rat beizustehen, doch Faika war in solchen Belangen sehr zurückhaltend zu mir. Ich wollte mich auch nicht zu sehr einmischen, doch machte es mich traurig mitanzusehen, dass sie etwas bedrückte. Sülü war viel geschäftlich unterwegs und ging auch regelmässig tagelang mit einem Onkel und mit Verwandten jagen.

Faika hatte natürlich im Haushalt Hilfe wie ich auch damals, doch war es doch sie selbst, die das Meiste für Cengiz machte, was Sülü sehr begrüsste. Er war sehr bedacht auf die Hygiene. Eines Tages passierte jedoch ein riesen «Malheur». Sie verbrannte sich ganz schlimm die Hand im «süttig» heissen Wasser, wo die Windeln gekocht wurden. Also verlängerte ich meinen Urlaub, um ihr mit Cengiz zu helfen, denn sie war sehr «handicapiert» durch diesen Unfall. Im Ganzen blieb ich mehr als einen Monat bei ihr, lernte die ganze Verwandtschaft und alle in den obersten Schichten kennen. Auch die Stadt, die ich weniger interessant fand, jedoch die Landschaft und das Meer waren sehr schön.

Es entstand eine enge Beziehung zu Cengiz. Es war so ganz anders als ich mit Faika in den USA war, so jung und mit all den vielen Belastungen. Ich hatte keine Familie, um mir Rat zu holen. Mit Cengiz war ich viel lockerer und selbstsicherer, ich genoss diese Zeit. Schlussendlich flog ich wieder zurück nach Hause, doch die ganzen Erfahrungen machten mich auch sehr traurig und sorgenvoll wegen Faika. Cengiz kam regelmässig nach Gossliwil in die Ferien meistens auf den Geburtstag hin, den haben wir dann mit den Kindern gefeiert. Auch gingen wir regelmässig nach Mürren, um uns im Schnee mit ihnen zu vergnügen.


(2) Cengiz Geburtstag in Gossliwil

Cengiz Geburtstag in Gossliwil



(3) Wir zwei in Schnee in Mürren

Wir zwei in Schnee in Mürren

 


(4) Cengiz in Gossliwil

Cengiz in Gossliwil

 


(5) Cengiz lernte in der Schweiz Velo fahren

Cengiz lernte in der Schweiz Velo fahren

 


(6) Melis geboren 26.05.1992 zusammen mit Cengiz

Melis geboren 26.05.1992 zusammen mit Cengiz

 


(7) Melis mit mir

Melis mit mir


5 Jahre später kam Melis auf die Welt. Sie war ein ganz spezielles eigenwilliges, selbstbestimmendes kleines süsses Wesen. Ganz anders als Cengiz. Er war sehr darauf bedacht, um allen zu gefallen und machte alles, um Anerkennung zu erhalten. Faika und ihre Familie lebten schon eine Weile in Istanbul, doch ihre Ehe, das merkte ich, ging immer schlechter. Später vernahm ich, dass Faika nicht wollte, dass Cengiz wie sie als Einzelkind aufwuchs und deshalb unbedingt noch ein zweites Kind haben wollte.
Ein Beispiel für Melis Eigenwilligkeit. Als wir einmal in Mürren waren und sie richtig gehen lernte, lief sie uns einfach davon. Dabei hat sie uns einfach vergessen. Sie zeigte keine Spur von Angst oder Unsicherheit. Wenn sie mit etwas nicht einverstanden war, schrie sie oder lief eben davon, sie war sehr schwierig zu «händeln». So selbstsicher war sie und führte sich auf wie eine Prinzessin, unglaublich.


(8) Melis und ich in Grenchen

Melis und ich in Grenchen

 

(9) Faika und Melis

Faika und Melis

 


(10) Auch Melis lernte bei uns Velo fahren

Auch Melis lernte bei uns Velo fahren

 

(11) Melis Seilhüpfen in Grenchen

Melis Seilhüpfen in Grenchen



(12) Melis mit ihren Katzen

Melis mit ihren Katzen

 

(13) Archi und Melis auf einer Velotour

Archi und Melis auf einer Velotour

 

(14) Alle drei

Alle drei


Als Melis noch klein war, begann sich Faika immer mehr zu engagieren. Zuerst in einer Geschenk-Boutique, dann in der Innendekoration, dann in der Werbebranche.
Nach der Scheidung machte Faika eine steile Karriere. Sie übernahm für ihre Kinder die ganze Verantwortung auch die finanzielle, weil in dieser Zeit die Familie Balkan immer mehr in Schwierigkeiten geriet, bis sie am Ende alles verloren.

Faika engagierte eine Haushälterin, die Tag und Nacht bei ihnen wohnte.
Es war sehr schwierig immer alles im Griff zu haben, vor allem für die Erziehung der Kinder blieb viel zu wenig Zeit übrig. Die Haushälterin war ja nicht eine ausgebildete «Nanny». Auch kommt aus meiner Sicht dazu, dass man als geschiedene Mutter immer Schuldgefühle hat, nie genug zu machen. Auch dass sie die volle finanzielle Verantwortung hatte, war einfach zu viel.

Aus diesem Schuldgefühl heraus hat sie die Kinder, aus meiner Sicht, viel zu sehr verwöhnt. Sie hat immer alles ausgebügelt, so mussten sie nicht lernen, die Konsequenzen zu tragen oder Verantwortung zu übernehmen. Doch das war leider nie ein Thema das ich mit ihr besprechen konnte, ich weiss wie enorm schwierig es für sie war, alles unter einen Hut zu kriegen.

Was sie noch beeinflusste war sicher ihre Erfahrung mit mir, ich war sehr streng und konsequent, sie fand das gar nicht gut und hat anscheinend sehr darunter gelitten, deshalb wollte sie auf keinen Fall streng sein.

Wie ich schon sagte, war Cengiz ein weichherziger, sehr liebenswürdiger Junge, der immer allen alles recht machen wollte, doch nicht taff genug war für diese Welt. Wenn er bei mir in den Ferien war, versuchte ich etwas konsequenter zu sein, dass aber unserer Beziehung nicht unbedingt half, obwohl ich überzeugt bin, dass er mich auf seine spezielle Art
und Weise liebte.

Er ist und bleibt mein erster Enkel und ich liebe ihn über alles. Er war auch später immer wieder einmal bei mir, unter anderem auch in Safenwil, weil er in Glion war, um die Ausbildung als Event-Manager zu machen. Da er sich aber nicht an die Regeln halten konnte, und leider von den anderen verwöhnten Studienkollegen zu beeinflussbar war, wurde er von der Schule gespickt. Das war bereits das x-te Mal, ihn in eine Ausbildung zu bringen. Leider der letzte Versuch. Heute leiden alle darunter, er, Faika und auch Melis.

Melis ist ganz anders, sie setzt sich selbst sehr unter Druck, es ist nie gut genug für sie. Sie kämpft genau mit dem Gegenteil, sie ist sehr ehrgeizig, nur das Perfekte ist gut genug. Bis heute noch. Zu ihr habe ich eine ganz enge Verbindung, wir lieben uns über alles, doch auch bei ihr habe ich leider keinen Einfluss!!!!!!
Beiden fehlt auf verschiedenen Ebenen das Selbstwertgefühl, den Mut auch mal zu versagen und die Triebfeder Neugier etwas auszuprobieren sowie die Gelassenheit «egal, was die anderen denken». Vielleicht sind auch die Normen und Werte in der Gesellschaftsschicht wo sie aufwuchsen, mit ein Grund für das Zaghafte.

Unternahmt ihr Reisen? Was gab euch das?
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50.  Unternahmt ihr Reisen? Was gab euch das?

Ich habe unsere Reisen mit digitalen Fotoalben festgehalten. Die Höhepunkte für mich waren meistens die sportlichen Aktivitäten, neue Freundschaften zu knüpfen und vor allem die Begegnungen der Menschen mit den unterschiedlichsten Kulturen, den historischen Hintergrund und natürlich die Kunst.

Nun Archis und meine vielen Reisen waren immer sehr turbulent und abenteuerlich, vom Anfang an bis zuletzt. Archi wollte alles sehen und erleben wo ich früher schon war, denn er hatte vorher mit drei Kindern, seinem Studium und den Weiterbildungen wenig bis gar keine Gelegenheit zu reisen. Verschwiegen denn andere Kulturen kennenzulernen.

Ein Beispiel von Archis prägender Art und Weise, Länder zu bereisen:
Wir flogen zusammen zu Faika, um in dieser Gegend das Balkangebiet zu erforschen. Wir machten längere Ferien, mieteten ein Auto und reisten bis an die russische Grenze. Das war Archis Lieblingsbeschäftigung, abenteuerlich durch die Wildnis zu reisen in unbewohnte oder spärlich besiedelte Gebiete, auch bis nach Van und Vansee.

Ich musste immer aufpassen, denn er kannte die türkischen Sitten gar nicht, Gott sei Dank konnte ich türkisch und kannte auch die Bräuche auf dem Land, die ich von Faika’s «Grossmutter» lernte. Einmal fuhren wir in der Gegend an die russische Grenze, da kam eine Absperrung vom Militär. Archi wollte dort hindurch reisen, er hatte sich eine bestimmte Gegen auf der Karte ausgesucht, ich übersetzte für ihn. Wir durften in diesem Militärgebiet nicht fahren, doch er meinte, ich solle es doch nochmals versuchen und verhandeln. Schlussendlich konnten wir durchfahren und gleich noch Feldpost mitnehmen, um sie an einem anderen Posten abzugeben. Fotografieren mussten wir versprechen zu unterlassen. Es war sehr spannend, wir passierten wenige kurdische Dörfer. Die Menschen lebten sehr sehr einfach. Wir konnten nicht anhalten und mussten zügig weiterfahren. Es gab überall Posten und wir gaben die Feldpost ab. Es war herrlich, die Freude der Soldaten über die Briefe ihrer Angehörigen oder mit ihrer Enttäuschung mitanzusehen, wenn sie nichts erhielten. 

Später, wir waren schon in dem Hochgebirge auf über 2000 m.ü.M und wir wussten nicht, aus welchen Gründen es in dieser Gegend beinahe kein Benzin zu kaufen gab, hatten wir eine Panne. Vermutlich von den unebenen Wegen mit den grossen Löchern. Archi liebte es, so herumzufahren. Jedenfalls fuhr das Auto keinen Millimeter mehr und weit und breit keine Seele zu sehen. Aber immer hatten wir auch Schutzengel, die uns halfen. Wir konnten einen Chauffeur von einem Benzincamion überreden, uns aus seinem Tank etwas vom Rest abzugeben.

Ich trug immer längere Kleider mit langen Ärmeln, um nicht zu provozieren. So hatten wir weiter Glück, ein Durchreisender hielt an, um zu fragen, ob er uns helfen könne, er war auf dem Weg zum nächsten Dorf, wo er lebte. Sein Auto war robust und konnte unser Auto anhängen. So fuhren wir ca. eineinhalb Stunden zum nächsten kleinen Dorf. Dort durften wir in seinem Haus als Gäste übernachten und sein Bruder hatte eine Werkstatt-Garage. Die Menschen waren an solchen Orten sehr gewohnt zu improvisieren, auch beim Autoflicken. Denn kurzfristig Ersatzteile zu bestellen lag sowieso in dieser Gegend nicht drin. Nun es klappte und unser Auto konnte repariert werden. So konnten wir durch den ganzen Osten reisen, mit vielen Eindrücken und wunderschönen, aber auch abenteuerlichen Erlebnissen. Die alten Ruinen und Städte früheren gossen Kulturen, davon gab es sehr viele, waren sehr bewundernswert. Natürlich besassen wir auch viele Dokumentationen und Überlieferungen, wie dieses Gebiet früher ein Dschungel war, bevor dieses flächendeckend abgeholzt und abgebrannt wurde. Dies gab uns ein besseres Verständnis.

 


(1) Osten Türkei 2790 m.ü.M

Osten Türkei 2790 m.ü.M

 

(2) Der wunderschöne Berg Ararat im Osten der Türkei

Der wunderschöne Berg Ararat im Osten der Türkei


Wir reisten also immer wieder in die Türkei und von da in alle Himmelsrichtungen. Die Türkei ist ja wie sonst nirgends, voller historischer Sehenswürdigkeiten.



(3) Spezielle Wohnformen und Dörfer inmitten der Felsen

Spezielle Wohnformen und Dörfer inmitten der Felsen

 

(4) Eindrückliche Wohnformen von früheren Zeiten in der Türkei

Eindrückliche Wohnformen von früheren Zeiten in der Türkei


Es gab auch einige unterirdische Städte, insgesamt 36 alleine in der Gegend von Kappadokien. Einige sieht man von oben, andere hingegen nicht, man vermutet nicht, dass unten eine gewaltige 2'500 Quadratmeter grosse Stadt ist mit viele Stockwerke, Tieren, einer Belüftung. Einfach unglaublich. Ich weiss nicht, wie viele Menschen da Platz fanden. Viele Christen wohnten in solchen Orten, die sich von den Römern versteckten. Solche Städte gibt es einige in der ganzen Türkei.

Natürlich waren wir auch an berühmten Orten wie Ephesos. Die Türkei ist mit so vielen verschiedenen Kulturen in der historischen Zeit besiedelt worden, wie kein anderes Land in diesem Breitengrad. Das war für mich das Spannendste an den Reisen, mich in diese unterschiedlichsten Kulturen und Zeiten hineinzuversetzen, die so lebensnah sind und zu sehen und zu spüren wie es damals war. Es ist unglaublich welcher Gegensatz: wie fortgeschritten die alten Kulturen damals schon gewesen waren und wie Menschen heute so daneben leben und Wasser stundenlang tragen um zu waschen und zu kochen. Das ist für mich etwas, was ich nicht verstehen kann.

Ich erlebte in der Türkei viele Male, dass ich eigentlich zum vornherein schon beschreiben konnte was wir antreffen werden. Dies erstaunte andere und natürlich auch mich. Ich erlebte viele Male das Gefühl eines «déjà vus». Mit Faikas Grossmutter konnte ich in nur 3 Monaten schon ziemlich gut in türkisch kommunizieren. Ich erklärte mir diese Erfahrungen damit, dass ich in viel früherer Zeit einige Male in der Türkei inkarniert war. Es waren Düfte, Architektonische Formen, Farben, Ängste, Beklommenheitsgefühle, Schmerzen, aber auch Freude wo mir begegneten. Auch in anderen Ländern hatte ich solche Momente. Doch war es von klein an eine Begleiterscheinung bei mir, also nichts so Aussergewöhnliches.

Auch reisten wir kreuz und quer durch die USA sowie Kanada. Natürlich immer mit einem Auto was eine von Archis Leidenschaften war. Wir waren sogar in der Gegend wo der Grosse Vulkan Mount St. Helens am 18. Mai 1980 ausbrach. Da liefen wir über die Asche.





(5) Archi mit dem gemieteten Thunderbird in Kanada

Archi mit dem gemieteten Thunderbird in Kanada


In Irland reisten wir mit Ross und Wagen, eine wilde und einmalig schöne Landschaft. Viele Ferien waren mit unserer gemeinsamen Leidenschaft Tennis zu spielen und an Turnieren teilzunehmen verbunden.

Wir bereisten weiter Jugoslawien, Frankreich, Griechenland und sogar die Karibischen Inseln. Mit einer Verbindung von Ingenieuren reisten wir auch einmal nach Petersburg. Ich war, wie so oft, überhaupt nicht begeistert vom Prunk überall. So Vieles war vergoldet und auf den Strassen herrschte Armut und Hunger. Diese Diskrepanz gefiel mir gar nicht. Auch in Indien und Ägypten erlebte ich das immer wieder.

Die Diskrepanz zwischen arm und reich ging mir unter die Haut und nahm mir meistens die Freude ob all der schönen Kultur und Kunst.



(6) Petersburg

Petersburg


Auch das berühmte Reiseziel Lanzarote mit dem Luxushotel gefiel mir weniger, weil auf dieser Insel alles eingeflogen werden musste. So ein Luxus im Übermaß fand ich eine grosse Verschwendung. Solche Ferien wollte ich nicht mehr machen.



(7) Ferien in Lanzerotte

Ferien in Lanzerotte




(8) Lanzarotte mit viel zuviel Luxus

Lanzarotte mit viel zuviel Luxus



(9) Tennisturniere in Jugoslawien

Tennisturniere in Jugoslawien



(10) Tennisferien in Dubrovnik

Tennisferien in Dubrovnik

 



(11) Mostar Brücke, von welcher die Einheimischen einen waghalsigen Sprung in den Fluss vorführten

Mostar Brücke, von welcher die Einheimischen einen waghalsigen Sprung in den Fluss vorführten


Was mich auch immer wieder berührte war, wie historische Sehenswürdigkeiten von Menschen geliebt und geschätzt wurden und wie diese durch sinnlose grauenhafte Krieg zerstört wurden und für eine lange Zeit danach Elend dominierte.

Archis Leidenschaft Gleitschirm zu fliegen, erlernte ich später mit seinen Söhnen Bruno und Thomas zusammen in Kandersteg, wo wir auch die Ausbildung absolvierten. Bruno hatte später einen schweren Unfall, so gab er und auch Thomas das Fliegen auf. Ich hatte eigentlich nie Spass daran. Da ich schon ein Luftwesen bin, war die Luft nie mein Element. Nach langem zähen hin und her bestand ich darauf es sein zu lassen, natürlich zur grossen Enttäuschung von Archi. Er hatte nie grosse Unfälle aber oft mehr Glück als Verstand. Später ging er oft auch alleine, denn es machte für mich keinen Spass nur als Zuschauerin dabei zu sein und zu holen oder zu bringen. So musste er mit Freunden sein Hobby leben.



(12) Archis Flug über Monaco

Archis Flug über Monaco

 

(13) Archi mit Gleitschirm

Archi mit Gleitschirm


Unsere letzte Reise, da war Archi schon sehr krank war die Route Bourgogne bis ganz in den Süden hinab, natürlich wie immer verbunden mit Besuchen bei Freunden von mir. Es war auch ein grosses Interesse von Archi, alle meine Bekannten und Freunde weltweit kennen zu lernen. Irgendwie hoffte er, mich dadurch besser zu verstehen oder kennen zu lernen. Doch leider waren wir in Vielem so unterschiedlich, konnten aber speziell auf Reisen viel voneinander profitieren und lernen.

Das gemeinsame Leben war vor allem für mich sehr anstrengend. Ich fühlte mich oft in unserer Zweisamkeit einsam. Die Reisen waren für unsere Beziehung trotzdem eine Bereicherung. Seine grosse Begabung, Namen und Orte einmal gesehen zu haben diese dann nicht mehr zu vergessen, beeindruckte mich.

