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Von Hans Ruedi Gadient Biographie von Hans Ruedi Gadient, 1933
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Vollendete Autobiographien: 176
 
Hans Ruedi Gadient
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16.
Kulturkreis Zollikon, Vorstandstätigkeit 1993 - 2004 / 05.01.2024 um 18.23 Uhr
8.27.
Unsere Familie Gadient -Karpf / 05.01.2024 um 18.36 Uhr
8.43.
Unsere Familie Gadient -Karpf / 05.01.2024 um 18.45 Uhr
8.44.
Unsere Familie Gadient -Karpf / 02.02.2024 um 21.52 Uhr
14.14.
Militärische Karriere / 23.03.2024 um 16.03 Uhr
14.6.
Militärische Karriere / 23.03.2024 um 16.06 Uhr
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1.
Gadient Vorfahren
1.1.
Vorfahren väterlicherseits von Hans Ruedi Gadient
1.1.
Vorfahren väterlicherseits von Hans Ruedi Gadient
1.1.
Vorfahren väterlicherseits von Hans Ruedi Gadient
1.1.
Vorfahren väterlicherseits von Hans Ruedi Gadient
1.1.
Vorfahren väterlicherseits von Hans Ruedi Gadient
1.1.
Vorfahren väterlicherseits von Hans Ruedi Gadient
1.1.
Vorfahren väterlicherseits von Hans Ruedi Gadient
1.2.
Vorfahren mütterlicherseits von Hans Ruedi Gadient
1.2.
Vorfahren mütterlicherseits von Hans Ruedi Gadient
1.2.
Vorfahren mütterlicherseits von Hans Ruedi Gadient
1.2.
Vorfahren mütterlicherseits von Hans Ruedi Gadient
2.
Karpf Vorfahren
2.1.
Vorfahren väterlicherseits von Frieda Gadient-Karpf
2.1.
Vorfahren väterlicherseits von Frieda Gadient-Karpf
2.1.
Vorfahren väterlicherseits von Frieda Gadient-Karpf
2.1.
Vorfahren väterlicherseits von Frieda Gadient-Karpf
2.2.
Vorfahren mütterlicherseits von Frieda Gadient-Karpf
2.2.
Vorfahren mütterlicherseits von Frieda Gadient-Karpf
2.2.
Vorfahren mütterlicherseits von Frieda Gadient-Karpf
2.2.
Vorfahren mütterlicherseits von Frieda Gadient-Karpf
3.
Elternhaus von Gadient Hans Ruedi
3.1.
Meine Mutter Selina Gadient-Kunz
3.1.
Was sind deine Erinnerungen an diesen Grossvater?
3.1.
Was weisst du noch über das Leben und die Lebensumstände deines Grossvaters? Wie war das z.B. im Krieg/in den Kriegen?
3.1.
Was habt ihr zusammen unternommen?
3.1.
Was für Selbstzeugnisse oder Objekte über deinen Grossvater existieren noch? Was bedeuten sie dir?
3.1.
Was war seine berufliche Tätigkeit?)
3.1.
Erinnerst du dich an seinen Tod?
3.1.
Wie hat er im Alter gelebt?
3.1.
Erinnerst du dich an Personen, die im Leben deines Grossvaters eine wichtige Rolle, positiv oder negativ, gespielt haben?
3.2.
Mein Vater Johann Rudolf Gadient-Kunz
3.2.
Was sind deine Erinnerungen an diese Grossmutter?
3.2.
Was weisst du noch über das Leben und die Lebensumstände deiner Grossmutter? Wie war das z.B. im Krieg/in den Kriegen?
3.2.
Was habt ihr zusammen unternommen?
3.2.
Was für Selbstzeugnisse oder Objekte über deine Grossmutter existieren noch? Was bedeuten sie dir?
3.2.
Was war ihre berufliche Tätigkeit?
3.2.
Erinnerst du dich an ihren Tod?
3.2.
Wie hat sie im Alter gelebt?
3.2.
Erinnerst du dich an Personen, die im Leben deiner Grossmutter eine wichtige Rolle, positiv oder negativ, gespielt haben?
3.3.
Mein Bruder Rudolf Gadient
3.3.
Was sind deine Erinnerungen an diesen Grossvater?
3.3.
Was weisst du noch über das Leben und die Lebensumstände deines Grossvaters? Wie war das z.B. im Krieg/in den Kriegen?
3.3.
Was habt ihr zusammen unternommen?
3.3.
Was für Selbstzeugnisse oder Objekte über deinen Grossvater existieren noch? Was bedeuten sie dir?
3.3.
Was war seine berufliche Tätigkeit gewesen?
3.3.
Erinnerst du dich an seinen Tod?
3.3.
Wie hat er im Alter gelebt?
3.3.
Erinnerst du dich an Personen, die im Leben deines Grossvaters eine wichtige Rolle, positiv oder negativ, gespielt haben?
3.4.
Meine älteste Schwester Selin Klein-Gadient
3.5.
Meine zweitälteste Schwester Dorli Rupp-Gadient
3.6.
Meine zweitjüngste Schwester Lisbeth Blöchliger-Gadient
3.7.
Meine jüngste Schwester Béatrice Stadlin-Gadient
3.8.
Hans Ruedi Gadient-Karpf
4.
Elternhaus von Karpf Frieda
4.1.
Meine Schwiegermutter Frieda Spaltenstein
4.2.
Mein Schwiegervater Fritz Karpf
4.3.
Mein Schwager Albert Karpf-Sturm
4.4.
Meine Frau Frieda "Fischli" Gadient-Karpf
5.
Jugendjahre Hans Ruedi bis ETH Abschluss
5.1.
Kindheit 1933-1939
5.2.
Primarschulzeit 1940-1946
5.3.
Kriegsjahre 1939-1945
5.4.
Sekundarschulzeit 1946-1949
5.5.
Kantonsschulzeit 1949-1953
5.6.
Werkstatt-Praktikum, ETH Studium 1953-1958
6.
Tagebuch einer Englandreise Sommer 1952
7.
Jugendjahre Friedeli Karpf bis Heirat
7.1.
Frühe Jugendzeit im Geissbühl Küsnacht Itschnach
7.2.
Umzug nach Zollikon, Schule, Lehre
7.3.
Paris, Biot in Südfrankreich
7.4.
SWISSAIR-Zeit, Hans Ruedi
8.
Unsere Familie Gadient -Karpf
8.1.
1960 - 1961: Sich kennen lernen, Tod von Papa Karpf
8.1.
Erinnerst du dich an deinen ersten Schultag?
8.1.
Welche Erwartungen hattest du an die Schule?
8.1.
Was weisst du noch über deinen Schulweg?
8.1.
Wie hast du lesen gelernt?
8.1.
Wie hast du schreiben gelernt?
8.1.
An welche Schulkameraden erinnerst du dich?
8.1.
Hast du noch ein Klassenfoto? Kannst du anhand dessen deine Mitschüler noch charakterisieren?
8.1.
Wie war euer Lehrer bzw. eure Lehrerin?
8.1.
Wie wurdet ihr unterrichtet?
8.1.
Erinnerst du dich an Bestrafungsmethoden in der Schule? Wie beeinflussten diese deine schulischen Leistungen?
8.1.
An welche Höhepunkte des Unterrichts erinnerst du dich?
8.1.
Welche Fächer wurden unterrichtet? Welches war dein Lieblingsfach?
8.1.
Hat dich die Schule zum Lesen angeregt? Welches waren damals deine Lieblingsbücher? Hast du die Schulbibliothek genutzt?
8.1.
Welches sind deine Erinnerungen an Schulferien, Ferienlager, Schulreisen?
8.1.
Besitzt du heute noch Unterrichtsmedien, wie Lesebücher, Schreibhefte usw. aus dieser Zeit?
8.1.
Wie waren deine Schulleistungen? Wie dein Verhältnis zu Hausaufgaben? Half dir jemand?
8.1.
Wie reagierten deine Eltern auf Zeugnisse?
8.1.
Was tatst du nach der Schule?
8.1.
Welche Freunde hattest du aus der Schulklasse oder aus dem Schulhaus?
8.1.
Warst du schon an einem Klassentreffen? Wie hat das auf dich gewirkt?
8.2.
1961 - 1962: Verlobungszeit, Diskussionen um die Religion, Wechsel von SWISSAIR zu GROWELA
8.3.
1962 - 1964: Heirat, Wohnung in Lachen, Geburt Andrea, Streit mit Gadient-Familie, Haussuche im Kt. Zürich, Erste grosse Frankreichreise
8.4.
1964 - 1966: Umzug nach Hombrechtikon, 1. Wurstzeitalter, 17 Wochen Hptm-Abverdienen, Geburt Alexa
8.5.
1966 - 1971: Kindsgi / Schule Mädchen, Erste Portugalreise, "Familienferien" in Granja, Portugal, Badhüsli, Tennis
8.6.
1971 - 1983: In Zollikon übernimmt Albert Gärtnerei, Mami Karpf heiratet nochmals, Umbau Kleindorf 14a, Fischli wird Bibliothekarin, Umzug Eltern nach Ragaz, Tod des Vaters, Umbau Hombrechtikon, 2. Wurstzeitalter
8.7.
Entlassung bei Growela, Wechsel zu BALLY, Tod der Mutter, Überbauung in Zollikon
8.8.
1979 - 1988: Mädchen an Kantonsschule Wetzikon, Andrea England und Uni Zürich, Alexa New York un HSG St. Gallen
8.8.
QX Andrea Regula (*1963)
8.8.
QX Alexa Kathrin (*1966)
8.9.
Grosse Ferienreisen
8.9.
QX Erste gemeinsame USA-Reise 02.-12.Apil 1982
8.9.
QX Erste Kreuzfahrt im Mittelmeer 07.-18. April 1984
8.9.
QX Grosse Brasilienreise 02.-24. November 1985
8.10.
Familienferien 1981-1988
8.11.
1986: Unfalltod Lisbeth Blöchliger, Sekundentod Albert Karpf, Erbschaftsvertrag Karpf
8.12.
Planung Haus in Zollikon, USA Reise mit Lexi, Tod Mami Karpf, Partielle Erbteilung in Zollikon, Fischlis Bauchspeicheldrüse, USA Reise Westküste und Rückfahrt mit QE II
8.13.
1992: Absetzung als CEO BALLY, Ferienwohnung Celerina, Ferien Bretagne mit Br, Hochzeit Andrea Frank, Implatate HR
8.14.
1993: Celerina, Neubau EFH in Zollikon, Verkauf in Hombi, CSSR-Reise, Vorstand im Kulturkreis Zollikon, Studienabschluss Lexi
8.15.
1994: Bobrun St. Motitz-Celerina, Umzug nach Zollikon, Fischlis Eminenzia, Thomas Mann Symposium, Beratung in Portugal
8.16.
1995: Flusskreuzfahrt Moskau - Petersburg, Mitarbeit bei Robertson AG, Beginn Golf-Karriere
8.17.
1996: Marina Chepkina, 1. Enkel Jan Heinzelmann, Präsident KTV AH Zürcher Blase, 1. Mallorca Wanderwoche
8.18.
1997: Bettmeralp/Celerina, Finca Kurz Mallorca, Cinque Terrae, Hochzeit Lexi/Philipp, Bodrum, Paris, VR Präsidium ATS Wickeltechnik
8.19.
1998: Tatjana Chepkina, 2. Enkel Per Heinzelmann, Mallorca, Apulien, Paris, wieder Badhüsli, Strada Alta
8.20.
1999: Fischli Handbruch, Sizilien, 3. Enkel Fabian Bosshard, Familienferien La Madrague, Hornhaut - Transplantation, KKZ Reise Piemont, 4. Enkel Finn Heinzelmann, ATS, Badhüsli längerfristig mieten.
8.21.
2000: Milleniums-Party, Celerina, Provence, KKZ Augsburg, KTV Schottland, 1. Jahr Badhüsli, Promotion Philipp, Elbfahrt
8.22.
2001: Celerina Januar und März mit Jan, 5. Enkel Nils Bosshard, Haluxop. HR, Frank selbständig, Hornhaut - Krümmung durch Linse korrigieren, Besuch bei Kriegs in Altea Spanien
8.23.
2002: Celerina im Januar, März und Juli mit Jan, KTV Mallorca, Gartenreise Yorkshire, KKZ Ungarn, Neapel/Amalfi mit Br, Trennung Andrea/Frank
8.24.
2003: Celerina Januar und März mit Fabian, KKZ Portugal, Gartenreise Lake District, Reko Mecklenburg Vorpommern, Provence
8.25.
2004: Tod Pierre Zoelly, Prostata Op HR, KKZ Mecklenburg Vorpommrn, Gartenreise Devon, Inselhüpfen Ägäis mit Br, Rücktritt aus KKZ Vorstand
8.26.
2005: Celerina Januar und März mit Nils, Italienreise, Gartenreise Wales, KKZ Blauer Reiter, Tod Fritz Oechsli, Wandertage im Engadin, Griechenland mit Br, Konversion zum Protestantismus HR, Tod Selin
8.27.
2006: Trauerfeier Selin, Celerina Januar, März mit Nils, Gartenreise Cornwall, Ausstellung in Aix: Cézanne en Provence, Kreuzfahrt L.A-Panamakanal- Karibik
8.28.
2007: Letztes Jahr Caflisch im Januar und März mit Nils, Rebbaukurs, Fischli Halux Op, Ostpreussen/Polen, Kochferien Provence, Familienferien Porto Heli, Erinnerungen ans Caflisch
8.29.
2008: Celerina, Südamerika Kreuzfahrt, Jan zu Frank, KTV Mallorca, Gartenreise Cotswolds, Diskushernie HR, Andrea Spital, Kochferien Provence, Santorini
8.30.
2009: Celerina, Heizungssanierung, Verkauf Maisonettli, Burgund, Gartenreise Norfolk. Kochferien Provence, Senioren im Klassenzimmer
8.31.
2010: Celerina, Darmop Fischli, Burgund, KKZ Flandern/Brabant Engadin-Barolo-Kochferien Provence, Grosse Südsee-New Zealand-Australien Reise
8.32.
Tagebuch Reise San Francisco – Hawaii – Polynesien - New Zealand – Australien vom 21.09. bis 02.11. 2010
8.33.
2011: Celerina, OP Bauchspeicheldrüsenkrebs Fischli mit Folgen, Annullierung aller Reisen, Tod meiner Schwester Dorli
8.34.
2012: Celerina, Neuro Stimulation After Fischli, Goldene Hochzeit, La Dombes, Letztes mal Badhüsli, Kochferien, Bootsfamilienferien auf Canal du Midi
8.35.
2013: Celerina, Florenz mit Jan, Andrea 50, Wein-Lesen mit Dinah Hinz, Burgund, Provence, Hans Ruedi 80, Abschied Fischli, Provence mit Andrea. Zusammenfassende Notizen zu Fischlis Krankheit, Sterben und Tod.
8.36.
2014: Celerina, Bettmeralp, Hüft Op rechts, ETH-Alumni-Reise Schottland, Kreta, Provence, Hüft Op links, Femoralis Parese
8.37.
2015: Bettmeralp, Femoralis Nerven Rekonstruktion, Burgund, Meran, Narbonne Plage, Italien mit Ghia.
8.38.
2016:Bettmeralp mit Lexi, Hamburg zu Dinah Hinz, Meran, Burgund mit Br, Gartenreise Niederlausitz, Air Show Duxford, Stradivarifest Cremona, Provence mit Ghia.
8.38.
8.39.
2017: Hotel Waldhaus Sils, Bettmeralp, Kreuzfahrt Südafrika - Seychellen, Cannero mit Hohls, Meran, Burgund mit BR, Gartenreise Yorkshire, Brissago - Narbonne Plage, Lübeck - Hamburg, Provence mit Ghia.
8.40.
2018: Stradivarifest Waldhaus Sils, Bettmeralp mit Lexi, Italien mit Ghia und Schreiers, Burgund mit Br, Gartenreise Dresden, KTV Wandern Engadin
8.41.
2019: Gstaad, StradivariFeste Sils, Giessbach, Gersau, Scuol, Bettmeralp, Burgund, Fertigbau Weltistrasse und Gartenmauer, Ars Amata Disentis, Bruch der Kniescheibe, Wandertage Engadin,
8.42.
2020: StradivariFESTE Sils, Gersau, Lugano und Scuol, Bettmeralp, Wandertage Engadin, Geburtstag in La Punt, Knie OP, Corona-Weihnachten
8.43.
2021: StradivariFESTE Sils, St. Gallen, Kammermusik Meran, Andrea nach Zollikon, Erbteiilung, Bolgna mit ETH Alumni, KTV Kunsthaus und Wandertage Engadin, Kulturreise Siebenbürgen mit Unfall, REGA, OP im Hirslanden, REHA in Mammern
8.44.
2022: StradivariFESTE Luganersee, Freudental und Scuol, Einbau Wärmepumpe, Renovation Kleindorf 14, Wandertage im Engadin, Treffen mit Nichten und neffen Blöchliger
8.45.
2023 StradivariFESTE Sils und Scuol, VAKI Wochenende in Valsolda, 90. Geburtstag, Bücker-Flug, Wanderwoche Kärnten/Slovenien/Italien, Tod von Marteli Oechsli und Jack Brunnschweiler, Weihnachten wie immer.
9.
Beruf 1: SULZER und SWISSAIR
9.1.
SULZER AG Winterthur 03.01.1959-31.03.1960
9.2.
SWISSAIR Ing. Abteilung Kloten 01.04.1960 - 31.12.1961
10.
Beruf 2: GROWELA Gruppe, 1962 - 1977
10.1.
Planung und Realisierung eines Fabrikneubaus
10.2.
Datenverarbeitung
10.3.
Betriebsleitung
10.4.
Joint Venture in Portugal: Aufbau einer Korksohlenfabrik
10.5.
Aufbau einer eigenen Growela Portuguesa in Maya bei Porto
10.6.
Vorsitzender der Geschäftsleitung
10.7.
Das Ende bei GROWELA
11.
Beruf 3: Erlebnisse in Portugal 1968-1977
12.
Beruf 4: BALLY 1977-1993
12.1.
1977/78: Die Irrungen und Wirrungen der Periode mit Werner K. Rey
12.2.
1978-1986: Die Zeit als Stabsbereichsleiter der BALLY International AG
12.3.
Die Vorbereitungszeit als Firmenchef der BALLY Arola AG
12.4.
Die Zeit als Firmenchef der BALLY Arola AG, Okt. 86 bis Mai 92
12.5.
Der Niedergang der einst so stolzen BALLY
12.6.
Meine Rückkehr zur BALLY International AG
12.7.
Ende meiner BALLY Zeit
13.
BALLY 1991-1996, 5 Jahre mit Hans Widmer
14.
Militärische Karriere
14.1.
1949-1953 Alles begann mit Flugmodellen
14.2.
1951 Vorunterrichtskurs - Segelflugbrevet
14.3.
1954 Rekrutenschule erster Teil
14.4.
Rekrutenschule zweiter Teil: Fliegerische Vorschulungsperiode VSP Flugplatz Magadino
14.5.
Rekrutenschule dritter Teil: Verlegung Alpnach uns Schluss
14.6.
1955 Unteroffiziersschule und Abverdienen
14.7.
1957 Offiziersschule
14.8.
1959 Abverdienen des Leutnantsgrades
14.9.
1960-1965 Wiederholungskurse als Zugführer in der Flugzeug Reparatur Kp 10
14.10.
1963 Zentralschule I-A und Abverdienen des Hauptmannsgrades
14.11.
1966 – 1970 Kompaniekommandant der Flz Rep Kp 10
14.12.
1971 – 1972 Zuget Hptm Flpl Abt 10
14.13.
1973 – 1977 Cap adjt gr aérod 4
14.14.
1977 Zentralschule II – A und Abverdienen
14.15.
1978 – 1982 Cdt Gr aérod 4
14.16.
1983 – 1989 Letzte Dienstleistungen
15.
Mein Abstecher in die Politik
16.
Kulturkreis Zollikon, Vorstandstätigkeit 1993 - 2004
17.
Epilog
Meinen zwei Töchtern Andrea und Alexa
Allgemeines zum Namen GADIENT
Seite 1
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1.1.  Gadient Vorfahren – Vorfahren väterlicherseits von Hans Ruedi Gadient.

Allgemeines zum Namen GADIENT

Allgemeines zum Namen GADIENT

(Quelle 1: Bericht der Gemeinde Flums SG und aus Wikipedia)
Der Name GADIENT kommt von Gaudentius, "der Fröhliche". Hiervon kommt z.B. die Form Godenzi, dann romanisch Godèng, Gudègn, in Urkunden ehemals romanischer, jetzt sprachlich germanisierter Gegenden Gudiènt und Gadiènt.

Urkundlich erwähnt wurde der Name Gadient in Graubünden zum ersten Mal 1496 in Trimmis, 1512 in Says und 1567 in Mastrils. Die Gadiènt Familien stammen aus dem Prättigau. 1521 bürgerte sich ein Zweig aus Valzeina in Chur ein.
Die tatsächlichen Gründe für die Auswanderung sind unbekannt:
Einerseits kann es der allgemeine Bevölkerungsdruck durch die damals sehr grossen, armen Bauernfamilien mit nur wenig Land, schlechtem Saatgut, sehr wenig Vieh und damit auch mit sehr wenig Dünger und kargen Böden sein, verbunden mit immer wieder auftretenden Hungersnöten.
Andrerseits kann der Grund aber auch in der eben beginnenden Reformation liegen. Zu den ersten Gemeinden in Graubünden, die sich während der Reformation dem neuen Glauben zuwandten, gehören Gemeinden im walserischen Siedlungsgebiet. In diesen Gegenden konnte jede Gemeinde selbständig über den Glauben entscheiden und die Mehrheit bekam dann die Kirche. Familien, die in Gemeinden mit mehrheitlich neuem Glauben wohnten und katholisch bleiben wollten, mussten auswandern. Die erste, dem neuen Glauben zugewandte Gemeinde in Graubünden war ausgerechnet das abgelegene St. Antönien. Von hier breitete sich dann der neue Glauben unter seinem Pfarrer Jakob Spreiter als lokalem Reformator aus. Hier soll die Messe schon 1524/25 abgeschafft worden sein.
Andere Familien wanderten wohl erst im 30 jährigen Krieg anlässlich der Bündner Wirren 1618 – 1639 (Kriegerische Auseinandersetzung zwischen den Koalitionen Frankreich-Venedig und Spanien-Oesterreich) aus konfessionellen Gründen ins katholisch gebliebene Sarganserland aus. Es existiert auch eine Theorie, dass die Gadient von Trimmis nach Mels übersiedelten und dann in den 20er Jahren des 17. Jhdt. von Mels aus Flums erreichten, wo sie am Grossberg eingebürgert wurden. Alteingebürgerte Gadient gibt es nebst Flums, Mels und Vilters noch in Chur, Mastrils, Says und Trimmis. Nach 1800 eingebürgerte gibt es nirgends. Ausgestorben sind sie in Fanas, Maienfeld und Zizers.

(Quelle 2: Urkunde eines Pater Spechias, undatiert; dessen Herkunft habe ich aber bis heute nirgends gefunden)
"Ende des 15. Jhdt. kamen auf einem grösseren Heerzug drei Brüder Gadient bis hierher in die Raetischen Alpentäler und liessen sich nieder, zwei in St. Antönien und einer in Trimmis. Der älteste dieser drei Brüder, unter dem Namen Lothar Gadient überliefert, widmete viele Jahre treu dem Waffendienst. Nachdem er sich in demselben mehrmals rühmend hervorgetan, verlieh ihm Herzog Maximilian (wahrscheinlich ist der Sforza gemeint) nach der Schlacht von Novara ein Familienwappen (Siehe Wikipedia: Die Schlacht von Novara). Im Felde des Familienwappens der Gadient waren ursprünglich nur eine Tanne und ein Helm ersichtlich. Nachdem sich aber nach der Reformation einige Nachkommen der drei Brüder dem neuen Glauben anschlossen, somit eine neue Linie bildeten, erlangten die ersteren (also die Katholisch gebliebenen) die Vollmacht, zum Zeichen dessen eine zweite Tanne oben auf dem bisherigen Wappen anzubringen, so wie es heute noch ist. Die drei Brüder Gadient sollen aus Schweden eingewandert sein. In Trimmis, Says und Mastrils wohnen zusammen ca. 40 Familien, wovon die katholische Konfession vorherrschend ist".
Wir hatten bei uns zuhause in St. Gallen St. Fiden ein Bild mit diesem Wappen in der Stube aufgehängt, und zwar mit zwei Tannen; dieses Bild ist heute bei mir.

Einer unserer ersten, urkundlich sauber belegten Vorfahren war:

Johann Josef Gadient, geb. 1837
Seite 2
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1.1.  Gadient Vorfahren – Vorfahren väterlicherseits von Hans Ruedi Gadient.

Johann Josef Gadient, geb. 1837

Johann Josef Gadient, geb. 1837

Von ihm weiss man nur, dass er ca. um 1850 nach Amerika auswanderte und man von ihm dann ohne Nachricht blieb. Er wurde erst 1998 amtlich als verschollen erklärt.

Die Gemeinde Flums betreute "in amtlicher Verwahrung" bis dahin 7800.00 Fr., die er hinterlassen hatte: Nach seinem Weggang hatte er geerbt, ein erstes Mal 5000 Fr und ein zweites Mal 2800 Fr, für damals übrigens recht grosse Beträge. "Amtliche Verwahrung" heisst aber scheinbar "Aufbewahren des Betrages im Tresor" und leider nicht auf einem Bankkonto mit Zins und Zinseszinsen. So blieb es bei diesen rund 8000 Franken.

Johann Josef Gadient hatte 6 Brüder und 2 Schwestern. Im Zusammenhang mit der Verschollenen-Erklärung von 1998 mussten in mühsamer Arbeit die gesetzlichen Erben ermittelt werden, wovon es damals immerhin noch über 600 lebende Personen gab.

Ich bekam mit Datum vom 10. Februar 2003 die überraschende Mitteilung, dass ich aus Johann Josefs Hinterlassenschaft eine mir zustehende Erbschaft von CHF 21.65 erhalten würde. Falls ich aber Interesse hätte, Stammbaum, Erbenverzeichnis und detaillierte Erbschaftsverteilung zu bekommen, müsste ich die Differenz zum Selbstkostenpreis von 60.00 Fr. einbezahlen, was ich dann für unsere Familie tat.
Mit diesen Dokumenten kann ich nun bezüglich meiner Vorfahren etwas aus dem Vollen schöpfen.

Einer der sechs Brüder des oben beschriebenen Johann Josef Gadient war

Mein Urgrossvater Johann Rudolf Gadient-Manhart (1818-1879)
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1.1.  Gadient Vorfahren – Vorfahren väterlicherseits von Hans Ruedi Gadient.

Mein Urgrossvater Johann Rudolf Gadient-Manhart (1818-1879)

Mein Urgrossvater Johann Rudolf Gadient-Manhart (1818-1879)

Von ihm ist mir nur bekannt, dass er die folgenden 3 Brüder und 4 Schwestern hatte.
Josef Anton Gadient-Nadig (1820-1897) ohne Nachkommen
Josef Justus Gadient-Rupf (1822-1893)
Katharina Maria Schmon-Gadient (1825-1877)
Johann Rudolf Gadient- Mullis (1789-1856) ohne Nachkommen
Maria Magdalena Bless-Gadient (1826-1898)
Maria Barbara Bartholet-Gadient (1828-1898)
Anna Maria Gadient (1830-1891) unverheiratet, ohne Nachkommen

Theoretisch sind wir also weit aussen auch mit einem Teil der Familien Rupf, Schmon, Bless und Bartholet verwandt!

Mein Urgrossvater hatte mit seiner Frau 2 Töchter und 4 Söhne:

• Anna Maria Elisabetha Gadient-Gadient (1851-1875), ohne Nachkommen
• Johann Rudolf Gadient-Wildhaber (1852-1898): Mein Grossvater
• Peter Gadient (1856-1928) ledig, ohne Nachkommen
• Christina Katherina Schneider-Gadient (1858-1889)
• Jakob Justus Gadient-Schlegel (1863-1941)
• Johann Anton Gadient (1870-1876) unverheiratet, ohne Nachkommen

Theoretisch sind wir also weit aussen auch mit einem Teil der Familien Schneider und Schlegel verwandt!
Ausser von meinem Grossvater ist mir von den andern nichts bekannt. Mein Vater hat auch nie etwas über sie erzählt.

Nun zu meinem Grossvater:

Mein Grossvater Johann Rudolf Gadient-Wildhaber (1852-1898)
Seite 4
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1.1.  Gadient Vorfahren – Vorfahren väterlicherseits von Hans Ruedi Gadient.

Mein Grossvater Johann Rudolf Gadient-Wildhaber (1852-1898)

Mein Grossvater Johann Rudolf Gadient-Wildhaber (1852-1898)

Er wuchs in Flums Grossberg auf und heiratete meine Grossmutter Marie Hedwig Wildhaber, die im "Ruchel" in Flums Kleinberg aufgewachsen war.

Flums Dorf, Flums Grossberg und Flums Kleinberg waren damals noch selbständige Ortsgemeinden, Grossberg und Kleinberg durch ein tiefes Tobel mit dem Flüsschen "Schils" getrennt.

Mein Grossvater war zwar Bauer in Flums Grossberg; seine Hauptbeschäftigung war aber klar der Bau von Vieh­ställen und Heuschobern für Dritte: Also war er eigentlich Bau­meister. Sie hatten 11 Kinder, 7 Mädchen und 4 Buben. 2 Mädchen: Antonia, geb. 1886 und Paulina, geb. 1887 waren schon im ersten Lebensjahr gestorben. Auch Grossvater starb sehr früh mit 46 Jahren an "Magenverschluss", heute würde man wohl Magenkrebs sagen, und hinterliess noch 9 Kinder, wobei die jüngste Tochter Antonia gerade ein Jahr alt war.

Die Kindersterblichkeit war in jener Zeit noch generell sehr hoch. Praktisch jede Familie hatte solche Opfer zu beklagen, da man damals noch weder Schutzimpfungen noch Antibiotika kannte.

Meine Grossmutter Marie Hedwig Wildhaber (1860-1943)
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1.1.  Gadient Vorfahren – Vorfahren väterlicherseits von Hans Ruedi Gadient.

Meine Grossmutter Marie Hedwig Wildhaber (1860-1943)

Meine Grossmutter Marie Hedwig Wildhaber (1860-1943)

Meine Grossmutter Marie lebte nach dem Tod ihres Mannes weiterhin im Flumserberg. Wie sie die Familie danach durchbrachte, ist leider nicht bekannt, aber umso erstaunlicher: Immerhin durften alle Buben eine Lehre absolvieren. Sie blieb bis zum Ende des 1. Weltkrieges im Flumserberg, zuletzt noch zusammen mit ihrem jüngsten Sohn Felix. Dann wurde der Familienwohnsitz aufgehoben. Was mit dem Haus geschah, entzieht sich meinen Kenntnissen.
Meine Grossmutter Marie kam danach zuerst eine gewisse Zeit in die Obhut ihres Sohnes Peter nach Cham, dann 2 Jahre zur Familie ihres Sohnes Felix an die Geltenwiler­strasse in St. Gallen. Hier lernte ich sie als kleiner Bub kennen. Später zog sie zu ihrer Tochter Amalie in den Lindenhof in St. Gallen St. Fiden um, einem katholischen Heim für "Alleinstehende", wo die beiden zusammen ein relativ kleines Zimmer bewohnten. Meine Grossmutter war inzwischen zu einem ganz kleinen, hageren Mütterchen geschrumpft. Als Kinder besuchten wir sie mit Vater oder Mutter fast jeden Sonntag im Lindenhof, wobei man jeweils noch einen kleinen finanziellen Zu­stupf ablieferte. Ich erinnere mich noch gut an das relativ schmale Zimmer mit den 2 Betten auf der einen, dem Kasten, dem kleinen Tisch mit dem Spritkocher und einem Armsessel auf der anderen Seite; und es roch im Zimmer immer etwas von Gekochtem und von Brennsprit; diesen Geruch habe ich auch heute noch in der Nase, wenn ich an sie denke! Grossmutter Marie Gadient starb mit 83 Jahren und wurde auf dem Ostfriedhof in St. Gallen beerdigt.
Meine Grossmutter Marie hatte noch Geschwister. Mir ist aber nur ihr Bruder Anton Wildhaber bekannt, der in Maprak im Taminatal hinter Vasön und Vadura Betriebsleiter eines kleinen Elektro-Kraftwerks war. Dort durfte ich im Vorschulalter einmal zusammen mit meinem Vater zwei Ferienwochen verbringen. Dieser Töni, wie man ihn nannte, war mit einer Anna verheiratet und sie hatten zwei Kinder: Anton Wildhaber Junior und Leonie Wildhaber. Töni Senior und Junior waren beides sehr abgebrühte Wilderer, was jedermann wusste, denen man aber nur sehr selten etwas nachweisen konnte. Ich war in meinen Ferien einmal Zeuge, wie Töni Junior auf der Brücke zum Maschinenhaus einen Hasen erlegte. Ich sehe heute noch, wie das arme Tier getroffen wurde, sich überschlug und dann tot liegen blieb. Das schockierte den kleinen Hansruedeli furchtbar und machte ihn bitterlich weinen.
Als meine Schwester Dorli später nach Valens heiratete, waren Töni Wildhaber Junior und Leonie Wildhaber auch zur Hochzeit eingeladen und man hatte wieder regen Kontakt untereinander. Ich weiss noch, anlässlich der Hochzeit durfte ich mit Töni Wildhaber Jun. auf dem Soziussitz des schweren Motorrades von von Valens aus im Maprak etwas holen, das sie mitzubringen vergessen hatten! Das war damals mein erstes Motorrad-Erlebnis! Dieses Maprak existiert schon seit ca. 20 Jahren nicht mehr: Als der neue, viel grössere Staudamm weiter talabwärts gebaut und der See geflutet wurde, versank das alte, zurückgebaute Maschinenhaus samt Wohnhaus und Schopf in den Fluten. Und das alte Verbindungssträsschen von Vasön nach Vadura, welches seinerzeit bei Maprak über eine kleine Brücke über die Tamina führte, wurde durch den Weg auf der Krone des neuen Staudamms ersetzt, abgesehen von der gewaltigen, neuen Strassenbrücke Pfäfers – Valens.
Wie bereits oben gesagt hatten meine Grosseltern väterlicherseits (ohne die 2 früh verstorbenen Kleinkinder) 9 Kinder:

Kinder von Johann Rudolf Gadient und Marie Hedwig Wildhaber sind:
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1.1.  Gadient Vorfahren – Vorfahren väterlicherseits von Hans Ruedi Gadient.

Kinder von Johann Rudolf Gadient und Marie Hedwig Wildhaber sind:

Kinder von Johann Rudolf Gadient und Marie Hedwig Wildhaber sind:

Die älteste Tochter Maria Katharina (1883-1908) lebte noch zuhause und brachte 1905 ein uneheliches Mädchen Frieda (1905-1981) zur Welt. Ein uneheliches Kind war damals in katholischen Kreisen schon sehr schlimm. Was es aber noch viel schlimmer machte, war, dass es auch noch von einem protestantischen Vater stammte, was damals anscheinend noch schlimmer als von einem Schwarzen war! Marie starb sehr früh mit knapp 25 Jahren.
Dieses uneheliche Kind Frieda lernte ich später kennen, ihre Mutter und Schwester meines Vaters selbstverständlich nicht mehr. Frieda blieb nach dem Tod der Mutter zuerst kurz bei der um 10 Jahre jüngeren Schwester, der ledigen Tante Amalie in St. Gallen, und kam dann in die Obhut einer Schwester ihrer Grossmutter, die als Menzinger Ordens-Schwester im Zuger Land ein Kinderheim aufgebaut hatte und es jetzt leitete. Damit war ihr Weg vorgezeichnet: Auch sie wurde Menzinger Ordens-Schwes­ter und Lehrerin mit dem Namen Sr. Oc­tavia (1905-ca.1981). Sie wurde 1930 die Patin meiner Schwester Beatrice und war zuletzt Lehrerin in Altdorf. Meine Eltern und ich haben sie noch hie und da besucht, zuerst in Altdorf und nach ihrer Pensionierung im Mutterhaus in Menzingen. Sie hat uns dann aus Menzingen immer zu Geburtstagen und zum Neujahr mit sehr filigraner, fein gegliederter Schrift Glückwünsche geschrieben und freute sich herzhaft, als ich mit Fischli wieder eine Frieda in die Familie brachte. Sr. Octavia durfte nach ihrer Pensionierung ihren Lebensabend im Mutterhaus in Menzingen gemeinsam mit ihrer Tante verbringen, der etwas älteren Ordensfrau Sr. Antonia, der jüngsten Schwester ihrer Mutter (siehe unten Elise Gadient 1897- 1983). Welch ein Zufall!
Nun aber zu den übrigen Geschwistern meines Vaters und deren Familien:
 
Tante Bertha Steiner-Gadient (1884-1966) verheiratet mit Beat Steiner.
Sie wohnten zuerst in Linthal, später in einem gediegenen Reiheneinfamilienhaus in Rapperswil an der Alten Jonastrasse, wo ich sie nach meiner Hochzeit hie und da zusammen mit meiner Frau Fischli noch besuchte. Onkel Beat war SBB-Angestellter als Zugführer. Tante Bertha war eine sehr warmherzige und gutmütige Frau, während ich Onkel Beat eher als etwas spröde und nicht sehr gesprächig in Erinnerung habe.
Sie hatten 2 Söhne:
Beat Steiner-Zahner (1909-1995). verheiratet mit Steffi Zahner.
Beat war wie sein Vater auch Zugführer. Sie wohnten in einem schönen Einfamilienhaus neben Knies Kinderzoo in Rapperswil, was mich als Bub sehr beeindruckte. Sie hatten 2 Kinder, Erna und Rolf. Erna war verheiratet mit Heinz- (?) und hatte 4 Kinder: Cornelia, Daniel, Stefan und Sybille.
Ernst Steiner-Sacchet (1914-2002?), verheiratet mit Ida Sacchet.
Ernst arbeitete als kaufmännischer Angestellter bis zu seiner Pensionierung bei der Stadt Rapperswil; früher war er einmal Kassier beim Zirkus Knie gewesen. Seine Frau Ida kam aus einem der Bündner Süd Täler. Sie wohnten an der Alten Jonastrasse in Rapperswil, mit Tante Bertha zusammen im Reihen-Einfamilienhaus. Sie hatten eine Tochter Yvonne. Ida war eine sehr liebenswerte, fröhliche und natürliche Frau. Mit ihrer Fröhlichkeit übertünchte sie aber wahrscheinlich nur ihre Depressionen. Wir waren alle sehr traurig, als sie sich im Zürichsee das Leben nahm.
 
Onkel Peter Gadient-Bütler (1888-1965) war mit Johanna Josefina Bütler verheiratet. Onkel Peter arbeitete als Mechaniker in der Papierfabrik Cham, vor allem aber spielte er Trompete. Er war ein begnadeter Musiker: Seine Funktion als Dirigent der Blasmusiken von Cham und Risch, die er sich als absoluter Autodidakt erarbeitet hatte, bedeutete ihm alles. Ich durfte hie und da ein paar Tage nach Cham in die Ferien, wobei ich meine Cousine Irma sehr ins Herz schloss, ja ich war jeweils fast ein bisschen verliebt in sie! Mit Sohn Peter, der um ein Jahr älter war als ich, machte ich einmal eine mehrtägige Velotour, wobei wir in der March einem Militärkonvoi begegneten, in welchem unser Cousin Hansjörg als angehender QM mit dabei war. Was für ein Zufall!
Sie hatten 4 Kinder:
Irma Meier-Gadient (1921-2011), verheiratet mit Werner Meier.
Irma war jahrelang Chefsekretärin beim Braunviehzuchtverband in Zug und heiratete relativ spät Werner Meier. Werner war gelernter Drogist und sie führten dann zusammen eine Drogerie in Cham. Irma und Werner hatten eine Tochter Ruth und einen Sohn Peter.
Margrith Gadient (1923-1997), unverheiratet.
Margrith war Verkäuferin, in jungen Jahren in Lausanne. Als Cousine war sie meiner Schwester Beatrice eine gute Kollegin, als diese in Lausanne ihre KV-Lehre absolvierte.  
Edith Ulrich-Gadient (1926-2001), verheiratet mit Karl Ulrich.
Edith bleibt mir mit ihrer fröhlichen, warmen und entwaffnenden Herzlichkeit in bester Erinnerung. Karl war Lehrer in Cham (?). Edith und Ernst hatten 7 Mädchen mit Namen Antoinette, verh. Girod; Brigitte, verh. Küpfer; Edith, verh. Fässler; Gabriela, verh. Bieri; Ruth, Adelheid und Irène, verh. Inglin.

Peter Gadient-Heberlein (1932-2014), verheiratet mit Maija Heberlein.
Peter arbeitete schon bei der SWISSAIR im Traffic, als ich 1960/1961 mein kurzes Gastspiel in der Ingenieurabteilung der SWISSAIR gab; später war er Station Manager an verschiedenen Stationen auf der Welt, u.a. in Dakar und Istanbul, am Schluss in Zürich. Da verhalf er mir zwischendurch einmal bei einem Überseeflug zu einem Upgrade in die erste Klasse, oder unserem Cousin Hansjörg spätabends ein Taxi nach Frenkendorf, wenn der letzte Zug schon weg war. Mit Maija und Peter hatten wir immer wieder einmal Kontakt, vor allem an Cousinen und Cousintreffen, zu welchen der Anstoss meistens von mir kam,  und an runden Geburtstagen. Sie haben eine Tochter Patricia, verh. Dietschi und einen Sohn Marco.
 
Johann Rudolf Gadient-Kunz (1890-1975), verheiratet mit meiner Mutter Selina Kunz (1889-1980). Sie hatten 6 Kinder.
Das sind meine Eltern, die ich im Kapitel "Elternhaus Gadient" im Detail beschreiben werde.
 
Tante Pauline Funke-Gadient (1892-1995) Von ihr wissen wir leider nicht viel. Sie durfte oder vielleicht besser „musste" mit einem Gemeinde-Ticket nach USA auswandern: Zu jener Zeit war die Schweiz ein echt armes Auswanderungsland, besonders in damaligen Notstands-Ge­bie­ten wie dem St. Galler-Oberland. Auswanderungswillige wurden von den Gemeinden bei der Auswanderung sogar finanziell unterstützt!
In den USA, in Illinois hat unsere Grosstante einen deutschen Landwirt namens Funke geheiratet. Wir wissen das so genau, weil William John Mayer, ein Nachkomme in 2. Generation von dieser Urgrosstante und Sohn des "Postmaster of Whichita, Kansas" kurz nach dem Ende des 2. Weltkrieges als junger GI und Besatzungssoldat in Zweibrücken Deutschland stationiert war, seinem Schweizer-Ur­sprung nachspürte und fündig wurde: Er besuchte unsere beiden St. Galler Gadient Familien mehrmals.
In meiner Kantonsschulzeit halfen mir diese Besuche sehr in der englischen Sprache, wobei aber meinem sauberes "Kings English" sprechenden Professor Wyler meine dadurch etwas amerikanische Aussprache gar nicht gefiel. Ich war auch einige Male mit ihm Skifahren auf dem Kapf, wobei er vom Skifahren keine Ahnung hatte. Aber er stürzte sich jeweils todesmutig in eine Abfahrt, bis es ihn grauenhaft überschlug und durcheinander wirbelte, glücklicherweise immer ohne bleibende Schäden.
Auch erinnere ich mich gut, dass er jeweils in einem riesigen Amerikanerwagen anrückte, wobei der Kofferraum zu einem Zusatz-Benzintank ausgebaut war. In der Kaserne bekamen die GI's das Benzin fast gratis, und mit diesen Zusatztanks konnten sie ohne nachzutanken grosse Distanzen fahren. Es genügte ihm jedenfalls gut für die Strecke Zweibrücken-St. Gallen und wieder zurück! Mit diesem Auto fuhren wir dann jeweils auch zu Onkel Felix und Cousin Hansjörg an die Geltenwilerstrasse in St. Gallen. Leider haben wir dann die Spur zu diesem Amerikaner-Familienzweig wieder verloren.
 