Zusammengefasst war meine Reiselust sehr überschattet mit den vielen Ungerechtigkeiten, die weltweit herrschten… Macht, Prunk, Armut, Verfolgungen, Vertreibungen von ganzen Völkern, Kriege, Zerstörungen und der Untergang ganzer Kulturen, das beschäftigte mich. Auch wenn ich verstehe, dass es der Wandel der Zeit ist und doch beelendet es mich noch heute, dass wir mit unserer Bildung und unserem Wissen noch nicht viel weiter sind.

Was mich erfreut und begeistert, wenn ich kleine Zeichen sehe hin zu einer Entwicklung in eine gerechtere, nachhaltigere und achtsamere neue Welt. Zwischendurch spüre oder glaube ich es zu spüren und wünsche es der neuen Generation.

«Glaubt daran, die heutige Zeit bringt uns langsam näher an eine Welt, in der niemand mehr Hunger haben muss und die Erde und die Menschen nicht mehr ausgebeutet werden. In der wir eine andere Wertschätzung gegenüber allem auf der Erde verspüren und umsetzen.»

Die Zeit in Grenchen ab 1991 bis 2002
Seite 51
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51.  Die Zeit in Grenchen ab 1991 bis 2002

Mein Muster, alle 5 oder 10 Jahre umzuziehen wiederholt sich immer wieder, wir waren ca. 10 Jahre in Gossliwil.
Als wir wieder nach Hause kamen nach der Hochzeit von Faika und unseren türkischen Ferien, hatte sich schon Einiges angebahnt mit den Witschis, den Besitzern des Bauernhauses in Gossliwil. Es war eigentlich von Anfang an abgemacht gewesen, dass wir ein Stockwerk kaufen konnten. Sie hatten ja keine Kinder, doch stellte sich heraus, dass Frau Witschi nur Nutzniesserin war und, dass das Haus den Nachkommen, den 4 Töchtern ihrer Schwester gehörte und diese alle zerstritten waren. Ich war unglaublich enttäuscht über die unehrliche Art der Witschis, denn ich hatte viel investiert in unsere Wohnung und in die Renovationen, die ich selber tätigte. Für mich und Archi war die Beziehung dadurch sehr gestört und verunmöglichte uns, weiter unter dem gleichen Dach zu wohnen.
Also besprachen wir nach einiger Zeit mit Gerda, die ja seit Jahren im Dachgeschoss lebte und viel Zeit bei uns verbrachte, wie wir weiter vorgehen wollten. Gemeinsam entschieden wir uns, dass wir uns etwas Anderes in Grenchen suchen wollten.
In den vielen Jahren und nach der Scheidung von Gerdas Ehemann, wurde unsere Beziehung immer enger, wie eine Zweigenerationen-Familie. Ich kümmerte mich auch sehr um ihr Seelenwohl und ihre Probleme mit der Gesundheit. Sie hatte von klein an ein Herzvorkammerproblem und kriegte oft Anfälle und «hyperte». Ich lernte es frühzeitig zu spüren, wenn diese Anfälle im Anzug waren, und lernte sie, oft mit Widerstand, langsam und tief durchzuatmen. Danach konnten wir zum Hausarzt und der behandelte sie. So konnten wir immer einen schlimmen Folgeschaden verhindern. Das waren die Gründe, dass sich Gerda mit uns sehr verbunden fühlte und auch sehr an uns hing.

Als das Thema Umzug ernsthaft aufs Tapet kam, meinte sie, dass sie unbedingt mit uns umziehen wolle. Wir schauten einige Projekte an, doch erstens musste es in der Nähe vom Bahnhof sein, da Gerda ja einiges älter war als wir und zweitens wollten wir, wenn wir einmal nicht mehr Auto fahren können, auch den Öffentlichen Verkehr nutzen. Dann sollte es ein Zweigenerationshaus sein, etwas Garten haben und noch bezahlbar sein. Denn Archi hatte ja schon die vierte Firma gegründet und jedes Mal wegen den Partnern viel verloren, also war eigentlich vom finanziellen Aspekt her, nur die Pensionskasse unsere Basis. Gerda kam aus einem gut begüterten Haus und erbte einige Male in Holland. Es gab Einiges das uns oder Gerda gefiel, doch gab es immer wieder etwas, was nicht ging. Auch war es vor der Wirtschaftskrise 1991/1992 so waren die Preise eher hoch. Wir waren alle drei nicht so mit dem Liegenschaftsmarkt bewandert, also engagierten wir einen Advokaten, der uns für den Vertrag, für den Ablauf und die Besitzaufteilung beriet, denn wir hatten ja alle Kinder. Gerda und ich je eine Tochter und Archi zwei Söhne und eine Tochter.
In der Zwischenzeit fanden wir ein Häuschen in der Nähe vom Bahnhof mit einem kleinen Graten und Bäumen, an ruhiger Lage. Es gefiel und allen dreien. Der Besitzer was ein Architekt, der das Haus renovieren und verkaufen wollte. Also entstanden neue Pläne und die Wünsche geäussert. Natürlich wurden die Pläne oft geändert und wieder angepasst, denn die Wohnung im Obergeschoss war sehr aufwändig und auch unsere Wünsche waren immer wieder mit mehr Details versehen. Dadurch verlängerte sich der Umbau. Schlussendlich war der Eigentümervertrag bereit zur Unterschrift. Der Vertrag war ganz klar ausgefertigt: Wir drei waren die Eigentümer, Gerda ein Drittel und wir zwei je zu einem Drittel. Unsere Kinder mussten unterzeichnen, dass wenn einer von uns sterben würde, die andern zwei das Haus nicht verkaufen durften, ohne Einwilligung der dritten Person.

Für die Vertragsunterzeichnung sollten deshalb alle anwesend sein. Faika sollte von der Türkei anreisen. Das Haus war auch schon weit mit dem Umbau und der Endpreis war klar. Plötzlich kam die Mitteilung von Gerdas Tochter Iris, dass sie den Vertrag nicht unterzeichnen werde. Weshalb wusste eigentlich niemand genau. Also war der Vertrag nicht brauchbar und die Kosten für den Anwalt für die Katze.

 

(1) Unser Haus in Grenchen

Unser Haus in Grenchen


Wir waren schockiert, alles war drunter und drüber. Für Archi und mich kam nur noch in Frage, in diesem fortgeschrittenen Stadium, alleine Besitzer zu werden und Gerda das Wohnrecht für ihren Anteil zu überlassen. Ihre Wohnung hatte auch verhältnismässig viel gekostet mit allen Sonderwünschen. Das war wirklich eine sehr schwierige Zeit. Doch das Haus wurde fertig und wir zogen schlussendlich ein.

Nun wir hatten noch nicht einmal alle Schachteln ausgeräumt, kam die grosse Wirtschaftskrise von 1991. Die Hypotheken stiegen fortlaufend an und wir dachten, dass wir das nie bemeistern können. Es war wie ein sinkendes Schiff, das an allen Ecken ächzte und knatterte. Die Hypothekarzinsen stiegen bis zu 10 %. Es war unglaublich, uns war es angst und bange, doch machten wir tapfer weiter, es gab ja keinen Ausweg mehr. Für den Preis unseres kleinen Hauses hätte man damals eine riesige Villa kaufen können. Alles in allem hatten Archi und ich einen
riesen Verlust eingesteckt, weil letztendlich nur wir zwei Besitzer waren und das Dreierverhältnis zu einem grossen Ungleichgewicht wurde.

Was ich ab und zu als sehr ungerecht empfand war, wenn Gerda strahlend nach Hause kam und jubelte wie sie wieder an der Börse gewonnen habe. Das schlimmste war, dass sie sagte, sie könne ja das Haus kaufen, um uns zu helfen, jedoch zum Preis nach unserem Verlust. Damit waren Archi und ich überhaupt nicht einverstanden. Unser Verhältnis blieb dennoch wie vorher, vor allem in den alltäglichen Belangen. Ich war immer für Gerda da, wenn sie Unterstützung brauchte. Ich liebte sie trotzdem und wollte auch unser Verhältnis nicht zerstören, einzig ihren Umgang mit Geld und Besitz verstand ich gar nicht.

In diesen Jahren war schon wieder ein Firmenwechsel von Archi angesagt, er fiel immer wieder auf die gleiche Art und Weise rein mit seinen Geschäftspartnern. Diese letzte Firma war mit Deutschen Partnern,
auch da geschah dasselbe, Archi war der Kopf der Software, doch das Geschäftliche war in den Händen der Partner.

Ich weiss nicht mehr alle Details. Auf jeden Fall musste Archi wegen Halsproblemen zum Arzt und es stellte sich heraus, dass er Speiseröhrenkrebs hatte. Diesen musste man so schnell wie möglich operieren. Archi und ich glaubten, dass Krankheiten eine Botschaft sind, um über die Lebensumstände und die Lebensweise nachzudenken. Doch umzudenken würde bedeuten, etwas Gravierendes zu ändern. Die Last seiner Firma und die ungerechte Aufteilung unseres Hauses mit der hohen Belastung waren nach uns der Grund seiner Krankheit.

Er konnte weder sich selbst verzeihen noch den Beteiligten und konnte so auch keinen inneren Frieden finden, was ja das Wichtigste gewesen wäre. Gravierende Änderungen wären angesagt gewesen, vor allem nicht mehr im Leben immer zu kämpfen, sondern in den Fluss zu kommen mit allen Fähigkeiten aber nur mit diesen und sich nicht mit Gebieten auseinanderzusetzen, die nicht seine Stärken waren. Wir gingen in Beratungen und Therapien nach Deutschland, denn Archi wollte sich nicht, wie die Schweizer Ärzte rieten, operieren lassen. Auch mit ihnen führte Archi leider «Krieg». Er sagte ihnen, dass sie auf dem Holzweg seien. So zogen die Jahre dahin und sein Zustand wurde immer schlimmer. Er musste sich eine Magensonde einsetzen lassen, weil er nicht mehr essen konnte. Doch weil er mit den Ärzten überheblich war, passierten auch Fehler, sie verletzten etwas an den Gedärmen beim Einsetzen der Magensonde und dies wurde nicht bemerkt.
Er ging, wann immer möglich arbeiten und nahm keine Schmerzmittel, er war wie ein Krieger in der Schlacht. Während dem wir nach Deutschland in die Therapie reisten, stellte ich eine Änderung in seiner Haltung fest und auch sein Allgemeinzustand wurde etwas besser. Er wirkte sehr friedlich und ausgeglichen, doch leider nur für eine kurze Zeit. Kollegen gaben ihm das Buch von Dr. Hamer, eine neue Medizin, das sicher im Grunde gut wäre, doch eben auch im Widerspruch (Krieg) gegen alle anderen Meinungen der klassischen Schulmedizin. Somit gelangte er wieder in den Kampf!
Die Firma ging zu den Deutschen über und er stand erneut vor dem Konkurs, das Haus war immer noch eine grosse Belastung, denn alleine konnte ich nicht für all die Kosten aufkommen. Er war vorwiegend Zuhause, einfach im Bett versorgt mit künstlicher Ernährung. Die Spitex akzeptierte er nicht, ich pflegte ihn während der Nacht und bevor ich zur Arbeit ging unter Anweisung durch den Hausarzt, einem Freund von uns.

Eine riesig schlimme Zeit zusehen zu müssen wie er litt, alles verweigerte und Schmerzen erduldete. In dieser Zeit, wenn Not war, half auch Gerda. Doch sein grösster Wunsch war, dass Gerda das Haus zu einem ehrlichen Preis übernehmen würde. Mal sah es so aus, als ob dies geschehen würde, mal wieder nicht. «Freundschaft und Geschäft muss man trennen». Er hatte mit einem Anwalt eine Übergabe vom Haus an Gerda ausgehandelt, dass mit einem für mich tragbaren Mietzins weiter da wohnen könnte. Doch willigte Gerda schlussendlich nicht ein.

Als Archi schon in seiner letzten Krankenphase war, gingen wir zu Gerdas Anwalt und überschrieben ihr letztendlich dann doch das Haus nach ihren Vorgaben und mit dem damaligen Wert, also der grosse Verlust blieb nur bei Archi und mir. Der Mietzins war auf 2'500 CHF angesetzt. Für mich war klar, dass ich für diesen hohen Zins unmöglich alleine aufkommen konnte. Archis Zustand wurde immer tragischer und meine Kräfte kamen ans Limit. Unser Hausarztfreund riet mir schon seit längerem, Archi in ein Hospiz zu verlegen, doch das wollte er auf keinen Fall. Er wurde ins Spital verlegt, denn er brauchte immer wieder eine Bluttransfusion. Die Kinder kamen zwischendurch, um sich zu verabschieden, doch war das ein unzumutbares Abschiednehmen, alle drei gingen weinend, weil Archi keine Herzlichkeit zeigen konnte und wie gewohnt «klugscheisserische» Sprüche klopfte. Als er einwilligte, ihn am Ende doch ihn ein Hospiz nach Basel zu verlegen, schlief ich jeweils im gleichen Zimmer. Nach der Arbeit fuhr ich jeden Tag zu ihm und versuchte ihm seine Schuldgefühle zu nehmen, ich erklärte ihm, dass wir hier auf Erden sind, um auch an Fehlern zu lernen und, dass es in der anderen Dimension kein Gericht gibt. Und ich und seine Kinder beschlossen haben, den Schuldenberg nicht zu übernehmen und das Erbe ausschlagen werden, somit könne er ruhig loslassen. Im Ganzen war er 14 Tage in diesem Hospiz, bis er einschlafen konnte. Ich organisierte nochmals seine Kinder, damit sie sich von ihm verabschieden konnten, doch seine Söhne Thomas und Bruno wollten nicht noch einmal «eine kalte Dusche» erleben, sie verkrafteten das nicht. Am Ende kamen doch alle drei einen Tag vor seinem Ableben zu Archi und ich bin so froh für sie, denn auch für sie war das ein sehr wichtiger Akt sich in Frieden zu verabschieden. Ich durfte mit meinem Zureden beobachten, wie sich Archi zusehends im Gesicht entspannte und sich alles immer mehr glättete und er am Ende sehr schön und friedlich einschlafen durfte. Ich organisierte dann alles und schaute mit dem Bestatter, der ihn dann nach Grenchen brachte und dort aufbahrte, damit die Verwandten und Bekannten sich auch noch verabschieden konnten. Es ist unglaublich wie schön, ja richtig königlich edel er aussah. Total in Frieden. Die Abdankung fand mit einer Bekannten Erwachsenenbildnerin statt, die wundervoll begleitete mit Musik und symbolischen Akzenten, es war so passend und alle waren tief beeindruckt. Danach nahm ich die Urne mit nach Hause bis zu seinem Geburtstag, da bereitete ich ein Loch vor, oben auf der Wandfluh, um dann die Asche reinzuschütten. Ein Bekannter von uns, der Pfarrer war bat darum, ihn zu verabschieden. Er begleitete uns dabei. Es waren nur die Kinder, Archis Geschwister und seine Mutter anwesend. An diesem Tag war strahlendes Wetter und ohne unser Dazutun waren 5 Gleitschirmflieger, die diese Zeremonie am Himmel begleiteten, wie im Bilderbuch. Verstorben war er am 25.05.2002 und begraben am 08.09.2002.

Am Abend bevor wir Archi’s Asche auf der Wandfluh beisetzen wollten, kam mir mein Traum in den Sinn, wo er symbolisch als grosser Führer den Schlüssel (Lösung für ein Problem) nicht hat finden können. Ich ging in den Keller und nahm intuitiv ein Kistchen mit Schlüsseln in die Hand. Ich wählte einen Schlüssel aus und versah ihn mit einem roten Bändel, den ich mir um den Hals legte. Bei der Beisetzung, gab ich ihm dieses Symbol für seine nächste Inkarnation mit.


(2) Gerdas Blumenpracht in unserem Garten in Grenchen

Gerdas Blumenpracht in unserem Garten in Grenchen



(3) Das war die der Zeit, in der Archi in Frieden war, trotz seiner Krankheit

Das war die der Zeit, in der Archi in Frieden war, trotz seiner Krankheit

 

(4) Archis Urne in unserem Garten, die darauf wartet auf der Wandfluh beigesetzt zu werden

Archis Urne in unserem Garten, die darauf wartet auf der Wandfluh beigesetzt zu werden


Nach der Beisetzung von Archi schrieb und erklärte ich Gerda, dass es mir sehr leidtun würde, aber ich diese hohe Miete nicht bezahlen könne, ihr jedoch helfen werde, das Haus für sie zu verkaufen oder zu vermieten. Und ich dann selber für mich etwas suchen werde, dass in mein Budget passte, so um die 900 – 1000 CHF. Sie wollte es nicht vermieten und auch nicht verkaufen. Ich habe mich dennoch für eine Wohnung umgesehen, und fand dann in Aarau, respektive in Rombach, wo ich vorwiegend Seminare leitete, eine 3-Zimmerwohnung.



(5) Archi fliegend

Archi fliegend

 

«Fly like an eagel, fly so high, back to the universe»

Die Zeit in Rombach 2002 bis 2006
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52.  Die Zeit in Rombach 2002 bis 2006

Wie im Märchenbuch verlief alles weiter, ich hatte immer wieder wie eine höhere Führung.

Ich suchte ja eine Wohnung, die für mich bezahlbar war. Eines Tages hatte ich meinen Neffen Marcello, der Sohn meiner Schwester Madlen, am Telefon. Er lebte mit seiner Partnerin in Rombach am Rande von Stadt Aarau, er war auch Künstler und ich hatte eine gute Beziehung zu ihm. Er meinte, dass im Haus vis-à-vis nach ihm im oberen Stock eine 3 ½-Zimmerwohnung frei sei. Er fand für mich den Namen der Besitzerin raus mit ihrer Telefonnummer. So setzte ich mich mit ihr in Verbindung und es stellte sich heraus, dass es eine 4-Zimmerwohnung war für 1'100 CHF, also erschwinglich für mich. Es war ein altes grosses Haus mit einem total verwahrlosten Garten und einem Gartenhaus sowie einem Mieter im Parterre und drei Garagen. Auch die Wohnung musste ich bei der Besichtigung schon bemängeln. Es war eine junge Erbin, die keine grosse Vorstellung betreffend vermieten usw. hatte. So handelten wir eine sanfte Renovation aus und etwas Rodung im Garten.
Der Mieter war uninteressiert am Garten und machte nichts. Also machten wir den Zügeltermin auf Ende September ab. In der Zeit als wir verhandelten, erwähnte sie nebenbei, dass sie eigentlich am Haus gar kein Interesse habe und es lieber verkaufen wollte. Auch erwähnte sie den ungefähren Preis, doch das war für mich damals überhaupt kein Thema. Im November, mitten im Umzug, erbte ich unerwartet von meinem verstorbenen Onkel, nachdem seine Frau starb genau 95’000 CHF. Es kam mir wie ein Blitz in den Sinn, dass diese Summe ja genau der Hypothekarpreis war, den die Vermieterin in Rombach erwähnte. So telefonierte ich ihr kurzerhand, um sie zu fragen ob sie immer noch Interesse hätte, mir das Haus zu verkaufen.
Sie hatte einen Onkel mit dem wollte sie es besprechen, gleichzeitig besprach ich mich mit Freunden und Marcello meinem Neffen, die eine Ahnung mit Liegenschaften hatten. Alle waren der Meinung, dass es eine gute Gelegenheit sei und ein fairer Preis. Das Land umfasste 10 Aaren.
Klar war, dass das Haus alt war, doch nicht in einem schlechten Zustand. Also sassen wir alle zusammen und Faika kam von der Türkei. Sie fand es unvernünftig und meinte, ich solle es nicht kaufen. Doch war die Versuchung sehr gross für mich, im Alter noch Kurse geben zu können
im Garten. Aber ich war auch schon gegen 60 Jahre alt, aber immer noch sehr aktiv. So vereinbarte ich den Kauf. In dieser Zeit stellte sich heraus, dass ein Vorkaufsrecht eines Verwandten vom früheren Besitzer bestand, der aber nicht mehr lebte, sondern einen Neffen hatte, und auf diesen wurde das Vorkaufsrecht abgetreten. Es war sehr kompliziert und alles zog sich in die Länge, also lebte ich 3 Monate im Haus, nicht als Käuferin und nicht als Mieterin. Eine eigenartige Situation und für mich sehr unklar wie es ausgehen wird.


(1) Rombacherhaus

Rombacherhaus

 



(2) Garten in Rombach

Garten in Rombach

 

Die Renovationen liefen wie vorgesehen weiter, der Garten wurde rigoros
gerodet und auch in meiner Wohnung wurden mehrere Renovationsänderungen vorgenommen. Es wurde in jeder Hinsicht ein wunderschöner Garten mit vielen Sitzmöglichkeiten, wo es je nach Tageszeit am Angenehmsten war. Alle waren begeistert, die Atmosphäre erinnerte an Südfrankreich. 

Nach einigen Monaten konnte das Vorkaufsrecht geklärt werden und ich wurde stolze Besitzerin dieses Hauses. Ende gut alles gut, so glaubte ich. 

Nun ich hatte wieder einmal Glück, die Firma in der ich als Freelancerin im Bereich Coaching und als Seminarleiterin arbeitete, drängten mich zu einem Vertrag mit einer 60 % Anstellung. Schweren Herzens unterschrieb ich den Vertrag, denn ich war bis jetzt sehr glücklich freischaffend zu sein.

Ich gewöhnte mich langsam ans angestellt sein und sah auch Vorteile darin.
Das Haus war natürlich mit sehr viel Mehrarbeit und Mehraufwand verbunden, der Garten mit so vielen Bäumen, die von einem Fachmann geschnitten werden mussten. Gott sei Dank half mir mein Nachbar Kari Nicolussi viel. Meinen Mieter hatte ich ja übernommen, doch war er keine grosse Hilfe, nicht einmal als es so viel schneite. Er hat nie geholfen, einfach ein «Freak»!

Ich liebte es, Früchte einzumachen und täglich Beeren zu pflücken und die vielen Blumen zu pflegen. Ich hatte sehr viel Besuch und ich genoss es mit dem Besuch zusammen im Garten zu sitzen, etwas zu trinken und zu essen, diese Düfte, das Vogelgezwitscher, die Atmosphäre war einfach einmalig.


Ein einmalig schönes Geburtstagsgeschenk, welches ich von den MitarbeiterInnen und KollegInnen bekam, war «Arbeitszeit».


(3) Alle KollegInnen, Geburtstagsgeschenk «Arbeitszeit»

Alle KollegInnen, Geburtstagsgeschenk «Arbeitszeit»

 


(4) Altes Hühnerhaus vor dem Arbeitseinsatz

Altes Hühnerhaus vor dem Arbeitseinsatz

 

(5) Melis gemalte Schlange und für den Römerweg setzte sie Steine

Arbeit als Geschenk zum 60. Geburtstag, neu «Rasilac Garage»


Dieses super renovierte Hühnerhaus wurde für Gartenwerkzeug und den Rasenmäher ein toller Ort, genannt «Rasilac Garage». Die Schlange hat Melis gemalt, sie war viel bei mir in den Ferien. Auch um das Atelier legten wir kleine Steine wie eine Römerstrasse. Da war auch Melis eine wackere Hilfe. Sie liebte es, ihre Ferien bei mir in Rombach zu verbringen.



(6) Melis gemalte Schlange und für den Römerweg setzte sie steine

Melis gemalte Schlange und für den Römerweg setzte sie Steine


Wir haben viel zusammen unternommen, schwammen in der Aare, schliefen im Garten, töpferten und malten, all das machte auch ihr sehr Freude. Wenn ich mal ausnahmsweise zur Arbeit gehen musste, kam sie auch gerne mit. Ich arbeitete meistens blockweise an 14 Tagen mit Pausen dazwischen.

 

(7) Melis Tanz im Regen

Melis Tanz im Regen


Auch an meiner verspäteten Feier zu meinem 60. Geburtstag mit dem Motto: «Freu dich des Lebens» war sie sehr hilfreich, obwohl sie kein Deutsch konnte, half sie beim Servieren, Englisch konnte sie ja gut.
Ich habe 250 Einladungen an Verwandte und Freunde verschickt. Sage und schreibe, es kamen ca. 200 Personen. Es war super Wetter und ich engagierte einen Freund von Grenchen, der Architekt und Gourmetkoch war, für uns eine Paella zuzubereiten. Er kam in einem Minibus und hatte alles dabei, dies für einen Freundschaftspreis!
Ich machte Bami Goreng und es gab noch Getränke, Salate, Desserts, alles war da was nötig war. Die 4 Zelte konnte ich günstig kaufen für den Fall, dass plötzlich schlechtes Wetter aufkam. Alles war perfekt und alle hatten einen riesen Spass.



(8) Freu dich des Lebens 60. Geburtstag

Freu dich des Lebens 60. Geburtstag



(9) Geburtstags Party mit Gourmetkoch

Geburtstags Party mit Gourmetkoch



(10) Geburtstag in Rombach 60 Jahre

Geburtstag in Rombach 60 Jahre

 
Durch meine Arbeit kannte ich Firmen, die mit Arbeitslosen Renovationsarbeiten zu moderaten Preisen anboten. So konnte ich mit dieser Firma das Atelier renovieren.
Denn bis dahin töpferte ich im kalten Keller, der feucht war. Malen tat ich in der Wohnung, ich hatte ja meistens 2 Mal im Jahr eine Ausstellung.



(11) Dick eingemummelt beim Arbeiten im Keller vor der Renovation des Ateliers

Dick eingemummelt beim Arbeiten im Keller vor der Renovation des Ateliers


 

(12) Das alte Gartenhaus, vorgesehen als Atelier

Das alte Gartenhaus, vorgesehen als Atelier

 

(13) Arbeitend im neuen Atelier

Arbeitend im neuen Atelier

 


(14) fertiges Hünerhaus neu Rasilac Garage

Renoviertes Atelier


Ich war überglücklich mit meinem schönen Atelier, sogar im Winter brauchte ich nicht mehr zu frieren. Denn bevor es renoviert wurde arbeitete ich ja im Keller und musste mich jeweils dick anziehen, es war ein Naturkeller sehr schön aber feucht und kalt.

Nun so verging die Zeit wie im Fluge, ich arbeitete in allen Belangen sehr viel, als Seminarleiterin und als Künstlerin. Für die zwei Ausstellungen pro Jahr brauchte ich viele Gegenstände, Bilder und Objekte. Das Ausstellen war immer ein grosses Unterfangen, ein Kraftakt, denn die Figuren waren zum Teil sehr gross und schwer. Ich liebte aber all mein Wirken und Tun von ganzem Herzen. Die Body Forming Firmen in Biel und Grenchen habe ich schweren Herzens an meine Hauptleiterinnen überschrieben, so hatte ich etwas mehr Luft für meine anderen Aufgaben und Arbeiten.

Auch meine Mutter kam immer wieder gerne für ein paar Tage zu Besuch, und natürlich meine kranke Schwester, die in einem Heim in Zürich lebte, das gab ihr jeweils eine schöne Abwechslung.

Übrigens hatte ich hier auch eine sehr besondere Nachbarin sie hiess Verena, war geschieden und lebte alleine gleich neben mir in einem kleinen schönen Häuschen. In unseren Gärten gab es einen Verbindungsweg. Sie war in einer Pädagogischen Schule Lehrerin für Problemschüler. Für mich war sie einmalig und hervorragend mit ihren Methoden wie sie unterrichtete. Ich sagte ihr immer, dass ich mir so eine Lehrerin im Traum gewünscht hätte. Sie sah sehr besonders aus, lange dunkle Haare, etwas mollig und trug immer lange Röcke. Ich sagte ihr immer Schneewittchen. Oft kochte ich auch für sie und wir assen dann zusammen bei mir. Was auch ganz wunderbar war, ich durfte ihr meine Texte zur Korrektur geben, was sie hervorragend erledigte. Wir hatten eine sehr gute Zeit zusammen. Sie kam mich auch heute noch besuchen.

Ich hatte viele Freunde, die zur Erholung oder um etwas anderes zu erleben zu Besuch kamen. Auch zum Essen und im Garten zu verweilen. Ich hatte sehr viel Besuch, auch das liebte ich. Doch war alles doch sehr viel und ich merkte nicht, dass ich meine Grenzen überschritt, wie bereits früher auch schon. Die lange Krankheit meines Partners, dann der Umzug nach Rombach, Renovationsarbeiten und alle anderen Tätigkeiten… ich war auch nicht mehr 20!!! Ich habe immer von mir gesagt ich bin wie eine Kerze, die von beiden Seiten brennt oder wie eine Spitzensportlerin, die immer auf 180 % läuft. Zusätzlich hatte ich schon die 7. Familienstellung nach Hellinger mit Thomas Litzenburger organisiert und assistiert. Es waren meistens 14 bis 16 Teilnehmer während 4-5 Tagen.

Für Thomas hatte ich ein Gästezimmer bei mir und bei den Nachbarn Nicolussis war eine Wohnung leer, so konnte ein Teil der TeilnehmerInnen dort unterkommen, ein anderer Teil übernachtete in einem Hotel in der Nähe und die Restlichen fuhren nach Hause.

Ja so verrückt war ich, wie eine Spitzensportlerin auf 180 %, keine Pausen und das schon seit 1981. Doch meistens kommt es anders und zweitens als man denkt!!! Im Frühjahr musste ich 17 Zähne ziehen, wegen einer Vereiterung im Kiefer, ich wollte keine Implantate, hätte diese auch gar nicht bezahlen können, also liess ich mir von Peter Jäggi, einem wahren Künstler und Freund von Grenchen, eine Prothese machen. Sehr schön und günstig. Ich musste während 2 Wochen wieder lernen zu sprechen, ohne anzustossen oder zu wispern, damit ich wieder Seminare leiten konnte. Ich merkte schon was mir das sagen wollte, Zähne beissen heisst langsamer vorwärtsgehen, doch ich war es gewohnt, dass es ja jeweils schon gehen wird, weil ich ja an allem so viel Freude hatte.

Der nächste Hammer kam dann auch etwas «später».

So kam es wie es kommen musste, eines frühen Morgens, als ich zu einem Seminar gehen wollte, wie immer gut angezogen mit hohen Absätzen, fiel ich die steile Treppe herunter und blieb mit einem Absatz hängen. Kopfüber sauste ich mit dem Kopf in die Wand und prallte auf. Wie lange ich liegen blieb weiss ich nicht, doch als ich zu mir kam, stellte
ich fest, dass nichts gebrochen war. Langsam büschelte ich meine zitternden Glieder, zwar etwas «beduselt», doch konnte ich gehen. Ich fuhr dann zur Arbeit, dort stellten alle fest, dass etwas mit mir nicht stimmte. Ich hatte einige Beulen am Kopf und einen verstauchten Fuss, Kopfschmerzen und mir war schwindlig. Sie beharrten darauf, dass ich zum Arzt gebracht wurde. Dieser stellte eine Hirnerschütterung fest, einen gestauchten Rücken und ich hatte ein Schleudertrauma. Er meinte «Glück im Unglück»!!!! So wahr, aber die Folgen davon kamen erst später zum Vorschein. Mit Schmerzmitteln konnte ich das Seminar wie immer mit gutem Resultat beenden, denn ich wollte meine Schützlinge nicht im Stich lassen. Ich war es ja immer noch gewohnt, wie früher aus meiner Kindheit, Schmerzen zu ignorieren. 
Nun es kam dann wie eine Lawine über mich. Als ich das Seminar abgeschlossen hatte, brach alles über mir zusammen. Ich wusste nicht mehr was links und was rechts war und auch nicht mehr was ich tun sollte. Ich hatte Schlafstörungen, erbrach, es funktionierte einfach nichts mehr. Der Arzt schrieb mich unfallbedingt krank. Das war im 2005, dadurch erhielt ich meinen Lohn, Gott sei Dank! Denn im Unterbewusstsein hatte ich sicher auch manchmal Existenzängste, an dem Haus gab es immer wieder etwas zu reparieren. Nebst grosse Rückenbeschwerden und einem Schleudertrauma stellte sich heraus, dass ich zudem ein schweres Burnout hatte. Das heisst eine lange, lange Geschichte.

Ich musste zu Spezialisten, zu einem Psychiater und viele Therapien bewältigen. Auch wollte ich unbedingt, dass ich ganzheitlich begleitet wurde, obschon meine Krankenkasse alternative Heilmethoden nicht bezahlte. Es war mir wert dennoch Meditationssitzungen, Rückführungen, eine Theaterschule für Körpersprache und Persönlichkeitsentwicklung zu machen und meinem Inneren Kind mehr Platz zu verschaffen. Auch habe ich zum vierten Mal an einem Feuerlauf teilgenommen. 

So kam ich zur Erkenntnis, dass mich das geliebte «Rombacherhaus» einfach an meine Grenzen brachte. Ich musste mich schweren Herzens mit dem Gedanken auseinandersetzten, es zu verkaufen.

Ich zog verschiedene Möglichkeiten in Betracht, doch schlussendlich war der Nachbar, Kari Nicolussi sehr interessiert, es für seine Tochter und ihre 2 Kinder sowie ihren russischen Ehegatten zu kaufen. Der Ehegatte kam nur ein- bis zweimal in die Schweiz. Wir einigten uns auf einen guten fairen Preis. Ich hatte ja sehr viel Arbeit und Geld ins Haus gesteckt. So wurde Gott sei Dank Carla Nicolussi Besitzerin meines Hauses, denn ihr Ehegatte ging im Frühjahr Konkurs. So hatte wenigstens seine Frau und die Kinder das Haus. Ich hoffe sie leben noch lange glücklich darin.  Es ist so wie es sein muss, man kann nicht mit dem Kopf durch die Wand.



(15) Sonnenuntergang in Rombach

Sonnenuntergang in Rombach


Ende April 2006 musste ich das Haus leeren und übergeben. Mit meinem Burnout und den Folgen des Sturzes brauchte ich viele Helfer und es kostete alles sehr viel. Ich organisierte einen Garagenverkauf und einen Atelierverkauf. So schaffte ich es.

Nach langem Suchen fand ich in Safenwil eine sehr schöne 3 ½-Zimmerwohnung mit Swimmingpool und Gartenpartyhaus zu einem erschwinglichen Preis. Ich dachte mir schon damals, dass es eine Übergangslösung sein würde, denn mein Wunsch war bereits schon zu diesem Zeitpunkt, in einem weiteren Schritt nach Zürich zu ziehen. Was ich dann 2009 auch machte.
Die Zeit in Safenwil AG von 2006 bis 2009
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53.  Die Zeit in Safenwil AG von 2006 bis 2009
Wieder einmal musste ich von einem Haus mit Atelier alles reduzieren, verschenken oder wegwerfen und natürlich das einpacken, was ich an den neuen Ort mitnehmen wollte. Meine neue Wohnung lag im 2. Stock und ich hatte im Parterre noch ein Bastelzimmer, welches ich als Atelier nutzen konnte. Die Zügelfirma hatte einen Kran, um alles über den Balkon zu befördern bis aufs Atelier. Zum Glück hatte ich auch Freunde, die wacker mithalfen.

Meine neue Nachbarin, Brigitte Arnold war geschieden und lebte mit zwei jungen Buben vis-à-vis. Der Eine meinte entsetzt zu seiner Mutter, dass eine alte Frau neben ihnen einziehen würde. Heute pflegen wir immer noch eine gute Beziehung, die Jungs mochten mich sehr und fanden mich lässig! Glück gehabt.



(1) Safenwiler Wohnung
Safenwiler Wohnung




(2) Sonnenuntergang im Esszimmer

Sonnenuntergang im Esszimmer




(3) Safenwiler Atelier

Safenwiler Atelier




(4) Safenwiler Wohnung

Safenwiler Wohnung


Übrigens lebte eine sehr spezielle Person in der Dachwohnung, sie hiess Gabi und war leider schwer krank. Sie hatte sich entschieden, keine weiteren medizinischen Massnahmen mehr zu machen. Sie, Brigitte, ihr Freund Marcel und ich hatten alle dieselbe Wellenlänge. Uns interessierten auch geistige Themen. Wir hatten ein seltenes und wunderbares Verhältnis, das ich sehr schätzte und sehr vermisste. Leider ist Gabi dann friedlich in ihrer Wohnung für immer eingeschlafen. Wir alle waren natürlich sehr traurig, doch auch froh für sie, dass sie erlöst wurde. Wir machten dann gemeinsam mit den Jungs ein wunderschönes Ritual unter dem Nussbaum im Garten und verabschiedeten uns feierlich von Gabi.

Während meiner Zeit in Safenwil malte ich ziemlich viel und töpferte eifrig, ich hatte in beiden Bereichen mehrere grössere Aufträge.

Irgendwie kam ich auf die Idee mir einen Hund zuzulegen und zwar einen kleinen Zwergpudel, den ich überall mitnehmen konnte. Diese Hunderasse ist ja sehr intelligent und verspielt. Also suchte ich im Internet und fand eine Züchterin. Die kontaktierte ich und sie meinte, ich könnte bei ihr einen schwarzen Welpen ansehen kommen, er müsse aber noch 3 Wochen bei der Mutter bleiben. Ich fuhr mit einer Freundin dorthin, um ihn zu besuchen, er war allerliebst, hatte Papiere und hiess Speedy. Wir vereinbarten dann auch gleich, wann ich ihn holen konnte. Ich hatte eine Tierärztin als Freundin und war so sehr zuversichtlich. Er war schon teuer, «oh waja»!