Tante Amalie Gadient (1893-1969), unverheiratet, wohnte in meiner Jugend wie obenerwähnt zuerst im Lindenhof in St. Fiden. Sie arbeitete als Fabrikarbeiterin bei der Strumpffabrik PEROSA an der Helvetiastrasse oberhalb des Bahnhofs St. Gallen St. Fiden. Als ihre Mutter starb, zog sie in ein Zimmer im Haus der Apotheke St. Fiden an der Ecke Rorschacherstrasse / Helvetiastrasse, also fast in Rufweite von unserer Wohnung. Sie war eine sehr eigenwillige Person, zwar sehr katholisch, aber gerne etwas streit­bar. Ganz unverhofft tauchte sie jeweils am Abend oder an Wochenenden bei uns zuhause auf, wobei es öfters mit meinem Vater und ihrem Bruder zu grösseren und kleineren Auseinandersetzungen kam. Sie versorgte jeweils auch die Chamer Gadients und die Klosterfrauen mit Internas aus den St. Galler Gadient Familien, was dann auch oft wieder für Unfrieden in der Verwandtschaft sorgte. Sie starb 1969, als etwas verbitterte, alte Jungfer.
 
Onkel Paul Gadient (1894-1922) starb sehr früh. Mein Vater war zwar 4 Jahre älter, konnte sich aber nur schwach an seinen verstorbenen Bruder erinnern.
 
Onkel Felix Gadient-Lanz (1895-1979), verheiratet mit Therese Lanz, der Tochter eines aus Deutschland eingewanderten Schreinermeisters mit Wohnsitz und Werkstatt in St. Gallen St. Georgen.
Onkel Felix war entsprechend den Angaben seines Sohnes Hansjörg eine Zwillingsgeburt, wobei sein „Zwillings-Bruder“ nach einer Nottaufe ohne überliefertem Namen starb. Auch dem kleinen Felix gaben seine Eltern kaum eine Lebenschance. Weil jener Tag im Kirchenkalender offenbar Felix und Regula geweiht war, kam so der Vorname Felix in die Familie.
Onkel Felix hatte den Malerberuf bei einem Meister in Sargans erlernt. Während der Rekrutenschule und den anschliessenden 1. Weltkrieg-Aktivdienst gab es weder einen Militärdienstersatz noch eine Arbeitslosenunterstützung, so dass Felix sehr unten durch musste. Er kam glücklicherweise regelmässig bei Verwandten unter und blieb so in regem Kontakt mit Verwandtschaft, Beruf und der engeren Heimat. Nachdem sich sein Wunsch, wie sein Bruder Hans eine Stelle beim Staat zu finden nicht erfüllte, wechselte er in seinem Beruf in den Verkauf. Die 30er Krisenjahre stürzten die junge Familie in die Arbeitslosigkeit. Ein Darlehen des Branchenverbandes und ein durch meinen Vater und Bruder Hans verbürgter Kredit halfen über diese schlimm­ste Zeit hinweg. Als dann die Geschäfte wieder besser liefen, musste er noch Autofahren lernen, um seinen Beruf auszuüben. Der 2. Weltkrieg brachte mit Militärdienst und Benzinrationierung neues Ungemach über die Familie und er musste wieder vom Auto auf Bahn und Fahrrad umsatteln.
Tante Theres (1890-1946) verunfallte 1936. Bei der anschliessenden, mehrwöchigen Bettlägerigkeit brach zudem noch die Gicht aus, eine Erbkrankheit in ihrer Familie, an der sie Zeit ihres Lebens litt und an der dann auch Sohn Hansjörg im Alter leiden sollte. In meiner Erinnerung war sie eine herzensgute, aber sehr leidgeprüfte und etwas verbitterte Frau. Sie starb mit nur 56 Jahren.
Sie hatten zusammen 2 Söhne:
Felix Gadient Serex (1926-2019), verheiratet mit Marcelle Serex (1934-2017).
Felix absolvierte nach der Primar- und Sekundarschule die damalige Verkehrsschule in St. Gallen, machte dann noch eine Kaufmännische Lehre und arbeitete anschliessend als Textilkaufmann. Nach der Rekrutenschule arbeitete er einige Jahre in Südamerika: in Ecuador und Peru. Später war er Repräsentant für die Textilfirma Fischbacher in Paris. Den Rest seiner aktiven Laufbahn verbrachte er bei den Emser Werken im Verkauf. Felix war ein guter Erzähler und Marcelle eine wunderbare Gattin. Wir besuchten sie einmal in ihrem wunderbaren Feriendomizil im Sottoceneri.
Felix wohnte viele Jahre in Chur, am Schluss im Altersheim, und pflegte stets bis zu ihrem Tod die Verbindung zu seiner Cousine und meiner Schwester Dorli in Bad Ragaz. Felix und Marcelle haben 3 Kinder: Carole Gadient, ledig, Kindergärtnerin, Diego Gadient, Jurist, verheiratet mit der Kunsthistorikerin Sue Naef, und Manuel Gadient, Banker, verheiratet mit Anna Maurer. Sue Und Diego wohnen ca. ab 2000 in einem EFH im Zollikerberg. Sue verhalf ich, Vorstandsmitglied im Kulturkreis Zollikon zu werden, da wir im Vorstand einen oder eine Kunsthistorikerin suchten. So hatten wir eine gewisse Zeit lang regen Kontakt zu Diego und Sue, wobei ich oft klarstellen musste, dass Sue nicht meine Tochter war. Seit dem Tod von Fischli werde ich von Sue und Diego regelmässig zum Essen eingeladen.
Hansjörg Gadient-Probst (1929- 2017), Dr. Oec. HSG, verheiratet mit Heidi Probst.
Mit Hansjörg hatte ich von allen meinen Cousins und Cousinen am meisten Kontakt, vor allem in jungen Jahren und dann wieder im gestandenen Alter. Während meiner Jugendzeit waren Felix und Hansjörg oft bei uns in St. Finden zu Gast, zwar eher wegen meinen älteren Geschwistern. Hansjörg ging immer ein paar Klassen oben an mir in die Schule, zuerst in der Kath. Sekundarschule (Flade) und dann an der Kantonsschule St. Gallen. Und immer wurde er mir von den Lehrern als grosses Vorbild hingestellt, und ich musste leider meine Lehrer immer wieder enttäuschen, da ich nicht so fleissig war wie er, und ich neben der Schule noch viele andere Steckenpferde hatte! Er war Mitglied in der katholischen Studentenverbindung Corona San Gallensis. Nach unseren Studien verloren wir uns etwas aus den Augen, bis wir uns später, als ich für BALLY und er für HENKEL für den Markt Schweiz verantwortlich waren wieder regelmässig trafen. Wir versuchten jeweils an den jährlichen Marketing-Tagungen des Vorortes (heute Economie Suisse) am gleichen Tisch zu essen, um uns etwas auszutauschen. Hansjörg und Heidi haben ein Tochter Claudia. Hansjörg war ein passionierter Maler: Fischli und ich besuchten einige seiner Ausstellungen.
 
Tante Elise Gadient (1897- 1983), wurde als Sr. Maria Antonia Menzinger Ordens-Schwester und Lehrerin. Wie bereits oben erwähnt war sie erst ein Jahr alt, als ihr Vater an Magenkrebs starb. Eine Tante und Schwester ihrer Mutter, die als Menzinger Ordens-Schwester im Zuger Land ein Kinderheim aufgebaut hatte und es jetzt leitete, nahm nach dem Tod des Vaters dieses jüngste Kind ihrer Schwester in ihre Obhut und machte aus ihr ebenfalls eine Menzinger Ordens-Schwester, dazu aber noch Lehrerin.

Viele Innerschweizer Gemeinden waren damals sehr arm und deshalb froh, wenn in den Schulen Ordens-Schwestern für Gotteslohn arbeiteten. Dies war da­mals für eine Frau aus unteren Kreisen die finanziell praktisch einzig tragbare Möglichkeit, den Lehrerinnenberuf zu ergreifen.

Anfangs der 60er Jahre amtete Sr. Maria Antonia in Galgenen (SZ) als Primarlehrerin. Da ich seit dem 1. Januar 1962 ja im Nachbardorf Lachen SZ in der Schuhfabrik arbeitete und wir nach unserer Hochzeit im Mai 1962 ja auch in Lachen wohnten, haben Fischli und ich sie noch hie und da in Galgenen besucht, bis sie 1965 pensioniert wurde.

Nach ihrer Pensionierung wohnte sie dann im Mutterhaus in Menzingen, später zusammen mit Sr. Octavia, dem 8 Jahre jüngeren, unehelichen Kind ihrer früh verstorbenen, ältesten Schwester Marie.

Mein Grossvater Heinrich Kunz-Ronner (1852-1896?)
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1.2.  Gadient Vorfahren – Vorfahren mütterlicherseits von Hans Ruedi Gadient.

Mein Grossvater Heinrich Kunz-Ronner (1852-1896?)

Mein Grossvater Heinrich Kunz-Ronner (1852-1896?)

Heinrich Kunz war verheiratet mit Albertine Ronner Sie hatten zusammen 3 Töchter und 1 Sohn.
Was ich von meinem Grossvater weiss, ist, dass er reformiert (!) war und als Werk­zeugmacher bei der Firma Bühler in Uzwil arbeitete. Wie und woher er nach Uzwil kam, weiss anscheinend niemand mehr. Er starb sehr früh mit ca. 42 Jahren, an was ist ebenfalls unbekannt.

Meine Grossmutter Albertine Kunz-Ronner (1856-1953)
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1.2.  Gadient Vorfahren – Vorfahren mütterlicherseits von Hans Ruedi Gadient.

Meine Grossmutter Albertine Kunz-Ronner (1856-1953)

Meine Grossmutter Albertine Kunz-Ronner (1856-1953)

Albertine Ronner wuchs in Galgenen SZ auf. Wie sie nach Uzwil kam und wie sie ihren Mann kennen lernte entzieht sich meiner Kenntnis. Da sie später neben der Kostgängerei scheinbar mit dem Nähen von Finken zusätzlich etwas Geld verdiente, lässt mindestens auf eine frühere Arbeit in der damaligen Hausschuhfabrik Dierauer in Uzwil schliessen.

Ich erinnere mich schwach, dass ich als ganz kleiner Bub einmal bei meiner Grossmutter in Uzwil in den Ferien war (ich muss weniger als 3 Jahre alt gewesen sein, denn meine Grossmutter lebte ja seit meinem dritten Altersjahr bei uns in St. Gallen). Ich erinnere mich auch noch daran, dass es ganz nahe beim Haus meiner Grossmutter einen kleinen steinernen Brunnen gab, einem Korb nachgebildet und schräg vis-à-vis war das Restaurant Linde. Ich weiss, dass dieser Brunnen heute auf dem Lindenplatz steht. Ich weiss aber nicht mehr, welches Haus meiner Grossmutter gehörte; und ich kann ja auch niemanden mehr fragen, der es wissen könnte.
Meine Grossmutter war eine grosse, energische Frau mit sehr starkem Willen und viel Unternehmergeist. Es scheint, dass sie ihren Heinrich ganz schön herumkommandierte und immer für die Familie da war. Was andere dachten oder sagten, kümmerte sie wenig. So hatte sie ja auch als Katholikin den reformierten Heinrich Kunz geheiratet und bestimmt, dass alle Töchter katholisch, der jüngste Sohn Heinrich aber wie sein Vater reformiert getauft werden sollte.
Kurz vor dem Tod ihres Mannes nahm sie vom Hausarzt in Uzwil das notwendige Kapital auf, um ein Haus zu kaufen. Der Arzt gab ihr das Geld, weil er sie kannte und überzeugt davon war, dass er das Geld zurückerhalten werde. In ihrem Haus eröffnete meine Grossmutter nun eine "Kostgängerei", das heisst, sie kochte gegen Bezahlung für ledige Arbeiter der Firmen Bühler und Bänninger Frühstück, Mittag- und Nachtessen, ja zeitweise beherbergte sie auch Neuankömmlinge, bis sie ein Zimmer gefunden hatten. Damit brachte sie ihre Familie durch, und alle Kinder, auch die Mädchen, durften eine Lehre absolvieren und mussten nicht als Hilfsarbeiter in die Fabrik arbeiten gehen, wie es damals eigentlich in diesen Kreisen üblich war. Albertine hielt nicht viel von den „Gstudierten“, darum hatte sie kein Verständnis für den Wunsch von ihrer jüngsten Tochter Selina, nach der Primar- und Sekundarschule noch weiter zur Schule gehen zu dürfen. Als dann der Lehrer persönlich vorsprach, gab Albertine zähneknirschend nach und Selina durfte immerhin noch die Frauenarbeitsschule in St. Gallen absolvieren.
Die Kostgängerei führte Albertine bis 1936, also bis zu ihrem 80. Geburtstag. Dann verkaufte sie das Haus und bezog ein Zimmer bei meinen Eltern (und ihrer Tochter Selina)  an der Rorschacherstrasse 116 in St. Gallen St. Fiden, um hier zu sterben, wie sie sagte. Dazu mussten wir 5 Kinder in der 5-Zimmer Wohnung etwas zusammenrücken: Selin und Dorli sowie Lisbeth und Beatrice teilten sich je ein Schlafzimmer und mein Bettchen blieb bei den Eltern.
Meine Grossmutter lebte dann aber mit uns noch 17 Jahre, und ich sage immer gerne: "Ich wuchs mit meiner Grossmutter auf!" Sie ging praktisch bis zum Schluss jeden Tag aus unserer Wohnung im 4. Stock in die nahe Pfarrkirche St. Fiden zur Messe, und an Sonntag-Nach­mittagen mit ihrer Schulfreundin Frau Eigensatz in die Kathedrale St. Gallen zu einer "Gut Tod Andacht". Nach diesem Kirchenbesuch kehrten die beiden im Kaffeehaus des "Vögelibeck" an der Spisergasse ein und assen viel Patisserie, was Albertine fürs Leben gern hatte.
Ihr Beitrag zum Haushalt meiner Eltern war einerseits ein finanzieller Zustupf an die Miete, und andrerseits besorgte sie immer nach dem Essen das Abwaschen, wobei wir zwei Kleinsten abwechslungsweise Abtrocknen mussten. Bei diesem Abtrocknen brachte ich meine Grossmutter mit Jahrgang 1856 oft zum Erzählen von früher. So erfuhr ich beispielsweise von ihr, was das für ein grosse Ereignis in Uzwil gewesen war, als das erste Mal ein Zug von Zürich nach St. Gallen fuhr und hier anhielt! Ich brachte sie hie und da sogar zum Singen, aber nur für die Nationalhymne, damals noch das "Rufst Du mein Vaterland", wobei sie jeweils sehr leise, aber grauenhaft falsch sang.
Eines Tages hatte der Obst- und Gemüsehändler von nebenan am Morgen, als sie von der Frühmesse in der Kirche zurückkehrte, frische Zwetschgen in der Auslage. Sie kaufte ein Kilo, wusste aber, dass ihre Tochter ihr oben in der Wohnung verbieten würde, so kalte Zwetschgen zu essen. Also nahm sie den Sack Zwetschgen, kehrte auf eine Sitzbank im Kirchenpärkli zurück und ass das ganze Kilo Zwetschgen. Sie erkältete sich prompt, zog sich dazu noch eine Lungenentzündung zu und musste schliesslich ins Spital eingeliefert werden, wo sie nach ein paar Tagen mit 97 Jahren friedlich einschlief. Die "Gut Tod Andachten" haben scheinbar doch genützt! Es war in meinem Maturajahr! Ich wurde als 20jähriger ins Rathaus geschickt, um ihren Tod zu melden und die Papiere in Ordnung zu bringen. Sie wurde dann im Ostfriedhof an der Kesselhalde beerdigt. Ich habe jeweils immer gerne gesagt: "Wenn Grossmutter nicht die Kirschen gegessen hätte, würde sie heute noch leben"...

Meine Grosseltern mütterlicherseits hatten 4 Kinder:

Kinder von Heinrich Kunz und Albertine Ronner sind:
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1.2.  Gadient Vorfahren – Vorfahren mütterlicherseits von Hans Ruedi Gadient.

Kinder von Heinrich Kunz und Albertine Ronner sind:

Kinder von Heinrich Kunz und Albertine Ronner sind:

Tante Anna Schiltknecht-Kunz (ca.1879-1960), verheiratet mit Hans Schiltknecht. Tante Anna hatte Näherin gelernt und zog nach Zürich. Dort lernte sie ihren Hans kennen.
Sie hatten 3 Kinder, 1 Sohn und 2 Töchter:
Hans Schiltknecht-? (ca.1910-1980), verh. mit Helen-?. Er arbeitete im Gaswerk Schlieren und sie bewohnten eines der Angestellten-Einfamilienhäuser des Gaswerks, was uns an Mietwohnungen gewöhnte Leute gewaltig imponierte. Meine Schwester Beatrice durfte 1939 gerade vor dem Krieg dort einmal in die Ferien und erzählte noch lange vom selbstgemachten Jogurt von Tante Helen (sie lernte hier Jogurt überhaupt kennen!), sowie vom Flussschwimmen in der Limmat mit Onkel Hans. Sie hatten 2 Töchter, Helen Siegle-Schiltknecht (bereits gestorben) und Renate Gaillard-Schiltknecht.
Klärli Aregger-Schiltknecht (ca. 1913-1980), verheiratet mit Albert Aregger. Onkel Albert Aregger war Dachdeckermeister mit einem eigenen Geschäft in Zürich-Alt­stetten. Ich durfte dort einmal in die Ferien, da Rudolf Aregger, ein zweiter Bub neben Albert Junior, fast gleich alt war wie ich, aber in Wirklichkeit schon eine Generation weiter. Wir lachten jeweils, wenn ich verlangte, dass er mir Vetter sagen müsse. Diese Ferien waren für mich hoch interessant, denn Rudolf zeigte mir oben am Waldrand die immer noch bestehenden Schützengräben und Geländeverstärkungen der sog. "Linth-Limmat" Verteidigungslinie, welche während dem 2. Weltkrieg in aller Eile gebaut worden waren. Sohn Albert hatte nach dem Tod des Vaters das Dachdeckergeschäft geführt und ist bereits gestorben. Sohn Rudolf Aregger-Ungricht lernte Schreibmaschinenmechaniker und schulte dann mit der Zeit zwangsweise auf Unterhalt und Instruktion von PC (Personal Computer) um. Er ist verheiratet mit Margrit Ungricht und wohnt in Weinfelden.
Martha Wild-Schiltknecht (ca. 1916-1985) verheiratet mit Hans Wild, dem Stadtgeometer von Zürich, auch ein Beamter mit Pension, damals eher eine Seltenheit. Hans Wild konnte das Restaurant Morgental beim Zürcher ZOO erben und erlebte einen ruhigen Lebensabend. Meine Schwester Lisbeth war einige Male bei ihnen in den Ferien. Selin wohnte eine gewisse Zeit bei ihnen, als sie von Bischofszell nach Zürich zog, bevor sie an der Feldeggstrasse im Seefeld bei er Familie Solvay ein Zimmer bezog. Wilds hatten einen Sohn: Hans Wild-Rohde, verh. mit Edith Rohde. Er war bis zur Pensionierung Geschäftsführer in der Firma Derendinger, Autozubehör.
 
Tante Bertha Wissmann-Kunz (ca.1883-1970), verheiratet mit Walter Wissmann. Walter Wissmann war Giessereiarbeiter und trank hie und da eins über den Durst, wie es bei diesem heissen Beruf öfters der Fall ist. Tante Bertha hatte ebenfalls Damenschneiderin gelernt, war sehr tüchtig und zog wie ihre Schwester Anna ebenfalls nach Zürich. Hier arbeitete sie sich bis zur 1. Näherin im Änderungsatelier von Grieder am Paradeplatz hoch. Sie kam auch hie und da für ein paar Tage zu uns nach St. Gallen "auf die Stör" und nähte dann für die ganze Familie Kleider. Sie hatte ihren Mann in Zürich kennen gelernt und sie wohnten hinter dem Hauptbahnhof an der Louisenstrasse. Ich habe Tante Bertha als beruflich sehr tüchtige, aber eher etwas streitbare Frau in Erinnerung. Sie hatten zwei Töchter:
Anneli Wissmann (ca.1908-1958), unverheiratet, und  
Bertha Bolli-Wissmann, ca. 1912-????), verh. mit Walter Bolli. Über sie weiss ich wenig. Sie hatten 2 Kinder: Lilian Sargenta-Bolli, wohnhaft in Magadino und Walter Bolli, der in der Aera Nägeli im FCZ Fussballclub Zürich Finanzchef war und in Rüschlikon wohnte. Meine Schwester Beatrice, die lange in Rüschlikon gewohnt hatte, hatte noch Kontakt zur Familie Walter Bolli.
 
Selina Gadient-Kunz (1889-1980) verheiratet mit Johann Rudolf Gadient (1890-1975).
Das ist meine Mutter! ich werde sie im Kapitel "Elternhaus Gadient" im Detail beschreiben.
 
Onkel Heinrich Kunz-? (ca.1892-1962), verheiratet mit Louise ??. Onkel Heinrich war Mechaniker, wohnte zuerst in Cham und nach der Pensionierung in Affoltern am Albis und war mein Götti. Wir hatten aber praktisch keinen Kontakt, weil meine Mutter der Ansicht war, dass Onkel Heinrichs Frau sie nicht mochte und zudem ihren Bruder wie ein Chef herumkommandierte. Onkel Heinrich beklagte sich darüber auch hie und da bei meiner Mutter. Aber man blieb halt damals trotzdem zusammen, auch wenn eine Ehe nicht sehr harmonisch verlief.
Sie hatten eine Tochter und einen Sohn:
Marie Louise, von der ich ausser dem Namen nichts weiss, und einen Sohn:
Heinz Kunz-??? verh. mit ???, der in Will SG bis zu seiner Pensionierung eine Strumpf-Fabrik leitete. Wo er heute wohnt, weiss ich nicht! Heinz Kunz hatte Wirker gelernt und arbeitete in jungen Jahren ausbildungshalber ein halbes Jahr lang als Praktikant in der Strumpffabrik VEREINA in St. Gallen. In dieser Zeit hatte er ein Zimmer bei uns in St. Fiden. Meine 4 Schwestern mussten deshalb ein halbes Jahr zu viert in einem Zimmer unserer Wohnung schlafen und waren etwas eifersüchtig auf Heinz, der ganz allein ein Zimmer für sich haben durfte. Er war auch bei uns am Tisch. Er hatte zudem sein Musikinstrument bei sich und spielte in der Freizeit wunderbar Xylophon!

 

Grossvater Alois Karpf-Holenweger (1870-1943?)
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2.1.  Karpf Vorfahren – Vorfahren väterlicherseits von Frieda Gadient-Karpf.

Grossvater Alois Karpf-Holenweger (1870-1943?)

Grossvater Alois Karpf-Holenweger (1870-1943?)

Alois Karpf war verh. mit Emilie Holenweger.

Er wuchs in Bellikon und Niederrohrdorf auf. Er lernte Wagner und arbeitete nach der Lehre auf dem Waffenplatz Bremgarten in der Wagnerei: Wahrscheinlich in erster Linie Reparaturen an den damals noch beim Train mit Pferden gezogenen Wagen. Nachdem die Armee später motorisiert wurde, arbeitete er in der Kaserne Bremgarten als Offiziers-Putz. Es ist nicht bekannt, wann genau und wieso die Familie nach Küsnacht zog. Hingegen weiss man, wo die Familie zuerst wohnte: Es war das Riegelhaus Ecke Goldbacherstrasse / Alte Landstrasse bei der Busstation. Paul Karpf jun. renovierte als Architekt das Haus im Jahr 1975, bzw. baute es um.

Vater oder Sohn Alois Karpf konnte 1933 von Oskar Trüb-Fenner, dem Schwager von Olga Karpf-Fenner, 1037 m2 Land zu 1.00 Fr/m2 kaufen. Auf dieses Land wurde ein Chalet gebaut. Dies praktisch gleichzeitig, wie Fritz Karpf nebenan das Bauernhaus mit Umschwung für seine Gärtnerei gekauft hatte. Paul Karpf jun. meint sich zu erinnern, dass sein Vater einmal erzählte, dass er seinerzeit die Fundamente und das Kellergeschoss für ein vorfabriziertes Holzchalet gebaut hatte. Die Grosseltern zogen dann in den oberen Stock dieses Chalets im Geissbüehl um und blieben da bis zu ihrem Tod. Im unteren Stock wohnte dann Familie Paul Karpf-Fenner einzog.

Grossmutter Emilie Holenweger (1882-1960)
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2.1.  Karpf Vorfahren – Vorfahren väterlicherseits von Frieda Gadient-Karpf.

Grossmutter Emilie Holenweger (1882-1960)

Grossmutter Emilie Holenweger (1882-1960)

Emilie Holenweger wuchs ebenfalls in Bellikon auf und kam wie oben beschrieben mit der Familie nach Küsnacht.

Als ich sie kurz vor ihrem Tode kennen lernte, wohnte sie immer noch im oberen Stock des "Chalet" im Geissbüehl. Grossmutter Karpf war katholisch gewesen, was Friedeli Gadient-Karpf wusste, denn sie hatte als Kind an Sonntagen oft mit ihrer Grossmutter die Messe besucht. So war es für sie auch nichts ganz Neues, als sie ihren Hans Ruedi katholisch heiratete. Sie war scheinbar auch eine wunderbare und verständnisvolle Grossmutter gewesen: Enkelinnen und Enkel gingen öfters mit ihren Problemen scheinbar lieber zu ihr als zu ihren Eltern. Im hohen Alter wurde sie leider etwas verwirrt. Trotzdem war klar, dass mich Friedeli im Jahr 1959 nach ihren Eltern unbedingt auch ihrer Grossmutter vorstellen wollte. Dazu erinnere ich mich gut, dass sie mich bei dieser Gelegenheit im Chalet lange prüfend anschaute und dann zu mir sagte: "Du bisch en Liebe", und zu Friedeli: "… und Du bisch e Karpf"!

Nach Absprache mit den gesetzlichen Erben übernahmen 1960 nach ihrem Tod Lulu und Adolf Lehmann das Haus und zahlten die übrigen Erben aus. Da mein Schwiegervater Fritz Karpf-Welti damals schon gestorben war, waren die Kinder Albert und Friedeli, meine Frau, erbberechtigt. Friedeli erbte damals ca. CHF 18'000, was den Grundstock für den Kauf unseres ersten Hauses in Hombrechtikon bildete).

Nachkommen der Grosseltern väterlicherseits waren:

Kinder von Alois Karpf und Emilie Holenweger sind:
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2.1.  Karpf Vorfahren – Vorfahren väterlicherseits von Frieda Gadient-Karpf.

Kinder von Alois Karpf und Emilie Holenweger sind:

Kinder von Alois Karpf und Emilie Holenweger sind:

Alois Karpf jun. (ca. 1899-1941) war der älteste, starb relativ früh, unverheiratet.

Albert Karpf (ca. 1900-1931) war mit meiner Schwiegermutter, Frau Frieda Welti aus Zollikon verlobt, als er plötzlich starb, ebenfalls sehr früh.

Fritz Karpf-Welti (1902-1960) verh. mit Frieda Welti; nahm sich nach dem Tod seines älteren Bruders Albert dessen Braut zur Frau.

Nachkommen waren:
Albert Karpf-Sturm (1934-1988)
Frieda Gadient-Karpf (1937-2013)
Detailliertere Angaben zu dieser Familie im Kapitel "4. Karpf Elternhaus"

Walter Karpf-Essig (ca.1905-1975) verh. mit Bethli Essig (????-????).
Onkel Walter hatte Werkzeugmacher gelernt und arbeitete, als ich ihn kennen lernte, schon seit Jahren in der Stanzmesserfabrik Küsnacht. Die Schuhfabrik GROWELA in Lachen, in der ich damals arbeitete, kaufte die Stanzmesser für den Leder- und Futterzuschnitt grösstenteils dort. Walter und Bethli Karpf halfen an Wochenenden oft meinen Schwiegereltern in deren Gärtnerei in Itschnach und dann in Zollikon. Sie waren hie und da auch anwesend, wenn ich zu meiner zukünftigen Frau zu Besuch kam. Paul Karpf jun. hat verschiedene Umbauten für die Stanzmesserfabrik realisiert und zu guter Letzt machte Hans Rupprecht-Karpf lange Jahre die Werbung für den Arbeitgeber seines Onkels. Bethli Karpf sprach auch nach Jahren in der Schweiz immer noch mit einem Akzent aus Baden-Würtemberg.
Sie hatten eine Tochter
Edith-Breitschaft-Karpf (1930-2014), in 1. Ehe verh. mit Carlo Broggi, in zweiter Ehe verh. mit Franz Breitschaft. Sie starb kinderlos. Ich erinnere mich an wie meine Frau Fischli mir erzählte, dass sie durch ihre 7 Jahre ältere Cousine Edith aufgeklärt worden war! Von Edith weiss ich sonst nichts, welches ich hier anführen könnte, denn wir sahen uns praktisch nur zufällig an Hochzeiten und Beerdigungen, sowie an Ausstellungen von Cousin Hans Streuli.

Mily Streuli-Karpf (ca.1906-1985) verh. mit Hans Streuli.
Hans Streuli war gelernter Heizungstechniker. Nach der Heirat folgte Mily ihrem Mann nach Rom, wo sie ihn beim Aufbau eines renommierten Heizungs- und Sanitärgeschäftes unterstützte. Das war das Feriendomizil der Karpfs! Praktisch alle Geschwister sowie Nichten und Neffen waren mindestens einmal bei Mily und Hans in den Ferien, später in dem von Carlo erbauten Haus in Fregene, viele waren dort sogar auf der Hochzeitsreise. Bei Ausbruch des 2. Weltkrieges zogen die Söhne und phasenweise auch die Mutter Mily aus Sicherheitsgründen nach Meilen zu Mutter und Schwester von Hans, währen er selbst sein Geschäft in Rom betreute und bewachte! Carlo und Hans besuchten von Meilen aus das Gymnasium in Zürich und später auch die Hochschule. Frieda Gadient-Karpf erzählte mir später, wie stolz das kleine Friedeli jeweils gewesen sei, wenn sie hie und da mit ihren grossen und gescheiten Cousins ausgehen durfte. Onkel Hans und Tante Mily kamen jeweils für Familenfeste und bei Todesfällen zu Besuch in der Schweiz. Mit ihrem fröhlichen Wesen waren sie in der ganzen Verwandtschaft sehr geschätzt.
Nachkommen waren
Hans Streuli-Graf (1932-2015) verh. mit Irma Graf. Hans eröffnete nach seinem Studienabschluss und Doktorat eine eigene Zahnarztpraxis in Meilen, wobei Irma ihn als Zahnarztgehilfin am Anfang tatkräftig unterstützte. Hans betrieb seine Praxis als Zahnarzt bis er ins Pensionsalter kam. Hans war ein passionierter Segler auf dem Zürichsee und ein grosser Bergwanderer. Er begann auch schon früh leidenschaftlich zu Malen. Diesen drei Hobbies frönte er nach Herzenslust, nachdem er in Pension gegangen war. Er stellte seine Bilder an einigen Ausstellungen aus, wobei es an den Vernissagen jeweils zu richtigen Verwandtentreffen von Cousins und Cousinen kam. Hans und Irma hatten 2 Söhne: Hans und Max
Carlo-Streuli-??? (1933-1988) Nach seinem erfolgreichen Abschluss als Dipl. Arch. ETH arbeitete Carlo einige Jahre in einem berühmten Zirkel um den Kunsthistoriker und Architekten Rudolf Olgiati (dem Vater des heutigen Architekten Valerio Olgiati), bis er fand, er gehöre doch eher in den Süden. Nach seiner Rückkehr nach Rom durfte Carlo für die Familie im Pinienwald von Fregene ein Ferien- und Strandhaus bauen. Carlo blieb dann zeitlebens in Rom, arbeitete zuerst als Architekt, übernahm und führte später aber das elterliche Sanitär- und Heizungsgeschäft und hatte Luciana, eine wunderbare italienische Frau geheiratet, welche ich sehr gern hatte. Er plante zudem von Rom aus mit Unterstützung seines Cousins und Architekten-Kollegen Paul Karpf neben dem Familienbesitz in Meilen ein Haus mit Einliegerwohnung. Paul Karpf zeichnete Pläne und machte Abklärungen mit Behörden. Als Carlo plötzlich starb, wurde das Projekt sehr zum Leidwesen von Cousin Paul Karpf aufgegeben. Es war praktisch bis zur Baueingabe fertig! Carlo starb mit 55 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Carlo und Luciana hatten 2 Kinder: Giorgio und Claudia. Nach Unstimmigkeiten in der Streuli-Familie im Zusammenhang mit dem Tod von Carlo wurde der Kontakt zu Luciana und den Nachkommen leider vollkommen verloren.

Frieda Leemann-Karpf (1908-1991) immer "Lulu" gerufen, verh. mit Adolf Lehmann (1909-2003).
Lehmanns hatten in Küsnacht ZH ein bekanntes Radio-TV-Geschäft und im gleichen Haus das lokale Kino. Immer waren beide Elternteile vollamtlich im Geschäft engagiert, wobei Adolf Lehmann ein begnadeter Radio- und TV-Techniker und zeitlebens sehr stolz auf seinen Abschluss am Technikum Winterthur war. "Lulu", wie man Tante Frieda Leemann überall nannte, war ein Original im Dorf, verstand sich mit Kunden, Behörden und Lieferanten bestens und war sowohl im Laden wie an der Kino-Kasse in Küsnacht anzutreffen. Adolf spielte im Kino den Operateur und liess die Filme ablaufen. Meine Frau Frieda Gadient durfte hie und da einen Film, zu dem sie noch nicht zugelassen war, mit Onkel Adolf von der Operateuren-Kabine aus sehen! Tante Lulu hatte Frieda Gadient-Karpf sehr gerne, denn sie hatte immer das Gefühl, dass sie eine richtige "Frieda Karpf" sei, so wie sie es selbst gewesen …
Nachkomme ist,
Adolf Leemann-Huber (1932-2012) verh. mit Lilian Huber. Sohn Adolf wurde zur Unterscheidung zum Vater grundsätzlich immer "Dölfi" gerufen. Es wurde erst etwas komplizierter als Grossvater Adolf, Vater Dölfi und dann auch noch die 3. Generation "Dölfi junior" im Geschäft arbeiteten, denn alle drei Generationen Adolf Leemann hatten Radio- und TV-Fachmann gelernt.

Ca. 1960 eröffneten Dölfi und Lilian in Lachen SZ ein zweites, gut florierendes Radio- und TV-Geschäft und wohnten hoch über Altendorf SZ in "Obergaden". Während meiner Zeit in Lachen SZ hatten wir regen Kontakt mit ihnen. Dank Dölfi besitze ich einige Carigiet Lithografien. Das kam so: Dölfi kannte den Schauspieler Zarli Carigiet. Und wenn dieser kein Geld mehr hatte, fuhr er im Auto ins Bündnerland zu seinem Kunstmaler-Bruder Alois, "lüschelte" ihm ein paar Lithografien ab und verkaufte diese dann. Auf dem Heimweg musste er damals in Lachen zwangsweise am Laden von Dölfi vorbeifahren, hielt rasch an und bot ihm die Lithografien an. Dölfi rief darauf meistens auch mich in der Schuhfabrik an, so dass auch ich kaufen konnte!

Dölfi hatte inzwischen begonnen, einen Grosshandel mit südkoreanischen Radio- und TV-Bestandteilen aufzuziehen, der ihn mehrmals pro Jahr in den Fernen Osten reisen liess. Irgendwann gefiel es ihm bei den Asiaten (oder eher Asiatinnen?) so gut, dass er das Geschäft in Lachen verkaufte und im Fernen Osten eine zweite Familie gründete und mit dieser zwischendurch ins Chalet im Geissbüehl in die Ferien kam. Am Schluss lebte er in dritter Ehe auf den Philippinen und ist da 2012 auch gestorben. Grosskind Dölfi jun. arbeitete immer bei den Grosseltern im Geschäft in Küsnacht tatkräftig mit, um später das Geschäft sogar in eigener Regie zu übernehmen, bis er es dann auch verkaufte.

Paul Karpf-Fenner (1909-1970), verh. mit Olga Fenner (1911-1988)
Paul Karpf erlernte im Küsnachter Baugeschäft Lorandi den Maurerberuf, aber auch selbständiges, zielsicheres Arbeiten und den Umgang mit Kunden, Vorgesetzten und Mitarbeitern. Nach ein paar Praxisjahren im Dorf und in Zürich trat er als Polier in das Küsnachter Baugeschäft Bruno Polla ein und führte gewissenhaft und verantwortungsvoll Baustellen mit bis zu 50 Bauleuten. Er bildete sich in Kursen des Schweiz. Polierverbandes ständig weiter, und mit seiner natürlichen Gabe, Leute zu führen, wurde er zum gefragten Bau-Fachmann. Auf der Baustelle war er wenig im Baubüro anzutreffen, denn er schrieb seine Rapporte und studierte die Baupläne meistens abends zuhause ausserhalb der eigentlichen Arbeitszeit. Paul Karpf blieb bis zu seinem Tod der Firma Polla treu.
1937 verheiratete sich Paul Karpf mit Olga Fenner; 1938 kam Sohn Paul zur Welt und 1942 wurde Olgeli geboren. Die junge Familie bewohnte die 3 Zimmer-wohnung im unteren Stock des Chalet, und im abgeschrägten Obergeschoss lebten die Grosseltern. Ein gemeinsames Bad war im unteren Stock eingerichtet. Im Haus nebenan lebte Bruder Fritz mit seiner Familie und betrieb eine Gärtnerei. Als dann 1949 noch Nachzügler Hans geboren wurde, wurde die Wohnung eindeutig zu klein. Als 1947/49 im Tägermoos die 2. Etappe Eigenheimhäuser gebaut wurden (auf Land der Gemeinde und mit Bundessubventionen), packte die Familie zu und zog an die Tollwiesstrasse 12, wo jetzt Sohn Hans mit seiner Frau Susanne wohnt. Paul Karpf hatte ca. ein Jahr vor seinem Tod starke Beschwerden im oberen Bauchbereich, was er aber mit grosser Geduld und Disziplin überstand. Er starb 1970 viel zu früh an Bauchspeicheldrüsenkrebs und hinterliess Mutter Olga mit zunehmend schwerer Diabetes.
Nachkommen sind
Paul Karpf-Schäfer (*1938) verh. mit Rosemarie Schäfer (*1941), mit Töchtern Barbara (*1967) und Isabelle (*1970)
Paul Karpf erwarb nach 3 jähriger Bauzeichner-Lehre im Büro Zürich des Küsnachter Architekten A. Winiger, 3 Jahren Büro- und Baupraktikum, Rekrutenschule, Unteroffiziersschule und Abverdienen in den Jahren 1959 – 1962 am Technikum Winterthur das HTL Diplom in Architektur. In der Folge arbeitete er zu verschiedenen Malen im 12 Mann Büro von Architekt R. Zürcher im Seefeld, ein erstes Mal unterbrochen von einem beruflichen Aufenthalt 1963 – 1966 in Paris. Im Februar 1965 heiratete er seine Rosemarie im Kirchlein Wettswil, und nach Paris folgte von 1966 – 1968 ein Aufenthalt in Montreal in Kanada, wo er bei der Firma "Bechtel Engineering" im Grossbüro arbeitete. In Montreal kam 1967 Tochter Barbara zur Welt. 1968 - 1971 arbeitete er an einer ihm besser zusagenden Stelle im Architekturbüro Prescott in Plattsburg, Upstate New York USA, am Lake Champlain. Als "Einwanderer", gut eingebettet im Kreis von 4 Büroteilhabern, mit jovialem Chef und guter Kundschaft, baute die junge Familie im Sommer 1970 mit finanzieller Hilfe der Eltern ein Eigenheim in bewährter Holzkonstruktion. Ein Traum war Realität geworden. Im gleichen Jahr kam Tochter Isabel zur Welt. Doch mit dem frühen Hinschied von Vater Paul in Küsnacht und den schweren Diabetes-Problemen der Mutter Olga entschieden sich Rosemarie und Paul im Frühjahr 1971 zur Rückkehr per September gleichen Jahres. Für diesen Zeitpunkt hatten sie in der Eigenheim-Genossenschaft eine 4 1/2 Zimmer Eigentumswohnung Sonnenrain 62 gekauft. Nach umfassenden Abklärungen über den zukünftigen Arbeitgeber (u.a. auch im Büro Zoelly) ging Paul Karpf wieder zu Zürcher Architekten zurück: Dort kannte er alle und wusste, auf was er sich einliess. Auch hatte er in Aussicht, Partner werden zu können.
Ende 1972 dann unverhofft Eintritt ins Büro des Küsnachter Kollegen Ernst Fluri mit einer Vereinbarung über die künftige Bürogemeinschaft Fluri und Karpf. In diese Zeit fällt die Architektengemeinschaft mit Pierre Zoelly für Planung und Realisierung der Überbauung Kleindorf/Im Hägni in Zollikon für seine wiederverheiratete Tante Frieda Spaltenstein, die frühere Frieda Karpf-Welti, die ich gegenüber den Architekten vertreten durfte. Schön war, dass gleichzeitig Bruder Hans als Polier auf der Grossbaustelle war; weniger schön, dass Paul Karpf im Detail alles "ausbaden" musste, was Pierre Zoelly mit seiner sprudelnden Phantasie ausheckte. Nach dem frühen Tod von Ernst Fluri Ende 1985 führte Paul Karpf das Büro bis zum Ende seiner erfolgreichen Berufstätigkeit im Jahre 2008 selbständig weiter, mit Übergabe an seinen langjährigen Bürokollegen Peter Gut und Übertritt in den wohlverdienten Ruhestand.
Rosemarie hatte wie Friedeli Gadient den Kantonal Zürcherischen Bibliothekaren Kurs absolviert und arbeitete nach erfolgreicher Abschlussprüfung in der Gemeindebibliothek Küsnacht im Höchhus an der Seestrasse mit, und dies mit grossem Wissensdurst und lebhaftem Gedankenaustausch. Daneben hegte und pflegte sie neben ihrer prächtigen Dachterrasse einen wunderbaren Schrebergarten, sodass Karpfs gemüsemässig fast Selbstversorger wurden.
Olga Rupprecht-Karpf (*1942), verh. mit Hans Rupprecht (*1940), mit Tochter Cornelia (*1969) und Sohn Lars (*1974)
Olga Karpf arbeitete nach der Handelsschule Juventus als kaufmännisch Angestellte beim Weltwoche-Verlag auf der Werbeabteilung. Sie entschloss sich dann – ganz nach Familientradition – auf der Baubranche in einem Architekturbüro tätig zu sein. Der französischen Sprache wegen beschloss sie 1963, zusammen mit einer Freundin nach Lausanne zu ziehen, wo sie in einem Ingenieurbüro tätig war. Auf der ersten Zugfahrt ins Welschland wollte es der Zufall, dass Olga ihrem zukünftigen Ehe-mann Hans Rupprecht begegnete: Hans, ein gebürtiger Münchner, war ebenfalls in Lausanne als Schriftsetzer tätig, welche Berufsgattung zu jener Zeit noch sehr gesucht war in der Schweiz.
Nach zwei Jahren beschlossen die beiden, von Lausanne nach Zürich zurückzukehren, da Hans eine Ausbildung als Werbeassistent absolvierte und dabei bei PKZ in Zürich tätig war.
Olga trat dann eine Stelle als Alleinsekretärin in einer Werbeagentur in Zürich an, bei welcher sie bis zur Geburt von Tochter Cornelia beschäftigt war.
1968 heirateten die beiden und gründeten auf dem Zollikerberg eine Familie mit Tochter Cornelia und Sohn Lars, welche 1968 resp. 1974 das Licht der Welt erblickten. Lars starb 2019 sehr jung.
Während diesen Jahren bildete sich Hans als Werbe- und Marketingleiter aus und arbeitete dabei in namhaften Werbeagenturen.
Er beschloss dann, sich selbständig zu machen und es war naheliegend, dass ihn seine Ehefrau in kaufmännischen Belangen unterstützte, soweit ihr das neben der Familie und der Umsorgung ihrer kranken Mutter möglich war.
1978 zügelte die Familie nach Küsnacht-Itschnach, da die Wohnung auf dem Zolli-kerberg zu klein geworden war und sich die Möglichkeit zum Kauf eines Reihen-Einfamilienhauses bot – wo man sich auch heute noch sehr zuhause fühlt.
2002 nutzte Olga die Gelegenheit, einen Kurs zur Betreuung von Pflegebedürftigen zu besuchen und war nach dem Praktikum im Pflegeheim am See in Küsnacht dort noch acht Jahre lang mit grosser Genugtuung tätig.
Es ist eigentlich nicht ganz selbstverständlich, dass heute alle drei Geschwister immer noch in Küsnacht-Itschnach wohnen, wo sie aufgewachsen sind.
Hans Karpf-Ruckstuhl (*1949), verh. mit Susanne Ruckstuhl ("1958), mit Tochter Katia (*1984) und Sohn Stefan (*1986).
Hans Karpf durchlief von 1965-1968 eine Maurerlehre bei Gebr. Polla, Küsnacht, nicht zuletzt unter der strengen Aufsicht seines Vaters mit anschliessender Praxis von je 1 Jahr als Maurer und Zeichner Praktikant. 1971/72 Ausbildung an der Polierschule St. Gallen. Er war jetzt bereit zur Übernahme von Baustellen und arbeitete 1973-1989 als Polier und später als Bauführer im Baugeschäft W. Rüdisühli. Vom Patron Willy Rüdisühli gefordert und gefördert, durfte er als verantwortlicher Bauführer die Überbauung Kleindorf/Im Hägni in Zollikon für seine wiederverheiratete Tante Frieda Spaltenstein, die frühere Frieda Karpf-Welti zur vollsten Zufriedenheit von Auftraggeberin und Chef leiten. Ich durfte damals beim Neubau der Überbauung mit General-Vollmacht meine Schwiegermutter vertreten! Schön war, dass sein Bruder in der Architektengemeinschaft Zoelly und Karpf die Verantwortung für die Ausführungspläne und die Bauführung hatte.
1983 verheiratete sich Hans Karpf mit seiner Susanne, die aber weiterhin im elterlichen Milch- und Lebensmittelgeschäft im Zollikerberg aushalf. Sie wohnten anfänglich in Pfaffhausen, wo 1984 auch Tochter Katia zur Welt kam. Im gleichen Jahr baute er nach erfolgter Erbteilung das Elternhaus an der Tollwiesstrasse 12 oberhalb des Schübelweihers um, und die junge Familie zog anschliessend da ein. Damit kam auch die Teilzeitarbeit von Susanne zu einem Ende, umso mehr als 1986 Sohn Stephan zur Welt kam.
1990 folgte Hans dem Ruf der Firma Polla als Bauleiter, bzw. in das geschäftsleitende 4er Gremium mit Vereinbarung über eine zukünftige Beteiligung. Die Dinge nahmen dann einen etwas anderen Verlauf: 2004 übernahm Hans die Firma zusammen mit einem Partner als Polla AG, Inhaber S. Rupper / H. Karpf. Die angespannte Situation auf dem Baumarkt erforderte von den Verantwortlichen grössten Einsatz, was bei Hans leider zulasten der Gesundheit ging. 2006 musste er sich einer glücklicherweise erfolgreichen Herzoperation unterziehen. Das danach kategorisch verlangte "Slow down" hatte zur Folge, dass er auf seinen über alles geliebten ICE Hockey-Sport im Kreise seiner Jugendfreunde verzichten musste. Eine sehr erfolgreiche Hockey Karriere ging damit zu Ende, die als 13-Jähriger bei den Junioren des SCK begonnen hatte, über eine lange "Nati-B-Zeit", immer im SCK, bis zu den Senioren, die jetzt zum Golf gewechselt haben. 2014 trat dann Hans unter Aufgabe seiner Partnerschaft in den wohlverdienten Ruhestand.
Susanne arbeitete wie bereits erwähnt bis zu ihrer Heirat voll im elterlichen Ge-schäft mit, später noch Teilzeit. Ihr grosses Engagement aber galt dem Unterricht als Eislauf Instruktorin, sei es beim Kunsteislauf aber auch für junge Hockeyspieler. Seit 2010 leistet sie im Heim Bethesda Teilzeitarbeit als geschätzte Telefon- und Empfangs-Fachkraft und nützt ihre freie Zeit für Familie und Freunde.