(5) Speedy

 

Speedy

Es war ein Drama, innert kurzer Zeit wurde er immer schwächer und ich hatte eine riesige Angst, dass er sterben würde. Ich ging mit ihm zu meiner Freundin, der Tierärztin. Sie meinte dann, ich solle ihn mit einem Schoppen aufpäppeln, doch dazu war ich nicht geeignet. Ich hatte einfach keine Erfahrung und mir fehlte die benötigte Sicherheit dazu. Also brachte ich ihn auf ihren Rat hin der Hundezüchterin zurück, um ihn wieder mit der Mutter gesund und kräftig zu bekommen. Sie war aber sehr abweisend und meinte, die Mutter sei nicht mehr bei ihr. So brachte ich Speedy ganz verzweifelt wieder zu meiner Freundin. Diese hatte ja auch Mitarbeiterinnen, Medikamente und Erfahrung. Sie meinte dann, dass sie sich schon immer so einen Zwergpudel gewünscht hätte, sie besass damals bereits einen grossen Schäferhund. Nun ich hatte die Hoffnung, dass es ihr gelingen würde, meinen Speedy doch noch gesund bekommen und liess ihn zum Aufpäppeln bei ihr. Dies geschah mehrere Male, jedoch wurde er immer wieder schwach, sobald er bei mir war. Meine Freundin meinte dann, dass diese Züchterin ihn vermutlich viel zu früh vom Ausland in die Schweiz geholt hätte und er deshalb so schwach sei. Das hatte noch Folgen für die Züchterin. Nach dem dritten Versuch gab ich auf und schenkte Speedy meiner Freundin. Ich besuchte ihn ab und zu. Er entwickelte sich zu einem drolligen schönen einjährigen Hund. Doch sein Schicksal war ihm nicht hold. Sie nahm meistens die beiden Hunde mit in die Praxis und ging über Mittag joggen mit beiden Hunden. Der Grosse beschützte natürlich Speedy, deshalb hatte Speedy auch keine Angst vor grossen Hunden. Eines Tages ging sie wieder joggen, doch der Grosse war nicht dabei. Speedy ging zu einem anderen grossen Hund und wollte spielen, dieser packte ihn jedoch am Hals und biss ihn gleich zu Tode.

Diese sogenannte Freundin Caroline Lengweiler verschwieg es mir während einigen Monaten. Nun, es war ein sehr schmerzlicher Lernprozess für mich. Ich mit meiner Gutgläubigkeit und zu grossen Spontaneität bezahlte dies teuer. Doch lernte ich viel daraus.


(6) Theaterschule Probe

Theaterschule Probe


Wie schon gesagt machte ich einige Kurse und Weiterbildungen, um mein Burnout zu kurieren, denn ich war überzeugt, dass mich dies weiterbringen wird. Ich besuchte ein Jahr lang die Theaterschule mit pädagogischen Grundlagen und machte wie schon beschrieben einige Erfahrungen für mein Inneres Kind. Sicher lernte ich viel über mich und konnte viele «Muster» ablegen.

All diese Erfahrungen, mein teurer Umzug, die Speedy-Geschichte, die vielen teuren Weiterbildungen usw. schmälerten mein Vermögen. Ich hatte mein Geld damals bei der Raiffeisenbank deponiert, doch Zinsen gab es schon damals keine mehr.

Faika riet mir, das Geld bei der Clariden Leu Bank anzulegen, sie hatte Bekannte, die dort arbeiteten. Wir gingen zusammen hin, um alles zu besprechen. Ich sagte ihnen, dass ich gerne etwas Zins hätte doch kein Risiko eingehen möchte und sie versicherten mir, mein Geld nur in sichere Fonds anzulegen. Ich gab ihnen die Vollmacht, weil das nicht meine Stärke war. Ich war immer glücklich und erfolgreich, wenn ich mich auf meinen Stärken und Begabungen fokussieren konnte und mich nicht aufs Glatteis einlasse und meine Schwächen zu forcieren. Die Anleger kauften mit meinem Geld dann Swissair Fonds und was passierte im Jahr 2008, die Swissair groundete und ich verlor sehr viel Vermögen. Jedesmal wenn ich zu ihnen ging und die Fonds mit Verlust verkaufen wollte, meinten sie, dass dies dann schon wiederkommen werde und ich einfach Geduld haben solle. Sie hätten Erfahrung. Doch nach einiger Zeit verlangte ich, dass sie meine Fonds verkaufen sollten und ich legte den Rest bei der Post an. Ich wollte nie mehr etwas mit Banken zu tun haben. So zahlte ich schmerzliches Lerngeld für diese Erkenntnisse. Geld allein macht nicht glücklich, es war ja mein Leben lang nie eine wichtige Triebfeder. Wichtig war für mich, dass ich mich auf mein Gefühl verlassen konnte und meine Eigenverantwortung nicht abtrete!

Ich lernte, dass ich mich in gewisse Bereiche nicht einlassen sollte und andere Wege auf meine ganz unkonventionelle Art und Weise suchen wollte. Ich wollte nicht nach Normen handeln. Auch das war eine wichtige Erkenntnis für mich.

2009 Umzug nach Zürich Seebach
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54.  2009 Umzug nach Zürich Seebach

Ich suchte immer wieder nach Wohnungen in Zürich, doch erfolglos und man musste 2 Jahre in der Stadt Zürich wohnen, bevor es möglich war in ein Alterszentrum der Stadt Zürich einzuziehen.
Eines Tages, wieder einmal ein Wunder, erhielt ich ein Telefon von einem Schulkollegen, er könnte die Wohnung seiner Ex-Frau übernehmen, somit würde seine 4-Zimmerwohnung in Seebach frei. Wenn ich Interessen hätte, würde er mich empfehlen. Diese Wohnungen wurden nie ausgeschrieben, es waren Altwohnungen, die sehr günstig waren. Ich ging sie mir ansehen und war sehr glücklich so etwas Günstiges zu finden und ich erhielt die Zusage von der Verwaltung.

Die ganzen Utensilien meiner Töpferei, auch der Ofen konnte ich im separaten Zivilschutzraum platzieren, der dem Altersheim Trotte gehörte weil ich mit den Bewohnern arbeiten wollte. So konnte ich alles einfach benutzen.

Nie im Leben hätte ich je gedacht, dass ich je wieder an meinen Ursprungsort zurückkehren würde und nochmals da leben würde. Und dies erst noch neben meinem Kindergarten. Von meinem Balkon aus, sah ich den Pausenplatz. Unglaublich, unser Haus war ca. ¾ Stunde entfernt. Natürlich nicht mehr unser Haus, eine riesige Siedlung mit modernen Mehrfamilienhäusern, die auf unserem damaligen Land gebaut wurden.

Gott sei Dank hatte ich wieder grosse Hilfe von Freunden und natürlich eine Zügelfirma, die mir beim Umzug halfen.
Ich organisierte das Zügeln wie immer, indem ich alles ausmass und mir überlegte, wie ich die Möbel hinstellen wollte. Einen kleinen Teil konnte ich im Keller versorgen und das grosse Büro konnte ich zum Töpfern einrichten. Brennen konnte ich die Gegenstände dann im Gemeindezentrum. Das Gästezimmer benutzte ich als Malzimmer.

Ich war zuerst gar nicht so glücklich so nahe an meinem Jugendhaus mit all diesen Erinnerung zu leben, wer weiss wozu ich das brauchte. Seebach war meiner Meinung nach, keine begehrenswerte Gegend mehr. Es kam mir viel mehr vor wie eine Art Ghetto.
Ich malte auch immer wieder und töpferte kleinere Figuren, zum Teil versuchte ich andere Materialien aus, um diese nicht brennen zu müssen. Doch ich vermisste das Gefühl des richtigen Tons. Das ist schon mein Lieblingsmaterial, Erde!

Nun damals wusste ich ja nicht wie lange es dauern würde, bis die alte Trotte (Alterszentrum) abgerissen und endlich neu gebaut wird. Geplant waren 3-4 Jahre. Es gab dafür Einsprachen, die bis vor Bundesgericht gingen und eben alles verzögerten. Schlussendlich wurden es 10 Jahre, bis alles fertig gebaut war.

Ich merkte erst viel später, wieviel ich von meinen alten «Mustern» aus meiner Kindheit in den vielen Seebacherjahren reduzieren konnte.

Eines schätzte ich sehr, ich lebte sehr nahe am Flughafen und Besuche aus dem Ausland konnten in einer viertel Stunde mit dem Flughafenbus bei mir aussteigen.
Das zweite war, ich war in nur 5 Minuten im Eichrain, wo es zahlreiche Tennisplätze der Stadt Zürich gab und weitere 5 Minuten entfernt lagen die Tennisplätze der RUAG.

Wie immer machte ich schnell Kontakte im Haus und der Umgebung, da fand ich auch einen pensionierten ebenbürtigen Spieler. Wir spielten 2-3 Mal in der Woche stundenlang bei schönem Wetter Tennis und im Winter mieteten wir jeweils von 8-9 Uhr einen Platz in der Halle, ganz nach meinem Gusto, einfach herrlich!

Ich hatte damals noch meinen kleinen Toyota Yaris und suchte einen Carsharing-Partner. Ich fand dann einen jungen geschiedenen Mann, der sich selber kein eigenes Auto leisten konnte.  Wir beide waren überglücklich. Ich brauchte das Auto rund zweimal in der Woche und für die restliche Zeit konnte er’s benutzen. Wir verwendeten ein schriftliches Abkommen und ein Bordbuch wo wir die Kilometer eintrugen und einmal monatlich abrechneten. Es war für uns beide perfekt.

Die Wohnung richtete ich sehr hübsch und heimelig ein wie immer. Im Haus wohnten 4 Parteien. In kurzer Zeit hatten wir eine gute Nachbarschaft, man half sich gegenseitig wenn nötig.



(1) Seebacher Wohnung
Seebacher Wohnung



(2) Töpferei im Garten


Ich hatte viel Besuch von Freunden, Melis wohnte auch eine Weile bei mir und auch Faika und Cengiz kamen immer wieder zu besuch.

Regelmässig ging ich zu Mami in die alte Trotte und töpferte oder bastelte mit den BewohnerInnen gemeinsam mit der damaligen Aktivierungstherapeutin, einer guten Freundin von mir. Wir hatten viel Freude daran. Die Kunstwerke wurden dann jeweils am Basar verkauft.



(3) Mami mit Toni, er lebte auch in der alten Trotte und kümmerte sich sehr um mein Mami
Mami mit Toni, er lebte auch in der alten Trotte und kümmerte sich sehr um mein Mami



(4) Mami nd Toni

 

Mami mochte Toni sehr und er kümmerte sich rührend um sie. Er hatte niemanden in der Schweiz, war als jung in Italien verheiratet gewesen und hatte da 2 Kinder, doch jeden Kontakt zu seinen Angehörigen abgebrochen. Er glaubte, er hätte auch ein wenig Anrecht auf mich, das war aber aus meiner Sicht gar nicht der Fall, was ich im deutlich zu verstehen gab. Mami sah immer weg, wenn er mir zu nah kam, typisch! Gute Miene zum Bösen Spiel machen und mich zum Objekt zu machen. Während einer gewissen Zeit schlich ich mich dann leise ins Zentrum rein, damit er mich nicht hören konnte, doch merkte ich, dass das nicht der richtige Weg war. Unerhört war das und das zeigte ich dann den Beiden ein für Allemal.

Ich war herausgefordert auch hier wieder zu lernen, auch wenn es mir für die beiden peinlich war und ich sie blossstellen musste, ihnen klaren Wein einzuschenken. Ich gehörte auf keinen Fall, auch nur ein bisschen ihm und er hatte kein Recht mir zu nahe zu kommen, auch nicht beim Begrüssen und Verabschieden. Nun, ich schaffte es und seither hat es sich einigermassen in Schach gehalten.



(5) Mami und ich mit roten Haaren

Mami und ich mit roten Haaren


Eines Tages ging ich mit Faika zu ihrem Coiffeur, der mich seit jung kannte. Er meinte dann, dass es so schade, dass ich weisse Haare tragen würde. Faika und er bearbeiteten mich bis ich für’s Haare färben einwilligte, es aber später dann bereute.

Kurz vor dem Hirnschlag bat ich eine Freundin, mir alles abzurasieren. Sie machte es dann auf mein Drängen hin. Wir machten schrittweise ein Foto-Shooting und hatten jede Menge Spass dabei. Ich hatte mit meinem kahl geschorenen Kopf überhaupt keine Hemmungen!

Mamis Gesundheit wurde immer schlechter mit der Zeit wurde sie schwer pflegebedürftig.
Zu meinem grossen Erstaunen genoss sie es jedoch sehr, so vollkommen umsorgt zu werden. Ich war so dankbar als es dem Ende entgegenging. Ich durfte sie betreuen und ihr sogar Morphiumtropfen verabreichen, wenn sie Erstickungsängste kriegte. Sie konnte schlussendlich friedlich für immer einschlafen.



(6) Grab von Mami

Grab von Mami


Ich habe ihr auch versprochen mich weiterhin um Toni zu kümmern, weil er ja niemanden hatte.

Er hatte einige Zeit später grosse gesundheitliche Schwierigkeiten, leider aber keine gültige Patientenverfügung und wurde ins Spital eingewiesen, wo er mehrmals operiert und immer wieder behandelt wurde. Ich setzte mich so gut wie es mir möglich war für ihn ein, doch konnte ich nicht seinem Wunsch entsprechend handeln und die lebensverlängernden Massnahmen entkräften. Er hing lange an Schläuchen und musste viel erdulden bis er endlich einschlafen konnte.

Eine weitere bittere Erfahrung war der Autounfall, als ich mich auf dem Heimweg von meiner Schwester Frieda befand. Es herrschte grosser Abendverkehr und ich wollte die Spur wechseln, um die Ausfahrt im Schritttempo zu nehmen. Alles sah gut aus, langsam fuhr ich raus und dann plötzlich rollte es vor mir nicht mehr, eine Kettenreaktion, alle bremsten vor mir und ich touchierte mit meiner linken Seite einen grossen Range Rover. Mein kleiner Yaris hatte Totalschaden und beim Range Rover sah man gar nichts an. Ich musste mein Auto abschleppen lassen – ade Freiheit?

Meinen Führerausweis habe ich dann freiwillig auch gleich abgegeben, das fand ich besser, damit ich nicht in Versuchung komme, manchmal ab und zu doch Auto zu fahren, denn ich war der Meinung, dass die Routine schnell schwindet. Mein Carsharing-Kollege musste nun eine neue Lösung für sich suchen.



(7) Totalschaden meines Toyota Yaris

Totalschaden meines Toyota Yaris

An meinem 70. Geburtstag leistete ich mir den Jux nur zur Show!!!!



(8) Nur zum Spass zu meinem 70. Geburtstag

Nur zum Spass zu meinem 70. Geburtstag


Eine Warnung hatte ich vor dem Hirnschlag, ich malte ein Bild, das mir genau meinen Hirnschlag aufzeigte, doch beachtete ich es leider zu diesem Zeitpunkt nicht. Das Bild war eine intuitive Vorwarnung.



(9) Bild vor dem Hirnschlag und im Spital danach mit Cengiz




(10) Im Spital nach meinem Hirnschlag

Im Spital nach meinem Hirnschlag


Eine riesige unerwartete Lektion erwartete mich im Januar 2013, damals machte ich in einem Gospel-Chor in Oerlikon mit. Es war nicht so gut organisiert, keine Aufnahmen und keine genügenden Unterlagen, um Zuhause zu üben. Wir waren 30 Personen, Frauen und Männer gemischt, die meisten sangen Sopran und Alt, ein kleiner Teil der Männer Bass und nur ein Mann sang Tenor. Ich wurde zu ihm zugeteilt, er war schon lange nicht glücklich, weil er alleine war. Ich konnte ihn zum Teil unterstützen, aber nur bedingt, da ich ja keine Noten lesen konnte, aber mein Gehör war wenigstens gut. Es machte mir trotzdem Spass, die meisten Lieder waren in Afrikanischer Sprache. «Oh mein Gott» das waren Zungenbrecher, so versuchte ich, diese in meinen Lap-top einzutippen, damit ich sie besser lesen und auswendig lernen konnte. Tagelang sass ich dahinter. Ob das die Ursache meines Hirnschlages war weiss ich nicht.

Jedenfalls eines Tages, ich war auch schon Stunden mit dem Schreiben beschäftigt, so gegen vier Uhr, fühlte sich meine linke Seite wie sie immer tauber wurde, ich schlug mir auf das Bein und auf den Arm, aber es fühlte sich taub an. Ich telefonierte meinen Freundinnen, die Krankenschwestern waren, erreichte aber niemanden. Nun das war genau an einem Donnerstag, an dem wir jeweils abends Gospel-Proben hatten. Ich ging aufs Trampolin, doch half auch das nichts. Dann dachte ich, mich ins Bett zu legen, entschied mich aber dann dagegen. Ich fuhr mit dem Tram zur Probe, bewegen und singen würde mir sicher helfen, so dachte ich. Ab und zu versuchte ich meinen Hausarzt, einen Freund zu erreichen, jedoch erfolglos. Als langsam die SängerInnen eintrafen, gab es einige, die aus medizinischen Berufen stammten, sie fragten mich dann, was ich hätte. Ich erklärte ihnen dann, dass meine linke Seite sich immer mehr taub anfühlte und auch das Gesicht. Sie reagierten sofort, um den Notfall zu bestellen, ich sagte ihnen, dass ich auf keinen Fall in ein Spital gehen wolle und bat sie, nochmals zu versuchen, meinen Hausarzt zu erreichen. Was dann auch gelang. Er sagte mir, dass ich wählen könne nicht zu gehen und dann im Rollstuhl landen würde, oder mich für den Weg ins Spital zu entscheiden. Er meinte dann auch noch, dass ich nicht daran sterben werde.