Ur- und Grosseltern WELTI von Frieda Gadient-Karpf
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2.2.  Karpf Vorfahren – Vorfahren mütterlicherseits von Frieda Gadient-Karpf.

Ur- und Grosseltern WELTI von Frieda Gadient-Karpf

Ur- und Grosseltern WELTI von Frieda Gadient-Karpf

Urgrossvater Emil Welti-Ernst (ca.1858-1928), verh. mit Elisabeth Ernst.
Emil Welti, dessen Vater erst 1870 von Zürich Enge herkommend in Zollikon eingebürgert wurde, wuchs auf einem Hof in der Nähe des Balgrists auf. Er heiratete eine Elisabeth Ernst, die im Kleindorf 14 wohnte. Emil Welti-Ernst war nebst Bauer noch Friedensrichter. Als seine Frau Elisabeth 1928 starb, wollte auch er nicht mehr weiterleben und verlor jeden Lebensgeist. Er folgte seiner Frau nur wenige Monate später in den Tod.

Urgrossmutter Elisabeth Welti-Ernst, (ca.1858-1928), verh. mit Emil Welti.
Wie Emil Welti die Bauerntochter Elisabeth Ernst vom Kleindorf Zollikon kennen lernte, ist nicht bekannt. Deren Elternhaus war der untere Teil des Hauses Kleindorf 14 (das heutige Kleindorf 14a), zu dem damals noch ziemlich viel Umschwung im "Hägni" gehörte. Nach der Heirat lebte die junge Familie im Kleindorf 14. Es gelang scheinbar dem Ehepaar Welti-Ernst, auch den oberen Teil des Hauses dazu zu kaufen und sie zogen danach in diesen scheinbar etwas besser ausgebauten, oberen Hausteil. Elisabeth Welti-Ernst verstarb nach einer schweren Krankheit im Jahr 1928.
Sie hatten zusammen die folgenden 6 Kinder:

Grossvater Emil Welti-Dübendorfer (1873-1966), verh. mit Frieda Dübendorfer. Emil war der Älteste der sechs. Statt die 3. Sekundarklasse zu besuchen, absolvierte er ein Welschland-Jahr. 1908 heiratete er mit 35 Jahren Frieda Dübendorfer von Gerlisberg.
Grossvater Emil Welti litt ab dem 55 Altersjahr an einer *deformierenden Hüftgelenkentzündung" und war dann zeitlebens behindert, da man damals kaputte Hüftgelenke noch nicht ersetzen konnte und sich eine natürliche Versteifung einstellte. Vorher war Emil Welti ein eifriger Bergsteiger gewesen. Um trotz seiner Behinderung Ferien in den Bergen verbringen zu können, machte er mit seiner Familie mehrmals Ferien auf Passhöhen oder in einem Berghospiz. Da es um den Hof im Kleindorf herum langsam zu wenig Landwirtschaftsland gab, bewirtschaftete er zusätzlich gepachtetes Land im Dorf und im Berg. Im Zumiker Süessplätz gewann man Streu, damals noch Feuchtgebiet, welches erst während des 2. Weltkrieges melioriert wurde. 
Emil Welti-Dübendorfer war eine grosse Persönlichkeit und diente neben seinem Bauernberuf praktisch sein ganzes Leben lang in den verschiedensten Funktionen der Öffentlichkeit:

  • 1901-1904 Mitglied der Kirchenpflege
  • 1904-1914 Kirchenpflege-Präsident
  • 1913-1925 Gemeinde-Präsident von Zollikon (schwierige Jahre des 1. Weltkrieges)
  • 1913-1316 Mitglied der Kirchenpflege
  • 1913-1925 Mitglied der kantonalen Kirchensynode,
  • 1924-1950 Präsident Heinrich Ernst-Fonds-Kommission,    
  • 25 Jahre lang Präsident der Vorsteherschaft der Holzkorporation Zollikon,
  • 30 Jahre lang Verwaltungsrat Leihkasse Neumünster
  • 15 Jahre lang Mitwirkung im Altersheim Zollikon
  • 10 Jahre lang Präsident der BGB-Ortspartei Zollikon (heute SVP)

Grossvater Welti überliess möglichst nichts dem Zufall, auch was die Zeit nach ihm anging. Mit einem Erbvertrag aus dem Jahre 1946 regelte er scheinbar klar, wie sein Erbe aufgeteilt werden sollte. Seine älteste Tochter Frieda mit Schwiegersohn Fritz sollten etwas bevorzugt werden, da diese seinerzeit nach dem Tod von Sohn Armin ihre Selbständigkeit mit der eigenen Gärtnerei in Itschnach aufgegeben hatten und als seine Pächter nach Zollikon gekommen waren. Er vermachte ihnen deshalb das Haus Klein­dorf 14 und die Scheune mit etwas Umschwung; die anderen Töchter bekamen "nur" Land. Bei der tatsächlichen Erbteilung in den späten 60er Jahren musste man den Vertrag dann etwas relativieren, da das Land vielmehr an Wert zugenommen hatte als Haus und Scheune mit Baujahr 1813. Kompliziert wurde es zusätzlich dadurch, dass Fritz und Frieda Karpf-Welti seinerzeit den gesamten Erlös aus dem Verkauf ihrer Gärtnerei in Itschnach neben dem Neubau von zwei Gewächshäusern und einem Rüstraum in die Renovation und den Umbau von Kleindorf 14 gesteckt hatten. Das Haus und das Land gehörten ja aber immer noch dem Vater, und man hatte es seinerzeit unterlassen, diese Investitionen in fremdes Eigentum vertraglich festzuhalten und im Grundbuch einzutragen. Aber glücklicherweise fand man bei der Erbteilung trotzdem einen Kompromiss, der alle zufrieden stellte.
 
Tante Louise Streuli-Welti, (1876 ?-1963 ?), war mit dem verwitweten Emil Streuli in Feldmeilen verheiratet. Über Emil Streuli wissen wir nicht viel, ausser dass er aus einer 1. Ehe drei Kinder hatte, wovon eine Tochter davon später die Frau von Onkel Karl Welti wurde (siehe unten).

Sie hatten zusammen 3 Kinder.
Onkel Hans Streuli-Karpf, (ca. 1900-1975) verh. mit Mily Karpf, mit Carlo und Luciana sowie Hans und Irma.

Diese Familie wird detaillierter in Abschnitt 2. Vorfahren Karpf väterlicherseits behandelt (siehe oben)
Hans Streuli war Heizungs- und Sanitärtechniker und befand während einer Ferien- und Pilgerreise (Mily war katholisch) nach Rom, dass es dort genügend reiche Leute ohne Heizung und Warmwasser gab und keine Fachleute im Land wären. Er baute deshalb in den 30er Jahren in Rom ein bedeutendes Heizungs- und Sanitärgeschäft auf. Bei Kriegsausbruch schichte er seine Söhne Carlo und Hans, phasenweise auch seine Frau Mily in die Schweiz zu Mutter und Schwester im Elternhaus in Feldmeilen. Carlo und Hans gingen in der Schweiz zur Schule und studierten anschliessend: Hans an er Universität Zürich Zahnarzt und Carlo an der ETH Architektur.
Sohn Hans (1932-2015) blieb zeitlebens in Meilen und hatte da eine Zahnarztpraxis. Er war ein passionierter Segler, Bergwanderer und Maler. Seine Frau Irma lebt ein der Residenz Meilen.
Sohn Carlo (1933-1988) arbeitete zuerst als Architekt in Zürich, dann in Rom und übernahm später das väterliche Heizungs- und Sanitärgeschäft in Rom, starb aber sehr früh an Bauchspeicheldrüsenkrebs. 
Max Streuli-Schmid, (ca. 1905- 1970), verh. mit Martha Schmid, betrieb lange in Südfrankreich einen Bauernbetrieb mit Schafen, Gänsen und Geflügel, bevor er sich dann ebenfalls im Elternhaus in Meilen zur Ruhe setzte. Max Streuli blieb kinderlos.
Louisli Streuli (ca. 1910- 1980), ledig, wohnte zeitlebens im Elternhaus in Feldmeilen, zuerst zusammen mit ihrer Mutter, pflegte Haus und Garten und sorgte eine wichtige Zeit in ihrem Leben für ihre Neffen Hans und Carlo. Louisli war eine passionierte Seglerin. Auch Louisli Streuli blieb kinderlos.
 
Tante Berta Borsari-Welti (ca.1880-1953) verh. mit Eugen Borsari (1877-1934). Sein Vater Giacomo Borsari (1843-1890) hatte 1873 eine Firma gegründet, "die sich auf "Borsari-Tanks", d.h. die Sanierung und Erstellung von Beton-Tanks und Behältern zur Lagerung von Lebensmittel, Heiz- und Dieselöl, Benzin, Chemikalien und Flüssigkeiten ganz allgemein" spezialisiert hatte.
Diese Tankbaufirma blieb lange ein Familienunternehmen und existiert auch heute noch, allerdings nicht mehr in Familienbesitz.               
Sie hatten zusammen 3 Kinder:
Eugen Borsari,(1905-1995), verh. 1934 in 1. Ehe mit Trudy Huber. Aus 1. Ehe stammen 3 Kinder. Eugen Borsari-Dreher (*1935), Peter Borsari-Payne (*1938) und Riccardo Borsari (*1944); verh 1963 in 2. Ehe mit Maria Koller (1918-2008).
Adolf Borsari-Zahner, (1908-2002), verh. mit Alexa Zahner (1909-1999), Sie hatten 3 Kinder: Ueli Borsari-Sennhauser (*1940), Eduard Borsari-Kauter (*1942) und Marina Kaufmann-Borsari (*1944)
Clara Grafunder-Borsari (1910-2005),

1940 verh. in 1. Ehe mit Prof. Walter Grafunder (1898-1953). Aus dieser Ehe stammt Tochter Christine Kuyper-Graffunder (*1947);

1960 verh. in 2. Ehe mit Wittwer Arnold Sennhauser (1899 - 2000?), wohnhaft im Kleindorf 12 in Zollikon (also Nachbarn von Weltis und Karpfs). Diese 2. Ehe blieb kinderlos. Für ihren zweiten Mann Arnold Sennhauser war es auch die 2. Ehe: In erster Ehe war er mit Sonja Thomann verheiratet; daraus stammen die 3 Töchter: Marianne Hohl-Senn­­hauser (1931-2018), Brigitte Biedermann-Sennhauser (*1935) und Christine Schmid-Senn­hauser (*1939).       
Für unsere Familie Gadient-Karpf ist die Beziehung zu Sennhausers interessant:
So wie das Haus Kleindorf 14, also das ursprüngliche "Ernst-Haus", je durch Heirat zum "Welti-Haus" und dann zum "Karpf-Haus" wurde, so wurde das Nachbarhaus Kleindorf 12 je durch Heirat vom "Thomann-Haus" zum "Sennhauser-Haus", zum "Bidermann-Haus" und schlussendlich zum heutigen "Jeuch-Haus", wobei Bidermanns in der ursprünglich dazugehörigen Scheune, heute Kleindorf 10, wohnen, die inzwischen zu einem Wohnhaus umgebaut wurde.
Der Brunnen zwischen den Häusern Kleindorf 12, 14 und 16 ist im gemeinsamen Besitz der drei Hausbesitzer: Jeuch, EG Frieda Spaltenstein (Gadient/Karpf) und Martheli Welti.
Frieda "Fischli" Gadient-Karpf wuchs mit den Nachbarinnen Marianne, Brigitte und Christine Sennhauser im Kleindorf Zollikon auf. Der Zufall wollte es, dass der Mann von Marianne Sennhauser "Hansruedi Hohl", ein St. Galler Freund von Hans Ruedi Gadient war, was eine doppelte Bekanntschaft bedeutet.
Adolf Borsari und Frieda Spaltenstein (ehemals Frieda Karpf-Welti) waren Cousin und Cousine. Da Sohn Ueli Borsari mit Adrienne eine Sennhauser heiratete, gibt es damit nicht nur eine nachbarschaftliche sondern sogar eine verwandtschaftliche Beziehung zwischen Karpfs und Sennhausers.
Für Hans Ruedi Gadient ist zu Borsari-Tanks ist noch Folgendes anzumerken: Ich lernte Borsari-Tanks auf ganz spezielle Art kennen: In Vila Nova da Gaia bei Porto, wo ich ab 1968 am Aufbau einer Schuhfabrik arbeitete, waren wir zuerst in einer ehemaligen Portweinkellerei eingemietet, wo es Beton-Tanks für die Herstellung und Lagerung von Portwein gab, welche mit „Borsari“ angeschrieben waren. Ich hatte damals aber noch keine Ahnung, dass dies etwas mit jenen Borsaris zu tun hatte, die mit meiner Frau verwandt waren. Wenn wir jeweils zu wenig Platz hatten, öffnete ein Maurer wieder einen solchen, innen mit weissen Keramikplättli ausgekleideten „Borsari-Portweintank“, indem wir eine Türöffnung herausbrachen, eine Türe und Beleuchtung installierten. So gewannen wir jeweils immer wieder einen zusätzlichen, fensterlosen Büro-Raum!
 
Onkel Karl Welti- Streuli, (ca. 1882-????), verh. mit Ida Streuli, Tochter aus 1. Ehe von Emil Streuli, der spätere Gatte von Louise Streuli-Welti (Siehe oben 2.2.1.2). Die Tochter aus 1. Ehe wurde damit zugleich Schwägerin ihres Vaters, bzw. Stieftochter und Schwägerin ihrer Stiefmutter. Onkel Karl war Dipl. Arch. ETH und hatte ein eigenes Architekturbureau. Er war jahrelang der Hausarchitekt der Betontank-Baufirma Borsari, mit deren Besitzern er über seine Mutter ja verwandt war. Er baute aber auch für die Familie seines Bruders Emil zwischen dem bisherigen Elternhaus (Kleindorf 14!) und dem Rebberg an der Goldhalde das Haus Kleindorf 16, in welchem heute Fischlis Tante Marta Oechsli-Welti wohnt. Er baute aber auch das Haus und die Werkstatt der ehemaligen Spenglerei Schmid im Kleindorf, sowie das Haus an der Seestrasse, welches er dann jahrelang selber bewohnte und wo auch Friedelis Bruder Albert mit Nelly Karpf-Sturm und Familie lange wohnten, bis sie nach dem frühen Tod von Vater Fritz Karpf-Welti ins Kleindorf 14 zogen.
Seine Frau Ida wurde im Alter depressiv und schied freiwillig aus dem Leben. Traurig war, dass Tochter Verena das gleiche Leiden geerbt hatte und später ebenfalls freiwillig aus dem Leben schied.
Nachkommen waren:
Ruth Welti (1929-2010), Lehrerin. Sie war einige Male Teilnehmerin an Reisen des Kulturkreis Zollikon, die ich als Vorstandsmitglied organisiert hatte. Sie starb unverheiratet und kinderlos. Ruth Welti soll anscheinend etwas Ahnenforschung betrieben haben, wovon es einen Bericht gäbe. Dieser ist aber leider unauffindbar.
Verena Welti (????-????) brach ein Architekturstudium ab und absolvierte anschliessend eine kaufmännische Ausbildung. Sie lebte in Genf und arbeitete für die SUISA, die dafür sorgt, dass die Rechte der Urheber von Musik beachtet und dass Sie angemessen für die Nutzung Ihrer Werke entschädigt werden. Verena nahm sich wie ihre Mutter das Leben.
 
Tante Beti (Elisabeth) Welti (ca.1885-ca.1970), ledig, wohnte lange im heutigen Kleindorf 14A, also dem unteren Teil des Elternhauses der Frau ihres Grossvaters Emil Welti-Ernst, und zwar mehrere Jahre zusammen mit ihrer Nichte Elisabeth Welti. (Das Haus war damals natürlich noch nicht umgebaut. Dies geschah erst 1968, als Frieda Karpf-Welti nach dem Tod ihres Mannes Fritz ihrem Sohn Albert den oberen Hausteil überliess und im unteren Hausteil einzog.
 
Tante Lineli Welti (1890-ca.1902), starb im Kindesalter. Martheli erinnerte sich, wie sie mit ihrem Vater hie und da auf den Friedhof zum Grab ihrer Tante Lineli ging. Ihr Grab lag bergwärts der Lindenallee beim unteren Haupteingang des Friedhof Zollikon

Ur- und Grosseltern DÜBENDORFER von Frieda Gadient-Karpf
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2.2.  Karpf Vorfahren – Vorfahren mütterlicherseits von Frieda Gadient-Karpf.

Ur- und Grosseltern DÜBENDORFER von Frieda Gadient-Karpf

Grossmutter DÜBENDORFER von Frieda Gadient-Karpf

Grossmutter Frieda Welti-Dübendorfer (ca.1886-1974), verh. mit Emil Welti in Zollikon. Frieda Welti-Dübendorfer wuchs als jüngste von 6 Schwestern und 1 Bruder auf einem Bauernhof in Gerlisberg auf. Über ihre Jugend weiss man wenig, ausser dass sie als Dienstmädchen bei Emil und Elisabeth Welti Ernst arbeitete und dort den Sohn und ihren späteren Mann Emil Welti kennen lernte. Sie war auch später die stille Frau, die ihren Mann auf dem Bauernhof tatkräftig unterstützte, und ihm so eigentlich erst ermöglichte, alle die vielen öffentlichen Ämter zu bekleiden. Ich lernte sie vor allem an den Familien-Weihnachtsfeiern am 26.12. im Kleindorf 16 kennen, wo sich die Verwandtschaft auch heute noch zu einer kleinen Weihnachtsfeier mit anschliessendem Essen trifft. Grösi hatte es gern lustig und setzte sich jeweils immer in die Nähe jener Leute, bei denen viel gelacht wurde. Es gibt zudem ein prächtiges Foto von der Weihnachtsfeier 1969, wo sie mit allen ihren damaligen 7 Enkelinnen und Enkel auf dem Canapé in der grossen Stube sitzt: Mit Roland und Sandra Karpf, Annemarie und Thomas Karrer (Ernst), Evelyne Karrer (Walter), Andrea und Alexa Gadient. Es fehlt noch Christian Karrer (Walter).
Die älteren Geschwister der Grossmutter mütterlicherseits von Frieda Gadient-Karpf, von denen in unserer näheren Verwandtschaft praktisch niemand mehr etwas weiss, waren:
Onkel Heiri Dübendorfer führte den Bauernhof in Gerlisberg weiter. Hatte eine Tochter Margrith, welche die erste Frau von Alfred Spaltenstein, dem zweiten Mann meiner Schwiegermutter Frieda Karpf-Welti war.
Tante Lina Dübendorfer wohnte später in Möhlin.
Tante Anna Dübendorfer
Tante Pauline Dübendorfer
Tante Emma Bader-Dübendorfer
Tante Margrith Dübendorfer
Tante Friedel Homberger-Dübendorfer

Von der Dübendorfer Familie ist mir weiter nichts bekannt

Kinder von Emil Welti und Frieda Dübendorfer sind:
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2.2.  Karpf Vorfahren – Vorfahren mütterlicherseits von Frieda Gadient-Karpf.

Kinder von Emil Welti und Frieda Dübendorfer sind:

Kinder von Emil und Frieda Welti-Dübendorfer sind:

Frieda Karpf-Welti (1909-1989),  in 1. Ehe verh. mit Fritz Karpf, in 2. Ehe verh. mit Alfred Spaltenstein.

Nachkommen aus erster Ehe sind: Albert Karpf-Sturm (Nelly) mit Sohn Roland und Tochter Sandra, und Frieda Gadient-Karpf mit Töchtern Andrea und Alexa.

Das ist meine Schwiegermutter: Detailliertere Angaben dazu siehe im „Kapitel 4: Karpf Elternhaus"

Louise Karrer Welti (1913-1973), verh. mit Ernst Karrer (1908?-1980?).
Ernst Karrer war ein hervorragender Geschäftsmann und baute seine Gärtnerei von ganz klein zu einer richtigen Grossgärtnerei mit mehreren, geheizten Gewächshäusern aus, so dass man ganzjährig ein Angebot hatte. Hauptsächlich wurde Gemüse angebaut. Wenn es aber z. B. mit Blumen etwas zu verdienen gab, war Ernst Karrer sehr flexibel. Seine Frau Louisli stand ihm dabei tatkräftig zur Seite. Zusammen mit seinem Schwager Fritz bildeten die zwei ein unternehmungslustiges Duo, wobei daraus zusammen mit ihren Frauen oft ein Quartett wurde.
Nach dem Tod der Eltern Louisli und Ernst übernahmen die Söhne Ernst und Walter zusammen das elterliche Geschäft, wobei sich Ernst mehr um die Produktion und Walter mehr um den Zukauf und den Verkauf kümmerte. Ab einem gewissen Moment stieg Walter dann aus dem Geschäft aus und nahm Wohnsitz in Veysonnaz in der Westschweiz. Nach Erreichen der Altersgrenze von Ernst dachte man, dass sein Sohn Thomas, ebenfalls gelernter Gärtner, zusammen mit Evelyne, der Tochter von Walter die Verantwortung gemeinsam übernehmen sollten. Das funktionierte aber nicht. Thomas arbeitet heute ausserhalb des elterlichen Geschäfts und derzeit führt Evelyne und ihr Mann Fredi das Geschäft, wobei Onkel Ernst Karrer immer noch im Haus wohnt und mithilft.
Ihre Kinder sind:
Ernst Karrer-Dändliker (*1937), verh. mit Liselotte Dändliker (????-????), mit Annemarie (*????-????)  und Thomas (*????)
Walter Karrer-??? (*1940?), verh. mit Susi ???  (*????) mit Evelyne (*????) und Christian (*????)  (Yvonne?).
 
Emil Welti (1914-1957), ledig, behindert, starb relativ früh mit 43 Jahren an ????
 
Armin Welti (1915-1944), gelernter Gärtner, ledig, fiel als Freiwilliger in einer deutschen SS-Division in Karelien an der Ostfront.
 
Elsbeth Welti (1917-1985), lernte in der Schneiderei Clausen im Zürcher Seefeld Weissnäherin, blieb ledig, arbeitete mehrheitlich zuhause. Half auch im elterlichen Haushalt mit und lebte dann jahrelang nebenan bei Vaters Schwester Beti.
 
Martha Oechsli-Welti (*1927) verh. mit Fritz Oechsli (1927-2005) Martheli Oechsli kam als Nachzüglerin 10 Jahre nach ihrer jüngsten Schwester Elsbeth zur Welt. Sie durfte Damenschneiderin lernen und Klavierunterricht geniessen.

Ihr späterer Mann Fritz war Heizungs- und Sanitärtechniker und arbeitete nach der Lehre und einigen Berufsjahren in Genf. Nach ihrer Heirat im Jahre 1951 zog sie zu ihrem Mann nach Genf, wo auch ihre Töchter Doris und Elsbeth zur Welt kamen. Fritz Oechsli nahm in den 60er Jahren eine Stelle im Heizungs- und Sanitärgeschäft von Nationalrat Ulrich Meyer-Boller in Zürich an.
Sein weitherum bekannter Chef Meyer-Boller fungierte von 1941 bis 1951 als Präsident des Schweiz. Spenglermeister- und Installateur-Verbandes, sowie 1951 bis 1968 des Schweiz. Gewerbeverbandes, später sogar dessen Ehrenpräsident. Weiter amtierte er 1971 bis 1974 als Stiftungsratspräsident des Schweiz. Nationalfonds. Ausserdem gehörte Meyer Boller dem Bankrat der Schweiz. Nationalbank und dem Verwaltungsrat der SUVA an.
Die dadurch bedingten vielen Abwesenheiten seines Chefs erlaubten es Fritz, sehr selbständig zu werden. Vor allem begann er, richtig unternehmerisch zu denken und zu handeln.
Fritz und Marteli wohnten im oberen Stock des elterlichen Hauses im Kleindorf 16. Aus dieser Zeit stammt die sehr spezielle Beziehung, die Friedeli Gadient-Karpf zu Oechslis hatte. Marteli und Fritz waren zwar Tante und Onkel, generationenmässig aber eher engste Freunde! Zilüü, wie Friedeli bei Oechslis immer genannt wurde (Der kleine Peter hatte ein französisches "Salut" in ein "Zilüü" umfunktioniert!), verbrachte unzählige Stunden bei Oechslis, wobei man über Gott und die Welt sprach und dabei zusammen mit Fritz zünftig rauchte. Nachdem Zilüü dann ihren Hans Ruedi kennen gelernt hatte, führte sie auch diesen dort ein. Oechslis und Gadients wurden so wirklich gute Freunde, vor allem natürlich noch besonders, nachdem sie 1994 in Zollikon ihr Haus gebaut hatten und so direkte Nachbarn geworden waren. Ein Werkzeug- und Maschinen-Pool, der Wegweiser "Chemin d'Apéro" sowie das Signalbuch für die kleinen Jagdhörner zeugen davon. Hans Ruedi begann dann zudem auch Bäume und Reben zu spritzen, als Fritz dies zu mühsam wurde, und im hohen Gras kleine Wege zu mähen, auf welchen Fritz jeweils noch gerne etwas spazierte. Sein Tod war ein Schock, so wie später auch der Tod von Friedeli. Am sehr herzlichen Verhältnis zwischen Marteli und Hans Ruedi tat das aber keinen Abbruch, im Gegenteil. 
Zurück zum Heizungs- und Sanitärbetrieb: Fritz war primär Heizungstechniker und konnte dann zusammen mit seinem Kollegen Sanitärtechniker das Unternehmen Ulrich Meyer-Boller erwerben, in einer späteren Phase wurde er sogar alleiniger Inhaber des Betriebes. Sohn Peter als potenzieller Nachfolger im Geschäft des Vaters verunfallte leider mit 16 Jahren mit seinem Töffli und blieb danach sehr stark behindert, sodass er dafür nicht mehr in Frage kam. Fritz Oechsli führte das Geschäft, bis er altershalber einen Nachfolger suchte und es schliesslich verkaufte.
Fritz führte auch die Familientradition in der Ausübung eines öffentlichen Amtes weiter und war von 1974 - 1990 Aktuar in der "Vorsteherschaft" der Holzkorporation Zollikon. Dieses Amt wurde anschliessend von seinem Schwiegersohn Dr. Dieter Hug übernommen. Im Jahre 2016 wurde Dieter Hug sogar zum Präsidenten der Holzkorporation Zollikon gewählt.
Kinder von Marteli und Fritz sind.
Doris Hug–Oechsli (*1952), verheiratet mit Dr. Dieter Hug (1952-2020), Doris ist gelernte Buchhändlerin und arbeitete relativ lange auf ihrem Beruf. Sie führte am Schluss selbständig eine Buchhandlung in Zürich Enge. Dieter ist Rechtanwalt mit Büro in Zollikon, wohnte aber mit Doris und ihren Kindern Simon und Bertina im Elternhaus der Hugs an der Titlis­strasse in Zürich. Doris und Dieter besorgten bis 2020 den Rebberg an der Goldhalde, wobei ich immer noch als Spritzmeister mithelfen durfte. Dieter führte als Aktuar und Präsident wie oben erwähnt die Familientradition eines Amtes in der Vorsteherschaft der Holzkorporation Zollikon weiter.
Elisabeth Oechsli (*1954), unverheiratet, ist  Musiklehrerin in Fribourg. Pepsi, wie sie genannt wird, konnte 2015 in Riedstatt in der Gemeinde Guggisberg ein ehemaliges Schulhaus mit etwas Umschwung erwerben, wo sie in einem ehemaligen Klassenzimmer einen Flügel und ein Tschembalo stehen hat und dort auch Stunden geben kann. Im grossen Garten zieht Pepsi leidenschaftlich Gemüse und Blumen.
Peter Oechsli (1956-2012), nach einem Unfall 1972 mit einem Töffli stark behindert, wohnte lange Jahre relativ selbständig in einer Wohnung im Haus an der Waffenplatzstrasse, in welchem unten drin das Heizungs- und Sanitärgeschäft es Vaters war. Mit seinem Dreiradvelo verschob er sich jeweils sehr selbstbewusst in der Stadt Zürich und fuhr auch zu den Eltern ins Kleindorf nach Zollikon. In den Ferien fuhr er sogar mehrmals mit seinem Dreirad durch Paris und reiste damit in Irland, wobei er einige Male mit viel Glück und starken Schutzengeln grösseres Ungemach abwenden konnte. Am Schluss lebte er dann, leider etwas unglücklich, im Behindertenheim Bärenmoos in Oberrieden ZH, wo er 2012 plötzlich und unerwartet starb.

Meine Mutter Selina Gadient-Kunz
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3.1.  Elternhaus von Gadient Hans Ruedi – Meine Mutter Selina Gadient-Kunz.

3.1 Meine Mutter Selina Gadient-Kunz

Selina Gadient-Kunz (1889-1980) wuchs mit zwei Schwestern und einem Bruder in Uzwil auf und verlor sehr früh ihren Vater, der in Uzwil bei der Maschinenfabrik Bühler Werkzeugmacher war. Selina soll eine hervorragende Schülerin mit Bestnoten gewesen sein. Nach der Primar- und Sekundarschule durfte sie, eigentlich gegen den Willen ihrer Mutter die Frauenarbeitsschule in St. Gallen besuchen, wo sie die Abschlussprüfung als Damenschneiderin machte. Sie arbeitete aber nur kurz auf dem Beruf, da sie sich immer scheute, "einfach in so teure Stoffe hinein zu schneiden" (Originalaussage meiner Mutter!). Deshalb ging sie an die Schule zurück und liess sich auch noch als "Weissnäherin" ausbilden. Auf ihr hervorragendes Abschluss-Zeugnis der Frauenarbeitsschule war sie ein Leben lang sehr stolz: Es hing in meiner Jugend schön eingerahmt neben dem Wandtelefon im Korridor unserer Wohnung in St. Gallen St. Fiden.
Im Anschluss an die Frauenarbeitsschule arbeitete meine Mutter in der Wäscherei bei der Fabrikantenfamilie Bühler in Uzwil, wo sie vor allem komplizierte Männerhemden sowie teure Damenblusen mit Rüschen stärken und bügeln musste. Ihre Arbeit bei der Familie Bühler gefiel ihr sehr. Selina war unter den Angestellten anscheinend etwas der Liebling von Frau Bühler, was die auf sie eifersüchtige Köchin veranlasst haben soll, die Frau Direktor Bühler darauf hinzuweisen, dass es der Kunz zuhause mit der Kostgängerei doch gut gehe und die Selina deswegen nicht so viel Taglohn brauche, was Selina sehr ärgerte.
Analog ihrer Mutter mit der Kostgängerei machte sich auch Selina selbständig, wobei weiterhin fest zugesagte Aufträge für die Familie des Industriellen Bühler halfen, die Startschwierigkeiten zu überwinden. Bald stellte sich auch finanzieller Erfolg ein, vor allem dank ihrer Spezialität, Herrenhemden und Damenblusen Stärken und Bügeln. Sie hatte ihren Arbeitsplatz in einem Zimmer des Elternhauses eingerichtet, wobei damals besonders darauf geachtet werden musste, dass beim Bügeln keine Asche aus dem mit glühender Kohle geheizten Bügeleisen (!) auf die frischgewaschene Ware gelangte. Selina war überglücklich, als es dann endlich die ersten elektrischen Bügeleisen gab, und man nicht mehr jeden Tag den Kohleofen aufheizen musste, was vor allem im Sommer die Arbeit fast unerträglich heiss machte.
Hier in ihrem Elternhaus lernte sie dann meinen Vater kennen, der als Industrie Spengler bei der Firma Bühler arbeitete und als Kostgänger ihrer Mutter bei ihnen im Haus aus und ein ging. Sie freute sich sehr, als Johann Gadient aus Flums um ihre Hand anhielt, denn sie war doch schon 28 Jahre alt. Sie heiratete ihn 1918 und zog mit ihm nach St. Gallen, wo er eine Stelle bei der Stadtpolizei angenommen hatte, eine Stelle mit Pension, was damals in der Zwischenkriegszeit und während der Weltwirtschaftskrise um 1930 sehr viel wert war. Als Hochzeitsgeschenk erhielt sie von ihrer Mutter, der damaligen Zeit entsprechend, ein Gebiss (!): Damals war es Mode, jungen Frauen zur Hochzeit alle Zähne, auch alle gesunden, zu ziehen und ein optisch schönes Gebiss anzupassen, was allerdings das notwendige Kleingeld dazu voraussetzte, das ihre Mutter anscheinend hatte. Daneben erhielt sie noch eine hölzerne Truhe und eine Kommode als Mitgift.
Meine Mutter half auch nach ihrer Heirat weiterhin mit, das monatlich verfügbare, bescheidene Einkommen meines Vaters etwas aufzubessern, indem sie für ein paar Kunden weiterhin Herrenhemden stärkte und bügelte. Ende Monat, nach dem Zahl-tag, konnte ich jeweils miterleben, wie es meiner Mutter als "Finanzchef" der Familie Sorgen bereitete, neben dem sakrosankten Sackgeld meines Vaters und der Wohnungsmiete alle übrigen, fälligen Rechnungen zu bezahlen. Die Familie hatte darunter aber praktisch nie zu leiden, schon gar nicht wir Kinder.
Mein Vater hatte relativ lang regelmässigen Nachtdienst, ging aber auch sonst noch oft in den Ausgang. Er begründete seine vielen, abendlichen Ausgänge (meistens zum Jassen ins Pöstli St. Fiden), dass er nur dort die notwendigen Informationen und Hinweise für seinen Beruf als Fahnder erfahre. Meine Mutter litt manchmal etwas unter dem Allein-Sein mit den Kindern, daneben stellten sich oft Migräne-Schübe mit starkem Kopfweh und Erbrechen ein. Damit sie zwischendurch auch einmal eine Abwechslung hatte, schenkten wir ihr oft an Geburtstagen oder Weihnachten ein Abonnement für das Kino Apollo an der Grossackerstrasse gleich um die Ecke. Mit solchen Kinobesuchen hielt sie sich so manchmal etwas schadlos und kam jeweils nach einem schönen Film sehr glücklich nach Hause.
Meine Mutter war eine sehr gottesfürchtige, warmherzige und seelengute Frau. Obwohl nicht auf Rosen gebettet hätte sie auch noch ihr Eigentum verschenkt, wenn es jemandem schlecht gegangen wäre. Daneben bedeutete ihr Harmonie in der Familie ihr alles, und sie litt jeweils sehr, wenn es hie und da wie überall zu kleineren Familienzwisten kam.
Den krankheitsbedingten Tod ihres erstgeborenen Sohnes Rudolf, kurz vor der Geburt des vierten Mädchens, hat sie ihr ganzes Leben lang nie ganz überwunden. Umso grösser war die Freude, als dann ich auf die Welt kam.
Meine Mutter war auch sehr musikalisch und konnte Klavier und Gitarre spielen. Ich erinnere mich, dass es meistens eher traurige Lieder waren, wenn sie sang und sich dazu auf der Gitarre begleitete. Später sang sie dann auch sehr gerne zu meinem Klavierspiel, aber auch hier waren es meist traurige Lieder.
Als mein Vater die meiste Zeit als Knecht bei Tochter Dorli in Erdhausen auf dem Bauernhof weilte, wurde meine Mutter viel selbständiger und sehr selbstbewusst. Sie liess sich jetzt auch von ihrem Mann nicht mehr alles gefallen und kaufte beispielsweise, ohne ihn zu fragen, einen relativ teuren, neuen Staubsauger! Meine Frau Fischli konnte kaum glauben, dass meine Mutter früher ihrem Ehemann sehr "untertan" gewesen war.
Als Dorli und Albert 1972 den Hof in Erdhausen wieder verkauften, kam mein Vater wieder kurz nach St. Gallen zu meiner Mutter zurück. Doch dann entschlossen sich meine Eltern, zu ihrer Tochter Dorli in die eigentlich für sie gebaute Einliegerwohnung zu ziehen und den Haushalt in St. Gallen aufzulösen.
In Bad Ragaz musste meine Mutter aber schon bald meinen Vater pflegen, denn er litt unter Metastasen nach seiner Prostataoperation, woran er dann ja schlussend-lich auch starb.
Meine Mutter war körperlich immer noch sehr rüstig, aber in ihrem Kopf begann es zu hapern. Es begann damit, dass sie ihren wenigen Schmuck versteckte, damit er nicht gestohlen würde. Wenn sie ihn dann aber nicht mehr fand, beschuldigte sie meine Schwester Dorli, sie habe ihn gestohlen. Und so wurde auch meine Mutter langsam zum Pflegefall. Fischli und ich nahmen meine Mutter zwischendurch für eine oder zwei Wochen zu uns, um Dorli etwas zu entlasten. Ich erinnere mich, dass ich auf der Fahrt nach Hombrechtikon meiner Mutter eindringlich sagte, dass in unserm Haus dann nichts gestohlen würde. Als sie dann aber wieder zurück in Bad Ragaz war, fanden wir regelmässig Verstecktes...
Als die Demenz noch stärker wurde, mussten wir wohl oder übel unsere Mutter in die Psychiatrie nach Pfäfers verlegen, wo sie dann still für sich einfach so dahin vegetierte. Wenn ich sie besuchte, kannte sie mich jeweils bereits nicht mehr und nannte mir Heinrich, weil sie mich für ihren jüngeren Bruder hielt. Das tat mir jeweils sehr weh! Hie und da war sie aber wieder für ein paar Stunden voll da. So eine Sternstunde hatte sie, als wir am 30.11.1979 im St. Margretenberg ihren 90. Geburtstag im Kreise der Grossfamilie feierten. Im Januar darauf durfte sie friedlich einschlafen. 