Ich wurde dann mit der Ambulanz ins Spital gebracht und von einem jungen Notarzt betreut. Er meinte dann, dass ich ein Formular unterschreiben solle, dass er mir eine Infusion gegen könne. Er sehe mir an, auch wenn es schon mehrere Stunden her sei, dass es sicher noch helfen würde. Eigentlich dürfte er diese Behandlung nur nach 2 Stunden seit Beginn der Symptome einleiten, doch meine Augen zeigen ihm, dass das Schlimmste abgewendet werden könnte. Ich war hysterisch und sagte ihm, dass ich nicht an Schläuchen hängen wolle und auch, dass ich bei Exit sei. Als ich endlich einwilligte, sagte er mir, dass er noch einen Katheter stecken müsse. Ich erklärte der Schwester neben mir, dass das nicht gehe aufgrund meines Traumas. Sie nickte und verpasste mir eine Beruhigungsspritze. Ich wachte dann im Überwachungszimmer wieder auf und telefonierte meinen Verwandten in der Türkei und erzählte ihnen was geschah. 48 Stunden lang kriegte ich diese Infusion. Also ein Riesenglück im Unglück. Gegen den Hirnschlag konnte das Schlimmste verhindert werden. Schon am dritten Tag konnte ich die linke Seite wieder normal bewegen, nur ein leichtes Taubheitsgefühl blieb. Auch da bin ich selber schuld, weil ich keine Therapien machte und meine Störungen nicht zeigte.

Ich lernte aus dieser Erfahrung, dass es gut ist, seine eigene Meinung zu haben, doch mit gesundem Menschenverstand zu handeln und nicht stur gefangen zu bleiben. Das war auch in Bezug auf die Heilung so, ich lernte, dass es manchmal gut ist, Therapien zu machen und ich nicht alles selber im Griff haben muss.
Danach musste ich mir schweren Herzens eingestehen, dass das Tennisspielen zu riskiert war und die gebliebene Unsicherheit im linken Fuss und in meiner linken Seite Konsequenzen zur Folge haben könnten.

Ich hatte noch zwei grössere gesundheitliche Warnungen, die mich hinterfragen liessen. Die eine war eine Gesichtsrose im linken Auge. Was wollte ich nicht einsehen? Die zweite war zum zweiten Mal grosse Probleme mit meinen Zähnen und meinem Zahnfleisch. Kurz entschlossen ging ich zum Zahnarzt und beharrte darauf, dass all meine Zähne raus mussten. Gegen alle Widerstände liess ich mir eine Prothese machen. Nach wochenlangem Suppen essen und mit Schmerzen ging alles wunderbar zu meiner vollen Zufriedenheit auf. Ich kann immer noch strahlend lachen.
Gelernt habe ich, nicht mehr unnütz auf die Zähne zu beissen. Mehr vorrangig zu lernen, mit etwas Unabänderlichem umzugehen, zu akzeptieren, was Unveränderlich war oder einen neuen Weg zu suchen. Vor allem nicht mehr alles im Griff haben zu müssen und mehr in den Fluss zu kommen.

Im November 2016 machte ich eine Erholungskur in einem Rudolf Steiner Kurort in Ascona während 4 Wochen.
Faika und Melis machten mit einem Mietauto eine Reise durch Europa. Faika und Melis liebten reisen und es war für Faika eine gute Ablenkung, sie brachten mich nach Ascona.

Die 10 Jahre in Seebach waren geballt mit vielen Sorgen, vor allem Faikas tragische Erfahrungen gingen nicht spurlos an mir vorbei.

An Weihnachten 2018 machte ich in Seebach an einem Projekt «Tanz dich frei» mit, es war eine riesige Herausforderung weil alle TeilnehmerInnen junge Leute waren. Doch ich wollte nicht aufgeben. Wir hatten am Ende zwei Aufführungen die sehr Anklang fanden und ich kriegte eine spezielle Rolle, die gut zu mir passte.



(11) Tanz in Seebach

 


(12) Tanz in Seebach und es geht doch, nicht aufgeben!

Tanz in Seebach und es geht doch, nicht aufgeben!
Geburtstage und Ferienerinnerungen während den 10 Jahren in Seebach und die Tragödie für Faika
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55.  Geburtstage und Ferienerinnerungen während den 10 Jahren in Seebach und die Tragödie für Faika


(1) Geburtstag noch mit Tardu 2014

Geburtstag noch mit Tardu 2014

 


(2) Geburtstagsparty 2017

Geburtstagsparty 2017

Ich reiste mindestens zweimal im Jahr in die Türkei. Meine Geburtstage wurden meisten dort gefeiert, denn ich hatte am 28.5., Melis am 26.5. und Sülü, Melis Vater am 30.5. So gab es immer grosse Feste. Auch reisten wir oft gemeinsam in die Ferien.


(3) Tardu und ich in Koslu als er noch gesund war 2014

Tardu und ich in Koslu als er noch gesund war 2014

 

(4) Ferien in Koslu         

Ferien in Koslu




(5) auf der Jacht 2016

auf der Jacht 2016

 



(6) Melis, Faika und ich in Griechenland

Melis, Faika und ich in Griechenland



(7) Faika und Tardu Hochzeit 2014

Faika und Tardu Hochzeit 2014




(8) Hochzeit Faika und Tardu

Hochzeit Faika und Tardu




(9) Tardu und Melis in Koslu 2014

Tardu und Melis in Koslu 2014



(10) Faika’s und Tardu’s neue Wohnung in Istanbul 2015

Faika’s und Tardu’s neue Wohnung in Istanbul 2015


Sie waren überglücklich, renovierten das Haus in Koslu und bauten später eine wunderschöne Wohnung in Istanbul um.

Im 2015 besuchte ich Faika und Tardu zweimal. Einmal im Spital, denn er hatte leider Krebs und einmal als er wieder Zuhause war doch schon sehr krank und schwach war. Wir konnten gut miteinander diskutieren und philosophieren. Es war eine grosse Tragödie für Faika. Ich litt mit ihnen beiden mit, so ein furchtbares Schicksal!!



(11) Tardu Zuhause als er bereits sehr krank. Wir hatten viele gute Gespräche

Tardu Zuhause als er bereits sehr krank. Wir hatten viele gute Gespräche

 

Wieder war ich in Istanbul, Tardu wünschte mit einer Ambulanz und einem Pfleger nach Koslu zu fahren. Es war eine unglaublich tragische Zeit, alle Freunde waren anwesend und versuchten ihm beizustehen. Am 23.05.2016 ist Tardu gestorben.



(12) Tardu’s Grab in Koslu in einem Pinienwald-Friedhof

Tardu’s Grab in Koslu in einem Pinienwald-Friedhof


Es war eine unglaublich schwere Zeit, vor allem für Faika. Und zu allem oben drauf erhielt sie von Paris aus auch noch die Kündigung ihres CEO-Postens. Unmenschlich, aber wahr. Sie war eben nicht immer mit allem einverstanden und manchmal vielleicht etwas unbequem, was aber sicher begründet war.


(13) Faika war während vielen Jahren CEO von Publicitas AG im Raum der EU und der Türkei

Faika war während vielen Jahren CEO von Publicitas AG im Raum der EU und der Türkei


Für Faika brach alles zusammen, es war wirklich beängstigend und gleichzeitig so verständlich. Sie brauchte dringend Erholung und das beste war eine Ayurveda-Kur in Indien. Ich ging Dino und die Katze hüten.

Auch die Wirtschaftslage wurde immer schlechter und Faika verkaufte schweren Herzens ihre gemeinsame Wohnung und mietete eine in einer anderen Gegend. 

Ich finde das Schlimmste was es gibt ist, ein Leben lang den eigenen Kindern nicht helfen zu können, wenn sie Schicksalsschläge erlitten und dabei tatenlos und ohnmächtig zusehen zu müssen. Das Einzige was ich geben konnte war Zeit und die Kraft auszuhalten und nicht daran zu verzweifeln. Das ist die Herausforderung und doch das Dienlichste finde ich.

Wie reagierte dein Umfeld auf dein Älterwerden?
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56.  Wie reagierte dein Umfeld auf dein Älterwerden?

Wie ich mit einem Kollegen, der jetzt 80 Jahre alt ist, immer wieder feststellte, gibt es immer und überall Gelegenheiten, Komplimente zu machen. Sei dies in Geschäften mit VerkäuferInnen oder im Service, wenn diese angebracht sind. Es ist für uns eine wichtige Lebensqualität. Wir nennen dies flirten im kleinen Rahmen, auch wenn wir älter sind, die Reaktionen sind positiv und wir schenken und ernten Freude auf beiden Seiten.

Ja das passiert, wenn man die Leute lächelnd anschaut, kommen oft auch Komplimente oder ein Lächeln zurück, insbesondere wenn man nicht dauernd aufs Handy guckt, sondern auch die Umgebung wahrnimmt. Speziell im Alter lösen solche Aktionen eine positive Reaktion aus. Immer wieder sprechen mich Menschen an und sagen, dass ich so eine adrette Dame sei. Das ist doch schön und bringt einem wieder ins Gespräch. Das ist für mich Lebensqualität. Es geht eigentlich nicht ums schön sein, aber doch gepflegt und offen im Leben zu stehen. Es ist sicher meine Wesensart, wie ich schon als jüngerer Mensch erfahren habe, doch im Alter bemerkte ich, dass es umso wertvoller und farbiger ist, das Alter zu akzeptieren. Oft enden solch kurze Begegnungen mit dem Austausch von Adressen und Handynummern. Manchmal wurde daraus später eine gute Freundschaft.

Eines mache ich oft, wenn ich im Bus oder Tram unterwegs bin und keinen freien Sitzplatz mehr finde, schaue ich insbesondere junge Menschen freundlich an und sie stehen dann meistens auf und bieten mir ihren Platz an. Manchmal frage ich sie auch, wenn sie nicht aufstehen, ob es möglich wäre, mir oder meiner Begleitperson den Platz abzugeben. Das hat bis jetzt immer geklappt. Natürlich erhalte ich auch oft Hilfe, wenn ich etwas Schweres zu tragen habe. Ich denke es ist wichtig, wie ich auf Menschen zugehe.
Etwas stellte ich in den vergangenen Jahren immer wieder fest, dass ich etwas langsamer wurde. Als ich jünger war, war ich sehr zielstrebig und schnell. Das langsamere unterwegs sein half mir, dass ich achtsamer wurde. Indem ich weniger schnell reagiere und meine Ansichten sofort mitteile kann ich geduldiger werden und aus Distanz besser beobachten was geschieht und mich nicht einbeziehen lassen. Ich werde so zum Vorbild und erteile weniger Ratschläge. Viele Beziehungen sind heute anders, Situationen eskalieren weniger, es wurde ruhiger und schöner untereinander. Diese Änderungen stelle ich dank meinem Älterwerden immer mehr und mit grosser Freude fest.

Noch etwas stellte ich fest, als ich jünger war, wurde ich oft wegen meinem Aussehen und meiner Ausstrahlung wahrgenommen, doch heute vorwiegend wegen meiner Ausstrahlung, also wegen meiner inneren Zufriedenheit. Ich lege immer noch sehr Wert auf mein Äusseres, ich möchte gepflegt sein und ich finde, dass dies auch im Alter sehr wichtig ist. Doch der innere Friede, das «geklärt» sein trägt sehr zu einer positiven Ausstrahlung bei, was mir immer wieder bestätigt wird, nicht nur von Freunden, sondern auch von fremden Personen, die mir dies spontan sagen.

Mein Kater Aslan
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57.  Mein Kater Aslan

18.03.2019 heute wurde mein Kater Aslan zu einer pensionierten Frau gebracht. Ich musste schweren Herzens ein neues Daheim für ihn finden. Ich hatte ihn vor 10 Jahren aus Istanbul mitgebracht. Er ist mir soooo sehr ans Herz gewachsen. Jedoch ist es einfach nicht mehr möglich in der neuen Trotte: wir zwei in nur einem Zimmer, das geht einfach für beide nicht.
Mein Umzug war erst auf den 4.7.2019 geplant, doch Aslan wurde jeden Tag nervöser durch die ganzen Umstellungen und den Kisten. Ich hoffe sehr, dass er am neuen Ort glücklich wird.


(1) Aslan heisst Löwe, mein Kater

Mein Kater Aslan – Aslan heisst Löwe

Leider ist er im Dezember letztes Jahr eingeschläfert worden, er hatte einen grossen Tumor.

Ausblick - Wie stellst du dir ein Leben in einem Altersheim vor?
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58.  Ausblick - Wie stellst du dir ein Leben in einem Altersheim vor?

Mein Projekt und Vision ist der «Einzug ins Altersheim neue Trotte in Zürich», und dabei unabhängig und selbstbestimmend zu bleiben. Auch möchte ich mich bis zuletzt engagieren, mich einzubringen, um auch im Alter etwas Sinnvolles zu tun. Ich möchte integriert leben an einem Ort mit 90 Menschen. Ich bin der Meinung, dass sich Vieles bewegen und einbringen lässt.

Tätigkeiten wie putzen, Hausarbeiten und ständig sich wiederholende Arbeiten waren nie meine Leidenschaft gewesen.


10.10.2015                                                      Direktion Alterszentrum Stadt Zürich
                                                                       Geschäftsleitung
                                                                       Walchestr. 31


Anmeldung in der neuen Trotte 

Sehr geehrte Damen und Herren


Ich wurde am 28.09.1943 in Zürich geboren. Ich besuchte und begleitete meine Mutter während 16 Jahren im Altersheim Trotte. Es wurde mein zweites zuhause. All die vielen Jahre hindurch bis jetzt, half ich immer wieder gerne aktiv als freiwillige Mitarbeiterin an der Seite der Aktivierungstherapeutinnen für und mit den Heimbewohnern. Ich setzte meine Fähigkeiten und Kompetenzen als Künstlerin und Erwachsenenbildnerin mit Freude in der Trotte ein. Dies alles waren Gründe, die mich bewogen, mich bereits mit 65 Jahren bei der WiA für den Ersatzneubau der Trotte anzumelden.
Jetzt werden die Heimbewohner ins Schwesternhaus des Triemli umgesiedelt, bis die neue Trotte gebaut und umzugsbereit ist. Leider kam nun die neue Bestimmung heraus, die besagt, dass man sich bloss ein Jahr im voraus anmelden kann. Somit bin auf keiner Liste mehr aufgeführt. Die Alte hat keine Gültigkeit mehr und eine neue existiert noch nicht.
 
Das macht mir grosse Sorgen. Nach so langem Hoffen und Bangen, ob eine neue Trotte gebaut wird und ich gemäss meiner früheren Anmeldung darin einziehen dürfte, befürchte ich nun zwischen Stuhl und Bank zu fallen.
 
Ich bitte Sie inständig, mir mitzuteilen, an wen ich mich, wann und wie wenden kann. Von Frau Dr. Hänni, Heimleiterin weiss ich, dass es voraussichtlich Herbst 2017 werden wird, bis die Zeit dafür reif ist. 
Würden Sie mir bitte vorschlagen, wie ich mich am besten verhalte, um auf die Liste der neuen Trotte aufgenommen zu werden, damit meine Angst und Unsicherheit gedämpft wird und ich mich auf meinen Eintritt freuen kann? 
Ich danke Ihnen für eine Rückmeldung und Grüsse Sie freundlich.


Esther Tina Wagner


Das war ja im Jahr 2015.

Am 25.02.2019 bekam ich eine Einladung, die neue Trotte, welche noch im Bau war, zu besichtigen. Am 29.02.2019 hatte ich dann ein Gespräch mit der neuen Heimleiterin, um das Zimmer zu bestimmen und einen Zimmerplan zu erhalten. Den Vertrag erhalte ich voraussichtlich im März 2019 und der Umzug der jetzigen Heimbewohner ist voraussichtlich im Juni geplant und meiner im Juli. 2019.

Na ja, ich bin immer noch plus minus zufrieden mit dem Resultat. Jetzt bin ich eben 10 Jahre älter, was ein grosser Unterschied macht. Was meine Vision ein wenig über das Heim trübt war die lange Wartezeit, welche einen finanziellen Verlust zur Folge hatte aufgrund der Einsprachen, die bis vor Bundesgericht gingen. Deshalb wurden weniger Zimmer gebaut als geplant und weitere Sparmassnahmen wurden eingeführt. Unter anderem fiel eine wichtige Option weg, eine kleine Kochnische einzubauen. Somit gab es kein Servicewohnen. Es wäre das erste Heim mit diesem Servicewohnen in Zürich gewesen. Einige meiner Bekannten wollten auch ca. im gleichen Alter dorthin kommen, doch mit diesem Angebot finden sie es noch zu früh und warten bis sie älter sind. Genau das ist aus meiner Sicht sehr bedauerlich, denn das heisst, dass die Attraktivität sich freiwillig für einen frühzeitigen Heimeintritt zu entscheiden wegfällt. Das heisst, wenn Menschen warten, bis es nicht mehr anders geht, ist das psychische Wohlbefinden nicht mehr dasselbe. Viele werden als «abgelöschte» Mitbewohnende einziehen. Leider regiert das Geld, das Heim wird sowieso gefüllt werden.
Sooooo schade!!!!!!!


Richtlinien für den Bau von Altersheimen der Stadt Zürich 
© 2008 Stadt Zürich, Immobilien-Bewirtschaftung
Zukunftsfähige Wohnform Altersheim


Wohnen im Alter wird diskutiert. In den Medien, in Wirtschaft und Wissenschaft – und vor allem auch in der Bevölkerung. Warum? Gesucht und diskutiert werden vor allem neue und differenziertere Wohnformen im Alter und die Möglichkeit, unter ihnen frei wählen zu können. Das ist natürlich ein Ausdruck unserer freiheitlichen und pluralistischen Gesellschaft mit ihren unterschiedlichen Lebensentwürfen. Auf dieser Palette bieten sich auch die zurzeit 27 städtischen Altersheime an. Sie sind ein wichtiges und beliebtes Angebot in unserer Stadt. 
Unser Leitmotiv ist «Soviel Sicherheit wie nötig – soviel Individualität wie möglich!» Die Wohnform Altersheim entwickelt sich zu einer Einrichtung mit aus- geprägtem Dienstleistungscharakter. Wir haben für diese Entwicklung den Begriff geprägt: ServiceWohnen im Alter. Wesentliche Elemente sind: noch mehr Wahlmöglichkeiten, ein breiterer Fächer von angebotenen Dienstleitungen, eine vermehrte Öffnung der Heime hin zur Quartierbevölkerung, eine neue Kooperation mit externen Anbietern, die sich teils im Heim einmieten. Das Projekt ServiceWohnen der Altersheime der Stadt Zürich greift wichtige gesellschaftliche Entwicklungen auf und gibt ihnen eine Form, die für unsere Zürcher Heime realisierbar ist und sie zukunftsfähig macht.