Mein Vater Johann Rudolf Gadient-Kunz
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3.2.  Elternhaus von Gadient Hans Ruedi – Mein Vater Johann Rudolf Gadient-Kunz.

3.2 Mein Vater Johann Rudolf Gadient-Kunz

Mein Vater Johann Rudolf Gadient-Kunz (1890-1975), verheiratet mit meiner Mutter Selina Kunz.
Mein Vater wuchs im Flumser Grossberg mit elf Geschwistern auf, wobei 2 Mädchen schon bald nach der Geburt starben. Sein Vater war zwar Bergbauer, aber mehr noch Baumeister. In erster Linie baute er Viehställe und Heuschober, starb aber schon mit 46 Jahren an Magenverschluss, heute würde man wahrscheinlich von Magenkrebs sprechen. Trotzdem machte es die Mutter möglich, dass alle Buben eine Lehre machen durften. Mein Vater besuchte die damaligen sieben Pflichtschuljahre in Flums und absolvierte dann eine Lehre als Bau- Spengler. Als Bühler Uzwil Industrie-Spengler für die Verkleidung der Maschinen mit Blech suchte, meldete er sich, da ihm die Arbeit in einer Fabrik sicherer und vor allem wetterunabhängiger schien als auf dem Bau. Hier in Uzwil lernte er in der Kostgängerei der Witwe Albertine Kunz seine spätere Frau Selina kennen. Durch einen Schwager seines Vaters namens Manhart wurde er in Uzwil auf eine offene Stelle bei der Stadtpolizei St. Gallen aufmerksam gemacht. Er meldete sich und wurde angenommen. In der unsicheren Zwischenkriegszeit war eine derart sichere Stelle beim Staat und dies erst noch mit einer Pension im Alter (was damals eigentlich nur die Staatsangestellten hatten) eine sehr gute Sache. Mit dieser festen Anstellung warb er um meine Mutter und auch da hatte er Erfolg. Nach der Hochzeit wohnten meine Eltern zuerst an der Laimatstrasse in St. Gallen, dann in St. Fiden, bis sie, als die Familie grösser und mein Vater Chef des Polizeipostens St. Fiden wurde, in eine 5 Zimmerwohnung an der Rorschacherstr.116, im 4 Stock des Café Zimmermann umzogen, wo sie bis kurz vor ihrem Tode blieben. In dieser Wohnung wurde ich geboren.
Mein Vater hatte im Gegensatz zu meiner Mutter eine recht rauhe Schale und war oft etwas aufbrausend; im Innersten war aber auch er ein herzensguter Mensch, wahrscheinlich meistens zu gut, zu weich und zu kompromissbereit, um sich vor allem beruflich durchzusetzen. Nach vielen Jahren bei der uniformierten Polizei wurde er kurz vor dem Krieg Fahnder und brachte es schlussendlich bis zum stellvertretenden Fahnder Chef der Stadtpolizei St. Gallen.

Daneben hatte er zwei grosse Hobbies:
Erstens die zwei Schrebergärten im Grossacker, in welchem er an seinen Freitagen (als Kompensation zum Nachtdienst) Gemüse, Beeren und viele Blumen hegte und pflegte. Wir waren vor allem während dem 2. Weltkrieges fast Selbstversorger. Und ich durfte im Vorschulalter immer mit meinem Vater in den Garten gehen, um zu helfen, was ich sehr gerne machte. Während der Schulzeit waren es dann nur noch die freien Nachmittage. Ich erinnere mich auch sehr gut, wie zuhause jeweils nicht etwa meine Mutter, sondern mein Vater seine aus dem Garten heimgebrachten Blumen einzeln, wie eine Floristin in eine passende Vase zu wunderbaren Sträussen zusammenstellte.
Zweites Hobby war die Polizeimusik: Hier blies er den Es-Bass und wurde deren Ehrenmitglied. Jene Musiker, die ein Jahr lang an keiner Probe gefehlt hatten bekamen jeweils einen gravierten Silberbecher! Viele solche Becher stehen noch heute bei mir im Gläser-Schrank. Und an seinem 80. Geburtstag brachte die Polizeimusik ihrem geschätzten Ehrenmitglied an der Rorschacherstrasse 116 ein Ständchen.
Mein Vater bekam mit ca. 82 Jahren die Diagnose Prostata-Krebs, der operiert werden musste. In der Klinik, wo er operiert worden war, erkannte er nach der Operation im Zweierzimmer plötzlich einen guten Kollegen im Nebenbett. Die beiden hatten es anscheinend recht lustig: Wie kleine Buben rauchten sie im Verstohlenen und im Nachthemd auf dem Balkon Zigarren und erkälteten sich dabei. Von dieser Prostata-Operation erholte sich mein Vater eigentlich nie mehr ganz.
Kurz darauf erfolgte dann der Umzug meiner Eltern nach Bad Ragaz in die Inliegerwohnung von Tochter Dorli und Schwiegersohn Albert. Er freute sich, seinen Lebensabend wieder in seinem geliebten Oberland zu verbringen, wo er in Flums aufgewachsen war. Zeitlebens fiel er in seinen Oberländer Dialekt zurück, wenn er hierher kam! Sein erster Spaziergang nach dem Umzug nach Bad Ragaz galt dem Friedhof, wie er anschliessend Dorli und meiner Mutter erzählte: Er hätte als Erstes einmal sehen wollen, wo er dann einmal zur ewigen Ruhe gebettet würde.

Ich erinnere mich auch noch gut, als wir 1964 das Haus in Hombrechtikon kauften, und als wir es 1974 umbauten, wie er mit besorgter Miene bemerkte: "Bub, wie kannst Du dich so verschulden"? Ich erklärte ihm, dass bei einer Inflation von 5 – 7 % Schulden in guten alten Schweizerfranken abzuzahlen das beste Sparen sei, was er aber nie ganz begreifen wollte!

Es war ihm leider nicht vergönnt, noch einige problemlose Jahre zusammen mit seiner Frau in dieser schönen Inliegerwohnung bei Tochter und Schwiegersohn in Bad Ragaz zu erleben. Er starb 85-jährig, von seiner Krankheit schwer gezeichnet, aber sehr glücklich darüber, dass er das Resultat des grossen Umbaus unseres Hauses in Hombrechtikon noch sehen durfte: Meine Eltern hatten doch oft unser Haus gehütet, wenn wir in den Ferien waren.

Meine Eltern hatten 6 Kinder:

Mein Bruder Rudolf Gadient
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3.3.  Elternhaus von Gadient Hans Ruedi – Mein Bruder Rudolf Gadient.

3.3 Mein Bruder Rudolf Gadient

Rudolf Gadient (1918-1930). Rudolf war anscheinend in jeder Beziehung ein Musterkind, starb aber als Zwölfjähriger schon drei Jahre vor meiner Geburt an Leukämie. Meine Mutter war an seinem Todestag mit meiner Schwester Beatrice im 6. Monat schwanger und litt zeitlebens am Verlust ihres Erstgeborenen.

Meine älteste Schwester Selin Klein-Gadient
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3.4.  Elternhaus von Gadient Hans Ruedi – Meine älteste Schwester Selin Klein-Gadient.

3.4 Meine älteste Schwester Selin Klein-Gadient

Selin Klein-Gadient, (1921-2005), verheiratet mit Fritz Klein, keine Kinder. Selin besuchte nach der Primar- und Kath. Sekundarschule in St. Gallen die städtische Handelsschule Talhof. Nach dem Handelsdiplom lernte sie als Au-pair in Genf Französisch. Dann arbeitete sie als Sekretärin, zuerst bei Fischbacher in St. Gallen und dann bei der Obi-Pektin in Bischofszell.
Dann zog sie als Chefsekretärin mit ihrem Chef zur Uni-Pektin nach Zürich. Nachdem die Frau ihres Chefs früh starb, heiratete sie ihren mehr als 25 Jahre älteren Chef Fritz Klein. Sie bauten zusammen ein Haus in Erlenbach ZH, wobei Fritz dann sehr bald Privatier und Hausmann wurde, während Selin wieder ihrer früheren Tätigkeit als Sekretärin nachging.

Während meiner Studentenzeit an der ETH und meiner Zeit bei der SWISSAIR wohnte ich bei ihnen in Erlenbach. Wir hatten es sehr gut miteinander, und Fritz war für mich fast wie ein zweiter Vater, von dem ich übrigens in geschäftlichen Angelegenheiten und im Umgang mit Personal viel lernen konnte. Zeitweise teilte ich dann das Gästezimmer mit dem kleinen Michael, dem Erstgeborenen meiner jüngsten Schwester Béatrice. Nach der Abreise ihres ersten Mannes wurde der kleine Michael eine gewisse Zeit während der Woche durch Selin betreut.

Selin bewohnte nach dem Tod ihres Mannes 1964 das Haus allein weiter, bis sie es nach 3 Einbrüchen innerhalb 6 Monaten ca. 1980 verärgert verkaufte und nach Thalwil in eine sehr schöne Wohnung zog, wieder mit Seeblick, aber jetzt von der Gegenseite her. Selin reiste viel und hatte einen grossen Freundeskreis, so dass es ihr nie langweilig wurde. Fischli und ich hatten über alle die Jahre ein recht enges Verhältnis zu Selin: Sie war oft bei uns zu Besuch, wir auch bei ihr, sie hütete manchmal unsere Kinder, wenn wir auf Reisen waren und ich machte für sie auch die Steuererklärung.

Meine zweitälteste Schwester Dorli Rupp-Gadient
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3.5.  Elternhaus von Gadient Hans Ruedi – Meine zweitälteste Schwester Dorli Rupp-Gadient.

3.5 Meine zweitälteste Schwester Dorli Rupp-Gadient

Dorli Rupp-Gadient (1923-2011), verheiratet mit Albert Rupp (1917-2007), mit den Kindern Hannes, Doris und Andreas.
Dorli machte in der Bäckerei / Konditorei Zimmermann in St. Gallen St. Fiden eine Verkäuferinnenlehre und arbeitete nachher jahrelang als Verkäuferin beim Spielwarengeschäft Zollikofer, was nicht zuletzt auch mir zugut kam, da sie Spielsachen für den kleinen Bruder mit Prozenten kaufen konnte. Sie wollte aber schon immer Bäuerin werden. Deshalb machte sie immer wieder unbezahlten Urlaub, um in der Bäuerinnen Schule Kusterhof in Rheineck das Bäuerinnen Handwerk zu erlernen. Sie war damals wahrscheinlich eine der ersten und ganz wenigen, gelernten Bäuerinnen.
Nach einer plötzlich abgebrochenen, eher unglücklichen Liebe mit dem Bauern Hans Eberle in Walenstadt (ich war dort zwei Mal an der Seestrasse in den Ferien mit wunderbaren Kuh-Hüte-Erlebnissen und Heuet auf dem Lüsis) heiratete sie dann vielleicht etwas überstürzt Albert Rupp, einen Bergbauern aus Valens im Taminatal. Die Arbeit als Bergbäuerin war für ein Stadtmädchen sehr hart, und als dann kurz hintereinander die drei Kinder zur Welt kamen, erlitt Dorli einen Nervenzusammenbruch.
Albert und Dorli verkauften 1953 (?) den Hof im Duonig in Valens mit Viehzucht und Waldwirtschaft und kauften einen Hof im Thurgau in Erdhausen, Gemeinde Egnach. Dort musste Albert umstellen auf Milch- und Obstwirtschaft, und da zum Hof noch ein Wirtshaus gehörte, erwarb Dorli das Wirte Patent. Als mein Vater pensioniert wurde, amtete er ab 1955 bei Dorli und Albert als "Knecht". Damit konnte er in der Wirtsstube nach Herzenslust mit den Bauern Jassen. Albert hatte immer Mühe mit dem neuen Gewerbe im Tal unten, blieb ein Bergbauer und hatte Heimweh nach den Bergen. Als dann auch noch keiner der Buben Bauer werden und beide lieber Studieren wollten, sah Albert keinen Sinn mehr darin, weiterhin im Unterland zu bleiben.
Als man 1972 in der Kantonalen Anstalt in Pfäfers einen Meisterknecht für die Leitung des Landwirtschaftsbetriebs suchte, entschlossen sich Dorli und Albert, den Hof im Thurgau wieder zu verkaufen. Albert wollte bis zu seiner Pensionierung die Stelle in Pfäfers annehmen. Sie bauten in Bad Ragaz an der Seestrasse ein Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung, und Rupps lebten fortan in Bad Ragaz. Albert fuhr mit einem Moped nach Pfäfers zur Arbeit. Da Dorli schon in Erdhausen angefangen hatte, sich zur Katechetin auszubilden, gab sie nach dem Umzug ins St. Galler Oberland in Chur und in Bad Ragaz Religionsunterricht. Meine Eltern verbrachten ihre letzten Jahre dann im Haus von Dorli und Albert in der eigentlich für sie vorgesehenen Einliegerwohnung, wo sie von Dorli jahrelang auch betreut wurden.
Albert genoss nach Vollendung seines 65. Altersjahres sein Pensionären-Dasein in vollen Zügen. Er verbrachte einige Sommer als Senn auf der Alp und hatte endlich auch genügend Zeit für ausgedehnte Spaziergänge, seinen Schiesssport und seine Ländler Musik (Er war kantonaler Matcheur und spielte jahrelang in einer Ländler-Kleinformation den Bass). Nach einem Leben praktisch ohne Krankheiten litt er ganz am Ende dann leider unter Altersbeschwerden, so dass Dorli ihn pflegen musste.
Albert, vor allem aber Dorli, waren sehr stark im Glauben verwurzelt. Tochter Doris sagte unter anderem in ihren „Gedanken an den Vater“, anlässlich Alberts Beerdigung in der Valenser Kirche:

„Dorli und Albert waren über 60 Jahre verheiratet. In dieser Kirche haben sie sich das Ja-Wort gegeben. Wir in der Familie wussten immer, dass eigentlich nur der Glaube an Gott die Eltern so lange zusammenhalten konnte. Die geistigen Ebenen dieses Paares waren zu sehr unterschiedlich. Der unerschütterliche Glaube gab ihnen diese unerhörte Kraft. Sie blieben zusammen – und jetzt kann man sagen - bis dass der Tod sie schied - und nun ist es so weit.“
Dorli lebte bis 3 Wochen vor ihrem Tod in ihrem Haus in Bad Ragaz, bis sie doch noch in ein Altersheim nach Maienfeld umziehen musste. Fischli und ich besuchten sie dort noch ein letztes Mal. Sie litt schon länger an sehr starken Trigeminus-Schmerzen. Als diese dann im Altersheim mit Medikamenten nicht mehr zu lindern waren, verlegte man sie ins Spital Walenstadt, wo sie völlig unerwartet starb.

Ich hatte zu Dorli und Albert eine ganz besondere Beziehung, verbrachte ich doch die meisten Ferien meiner Sekundar- und Kantonsschulzeit bei der jungen Familie in Valens, und zwar zu allen Jahreszeiten. Vieles bleibt mir unvergesslich:
>         Einige Male begleitete ich den lokalen Geissen Peter Ludwig Hobi mit den Ziegen auf ihrem täglichen Ausflug auf die Alp und wieder zurück.
>         Einige Tage durfte ich auf Alp Lasa mit den Sennen verbringen und dabei ganz alleine den Pizol besteigen.
>         Die Heuet im Maiensäss mit Kinderhüten und das zweitägliche Holen von Verpflegung im Dorf unten bei der "Nane", die im Haus lebte.
>         Albert erlegte jeweils Maulwürfe mit Flinte und Schrot!
>         Albert gab mir Jungschützenkurs.
>         Im Winter baute ich mir hinter dem Haus eine wunderbare Skisprungschanze, auf der man sehr weit springen konnte, die aber einen unwahrscheinlich gefährlichen, bzw. überhaupt keinen Auslauf hatte.
>         Ich habe mit der Schwester des Geissen Ludwigs Amalie das erste Mal im Leben geküsst…

 

Am 20. August 2020 schrieb ich folgenden Aufsatz, den ich hier einfüge:

Morgenmarsch mit Valenser Erinnerungen
Auf meinem Morgenmarsch komme ich jeden Tag durch den Zolliker Wald auch zum kleinen Naturschutzgebiet Rumensee. Oberhalb des kleinen Sees mit den öffentlichen Feuerstellen befindet sich eine geschützte Naturwiese. Diese wird nur einmal im Jahr gemäht. Während diese Wiese gestern Morgen noch mit all ihren Blumen und Kräutern unberührt dastand, war sie anscheinend gestern gemäht und gezettelt worden, denn heute Morgen wurde ich vom äusserst intensiven Duft der geschnittenen und angetrockneten Kräuter beinahe erschlagen. Wahrscheinlich wurde der Duft durch den nächtlichen Tau noch gefördert! In meinen Gedanken versetzte mich dieser Duft blitzartig in meine Kantonsschulzeit mit den obligaten Valenser Sommerferien zurück, und zwar ganz klar an jene zwei bis drei Wochen, wenn die Familie meiner Schwester Dorli und ihrem Mann Albert jeweils im "Berg" oben haushaltete und arbeitete. Und das müssen jetzt immerhin etwas mehr als 72 Jahre her sein.
Der "Berg" war das Maiensäss der Familie, eine knappe Wegstunde oberhalb des Dorfes am Weg auf die Alp Lasa am Piz Sol: Auf ca. 2 ha Land gab es da relativ steil abfallende Wiesen und der Abhang gegen das Bachtobel Tal auswärts war ein wunderbarer Wald. Auf einem kleinen Plateau mittendrin stand ein behäbiger Stall, der im Obergeschoss einen Heustock mit einem grossen ebenerdigen Tor gegen den Berg hin hatte. Neben dem Heustock gab es aber auch noch ein kleines, getäfertes Schlafzimmer mit 2 Betten. Und im Erdgeschoss neben dem Stall war eine heimelige Wohnküche mit Feuerstelle eingerichtet. Wenn hier oben Heuet angesagt war, zog die Familie mit bescheidenem Sack und Pack hierher, aber immerhin mit Ziegen für Milch und Hühner für Eier.
Um auf den Duft der Kräuterwiese zurückzukommen: Genauso, wie jetzt hier auf meinem Spaziergang oberhalb des Rumensees roch es jeweils, wenn mein Schwager Albert die "Mägeri" gemäht hatte, Mägeri nannte man jenes Naturland oberhalb des Hauses, das nie gemistet wurde. Durch diesen Duft nahmen die Erinnerungen derart überhand, dass ich am Ende meines Spazierganges nicht mehr wusste, wie ich den Weg seit dem Rumensee nach Hause hinter mich gebracht hatte.
Dass es mindestens 72 Jahre her sein müssen weiss ich deshalb, weil Sohn Hannes und die frischgeborene Tochter Doris mit uns im "Berg" waren: Wenn Dorli und Albert am Heuen waren, durfte ich an den steilen "Pörtern" zwar beim Heu-Rechen manchmal auch etwas helfen; meine Hauptaufgabe war aber, Hannes und die kleine Doris in ihrer "Zaine" mit dem Tüllschleier zu hüten, besonders auch deshalb, weil die alte Ziege das kleine, herzige Mädchen immer wieder schlecken wollte.
Die Erinnerungen, die mit dem Duft hochkamen, waren sehr vielfältig:

Beispielsweise wollte Albert seinen neuen Motormäher auch im Berg benützen. An einer Stelle war der Weg in den "Berg" hinauf dazu aber zu schmal, eines grossen Steins wegen. Also durfte ich Albert helfen, unter diesem Stein mit Schwarzpulver eine Ladung zu platzieren und tatsächlich in die Luft zu sprengen! Was für ein Abenteuer für einen Gymnasiasten aus der Stadt! An den Motormäher konnte man dann jeweils einen Anhänger ankoppeln, auf welchem jeweils der Hühnerkäfig und allerhand notwendiger Hausrat in den "Berg" hinauf transportiert wurde.
Die Ziegen mussten zu Fuss hoch! Ich erinnere mich an Sommerferien, als ich die Ziegen im "Priott-Stall" holen und hinauf in den "Berg" treiben sollte, was mich fast verzweifeln liess: Vor allem die alte Ziege hatte so einen Dickschädel! Obwohl ich sie schlussendlich an einem Strick mehr zerrte als führte, musste sie doch überall stehen bleiben und noch ein paar feine Kräuter naschen. Da half auch alles Zerren, Schlagen und Fluchen nichts.
Dorli und die kleinen Kinder schliefen jeweils oben im Schlafzimmer mit dem Eingang neben dem Heustock, während sich Albert und ich mit je einer Wolldecke ins Heu legten. Das war für mich immer ein kleines Abenteuer: Das Heu kitzelte immer wieder, brachte mich zum Niessen und gab mir einen leisen Vorgeschmack auf das spätere Schlafen auf Stroh im Militärdienst.
Ich weiss nicht mehr sicher, ob es in Stall und Wohnküche schon elektrisches Licht hatte, ich denke eher nein. Sicher hatte es im Obergeschoss in Heustock und Schlafzimmer keins. Dort wurde ich angehalten, mit der Petrollampe besonders vorsichtig zu sein, was mich veranlasste, später immer meine Taschenlampe zur Hand zu haben. Ich erinnere mich aber noch genau an das schöne, warme Licht der Petrollampe, wie wenn es gestern gewesen wäre.
Ich lernte auch, dass Bergheuen ausserordentlich streng ist. Wenn der Neigungsgrad der Wiesen es erlaubte, mähte Albert mit der Maschine. Anschliessend musste gezettelt werden. Vor allem in den oberen Teilen des steilen Geländes, den "Mageren", musste Albert aber mühsam mit der Sense mähen, was sehr streng war. Das bedingte dann aber auch, dass Albert sich abends an den "Tängelistock" setzen und die verschiedenen Sensen "tängelen" musste. Auch diesen Ton habe ich noch im Ohr! Ich durfte auch mit der Sense Mähen lernen, war aber meinem Schwager noch keine grosse Hilfe.
Wenn das Heu trocken und bereit zum Einbringen war, wurde es mit dem Rechen in der Falllinie zu "Mädli" geformt. Dann legte Albert am Abhang das Heuseil aus: Das Seil war in der Mitte an einer angespitzten Astgabel befestigt, die er in den Boden steckte. Die zwei Seilenden von ca. 5 m Länge legte er mit ca. 50 cm Abstand den Abhang hinunter. Von den "Mädli" wurde jetzt das Heu haufenweise mit dem Rechen genommen und über den Seilen aufgeschichtet, bis genügend zusammen gekommen war. Dann wurde der Heustoss mit den Seilen zusammen gezogen und an der Astgabel zu einer "Burde" fest gebunden. Anschliessend musste sich Albert die "Burde" auf die Schultern stemmen und sie in den Heustock tragen, wo ich oder Dorli die "Burde" anschliessend öffnen, auseinander zetteln, das Heu gleichmässig auf dem Heustock verteilen und die Seile für die Wiederverwendung aufhängen mussten.
Albert feierte immer während meinem Ferienaufenthalt im "Berg" seinen Geburtstag. Als Geburtstagsessen wünschte er sich jeweils nicht einen Teller, sondern eine grosse Platte mit Kopfsalat, und darüber drei oder vier Eier, was ja kein Problem war: Einige Hühner hatte man ja mit in den "Berg" genommen und Salat gab es unten jede Menge im Bauerngarten.
Apropos Hühner: Wenn man nicht gut aufpasste und den unteren Teil der Wohnküchentüre zuschloss, war dies anscheinend der Lieblingsort der Hühner: Hier gab es immer etwas zu picken oder zu stehlen. Und vor allem man merkte immer, wenn man die Türe vergessen hatte zu schliessen: Wenn die Hühner drinnen gewesen waren liessen sie meistens etwas fallen…  
Ich erinnere mich auch, dass ich ungefähr jeden dritten Tag mit einem grossen Rucksack ins Tal absteigen musste, um Lebensmittel zu holen: Salat und Gemüse aus dem Bauerngarten, Kaffee, Zucker, Mehl und Teigwaren aus dem Laden im Dorf. Unten im Bauernhaus hauste Nane, die gehbehinderte Schwester von Alberts Vaters und Gotte von Albert, die seit dem frühen Tod seiner Mutter den Haushalt führte. Sie schimpfte jeweils sehr laut mit mir, was wir da oben im Berg doch für ein "verfressenes Pack" wären! Hier unten würde sie dann schon wieder für Ordnung und Sparsamkeit sorgen!
Ich konnte ja nichts dafür, revanchierte mich dann allerdings einmal während eines späteren Ferienaufenthalts im Herbst: Als Nane im Käsekeller routinemässig die Bergkäse salzte, warf ich einen Knallfrosch in den Keller, der immer wieder laut knallend hin und her sprang.
Ich habe die gehbehinderte Nane weder vor- noch nachher je sich so schnell fortbewegen gesehen, wie sie aus dem Keller rannte…
Tempi passati! Aber wunderbare Jugenderinnerungen.

Nachkommen von Dorli und Albert Rupp-Gadient sind:
Hannes Rupp-Koch (*1947), verheiratet mit 2 Töchtern und 1 Sohn
Doris Nicola-Rupp (*1948), verheiratet mit einer Tochter
Andreas Rupp (1950-2000), verheiratet, mit 3 Töchtern und 1 Sohn

(Auf Wunsch mussten Namen und Geburtsjahre der Töchter und Söhne meiner Nichte und Neffen gelöscht werden!)
Meine zweitjüngste Schwester Lisbeth Blöchliger-Gadient
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3.6.  Elternhaus von Gadient Hans Ruedi – Meine zweitjüngste Schwester Lisbeth Blöchliger-Gadient.

3.6 Meine zweitjüngste Schwester Lisbeth Blöchliger-Gadient

Lisbeth Blöchliger-Gadient (1925-1982), verheiratet mit Rudolf (Ruedi) Blöchliger (1921-2010) mit den 5 Kindern Ruedi, Marlies, Anita, Suso und Isabel.
Lisbeth war scheinbar ein schmächtiges, gegenüber den zwei älteren Schwestern eher ein etwas kränkliches Kind. Sie schlug sich als Kind beim Spielen beide oberen Schaufelzähne aus und war deswegen oft etwas geniert. Ferien verbrachte sie gerne bei ihrer Grossmutter in Uzwil. Nach der Primar- und Kath. Kantons-Sekundarschule besuchte Lisbeth wie ihre Schwester Selin die städtische Handelsschule Talhof, um dann auch Fremdsprachen Sekretärin zu werden. Lisbeth war glücklich, dass ihr alles Lernen sehr leicht fiel. Nach dem Handelsdiplom lernte sie zuerst als Au-Pair im Welschland Französisch. Ins Englisch sprechende Ausland konnte sie infolge des 2. Weltkrieges leider nicht, also lernte sie zuhause Englisch, vor allem im Kino, denn das war praktisch die einzige Möglichkeit Englisch zu hören. Um auch üben zu können, trat sie dem Anglo-Swiss-Club bei. Sie träumte auch immer von Reisen in fremde Länder und korrespondierte jahrelang mit Freundinnen im Ausland. Nach dem Welschland Jahr arbeitete sie wie ihre Schwester Selin als Sekretärin bei Fischbacher in St. Gallen, und das bis zu ihrer Heirat. Später, nach ihrer Hochzeit, gab sie auch ohne Lehrerinnenpatent Stenografie an "ihrem" Talhof. Daneben engagierte sie sich in der Pfarrei und im Vorstand der Frauenturngruppe St. Martin Bruggen als Leiterin im Turnen. Sie nahm Gesangsstunden und trat während der Fasnacht mit einem Lehrercabaret in Teufen auf. Ebenfalls in dieser Zeit bildete sie sich weiter zur Leiterin von Elternkursen der SAKES (Schweizerischen Ausbildungs-Gemeinschaft für Kursleitung und Erwachsenenschulung) und hielt an diversen Orten der Ostschweiz Vorträge über Erziehung oder z.B. „Den Weg der Frau“. Als das Frauenstimmrecht eingeführt wurde, schrieb sie in ihr Tagebuch: "Heute haben uns die Schweizermänner das Stimmrecht geschenkt".
Sie nahm sich so zwar ihre Freiräume, unterstützte aber immer auch ihren Mann tatkräftig mit Sekretariatsarbeiten, damit dieser seinen kleinen, privaten Lehrmittelverlag weiterentwickeln konnte, den er neben dem Schulunterricht betrieb.
Ruedi war zuerst Lehrer an der Gesamtschule Oberwald, das zu Waldkirch gehörte, und wo er auch in der Kapelle Sigrist war. Dort erlebte ich zwei Mal wunderbare Ferien: Ich erinnere mich, dass ich für Ruedi in der Kapelle in der Neujahrsnacht begann, das neue Jahr einzuläuten, und er mich nicht wie versprochen spätestens nach der ersten Viertelstunde ablösen kam, ich also auch noch die zweite Viertelstunde läuten musste!
Dann wurde er für ein paar Jahre Lehrer in St. Gallen-Bruggen, bevor er bis zur Pensionierung in St. Gallen-Winkeln blieb. Ein grosser Wurf gelang dem Lehrer Blöchliger mit seinem Mengenlehre-Rechenbuch. Sich auf dieses Rechenbuch beziehend, drehte das ZDF (Zweites Deutsches Fernsehen) in St. Gallen Winkeln in seinem Schulzimmer mit seiner Klasse eine 15-teilige Fernsehsendung, die damals grosses Aufsehen erregte. Mit dem Honorar für diese TV-Sendung konnten Lisbeth und Ruedi ihren Traum vom eigenen Einfamilienhaus erfüllen, das sie im St. Galler Vorort Abtwil bauten.
Auch in Abtwil stellte sich Lisbeth neben Haus und Familie immer wieder für öffentliche Ämter zur Verfügung. Sie wurde 1972 für die CVP in den Schulrat gewählt, ein Amt, das sie bis zu ihrem Tod mit Begeisterung ausübte. Das Familienglück wurde dann jäh zerstört, als Lisbeth im 56. Altersjahr bei einem Autounfall tödlich verunglückte. Ruedi überlebte seine Lisbeth dann um 28 Jahre und starb 2010 über 90-jährig.
Ihr Mann Ruedi war in der Armee bei den Fliegertruppen zwar nicht Pilot aber immerhin Beobachter geworden, gehörte also zum "Fliegenden Personal". (Er hatte mich nach meinem Rauswurf aus der Fliegerschule ja auch ermuntert, trotz allem in die Unteroffiziersschule einzurücken, und zwar mit dem eindeutigen Ziel, Offizier zu werden, da die Offiziersausbildung praktisch eine unentgeltliche Managementausbildung wäre!). Diese ehemaligen Beobachter wurden später als sog. "Auswerter" auf den Kriegsflugplätzen mit Aufklärungsflugzeugen eingesetzt: Sie mussten die von den Aufklärern aufgenommenen Filme und Fotos auswerten und interpretieren. Als ich Kommandant der Flugzeug Reparatur Kompanie 10 in Buochs war und in den Wiederholungskursen mit meiner Kompanie auch die Aufklärungsflugzeuge Venom und Mirage betreute, hatten Ruedi und ich jedes Jahr zwei Wochen gemeinsamen Militärdienst. Wir trafen uns fast täglich in der Offiziersmesse zum Kaffee und konnten dann wunderbar die grosse Verwandtschaft durchhecheln… 
Nachkommen sind:
Ruedi Blöchliger-Joller (*1949), heiratete 1975 Gaby Spirig mit Sohn Ivo (*1976), 1981geschieden, wieder bverheiratet seit 1982 mit Hildegard Joller, mit Eva (*1982), Regina (*1984), Jonas (*1985) und Lea (*1987).
Marlies Eeg-Blöchliger (*1953), heiratete 1974 Geir Eeg (*1950), mit Sohn Bendik Andreas (*1978), geschieden seit 1985.
Anita Blöchliger Moritzi (*1955), verheiratet seit 1975 mit Reto Moritzi (*1950), mit Diego (*1975), Wilma (*1977) und Nina (*1979)
Suso Blöchliger-Hamburger (*1960), verheiratet mit Verena Hamburger (*1959), mit Miriam (*1989), Janice (*1993) und Marvin (*1995)
Isabel Bader-Blöchliger (*1963), verheiratet seit 1990 mit Erich Bader (*1959), lebt getrennt, mit Natalie (*1991) und Colette Anais Zoe (*1996).

Meine jüngste Schwester Béatrice Stadlin-Gadient
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3.7.  Elternhaus von Gadient Hans Ruedi – Meine jüngste Schwester Béatrice Stadlin-Gadient.

3.7 Meine jüngste Schwester Béatrice Stadlin-Gadient

Beatrice Stadlin-Gadient (*1930), verheiratet in 1. Ehe mit Serge Maradan. Aus dieser Ehe stammt der (später adoptierte) Sohn Michael Stadlin, verheiratet mit Yvonne Stadelmann. In 2. Ehe verheiratet mit Alois Stadlin. Aus dieser Ehe stammen Tochter Beatrice Stadlin, geschieden und Sohn Hanspeter Stadlin, verheiratet mit Isabelle Daunois.


12 Wochen nach dem Tod des Erstgeborenen Rudolf kam meine Schwester Béatrice als viertes Mädchen zur Welt. Da sie nur drei Jahre älter war als ich hatten wir unter den Geschwistern eigentlich den engsten Kontakt. Nach Primar- und kath. Kantonssekundarschule wollte auch sie wie ihre Schwestern Selin und Lisbeth als Sekretärin arbeiten. Um sich sprachlich weiterzubilden, verbrachte sie nach der obligatorischen Schulzeit so wie es damals üblich war in einem Haushalt, und zwar zuerst 6 Monate im Tessin und anschliessend 6 Monate in Lausanne! In der Handelsschule Schedler in St.Gallen machte sie ihr Handelsdiplom und trat dann als Sekretärin eine Stelle in Lausanne an. Im KV in Lausanne besuchte sie regelmässig abends die Debattenschriftkurse in Stenographie. Sie war so gut, dass die Lehrer auf sie aufmerksam wurden. In Absprache mit ihrem Chef durfte sie als einzige Deutschschweizerin in einer welschen Klasse die Lehrabschlussprüfung nachholen und erwarb so einen KV-Abschluss. In dieser Zeit hier in Lausanne lernte sie ihren späteren ersten Mann Serge Maradan kennen.
Zurück in St Gallen arbeitete sie in verschiedenen Firmen als Sekretärin, als im Frühling 1956 plötzlich ihr alter Bekannter Serge aus Lausanne wieder auftauchte und um ihre Hand anhielt. Er war eben von einem Einsatz aus Saigon Indochina zurückgekommen, denn er hatte als Doppelbürger seinen obligatorischen Militärdienst nicht in der Schweiz, sondern bei der Französischen Luftwaffe absolviert und arbeitete derzeit in St. Astier, einer französischen Luftwaffenbasis in der Dordogne. Im Oktober wurde in St. Gallen geheiratet und das junge Paar bezog eine Wohnung in St. Astier. Es reifte aber bald der Entschluss, künftig in St. Gallen in der Schweiz zu leben, wobei Serge aber eine 6-monatige Kündigungsfrist einhalten musste. Sie zügelten deshalb im März 1957 wieder nach St. Gallen und durften sich bei den Eltern in St. Finden an der Rorschacherstr.116 einmieten, was deshalb möglich war, da der Vater seit der Pensionierung mehrheitlich auf dem Bauernhof bei Dorli und Albert im Thurgau lebte. Béatrice begann wieder als Sekretärin zu arbeiten und suchte für ihren Mann einen Arbeitsplatz als Werkzeugmacher, während Serge für die Kündigungszeit allein nach Frankreich zurück musste und nur gelegentlich zu Besuch kam. Im Oktober kam Serge dann endlich definitiv nach St.Gallen, wo er eine Stelle antrat. Inzwischen erwartete Béatrice ein Kind, und am 9.2.58 kam mein Göttibub Michael auf die Welt. Im Mai überraschte dann Serge nicht nur seine Frau, sondern uns alle mit einer ganz plötzlichen Abreise zurück nach Frankreich, da er scheinbar in St. Gallen unglücklich war. Bea reichte die Scheidung ein und wurde im Frühling 1959 geschieden. Selin nahm den kleinen Michael für eine gewisse Zeit zu sich nach Erlenbach, wo er eine Zeit lang dann mit mir das Gästezimmer im 1. Stock teilte. Im Juli 1960 lernte Bea ihren Alois Stadlin kennen, damals Pro-Rektor des KV Zürich, den sie ein Jahr später im Juli 1961 heiratete. Erster Wohnsitz der Frischvermählten war am Hambergersteig in Zürich Tiefenbrunnen, wo nun auch Sohn Michael wieder in die Obhut der Mutter kam. Im März 1963 kam Tochter Béatrice auf die Welt, was einen Umzug in eine grössere Wohnung nach Rüschlikon zur Folge hatte. 1965 kam noch Sohn Hanspeter auf die Welt. Alois war inzwischen Rektor des KV Zürich geworden und zog daneben noch einen eigenen, privaten Lehrmittelverlag auf, mit welchem er sehr erfolgreich war. Noch vor der Geburt von Béatrice jun. hatte Alois Stadlin Michael, Beas ersten Sohn, adoptiert. Sie wohnten bis zum Tod von Alois 1999 in Rüschlikon, Béatrice Sen. wohnt seither in einer Eigentumswohnung in Horgen. Béatrice Jun. und Hanspeter mit Isabelle wohnen auch in Horgen, während Michael mit seiner Familie in Thalwil lebt.
Nachkommen sind:
Michael Stadlin (*1958), war verheiratet mit Yvonne Stadelmann (1964-2016), mit Tochter Kerstin
Beatrice Stadlin (*1963), geschieden, ohne Kinder
Hanspeter Stadlin (*1965), verheiratet mit Isabelle Daunois ("1972?), mit Sohn Philipp (*2016)

Hans Ruedi Gadient-Karpf
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3.8.  Elternhaus von Gadient Hans Ruedi – Hans Ruedi Gadient-Karpf.

3.8 Hans Ruedi Gadient-Karpf

Hans Ruedi Gadient-Karpf (*1933), verheiratet gewesen mit Frieda Karpf (1937-2013). Sie haben 2 Töchter:
Andrea Heinzelmann-Gadient (*1963), geschieden mit Jan, Per und Finn, sowie
Alexa Bosshard-Gadient (*1966), verh. mit Philipp Bosshard, mit Fabian und Nils.

Über mich und unsere Familie schreibe ich ausführlicher in den nachfolgenden Kapiteln.
Meine Schwiegermutter Frieda Spaltenstein
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4.1.  Elternhaus von Karpf Frieda – Meine Schwiegermutter Frieda Spaltenstein.

4.1 Meine Schwiegermutter Frieda Spaltenstein

Frieda Spaltenstein (1909-1989), in 1. Ehe verheiratet mit Fritz Karpf (1907- 1961); aus dieser Ehe stammen Sohn Albert Karpf, verh. mit Nelly Sturm, und Frieda Gadient-Karpf, verh. mit Hans Ruedi Gadient. Nach dem frühen Tod von Fritz Karpf heiratete meine Schwiegermutter den ebenfalls verwitweten Alfred Spaltenstein (1899-1983). Dessen 1. Frau war eine Margrit Dübendorfer, Tochter eines Bruders von Fischlis Grossmutter Frieda Welti-Dübendorfer.

Meine Schwiegermutter wuchs auf dem bäuerlichen Heimwesen, zu dem auch ein Rebberg gehörte, im Kleindorf 14 in Zollikon mit 2 Brüdern und 3 Schwestern auf. Ihr Vater war aber nicht nur Bauer, sondern er stellte sich auch immer wieder der Allgemeinheit für öffentliche Ämter zur Verfügung.

Nach ihrer obligatorischen Schulzeit durfte sie ein Jahr in England Englisch lernen. Nach ihrer Rückkehr verlobte sie sich mit einem Albert Karpf aus Küsnacht, der aber kurz darauf ganz plötzlich starb. Darauf warb sein Bruder Fritz Karpf um ihre Hand, ein gelernter Gärtner, der eben in Küsnacht Itschnach begonnen hatte, eine eigene Gärtnerei einzurichten. Sie heirateten im Dezember 1932 und meine Schwiegermutter Frieda half ihrem Fritz tatkräftig beim Aufbau des eigenen Betriebes, und nacheinander kamen Sohn Albert und Tochter Frieda zur Welt. Die Kinder hatten in der unmittelbaren Nachbarschaft ihr Grösi väterlicherseits sowie die Familien vom Bruder ihres Mannes, Paul Karpf und ihrer Schwester Louise Karrer-Welti, ja die Kinder gingen sogar gemeinsam zur Schule, drei gleichaltrige davon sogar in die gleiche Klasse. Es war ein richtiges Nest von Verwandten!

Friedas Bruder Armin, ein gelernter Bauer (damals noch eine grosse Seltenheit) arbeitete nach der Rekrutenschule ausserhalb des väterlichen Bauernbetriebes in einer Gartenbaufirma und wurde dort von einem deutschen Mitangestellten und fanatischen "Nazi" derart stark für den Nationalsozialismus und das Deutsche Reich begeistert, dass er 1943 bei Nacht und Nebel illegal über die Grenze ging und sich in Deutschland als Freiwilliger an die Front meldete. Nach etwas mehr  einem Jahr fiel er 1944 als Soldat in einer SS-Division an der Ostfront in Karelien. Das war ein harter Schlag für ihren Vater, der damit seinen Stammhalter und Nachfolger auf dem Hof verloren hatte, denn ein zweiter Bruder kam infolge geistiger Behinderung dafür nicht in Frage.
Nun fragte ihr Vater Emil Welti seine älteste Tochter und ihren Mann Fritz, ob sie nicht zu einer günstigen, jährlichen Pacht von CHF 1400 den Hof übernehmen könnten; sie müssten ja nicht mehr "Bauern", sondern könnten auf dem Land im Hägni ja auch "Gärtnern". Meine Schwiegereltern waren schweren Herzens damit einverstanden, den eigenen Betrieb aufzugeben und in Pacht zu gehen.

Nun liess Vater Emil Welti durch seinen Bruder und Architekten zwischen Elternhaus und Rebberg das Haus Kleindorf 16 bauen und zog nach dessen Vollendung mit dem Rest seiner Familie dorthin um, damit meine Schwiegereltern den oberen Teil von Kleindorf 14 für sich bereitstellen konnten. Sie hatten inzwischen ihre Gärtnerei in Itschnach verkauft und den Erlös in den Bau von zwei Gewächshäusern sowie einem Gemüse-Rüstraum investiert. Ferner wurde in Kleindorf 14 neu im 1. Stock ein Bad eingebaut, die Küche modernisiert und zwei Kinderzimmer hergerichtet. Die Familie zog 1948 von Küsnacht Itschnach ins Kleindorf nach Zollikon um. Auch hier half Mutter Frieda weiterhin im jetzt reduzierten Bauern- und Gärtnerei­betrieb tatkräftig mit. Sie hatten in Aldeli eine italienische Haushalthilfe angestellt, deren Mann Fuffi auf dem Bau arbeitete, zusammen mit Aldeli jedoch auch im Haus Kleindorf 14 wohnte und zum Essen auch am Tisch sass.