Verschiedene Wohn- und Betreuungsformen im Alter
Die vielfältigen Wünsche und Bedürfnisse für ein selbstbestimmtes Leben im Alter widerspiegeln sich in den Wohn- und Betreuungsformen, die älteren Menschen wählen bzw. die für sie angeboten werden.
Je nach Selbständigkeit und gewünschter Individualität, aber auch je nach notwendiger Betreuung und Pflege, stehen unterschiedliche Wohnformen zur Auswahl.
In den Altersheimen der Stadt Zürich wird den Bewohnerinnen und Bewohnern heute ein Vollservice angeboten und verrechnet. Soll dieser Vollservice nicht in Anspruch genommen werden, besteht die Möglichkeit, auf einzelne Dienstleistungen zu verzichten, z. B. Waschen, Zimmerreinigung, Frühstück oder Abendessen zubereiten. Für die selbst erbrachten Leistungen wird eine Rückerstattung auf den Pensionspreis gewährt.
Künftig soll das Vollversorgungspaket verstärkt auf die Bedürfnisse der BewohnerInnen ausgerichtet, flexibel gestaltbar und individuell wählbar sein. Mit dem Konzept ServiceWohnen im Alter wird die bewährte Wohnform Altersheim weiterentwickelt; speziell wird eine grössere Flexibilität der Serviceleistungen im Alltag angestrebt.


ServiceWohnen im Alter
Wohnen im Altersheim mit ServiceWohnen soll idealtypisch eine Wohnform sein, die die Vorzüge des Individual- und des Kollektivhaushaltes verbindet. Sie soll möglichst grosse Autonomie garantieren, Interaktionen mit anderen Menschen ermöglichen, die nötige Sicherheit geben und gleichzeitig eine Vielfalt von Dienstleistungen anbieten, ohne dass die BewohnerInnen institutionellen Zwängen unterworfen sind.
Auch wenn die Fläche der persönlichen Wohneinheiten kleiner ist als jene regulärer Wohnungen auf dem Markt, bietet sie genug Raum für Rückzugsmöglichkeiten und Individualität mit persönlichen Möbeln und Erinnerungsstücken aus dem bisherigen Leben. Das gemeinschaftliche Leben mit Aktivitäten und Treffs findet vorrangig in den Gemeinschaftsräumen, wie Restaurant, Bibliothek, Saal etc. statt.
Das Einbetten des individuellen Wohnens innerhalb einer Institution ermöglicht die Teilnahme an der Gemeinschaft ohne Aufwand oder Überwindung von grossen Distanzen, aber mit der Möglichkeit zum Rückzug in die eigenen vier Wände. Wie ein Hotelbetrieb bietet ServiceWohneneinen Rundum-Service während 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr.
Die Grundleistungen umfassen:
– Appartement mit Nebenraumanteil
– Notfalldienst-Bereitschaft
– 1 Mahlzeit pro Tag
– Grundreinigung des Appartements 6 Mal pro Jahr
– Reinigung der Bett- und Frotteewäsche
– Benutzung der Gemeinschaftsräume, des Waschsalons und des Gartens – Teilnahme an sozialkulturellen Veranstaltungen
Einzelne Mahlzeiten, die wöchentliche Reinigung des Appartements und die Reinigung der persönlichen Wäsche können selbst übernommen werden. Dies ermöglicht es, die gewohnte individuelle Versorgung solange als gewünscht beizubehalten und damit aktiv und selbständig zu bleiben, ohne auf die Sicherheit der Wohnform Altersheim verzichten zu müssen. Für die differenzierten Wohnbedürfnisse wird eine geeignete Infrastruktur wie Kochgelegenheiten im Appartement oder ein Waschsalon angeboten
Ueli Schwarzmann
Direktor
Altersheime der Stadt Zürich. Ein Lob der Stadt Zürich

© 2008 Stadt Zürich, Immobilien-Bewirtschaftung

Neues Alterzentrum Trotte ist Ende 2019 Bezugsbereit
Doch so Schade
Die wunderschöne neue Trotte, wird jetzt leider nicht mehr mit kleinen Küchen im Zimmer ausgestattet, das heisst ServiceWohnen ist weg?

NUN IST ES SOWEIT, 10 JAHRE GEDULD!!!!!!!
Es ist soweit, auf den 3.7.2019 zeihe ich in das Alterszentrum Trotte. Meine neue Adresse:
Esther Tina Wagner
Nordstrasse 349 /Z.316
8037 Zürich
Tel. vom Heim Trotte Tel. 044 414 20 58
Mein Mobil 079 316 26 59
E-Mail: wagnertina43@gmail.co

Liebe Verwandten und Freunde
Endlich ist es soweit, 10 Jahre Geduld, endlich ziehe ich ins Heim.
Monatelang sortierte ich die vielen Sachen von meiner 4-Zimmerwohnung, um diese für eine 1-Zimmerwohnung zu reduzieren. Leicht wie ein Vogel es geschafft zu haben, gewöhnte ich mich dann langsam an das neue Wohnen und Heimisch werden.
Hoffentlich kann ich mich noch etwas einbringen. Im Krankheitsfall
umsorgt zu werden, anstelle zu putzen, zu waschen und mich mit einkaufen zu beschäftigen, möchte ich mich auf meinen geistigen Zustand konzentrieren. Mit den 90 Mitbewohner bekomme ich täglich soziale Kontakte und erweitere meine Kompetenzen, übe, um neue Einsichten zu gewinnen.

Ich freue mich auf viele interessante Erlebnisse, natürlich werde ich üben
toleranter und urteilsfreier den Mitmenschen gegenüber zu treten.
In einem Heim gibt es viele Möglichkeiten: Atelier, Fitness, Whirlpool, gute
Gespräche, spielen und Neues ausprobieren. Ich bin auch daran meine
Biografie zu schreiben, was mir viel Freude bereitet.
So wie ihr seht habe ich, viel Neues vor, mich zu freuen und neugierig zu
bleiben. Auch euch im Heim zu empfangen und zusammen im schönen
öffentlichen Restaurant zu essen.
Auf ein baldiges Wiedersehen freue ich mich.

Herzliche Grüsse Tina
Wie ist es nun nach 2 Monaten leben im letzten Lebensabschnitt?
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59.  Wie ist es nun nach 2 Monaten leben im letzten Lebensabschnitt?


(1) Aussenansicht vom neuen Alterszentrum Totte
Aussenansicht vom neuen Alterszentrum Totte


Nun lebe ich schon seit Juli, genau seit 7.7.2019 im neuen Alterszentrum Trotte, also heute ist der 8.09.2019.

Ich war vom ersten Tag an überglücklich, weil alles geklappt hat mit den Möbeln, die mir wichtig waren und die mir auch hier ein heimeliges Gefühl geben. Ich habe ja viele Monate, beinahe ein Jahr sortiert, geplant und nach einem kleinen Massstab die Möbel platziert. Ich habe das ja schon immer so gemacht und war mir sicher, dass es auch dieses Mal klappt.

Einige sagten mir, dass ist viel zuviel und zu gross sein werde, richtig nervig, doch ich vertraute meinen vielen Erfahrungen, denn nach so vielen Umzügen bin ich vermutlich professionell unterwegs. Sehr komisch finde ich im Nachhinein, dass wenn diese Menschen dann sehen wie alles geworden ist, sie nicht zugeben können, dass sie sich getäuscht haben.

Für mich unverständlich!!! Sie finden alles sehr schön und können dennoch nicht zu ihren Worten stehen.

Die grösste Herausforderung war mit nur einem Zimmer und begrenzten Verstauungsmöglichkeiten alles zu berechnen und Sachen zu eliminieren, dass es auch aufgeht. Ich wollte mich ja auch am neuen Ort in allen Bereichen, Büro-, Schlafbereich, Kleider usw. wohl fühlen können.

Meine Tochter Faika kam für 4 Tage von Istanbul, um beim Einrichten zu helfen. Alles war aufgeschrieben, angeschrieben und nummeriert was wohin versorgt werden sollte. Am 2. Tag gingen wir das fehlende einkaufen, ich bat sie, ein Auto zu mieten, damit wir das elegant transportieren konnten. Am 3.Tag konnten wir die Bilder aufhängen und alles war perfekt. Sie reiste am 4. Tag wieder zurück nach Istanbul.

Soviel ich weiss wird mein Zimmer im Prospekt erscheinen, sie kamen vorbei, um zu fotografieren.
Nun bin ich eben schon 2 Monate im Alterszentrum, es gibt einiges zu lernen, wie und was wo ist und funktioniert. Natürlich gibt es einige anfangs Schwierigkeiten und technische Anpassungen wie auch organisatorisches im Heim.

Die Infrastruktur ist hervorragend, im obersten Geschoss gibt es eine Physio und einen Fitnessraum auf höchstem Niveau. Dazu natürlich auch eine Aktivierung mit allen möglichen Angeboten wie spielen, turnen, singen und backen u.v.m. Es gibt auch ein Computer und Drucker zur allgemeinen Verfügung der HeimbewohnerInnen, die keine eigenen Geräte haben. Es gibt ein Whirlpool sowie auf jedem Stock eine grössere Küche. Wöchentlich gibt es auch Film-, Theater- und Konzertveranstaltungen oder Vorträge im Mehrzwecksaal. Das Restaurant ist öffentlich, jedoch nur bis 18 Uhr geöffnet.

Mein eigentlicher Grund weshalb ich so früh und noch in guter Verfassung in ein Alterszentrum ziehen wollte war, mit meinen Erfahrungen als dipl. Erwachsenenbildnerin und Künstlerin und meinen anderen Begabungen noch etwas Sinnvolles bewirken zu können. Mir gelingt es immer noch auf meine natürliche und spontane Art schnell einen Zugang zu den Menschen zu erhalten. Ich mag Menschen. Und da meine Tochter und meine Grosskinder im Ausland leben, finde ich es sehr befriedigend, eine sinnvolle Beschäftigung zu haben und so sozial eingebunden zu sein.

Es gibt meiner Meinung nach immer noch sehr viele Menschen, die in einem Altersheim eher in ihren Zimmern weilen und sich nicht integrieren können, weil sie es nie geübt haben oder weil sie psychisch in einem Loch stecken.

Ein ganz wichtiger Punkt oder sogar der Wichtigste ist für mich ist, dass ich merkte, wie ich Menschen, die ich hier begleite, positiv unterstützen kann, wenn sie zweifeln oder Ängste haben. Mir gelingt es oft, sie aufzumuntern und sie nicht zusätzlich in ihren Angstprozessen zu fördern, sondern viel mehr mit motivierenden Gedanken, neue Ziele für eine Verbesserung zu finden, Begeisterung erwecken, so können sie wieder lachen und beginnen auf spielerische Art und Weise etwas zu ändern. Oft verändert sich merklich etwas weg vom Motzen hin zu mehr Freude und Anteilnahme. Die Betreuung/das Pflegepersonal reagiert dann auch viel Positiver und es entsteht eine «win-win» Situation. Alles beginnt im Kopf und im Herzen.

So ist es nach kurzer Zeit passiert, dass ich diese Personen anzog und Vertrauen erhielt.
Was mich riesig freute, ich besuchte sie kurz, ging auf sie ein und konnte immer mehr Offenheit bewirken, oder für Anliegen vermitteln. Doch langsam mussten ich auch feststellen, dass ich an meine Grenzen stiess, dass meine eigene Zeit immer kleiner wurde, und sich ab und zu auch Probleme zeigten, die mir zu nahe gingen. Jetzt lerne ich, auch für mich mass zu halten, geduldiger zu sein und ab und zu NEIN zu sagen. Es ist so erfreulich jeden Tag kleine Erfolge festzustellen, und doch auch Zeit für seine eigenen Interessen übrig zu haben.

Ich gehe jeden Morgen um 7.30 Uhr eine Stunde ins Fitness, was mir sehr gut tut. Ich habe jetzt auch wieder begonnen an meiner Biografie zu schreiben. Und mich auf Besuch zu freuen und ihnen das Heim zu zeigen oder in der Stadt mit jemandem abzumachen und zusammen etwas zu unternehmen. Auch mit HeimbewohnerInnen, die noch in guter Verfassung sind unternehme ich etwas. So langsam lerne ich ein ausgewogenes Mass an Nähe und Distanz zwischen mir und den BewohnerInnen zu erhalten.

 

(2) Wohnzimmer

Wohnzimmer



(3) Mohnblumen im Garten der Trotte

Mohnblumen im Garten der Trotte
Warst du schon früh mit Sexualität konfrontiert? Wie? Wie hast du das erlebt und inwiefern hat dies dein späteres (Sexual-)Leben geprägt?
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60.  Warst du schon früh mit Sexualität konfrontiert? Wie? Wie hast du das erlebt und inwiefern hat dies dein späteres (Sexual-)Leben geprägt?

Es ist krass, ich habe ja schon mehrmals über den Missbrauch durch meinen Vater geschrieben. Eigentlich glaubte ich, dass ich das Trauma aufgearbeitet habe, doch scheint es so, dass immer wieder etwas Tieferes zum Vorschein kommt. Jetzt mit 76 Jahre kommt wieder
ein Hammer, der mich tief berührte. Im Fernsehen sah ich in den Nachrichten, dass Opfer sexueller Gewalt per Gesetz besser geschützt werden sollten. Und auch, dass ein NEIN genügen sollte, ob ein sexueller Akt geschehen soll oder nicht.

Aber das Verrückte daran ist doch, dass bei einem Freund oder Lebenspartner die Hemmung sich körperlich zu wehren, wenn das nein nicht akzeptiert wird, sehr viel schwieriger umzusetzen ist. Eine Unterlegenheit ist doch dann schon da und wenn man die Person gar liebt ist es doch fast nicht möglich auch noch eine Anzeige zu machen. Die Hemmschwelle ist sehr hoch, finde ich, ausser man wird geschlagen oder gar brutal verletzt. Aber auch das ist sehr schwierig für’s Opfer. Mein Mitgefühl gilt aber auch den Männern, auch sie sind vermutlich Opfer, wie will so etwas gerecht oder eine Schuldfrage bewiesen werden können?

Gestern 21.5.2019 wurde ich von einem früheren «Schwarm» eingeladen, ich nenne ihn hier «Egon». Unsere Begegnungen waren erstmals vor über 50 Jahren. Ich kam von Istanbul mit meiner 9-järigen Tochter und zwei Koffern in die Schweiz zurück und wollte damals weiter nach Arizona in den USA ziehen. Doch kam alles anders als geplant. Ich landete mit viel Glück am Flughafen Kloten als Sekretärin im Bereich Public Relations. Meine Erfahrungen dazu erzählte ich im Abschnitt Auslandaufenthalt.

Dieser Egon war damals ein junger Betriebspsychologe, sehr scheu, ganz das Gegenteil von vielen Männern (Piloten, Stewards ...), die ich damals kennenlernte. Egon’s Scheuheit reizte mich. So begann eine Liebschaft an den ungewöhnlichsten Orten, im Wald oder anderen versteckten Orten. Das war damals oft meine Vorliebe, nur nicht etwas Gewöhnliches erleben, zuhause auf dem Rücken im Bett in «Missionarsstellung» oder so.

Viel später, da war ich schon wieder verheiratet, hat mich Egon trotz meines neuen Namens und dem neuen Wohnort in einem anderen Kanton, ausfindig machen können. Er meldete sich bei mir via E-Mail und fragte, ob wir uns wieder einmal treffen könnten, was wir dann auch, wenn nur sehr selten und nur zum Reden, auch taten.

Erst als ich viel später Witwe war und wieder in Zürich wohnte, verabredeten wir uns wieder zu einem Rendez-vous, um gemeinsam zu essen. Es war sehr schön, wir tranken ziemlich viel Wein, danach brachte er mich nach Hause. Da passierte es wieder, es war freiwillig und gegenseitig. Ab und zu wiederholten wir unsere Treffen. Er wusste über mein Trauma des Missbrauches und wollte jedesmal wenn wir uns trafen mehr darüber erfahren. Dies war mir jedoch sehr unangenehm, was ich ihm dann auch zu verstehen gab. Nun wir hatten keinen schlechten Sex, doch wollte er oft Oralsex, was mir Mühe bereitete und ich ihm auch sagte. Er wusste ja von mir, dass ich von meinem Vater oral missbraucht wurde, als ich 6 Monate alt war und beinahe daran erstickt wäre.

Gestern begann er dann wieder darüber zu sprechen und reagierte auf meine starke Abweisung gegenüber Oralsex und spiegelte mir meine kämpferische oder abartige Art diesem Thema gegenüber. Die Fernsehnachrichten über Opfer brachten bei mir dieses Thema nochmals voll an die Oberfläche und ins Rollen. Egon und ich trafen uns sehr selten und sexuell lief schon seit einiger Zeit von meiner Seite her nicht mehr. Doch das krasse daran ist, dass ich ihm nicht sagen konnte, dass ich das Gefühl hatte, dass er sich durch meine traumatisierenden Erfahrungen und durch meine Erzählungen aufgeilte. Erst im Nachhinein, als ich während der Fernsehsendung die Opfer erzählen hörte, zeigte es sich mir, wie schwierig es ist, sich offen und ehrlich wehren zu können und zu sagen, was man denkt.

Ich stellte erst da richtig fest, wie ich mein Leben lang Rücksicht nahm, wo diese nicht hilfreich war und dass ich nicht immer ehrlich bin und war.

Das Muster, Andere nicht zu verletzen oder blosszustellen, stand bei mir weit über dem Wert dadurch selber verletzt zu werden. An diesem Thema werde ich nun arbeiten, sodass meine Massstäbe mindestens gleich lang sind. Das ist Eigenliebe, ich möchte ihr mehr Wert und Platz geben.
Résumé - und plötzlich wurde es mir noch klarer wie Zusammenhänge entstehen - mein Beitritt zu Exit
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61.  Résumé - und plötzlich wurde es mir noch klarer wie Zusammenhänge entstehen - mein Beitritt zu Exit

Was heisst eigentlich Resilienz? Psychische Widerstandskraft, die Fähigkeit schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen. Herausforderungen wahrzunehmen, den Sinn darin erkennen zu können und versuchen und diese mit Neugier anzugehen.
Ich weiss heute, dass wir Menschen mit eigener Würde geboren werden.

Kohärenz ist eine meiner wichtigsten Gaben, die ich erhalten habe in dieser Inkarnation, Zusammenhänge zu erkennen und entsprechend meinen Werten zu handeln.
Vergeben heisst auch geben. Verzeihen heisst auch Verzicht.

Meine Erkenntnis ist, vermutlich bereist von klein an, ich wollte nie Opfer sein. Natürlich war mein Vater körperlich viel mächtiger, doch ich fühlte mich ihm überlegen. Nach meinem Gefühl war er mit seinem zwanghaften und übermächtigen Sexualtrieb und Sucht das Opfer. Er war über sich nicht Herrscher und mächtig, «denn er wusste nicht was er tat». So musste er sich danach immer wieder zutiefst verachtet haben. Bei diesem langen und schweren Missbrauch an mir und meinen beiden Schwestern war dies sicher sehr schmerzhaft und total unverständlich. Doch er war eigentlich das Opfer seines Triebes.