Ihr Mann Fritz Karpf wurde aber schon bald ernsthaft krank und hatte Mühe, den Betrieb aufrecht zu halten und war froh, als Sohn Albert, nach bestandener Gartenbauschule in Genf ebenfalls im elterlichen Betrieb mithalf. Neben dem Asthma kam noch ein tückisches, unheilbares Krebsleiden dazu. Trotz zwei Operationen starb er an Allerheiligen 1960 am Krebsleiden. Daraufhin zügelte Sohn Albert mit Familie von der Seestrasse ebenfalls in den oberen Hausteil Kleindorf 14.
Meine Schwiegermutter führte den Betrieb zusammen mit Sohn Albert noch einige Jahre weiter, übergab diesen ihm dann aber zur Alleinverantwortung und zog ins Kleindorf 16 um. Ihr Vater baute ihr dort zuoberst unter dem Dach eine hübsche, kleine Wohnung ein, wo es ihr recht wohl war. In dieser Zeit lernte sie an einem "Dübendorfer – Fest" Alfred Spaltenstein, einen Coucousin ihrer Mutter kennen, einen verwitweten Malermeister im Ruhestand aus Basel. Sie beschlossen nach etwa einem halben Jahr, unter gegenseitigem Erbverzicht und Gütertrennung zu heiraten und waren bis 1983 zusammen.

Grossvater Emil Welti hatte 1949 einen öffentlich beurkundeten Erbvertrag ausarbeiten lassen. Darin kam zum Ausdruck, dass er seine älteste Tochter Frieda und ihren Ehemann Fritz Karpf gegenüber den anderen Geschwister etwas bevorzugen wollte, und zwar für Ihre Bereitschaft, ihr eigenes Gewerbe aufzugeben und in Zollikon den Familienbetrieb weiterzuführen. Darin wurde auch festgelegt, dass Frieda Spaltenstein beim Tod des Vaters in einer partiellen Erbteilung sofort Haus Kleindorf 14, Scheune und Rüstraum sowie einen Teil des Landes überschrieben werden sollte. während der Restnachlass seiner Frau zur Nutzniessung bis zu deren Ableben zur Verfügung bleiben sollte.

Nach dem Tod des Vaters baute meine Schwiegermutter den unteren Teil des geerbten, unter Heimatschutz stehenden Haus Kleindorf 14 in ein modernes Wohnhaus um, wo sie dann mit Alfred Spaltenstein bis zu seinem Tod im Jahre 1983 wohnten.

Die 70er und 80er Jahre wurden dann aber überschattet durch Beginn und Ausbreitung der Parkinson'schen Krankheit, die meiner Schwiegermutter das Leben zunehmend erschwerte und ab 1982 mit einem kleinen Unterbruch den Aufenthalt im Pflegeheim Bethesda in Küsnacht nötig machte. 1983 starb ihr zweiter Mann Alfred Spaltenstein. Erstaunlicherweise sprach sie im Bethesda dann nie mehr von ihm: Seinen Tod hatte sie wahrscheinlich bereits nicht mehr ganz mitbekommen. Und den plötzlichen Tod ihres Sohnes Albert an Sylvester 1988 realisierte sie glücklicherweise auch nicht mehr in seiner ganzen Schwere, während sie andrerseits zur grossen Freude ihrer Tochter immer noch von ihrem ersten Mann Fritz Karpf sprach. Sie starb am 7. Oktober1989: Ihr Tod erlöste sie von ihren Altersbeschwerden.

Mein Schwiegervater Fritz Karpf
Seite 25
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4.2.  Elternhaus von Karpf Frieda – Mein Schwiegervater Fritz Karpf.

4.2 Mein Schwiegervater Fritz Karpf

Fritz Karpf-Welti (1902 -1960) wuchs mit 2 Schwestern und 3 Brüdern in Küsnacht auf. Nach der obligatorischen Schulzeit lernte er in der Kantonalen Gartenbauschule Châtelaine in Genf Gärtner. Nach seinem Abschluss arbeitete er in den späten 20er bis anfangs 30er Jahre (Weltwirtschaftskrise) mehrere Jahre in den USA auf seinem Beruf und sparte sich dort so viel Geld zusammen, dass er auf mehreren Heimataufenthalten in Küsnacht-Itschnach im "Geissbüehl" ein altes Haus mit viel Umschwung kaufen konnte, wo er plante, sich eine eigen Gärtnerei aufzubauen. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz und dem plötzlichen Tod seines Bruders Albert hielt er um die Hand dessen Verlobter Frieda Welti aus Zollikon an und heiratete sie im Jahre 1932. Auf seinem aus eigenen Ersparnissen in Itschnach erstandenen Land baute er sich jetzt zusammen mit seiner frisch angetrauten Frau Frieda die eigene Gemüse- und Blumengärtnerei auf. Eine Schwester seiner Frau Frieda hatte bereits den Gemüsegärtner Walter Karrer geheiratet, der ebenfalls in Küsnacht-Itschnach, etwas weiter unten, unterhalb des Schübelweihers, bereits eine Gärtnerei betrieb, allerdings immer etwas grösser als jene von Fritz Karpf. Die junge Familie wurde grösser: Nacheinander kamen 1934 Sohn Albert und 1937 Tochter Frieda auf die Welt.Nach dem Krieg wurde dann der schon bei Fischlis Mutter beschriebene, für die Betroffenen wahrscheinlich äusserst schwierige Umzug nach Zollikon zur Gewissheit: Der Wechsel von der Selbständigkeit mit der Gärtnerei auf eigenem Grund und Boden in ein Pachtverhältnis auf dem Bauernhof seines Schwiegervaters war für Ihn eine echte Zäsur. Der Verkaufserlös für seine Gärtnerei in Itschnach wurde sofort in Haus und Hof in Zollikon investiert, die immer noch dem Vater von Frieda gehörten, Dies geschah schon mit Einwilligung von Friedas Vater, aber leider ohne jegliche vertragliche Vereinbarung, was später bei der Erbteilung zu grösseren Diskussionen führte. Im oberen Hausteil Kleindorf 14 wurde eine neue Küche, ein Badezimmer und eine Zentral-heizung eingebaut, der Schopf in einen Rüstraum inkl. Garage für die Gärtnerei umgebaut mit fliessend Wasser versehen. Zwischen Rüstraum und Haus Kleindorf 16 wurden zwei von der Zentralheizung des Wohnhauses aus beheizte Gewächshäuser erstellt.

Mein Schwiegervater litt leider schon sehr früh an Asthma, dann kam aber noch ein unheilbares Krebsleiden hinzu. Auf alle Fälle war er sehr froh, als Sohn Albert, nach bestandener Gartenbauschule in Genf, ebenfalls im elterlichen Betrieb mithalf. Trotz zwei Operationen starb Fritz Karpf an Allerheiligen 1960 an seinem Krebsleiden, mit 58 Jahren viel zu früh. Die Familie war untröstlich, vor allem Friedeli litt am Verlust ihres Vaters sehr, war sie doch ein echtes Papa-Titi gewesen.

Mein Schwager Albert Karpf-Sturm
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4.3.  Elternhaus von Karpf Frieda – Mein Schwager Albert Karpf-Sturm.

4.3 Mein Schwager Albert Karpf-Sturm

Albert Karpf-Sturm (1934-1988), verh. mit Nelly Sturm (1935-2019).

Albert besuchte bis in die 2 Sekundarschulklasse die Schule in Küsnacht und litt nach dem Umzug nach Zollikon zeitlebens etwas am Verlust seines Küsnachter Freundeskreises.

Nach der Sekundarschule besuchte er wie sein Vater die Kantonale Gartenbauschule Châtelaine in Genf. Aus der ursprünglich für nachher geplanten Ausbildung in anderen Betrieben wurde dann aber leider nichts, denn er trat sofort zur krankheitsbedingten Entlastung seines Vaters in den elterlichen Gärtnereibetrieb in Zollikon ein. Er heiratete 1957 (?) Nelly Sturm, eine Zollikerin, Uhren- und Schmuck-Verkäuferin bei Türler am Paradeplatz in Zürich.

Nach dem frühen Tod seines Vaters führte Albert den elterlichen Betrieb zuerst zusammen mit seiner Mutter und seiner Frau weiter, später selbständig zusammen mit seiner Frau Nelly.

Als man bei der (zu-) kleinen Betriebsgrösse einfach auf keinen grünen Zweig kam, hörte er mit dem Anbau von Gemüse und Blumen auf und wechselte zu Garten- und Tiefbau: In erster Linie erstellte er zusammen mit zwei Angestellten für die Rediffusion Hausanschlüsse, Als er auch damit keinen eindeutigen Erfolg hatte, arbeitete er noch einige Jahre bei einem befreundeten Dachdecker. Am Silvesterabend 1988, den er zusammen mit seiner Frau Nelly in ihrer Ferienwohnung in Vals feierte, erlitt er auf der Tanzfläche einen Sekundentod.

Nelly und Albert hatten zusammen zwei Kinder,

Sohn Roland (*1963) und

Tochter Sandra ("1969)

Meine Frau Frieda "Fischli" Gadient-Karpf
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4.4.  Elternhaus von Karpf Frieda – Meine Frau Frieda "Fischli" Gadient-Karpf.

4.4 Meine Frau Frieda "Fischli" Gadient-Karpf

Frieda Gadient-Karpf (1937-2013), verh. mit Hans Ruedi Gadient (*1933).
Frieda „Fischli“ Gadient-Karpf wurde am 19. April 1937 in Küsnacht Itschnach geboren. Das kleine Friedeli wuchs zusammen mit dem 3 Jahre älteren Bruder in einfachen, aber sehr behüteten und glücklichen Verhältnissen in der Gärtnerei im Geissbüel in Itschnach auf. Bis zur dritten Klasse ging sie in Küsnacht zur Schule, d.h. bis die Familie ihren Wohnsitz ins Kleindorf nach Zollikon verlegte.

 

Klein Friedeli fühlte sich in Zollikon bald zuhause und war ein sehr fröhliches Kind. Von der schulischen Leistung her dachte man nach der 6. Klasse eigentlich ans Gymi. Ihr Primarlehrer Spörri riet den Eltern aber ab, da Friedeli sicher bald heiraten werde! So ein Unsinn! Nach der Sekundarschule entschied sie sich für eine KV-Lehre in einem Anwaltsbüro in Zürich. Es war eine ausserordentlich schwierige Lehrzeit, denn Ihr Verhältnis zum Chef würde man heute als „zerrüttet“ bezeichnen. Obwohl sie von ihren Eltern aus die Lehre hätte abbrechen dürfen, biss sie ein erstes Mal auf die Zähne und lernte dabei, sich auch in Extremsitu­ati­on­en zu bewähren. Das gefiel ihrem Vater sehr. Die seit jeher sehr starke Vaterbeziehung wurde damit noch inniger. Als Belohnung für das Durchhalten und den erfolgreichen Lehrabschluss durfte sie für ein halbes Jahr nach Paris an die Alliance Française in die Schule, um besser Französisch zu lernen. Als sie krank wurde, holte sie ihr Papa zur Genesung nach Hause. Sie willigte aber nur in die Heimreise ein, wenn sie ihren Koffer mit dem Schulzeug und ihren Kleidern in Paris lassen durfte. Nach der Rückkehr nach Paris verging das halbe Jahr wie im Flug und sie genoss diese Zeit in vollen Zügen.

 

Gegen Ende des Sprachaufenthaltes lernte sie durch eine Schulkollegin eine Familie kennen, die eine Haushalthilfe suchte. Der Mann war Franzose, Redaktor beim Magazin "Jour de France", wohnte und arbeitete in Paris, während die Frau Amerikanerin war und mit ihren zwei Buben in Biot bei Antibes hauste. Der Mann engagierte Friedeli sur place, und sie willigte ein, nach Südfrankreich zu seiner Frau zu fahren und es einfach einmal zu versuchen. Sie hatte dabei schon viel Gottvertrauen, denn sie hatte weder einen Arbeitsvertrag, noch kannte sie die Frau, das Dorf oder die Wohnung. Ihre Eltern waren von diesem Abenteuer nicht sehr angetan, aber Friedeli konnte wieder einmal ihren Kopf durchsetzen. Als sie in Biot eintraf, erlebte sie eine erste grosse Überraschung: Ihre zukünftige Patronne, die sie am Bahnhof abholte, war hochschwanger. Fischli erlebte dann in Südfrankreich alle Höhen und Tiefen einer jungen Frau, kam mit allerhand sonderbaren Leuten in Kontakt: Existenzialisten, Drogensüchtigen, Künstlern und vielen Tagedieben, über­stand aber wie durch ein Wunder diese Zeit schadlos, vor allem dank ihrem starken Willen und ihrer engen Bindung an das Elternhaus. Sie war davon überzeugt, in dieser Zeit charakterlich viel stärker geworden zu sein. Als sich ihre Patronne nach einem halben Jahr von ihrem Mann trennte und mit den Kindern zurück nach Amerika fuhr, wollte Fischli selbstverständlich auch mit in die USA fahren. Hier legten die Eltern aber für einmal ein klares Veto ein, trotz der grossen Amerika-Sympathie ihres Vaters. Die junge Frau kehrte nach einem Frankreich-Jahr in die Schweiz zurück.

Nach ein paar Tagen Ferien begab sie sich unangemeldet ins Personalbüro der SWISSAIR auf den Flughafen und erklärte, bei SWISSAIR arbeiten zu wollen. Und sie hatte tatsächlich Erfolg damit, denn sie erhielt eine Stelle im sog. “Hühnerstall“, dem Schreibbüro der Chefpiloten. Dort wurde man aber schon bald auf die Qualitäten der neuen Sekretärin aufmerksam, und sie durfte in der Folge für gewisse Chefpiloten vertrauliche Berichte schreiben, dies teilweise auch in der Freizeit, und für einen anderen, der im Militär Staffelkommandant war, schrieb sie Dienstbefehle und Einträge in vertrauliche Personaldossiers.

Dann wurde Flugkapitän Ernst Hürzeler, Chef "Operational Engineering" im Departement III auf sie aufmerksam und holte sie als Sekretärin in seine Dienststelle. Hier lernte sie ihren späteren Mann Hans Ruedi kennen. Hürzeler hatte ihn in einem gemeinsamen Militärdienst davon überzeugt, sich bei der SWISS­­AIR zu bewerben, da man dort derzeit Ingenieure suche. Durch seine Arbeit in der Ingenieurabteilung im Departement IV hatte er in der Folge oft im Operational Engineering zu tun, wo er sich jeweils bei Fischli anmelden musste. Ein Studienkollege von Hans Ruedi, der als Sachbearbeiter dort arbeitete, stellte die beiden an der Abflugbar gegenseitig für ein Coca-Cola vor. Fischli arbeitete bis zu ihrer Hochzeit im Operational Engineering. Sie fiel dort nicht nur als zuverlässige und sehr belastbare Sekretärin, sondern vor allem als die einzige, starke Raucherin auf!

Nachdem Fischli monatelang dem Werben von Hans Ruedi hartnäckigen Widerstand geleistet hatte (ihre Mutter wird später Hans Ruedi berichten, Friedeli hätte ihr damals mehrmals gesagt, Angst zu haben, bei diesem hängen zu bleiben!), funkte es dann aber zwischen den beiden gewaltig und anhaltend. An Ostern 1961 wurde Verlobung gefeiert, und am 12. Mai 1962 heirateten die beiden.

Weiter geht es zusammen mit Hans Ruedi im Kapitel 8: Unsere Familie.
Kindheit 1933-1939
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5.1.  Jugendjahre Hans Ruedi bis ETH Abschluss – Kindheit 1933-1939.

5.1 Kindheit 1933-1939

Ich wurde am 2. Juli 1933 als Sonntagskind in St. Gallen St. Finden, Rorschacherstrasse 116, in der Wohnung im 4. Stock des Hauses Café-Bäckerei-Konditorei Zimmermann geboren, in welcher meine Eltern bis ins hohe Alter blieben und wo ich bis zur Matura lebte. Nach 4 Mädchen war zur grossen Freude der Eltern nochmals ein Stammhalter zur Welt gekommen, denn der erstgeborene Sohn war zwölfjährig, drei Jahre vor meiner Geburt, an Leukämie verstorben. Meine Schwester Selin als älteste war bei meiner Geburt bereits 12, Dorli 10, Lisbeth 6 und Béatrice 3 Jahre alt.

Wir wuchsen in einfachen, aber behüteten und überaus glücklichen Verhältnissen auf, und wir durften erfahren, wie wunderbar Nestwärme für Kinder und Jugendliche mit ihren kleineren und grösseren Sorgen sein kann. Ich denke daher mit grosser Dankbarkeit und Freude an meine Zeit im Elternhaus zurück. Ich möchte mich dafür bei meinen Eltern bedanken, die dieses wunderbare Umfeld schufen und uns eine so unbeschwerte Jugendzeit ermöglichten. Dazu verzichteten sie ihren Kindern zuliebe auf Vieles. Sie erzogen uns mit viel Liebe, aber auch mit einer erstaunlichen, intuitiven Konsequenz, deren grosse Bedeutung für die Erziehung ich erst viel später erkannte, als ich selbst Vater geworden war.
Meine Mutter (1889-2000) wuchs mit zwei Schwestern und einem Bruder in Uzwil auf und verlor sehr früh ihren Vater, der in Uzwil bei der Maschinenfabriken Bühler Werkzeugmacher war. Sie soll eine hervorragende Schülerin mit Bestnoten gewesen sein. Nach der Primar- und Sekundarschule besuchte sie die Frauenarbeitsschule in St. Gallen, wo sie die Abschlussprüfung als "Weissnäherin" machte und auf das hervorragende Zeugnis ein Leben lang sehr stolz war. Es hing in meiner Jugend eingerahmt neben dem Wandtelefon im Korridor unserer Wohnung an der Rorschacher­strasse 116 in St. Gallen St. Fiden.

Nach dieser Schulzeit arbeitete sie ca. 2 Jahre als Zimmermädchen in der Villa des Industriellen Bühler in Uzwil. Weil Herr Bühler von ihrer Art, seine Hemden zu Stärken und zu Bügeln sehr begeistert war, machte sie sich (analog ihrer Mutter mit der Kostgängerei) selbständig und hatte Erfolg damit. Sie arbeitete in diesem Beruf in einem Zimmer des Elternhauses, bis sie meinen Vater in der Kostgängerei kennen lernte, ihn heiratete und mit ihm nach St. Gallen zog, wo er eine Stelle bei der Stadtpolizei angenommen hatte. Meine Mutter war eine sehr warmherzige und seelengute Frau. Sie hätte auch noch ihr Eigentum verschenkt, wenn es jemandem schlecht gegangen wäre. Harmonie in der Familie bedeutete ihr alles, und sie litt jeweils sehr, wenn es zu ganz normalen, kleineren Familienzwisten kam.
Meine Mutter half nach ihrer Heirat mit, das monatlich verfügbare, bescheidene Einkommen meines Vaters etwas aufzubessern, indem sie für ein paar Kunden Herrenhemden stärkte und bügelte. Ende Monat nach dem Zahltag konnte ich jeweils miterleben, wie es meiner Mutter als "Finanzchef" der Familie Sorgen bereitete, neben dem Sackgeld meines Vaters und der Wohnungsmiete, für welche ein fester Betrag jeweils sofort ausgeschieden wurde, alle fälligen Rechnungen zu bezahlen. Wir Kinder hatten darunter aber nie zu leiden.
Mein Vater (1890-1975) wuchs in Flums - Grossberg mit neun Geschwistern auf. Zwei weitere Mädchen starben schon unter einjährig. Sein Vater war Bauer, mehr aber noch Baumeister. Er baute neben seinem Bauernhof Heu- und Viehställe für Dritte, starb aber schon mit 46 Jahren an einer Lungenentzündung. Trotzdem durften alle Buben eine Lehre machen. Wie das meine Grossmutter anstellt, ist mir rätselhaft. Mein Vater besuchte die damaligen 7 Pflichtschuljahre in Flums und machte dann eine Lehre als Bau Spengler. Als Bühler Uzwil Spengler für die Maschinenverkleidungen suchte, meldete er sich, da ihm die Arbeit in einer Fabrik sicherer und wetterunabhängiger schien als auf dem Bau. Hier lernte er in der Kostgängerei der Witwe Kunz seine spätere Frau Selina kennen. Durch einen Schwager seines Vaters namens Manhart wurde er auf eine Stelle bei der Stadtpolizei St. Gallen aufmerksam gemacht. Er meldete sich und wurde angenommen, nicht zuletzt seiner Italienisch-Kenntnisse wegen, die er auf dem Bau erlernt hatte. Mit dieser festen Anstellung warb er um meine Mutter und auch da hatte er Erfolg.

Mein Vater hatte im Gegensatz zu meiner Mutter eine recht rauhe Schale und war oft etwas aufbrausend; im Inneren war aber auch er ein herzensguter Mensch, wahrscheinlich oft zu gut, zu weich und zu schnell kompromissbereit, um sich privat, aber vor allem beruflich durchzusetzen. Nach vielen Jahren bei der uniformierten Polizei wurde er Fahnder und brachte es bis zum stellvertretenden Fahnder Chef der Stadtpolizei St. Gallen. Daneben war die Polizeimusik sein erstes grosses Hobby, wo er den Es-Bass blies, und schlussendlich Ehrenmitglied wurde.
In der Erziehung waren unsere Eltern vielleicht etwas zu autoritätsgläubig, vor allem in kirchlicher Hinsicht. Wenn Lehrer oder Pfarrer etwas sagten, dann war es so. Sie erzogen uns in einem streng katholischen, etwas naiven Glauben, wobei ich naiv im ureigensten Sinn des Wortes ohne negativen Unterton meine. Dieses Katholisch-Sein durchdrang alle unsere Lebensbereiche, wobei ich sogleich anfügen muss, dass dies damals für mich das Natürlichste auf der Welt war und ich keineswegs darunter litt. So spielte sich zwangsweise ein gros­ser Teil meiner Primar- und Sekundarschulzeit im Rahmen unserer Pfarrei und deren Vereinen ab, und auch alle engeren Schulkollegen waren praktisch identisch mit Freunden aus diesem Pfarrei-Rahmen.
Mein Vater hatte bei der Stadtpolizei regelmässig Nachtdienst. Zu dessen Kompensation hatte er dann jeweils einen freien Tag. Diesen benutzte er jeweils nach dem Ausschlafen, um sein zweites grosses Hobby, seinen geliebten Schrebergarten zu hegen und zu pflegen, wobei ich ihm dabei von ganz klein auf immer helfen durfte. Wir besassen im nahen "Grossacker", das heisst auf damals einem riesigen Schrebergartenareal zwischen Birnbäumenstrasse, Grossackerstrasse und Falkensteinstrasse, den "unteren Garten" mit 100 m2 und den "oberen Garten" mit 150 m2 Anbaufläche. Auf beiden Arealen hatte mein Vater ein Gartenhaus gezimmert und als gelernter Spengler standesgemäss mit Blech eingekleidet. Jenes im oberen Garten war grösser und besass unter einer Rosenpergola einen Tisch mit Sitzbank, wo wir jeweils genüsslich Z'Nüni oder Z'Vieri assen. Hier verbrachten wir bei schönem Wetter auch oft die Sonntagnachmittage. Wir hatten Johannisbeeren, Himbeeren, Erdbeeren und Stachelbeeren und daneben noch einen grossen Holunderbaum, deren Früchte jeweils meine Mutter zu Konfitüren verarbeitete, sodass wir praktisch nie solche kaufen mussten. Daneben pflanzte mein Vater sehr erfolgreich alle gängigen Gemüse an, so dass wir auch hier fast Selbst­ver­sor­ger waren, was dann in den kommenden Kriegsjahren sehr wichtig wurde. Wir rückten jeweils mit dem Leiterwagen aus, nahmen kompostierbare Küchenabfälle mit, und brachten dann Früchte und frisches Gemüse wieder auf dem Leiterwagen nach Hause.
Diesen Leiterwagen benützte ich auch, um vor allem während den Kriegsjahren fleissig "Rossbollen" zu sammeln. Damit hatten wir für den Garten unseren eigenen Pferdemist. Es hatte damals praktisch noch fast keine Autos, während dem Krieg sowieso nicht: Die Milch brachten die Bauern am Morgen mit Ross und Wagen. Das meiste wurde damals noch mit Pferdefuhrwerken transportiert: Bier und Wein für die Restaurants, Kohle für die Heizungen, Paketpost, Nachschub für die Kolonialwarenläden usw. Mein Vater hatte mir aus einer Kiste einen Aufsatz für den Leiterwagen gezimmert, mit welchem ich dann nach der Schule durch die umliegenden Strassen zog und mit Schaufel und Besen die Pferdeäpfel einsammelte.
Neben all dem Nützlichen im Garten hatte mein Vater aber eine grosse Schwäche für Blumen aller Art, die er sehr liebevoll pflegte. Von jedem Gartenbesuch brachte er mindestens einen schönen Strauss Schnittblumen mit nach Hause. Die Blumen stellte nicht meine Mutter, sondern er selbst wie eine Floristin jeweils einzeln in eine passende Vase, und verschönerte damit das Wohnzimmer.
Bezüglich Gartenarbeit habe ich von meinem Vater sehr viel gelernt. Als wir 1964 dann unser Haus in Hombrechtikon kauften, schenkte mir mein Vater "als Erinnerung an eine glückliche, gemeinsame Gartenarbeit" (seine Formulierung) sein gesamtes Gartenwerkzeug, tadellos gereinigt und alle Metallteile frisch grün gestrichen! In meiner Erinnerung lebte ich in diesen Jahren zeitlich viel mehr im Garten als beim Spielen mit Freunden oder zuhause, was wahrscheinlich so nicht stimmt.
Eine spezielle Episode, die am Schluss dann auch mit dem Garten zusammenhängt, muss ich hier noch Folgendes erwähnen: Ich war wahrscheinlich etwa 4-5 Jahre alt und hatte durchgesetzt, dass wir eine junge Katze als Haustier anschafften. Mein Vater war eigentlich dagegen gewesen, denn eine Katze im 4. Stock eines Stadtmietshauses wäre nicht ideal. Als wir die Katze dann einige Wochen hatten und wir sie bereits sauber gebracht hatten, hatte ich beim Spielen mit der Katze die unselige Idee, ich müsste Coiffeur spielen. Ich holte eine Schere und schnitt der Katze die an Ober- und Unterlippe sowie über den Augen befindlichen langen Tast- bzw. Schnurrhaare ab, selbstverständlich ohne zu ahnen, dass ich damit der Katze den Tastsinn zerstört hatte. Die Katze begann sich dann sehr unmöglich und sonderbar zu verhalten, machte beispielsweise ihr Geschäft nur noch auf weiche Bettdecken und dergleichen, sodass man die Katze „abtun“ musste. Und hier war mein Vater wieder einmal knallhart in der Erziehung: Sie wurde nicht eingeschläfert. Da ich schuld war, dass man die Katze nicht länger behalten konnte, musste ich in einem Netzli die Katze im oberen Garten mit gestrecktem Arm nach aussen halten, und mein Vater erschoss sie mit seiner Dienstwaffe. Dann musste ich ein tiefes Grab schaufeln und die tote Katze begraben. Damit war das Thema Katze ein für alle Mal erledigt.

Wie oben bereits gesagt wohnten wir in St. Gallen St. Fiden an der Rorschacher-strasse 116 im 4. Stock. Unten im Haus waren einerseits das Geschäft von Café-Bäckerei-Konditorei Zimmermann mit den Backstuben im UG, sowie daneben der Damen und Herren Coiffeursalon Ruppmann untergebracht.

Wenn man bei uns zum Fenster hinaus schaute, sah man auf den "St. Fidler"-Hauptplatz hinunter: Linker Hand sahen wir schräg vis-à-vis das Restaurant Hirschen, das heute noch besteht. Rechter Hand Richtung Oststrasse stand der "Röseli-Brunnen", ein Relikt von der Landesausstellung 1914 in Bern, dahinter war das St. Fidler Schulhas zu sehen. Am Horizont dahinter sah man zwischen den Hügeln von Guggeien und Peter und Paul auf der deutschen Seite des Bodensees einen Teil von Friederichshafen.
Geradeaus hinter der Hirschenwiese, wo wir oft spielten, und wo im Sommer jeweils ein Zirkus seine offene Bühne aufbaute, sahen wir direkt an das ehemalige stolze Hirschen-Brauerei-Gebäude mit dem Wohnhaus des Besitzers (?) oder Geschäftsführers rechts davon. In meiner Jugendzeit waren in der ehemaligen Brauerei einerseits ein Textilunternehme namens DIXA eingemietet. Andrerseits war das Kantonale Strassenbau-Unternehmen untergebracht. Für uns Buben war es jeweils hoch interessant, wenn die riesigen, mit Briketts geheizten und wirklich noch mit Dampf betriebenen Dampfwalzen mit ihren Anhängern auf irgendeine Baustelle im Kanton ausrückten…
Vor der Hirschenwiese stand aber die praktisch einzige Benzintankstelle des Quartiers! ich erinnere mich gut daran, wie jeweils der Hirschenwirt Herr Christen oder ein Familienmitglied herauskam, wenn ein Auto vorgefahren war und geläutet hatte. Die Zapfsäule hatte eine Handpumpe und oben zwei grosse, durchsichtige Glasbehälter zu je 5 Liter Inhalt. Von Hand musste man nun zuerst den ersten Massbehälter vollpumpen und dann auf das andere Gefäss umschalten. Während nun die ersten 5 Liter langsam in den Autotank hinunterliefen, musste mit dem Pumpenhebel das andere Gefäss vollgepumpt werden, und so ging es weiter usw. Man konnte damals nur 5-literweise Benzin tanken! Wenn man sich vorstellt, wie locker das heute vonstattengeht!
Übrigens gab es hier während dem Weltkrieg überhaupt kein Benzin mehr. Die wenigen Autos, die noch fahren durften (Krankenwagen, Polizei, Arzt, Lastwagen etc.) tankten anderswo oder fuhren mit sog. Holzvergasern, so unmöglichen Kessel-Gebilden, hinten an den Autos montiert.

Primarschulzeit 1940-1946
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5.2.  Jugendjahre Hans Ruedi bis ETH Abschluss – Primarschulzeit 1940-1946.

5.2 Primarschulzeit 1940-1946

Eigentlich fing meine Schulzeit denkbar schlecht an, denn den ersten Schultag erlebte ich mit einem Bein im Gips: Ich hatte beim Skifahren am „Purebüchel“ das linke Bein gebrochen. Entschädigt wurde ich dann aber dafür mit einer in der Erinnerung unwahrscheinlich schönen, glücklichen, und wenn man die Kantonsschule sowie das Studium an der ETH auch noch mit einbezieht, auch sehr langen und erfolgreichen Schulzeit. Alles lief immer wie am Schnürchen: Ich liebte meine Lehrer, lernte, ohne mir allzu viel Mühe geben zu müssen, bestand alle Prüfungen auf Anhieb und musste nie provisorisch ins nächste Schuljahr befördert werden! Ehrlicherweise muss gesagt werden, dass oft auch etwas Glück dabei war!
Die erste bis dritte Klasse absolvierte ich im nahen Schulhaus St. Finden bei Fräulein Egger und Herrn Tagmann., Wie meine Schwestern Selin und Béatrice begann ich in der dritten Klasse beim Lehrer meiner Schwester Béatrice, Herrn Vogel, mit Klavier­stunden, was mir meistens viel Freude machte. Ich begann aber schon bald neben dem Pflichtüben für die Klavierstunde nach dem Gehör ohne Noten eigene Sachen zu spielen, vor allem Schlager und Jazz.

Ab der 4. Klasse ging ich im Schulhaus Buchental bei Lehre Paul Gmür zur Schule. Der Schulweg, meist zusammen mit meinen Freunden Josef Frank und Ettore Valsangiacomo, führte über die Oststrasse, wo unten Iso Fürer zu uns stiess, und die Helvetiastrasse zur Buchentalstrasse, und dort ostwärts am Schulhaus Krontal vorbei zu unserem Schulhaus Buchental. Es hätte dort einen wunderbaren Sportplatz gehabt, wo ich später mit Pfadi Hospiz auch Handball spielte. Aber der war während dem Krieg der "Anbauschlacht" zum Opfer gefallen. Dort wuchsen jetzt Kartoffeln und Gemüse...
Ich war in der Pfarrei St. Fiden relativ früh Ministrant geworden, entfloh dann aber der "Ellböglerei" und dem Gerangel um die jeweils besten Posten beim Hochamt in der Pfarrkirche, indem ich zusammen mit meinem Schulkollegen Edwin Mächler in der Kapelle des Spitalseelsorgers des nahen Kantonsspitals "Hofministrant" wurde. Für die Pflege der Patienten waren damals in vielen Spitälern noch Ordensschwestern verantwortlich. Das war für den Staat eine sehr günstige Lösung, wenn Menzinger-, oder wie in unserem Fall, Ingenbohler-Ordens-Schwestern, ohne Lohn, nur für ein "Vergellts Gott", die Patienten betreuten. In der Spitalkapelle wurde für sie jeden Tag vor Arbeitsbeginn um 05:45 Uhr die Messe gelesen. Das bedeutete für mich allerdings, 3-mal pro Woche um 5 Uhr aufzustehen und um 05:40 in der Spitalkapelle zu sein. Mein Kollege und ich teilten uns die Wochentage und abwechslungsweise den Sonntag. Dafür bekamen wir jeweils in einem Spital-Office von einer Schwester ein wunderbares Morgenessen mit 2 frischen Weggli, Butter und Konfitüre serviert, was es selbstverständlich während des 2. Weltkrieges zuhause nie gegeben hätte. Diesen Posten betreute ich bis in die 2. Sekundarklasse.
Ich wäre gerne zu den „richtigen“ Pfadfindern gegangen, gab dann aber dem Wunsch meiner Eltern nach und trat der in unserer Pfarrei eben neu gegründeten, katholischen Jugendorganisation „Jungwacht“ bei. Später wurde ich auch Mitglied in der Jungmannschaft, wo ich sehr gerne Theater spielte. In Jungwacht und Jungmann­schaft lernte ich unter den Gruppen- und Abteilungsführern Vorbilder kennen, denen ich nacheiferte, vor allem dem Scharführer Cecchi Rohrbach, aber auch Paul Büchel und Bruno Högg, welche damals bereits an der Kantonsschule zur Schule gingen und anschliessend studierten (Cecchi Rohrbach wurde als Spätberufener Pfarrer und sollte uns später trauen!).

Ab der 5. Klasse verdiente ich mir ein Sackgeld mit Kegel aufstellen in der Kegelbahn des Restaurant Hirschen vis-à-vis unserem Wohnhaus in St. Fiden, denn automatische Kegelbahnen gab es um 1944 praktisch noch keine. Damals hatte ich mit meinem Vater scheinbar auch schon ein erstes, politisches Gespräch über soziale Aspekte des Geldverdienens. Er, der immer Christlichsozial gewählt hatte, verstand meinen Ärger mit unserem Hungerlohn sehr gut. Später, während der Sekundarschule, bereits einer der grösseren von uns „Kegelbuben“, organisierte ich einen Streik, wobei mich mein Vater beriet. Ich war recht stolz auf diese erste Führungserfahrung, konnten wir doch durch den Streik eine Erhöhung des Stundenlohns um fast 50% durchsetzen.
Zwei Einzelheiten aus der 4. bis 6. Klasse sind mir noch geblieben:

Erstens, dass ich für meinen Lehrer Paul Gmür durchs Feuer gegangen wäre: So erzählte ich zuhause nie etwas von einem sog. „Hösi“, den ich fälschlicherweise anstatt eines meiner Kollegen erhalten hatte. Der Lehrer hatte die Ungerechtigkeit kurz nach der Strafe bemerkt, sich bei mir sogar entschuldigt, war dann aber anlässlich eines Schulbesuchs meiner Mutter äusserst erstaunt, dass ich ihr von dieser Ungeheuerlichkeit nichts erzählt hatte.

Zweitens hatte ich gemerkt, dass, wenn man etwas Dummes angestellt hatte, sich sofortiges Melden und Zugeben absolut auszahlten. Wenn Herr Gmür jeweils zur Türe herein kam und fragte: „Wer hat ein schlechtes Gewissen?“ so hob ich sofort die Hand, denn ich hatte ja eigentlich irgendetwas wegen fast immer ein schlechtes Gewissen. Wenn dann aber wirklich einmal etwas war, beispielsweise, als ich einmal mit einem Schneeball unglücklicherweise eine Fensterscheibe eingeworfen hatte, war das Eis dann bereits gebrochen.

Ich weiss nicht mehr genau in welchem Jahr, da hatte ich mich illusionslos für das schweizerische Jugendskilager angemeldet, und ich wurde prompt ausgelost. Hat man als Sonntagskind wirklich mehr Glück im Leben? Ich durfte eine Woche lang gratis Skilager-Leben in Andermatt geniessen, mit richtigen Skilehrern und wirklich in den Bergen.

Normalerweise bestand damals mein Skifahren in St. Gallen aus einem Aufstieg zu Fuss mit geschulterten Skis zum Scheitlinsbüchel oder zum Kapf, dort ein paar Mal auf und ab, und dann wieder nach Hause. Schön war, dass wir in St. Fiden mit den damaligen Schneeverhältnissen und während des Krieges (infolge Benzinmangels kein Autoverkehr) über die obere und untere Stricklerwiese bis vor die Haustüre skifahren konnten. An Sonntagen hingegen, dies allerdings erst um ca. 14:00 Uhr nach der Christenlehre in der Kirche, da gab es einen Batzen fürs Trogenerbähnli, und ich durfte zuerst mit meinen Schwestern, später dann auch allein mit meinen Kollegen entweder ins Birt, auf die hohe Buche oder gar auf den Gäbris zum Skifahren. Das bedeutete aber immer wieder zuerst zu Fuss einen langen Aufstieg für eine relativ kurze Abfahrt, und dies je für Gäbris, Buche, Birt und Kapf.

An einer Klassenzusammenkunft im hohen Alter von ca. 80 Jahren erzählte mir Margrit Graf, die ich zusammen mit Edgar Leimbacher in der 1. – 3. Klasse als Klassenbeste in Erinnerung hatte, dass sie und Edgar jeweils wütend und eifersüchtig gewesen wären, wenn ich meistens besser gewesen sei als sie beide. Das habe ich so überhaupt nicht in Erinnerung: Ich fand mich nur guten Durchschnitt. Auch später in der 4. – 6. Klasse fand ich mich selbst nicht etwa so gut, dass ich je an den Besuch der Kantonsschule, ganz zu schweigen an ein Studium gedacht hätte; Eltern und Lehrer sprachen ebenfalls nie davon...

Kriegsjahre 1939-1945
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5.3.  Jugendjahre Hans Ruedi bis ETH Abschluss – Kriegsjahre 1939-1945.

5.3 Kriegsjahre 1939-1945

Ab meinem 6. Lebensjahr sprach man am Familientisch oft über die Möglichkeit eines Krieges. Ich erinnere mich gut an die Radio-Nachrichten aus unserem Rediffusion-Radioapparat von jenem Morgen im Herbst 1939 (Es gab ja noch kein Fernsehen!), als Hitler in Polen einmarschierte. Mein Vater machte ein sehr ernstes Gesicht und sagte dann, jetzt gäbe es einen grossen Krieg. Wir waren zwar schon vor Kriegsbeginn sehr sparsam mit Lebensmitteln umgegangen, jetzt, zusammen mit der Rationierung, mussten wir Kinder die Teller aber noch viel besser "ausputzen"! Kein "Bisschen" durfte verschwendet werden. Vieles bekam man nur noch mit Rationierungsmarken, und es gab fleischlose Tage, an welchen in Metzgereien kein Fleisch verkauft und auch in Restaurants keine Fleischgerichte angeboten werden durften. Rationierungs-Marken wurden mit befreundeten Familien jeweils auch rege getauscht, da Vorlieben ja verschieden waren. Die Vorratshaltung war sowieso noch recht schwierig, denn es gab damals noch keine Kühlschränke in den Wohnungen. Speisen wurden in der "Speisekammer" aufbewahrt, allerdings nur während kurzer Zeit. Butter und Milchprodukte kühlte man im Sommer jeweils in einem Becken unter schwach laufendem Wasser.
Einmal anfangs der 40er Jahre konnten wir auf dem Schulweg einen Luftkampf zwischen einem gegen den Bodensee flüchtenden Deutschen Flugzeug und zwei dieses verfolgende, wild schiessende Schweizer Jagdflugzeuge mitverfolgen, was uns unheimlich Eindruck machte. Nachts war immer Verdunkelung. Dazu musste meine Mutter extra schwarze Vorhänge für Wohn- und Schlafzimmer sowie für Küche und WC nähen. Wenn es auf dem Schulweg Flieger-Alarm gab, hätten wir uns im Laufschritt in den Keller des Schulhauses begeben müssen, was wir natürlich nicht taten. Wir trafen uns bei Flieger-Alarm immer am gleichen Ort zum Fussball spielen, bis der End­alarm kam. Erst dann machten wir uns wieder auf den Schulweg.
Mir machte damals mächtig Eindruck, dass mein Lehrer Paul Gmür im Militärdienst Hauptmann war und in diesen Kriegsjahren oft monatelang im Aktivdienst war. Meistens kam als Aushilfe ein Herr Schönenberger, ein pensionierter Primarlehrer, der einen schlechten Atem hatte, hinkte, und den wir deshalb abschätzig "Humpus" nannten. Wir hatten ihn wirklich nicht gern und pöbelten deshalb bei ihm sehr oft. Dann gab er sofort für alles und jedes Tatzen. Dafür verwendete er anfänglich einen Stock aus Rosenholz, bei welchem er die Dornen entfernt hatte. Diesen Rosenstock sägte ich dann einmal alle ca.10 cm mit der Säge meines Sackmessers leicht an, so dass der Stock bei der nächsten Strafe in mehrere Stücke flog, was natürlich weitere Strafen nach sich zog. Der Rosenstock wurde dann durch ein grosses, kantiges Lineal ersetzt, was aber nicht weniger schmerzhaft war.
Später im Krieg flogen dann nachts Deutschland angreifende, alliierte Bomber fast immer über die Nordostschweiz, wobei anfänglich bei Fliegeralarm unsere ganze Familie in den Keller ging, später taten wir das dann nicht mehr. Im Gegenteil, wir sahen bei Fliegeralarm regelmässig zum Fenster hinaus, denn wir konnten von unserer Wohnung aus in St. Fiden den Bodensee mit Friedrichshafen am andern Ufer sehen. Und dieses Friedrichshafen sowie das noch etwas weiter entferntere Ravensburg besassen grössere Anlagen der Rüstungsindustrie, welche mit Bombenangriffen zerstört werden sollten. Und wenn nicht Krieg gewesen wäre, hätte man annehmen müssen, es handle sich jeweils um ein wunderbares Seenachtfest: Die Lichtkegel der Suchscheinwerfer, die von Aufklärern abgeworfenen Markierungslichter, die Flugbahnen der Leuchtspurmunition der Fliegerabwehr, die Explosionen am Boden sowie die vielen in Brand stehenden Gebäude wären ein gross­artiges Schauspiel gewesen, wenn deren Ursache nicht so tragisch gewesen wäre!
In der Kirche wurden jede Woche Bittgottesdienste abgehalten. Man bat um die Fürbitte des Bruder Klaus, der ja schon einmal die Schweiz vor Krieg bewahrt hatte, seinerzeit vor einem drohenden Bürgerkrieg. Ich erinnere mich dann aber auch noch an die Radio-Nachricht von der Kapitulation Deutschlands, also dem wiedergefundenen Frieden in Europa, und wie dann alle Glocken sämtlicher Kirchen der Stadt läuteten…

Sekundarschulzeit 1946-1949
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5.4.  Jugendjahre Hans Ruedi bis ETH Abschluss – Sekundarschulzeit 1946-1949.

5.4 Sekundarschulzeit 1946-1949

Schon relativ früh war für mich klar gewesen, dass ich Primarlehrer werden wollte. Die Aufnahmeprüfung an die Kantonsschule war in der 6. Klasse für mich überhaupt kein Thema, ein Studium schon gar nicht. Es machte mich auch niemand darauf aufmerksam, weder Lehrer, noch Eltern oder ältere Geschwister! Wieso weiss ich eigentlich nicht, denn von den Leistungen her hätte es sicher gereicht. Fürs Lehrerseminar Rorschach waren 3 Jahre Sekundarschule notwendig, also absolvierte ich im Winter 1946 mit Erfolg die Aufnahmeprüfung in die sogenannte „Flade“, die Katholische Kantonsrealschule, welche auch schon alle meine Schwestern besucht hatten.

Die Flade war im gleichen Gebäude wie die Stiftsbibliothek untergebracht, hinter der Kathedrale St. Gallen, in einem Flügel des ehemaligen Klosters. Hier lernte ich zum ersten Mal auch Freunde von ausserhalb des engeren Pfarrei-Rahmens kennen, aber alle waren sie immer noch sehr katholisch. Zwei Mal pro Woche begann der Unterricht mit einer Messe in der Kathedrale. Die Schule war sehr streng, und während den Stunden ging es ziemlich drillmässig zu und her. Ich denke, ich gehörte auch hier zum oberen Viertel der Klasse, und als mich mein Schulkollege Edwin Somm aus Waldkirch, der spätere BBC- und ABB-Chef, dann noch fragte, ob ich nicht auch an die Kantonsschule kommen wolle, reifte bei mir die Idee, mein Berufsziel vom Primar- zum Sekundarlehrer zu wechseln. Dazu musste ich aber zuerst die Kantonsschule und dann die Sekundarlehramtsschule besuchen, wofür ich das Einverständnis der Eltern erhielt. So bestanden schlussendlich Edwin Somm und ich als einzige von unserer 3. Sek-Klasse im Winter 1948 die Aufnahmeprüfung in die 1. Klasse der Oberrealschule der Kantonsschule St. Gallen.

Kantonsschulzeit 1949-1953
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5.5.  Jugendjahre Hans Ruedi bis ETH Abschluss – Kantonsschulzeit 1949-1953.

5.5 Kantonsschulzeit 1949-1953

Man hatte in dieser Zeit die „Technische Abteilung“ in „Oberrealschule“ umgetauft! Meinem Klassenkameraden Edwin Somm half ich, für die 4 ½ Jahre bis zur Matura im 3. Stock des Restaurant Hirschen, bei der Modistin Fräulein Neumeyer, ein Zimmer zu mieten. Mit ihm, dem späteren ABB-Chef, drückte ich dann fast 10 Jahre bis kurz vor dem ETH-Diplom die Schulbank.
An der Kantonsschule hatte ich dann endlich das erste Mal wirklich das Gefühl, den Duft der gros­sen weiten Welt zu spüren: Endlich hatte ich den engen Rahmen nicht nur der Pfarrei sondern auch jenen der gewohnten, katholischen Umgebung gesprengt. Ich fühlte ich mich sehr wohl in einer bunt zusammengewürfelten Klasse aus allen Teilen des Kantons (damals noch die einzige St. Gallische Kantonsschule) und mit Kollegen unterschiedlichster Religionen: Neben ein paar Katholiken hatten wir vor allem Protestanten, einen Christkatholiken, einen Juden und zwei Atheisten.

Im schulischen Bereich bekam ich von den Professoren viele Vorschusslorbeeren, da mein um 4 Jahre älterer und sehr vielseitig begabter Cousin Hans­jörg Gadient mir vorangegangen war und schon während meines ersten Schuljahres die Maturaprüfung bestand. Nach ihm habe ich wahrscheinlich viele der Professoren mit meinen oftmals nur durchschnittlichen Leistungen enttäuscht. Es hat mir aber immer zu meinem erklärten Ziel gereicht, nie einen Warn-Brief der Schule nach Hause zu bekommen oder provisorisch promoviert zu werden. Damit konnte ich zuhause jede Diskussion um meine schulischen Leistungen vermeiden.

In meiner Erinnerung ist es wirklich eine unwahrscheinlich gute, glückliche und unbeschwerte Kantonsschulzeit, mit jetzt über 80 Jahren rückblickend vielleicht die unbeschwerteste Zeit des ganzen Lebens. Dies höchstwahrscheinlich nicht wegen der Schule, sondern vor allem deshalb, weil ich daneben unwahrscheinlich viele Aktivitäten laufen hatte. Dies wurde mir beim Schreiben dieser Zeilen wieder richtig bewusst, denn, oft schmunzelnd, musste ich immer wieder etwas hinzufügen, ohne welches diese Biografie einfach unvollständig wäre:

Ferien in Valens: In fast allen Ferien fuhr ich, meistens per Velo, zu meiner Schwester Dorli und meinem Schwa­ger Albert, Rupp, welche in Valens im Taminatal einen Bergbauernhof bewirtschafteten. Dorli hatte immer Bäuerin werden wollen und dementsprechend auch die "Landwirtschaftliche Schule Kusterhof" in Rheineck besucht. Sie hatte dann als erste meiner Schwestern nach Valens geheiratet. Nacheinander kamen Hannes, Doris und Andreas zur Welt, die ich dann oftmals hütete, wenn Dorli und Albert draussen arbeiteten. Es sind wunderschöne Erinnerungen, die mir davon geblieben sind:Wohnen und Heuen im Maiensäss,

  • Wohnen und Heuen im Maiensäss
  • Tage zusammen mit dem Valenser „Geissenpeter“ Ludwig Hobi (dem späteren erfolgreichen Waffen- und Langläufer) und der Ziegenherde, morgens im Eilzugstempo auf die Alp und abends dann wieder heim,
  • einige Tage auf Alp Laasa mit einsamen, morgendlichen Bergtouren auf den Piz Sol und die umliegenden Gipfel,
  • mein Schwager Albert, der jeweils Maulwürfe mit der Schrotflinte erlegte (Albert war ein erfolgreicher Matchschütze),
  • erste Schiessversuche auf 300m mit den Valenser Jungschützen,
  • der kleine Andreas, wie er seine grossen Geschwister mit einem Stecken ums Haus hetzte,
  • im Winter die grosse Sprungschanze hinter dem Haus mit dem viel zu kurzen Auslauf usw.

Modellflugzeugbau: Da mich die Fliegerei sehr interessierte, begann ich ab Frühjahr 1949 in der Modellfluggrup­pe St. Gallen des Aero Clubs der Schweiz sehr aktiv mitzumachen. Nach einigen Segelflugzeugen aus Baukasten realisierte ich eine Reihe von Eigenkonstruktionen. Hier konnte ich Darstellende Geometrie, Konstruieren und Technisches Zeichnen eins zu eins anwenden und üben. Ich beschäftigte mich am Schluss aber praktisch nur noch mit Kreisflugmodellen mit Glow-Plug-Motoren. Höhepunkt dabei war eine Vorführung an einem Flugmeeting in Altenrhein vor einer riesigen Zuschauerkulisse. Das sehr fotogene Modell stürzte allerdings während der Vorführung ab, wurde komplett zerstört und ich trug die Trümmer in einem Plastiksack nach Hause: Dies infolge einer vergessenen Verlötung einer Schraubenmutter am Steuerbalken, also ein Flüchtigkeitsfehler in meiner Arbeit. Dies war eine erste Lektion zum Thema „Flugsicherheit“, die ich später zivil und militärisch noch besser kennen lernen sollte.

Segelflug-Brevet: Junge Leute konnten im militärischen Vorunterricht neben dem Funken auch praktisch gratis das Fliegen erlernen. Schnell entschlossen meldete ich mich an, bestand alle fliegerärztlichen und psychologischen Prüfungen im FAI (Fliegerärztliches Institut) und erwarb mit 18 Jahren in den Sommerferien in Frauenfeld das Segelflugbrevet. Gleichzeitig zum Fliegen lernten wir in unserer Unterkunft und Verpflegung bei der Artillerie-Rekrutenschule in der Kaserne Frauenfeld militärischen Betrieb kennen und auf dem Flugplatz gerade auch noch Autofahren (Mehr dazu im Abschnitt „Militär“).

Studentenverbindung KTV: Als die Zeit kam, sich für eine Verbindung zu entscheiden (In St. Gallen hat es heute noch Mittelschulverbindungen!), und zwar erstens, ob überhaupt und zweitens, wenn ja, in welche, war eines für mich klar: Ich wollte nicht in die katholische Corona, obwohl gute Kollegen von mir wie Edwin Somm v/o Freddo, Paul Grünenfelder v/o Gnüssli und Bruno Wick v/o Humpe dort eintraten. Meine besten Kollegen und Klassenkameraden, die nicht der Corona beitraten, teilten sich mit Kurt Eggenberger v/o Gaz und Heini Schwendener v/o Blitz auf die Minerva und mit Peter Pfister v/o Bebop und Walter Rohner v/o Citro auf den Kantonsschüler-Turn­ve­rein KTV auf. Obwohl ich nur ein mässiger Turner, aber leidlich guter Leichtathlet war, wählte ich schlussendlich den KTV. Im Nicht-Turnerischen Teil der Verbindungs-Aktivitäten erwies ich mich schon in der Spefuxenzeit aber als wesentlich stärker und bekannte mich schon damals zu einer sehr klaren, eigenen Meinung und setzte mich jeweils auch engagiert dafür ein. Dies trug mir (1951 war Stalins grosse Zeit nach dem Krieg) prompt den Vulgo „Veto“ ein. Nach der Fuxenzeit nahmen wir von unserer Klasse die Geschicke der Aktivitas energisch in die Hand: Citro wurde Präsident, ich Fuxmajor und Bebop Quästor. Und richtig geturnt wurde unter unserem Kommando nur noch das Minimum für die Turnfeste, sehr zum Ärger der Altherren-Kommission. Andrerseits aber spielten wir Tennis, wir lernten Fechten, spielten mit einer, durch jüngere Altherren verstärkten Handballmannschaft in der 3. Liga und hatten eine ausgesprochen harmonische und glückliche Aktivzeit. Diese erste Führungserfahrung als Fuxmajor mit einem Stall aufmüpfiger, intelligenter Fuxen tat mir sehr gut, denn ich musste ein erstes Mal lernen, mich durchzusetzen. Die Erkenntnis, dass durch Überzeugen wesentlich besser geführt werden kann als durch Amt und Würde, war für mein späteres Leben äusserst wichtig.

Tennis und Velorennen: Neben dem KTV gab es aber noch weitere sportliche Aktivitäten. So lernten wir fast Autodidakt auf dem privaten Hartplatz von Bebop Tennis spielen, und zwar Sommer und Winter. Bedingung war, es musste trocken sein. Ferner waren unsere Kantonsschuljahre auch die goldenen Zeiten von Kübler und Koblet, denen wir auf unseren normalen Tourenvelos fanatisch nacheiferten. In Zwischenstunden oder an schulfreien Nachmittagen fuhren wir „rasch“ Velorennen St. Gallen –Trogen – Ruppen –Altstätten – Stoss –Teufen – St. Gallen – oder dann die grosse Tour St. Gallen – Stoss – Altstätten – Sargans – Walenstadt – Kerenzenberg – Uznach – Ricken – Wattwil – Wasserfluh – Herisau – St. Gallen. Bebop war im Sprint fast unschlagbar, ich dafür im Bergpreis, denn ich hatte schon damals eine lange Puste und war damit in Ausdauersportarten besonders erfolgreich.

Jazz-Band: Neben der Fliegerei und der Studentenverbindung hatte ich meine Liebe zur Musik entdeckt. Neben dem, was ich immer für die Klavierstunde zu üben hatte, lagen meine Sympathien aber auch bei der Unterhaltungsmusik und vor allem beim Jazz. Ich versuchte mich darin ohne Noten und nur nach dem Gehör. Auf Initiative von Bebop gründeten wir eine New-Orleans-Jazz Band, die „Black Bottom Stompers“ als Hot-Five. Als wir jemanden fanden, der viel besser Klavier spielte als ich, lernte mich mein Vater die Bass-Tuba spielen. Er war damals Es-Bassist und bereits Ehrenmitglied der Polizeimusik der Stadt St. Gallen. Wahrscheinlich war es eine der ganz grossen Enttäuschungen, die ich meinem Vater zufügte, als ich ihm schlussendlich sagte, dass ich nicht in eine Blasmusik eintreten sondern in einer Jazzband spielen wollte. Das war für ihn doch nur „Negermusik“, und die musste er am Radio doch schon immer meinen Schwestern abstellen. Höhepunkte einer kurzen, aber intensiven Musikerkarriere waren neben diversen „Nuits de Jazz“ in St. Gallen, Wil, Arbon und Rorschach, das Aufspielen zum Tanz an einem infolge schlechten Wetters abgebrochenen St. Galler Kinderfests zuerst In der Aula der Kantonsschule, dann am Abend an der Töchterschule Talhof, sowie unser "geheimer" Auftritt am Zürcher Jazzfestival 1953 im Kino Urban, ausgerechnet am Abend vor unserer Physikmatura. Zum Glück hatte niemand von den Eltern Wind davon bekommen, denn wir waren doch quasi alle bei einem anderen Kollegen für die Matura am Lernen. Am Schluss lief aber alles gut ab, und wir konnten auch unsere Eltern orientieren, denn alle kamen ja durch!

Um hier nochmals ein Beispiel für die relativ harten Erziehungsmethoden meines Vaters aufzuführen hier noch ein prägendes Ereignis: Ich hatte durch Vermittlung von Alfred Christen in Engelberg für die Mitglieder unserer Band in der Sportwoche zum Skifahren eine Lokalität mieten können. Hier wollten wir Üben und Skifahren. Es kostete pro Person 150 Franken, die mir mein Vater dafür etwa zwei Wochen im Voraus gab. Nun war aber vor der Abreise noch die Fastnachtzeit. Und da ich wahrscheinlich jetzt zum ersten Mal etwas reich war, beschloss ich, das erste-Mal mit Kollegen an einen Maskenball zu gehen und verbrauchte rund die Hälfte des Geldes, das ich für das Lager erhalten hatte. Als ich dies meinem Vater beichtete und ihn nochmals um etwas Geld bat, meinte er, das wäre nun mein Problem, wenn ich kein Geld mehr hätte. Ohne Geld könne ich jetzt halt nicht ins Lager nach Engelberg gehen. Fertig- Schluss! Ich musste also die Administration etc. einem Kollegen übergeben und blieb klein und hässlich zuhause, während meine Kollegen in Engelberg eine wunderbare Woche erlebten. Das war mir ein Lehrstück! Heute würde man wahrscheinlich das fehlende Geld irgendwo borgen; aber damals kam das überhaupt nicht in Frage.

OLMA: In den Herbstferien arbeiteten die meisten Kantonsschüler an der OLMA, die einen als Securitas, andere an Messe-Ständen. Ich war durch Vermittlung meines Vaters immer an der Kasse: Da hatte man zwar eine grosse Verantwortung, arbeitete aber am wenigsten lang und verdiente erst noch am meisten.

Werkstattarbeit: Meine Schwester Lisbeth hatte eine ganz gute Freundin. Ein Bruder von ihr, Jörg Kopp war ein begnadeter Maschineningenieur und Konstrukteur bei SIG für Verpackungsmaschinen und kannte Prof. Dr. Bangeter, den Chef der damals sehr berühmten Augenklinik am Kantonsspital St. Gallen. Dieser hatte Ideen für Apparate, mit welchen er in seiner Seh-Schule die Augen der Patienten trainieren wollte. Mit diesen Ideen fabrizierte Jörg in einem Wek­statt­keller ihres Wohnhauses an der Greithstrasse übers Wochenende Prototypen und verfeinerte diese bis zur vollsten Zufriedenheit des Professors. Diese Apparate wurden in der Seh-Schule von Spezialisten aus aller Welt gesehen, für eine allfällige Beschaffung wies Prof. Bangeter Interessenten jeweils an Jörg Kopp. Während meiner Kanti-Zeit ergab es sich, dass ich mit Jörg über die Anfertigung dieser Apparate sprach, und er freute sich über mein Interesse, ihm bei dieser Werkstattarbeit zu helfen. Er zahlte mir für meine Mitarbeit einen Stunden­lohn, womit ich mein spärliches Sackgeld aufbessern konnte. Wenn Bestellungen hereinkamen, fertigten wir diese zuerst gemäss Bestellungseingang an. Später (ich arbeitete fast bis zu meinem Studienabschluss von Freitagabend früh bis Samstagabend spät mit Jörg zusammen) legten wir 5er und dann sogar 10er Serien auf, perfektionierten Werkzeuge und Material und rationalisierten die Herstellung bestmöglich. Bei Jörg lernte ich für meinen späteren Beruf unheimlich viel in praktischer Arbeit. Es war fast etwas wie eine Lehre als Mechaniker. Wir hatten aber neben dieser „beruflichen“ Zusammenarbeit auch unwahrscheinlich schöne gemeinsame Stunden, nicht nur in der Werkstatt, sondern vor allem, wenn wir im Winter und bis spät in den Frühling hinein jeweils am Sonntag zusammen Skifahren gingen. Eigentlich schade, dass sich diese Freundschaft später verlor.

England-Fahrt: Ein Jahr vor der normalen Maturaprüfung fand jeweils die Englischmatura statt. Mit den vier Klassenkameraden Freddo, Humpe, Gnüssli und Arno Bollhalder v/o Schmacht von einer Parallelklasse überzeugten wir unsere Eltern, dass wir in den Sommerferien nach England fahren mussten, wenn wir die Englisch-Matura bestehen wollten. Diese uns allen unvergessliche Reise fand im Sommer 1952 statt, und es besteht darüber ein 1952 von mir verfasster und 2002 zum 50 Jahr Jubiläum auf dem PC abgeschriebener Bericht. (Siehe separates Kapitel).

Freundinnen: Und dann kamen natürlich zu diesen Aktivitäten noch alle meine Freundinnen dazu! Ich verliebte mich während der Kantonsschulzeit sehr oft und immer wieder heftig, ein paar wenige erhalten gebliebene Tagebuchseiten dokumentieren dies! Ohne die kurzfristigeren Ballbekanntschaften zu berücksichtigen, war ich jeweils für längere Zeit furchtbar verliebt in (in chronologischer Reihenfolge) Esther Widmer, Nelly Eschmann, Pinky Stieger, Ursula Scheffold (die spätere Gemahlin von Alfred Christen v/o Hagen) und Lea Schmalz. Daneben verehrte ich seit ihrem Auftauchen an der Kanti abgöttisch Nixli Meyer. Ich tat meines Erachtens alles, um mich auf sie aufmerksam zu machen, nur merkte sie meine Leidenschaft für sie nicht. Sie heiratete schlussendlich meinen Freund, Klassen- und späteren RS - Rotten­kameraden Kurt Eggenberger v/o Gaz.

Meine Professoren: Was gibt es hier noch zu meinen Professoren zu sagen? Zuerst erinnere ich mich an jene, die mir bleibend positiv in Erinnerung blieben. Besonders schätzte ich Prof. Schmidli mit Übername Samuel, was sein richtiger Vorname war. Er gab Geometrie, Darstellende Geometrie und Feldvermessung. Den Grund für diese Wertschätzung war vor allem, dass er meine Lieblingsfächer gab, aber auch der klare Aufbau seiner Lektionen, die gute Darstellung an der Tafel und seine faire und gerechte Notengebung. Nach den Feldvermessungsübungen in der freien Natur gingen wir mit ihm jeweils noch ein Bier trinken. Heute noch zeugt davon sein handschriftlicher Eintrag in meinem Kantusprügel: „Es wär' gar zu grausig das Feldmessen, gäb's am Schluss nicht noch was zu fressen“...  Nahezu gleich gern hatte ich Prof. Luginbühl mit Über­namen „Schugger“. Wieso er so hiess, weiss ich nicht. Bei ihm hatten wir ab der dritten Klasse Deutsch und Geschichte (nach der Katastrophe während der ersten zwei Jahre mit Prof. „Schegg“ Scherrer). Diese Lektionen waren immer sehr interessant und kurzweilig. Weiter erinnere ich mich gern an Prof. „Ätti“ Enz für Chemie. Er nahm in der letzten Stunde vor den Ferien jeweils sein Schwyzerörgeli mit und dann sang man Lieder, als erstes immer „Dr Ätti isch i d‘ Gülle gfalle... ! Dann aber auch an Prof. „Allah“ Aulich für Biologie und Zoologie. Bei ihm mussten wir mit dem Linné immer Pflanzen bestimmen, und wir machten praktisch jedes Semester eine Exkursion. Auch Prof. „Monti“ Montandon liebte ich sehr. Etwa drei Jahre lang kam er ins Zimmer und begann die Lektion noch unter der Türe mit der Frage: „Gadient, spécialiste du genre frainçais, übersetzen Sie die kostliche Frucht“! Und monatelang, dreimal pro Woche sagte ich immer korrekt „Le fruit déliçieux“, aber ich weiss nicht, ob mich jeweils der Teufel ritt, aber zwischendurch sagte ich immer wieder einmal „La fruit déliçieuse“, worauf Montandon grinste und die ganze Klasse grölte! Dann liebten wir unseren jungen Englischlehrer Prof. Dr. Wyler, der bei uns seine erste Stelle antrat und gar keinen Übernamen hatte. Und last but not least war da noch Prof. CH. A. Egli, der Zeichnungslehrer und Kunstmaler, genannt „Peking“, weil er ausgiebig China bereist hatte. So wie man bei „Ätti“ jeweils sang, so erzählte Peking in der letzten Stunde vor den Ferien jeweils Geschichten, wobei er darauf aus war, uns möglichst einen Bären aufzubinden, so wie er einmal behauptete, dass Appenzeller und Tibetaner sich gegenseitig verstehen würden, deshalb sei auch der Übername „Tibitäbi“ für die Appenzeller entstanden. Als viel später in einer Deutschstunde jemand dies erwähnte, lachte Prof. Luginbühl laut auf und fragte sofort, ob wir dies von Peking gehört hätten! Weniger gern hatte ich Prof. „Tschipp“ Kopp, den Vater von Jörg Kopp, mit dem ich an Wochenenden arbeitete, sowie Prof. „Dölf“ Widmer, den Abteilungsvorstand. Herr Professor Kopp war wahnsinnig streng und hatte etwas gegen Schüler in Studentenverbindungen. Er machte seine Prüfungen deshalb ausschliesslich am Samstagvormittag, da alle Sitzungen der Verbindungen am Freitagabend stattfanden. Auch als wir mit Aschkenasy einen orthodoxen, jüdischen Mitschüler hatten, der an Samstagen ja nicht schreiben durfte, wurden die Prüfungen trotzdem samstags durchgeführt. Aschkenasy musste dem Physik-Laboranten, Herrn Schönenberger, jeweils seine Lösungen diktieren. Prof. "Dölf" Widmer war Abteilungsvorstand der Oberrealschule und gab Mathematik. Er war meines Erachtens unser schlechtester Lehrer: Er war zwar nach etwa 30 Jahren Mathematiklektionen sehr routiniert, kam aber in jede Stunde unvorbereitet und erst noch bis zu 20 Minuten zu spät, weil er in seinem Abteilungsbüro Papierkram verrichtete. Eigenartigerweise hatte ich auch bei diesen zwei Professoren auch immer die schlechtesten Noten. Prof "Allah" Aulich war unser Biologieleher. In Erinnerung ist das Bestimmen von Pflanzen mit dem "Binz" und die Exkursionen in den Alpstein geblieben.

Während der Kantonsschulzeit besass ich mit der abschliessenden Maturaprüfung vom Herbst 1953 einen klar erkennbaren, schützenden Horizont, durch welchen diese Gymnasialzeit sauber abgegrenzt war. Was danach als das sogenannte weitere Leben kommen sollte, hatte ich bis kurz vor der Matura absolut verdrängt, oder mindestens nur sehr verschwommen wahrgenommen. Als angehender Maturand nahm man mir nun plötzlich dieses Brett vor dem Kopf weg, und ich musste mich mit dem „Wie weiter?“ beschäftigen. Ein Entscheid musste gefällt werden, was mich in einen echten Entscheidungsnotstand brachte: Eigentlich hätte ich jetzt nur noch zwei Jahre an der Sekundarlehramtsschule des Kantons St. Gallen bleiben müssen, um das Sekundarlehrerdiplom zu erhalten. Da ich weiterhin hätte zuhause wohnen können, wäre meine Ausbildung mit den entsprechend niedrigen Kosten gleichzeitig mit der kommenden Pensionierung meines Vaters abgeschlossen worden.
Nun meldeten sich aber praktisch alle meine guten Klassenkameraden für ein Studium an die ETH an: Als Maschineningenieure Jürg Anderegg, Sutt Boesch, Gaz Eggenberger, Hansjürg Knaus,  Blitz Schwendener und Freddo Somm; als Architekten Citro Rohner, Bebop Pfister und Pfau Meyer; als Bau Ing. Gnüssli Grünenfelder und Humpe Wick. Nun hatte ich plötzlich das starke Gefühl, dass ich mit meinen Fähigkeiten, Erfahrungen (Werkstatt Jörg Kopp!) und Zukunftsplänen eigentlich als zukünftiger Maschineningenieur mindestens so gut an die ETH gehören würde wie meine Kollegen und weniger in eine Schulstube.

Ich hatte plötzlich den klaren Wunsch, an der ETH zu studieren. Als ich mit meinem Vater offen darüber sprach, hatte er ernste finanzielle Bedenken, da er in zwei Jahren mit der Pension wesentlich weniger verdienen würde als vorher. Als aber meine vier berufstätigen, älteren Schwestern ihm versprachen, nach ihren Möglichkeiten mitzuhelfen, mein Studium zu finanzieren, war er schlussendlich einverstanden, aber nur unter der Bedingung, dass ich keine Stipendien beantragen dürfe, denn das war für ihn „armengenössig“! Das versprach ich ihm nie so genau, aber ich durfte mich also an der Abteilung IIIA der ETH einschreiben, voller Erwartung, in welche vertieften Ausbildungen mich dieses Studium führen sollte.

Werkstatt-Praktikum, ETH Studium 1953-1958
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5.6.  Jugendjahre Hans Ruedi bis ETH Abschluss – Werkstatt-Praktikum, ETH Studium 1953-1958.

5.6 Werkstatt-Praktikum, ETH-Studium 1953-1958

Als ich mit meinem Vater offen darüber sprach, studieren zu wollen, hatte er ernste finanzielle Bedenken, da er in zwei Jahren mit der Pension wesentlich weniger verdienen würde als vorher. Als aber meine vier berufstätigen, älteren Schwestern ihm versprachen, nach ihren Möglichkeiten mitzuhelfen, mein Studium zu finanzieren, war er schlussendlich einverstanden, aber nur unter der Bedingung, dass ich keine Stipendien beantragen dürfe, denn das war für ihn „armengenössig“! Das versprach ich ihm nie so genau, aber ich durfte mich also an der Abteilung IIIA der ETH einschreiben, voller Erwartung, in welche vertieften Ausbildungen mich dieses Studium führen sollte.

Gleichzeitig zum Anmelden an der ETH musste ich einen kostengünstigen Praktikumsplatz suchen. Damals musste man einer Firma noch einen monatlichen Beitrag zahlen, wenn man dort das für Maschineningenieure obligatorische Praktikum absolvieren wollte. In der Maschinenfabrik Kellenberger in St. Gallen-Heiligkreuz, gleich neben dem Sportplatz Espenmoos, lernte ich dann bohren, maschinenschlossern, drehen, fräsen usw., wobei mir mein oben erwähntes Praktikum bei Jörg Kopp sehr zustatten kam. Man war dort schnell auch ausserordentlich zufrieden mit mir, gab mir mein einbezahltes Geld wieder zurück und fragte, ob ich nach der Rekrutenschule nicht nochmals ein paar Monate kommen wolle, was ich nicht versprechen wollte, da ich ja nach der RS in die Pilotenschule wollte. Ich wusste damals noch nicht, dass ich sehr bald wieder zurück sein würde…

Im Januar 1954 rückte ich mit vier meiner ehemaligen Klassenkameraden und neuen Studienkollegen in die Fliegerrekrutenschule in Payerne ein. Wir alle waren auch Pilotenanwärter, wobei ich mit meinem bereits erworbenen Segelflugbrevet scheinbar die besten Karten hatte. Mit dem Fluggeld, welches Piloten als Entschädigung, für die viel öfteren und längeren Dienstzeiten bekamen, konnten Studenten sorgenfrei das Studium finanzieren, was mich natürlich besonders reizte. Die ersten 12 Wochen RS mit sportlichen, psychologischen und fliegerärztlichen Prüfungen wurden problemlos und ohne seelischen Schaden überstanden. Anstatt in die Verlegung durfte ich in der 13. Woche in die Vorschulungsperiode VSP auf den Militärflugplatz in der Magadinoebene einrücken. Hier beleidigte ich meinen Fluglehrer überheblich, anmassend und absolut unverständlich. (Details in der militärischen Laufbahn!) Nach 2/3 des Kurses wurde ich als Pilotenanwärter ausgemustert und mit einem Transportgutschein zurück zur Kompanie in die Verlegung nach Alpnach geschickt. Ich schlitterte damit zum ersten Mal in eine ernstere, persönliche Krise. Es war ein kleiner Trost, dass ausser Gaz Eggenberger und Jürg Anderegg nach mir auch alle anderen St. Galler nicht bestanden. Rückblickend prägte dieser Vorfall wahrscheinlich mein Leben grundlegend.

Die persönliche Krise manifestierte sich auch darin, dass ich mich gegen die Weiterausbildung vehement zur Wehr setzte, ja praktisch Obstruktion machte. Das war aber nicht ganz einfach, da der Unteroffiziers-Vorschlag für die Piloten-VSP Voraussetzung gewesen war. So schob ich diese UO wenigstens um ein Jahr hinaus. Und da ich nicht in die Unteroffiziersschule einrückte, konnte ich glücklicherweise nach meiner Rückkehr aus der RS wieder in der Maschinenfabrik Kellenberger mein Praktikum fortsetzen, dieses Mal sogar mit einem Lehrlingslohn, und ich durfte in der Reparaturwerkstatt der Fabrik bei der Revision von Werkzeugmaschinen mithelfen, lernte Ersatzteile schmieden und Stahlwellen härten. Dies gab mir einen hervorragenden Einblick in die Funktion von Werkzeugmaschinen. Ich liebte meine Arbeit und lernte dabei wieder sehr viel.

Im Herbst war es dann soweit: Start ins erste Semester an der ETH. Kost und Logis hatte ich bei meiner Schwester Selin und ihrem 20 Jahre älteren Mann Fritz in Erlenbach. Meine Eltern mussten dafür "nur" einen äusserst günstigen Spezialpreis bezahlen. Oftmals beneidete ich zwar meine Kollegen, die in Zürich ein Zimmer hatten, da ich durch das Wohnen bei meiner Schwester selbstverständlich weiterhin voll unter Kontrolle der Familie blieb, ähnlich wie früher zuhause. Wir hatten es andrerseits aber auch unwahrscheinlich schön und gut miteinander, lachten viel, und mein Schwager Fritz war mir immer ein hervorragender Gesprächspartner und oftmals ein echter Vater-Ersatz.

Im ersten Semester sprach Prof. Bickel einmal von Stipendien aus einem Châtelaine-Fonds, den man nicht zurückzahlen musste. Bedingung dafür war, dass die Professoren den Studenten wie in der Mittelschule mit Noten bewerten mussten. Für die Abgabe von Stipendien war ein Durchschnitt von 4 ½ notwendig. Ich meldete mich an, ohne jemandem etwas zu sagen. Der einzige Nachteil war, dass ich zu Beginn jedes Semesters eine Tour bei den Professoren machen, mich vorstellen und die Taxation verlangen musste. So erhielt ich aber ab dem dritten Semester einen namhaften Zustupf für Bücher und Lehrmaterial sowie Studiengeld- und Laborgebührenerlass. Als mein Vater es erst viel später erfuhr, wurde er immer noch wütend. Ich lachte ihn jedoch aus und meinte, es gäbe Schlimmeres.

Nach der Matura löste sich unsere Drittliga KTVer Handballmannschaft zwangsweise auf, da die meisten nicht mehr in St. Gallen wohnten. Nach einer Feld-Saison bei Fides und einer Hallen-Saison beim Stadtturnverein trat ich nach einem langen Gespräch mit Jack Brunnschweiler, der parallel zu mir die Handelsabteilung der Kantonsschule besucht hatte, der Handballsektion von Pfader Hospiz bei. Bis zu meiner Hochzeit spielte ich dort im Sommer Feldhandball in der ersten Liga, im Winter Hallenhandball in der Nationalliga B, Sommer und Winter immer um den Aufstieg in die oberste Liga kämpfend. Es hat aber leider nie ganz gereicht. Aus dieser Handballzeit stammen verschiedene lebenslange Freundschaften, wie jene mit Krapf Fröhlich, Baug Heer, Pedal Stump und vielen anderen. Hier erst bahnte sich auch die tiefe Freundschaft mit Jack Brunn­schweiler an, die dann aber ein Leben lang halten sollte, später auch unsere Frauen und Kinder einbeziehend.

5.6 Werkstatt-Praktikum, ETH-Studium 1953-1958

Als ich mit meinem Vater offen darüber sprach, studieren zu wollen, hatte er ernste finanzielle Bedenken, da er in zwei Jahren mit der Pension wesentlich weniger verdienen würde als vorher. Als aber meine vier berufstätigen, älteren Schwestern ihm versprachen, nach ihren Möglichkeiten mitzuhelfen, mein Studium zu finanzieren, war er schlussendlich einverstanden, aber nur unter der Bedingung, dass ich keine Stipendien beantragen dürfe, denn das war für ihn „armengenössig“! Das versprach ich ihm nie so genau, aber ich durfte mich also an der Abteilung IIIA der ETH einschreiben, voller Erwartung, in welche vertieften Ausbildungen mich dieses Studium führen sollte.

Gleichzeitig zum Anmelden an der ETH musste ich einen kostengünstigen Praktikumsplatz suchen. Damals musste man einer Firma noch einen monatlichen Beitrag zahlen, wenn man dort das für Maschineningenieure obligatorische Praktikum absolvieren wollte. In der Maschinenfabrik Kellenberger in St. Gallen-Heiligkreuz, gleich neben dem Sportplatz Espenmoos, lernte ich dann bohren, maschinenschlossern, drehen, fräsen usw., wobei mir mein oben erwähntes Praktikum bei Jörg Kopp sehr zustatten kam. Man war dort schnell auch ausserordentlich zufrieden mit mir, gab mir mein einbezahltes Geld wieder zurück und fragte, ob ich nach der Rekrutenschule nicht nochmals ein paar Monate kommen wolle, was ich nicht versprechen wollte, da ich ja nach der RS in die Pilotenschule wollte. Ich wusste damals noch nicht, dass ich sehr bald wieder zurück sein würde…

Im Januar 1954 rückte ich mit vier meiner ehemaligen Klassenkameraden und neuen Studienkollegen in die Fliegerrekrutenschule in Payerne ein. Wir alle waren auch Pilotenanwärter, wobei ich mit meinem bereits erworbenen Segelflugbrevet scheinbar die besten Karten hatte. Mit dem Fluggeld, welches Piloten als Entschädigung, für die viel öfteren und längeren Dienstzeiten bekamen, konnten Studenten sorgenfrei das Studium finanzieren, was mich natürlich besonders reizte. Die ersten 12 Wochen RS mit sportlichen, psychologischen und fliegerärztlichen Prüfungen wurden problemlos und ohne seelischen Schaden überstanden. Anstatt in die Verlegung durfte ich in der 13. Woche in die Vorschulungsperiode VSP auf den Militärflugplatz in der Magadinoebene einrücken. Hier beleidigte ich meinen Fluglehrer überheblich, anmassend und absolut unverständlich. (Details in der militärischen Laufbahn!) Nach 2/3 des Kurses wurde ich als Pilotenanwärter ausgemustert und mit einem Transportgutschein zurück zur Kompanie in die Verlegung nach Alpnach geschickt. Ich schlitterte damit zum ersten Mal in eine ernstere, persönliche Krise. Es war ein kleiner Trost, dass ausser Gaz Eggenberger und Jürg Anderegg nach mir auch alle anderen St. Galler nicht bestanden. Rückblickend prägte dieser Vorfall wahrscheinlich mein Leben grundlegend.

Die persönliche Krise manifestierte sich auch darin, dass ich mich gegen die Weiterausbildung vehement zur Wehr setzte, ja praktisch Obstruktion machte. Das war aber nicht ganz einfach, da der Unteroffiziers-Vorschlag für die Piloten-VSP Voraussetzung gewesen war. So schob ich diese UO wenigstens um ein Jahr hinaus. Und da ich nicht in die Unteroffiziersschule einrückte, konnte ich glücklicherweise nach meiner Rückkehr aus der RS wieder in der Maschinenfabrik Kellenberger mein Praktikum fortsetzen, dieses Mal sogar mit einem Lehrlingslohn, und ich durfte in der Reparaturwerkstatt der Fabrik bei der Revision von Werkzeugmaschinen mithelfen, lernte Ersatzteile schmieden und Stahlwellen härten. Dies gab mir einen hervorragenden Einblick in die Funktion von Werkzeugmaschinen. Ich liebte meine Arbeit und lernte dabei wieder sehr viel.

Im Herbst war es dann soweit: Start ins erste Semester an der ETH. Kost und Logis hatte ich bei meiner Schwester Selin und ihrem 20 Jahre älteren Mann Fritz in Erlenbach. Meine Eltern mussten dafür "nur" einen äusserst günstigen Spezialpreis bezahlen. Oftmals beneidete ich zwar meine Kollegen, die in Zürich ein Zimmer hatten, da ich durch das Wohnen bei meiner Schwester selbstverständlich weiterhin voll unter Kontrolle der Familie blieb, ähnlich wie früher zuhause. Wir hatten es andrerseits aber auch unwahrscheinlich schön und gut miteinander, lachten viel, und mein Schwager Fritz war mir immer ein hervorragender Gesprächspartner und oftmals ein echter Vater-Ersatz.

Im ersten Semester sprach Prof. Bickel einmal von Stipendien aus einem Châtelaine-Fonds, den man nicht zurückzahlen musste. Bedingung dafür war, dass die Professoren den Studenten wie in der Mittelschule mit Noten bewerten mussten. Für die Abgabe von Stipendien war ein Durchschnitt von 4 ½ notwendig. Ich meldete mich an, ohne jemandem etwas zu sagen. Der einzige Nachteil war, dass ich zu Beginn jedes Semesters eine Tour bei den Professoren machen, mich vorstellen und die Taxation verlangen musste. So erhielt ich aber ab dem dritten Semester einen namhaften Zustupf für Bücher und Lehrmaterial sowie Studiengeld- und Laborgebührenerlass. Als mein Vater es erst viel später erfuhr, wurde er immer noch wütend. Ich lachte ihn jedoch aus und meinte, es gäbe Schlimmeres.

Nach der Matura löste sich unsere Drittliga KTVer Handballmannschaft zwangsweise auf, da die meisten nicht mehr in St. Gallen wohnten. Nach einer Feld-Saison bei Fides und einer Hallen-Saison beim Stadtturnverein trat ich nach einem langen Gespräch mit Jack Brunnschweiler, der parallel zu mir die Handelsabteilung der Kantonsschule besucht hatte, der Handballsektion von Pfader Hospiz bei. Bis zu meiner Hochzeit spielte ich dort im Sommer Feldhandball in der ersten Liga, im Winter Hallenhandball in der Nationalliga B, Sommer und Winter immer um den Aufstieg in die oberste Liga kämpfend. Es hat aber leider nie ganz gereicht. Aus dieser Handballzeit stammen verschiedene lebenslange Freundschaften, wie jene mit Krapf Fröhlich, Baug Heer, Pedal Stump und vielen anderen. Hier erst bahnte sich auch die tiefe Freundschaft mit Jack Brunn­schweiler an, die dann aber ein Leben lang halten sollte, später auch unsere Frauen und Kinder einbeziehend.

Im Sommer 1955 rückte ich dann also doch noch in die Unteroffiziersschule und zum Abverdienen wieder nach Payerne ein. Diese 21 Wochen mit Verlegung in Meiringen gingen ohne grosse Turbulenzen über die Bühne. Scheinbar hatte ich aus dem Vorfall im VSP die notwendigen Lehren gezogen, denn ich kam ohne ernsthafte Konfrontation über die Runden und erhielt den angestrebten Offiziersvorschlag, um welchen ich allerdings hart kämpfen musste. Aber auch dieses Kämpfen musste einmal gelernt sein. Bisher war immer alles so einfach gelaufen.
Die Schwierigkeit mit der militärischen Weiterausbildung für uns Studenten lag darin, dass man ca. 3-4 Wochen vor dem Ende des Semesters einrücken musste und am Schluss des Militärdienstes wieder erst 3-4 Wochen nach Semesterbeginn zurückkam. Da es noch keine gedruckten Vorlesungen gab, musste jeweils ein Kollege die Vorlesungen mit Kohlepapier mitschreiben. Und mit diesem fremden Vorlesungs-Gekritzel Prüfungen vorzubereiten war ausserordentlich problematisch. Dieser Umstand brachte mich in der Mathematik furchtbar in Schwierigkeiten, und ich entschied mich, im Wintersemester an der Minerva einen Vorbereitungskurs für das erste Vordiplom in Mathe zu besuchen, um im nächsten Frühling besser gerüstet zu sein.

1956 war ausbildungsmässig ein besonders nahrhaftes Jahr: Nach dem Wintersemester bereitete ich mich auf das erste Vordiplom vor, in Mathematik zudem mit dem Kurs an der Minerva. An den Prüfungen selbst war ich sehr nervös, war auch nicht besonders brillant, bestand aber, sogar mit einer 3,5 in Werkstoffkunde, welche ich anstelle meines Studien- und Militärkollegen Hansjörg von Känel erhielt: Professor Bickel hatte mir immer Herr von Känel und ihm Herr Gadient gesagt. Er hatte die mir zustehende Note 4 ½ erhalten. Wenn ich reklamiert hätte, wäre Hansjörg von Känel mit der 3,5 durchgefallen, also reklamierte ich ihm zuliebe nicht. Seltsamerweise hat er mir später nie verziehen, dass er einmal in meiner Schuld gestanden hatte, und schnitt mich; im Militär "pisakte" er mich sogar! Das Sommersemester nahm ich dann etwas lockerer, und büffelte anschliessend den ganzen Sommer für das zweite Vordiplom, für welches ich mich im Herbst eingeschrieben hatte. Auch dieses zweite Vordiplom schaffte ich auf Anhieb, wiederum nicht sehr brillant, aber ich bestand, und das war die Hauptsache. Niemand fragte später je nach den Noten der Vordiplomprüfungen. Nahtlos ging es nach den Prüfungen ins neue Wintersemester.