Ich bin nicht zerbrochen daran. Ich habe gut überlebt - «was mich nicht umbringt oder zerbricht, macht mich stark!»

Ich kann verzeihen, ich kann vergeben. Aber ich kann nicht oder nie vergessen!!!!
Schwere Taten, wenn das Leid verschwiegen wurde, hat mit der damaligen Zeit zu tun. Dass es nicht mehr unter den Teppich gewischt wird, ist das Gute daran. Und dafür sorge ich.

Gibt es eine Equivalenz? Eine Schuld Gutmachen? Kann man so etwas überhaupt gerecht beurteilen? Das Gesetz kann dies auf jeden Fall nicht.

Verzeihung kann nicht instrumentalisiert werden!!!!

Hattest du mit Organisationen wie Exit Kontakt, bzw. wie stellst du dich persönlich dazu?

Ich bin seit vielen Jahren bei Exit. Ich habe meine Patientenverfügung Detail genau geschrieben und fachlich mit meiner Hausärztin besprochen und angepasst. Diese ist auch bei Exit hinterlegt. Ich trage meinen Ausweis mit der Exit-Mitgliedernummer immer bei mir. Im Notfall oder wenn ich ins Spital gehen muss, hoffe ich, dass die Menschen dann im Internet nachlesen werden.


Seit vielen Jahren vertrete ich die Ansicht, dass sich junge wie alte Menschen eine Verfügung erarbeiten sollen, um die Familie und Ärzte in einer schwierigen Entscheidungslage zu entlasten. Leider finden die meisten, dass sie es dann mal tun möchten bei einer anderen Gelegenheit, doch bleibt es beim nicht-tun. Ich finde, wir haben auch in diesem Bereich Eigenverantwortung zu übernehmen, vor allem mit den heutigen medizinischen Möglichkeiten.

Etwas ganz Wichtiges war für mich bis heute, dass ich selber bestimme was ich untersuchen lasse und welche Medikamente ich regelmässig einnehmen möchte. Die Medizin kann heute sehr viel, für beinahe alles gibt es Pillen, die helfen ein Risiko einzudämmen mit zum Teil grösseren Nebenwirkungen. Ich stelle fest wie viel jeden Tag geschluckt wird und alles untersucht wird bis ins höchste Alter. Meiner Ansicht nach hindert das alles, auch dass ich natürlich sterben kann.

Für mich würde nur noch essen und schlafen zu können nicht ausreichen, um Lebensqualität zu finden. Ich bin ganz fest von den eigenen Heilungsmöglichkeiten überzeugt. Wichtig ist mein seelisches Gleichgewicht aufrecht halten zu können und immer wieder zu prüfen, was mein Körper mir bei Störungen oder bei Krankheit sagen will, um dann die Botschaft zu analysieren und dementsprechend mein verhalten zu verändern. Natürlich gehören gesunde Ernährung und Bewegung auch dazu damit mein Immunsystem unterstützt wird.

Wie ging es weiter seit ich im Altersheim eingezogen war?
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62.  Wie ging es weiter seit ich im Altersheim eingezogen war?

Es gefällt mir immer noch in vielen Belangen gut und ich bereue meinen Entscheid, frühzeitig und «freiwillig» in dieses Alterszentrum gezogen zu sein, nicht.

Mein Engagement mit den BewohnerInnen macht mir manchmal Mühe wenn ich über längere Zeit merke wie es stagniert, dann kommt eine Ungeduld in mir hoch. Ich musste mit Schrecken feststellen, dass mein Verhalten gegenüber den Betroffenen sich veränderte, Aktion und Reaktion, was ja meistens ein Spiegel seiner selbst ist, veränderte sich zusehends. Ich mit meiner positiven Energie im aufbauenden Modus war plötzlich nicht mehr so da. Aber was mir seit einigen Tagen passierte ist, bei einem Kollegen, der sehr philosophisch unterwegs ist und den ich bewundere sowie bei einer depressiven Frau, reagierte ich sehr harsch und wollte sie beinahe zu etwas zwingen. Ich musste feststellen, dass sich tief in mir drinnen plötzlich eine Angst breit machte, dass auch ich eines Tages die Kontrolle über mich verliefen könnte. 

Diese Reaktion und Erkenntnis lösten eine tiefe Trauer aus, die meine positive fröhliche Art verdrängte.

Ich habe gelernt den Ausgleich und bewusst das Positive zu sehen und so das Gleichgewicht zu halten. Wie mir das jetzt im Heim, umgeben von nur Betagten und Behinderten gelingen soll, fordert mich heraus einen neuen Weg zu finden.

Mit Mass möchte ich mich mit den vorgenommenen Zielen auseinandersetzen, andere zu unterstützen und aufzubauen und mich auch ausserhalb mit Menschen zu umgeben. Mich meinen Hobbys zuwenden, dem Malen, was momentan leider stagniert, dem Schreiben auf der Plattform «meet-my-life», was mir immer noch sehr viel Spass macht sowie mich an der Senioren-Uni betätigen.

Es gibt hier ja auch viele junge Menschen und auch sehr nette Angestellte. Für mich sehr wichtig sind auch die viele Vorbilder hier, die in ihrer schweren Situation ihre positive Ausstrahlung aufrechterhalten und diese nicht verlieren.

Ich überlegte mir wegen des fehlenden Ausgleichs, für 4 Wochen zu meiner Tochter in die Türkei zu reisen, doch dann kam Corona.

Leider stellte ich fest, dass mir das auch Angst bereitete, denn mein türkisch ist nicht mehr optimal und in letzter Zeit habe ich sogar Mühe, mich hier mit klarem Kopf in einer grösseren Gesellschaft auf deutsch zu unterhalten. Faika meinte, als ich diese Ängste kundtat, ich müsse einfach nur da sein und beobachten oder meinen Gedanken nachhängen und nicht mitdiskutieren wollen. Ja, das wäre eine gute Übung, doch bin ich eben eine kommunikativere Person als sie. Ob ich das schaffe weiss ich nicht. Es wird auf jeden Fall eine grosse Herausforderung hier im Heim und auch in der Türkei.

Faika flog nach Genf, um Weihnachten da zu verbringen. Wir trafen uns, gingen in die Oper, besuchten den Märit und hatten eine vergnügliche Zeit. Danach flogen wir gemeinsam nach Istanbul und ich blieb 1 Monat u.a. auch in Koslu. Wir verbrachten eine schöne Zeit.



(1) Weihnachten 2019 in Genf

 

Weihnachten 2019 in Genf

Früher hatte ich in so einer Phase einmal eine Auszeit im «Exil» für eine Woche, um wieder den «Rank» zu finden. Ich werde auch in dieser Situation wieder einen neuen Weg finden und meine Mitte finden, ohne meine ganzen Pläne über den Haufen zu werfen. Ich merke, dass es für mich auch ganz klar ist, dass ich meine Vorstellung über den frühzeitigen Heimeintritt nicht aufgeben werde, ich wollte mich ja neu definieren und neue Herausforderungen annehmen, um daran zu wachsen.

Faika und ich sind uns in Vielem sehr ähnlich, oft überschreitet sie ihre Grenzen wie ich es auch immer tat, doch auch sie ist unglaublich stark und ist sehr am Lernen, nicht allen alles recht zu machen, sondern sich zuerst auf sich zu besinnen und dann auch mal NEIN zu sagen!

Auch wir lernen einen immer besseren Dialog zu finden, denn wenn wir «aneinander» geraten, sind wir beide sehr unglücklich. Dann sind die Mutter-Tochter-Kind-Grosskinder-Beziehungen kein Zuckerschlecken. Aber sehr bereichernd wie auch beglückend mit allem Drum und Dran.

Der Spruch von Antonie de Saint Exupery passt sehr gut zu meinem Denken und unterwegs sein:
Es ist gut, wenn uns die verrinnende Zeit nicht als etwas erscheint das uns verbraucht, sondern als etwas, das uns vollendet.

Wie stellst du dir deine letzten Jahre auf Erden vor?
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63.  Wie stellst du dir deine letzten Jahre auf Erden vor?

Ich bin schon seit langem der Meinung, dass ich nicht uralt werden möchte, das heisst ich lebte mein Leben in vollen Zügen, habe wenn möglich meine Wünsche und Vorhaben umgesetzt und diese nicht auf die lange Bank geschoben. Ich bin schon jetzt sehr lebensmüde. Es ist mir sehr wichtig, dass ich einmal bei vollem Bewusstsein sterben möchte, wenn nötig mit Exit, denn pflegen kann man mich nicht. Meinem Gefühl nach werde ich plus/minus 85 Jahre alt. Hier im Heim sehe ich zur Genüge wie viele Menschen nur noch dahinvegetieren, das ist für mich auf keinen Fall mein Ziel!!!

Jetzt endlich ziehe ich im Juli in mein letztes Zuhause, viel später als vorgesehen. Vieles ist heute anders, mit einer Freundin, der damaligen Leiterin und Aktivierungstherapeutin, hatte ich viele kreative Ideen und Projekte entwickelt, die ich mit den HeimbewohnerInnen mit Keramik und anderen Materialien umsetzen wollte. Damals hatte ich einen Ofen und Utensilien im Zivilschutzkeller eingelagert und eine grosse Stele von mir stand im Garten. Im Moment ist alles offen, ob meine Projekte dann auch in der neuen Trotte Platz finden. Ich wurde zu Beginn als Künstlerin und dipl. Erwachsenenbildnerin sehr geschätzt. Die neue Leiterin jedoch wurde nicht informiert und ist momentan zu sehr beschäftigt mit all den Vorbereitungen des Umzugs in den Neubau, dass sie keine Entscheidungen treffen kann. Ich werde diplomatisch sein und meine Projektideen zu einem passenden Zeitpunkt vorbringen.

Ich wollte mein Leben lang autonom sein und deshalb war dieser Aspekt einer meiner Hauptgründe, weshalb ich frühzeitig ins Altersheim ziehen wollte, damit ich meine Zukunft mitgestalten konnte.

Schon von klein an lernte ich «zu müssen» und gezwungen zu werden. Das löste bei mir jeweils Resignation aus. Wenn ich aber selbstbestimmt meinen eigenen Weg wählen konnte, auch wenn dieser mühsam war, blieb ich erfolgreich und zufrieden. Das war immer mein roter Faden im Leben und bleibt es hoffentlich auch bis ganz zuletzt.

Auch wie ich sterben will ist schon seit vielen Jahren unter dem Titel «Mein letzter Wille» geschrieben.

Wie bereits schon oft im Leben, oder besser gesagt, wie durch ein Wunder las ich vergangene Woche von der Website «meet-my-life» und informierte mich über das Angebot. Nun habe ich damit ein neues Projekt gefunden, das mich hoch motiviert und begeistert. Ich brauchte einige Zeit, um mich einzuleben und mich geborgen und heimisch zu fühlen. Nun fand ich einen Sinn im Schreiben meiner Biografie für meinen letzten Lebensabschnitt, deshalb kann ich offen für Neues sein.

Ich wollte schon lange und immer wieder schreiben, über mein Leben, ich bekam auch schon Empfehlungen von «Ghostwriter», weil ich mich nicht stilsicher genug fand. Einmal war ich an der Universität Zürich zum Thema Biografien schreiben. Ich kann auch heute noch nicht mit Frontalunterricht lernen, frustriert hörte ich damals damit auf.

So geht alles immer mehr der letzten Station entgegen und ich werde immer leichter und freier. Das ist für mich sehr wichtig, denn für die letzte Reise gibt es keine Taschen, nur Erkenntnisse, die werde ich mitnehmen.
Jugend heute - Der Corona Virus und danach
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64.  Jugend heute - Der Corona Virus und danach

Ab 09.03.2020 war bei uns das Heim geschlossen.

Was passiert wirklich in allen Belangen wie im Bereich Gesundheit, in der Wirtschaft, und die grosse Masse mit ihren Gewohnheiten und Werten?

Was passiert mit den Jugendlichen in einer Zukunft die sich zwangsläufig so drastisch veränderte und sich neu erfinden und definieren muss?

So was wir (ich) hier im Heim erlebten ist wie überall, immer mehr wird entschieden was für uns wichtig ist und was gemieden oder verboten wird. Die BewohnerInnen sind vorwiegend mit kleineren und grösseren Beschwerden und Problemen konfrontiert. Viele reagieren passiv aufs Neue und sind nicht bereit Neues auszuprobieren, dadurch werden sie immer einsamer, obwohl sie in einer grossen Gemeinschaft leben. Dieser Virus machte diese Einsamkeit noch grösser, da der Kontakt zueinander und zur Aussenwelt immer kleiner wurde, um Abstand zu halten. Aktivitäten wurden gestrichen, weil man sich zu nahe sei. Gemeinsames Turnen, Singen usw. fiel gänzlich aus. Therapeuten, Podologen usw. dürfen nicht mehr ins Haus. Dabei fände ich es wichtig, da genau solche Angebote helfen einerseits die Moral zu unterstützen und andererseits Voraussetzung für ein gutes Abwehrsystem sind. Lachen, singen und bewegen, die Angehörigen zu treffen, sich umarmen können sind speziell im hohen Alter wichtige Grundlagen.

Es ist unmöglich alles 100 % steril zu haben, in einem Heim müssten alle Menschen ins Zimmer verbannt werden, denn Treppen laufen können die Wenigsten noch. Die Bewohner würden in kurzer Zeit depressiv werden und in Einsamkeit versinken. Das ist sicherlich keine gesundheitsunterstützende Massnahme.

Ich bin froh, dass ich nicht so wichtige Entscheide treffen muss, wie unser Bundesrat dies die letzten Monate tat. Hintendrein ist sowieso alles falsch gewesen was entschieden wurde.

Doch ich finde ein gesunder Menschenverstand müsste auch noch Platz haben im Ganzen. Mitentscheiden zu können wäre für mich eine wichtige Voraussetzung und für so eine schwierige Lage wertvoll. Etwas mehr weg vom «Paragraphen reiten» hin zu mehr Mut, Neues zu wagen könnte eine echte Bereicherung sein. In dieser Krise ist Kreativität gefordert!

Ich glaube wir brauchen ein generelles Umdenken, Angst ist auch hier unser grösster Feind. Die Situation war schon lange Vielen klar, so kann es nicht weitergehen, wie wir achtlos mit der Natur umgehen, wie wir so sehr auf Ablenkung bedacht sind und unsere Werte mit Füssen treten. Dass zu Haben und Besitzen wollen ist für Viele das Höchste und Erstrebenswerteste, dabei Schulden zu machen überhaupt gar kein Problem mehr.

Nicht nur im Individuellen, sondern auch ganze Länder und Staaten. Alles ist aufgeblasen wie ein riesiger Ballon und allen ist es eigentlich klar, so kann es nicht weitergehen. Aber alle rennen der Ablenkung nach und wollen nicht nachdenken. Wie auch allen eigentlich klar sein sollte, mit der Geburt beginnt das Leben und wir alle sind eine beschränkte Zeit auf dieser Erde und eines Tages wird es enden. Für die Meisten von uns ist der Tod aber kein Thema mehr mit all den medizinischen Möglichkeiten, die wir heute zur Verfügung haben.

Diese Epidemie ist einfach ein Wink, ein Auslöser, unser ganzes System ins Wanken geraten und löst auch wirtschaftliche Veränderungen aus. Der Kapitalismus wird zwangsläufig keinen grossen Platz mehr haben. Es werden hoffentlich andere Werte Platz einnehmen. Also könnte es ein Gesundschrumpfen geben, wenn es sehr weh tut, wird es viele zum Nachdenken zwingen. Fürsorglichkeit, Anteilnahme sind ein grosses Gut, Respekt und Achtung gegenüber allem auch der Natur sollte wieder mehr Platz bekommen. So hat jede Tragik aus meiner Sicht auch seine gute Seite.

Nun sind wir seit 1½ Monaten im Heim mit einem kleinen Gartenweg von 60 m eingesperrt. Es wird entschieden was für uns gut und was schlecht ist. Das bringt mich emotional in die Zeiten, wo ich mich beherrscht und bevormundet fühlte, ohne jegliche Rechte und eigener Meinung. Damals als Kind, solange mein Vater noch lebte, war dies so und prägte mein ganzes Leben nachhaltig. Das zweite Mal war eine weitere sehr prägende Zeit, als ich mit Faika bei meinen Schwiegereltern wohnen musste und Üstün nach den USA für seine Dissertation reiste und mich mit Faika zwang, bei seinen Eltern zu bleiben. Damals durfte ich nichts selber entscheiden, weder ob ich arbeiten noch welche Anlässe ich besuchen wollte. Ich war abhängig und konnte nichts selber entscheiden.

Irgendwie kommt es mir wie damals vor, jedoch heute im Altersheim lebend, zu fit für’s Heim, denn die Eintrittsbestimmungen wurden geändert, vorher musste man selbständig sein, jetzt gilt dies nicht mehr. Die Meisten sind sehr überaltert und vorwiegend auf Unterstützung angewiesen. Damit ich diese Zeit gut ertrage, mache ich jeden Morgen um 7.00 Uhr 1½ h Fitness, nach dem Duschen schminke ich mich, kämme mich und kleide mich farbenfroh ein. Auch kümmere ich mich um einsame BewohnerInnen, was mich sehr glücklich macht und mir eine sinnvolle Aufgabe gibt.

Aber ich fühle mich auch heute wieder wie damals als ein «Paradiesvogel» im goldenen Käfig. Es ist noch unabsehbar wie lange das Ganze noch dauern wird, vielleicht noch einen Monat, vielleicht aber auch noch viel länger. Meine Fähigkeit positiv zu denken und mich und andere zu motivieren, klappt immer weniger. Ich leide unter Schlafstörungen, esse Schokolade, bin lustlos und habe zeitweilig nur wenig Energie für nichts mehr.

Sieben Wochen sind seit der Ausgangssperre vergangen, nun bin ich soweit, dass ich keinen Ausweg, oder das Ende im Tunnel nicht mehr sehen kann, ich bin bereit ein Antidepressivum einzunehmen. Anscheinend braucht es zwei Wochen, bis diese wirken und eine Erstverschlimmerung nach Einnahme ist nicht ausgeschlossen.

Jetzt haben wir Mitte Juni, es hat sich einiges gelockert, wir dürfen ohne Aufsicht wieder nach draussen und uns sogar mit den öffentlichen Verkehrsmitteln wieder fortbewegen. Dazu müssen wir ein Formular unterschreiben und die geforderten Massnahmen einzuhalten wie: 2 m Abstand halten, Maske tragen und Hände desinfizieren, wenn wir gehen uns abmelden und wenn wir zurückkommen wieder anmelden. Danach müssen wir nach jedem Ausgang während 10 Tage im Heim eine Maske tragen, ausser in unseren Zimmern und beim Essen nicht.