Nach dem positiven Prüfungsbescheid war ich schon ein bisschen stolz auf meine Leistungen in diesem Jahr. Viel später, als sich unsere Töchter dann auch im Studium befanden und ich in Anwesenheit von ihren Kollegen einmal erwähnte, ich hätte an der ETH im gleichen Jahr im Frühling das erste und im Herbst das zweite Vordiplom absolviert, zeigte man mir ungläubig beinahe den Vogel!

Die zwei Vordiplome im gleichen Jahr ermöglichten mir aber, im Frühling 1957 nach dem fünften Semester ein kurzes Praktikum bei den Ateliers de Charmilles in Genf zu absolvieren. Das hydraulische Versuchslabor, wo ich arbeitete, war hochinteressant, und ich konnte meine Kenntnisse in hydraulischen Maschinen vertiefen. Dabei durfte ich bei meinem Handballkollegen Ruedi Glaus v/o Bürste im Zimmer wohnen. Gleichzeitig war auch Heini Schwen­dener v/o Blitz in Genf, so dass das Ganze zu einer ausserordentlich unterhaltsamen und fröhlichen Angelegenheit wurde.

 

Nach einem wiederum verkürzten Sommersemester rückte ich dann im Sommer in die Offiziersschule der Flieger- und Flabtruppen nach Dübendorf ein. In den 23 Wochen bekam ich eine Grundschulung für Führungskräfte. Ich denke, der menschliche Aspekt der Führungsschulung war für mich wichtiger als der militärische. In Major Hügli hatten wir auch einen wunderbaren Klassenlehrer. Die Brevetierung im Hof des Landesmuseums, zu welcher auch meine Eltern angereist waren, sowie der Offiziersball im Grand Hotel Dolder bildeten einen würdigen Abschluss, wobei ich jedoch als junger Leutnant bei den Bodentruppen nicht so ganz glücklich war, hatte ich doch immer von einer Pilotenlaufbahn geträumt, wie sie Jürg Anderegg und Kurz Eggenberger erreicht hatten, die mit mir in der Pilotenklasse die gleiche Offiziersschule besucht hatten.

 

Während den Semestern spielte ich immer in einer St. Galler Handballmannschaft um den Zürcher Hochschulmeister mit. Diese Mannschaft war eine lustige Mischung von Mitgliedern sonst gegnerischer St. Galler Mannschaften. Von meinen besten Kollegen waren von den Pfader Hospiz Heinz Lanz v/o Wumm und Hansruedi Hohl v/o Mogge dabei, dann vom Stadtturnverein Heini Schwendener v/o Blitz. Ich wurde auch in die ETH-Mannschaft für die Schweizerische Hochschulmeisterschaft aufgeboten, wo wir in meinen fünf Studien-Jahren zwei Mal Gold und je einmal Silber und Bronze erreichten. Mir unvergesslich blieben auch Reisen mit einer ASVZ-Auswahl (Akademischer Sportverband Zürich) zu Freundschaftsspielen gegen die TH Darmstadt und die Universität Berlin. In einer solchen Auswahlmannschaft lernte ich auch meinen späteren Gegenschwer Loki Bosshard sowie den langjährigen Oerlikon-Bührle Finanzchef Ernst Winkler kennen. Das Handball spielen an der Hochschule in Zürich war für uns St. Galler neben individuellem Konditionstraining Teil unseres Trainings, da wir die Woche hindurch ja ortsabwesend waren.  

 

Im Frühjahr 1958 hatte ich mich zu einem zweimonatigen Studentenaustausch nach Göteborg in Schweden entschlossen. Bei der Kugellagerfabrik SKF in Göteborg lernte ich zwar besser technisch zeichnen, sonst war es ausbildungsmässig nicht allzu ergiebig und sprachlich auch nicht, sprachen wir doch meistens Deutsch oder Englisch. Mit der andersartigen Mentalität der jungen Leute hatte ich auch etwas Mühe, es war jedoch auch wieder eine Chance, etwas ganz anderes kennen zu lernen. Auf der Rückreise mit dem Zug machte ich noch einen Umweg von Hamburg nach Bruxelles, wo gerade die Weltausstellung stattfand. Die Ausstellung mit ihrem damaligen Wahrzeichen, dem Atomium, beeindruckte mich sehr.

Während den letzten zwei Semestern wurde von der Industrie heftig um uns geworben: Sulzer, Escher Wyss, BBC, SIP, Charmilles, um nur einige zu nennen, luden uns jeweils für 1-2 Tage zu sich ein, um uns alles zu zeigen und uns Stellen anzubieten. So entschloss ich mich bereits im Frühjahr für eine Stelle in der Forschungsabteilung von Prof. Dr. Profos bei Sulzer Winterthur.

 

Und dann kam im Herbst 1958 das Schlussdiplom: Ausser der Prüfung in Thermischen Turbomaschinen bei Professor Traupel, bei welcher ich nur eine knappe 4 erreichte, lief es mir bei den Abschlussprüfungen recht gut, auch bei der Diplomarbeit, die ich ja ebenfalls bei Traupel über ein Thema in Thermischen Turbomaschinen schrieb. Das Schlussdiplom war mein bestes Prüfungsergebnis an der ETH, und glücklicherweise muss man ja meistens nur dieses zeigen!

 

Ich war damals so überglücklich und stolz, wie ich es später im Leben nur noch an der Hochzeit und bei der Geburt unserer Töchter war.

Als Diplom-Abschluss war eine Raketen-Abschuss-Orgie auf der Terrasse des Maschinenlaboratoriums angesagt, mit dem vielversprechenden Motto: „Jeder frischgebackene Ingenieur bastelt mindestens eine standesgemässe Rakete“ (Man schrieb immerhin das Jahr 1958, und eben war der erste Sputnik auf die Erdumlaufbahn geschossen worden!). Das Happening war schlussendlich ein voller Erfolg. Als wir bei Franz Karl Weber im November praktisch den Restbestand an 1. August Raketen und Feuerwerk kauften, haben wir wahrscheinlich seine Statistiken bös durcheinander gebracht. Und bei uns im Zeichnungssaal, als die Letzten immer noch an den Diplomarbeiten sassen, wurde bereits die Brenndauer der verschiedenen Raketen gemessen, mehrstufige Raketen gebaut und getestet sowie Abschussvorrichtungen gebastelt. Zwischendurch stank es im Zeichnungssaal wie in einer Feuerwerkfabrik. Schliesslich war das Finale in Anwesenheit mehrerer Professoren und Assistenten absolut grossartig: Es gab einen Menschenauflauf zwischen Maschinenlabor und Chemiegebäude / Kantonsspital, die Polizei begann vor dem Maschinenlabor den Verkehr zu regeln! Verbrannte Regenmäntel, Buh-Rufe für Raketenabstürze, Applaus für gelungene Starts von mehrstufigen Flugkörpern blieben in guter Erinnerung!!!

 

Rückblickend war dieses Studium mit Vorlesungen und Übungen bei namhaften Professoren schon prägend: Die Professoren Saxer (Mathematik), Stiefel (Angewandte Mathematik), Scherrer (Physik), Ger­ber (Hydraulische Maschinen), Ackeret (Aerodynamik), Rauscher (Flugzeug. und Leichtbau), Eichelberg (Thermodynamik und Verbrennungsmotoren), Traupel (Ther­mische Turbomaschinen), Bickel (Werkstoffkunde) waren weit über die Landesgrenzen hinaus bekannte Persönlichkeiten. Vor allem die periodischen philosophischen Abhandlungen des Prof. Eichelberg beeinflussten die ethische Berufsauffassung einer ganzen Generation von Ingenieuren und werden mir bis ans Lebensende präsent bleiben.

In Erlenbach galt es dann zu packen und wieder nach Hause umzuziehen. Vom Schmerz des Abschieds von Selin und Fritz am 13. Dezember 1958 zeugt ein gleichentags aufgegebener Express-Brief von Selin, den ich glücklicherweise noch besitze, ebenfalls ein Zeugnis von einer grossartigen Schwester. Noch ein paar unbeschwerte Tage und grosse Feste folgten, dann aber war das Studentenleben endgültig vorbei und am 1. November 1958 begann definitiv der Ernst des Lebens. Im Grunde genommen freute ich mich sehr auf meine erste Arbeitsstelle bei Sulzer: Endlich selbst Geld verdienen, nicht nur zusätzliches Sackgeld, sondern einen eigenen Zahltag. So wollte ich wieder zuhause in St. Fiden bei Mama wohnen, wieder in derselben Wohnung, in welcher ich schon geboren worden war.        

Ich schreibe nur „bei Mama wohnen“ deshalb, weil Papa seit seiner Pensionierung mehrheitlich bei Dorli und Albert auf ihrem Bauernhof in Erdhausen bei Neukirch-Egnach im Thurgau lebte. Dorli und Albert hatten ihren Hof in Valens verkauft und waren ins Thurgau ausge­wan­dert, wo Papa nicht nur auf dem Feld und im Stall mithalf, sondern auch im Restaurant, das Dorli führte: Abends und an Wochenenden konnte er dort nach Herzenslust jassen. Wenn ich Papa sehen wollte, musste ich deshalb meistens nach Erdhausen. Dort bat mich einmal der Vater als leidenschaftlicher Jasser, doch mitzuspielen, da für einen Schieber einer fehlte. Ich war kein so gewiegter Jasser, und er wurde ob meiner Fehler sehr ungehalten und zündete mich an. Das wollte ich nicht mehr erleben. Es war das erste, letzte und einzige Mal, dass ich in einem Wirtshaus zusammen mit meinem Vater gejasst habe!

Im Sommer 1955 rückte ich dann also doch noch in die Unteroffiziersschule und zum Abverdienen wieder nach Payerne ein. Diese 21 Wochen mit Verlegung in Meiringen gingen ohne grosse Turbulenzen über die Bühne. Scheinbar hatte ich aus dem Vorfall im VSP die notwendigen Lehren gezogen, denn ich kam ohne ernsthafte Konfrontation über die Runden und erhielt den angestrebten Offiziersvorschlag, um welchen ich allerdings hart kämpfen musste. Aber auch dieses Kämpfen musste einmal gelernt sein. Bisher war immer alles so einfach gelaufen.

Die Schwierigkeit mit der militärischen Weiterausbildung für uns Studenten lag darin, dass man ca. 3-4 Wochen vor dem Ende des Semesters einrücken musste und am Schluss des Militärdienstes wieder erst 3-4 Wochen nach Semesterbeginn zurückkam. Da es noch keine gedruckten Vorlesungen gab, musste jeweils ein Kollege die Vorlesungen mit Kohlepapier mitschreiben. Und mit diesem fremden Vorlesungs-Gekritzel Prüfungen vorzubereiten war ausserordentlich problematisch. Dieser Umstand brachte mich in der Mathematik furchtbar in Schwierigkeiten, und ich entschied mich, im Wintersemester an der Minerva einen Vorbereitungskurs für das erste Vordiplom in Mathe zu besuchen, um im nächsten Frühling besser gerüstet zu sein.

1956 war ausbildungsmässig ein besonders nahrhaftes Jahr: Nach dem Wintersemester bereitete ich mich auf das erste Vordiplom vor, in Mathematik zudem mit dem Kurs an der Minerva. An den Prüfungen selbst war ich sehr nervös, war auch nicht besonders brillant, bestand aber, sogar mit einer 3,5 in Werkstoffkunde, welche ich anstelle meines Studien- und Militärkollegen Hansjörg von Känel erhielt: Professor Bickel hatte mir immer Herr von Känel und ihm Herr Gadient gesagt. Er hatte die mir zustehende Note 4 ½ erhalten. Wenn ich reklamiert hätte, wäre Hansjörg von Känel mit der 3,5 durchgefallen, also reklamierte ich ihm zuliebe nicht. Seltsamerweise hat er mir später nie verziehen, dass er einmal in meiner Schuld gestanden hatte, und schnitt mich; im Militär "pisakte" er mich sogar! Das Sommersemester nahm ich dann etwas lockerer, und büffelte anschliessend den ganzen Sommer für das zweite Vordiplom, für welches ich mich im Herbst eingeschrieben hatte. Auch dieses zweite Vordiplom schaffte ich auf Anhieb, wiederum nicht sehr brillant, aber ich bestand, und das war die Hauptsache. Niemand fragte später je nach den Noten der Vordiplomprüfungen. Nahtlos ging es nach den Prüfungen ins neue Wintersemester.

Nach dem positiven Prüfungsbescheid war ich schon ein bisschen stolz auf meine Leistungen in diesem Jahr. Viel später, als sich unsere Töchter dann auch im Studium befanden und ich in Anwesenheit von ihren Kollegen einmal erwähnte, ich hätte an der ETH im gleichen Jahr im Frühling das erste und im Herbst das zweite Vordiplom absolviert, zeigte man mir ungläubig beinahe den Vogel!

Die zwei Vordiplome im gleichen Jahr ermöglichten mir aber, im Frühling 1957 nach dem fünften Semester ein kurzes Praktikum bei den Ateliers de Charmilles in Genf zu absolvieren. Das hydraulische Versuchslabor, wo ich arbeitete, war hochinteressant, und ich konnte meine Kenntnisse in hydraulischen Maschinen vertiefen. Dabei durfte ich bei meinem Handballkollegen Ruedi Glaus v/o Bürste im Zimmer wohnen. Gleichzeitig war auch Heini Schwen­dener v/o Blitz in Genf, so dass das Ganze zu einer ausserordentlich unterhaltsamen und fröhlichen Angelegenheit wurde.

Nach einem wiederum verkürzten Sommersemester rückte ich dann im Sommer in die Offiziersschule der Flieger- und Flabtruppen nach Dübendorf ein. In den 23 Wochen bekam ich eine Grundschulung für Führungskräfte. Ich denke, der menschliche Aspekt der Führungsschulung war für mich wichtiger als der militärische. In Major Hügli hatten wir auch einen wunderbaren Klassenlehrer. Die Brevetierung im Hof des Landesmuseums, zu welcher auch meine Eltern angereist waren, sowie der Offiziersball im Grand Hotel Dolder bildeten einen würdigen Abschluss, wobei ich jedoch als junger Leutnant bei den Bodentruppen nicht so ganz glücklich war, hatte ich doch immer von einer Pilotenlaufbahn geträumt, wie sie Jürg Anderegg und Kurz Eggenberger erreicht hatten, die mit mir in der Pilotenklasse die gleiche Offiziersschule besucht hatten.

Während den Semestern spielte ich immer in einer St. Galler Handballmannschaft um den Zürcher Hochschulmeister mit. Diese Mannschaft war eine lustige Mischung von Mitgliedern sonst gegnerischer St. Galler Mannschaften. Von meinen besten Kollegen waren von den Pfader Hospiz Heinz Lanz v/o Wumm und Hansruedi Hohl v/o Mogge dabei, dann vom Stadtturnverein Heini Schwendener v/o Blitz. Ich wurde auch in die ETH-Mannschaft für die Schweizerische Hochschulmeisterschaft aufgeboten, wo wir in meinen fünf Studien-Jahren zwei Mal Gold und je einmal Silber und Bronze erreichten. Mir unvergesslich blieben auch Reisen mit einer ASVZ-Auswahl (Akademischer Sportverband Zürich) zu Freundschaftsspielen gegen die TH Darmstadt und die Universität Berlin. In einer solchen Auswahlmannschaft lernte ich auch meinen späteren Gegenschwer Loki Bosshard sowie den langjährigen Oerlikon-Bührle Finanzchef Ernst Winkler kennen. Das Handball spielen an der Hochschule in Zürich war für uns St. Galler neben individuellem Konditionstraining Teil unseres Trainings, da wir die Woche hindurch ja ortsabwesend waren. 

Im Frühjahr 1958 hatte ich mich zu einem zweimonatigen Studentenaustausch nach Göteborg in Schweden entschlossen. Bei der Kugellagerfabrik SKF in Göteborg lernte ich zwar besser technisch zeichnen, sonst war es ausbildungsmässig nicht allzu ergiebig und sprachlich auch nicht, sprachen wir doch meistens Deutsch oder Englisch. Mit der andersartigen Mentalität der jungen Leute hatte ich auch etwas Mühe, es war jedoch auch wieder eine Chance, etwas ganz anderes kennen zu lernen. Auf der Rückreise mit dem Zug machte ich noch einen Umweg von Hamburg nach Bruxelles, wo gerade die Weltausstellung stattfand. Die Ausstellung mit ihrem damaligen Wahrzeichen, dem Atomium, beeindruckte mich sehr.

Während den letzten zwei Semestern wurde von der Industrie heftig um uns geworben: Sulzer, Escher Wyss, BBC, SIP, Charmilles, um nur einige zu nennen, luden uns jeweils für 1-2 Tage zu sich ein, um uns alles zu zeigen und uns Stellen anzubieten. So entschloss ich mich bereits im Frühjahr für eine Stelle in der Forschungsabteilung von Prof. Dr. Profos bei Sulzer Winterthur.

Und dann kam im Herbst 1958 das Schlussdiplom: Ausser der Prüfung in Thermischen Turbomaschinen bei Professor Traupel, bei welcher ich nur eine knappe 4 erreichte, lief es mir bei den Abschlussprüfungen recht gut, auch bei der Diplomarbeit, die ich ja ebenfalls bei Traupel über ein Thema in Thermischen Turbomaschinen schrieb. Das Schlussdiplom war mein bestes Prüfungsergebnis an der ETH, und glücklicherweise muss man ja meistens nur dieses zeigen!

Ich war damals so überglücklich und stolz, wie ich es später im Leben nur noch an der Hochzeit und bei der Geburt unserer Töchter war.

Als Diplom-Abschluss war eine Raketen-Abschuss-Orgie auf der Terrasse des Maschinenlaboratoriums angesagt, mit dem vielversprechenden Motto: „Jeder frischgebackene Ingenieur bastelt mindestens eine standesgemässe Rakete“ (Man schrieb immerhin das Jahr 1958, und eben war der erste Sputnik auf die Erdumlaufbahn geschossen worden!). Das Happening war schlussendlich ein voller Erfolg. Als wir bei Franz Karl Weber im November praktisch den Restbestand an 1. August Raketen und Feuerwerk kauften, haben wir wahrscheinlich seine Statistiken bös durcheinander gebracht. Und bei uns im Zeichnungssaal, als die Letzten immer noch an den Diplomarbeiten sassen, wurde bereits die Brenndauer der verschiedenen Raketen gemessen, mehrstufige Raketen gebaut und getestet sowie Abschussvorrichtungen gebastelt. Zwischendurch stank es im Zeichnungssaal wie in einer Feuerwerkfabrik. Schliesslich war das Finale in Anwesenheit mehrerer Professoren und Assistenten absolut grossartig: Es gab einen Menschenauflauf zwischen Maschinenlabor und Chemiegebäude / Kantonsspital, die Polizei begann vor dem Maschinenlabor den Verkehr zu regeln! Verbrannte Regenmäntel, Buh-Rufe für Raketenabstürze, Applaus für gelungene Starts von mehrstufigen Flugkörpern blieben in guter Erinnerung!!!

 

Rückblickend war dieses Studium mit Vorlesungen und Übungen bei namhaften Professoren schon prägend: Die Professoren Saxer (Mathematik), Stiefel (Angewandte Mathematik), Scherrer (Physik), Ger­ber (Hydraulische Maschinen), Ackeret (Aerodynamik), Rauscher (Flugzeug. und Leichtbau), Eichelberg (Thermodynamik und Verbrennungsmotoren), Traupel (Ther­mische Turbomaschinen), Bickel (Werkstoffkunde) waren weit über die Landesgrenzen hinaus bekannte Persönlichkeiten. Vor allem die periodischen philosophischen Abhandlungen des Prof. Eichelberg beeinflussten die ethische Berufsauffassung einer ganzen Generation von Ingenieuren und werden mir bis ans Lebensende präsent bleiben.

 

In Erlenbach galt es dann zu packen und wieder nach Hause umzuziehen. Vom Schmerz des Abschieds von Selin und Fritz am 13. Dezember 1958 zeugt ein gleichentags aufgegebener Express-Brief von Selin, den ich glücklicherweise noch besitze, ebenfalls ein Zeugnis von einer grossartigen Schwester. Noch ein paar unbeschwerte Tage und grosse Feste folgten, dann aber war das Studentenleben endgültig vorbei und am 1. November 1958 begann definitiv der Ernst des Lebens. Im Grunde genommen freute ich mich sehr auf meine erste Arbeitsstelle bei Sulzer: Endlich selbst Geld verdienen, nicht nur zusätzliches Sackgeld, sondern einen eigenen Zahltag. So wollte ich wieder zuhause in St. Fiden bei Mama wohnen, wieder in derselben Wohnung, in welcher ich schon geboren worden war.              

 

Ich schreibe nur „bei Mama wohnen“ deshalb, weil Papa seit seiner Pensionierung mehrheitlich bei Dorli und Albert auf ihrem Bauernhof in Erdhausen bei Neukirch-Egnach im Thurgau lebte. Dorli und Albert hatten ihren Hof in Valens verkauft und waren ins Thurgau ausge­wan­dert, wo Papa nicht nur auf dem Feld und im Stall mithalf, sondern auch im Restaurant, das Dorli führte: Abends und an Wochenenden konnte er dort nach Herzenslust jassen. Wenn ich Papa sehen wollte, musste ich deshalb meistens nach Erdhausen. Dort bat mich einmal der Vater als leidenschaftlicher Jasser, doch mitzuspielen, da für einen Schieber einer fehlte. Ich war kein so gewiegter Jasser, und er wurde ob meiner Fehler sehr ungehalten und zündete mich an. Das wollte ich nicht mehr erleben. Es war das erste, letzte und einzige Mal, dass ich in einem Wirtshaus zusammen mit meinem Vater gejasst habe!

Als ich mit meinem Vater offen darüber sprach, an der ETH studieren zu wollen, hatte er ernste finanzielle Bedenken, da er in zwei Jahren mit der Pension wesentlich weniger verdienen würde als vorher. Als aber meine vier berufstätigen, älteren Schwestern ihm versprachen, nach ihren Möglichkeiten mitzuhelfen, mein Studium zu finanzieren, war er schlussendlich einverstanden, aber nur unter der Bedingung, dass ich keine Stipendien beantragen dürfe, denn das war für ihn „armengenössig“! Das versprach ich ihm nie so genau, aber ich durfte mich also an der Abteilung IIIA der ETH einschreiben, voller Erwartung, in welche vertieften Ausbildungen mich dieses Studium führen sollte.

Gleichzeitig musste ich einen kostengünstigen Praktikumsplatz suchen. Damals musste man einer Firma noch einen monatlichen Beitrag zahlen, wenn man dort das für Maschineningenieure obligatorische Praktikum absolvieren wollte. In der Maschinenfabrik Kellenberger in St. Gallen-Heiligkreuz, gleich neben dem Sportplatz Espenmoos, lernte ich dann bohren, maschinenschlossern, drehen,  fräsen usw., wobei mir mein oben erwähntes Praktikum bei Jörg Kopp sehr zustatten kam. Man war dort schnell auch ausserordentlich zufrieden mit mir, gab mir mein einbezahltes Geld wieder zurück und fragte, ob ich nach der Rekrutenschule nicht nochmals ein paar Monate kommen wolle, was ich nicht versprechen wollte, da ich ja nach der RS in die Pilotenschule wollte. Ich wusste damals noch nicht, dass ich sehr bald wieder zurück sein würde… .

Im Januar 1954 rückte ich mit vier meiner ehemaligen Klassenkameraden und neuen Studienkollegen in die Fliegerrekrutenschule in Payerne ein. Wir alle waren auch Pilotenanwärter, wobei ich mit meinem bereits erworbenen Segelflugbrevet scheinbar die besten Karten hatte. Mit dem Fluggeld, das Piloten als Entschädigung für die viel öfteren und längeren Dienstzeiten bekamen, konnten Studenten sorgenfrei das Studium finanzieren, was mich natürlich besonders reizte. Die ersten 12 Wochen RS mit sportlichen, psychologischen und fliegerärztlichen Prüfungen wurden problemlos und ohne seelischen Schaden überstanden. Anstatt in die Verlegung durfte ich in der 13. Woche in die Vorschulungsperiode VSP auf den Militärflugplatz in der Magadinoebene einrücken. Ein weiteres grosses Ziel war geschafft. Wir flogen auf Bücker Jungmann jeden Tag, und viel glücklicher konnte man nicht sein, bis ich meinen Fluglehrer überheblich, anmassend und absolut unverständlich gegen mich aufbrachte. (Details in der militärischen Laufbahn!) Ich war weder vorher noch nachher in meinem Leben je so überheblich! Mein Verhalten war absolut unverzeihlich! Nach 2/3 des Kurses wurde ich als Pilotenanwärter ausgemustert und mit einem Transportgutschein zurück zur Kompanie in die Verlegung nach Alpnach geschickt. Zum ersten Mal in meinen bisherigen 21 Jahren erlebte ich, dass etwas nicht so lief, wie ich es im Kopf hatte, für mich absolut ungewohnt. Ausgerechnet jetzt, beim Anstreben eines so wichtigen Ziels hatte ich versagt, selbstverschuldet durch mein lockeres Maul. Ich schlitterte damit auch zum ersten Mal in eine ernstere, persönliche Krise. Es war ein kleiner Trost, dass ausser Gaz Eggenberger und Jürg Anderegg nach mir auch alle anderen St. Galler nicht bestanden. Rückblickend hatte dieser Vorfall aber auch seine positive Folge und prägte wahrscheinlich mein Leben grundlegend und

Die persönliche Krise manifestierte sich auch darin, dass ich mich gegen die Weiterausbildung vehement zur Wehr setzte, ja praktisch Obstruktion machte. Das war aber nicht ganz einfach, da der Unteroffiziers-Vorschlag für die Piloten-VSP Voraussetzung gewesen war. Also war dieser Vorschlag eingetragen, ich wollte aber nicht mehr. Ich provozierte sogar noch einen Straffall, aber alles nützte nichts. So schob ich diese UO wenigstens um ein Jahr hinaus. Mein Schwager Ruedi, Mann meiner Schwester Lisbeth, selbst Militärflieger, bewirkte dann mit der Zeit bei mir einen Gesinnungs­wan­del. Er überzeugte mich, trotzdem in die Unteroffiziers-schule einzurücken, und zwar mit dem klaren neuen Ziel, Offizier zu werden.

Das Verarbeiten dieser ersten, grossen Niederlage im Leben kratzte bei mir schon recht stark am Lack. Mich bedrückte, dass ich nicht sachlich oder technisch, sondern charakterlich und menschlich versagt hatte. Das Leben musste aber weitergehen. Und da ich nicht in die Unteroffiziersschule einrückte, konnte ich glücklicherweise nach meiner Rückkehr aus der RS wieder in der Maschinenfabrik Kellenberger mein Praktikum fortsetzen, dieses Mal sogar mit einem Lehrlingslohn, und ich durfte in der Reparaturwerkstatt der Fabrik bei der Revision von Werkzeugmaschinen mithelfen, lernte Ersatzteile schmieden und Stahlwellen härten. Dies gab mir einen hervorragenden Einblick in die Funktion von Werkzeugmaschinen. Ich liebte meine Arbeit und lernte dabei wieder sehr viel.

Im Herbst war es dann soweit: Start ins erste Semester an der ETH. Kost und Logis hatte ich bei meiner Schwester Selin und ihrem 20 Jahre älteren Mann Fritz in Erlenbach. Meine Eltern mussten dafür "nur" einen äusserst günstigen Spezialpreis bezahlen. Oftmals beneidete ich zwar meine Kollegen, die in Zürich ein Zimmer hatten, da ich durch das Wohnen bei meiner Schwester selbstverständlich weiterhin voll unter Kontrolle der Familie blieb, ähnlich wie früher Zuhause. Wir hatten es andrerseits aber auch unwahrscheinlich schön und gut miteinander, lachten viel, und mein Schwager Fritz war mir immer ein hervorragender Gesprächspartner und oftmals ein echter Vater-Ersatz.

Im ersten Semester sprach Prof. Bickel einmal von Stipendien aus einem Châtelain-Fonds, den man nicht zurückzahlen musste. Bedingung dafür war, dass die Professoren den Studenten wie in der Mittelschule mit Noten bewerten mussten. Für die Abgabe von Stipendien war ein Durchschnitt von 4 ½ notwendig. Ich meldete mich an, ohne jemandem etwas zu sagen. Der einzige Nachteil war, dass ich zu Beginn jedes Semesters eine Tour bei den Professoren machen, mich vorstellen und die Taxation verlangen musste. So erhielt ich aber ab dem dritten Semester einen namhaften Zustupf für Bücher und Lehrmaterial sowie Studiengeld- und Laborgebührenerlass. Als mein Vater es erst viel später erfuhr, wurde er immer noch wütend. Ich lachte ihn jedoch aus und meinte, es gäbe Schlimmeres.

Nach der Matura löste sich unsere Drittliga KTVer Handballmannschaft zwangsweise auf, da die meisten nicht mehr in St. Gallen wohnten. Nach einer Feld-Saison bei Fides und einer Hallen-Saison beim Stadtturnverein trat ich nach einem langen Gespräch mit Jack Brunnschweiler, der parallel zu mir die Handelsabteilung der Kantonsschule besucht hatte, der Handballsektion von Pfader Hospiz bei. Bis zu meiner Hochzeit spielte ich dort im Sommer Feldhandball in der ersten Liga, im Winter Hallenhandball in der Nationalliga B, Sommer und Winter immer um den Aufstieg in die oberste Liga kämpfend. Es hat aber leider nie ganz gereicht. Aus dieser Handballzeit stammen verschiedene lebenslange Freundschaften, wie jene mit Krapf Fröhlich, Baug Heer, Pedal Stump und vielen anderen. Hier erst bahnte sich auch die tiefe Freundschaft mit Jack Brunn­schweiler an, die dann aber ein Leben lang halten sollte, später auch unsere Frauen und Kinder einbeziehend.

Im Sommer 1955 rückte ich dann also doch noch in die Unteroffiziersschule und zum Abverdienen wieder nach Payerne ein. Diese 21 Wochen mit Verlegung in Meiringen gingen ohne grosse Turbulenzen über die Bühne. Scheinbar hatte ich aus dem Vorfall im VSP die notwendigen Lehren gezogen, denn ich kam ohne ernsthafte Konfrontation über die Runden und erhielt den angestrebten Offiziersvorschlag, um welchen ich allerdings hart kämpfen musste. Aber auch dieses Kämpfen musste ja einmal gelernt sein. Bisher war alles so einfach gelaufen.

Die Schwierigkeit mit der militärischen Weiterausbildung für uns Studenten lag darin, dass man ca. 3-4 Wochen vor dem Ende des Semesters einrücken musste und am Schluss des Miltärdienstes wieder erst 3-4 Wochen nach Semesterbeginn zurückkam. Da es noch keine gedruckten Vorlesungen gab, musste jeweils ein Kollege die Vorlesungen mit Kohlepapier mitschreiben. Und mit diesem fremden Vorlesungsgekritzel Prüfungen vorzubereiten war ausserordentlich problematisch. Dieser Umstand brachte mich in der Mathematik furchtbar in Schwierigkeiten, und ich entschied mich, im Wintersemester an der Minerva einen Vorbereitungskurs für das erste Vordiplom in Mathe zu besuchen, um im nächsten Frühling besser gerüstet zu sein.

1956 war ausbildungsmässig ein besonders nahrhaftes Jahr: Nach dem Wintersemester bereitete ich mich auf das erste Vordiplom vor, in Mathematik zudem mit dem Minervakurs. An den Prüfungen selbst war ich sehr nervös, war auch nicht besonders brillant, bestand aber, sogar mit einer 3,5 in Werkstoffkunde, welche ich anstelle meines Studien- und Militärkollegen Hansjörg von Känel erhielt: Professor Bickel hatte mir immer Herr von Känel und ihm Herr Gadient gesagt. Er hatte die mir zustehende Note 4 ½ erhalten. Wenn ich reklamiert hätte, wäre Hansjörg von Känel mit der 3,5 durchgefallen, also reklamierte ich ihm zuliebe nicht. Seltsamerweise hat er mir später nie verziehen, dass er einmal in meiner Schuld gestanden hatte, und schnitt mich; im Militär "pisakte" er mich sogar! Das Sommersemester nahm ich dann etwas lockerer, und büffelte anschliessend den ganzen Sommer für das zweite Vordiplom, für welches ich mich im Herbst eingeschrieben hatte. Auch dieses zweite Vordiplom schaffte ich auf Anhieb, wiederum nicht sehr brillant, aber ich bestand, und das war die Hauptsache. Niemand fragte später je nach den Noten der Vordiplomprüfungen. Nahtlos ging es nach den Prüfungen ins neue Wintersemester. Nach dem positiven Prüfungsbescheid war ich schon ein bisschen stolz auf meine Leistungen in diesem Jahr. Viel später, als sich unsere Töchter dann auch im Studium befanden und ich in Anwesenheit von ihren Kollegen einmal erwähnte, ich hätte an der ETH im gleichen Jahr im Frühling das erste und im Herbst das zweite Vordiplom absolviert, zeigte man mir ungläubig beinahe den Vogel!

Die zwei Vordiplome im gleichen Jahr ermöglichten mir aber, im Frühling 1957 nach dem fünften Semester ein kurzes Praktikum bei den Ateliers de Charmilles in Genf zu absolvieren. Das hydraulische Versuchslabor, wo ich arbeitete, war hochinteressant, und ich konnte meine Kenntnisse in hydraulischen Maschinen vertiefen. Dabei durfte ich bei meinem Handballkollegen Ruedi Glaus v/o Bürste im Zimmer wohnen. Gleichzeitig war auch Heini Schwendener v/o Blitz in Genf, so dass das Ganze zu einer ausserordentlich unterhaltsamen und fröhlichen Angelegenheit wurde.
 
Nach einem wiederum verkürzten Sommersemester rückte ich dann im Sommer in die Offiziersschule der Flieger- und Flabtruppen nach Dübendorf ein. In den 23 Wochen bekam ich eine Grundschulung für Führungskräfte. Ich denke, der menschliche Aspekt der Führungsschulung war für mich wichtiger als der militärische. In Major Hügli hatten wir auch einen wunderbaren Klassenlehrer. Die Brevetierung im Hof des Landesmuseums, zu welcher auch meine Eltern angereist waren, sowie der Offiziersball im Grand Hotel Dolder bildeten einen würdigen Abschluss, wobei ich jedoch als junger Leutnant bei den Bodentruppen nicht so ganz glücklich war, hatte ich doch immer von einer Pilotenlaufbahn geträumt, wie sie Jürg Anderegg und Kurz Eggenberger erreicht hatten, die mit mir in der Pilotenklasse die gleiche Offiziersschule besucht hatten.
 
Während den Semestern spielte ich immer in einer St. Galler Handballmannschaft um den Zürcher Hochschulmeister mit. Diese Mannschaft war eine lustige Mischung von Mitgliedern sonst gegnerischer St. Galler Mannschaften. Von meinen besten Kollegen waren von den Pfader Hospiz Heinz Lanz v/o Wumm und Hansruedi Hohl v/o Mogge dabei, dann vom Stadtturnverein Heini Schwendener v/o Blitz. Ich wurde auch in die ETH Mannschaft für die Schweizerische Hochschulmeisterschaft aufgeboten, wo wir in meinen fünf Studien-Jahren zwei Mal Gold und je einmal Silber und Bronze erreichten. Mir unvergesslich blieben auch Reisen mit einer ASVZ Auswahl (Akademischer Sportverband Zürich) zu Freundschaftsspielen gegen die TH Darmstadt und die Universität Berlin. In einer solchen Auswahlmannschaft lernte ich auch meinen späteren Gegenschwer Loki Bosshard sowie den langjährigen Oerlikon Bührle Finanzchef Ernst Winkler kennen. Das Handball spielen an der Hochschule in Zürich war für uns St. Galler neben individuellem Konditionstraining Teil unseres Trainings, da wir die Woche hindurch ja ortsabwesend waren.  

Im Frühjahr 1958 hatte ich mich zu einem zweimonatigen Studentenaustausch nach Göteborg in Schweden entschlossen. Bei der Kugellagerfabrik SKF in Göteborg lernte ich zwar besser technisch zeichnen, sonst war es ausbildungsmässig nicht allzu ergiebig und sprachlich auch nicht, sprachen wir doch meistens deutsch oder englisch. Mit der andersartigen Mentalität der jungen Leute hatte ich auch etwas Mühe, es war jedoch auch wieder eine Chance, etwas ganz anderes kennen zu lernen. Auf der Rückreise mit dem Zug machte ich noch einen Umweg von Hamburg nach Bruxelles, wo gerade die Weltausstellung stattfand. Die Ausstellung mit ihrem damaligen Wahrzeichen, dem Atomium, beeindruckte mich sehr.

Während den letzten zwei Semestern wurde von der Industrie heftig um uns geworben: Sulzer, Escher Wyss, BBC, SIP, Charmilles, um nur einige zu nennen, luden uns jeweils für 1-2 Tage zu sich ein, um uns alles zu zeigen und uns Stellen anzubieten. So entschloss ich mich bereits im Frühjahr für eine Stelle in der Forschungsabteilung von Prof. Dr. Profos bei Sulzer Winterthur.
 
Rückblickend war dieses Studium mit Vorlesungen und Übungen bei namhaften Professoren schon prägend: Die Professoren Saxer (Mathematik), Stiefel (Angewandte Mathematik), Scherrer (Physik), Ger­ber (Hydraulische Maschinen), Ackeret (Aerodynamik), Rauscher (Flugzeug. und Leichtbau), Eichelberg (Thermodynamik und Verbrennungsmotoren), Traupel (Ther­mische Turbomaschinen), Bickel (Werkstoffkunde) waren weit über die Landesgrenzen hinaus bekannte Persönlichkeiten. Vor allem die periodischen philosophischen Abhandlungen des Prof. Eichelberg beeinflussten die ethische Berufsauffassung einer ganzen Generation von Ingenieuren und werden mir bis ans Lebensende präsent bleiben.

Und dann kam im Herbst 1958 das Schlussdiplom: Ausser der Prüfung in Thermischen Turbomaschinen bei Professor Traupel, bei welcher ich nur eine knappe 4 erreichte, lief es mir bei den Abschlussprüfungen recht gut, auch bei der Diplomarbeit, die ich ja ebenfalls bei Traupel über ein Thema in Thermischen Turbomaschinen schrieb. Das Schlussdiplom war mein bestes Prüfungsergebnis an der ETH, und glücklicherweise muss man ja meistens nur dieses zeigen! Ich war damals so überglücklich und stolz, wie ich es später im Leben nur noch an der Hochzeit und bei der Geburt unserer Töchter war.

Als Diplom-Abschluss war eine Raketen-Abschuss-Orgie auf der Terrasse des Maschinenlaboratoriums angesagt, mit dem vielversprechenden Motto: „Jeder frischgebackene Ingenieur bastelt mindestens eine standesgemässe Rakete“ (Man schrieb immerhin das Jahr 1958, und eben war der erste Sputnik auf die Erdumlaufbahn geschossen worden!). Das Happening war schlussendlich ein voller Erfolg. Als wir bei Franz Karl Weber im November praktisch den Restbestand an 1. August Raketen und Feuerwerk kauften, haben wir wahrscheinlich seine Statistiken bös durcheinander gebracht. Und bei uns im Zeichnungssaal, als die Letzten immer noch an den Diplomarbeiten sassen, wurde bereits die Brenndauer der verschiedenen Raketen gemessen, mehrstufige Raketen gebaut und getestet sowie Abschussvorrichtungen gebastelt. Zwischendurch stank es im Zeichnungssaal wie in einer Feuerwerkfabrik. Schliesslich war das Finale in Anwesenheit mehrer Professoren und Assistenten absolut grossartig: Es gab einen Menschenauflauf zwischen Maschinenlabor und Chemiegebäude / Kantonsspital, die Polizei begann vor dem Maschinenlabor den Verkehr zu regeln! Verbrannte Regenmäntel, Buh-Rufe für Raketenabstürze, Applaus für gelungene Starts von mehrstufigen Flugkörpern blieben in guter Erinnerung!!!
 
In Erlenbach galt es zu packen und wieder nach Hause umzuziehen. Vom Schmerz des Abschieds von Selin und Fritz am 13. Dezember 1958 zeugt ein gleichentags aufgegebener Express-Brief von Selin, den ich glücklicherweise noch besitze, ebenfalls ein Zeugnis von einer grossartigen Schwester. Noch ein paar unbeschwerte Tage und grosse Feste folgten, dann aber war das Studentenleben endgültig vorbei und am 2. Januar 1959 begann definitiv der Ernst des Lebens. Im Grunde genommen freute ich mich sehr auf meine erste Arbeitsstelle bei Sulzer: Endlich selber Geld verdienen, nicht nur zusätzliches Sackgeld, sondern einen eigenen Zahltag. So wollte ich wieder Zuhause in St. Fiden bei Mama wohnen, wieder in derselben Wohnung, in welcher ich schon geboren worden war.              
 
Ich schreibe nur „bei Mama wohnen“ deshalb, weil Papa seit seiner Pensionierung mehrheitlich bei Dorli und Albert auf ihrem Bauernhof in Erdhausen bei Neukirch-Egnach im Thurgau lebte. Dorli und Albert hatten ihren Hof in Valens verkauft und waren ins Thurgau ausgewandert, wo Papa nicht nur auf dem Feld und im Stall mithalf, sondern auch im Restaurant, das Dorli führte: Abends und an Wochenenden konnte er dort nach Herzenslust jassen. Wenn ich Papa sehen wollte, musste ich deshalb meistens nach Erdhausen. Dort bat mich einmal der leidenschaftliche Jasser, doch mitzuspielen, da für einen Schieber einer fehlte. Ich war kein so gewiegter Jasser, und er wurde ob meiner Fehler sehr ungehalten und zündete mich an. Das wollte ich nicht mehr erleben. Es war das erste, letzte und einzige Mal, dass ich in einem Wirtshaus zusammen mit meinem Vater gejasst habe!
Tagebuch einer Englandreise Sommer 1952
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6.  Tagebuch einer Englandreise Sommer 1952
Vorbemerkung zur Transkription und Verteilung dieses Tagebuchs anlässlich eines Anlasses "50 Jahre Englandreise" mit allen Teilnehmern und ihren Damen im Jahr 2002 bei uns in Zollikon (Humpe war nicht mehr dabei, da er schon gestorben war!):

Ich habe den vor 50 Jahren in azurblauer Tinte von Hand geschriebenen „Reisebericht 1952“ genau so abgeschrieben, wie ich ihn damals verfasst hatte: Mit der Orginal-Gliede­rung, auch mit allen Fehlern, ausser jenen, die zu Verständnisschwierigkeiten führen würden.

 

Aus einer witzigen Bemerkung in der Englischstunde über eine Reise nach England reifte mit der Zeit eine ernsthafte Absicht heran, die Sommerferien in England zu verbringen, um der Matura im Herbst sicherer entgegentreten zu dürfen. Am Anfang waren in unserer Klasse 4t 7 – 8 Interessenten; 2 davon wollten plötzlich nach England fliegen und so waren wir noch fünf, die sich ernsthafter mit Reiseplänen beschäftigten, nämlich:

Kurt Eggenberger v/o Gaz, Minerva San Gallensis,

Paul Grünenfelder v/o Gnüssli, Corona San Gallensis,

Edwin Somm v/o Freddo, Corona San Gallensis,

Bruno Wick v/o Humpe, Corona San Gallensis,

Hansruedi Gadient v/o Veto, KTV St. Gallen.