Ich benötigte ungefähr 3 Monate, um abschätzen zu können, was so eine drastische Eingrenzung mit mir machte, nebst Frustration und Depression waren für mich die Befehle zu erhalten, die ich nicht begriff, am Schlimmsten. Mich unmündig behandeln zu lassen in Rücksicht auf die Gemeinschaft beschäftigte mich sehr. Mein Ausgleich und Zugleich meine Rettung war, dass ich mich mehrmals in der Woche mit Freunden in der Stadt treffen und andere Gespräche führen konnte.

Was habe ich bis jetzt für Einsichten?
Ich gewöhnte mich wohl oder übel an einen anderen Rhythmus, habe viel mehr Zeit um nachzudenken, denn ich hatte kein Elan mich kreativ zu betätigen. Ich merkte, dass ich jetzt anders Prioritäten setzen lernte und erkannte, wie oft ich Dingen nachrannte, um mich abzulenken. Pausen zwischen Terminen zu machen war mir fremd. Ich versuche mich mehr abzugrenzen und mich dennoch zu engagieren. Vorher war ich positiv, ich kümmerte mich nicht unbedingt um Sensationen oder Horror-Nachrichten, sondern versuchte Schönes zu denken und zu sehen. Doch das ging in der Depression immer mehr verloren und die Stimmung konnte ich nicht mehr nur für mich behalten. Auch das Mass wieviel Einsatz ich bewältigen konnte, um noch Kraft für mein Eigens zu haben, hat sich drastisch verändert.

Ich wurde zu vielen Sitzungen von der Heimleitung gebeten. Einmal sogar von einem Tag auf den anderen. Die Leitung war zu dritt anwesend. Ich  hätte jemanden mitbringen können, doch fand ich so kurzfristig niemanden, der mich begleiten konnte. Ich bin mich ja gewohnt, für mein Handeln gerade zu stehen. Ich versuchte auch schriftlich einen Dialog zu suchen. Doch hoffnungslos. Ich und die Heimleitung haben einfach ganz unterschiedliche Wellenlängen!!!! Mir wurde immer wieder vorgeworfen ich mische mich in Dinge ein, die mich nichts angehen und schaffe Probleme für die Leitung. Es wurde mir immer wieder gesagt ich sei nur eine Bewohnerin! Wenn ich freiwillige Mitarbeit machen wolle, soll ich das in einem anderen Heim tun. Was mir sehr unerklärlich war, ich verstand ihre Ansichten und Handlungsweisen einfach nicht. Ich half und unterstützte mit Erfolg die einsamen MitbewohnerInnen, die keine Angehörigen hatten, stand ihnen bei und half neue Wege zu finden, die ihnen das Leben erträglicher machten. Auch für das Personal war ich eine wichtige Unterstützung.

Einmal half ein Bewohner einem anderen Bewohner mit Rat, wie er eine Druckstelle der Füsse in den Schuhen beheben konnte. Er war ein geachteter und erfolgreicher selbständiger Podologe. Es hiess dann aber,
er sei ja nicht mehr im Beruf!!! Unglaublich, wir werden einfach als urteilsunfähig angesehen, lebenslange Erfahrung gilt nichts!!!!  

Ich war auch beteiligt an der Hauszeitung mitzuarbeiten und war mit viel Eifer dabei, machte Interviews von Mitarbeitenden und BewohnerInnen und bekam dadurch schnell ein grosses Vertrauen aufgebaut. Meine Einstellung war nur positiv, auch gegenüber dem Heim und der Leitung, denn hier ist ja mein Zuhause. Ich war eh schon immer der Meinung, dass Reklamationen dort hingehören, wo sie entstanden sind. Doch genau das war nicht die Strategie, die hier gewünscht wird, die Direktion forderte, dass sie über alles informiert sein wollen. Zu meiner grossen Enttäuschung wurden mehrere Artikel ohne Rücksprache einfach gestrichen, obwohl es eine Zeitung für die BewohnerInnen war.

Jetzt haben wir Januar 2021 und die Pandemie wie auch die Massnahmen wurden wieder erhöht, alle Restaurants und Kaffees sind zu, Museen und kulturelle Räume geschlossen. Gott sei Dank darf ich noch selbständig raus, aber treffen kann ich niemanden, denn es ist zu kalt und in den
Läden herumzulaufen ist nicht lustig. Die öffentlichen Toiletten sind oft zu! So ist mein sozialer Ausgleich zum Heim ausgetrocknet, die wenigen Freunde in Zürich laden mich aus Angst vor Corona nicht ein. Die meisten die ich besuchen könnte wohnen weit weg, dass ein Tagesausflug nicht möglich ist. Wenn ich übernachten würde, müsste ich danach für 14 Tage in Quarantäne, das heisst im Zimmer essen und nicht mehr rauskommen dürfen. So bleibt mir wenig. Doch versuche ich trotz allem positiv zu bleiben, mich abzulenken und in meiner Mitte zu sein. Am meisten macht es mich traurig, wenn ich die Stimmung in der Pflegeabteilung wahrnehme, wo ich mich für eine Bewohnerin einsetze, die niemanden hat.

Wenn ich diese demenzkranken Menschen sehe, die bis zu 14 Personen mit hängendem Kopf zusammensitzen, alle unter Antidepressivum, bestärkt es mich in meiner Absicht, dass ich nicht so enden will. Ich will bis an mein Lebensende bewusst Dasein und hoffe innigst, dass es klappt, falls nötig mit Exit.
Unerhört wie ungerecht oft vorgegangen wird, die einen können ohne Maske rumlaufen, nichts passiert und dann werden 10 Personen in Quarantäne gesteckt, weil jemanden im Pflegebereich Covid-positiv war.

Als die Direktorin am Montag von den Ferien zurückkam war man bereit, alle BewohnerInnen zu testen und dann durften wir wieder für 3 Tage raus. Doch ein Bewohner, der sich nicht wehrte und seinem Besuch eingestand, keine Maske zu tragen, musste grundlos ohne Test für 14 Tage in Quarantäne.

Das Ganze wird hysterisch und willkürlich gehandhabt. Wenn Menschen im hohen Alter zu ihrem Schutz getestet und geimpft werden, und es als Tragödie angesehen wird, wenn jemand aufgrund des Virus stirbt finde ich das eine Angstmacherei und Weltfremd. Auch dass Menschen einsam sterben müssen und schrecklich leiden, das stimmt so einfach nicht, man hat genügend Erfahrungen gesammelt, dass Morphium in solchen Situationen helfen kann.
Wir nehmen in Kauf, dass die Natur mit den Füssen getreten wird und ganze Völker ihre Existenz riskieren für Profit, wir nehmen Verkehrsunfälle, Sportunfälle und viele andere Todesfälle in Kauf, aber nicht, dass betagte Menschen im hohen Alter sterben dürfen. Was für eine Ethik ist das?????

Ich habe das Gefühl, niemand von den Verantwortlichen will sein Gesicht verlieren und eingestehen, dass es ein Fehler war, so rigoros gegen den Virus vorzugehen, der Schaden in allen Bereichen wird gewaltig sein!!!!!

Wir müssen lernen mit diesem Virus zu leben und akzeptieren, dass der Tod zum Leben gehört. Wenn ich mit 90 Jahren krank werde, egal an was, oder an diesem Virus und daran sterbe, dann hatte ich doch ein langes Leben??????!!!!!!!!

Jetzt haben wir den 10.4.2021 und immer noch gibt es keine Aussicht auf Lockerungen. Die meisten BewohnerInnen sind zweimal geimpft, ausser wenige wie ich, doch wir werden stets getestet. Auch für Besucher hat sich nichts gross geändert. Virus und Grippe werden weiter existieren, mutieren, sich verändern und wir werden lernen müssen damit lebenswert umzugehen, ohne Panik und Angst!!!!!

Ich beende nun mein letztes Kapitel, weil ich jetzt meine Biografie zum Gegenlesen gebe. Was daraus wird weiss ich noch nicht, vielleicht ein E-Book? Irgendein neuer faszinierender Gedanke, ein neues Projekt wird mir sicher «hoffentlich bald» einfallen. Wir kriegen ja eine neue Heimleitung
an meinem Geburtstag.

Es kann nur besser werden, die Hoffnung stirbt zuletzt.
Nachgedanken
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65.  Nachgedanken

Warum hast du für deine autobiografische Aufzeichnung diesen Titel gewählt?

Rückwärts auf den Stöckelschuhen, die Balance finden – das Leben einer Querdenkerin

Keine anwendbaren Normen und Werte und keine Erfahrung von Geborgenheit machten mich zur Querdenkerin. Ich fand meine eigene Balance, indem ich gegen den Strom schwamm und dabei mein Leben frei zu gestalten begann. Daraus entstand meine Freiheit allen Widrigkeiten zum Trotz. Meine Begeisterung und meine Neugier halfen mir mit Freude das Leben zu entdecken. Auf meinem Weg rückwärts, vertrauensvoll, «unschablonisiert», mit voller Zuversicht lernte ich zu balancieren. 

Das Wichtigste scheint mir, dass meine Erkenntnisse im Leben und das Folgen meines roten Fadens mir sehr geholfen haben, glücklich und zufrieden mein Leben zu gestalten. Wenn ich mit meinen Erzählungen jemandem etwas davon weitergeben kann oder eine Anregung sein, dann freut mich das sehr.
Querdenken war sicher mein Glück, obschon ich als ganz klein Opfer wurde, jedoch dies in meinem Denken nie sein wollte, war mein Segen. Mein heutiges Gefühl ist, dass der Täter ganz klar das Opfer war!!!!

Ich wollte schon von klein an Vieles schon verstehen und war neugierig weshalb zum Beispiel Glühwürmchen leuchten und wenn man sie in die Hand nimmt, lediglich ein kleiner brauner Käfer sichtbar war, ich wollte wissen, weshalb eine zarte Pflanze Asphalt durchbrechen konnte u.v.m. Heute denke ich, dass ich mich vielleicht schon damals in mehreren Dimensionen bewegt habe. Heute interessiere ich mich sehr für Quantenphysik. Vielleich auch deshalb, um mich und meinen Werdegang besser verstehen zu können.
Als Kleinkind hatte ich keine Geborgenheit erfahren. Als Heranwachsende habe ich diese Enttäuschungen nie richtig erlebt, weil ich ja diese Sehnsucht nach Geborgenheit nie hatte, da ich sie nicht kannte. Weil ich das, was ich nie hatte nicht suchte, war ich bestrebt, meine Haltung, meine Erfahrung zu machen, im Gefühl nicht überwältigt zu werden, etwas durchgestanden und überwunden zu haben. Das half mir mit positiver Haltung immer wieder weiter zu machen und ich tue es immer noch. Mache freiwillig Dinge, fälle Entscheidungen, die nicht unbedingt bequem sind, doch schenken sie mir ein wichtiges Gut: die Freiheit. Autonomie, ein freies Leben und Mitbestimmungsrecht machen mich zufrieden, geben mir Mut weiter zu machen und weiterhin neugierig zu bleiben.

Mein Aquarell: Sitzende mit der Weltkugel!!!!

Vermutlich wird das meine Buchhülle zieren, weil es den Titel wiederspiegelt.



(1) Ich und die Welt - Gestalterin meines Lebens

 

Ich und die Welt - Gestalterin meines Lebens
Was glaubst du, können andere aus deiner Lebensgeschichte lernen?
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66.  Was glaubst du, können andere aus deiner Lebensgeschichte lernen?

Wir sollten nie fertig sein, uns zu hinterfragen über uns und das ursprüngliche ICH, wir sollten neugierig sein zu erfahren wer wir wirklich sind, auch wenn es schmerzt. Wir sollten mutig sein genau hinzuschauen und ehrlich versuchen Etwas von den Prägungen und Erfahrungen zu analysieren, um diese zu verändern und abzulegen. Wir sollten mutig und neugierig bleiben, auch wenn es nicht den gesellschaftlichen Normen entspricht.

Die Angst etwas zu hinterfragen, ob sie berechtigt ist oder nicht, kann uns helfen zu entdecken, dass sie oft nicht wirklich begründet ist. Ich merkte viele Male in meinem Leben, dass sie nur vor dem Ungewussten herkommt und mich hinderte Neues auszuprobieren. Desto mehr man die Angst überwindet desto leichter gelingt es. Wenn mich jeweils das Gefühl für ein Vorhaben unterstützte, konnte ich mich ziemlich darauf verlassen, dass es gelang. Wichtig ist, dass man keine Angst vor dem Versagen hat.

Ein Grund könnte ja sein, dass den Worten anderer mehr Achtung geschenkt wurde, als dem eigenen Empfinden. Ein Vorhaben braucht manchmal mehrere Anläufe, das konnte ich beim Gestalten von komplizierten Figuren feststellen. Ich musste immer wieder andere Wege suchen bis es gelang. Das waren die größten Highlights und gaben mir den Mut für Anderes. Etwas sehr Wichtiges war für mich, dass ich durch all diese Lebenserfahrungen ganz fest an mich glauben lernte. Denn wenn man das von aussen sucht, kann man oft ewig warten. Ich stärkte meine eigenen Erwartungen und meinen Glauben an mich durch jeden Erfolg und jede Errungenschaft. Ich habe gelernt das Ziel bildlich zu sehen und daran zu glauben, weil die Begeisterung und Freude es zu erforschen und zu machen die Triebfeder war, die Belohnung für mich war das Erlebnis während des Vorhabens.
Das war so bei all meinen Tätigkeiten, bei meinen kreativen Arbeiten, beim Sport und in meinen Begegnungen.

Jetzt im Heim lerne ich auch nochmals neue Wege zu gehen und nicht fremdbestimmt zu werden, ich respektiere gewisse Heimregeln, doch bestimme ich selbst, welche ich akzeptiere und bei welchen ich anderer Meinung bin. Diese zu verteidigen habe ich keine Hemmungen und auch keine Angst. Die Heimleiterin und ich haben grundverschiedene Werte und Lebenseinstellungen, keine Bemühungen halfen einen Dialog zu finden, also fand ich Umwege meine Aktivitäten weiter zu verfolgen, denn ich bin noch lernfähig und kreativ. Ich bin und war immer überzeugt aus guter Motivation für das was ich tue einzustehen. Nun ich wünschte ihr nichts Schlechtes, doch dass sie selber einsieht, dass ihr Wirkungen nicht mit alten Menschen ist, ihr fehlt es an Empathie. Sie hat gekündigt, die Mitteilung kam an Weihnachten 2020. Ihren Arbeitsplatz wird sie im Mai 2021 wechseln, an meinem Geburtstag, was für ein wunderschönes Geschenk.

Ein gutes Beispiel möchte ich hier noch erwähnen, ich wollte schon lange meine Biografie schreiben, versuchte auch Verschiedenes aus um dies zu konkretisieren.

Ich muss sagen, es sind immer oder oft wunderbare Fügungen, die im richtigen Moment passieren, die einem vor Augen geführt werden. Nun ich wusste, dass ich immer noch nicht fehlerlos schreiben kann aufgrund meiner Legasthenie und wenn ich mich bemühe fehlerlos zu schreiben, schreibe ich steif und farblos und verliere mich.

Es geschah wie ein Wunder, als ich eines Tages in der Coop Zeitung über eine Biografie einer Person las, die den ersten Preis erhielt. Da gab es ein Portal von der Universität Zürich in den Social Science «meet-my-live». Das schaute ich mir dann im Internet an und es war wie auf mich zugeschnitten, mit vielen Rastern und Kapiteln, in denen man nach Lust und Laune schreiben konnte. So fand ich den Mut mich anzumelden und ich begann einfach von der Leber weg zu schreiben. Einmal mehr: «Der Weg ist die Motivation». Es sind glaube ich schon 3 Jahre her, dass ich
zu schreiben begann, korrigiert habe ich seither noch nicht daran. Ich dachte mir, dass ich vielleicht eines Tages jemanden fragen werde für die Korrektur, wenn überhaupt. Es ist unglaublich, am 11. Januar 2021 erhielt ich eine E-Mail von Dr. oec. publ. Erich Bohli, dass die Jury mich als Preisträgerin des Schweizer Autobiographie-Awards für das Jahr 2020 bestimmt hätte. Ich telefonierte mit Herr Bohli weil ich mir sicher war, dass es sich um ein Missverständnis handeln müsste. Mit soviel Fehlern war dies doch gar nicht möglich. Er meinte, dass das als Entwurf benutzt werde, dass aber alle von der Jury einstimmig der Meinung waren, dass meine Biografie inhaltlich die Beste sei!

Also was ich allen damit sagen möchte, seid mutig und folgt euren Begeisterungen und Stärken, überwindet eure Angst vor Blamage und macht was euch motiviert und reizt!!!!!!

Aufruf!!!!

An alle, wir sollten die Angstmacherei und Hysterie des Coronavirus nutzen und daraus lernen, dass wie wir gesehen haben, die Natur sich schnell erholen kann. Also lebt achtsamer, bewusster, ändert das Konsumverhalten, konsumiert weniger und betrachtet nachhaltiges Verhalten als erstrebenswert. Das alles wäre eine Chance für eine bessere Zukunft für alle. Die Pandemie sinnvoll zu nutzen, um daraus zu lernen und Erkenntnisse daraus zu ziehen wäre eine grosse Chance.

Planst du noch weitere Selbstzeugnisse? Falls ja, dokumentierst du jetzt mit Blick darauf dein aktuelles und zukünftiges Leben, z. B. mit einem Tagebuch?
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67.  Planst du noch weitere Selbstzeugnisse? Falls ja, dokumentierst du jetzt mit Blick darauf dein aktuelles und zukünftiges Leben, z. B. mit einem Tagebuch?
Ich beschloss, noch mit einem neuen Projekt zu starten, in Form eines Tagebuches möchte ich mein weiteres Leben bis zuletzt dokumentieren.

Ich gestalte meinen letzten Lebensabschnitt!!!! Sodass ich auch diesen nicht dem Schicksal überlasse, dass ich würdevoll wenn meine Zeit gekommen ist von dieser Erde Abschied nehmen kann und bis dahin weitere Erkenntnisse gewinnen und an meinen Erfahrungen wachsen.

Ich lebe seit einigen Jahren im Alterszentrum Trotte in Zürich, dies aus einem bewussten Entscheid heraus, früh einzutreten, um hier mitzugestalten. Ich bin überzeugt, wenn wir Menschen solche Schritte bewusst entscheiden und vollziehen, wir glücklicher, zufriedener und freier leben.
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