Dazu kam noch ein Handelsschüler aus 4h von unserer Kantonsschule, den wir „mit uns nahmen“:

Arno Bollhalter v/o Schmacht, Corona San Gallensis.

Wir zogen Auto und Bahn in Erwägung. Wir entschlossen uns dann einstimmig für das Auto, da anders mit den Mitteln, die uns zur Verfügung standen, eine solche Reise nicht möglich gewesen wäre, weil wir kein Zelt und nichts zu Essen mitnehmen könnten!
 
Wir suchten alle nach einem Wagen und fanden schliesslich in Zürich eine Firma, die Volkswagen relativ günstig vermietet. Alles war schon im Butter als plötzlich Freddo uns mitteilte, dass er daheim die Erlaubnis zur Teilnahme nicht erhalten habe. Wir waren in einer hoffnungslosen Situation: Wenn nur 5 mitgingen stieg der Preis für den Wagen, Überfahrt und Benzin um ca. 20%. Wir liefen bei Papa Somm Sturm: Wir telephonierten ihm, baten ihn, Freddo doch die Erlaubnis zu geben!! Doch Herr Somm Senior wollte nicht. Endlich fanden wir einen Ausweg indem Papa Eggenberger uns einen VW 4 Plätzer zur Verfügung stellen konnte. Als dies bereits abgemacht war, erhielten wir von Freddo die freudige Nachricht, dass Freddo die Erlaubnis doch erhalten habe. Wir hatten viel Glück, dass der 8 Plätzer von Zürich in der Zwischenzeit noch nicht vermietet worden war und wir bestellten ihn.

Die letzten Wochen strichen dahin, die Koffern wurden gepackt und Samstag 12. Juli, am ersten Ferientag, holte Freddo in Zürich unseren VW. Am Abend fuhren wir zu jedem heim und holten die Koffern ab, um am Morgen früh ohne viel Lärm abreisen zu können.

13. Juli: So fuhr am Sonntag 13. Juli morgens um 3 Uhr Schmacht bei Freddo und mir in St. Finden vor, wir erklommen dann St. Georgen und holten Gnüssli und den eben heimgekehrten, jodelnden Gaz (Jodlerfest in St. Gallen) ab. Dann boten wir St. Gallen den Rücken und fuhren mit zünftigem Tempo Richtung Basel – Paris in den frischen Morgen hinein.
In Basel gingen wir fünf ausser Gaz in die Frühmesse und jagten dann dem Zoll zu. Dem Zöllner wurde fast schwindlig als er in den Wagen schaute. Wir mussten 5 Koffern zeigen. Es wurde aber nichts gefunden, da wir keine grossen Interessen am Schmuggeln hatten. Nun entwickelten sich hitzige Wortgefechte von Basel bis Paris, da sich jeder im Schalten übte und kratzte, dass wir befürchteten, mittags je mit einem Zahnrad mit und ohne Zähne in der Hand heimkehren zu müssen. Wir fuhren von Basel nach Belfort, wo wir die alten Befestigungen bestaunten, von Belfort über Vesoul nach Langres und Chaumont, 2 schönen alten Städten, besonders Langres, das wundervoll auf einem Hügel oben thront, von den uralten Stadtmauern begrenzt. Bei jedem Renault Fregatte, der während der Fahrt in unser Gesichtsfeld kam, brüllte Gnüssli laut auf und lobte, pries den Wagen, bis wir ihn aufforderten, die Witzigkeit einzustellen. Über Troyes langten wir abends 6 Uhr in den Vororten von Paris an. Wir assen etwas in der Stadt und fuhren dann hinaus in den Bois de Boulogne, wo wir einen Camping-place fanden. Wir fuhren hinein und begannen unser Zelt aufzustellen. Ich warnte zwar, da ich eine Aufschrift gelesen zu haben glaubte: Nur für TCF - Mitglieder!! Es vergingen nicht 2 Minuten, da hörten wir einen laut fluchenden Mann aus dem Dunkel auftauchen. Es war der Wärter des Camp. Roh und alles andere als anständig machte er uns klar, dass wir so schnell als möglich verschwinden sollten. Wir liessen uns nicht in einen Streit ein und stellten unser Zelt direkt vor dem Camp auf, wo wir schon einige Zelte antrafen, darunter eines von 2 Schweizern bewohnt. Dann schliefen wir den Schlaf der Gerechten, 4 im Zelt und 2 im Wagen... .
 
14. Juli: Jour de la Prise de la Bastille. Wir waren eine ganz internationale Gruppe vor dem Zeltplatz draussen: Neben uns standen die Zelte eines Schweden (mit hübscher Frau), eines Holländers, eines Franzosen und der anderen 2 Schweizer. Wir begaben uns nach dem Morgenessen, das wir das erste Mal selbst kochten, sofort in die Stadt, um uns die Parade anzusehen. Auf dem Weg dorthin sahen wir 80 P80 Shooting Stars in Doppelpatrouillen die Parade eröffnen. Dann rasten 4 Sabre über die Stadt. 

Leider sahen wir nicht mehr die ganze Parade; jedoch den interessanteren Teil, nämlich die motorisierten Truppen, und die Kranzniederlegung im Arc de Triomphe am Grab des unbekannten Soldaten. Nach der Parade spazierten wir die Champs Elysées hinab bis zu den Grand und Petit Palais, höchste Meisterwerke mittelalterlicher Architektur; auch schauten wir uns den Place de la Bastille mit der Colonne de Juillet an, wo bis zur Revolution die Bastille gestanden hatte.

Mittags gingen wir ins Zelt zurück und assen und schliefen, um während der Nacht „knusprig“ zu sein. Nach einem guten Nachtessen in einem Studentenrestaurant nahe der Sorbonne schauten wir uns von der Pont St. Michel das Riesenfeuerwerk an (wobei Gaz und Humpe mehr ein herziges, seriöses Pariser Mamsellchen beaugapfelten, trotzdem es von seinen Eltern begleitet war). Dann begaben wir uns dann in das Vergnügungsviertel von Paris, dem Place Pigalle, um das so viel beschriebene Nachtleben von Paris zu „studieren“. Dort liessen wir uns von den gewohnten Sprüchlein überschwemmen: Bon soir, voulez-vous faire l’amour?.... Et toi, Chérie, toi nonplus?.... Et toi mon petit, je suis ce que tu cherches ..... Gaz und Schmacht besuchten ein oder zwei Cabarets und wir vier setzten uns in ein Dancing mit einem glänzenden Neger - Jazz - Orchester. Um 4 Uhr wollten wir wieder zusammenkommen unter dem Arc de Triomphe.

15. Juli: Um 11 Uhr hatten wir uns von den Strapazen der Nacht erholt und gerieten in Streit mit dem Wärter, der uns verbot, Wasser zu holen am Eingang ins Camp. Nach dem Mittagessen setzten wir uns in unseren Wagen und fuhren nach Versailles hinaus. Dort bestaunten wir das riesige Schloss, das Louis XIV erbauen liess. Wir sahen darin die berühmte Kapelle, die prunkvollen Gemächer des Königs und der Königin, das wunderbar mit Gemälden ausgestattete Wachtlokal der Schweizergarde. Dann bestaunten wir den riesigen Park, die unbeschreibbar schönen Gartenanlagen. Mit tausend neuen, grossartigen Eindrücken kehrten wir abends müde zum Zelt zurück.

16. Juli: Eigentliche Stadtbesichtigung; morgens früh begaben wir uns in die Stadt. Schmacht besuchte seinen Onkel, der Rest bildete 2 Gruppen, um sich die Stadt anzusehen. Humpe, Gnüssli und ich bildeten die eine, Freddo und Gaz die andere. Abends um 9 Uhr wollten wir uns beim Arc de Triomphe wieder treffen. Wir besichtigten der Reihe nach die Kathedrale von Sacre Coeur de Montmartre, Tour d’Eiffel, Pantheon (der ehemalige Dom von Paris), unmittelbar daneben St. Etienne du Mont (Mittelalterliche Kirche), Kathedrale Notre Dame, die grosse Geschäftsstrasse Rue de Rivoli, Louvre, Palais Royal, Tuilerien, Jardin des Tuileries, L’Obélisque. Auf dem Heimweg kauften wir noch ein paar Flaschen Wein, mit denen wir eine eiserne Zecherei durchführten, wobei gelegentlich Veto KT“V“ nicht mitmachte!!
 
17. Juli: Nach dem etwas verfrühten Mittagessen um 11 Uhr fuhren wir in Paris ab Richtung Calais. Wir fuhren durch die Gegenden der Invasion von 1944, wo auch heute nach 8 Jahren die Spuren des Krieges noch deutlich zu sehen sind, so zum Beispiel in Bauvais, wo wir zwei einst sicher wunderschöne gotische Kirchen sahen: total zerstört, Türme weg, ausgebrannt, Dach eingestürzt und Fenster geschmolzen; in Abeville sind Kathedrale und Stadt ein einziger Trümmerhaufen. Zerstörte Häuser wurden abgerissen und die Strassen verlegt, so, dass nun gute Verkehrsbedingungen herrschen. Wir sahen mitten in der Stadt neben langen Barackendörfern moderne Betonhäuser entstehen, kurz gesagt, grässliche Zustände.

In Montreuil schwenkten wir links ab nach Le Touquet, oder auch Paris-Plage genannt, der Badeort der reicheren Pariser und Engländer. Am Plage trafen wir einen älteren Polizisten mit roter Nase, den wir nach einem Campingplatz befragten. Zuerst bettelte er noch um ein paar Cigaretten, „qu’il voulait garder pour sa femme“, dann zeigte er uns sofort einen Platz. Als wir ihn fragten, ob wir hier nicht wieder verjagt würden wie in Paris, sagte er: „Si quelqu‘un dit quelquechose, vous dîtes, que vous avez la permission du commissaire de la Plage“, drehte sich auf dem Absatz um und marschierte stolz von dannen.

Dann stellten wir unser Zelt mitten in Hitlers Atlantikwall auf, mitten in einer mit Bomben und Schiffsgeschossen grässlich entstellten Gegend, mit hunderten von zer­störten Bunkern, Betonklötze von 5 x 7 x 1 m lagen wie hingelegt 20 m neben den ursprünglichen Fundamenten. Kurz gesagt, ein Streifen von ca. 500 – 1000 m von der Küste ins Landesinnere war wie mit einem Riesenpflug umgepflügt und alles mit kleinen, zähen Büschen und Sträuchern bewachsen, oder vom Meersand zugedeckt.

Einige von uns, wie beispielsweise ich, sahen hier zum ersten Mal im Leben das offene Meer. Wir gingen unsere Füsse waschen und stellten dann das Zelt auf. Ein starker Meerwind erschwerte dies sichtlich, weil er alle Heringe sofort wieder ausriss; so mussten wir jeden einzelnen Hering mit einem alten Bunkertrümmer (= Ersatz für Steine) beschweren, um sicher zu sein, das Zelt nicht 1000 Mal neu aufstellen zu müssen während der Nacht. Gaz hatte wahrscheinlich etwas schlecht Verdauliches gegessen, da er uns das Atmen sehr beschwerlich machte. Humpe, Schmacht und ich gingen abends noch in die Stadt. Humpe wollte um jeden Preis den Abend mit einer Dame verbringen und so sprach er eine Weile während einem Dorfmusik-Konzert mit einem netten Persönchen, kam aber entsetzt zurück; sie hätte sich entschuldigt, als er sie in ein Dancing einladen wollte, denn sie befinde sich im 6. Monat schwanger. Wir lachten ihn kein bisschen aus (Witz!) und spazierten weiter. Dort schaute uns ein weiteres Persönchen lächelnd an, lief uns vor, schloss ihren Souvenir-Laden, lief uns wieder vor und auf der anderen Strassenseite zurück, bis Humpe sie wieder in ein Dancing einlud. Er erhielt aber wieder einen Korb. Zwar gab das Fräulein zu, uns anomiert zu haben (nach Student Bruno Wick!), müsste aber morgen wieder früh im Laden sein und so gehe es leider eben nicht. Ein zweites schallendes Gelächter erscholl in den nächtlichen Strassen von Le Touquet. Humpe schlug um halb elf vor, zum Zelt zurückzukehren, und das taten wir denn auch!

18. Juli: Überfahrt nach England: Nachdem wir das Zelt abgebrochen hatten, fuhren wir auf Nebensträsschen der Küste entlang nach Boulogne, und von dort nach Calais. Um 12’30 Uhr mussten wir dort sein zum Einschiffen, und um 14’30 Uhr fuhr der Auto-Carrier ab. Am Zoll ging alles ohne Zwischenfall. Die Fähre war ein kleines, uraltes Boot. Alle Wagen wurden mit einem Kran an allen vier Rädern hochgezogen und in den Schiffsbauch hinuntergesenkt. Wir assen auf dem Schiff bei sehr ruhiger See zu Mittag und landeten glücklich in Folkstone. Dort hatten wir am Zoll grösste Troubles: Wir hatten in Zürich für den Mietwagen die Versicherungspolicen nicht erhalten. So mussten wir eine neue, englische Autonummer kaufen. Mein Kamerad rechts, Schmacht, vermochte mit seiner gebrochen englischen Redegewandtheit sogar dem Hafenoffizier selbst zu überzeugen, dass wir nur 2 ½ und nicht 5 engl. Pfund zu zahlen hatten. Um 7 Uhr konnten wir den Hafen verlassen und fuhren auf einer erstklassigen Strasse Canterbury zu, wo wir die weltberühmte Kathedrale bestaunten. Von dort fuhren wir nach Faversham, wo Gaz von den Skiferien in Arosa her eine Arztfamilie kannte, die er besuchen wollte. Der Mann, Mr. Brittain, hiess uns alle willkommen und stellte uns seinen Park zur Verfügung, um dort unser Zelt aufzustellen. Er lud uns abends zudem in ein Restaurant und zahlte jedem von uns ein Bier (wobei zu sagen ist, dass ich sogar Schützengarten-Bier jenem überlegen fühle!), und anschliessend noch ein paar Schnäpse! ....
 
19. Juli: Anderntags kam morgens früh ein maximales Mamsellchen die Hühner, Schweine und Gänse füttern, was jedoch Humpe nicht hinderte, hinter ein Tomaten-Treibhaus zu pfunden!! Nach einem echt englischen Frühstück (das Beste unserer Englandreise überhaupt!) verabschiedeten wir uns, nachdem wir Mrs. Brittain noch ein grosses Blumenbouquet überreicht hatten.

Dann fuhren wir der grössten Stadt der Welt, LONDON entgegen. Dort schauten wir uns als erstes die St. Pauls Cathedral an, lasen beinahe an jeder Türe „Closed“, setzten Gaz in einem Bahnhof ab, um nach Coventry in die Ferien zu Bekannten zu reisen. Dann rauschten wir restlichen Fünf ab nach Southend on Sea, um dort am Meer das Wochenende zu verbringen. Southend on Sea ist der Ferienplatz der mittleren und vor allem unteren gesellschaftlichen Schichten: Ziemlich naiver Betrieb, viele Betrunkene! Humpe erhält einen neuen Korb beim Früchtekaufen, als er einem netten Frauchen in die Zeitung sieht und nach der Bedeutung eines ihm (uns nicht!) unbekannten Wortes fragte. Sie blickte ihn so dumm als möglich an und lief grinsend weg! Wir waren der Gefahr nahe, vor Lachen und Schadenfreude zu zerplatzen.

20. Juli: Wir schliefen bis 10 Uhr, dann begaben wir uns in die Kirche um am Nachmittag baden zu gehen. Der Sonntag war bald vorbei und nur Humpe und ich gingen abends noch in die Stadt, brauchten aber keinen Penny Geld und kehrten todmüde um 11 Uhr zum Zelt zurück.

21. Juli: Fahrt nach London. Wir bestaunten Westminster Abbey, Houses of Parliament und die dort herumliegenden Sehenswürdigkeiten. Dort trafen wir noch Obi’s Vater (Auch Minerva wie Gaz!) und rollten dann hinaus nach Rickmansworth nordwestlich von London, wo wir unser Zelt auf dem Camping aufstellten. Direkt neben unserem Zelt war ein grosser Weiher, wo wir baden konnten und dies auch voll ausnützten. Wir wuschen uns einmal vom Scheitel bis zur Sohle und sprangen dann eingeseift in den Pool hinein. 
 
22. Juli: Frühe Tagwache, um auch früh nach London gehen zu können. Bis dann aber Humpe und Freddo noch ihre obligatorischen 2 Stunden gefressen (Entschuldigung!) hatten, war es wieder einmal halb Zwölf geworden. Wir fuhren mit dem Wagen bis nach Hatchend, eine der nächstliegenden Untergrundstationen, und dann per Bahn in die Stadt. Freddo traf ein Fräulein aus Waldkirch, welche ihm die Stadt zeigte (hm, hm), und wir teilten uns in 2er Gruppen auf. Schmacht und Gnüssli verschwanden bald im Gewühle des Picadilly Circus.

Humpe und ich begaben uns in den Tower of London, wo wir die ganze Anlage einer genauen Besichtigung unterzogen. Wir wanderten anschliessend noch durch den Queens Park, sahen Buckingham Palace mit seinen Wachen, und assen in der Victoria Street, zu Fuss etwa 5 Minuten von Westminster Abbey entfernt, ein relativ gutes aber spärlicheres Abendessen. Dann probierten wir die roten Londoner „double decked“ Busse aus, und ein anderer Bus brachte uns wieder an den Picadilly Circus zurück. Dort entschlossen wir uns, in ein Kino zu gehen. Wir sahen zuerst einen sehr lehrreichen Film über Leonardo da Vinci und nachher „Gift Horse“, einen englischen Kriegsfilm von der Marine. Während des Films hatte sich Humpe an eine Holländerin herangemacht. Er verliess plötzlich das Kino mit der lächerlichen Frage: „Wötsch au mit cho?“ Ich zog es vor, mir den Film fertig anzusehen.

Nach dem Film patrouillierte ich einige Male gelangweilt Picadilly Circus – Leicester Square hin und zurück. Plötzlich sprach mich einer an und begann freundlich mit mir zu plaudern, über Switzerland, über Old England und kam dann endlich zur Pointe, indem er mich in einen Club einführen wollte, wo ich mich nicht langweilen müsste, wie hier beim auf und ab spazieren. Er faselte mir von schönen Frauen vor, vom nichts kosten ausser einem Monatsbeitrag von 1 Pfund etc. Schliesslich versprach ich ihm, morgen abend zu kommen, denn heute gehe es leider nicht, weil ich mich mit meinen Freunden um 24 Uhr in der Untergrundstation treffen wollte. Dann traf ich per Zufall Schmacht und Gnüssli, mit denen ich in den Seitengässchen die in Feierabendstimmung wartenden Schönheiten Londons ärgerte! Genau wie in Paris!

Um 12 Uhr fehlte Humpe, und wir mussten ohne ihn abfahren. Plötzlich fanden wir ihn aber in einer späteren Station, wo wir umzusteigen hatten. In Hatchend angekommen, sahen wir, dass unser Schweizerfähnchen am Wagen geklaut worden war und fuhren voll Groll darüber hinaus zu unserem Zelt. Da es furchtbar heiss gewesen war an diesem Tag, beschlossen wir, am nächsten Tag im Camp zu bleiben um vor allem zu baden.

23. Juli: Heute standen wir erst um 12 Uhr auf. Nachdem ich mich nach dem Baden um 7 Uhr wieder vor‘s Zelt an die etwas spärlich wärmende Sonne gelegt hatte, gab es ein kombiniertes Morgen- und Mittagessen, das, Abwaschen eingerechnet, erst um 15’15 Uhr beendet war. Wir schrieben dann heim, spielten Ping Pong, badeten und beschlossen, anderntags das Zelt abzubrechen und in die Stadt zu fahren und in einem der Parks zu übernachten.

 

 

24. Juli: Wir schauten uns nochmals die Stadt London vom Wagen aus an, die vielen schönen Hotels und Bahnhöfe. Auch wurden wir mit dem Spektakel einer Wachtablösung vor dem Buckinghampalace beglückt, wobei wir so lachen mussten, dass Passanten uns furchtbar vorwurfsvoll anschauten. Den Abend verbrachten wir im Pleasure Garden von London, wo wir plötzlich schweizerdeutsch angehauen wurden. Wir luden die beiden, es war eine Heidenerin und eine Italienerin zu einem Tee (!) ein und machten auf den folgenden Tag ab. Auf der Fahrt zum Hause der Beiden konnte sich Veto beherrschen und sprach zum Gaudi der Kollegen mit der Heidenerin unter anderem über das „English Money System“, während links von ihm Humpe mit der Italienerin eher den Vulgo „Sutt“ verdient hätte. Dann stellten wir unseren Wagen in einen noch offenen Park Londons und schliefen dort im Wagen. Humpe war es zu unbequem und legte sich im Schlafsack in einen nahen Liegestuhl hinaus. Wir hatten noch nicht 2 Stunden geschlafen wurden wir um ca. 3 Uhr von einem Bobby verjagt. Humpe, der im Park im Liegestuhl schlief, brauchte eine extra Einladung, mit der sich Humpe aber glänzend aus der Affäre zog, indem er wiederholt zum Bobby sagte: „ Don’t speak so quickly, J’m here a foreigner and J cannot understand you!“ Nachdem der Bobby aber dann etwas von „arresting you“ schwatzte, wurde es Humpe doch zu bunt und er kam zum Auto zurück und wir verliessen „Queens Ground“. 
 
25. Juli: Wir beschlossen zu dieser frühen Stunde, den Fish-Market in Billingsgate zu besuchen! Wir wurden aber sehr enttäuscht, als wir nur ca. 10 bis 15 Lastwagen dort stehen sahen mit Chauffeuren, die darin schliefen!!! Dann besuchten wir den Gemüsemarkt. Dieser war riesengross, aber auch hier sahen wir nichts Aussergewöhnliches. Nach einem kurzen Morgenessen an einer Bar mitten im Markt fuhren wir in den Hydepark und schliefen bis 12 Uhr. Nachdem wir uns noch im Strandbad des Hydepark, mitten in der Stadt, erfrischt hatten, begaben wir uns an die Nordost Ecke des Hydepark, wo die so viel beschriebenen Diskussionen stattfinden und amüsierten uns ganz gut. Es war lustig, wie Redner, meistens Proleten, die paradoxesten Sachen behaupten konnten. Abends gingen wir mit den zwei Ladies tanzen, wobei Gnüssli „die Gefahr scheute“ und 2 Stunden im Wagen schlief. Auf der Heimfahrt musste ich dann meinen Kollegen beweisen, dass ich (wenn es sein muss allerdings nur!) in Sachen Wärme auch mithalten kann! Um ½ 12 starteten wir nach Denham im Westen von London, wo wir unser Zelt aufschlagen wollten. Nach ungefähr 2 Stunden Suchen glaubten wir, den Zeltplatz gefunden zu haben, dass wir momentan aber die Einzigen Camper sein müssten. Am Morgen stellten wir dann fest, dass wir unser Zelt ca. 200 m neben dem richtigen Zeltplatz aufgestellt hatten!!
 
26. Juli: Wir machten uns auf die Fahrt nach Coventry, um Gaz wieder abzuholen. Wir fuhren über Oxford, der weltberühmten Universitätsstadt, Stratford-on-Avon, dem Geburts- und Wirkungsort Shakespeares, und Warwick, mit seinem berühmten Schloss, nach Coventry. Nach Oxford stoppte uns ein Wanderer am Wegrand. Es war Fix aus St. Gallen. Er war bis letzten Frühling auch an unserer Kantonsschule gewesen. Wir staunten ob dem Zufall und nahmen ihn bis Coventry mit.

Dort trafen wir Gaz allein zu Hause seines Gastgebers, mit 3, in Worten DREI, Freundinnen zu Besuch. Der Hausbesitzer war in die Ferien gegangen und so hatte er Gaz die Hausschlüssel gegeben und wir fünf, die da kommen sollten, seien herzlich eingeladen. Die einen gingen dann baden, ich mit Humpe und Gaz zog es vor, etwas Englisch zu plaudern. Abends luden wir die Mädchen ins Kino ein, was sie gerne annahmen. Es war „Atoll K“, ein schlechter Laurel und Hardy Film, über dessen Faulheit und Blödsinn wir mehr lachten als über die Witze im Film. Welch ein herrliches Gefühl wir hatten, wieder einmal in einem richtigen Bett zu schlafen!! Fix schlief in unserem Wagen.

27. Juli: Um ½ 10 wurden wir vom „Hauswart“ Gaz aus einem göttlichen Schlaf gerissen, nachdem wir nun schon genau 14 Tage lang im Zelt auf Mutter Erde oder im Auto geschlafen hatten. Wir besuchten um 11 Uhr die Spätmesse in einem kleinen Diasporakirchlein und fuhren dann, natürlich von der holden Weiblichkeit begleitet, zurück nach Stratford-on-Avon, um uns die Geburts- und Wohnstätte Shakespeare’s etwas besser anzusehen und assen dort einen obligatorischen Z’vieri, indem Brot, Butter, Tee und Patisserie aufgetragen wurde, ohne dass wir etwas bestellt hatten. Da die drei Ladies noch nicht 18 waren, blieb uns nichts anderes übrig, als sie wieder ins Kino einzuladen, wo wir uns mehr oder weniger unterhielten. Nachher fuhren wir noch etwas vor die Stadt hinaus, wo wir in einer Bar etwas gegen den Durst tranken.
 
28. Juli: Wir schliefen lange in den Tag hinein und gingen um 11 Uhr in die Stadt einkaufen. Um 16’15 Uhr war dann die letzte Tasse auch wieder abgetrocknet. Anschliessend konnten wir uns noch etwas gütlich tun bei einer Cigarette bezw. Stumpen und einer Diskussion, ob Gnüssli eigentlich immer das Gegenteil der anderen behaupte oder nicht!

Um 18’30 Uhr hatten wir mit den 3 Girls abgemacht, um ihnen „Good By“ zu sagen. Um Kilometer zu sparen gingen wir nochmals (!) ins Kino und verabschiedeten uns dann von Shirley, etwas mehr als vollschlank, Barrel, dem rassigen Italienertyp und Daphne, der hübschesten von allen, mit dem einem fast zur Verzweiflung bringen könnenden, himmelblauen Augenpaar.

29. Juli: Wir machten uns auf den Weg zu Pat’s (dem Hausbesitzer unseres Logis in Coventry) Ferienplatz: Pwllheli, in Nordwales. Er war dort in einem Butlin’s Camp; das „Butlins Holyday Camp of Pwllheli“ ist eine kleine Stadt. Im Zentrum stehen grosse Restaurants, Speisesääle, Tanzsääle, ein grosses Schwimmbad, ein Theater und ein Kino. Darum herum stehen etwas 3000 kleinere, einräumige Ferienhäuschen, die man mieten kann. Nun in diesem Camp waren Pat und Frau, Pat’s Bruder mit Frau und deren Schwester. Diese hiessen uns willkommen, nahmen uns freundlich auf und hatten es fertig gebracht, dass wir für 2 ½ Shilling pro Tag dort 2 Tage verbringen durften.

Nun aber noch zurück zur Reise: Wir fuhren von Coventry, wo wir wegen Betriebsferien die Standardwerke leider nicht besichtigen konnten, über die riesigen Industriestädte Birmingham und Wolverhampton nach Shrewsbury und Llangollen, dann über einen kleineren Pass, der uns ganz an schweizerische Landschaften erinnerte (nur dass die Viertausender am Horizont fehlten) zur Westküste Englands nach Porthmadog und von dort auf eine Halbinsel nach Pwllheli. Wir schlugen unser Zelt etwa 2 km vom Butlin’s Holyday Camp entfernt auf, und assen dann noch mit Pat, Erique and Co in Pwllheli Fish and Chips!!

30. Juli: Um 10 Uhr fuhren wir im Camp ein und begaben uns sofort in den Ballroom, wo aber gerade Frühturnen war. Wir besichtigten nun mit unseren Freunden das Camp und assen um 12 Uhr ein gutes Menu!! Nachher besuchten wir bis das Tea-Dancing begann das Pig and Whistle, das Hauptrestaurant, wo es vor allem Schmacht schon sehr gefiel. Die grösste Überraschung brachte uns aber der Abend, wo wir die sonst so steifen Engländer kaum mehr kannten: Von 10 – 11 pm ist jeden Abend, gut organisiert von einem Conférencier, ein Tumult im Ballsaal, dem Viennese Ballroom, wie er bei uns höchstens an der Fastnacht, und auch dann nur selten, zu sehen ist. Da wird gesungen, getanzt, geschaukelt, gegröhlt, geklatscht, ein regelrechtes Austoben der jungen Leute. Und Schmacht stand strahlend mitten drin im Gewühl und gröhlte mit, so viel er herausbrachte. Dies war allerdings nicht ganz verwunderlich, da er im Pig and Whistle etwas zu tief ins Glas geschaut hatte. Gaz und Veto hatten zwecks Erlernung der englischen Sprache mit zwei Ladies angebändelt und erschienen als letzte um ½ 12 beim Auto.
 
31. Juli: Um 2 pm fuhren wir wieder im Camp ein. Wir schauten uns zuerst drei Wrestling Matches (Catch as Catch Can) an, wo so gerungen wurde, wie das Publikum die grösste Freude hatte. Nicht nur einmal flog Gegner und selbst der Schiedsrichter in hohem Bogen aus dem Ring; auch er selber flog wenig später selbst hinaus. Auf alle Fälle erlitt keiner der drei etwelchen Schaden. Dann gingen wir wieder tanzen. Gaz und Veto trafen ihre Liebsten wieder und dann besuchten wir alle zusammen noch das Theater. Nach einem Kurzbesuch im Pig and Whistle wohnten wir nochmals dem Tumult im Viennese Ballroom bei, um uns dann von unseren Freunden zu verabschieden, uns herzlich für alle ihre Bemühungen zu bedanken und fuhren dann zu unserem Zelt zurück. 
 
1. August: Um 10 Uhr fuhren wir in Pwllheli ab Richtung Bristol und Muus. Wir folgten der Route Porthmadog – Harlech (hier besuchten wir noch ein herrliches, mittelalterliches Schloss) – Dolgelly – Welshpool – Leominster – Hereford - Gloucester – Bristol. Auf der ganzen Reise sahen wir fast in jeder grösseren Ortschaft wunderschöne Kathedralen, von denen wir jene von Gloucester besichtigten. Alle waren in gotischem Stil erbaut, mehr oder weniger reich verziert. Vor Bristol sahen wir noch den Industriekomplex der „Bristol – Engineering“ (das sind die De Havilland - Werke, wo unser Jagdflugzeug „Vampire“ hergestellt wird) und deren Flugplatz, wo eben ein Helikopter mit zwei Schrauben für Personentransporte unter Dach gebracht wurde. Wie in Coventry hatten wir wieder Pech: Am Nachmittag war die letzte Führung durch die Werke gewesen, ab morgen Samstag sind Betriebsferien! Um 22’30 Uhr ist der Zeltplatz gefunden und das Zelt aufgestellt.

2. August: Um den Mittag herum fahren wir in die Stadt. Wir kaufen noch Lebensmittel ein und fahren dann zu Norma Roth v/o Muus aus Uzwil, die mit Humpe gut befreundet ist. Leider ist niemand zu Hause und es stellt sich heraus, dass sie etwa 12 Meilen ausserhalb Bristol mit ihrer Herrschaft in den Ferien ist. Wir sehen uns die grässlich zusammengeschlagene Stadt an, den Hafen, die Kathedrale, die Universität. Nach einem Nachtessen geht Freddo und Veto in einen ausgezeichneten Fliegerfilm: „Jet Men in the Air“, einen Film über die Ausbildung amerikanischer Militärpiloten. Die anderen gehen tanzen. Um 22’30 Uhr Abfahrt zum Zelt hinaus!

3. August: Um 11’00 Uhr besuchen wir die Spätmesse in Bristol, wo wir allerhand Sehenswertes vor die Augen bekamen. Humpe geht per Bus zu Mus hinaus und wir schauen uns nochmals die Schönheiten der Stadt an, um nach Humpes Rückkehr wieder zum Zelt hinaus zu fahren.

4. August: Aufbruch in Bristol!! Fahrt über Bath und Salisbury nach Southampton. In Bath machen wir 2 Stunden Aufenthalt, wo wir das noch sehr gut erhaltene und teilweise wieder ausgegrabene Römerbad mit der heissen Quelle besichtigen. Ca. 10 Meilen ausserhalb von Southampton finden wir einen wunderbaren Zeltplatz an einer Meeresbucht. Wir haben Zeit genug, um sogar einmal mit Holz abzukochen. Romantische Stimmung abends: weit und breit allein um ein kleines Feuerchen am Meer!

5. August: Nachdem wir uns im Meer gebadet und ein kombiniertes Morgen- und Mittagessen verspiesen hatten, brachen wir das Zelt ab und fuhren in die Stadt mit dem grössten Kolonialhafen Englands. Wir schauten uns den Hafen an, sahen die Queen Mary. Gnüssli, Freddo und Humpe hatten Glück, eine Spezialbewilligung von der Hafenpolizei zu erhalten und konnten so den ganzen Hafen anschauen; sie sahen Truppen sich nach Korea einschiffen, amerikanisches Kriegsmaterial ausladen, sahen die Trockendocks etc. Abends fuhren wir weiter nach Portsmouth, wo wir vom Hügel hinter der Stadt auf diese hinunterblicken konnten und die Kriegsflotte im Hafen liegen sahen. Dann fuhren wir gleichentags weiter nach Brighton, wo wir den grössten Zeltplatz von ganz England antrafen und unser Zelt aufstellten.

6. August: Am Morgen mussten wir wieder einmal ausschlafen und so standen wir erst etwa um 10 Uhr auf. Die einen gingen Baden, die anderen in die Stadt. Ich ging wieder einmal Klavier spielen in den kleinen Tanzraum mitten im Camp. Dann lernte ich die Wahrheit des Liedes kennen: „Man müsste Klavier spielen können, um Glück zu haben bei den Frau’n ....!“ Bald wurde ich in ein reges Englischgespräch „verwickelt“ mit Barbara, einer bildhübschen Engländerin. Wir waren uns schon einig, abends zusammen tanzen zu gehen, als bei ihr Besuch kam und sie nicht zum Tanzen mitkommen durfte. Voll Unmut lege ich mich abends ins Zelt, und Gnüssli leistet mir Gesellschaft, während die vier anderen in die Stadt gehen und ein Festchen bauen.

Mitten in der Nacht werden wir von den Vieren im Tenu eines Pappenheimers aufgeschreckt, nur noch mit der Unterhose bekleidet, ein Taschentuch auf dem Kopf und ein Bündel Kleider am Arm! Einige hatten etwas zu viel Sidre, Beer and Gin konsumiert, das daraus hervorgeht, dass einer für einen Shilling der ersten besten einen Kuss geben wollte, aber anstatt dem Sh eine schallende Ohrfeige einkassierte! Dann kam noch ein interessantes Rededuell zwischen Freddo und Schmacht zustande, in welchem Schmacht Freddo zum Wagen hinaus werfen wollte um endlich schlafen zu können, während Freddo noch in aller Ruhe einen Landjäger essen wollte. Als dann unsere Nachbarn um Ruhe gebeten hatten und alle im Zelt waren, beklagte sich Freddo noch bitter über diejenigen, die auf seiner Wolldecke Poker gespielt hätten; sie hätten ihm in seine Wolldecke einen „Bugg“ (kein Druckfehler) gemacht.

7. August: Ich ging wieder ziemlich früh Klavier spielen und wartete sehnlichst bis der Besuch endlich fort ging. Dann lernte ich noch Cliff, Erwin, Betty, Carrol, Doreen, Michael and Jim kennen. Am Nachmittag gingen alle anderen ins Kino; ich ging mit Barbara in die Stadt. Den Abend verbringen wir in dem kleinen Saal des Camp, mit einer Ausnahme, die dann leider von Gaz aufgestöbert wird, der aber zum Trost noch zu einem Geschenklein kommt.

8. August: Im Laufe des Vormittags mussten wir das Zelt abbrechen und (besonders Veto) hielten den Abschied von Cliff, Erwin, Barbara, Carrol und Betty in einer schlichten Feier fest. Dann machten wir uns auf die Fahrt nach Dover, die wir zweimal kurz unterbrachen: das erste Mal um dem stürmenden Meere zuzuschauen, wobei sich ein paar ganz wuchtige Wellen nicht ganz an der Quaimauer brechen liessen und uns eine Menge Gischt und Salzwasser nachschleuderten, sodass sogar einige die Kleider wechseln mussten und wir vor lauter Salz an den Scheiben nicht mehr zum Wagen hinaus sehen konnten. Das zweite Mal hielten wir an um von einer Anhöhe oberhalb Folkestone auf den Hafen zu blicken, wo wir unsere Englandreise begonnen hatten!! Etwa 2 km vor Dover stellten wir unser Zelt auf in einem Zeltplatz gerade neben einer Wirtschaft. Als wir das Zelt aufgestellt hatten, marschierten wir sofort in die Beiz mit der festen Absicht, nicht bloss einen einzigen „Sidre“ zu trinken. Um ½ 11 Uhr waren die Zustände etwas verworren, und einer wollte zeigen, dass er immer noch gerade marschieren könne. Ein anderer oder auch der gleiche wurde müde und legte sich lang in die Wiese vor dem Zelt, während die anderen ihn eine Viertelstunde lang suchten (und unter anderem anstatt Liebespäärchen Büsche angeschlichen hatten). Endlich fanden sie ihn, nachdem er einen eher einem Röcheln ähnlichen Couleurpfiff siffliert hatte! Dann ärgerte sich dieser jemand grässlich über die Zeltschnüre und brach schliesslich das ganze Zelt in weniger als einer Sekunde ab, indem er einfach der Länge nach aufs Zelt stolperte. Bilanz: 2 Zeltstangen gebrochen und ein Gelächter der Kollegen, dass alle Leute zu ihren Zelten heraus schauten! Man stellte das Zelt dann anstatt mit zwei mal 4 Stangen mit zwei mal nur 3 Stangen auf. Zum Unglück begann es am Morgen fürchterlich zu regnen, und da das Zelt nicht richtig aufgestellt war, wurde es innen und aussen total nass.

9. August: Nachdem wir unter grösstem Regen das auf Halbmast stehende Zelt abgebrochen und nass eingepackt hatten, begaben wir uns nach Dover in den Hafen zum Einschiffen. Wir fuhren in ein ganz neues Schiff, die Saint Germain, hinein und harrten der Dinge, die bei dem hohen Seegang da kommen sollten. Endlich fuhr die Fähre aus dem Hafen und sofort begann eine an Heftigkeit immer zunehmende Schauklerei in der sich Gnüssli und Schmacht am ruhmlosesten aus der Affäre zogen und in der Reling hängend ein ganz klägliches Bild boten!! Gnüssli behauptete zwar immer, er sei nicht seekrank, ihm sei nur übel! Nach 3 ½ stunden landeten wir mehr oder weniger wohlauf in Dünkirchen und sahen dort den total zerstörten Hafen. Wir fuhren sofort nach Belgien, über Ostende nach Brügge. Dort schauten wir uns die alte flämische Handelsstadt mit den schönen Häusern und Kirchen und den romantischen Kanälen an. Ein Polizist, der schon mehrmals in der Schweiz gewesen war, zeigte uns einen Platz unter einer Eisenbahnbrücke, wo wir unser Zelt aufstellen und gleichzeitig trocknen lassen konnten. Veto leistete dann wieder einmal etwas produktives und hatte eine gute Idee, die zerbrochenen Zeltstangen zu reparieren. In der Stadt trafen wir noch einen Flamen, der uns ein Bier bezahlte, weil wir mit ihm einig waren, dass 24 Monate Rekrutenschule zu lange seien. Heute war im ganzen Land ein Streik gewesen deswegen. Dann lasen wir noch in Schaufenstern allerhand, was uns zum Lachen brachte, so zum Beispiel „Usnameverkoop the Spottprijzen“, oder „En Truck on te boom doodt vliegen an muggen!“ usw.

10. August: Kirchenbesuch in der Kathedrale von Brügge mit einer flämischen Predigt (The ter Mother van den goten Roth bist van uns). Dann reisten wir auf einer riesigen Autostrasse gegen Gent weiter. In Gent schauten wir uns wieder die alte schöne Stadt mit den vielen Kirchen an. Dann besuchten wir noch die Stadtfeste, die teilweise aus dem 8. Jahrhundert stammt und ein wunderbares Schloss mit wuchtigen Türmen und Wehrgängen. Dann fuhren wir nach Bruxelles, wo wir Happy und Silent, zwei Klassenkameraden besuchten. Die Leute, wo diese zwei in den Ferien weilten, waren ungemein freundlich und je zwei von uns durften bei den zwei schlafen und essen. Jaques, der Sohn der Familie, wo Happy in den Ferien war, zeigte uns die grössten Sehenswürdigkeiten der Stadt.

11. August: Am Morgen früh versuchten wir ein Visum zur Durchreise durch Deutschland zu erhalten. Jedoch hätte dies 2 weitere Tage Aufenthalt bedeutet, weil sie soviel Arbeit hatten, dass es mindestens zwei Tage gebraucht hätte, bis wir die Visen bekommen hätten. So schauten wir uns noch das Waffenmuseum an, in welchem wir schon die meisten Waffen aus dem letzten Krieg sehen konnten. Dann fuhren wir nach Bastogne (wo in der Frühjahrs – Classique Liège - Bastogne – Liège unser „Ferdi National“ jeweils so hervorragend kämpft). In Bastogne selber sahen wir, dass ca. 90% der Häuser neu waren und auf dem Hauptplatz stand ein grosser amerikanischer Tank auf einem Steinsockel als Denkmal an die Befreiung durch die Amerikaner, nachdem die Deutschen die Hälfte der Bevölkerung füsiliert hatten. Wir stellten unser Zelt ca. 5 km ausserhalb Bastogne auf.

12. August: Wir setzten unsere Heimreise über Luxembourg fort, wo wir 2 Stunden Aufenthalt machten und uns die schöne Stadt etwas beaugapfelten. Dann fuhren wir weiter nach Namur, wo wir die mittelalterliche Festung (gemäss Veto wurde diese im 1. Weltkrieg noch benutzt) besichtigten.

Veto kaufte sich in Namur ein Schweinsfüsschen. Schmacht und Gaz redeten nun solange auf Veto ein, dies sei doch grusig und unappetitlich, mit Scheissdreck zwischen den Zehen usw., bis Veto von Ekel ergriffen das Ganze zum Fenster hinaus in die Mosel warf, worauf die guten Kollegen sofort zu jammern begannen, sie hätten doch auch gerne davon gehabt... .

Dann fuhren wir gegen Nancy, um Werner Bulacher v/o Punkt, einen anderen Klassenkollegen zu besuchen. Leider war er gerade beim Fischen und wir mussten unverrichteter Dinge wieder weiterfahren.

Wir fuhren bis ca. 10 km nach Epinal, wo wir noch den amerikanischen Militärfriedhof in Europa besucht hatten. Etwa 5000 – 6000 weisse Marmorkreuze zeugen vom letzten Kriege und es kommen noch immer neue dazu. Ein riesiges Denkmal wird gebaut und die Anlage liegt mitten in den Wäldern der Vogesen. Uns lief es allen kalt den Rücken hinab beim Anblick dieses Heeres von weissen Marmorkreuzen. 

13. August: Wir traten um ca. 11’30 Uhr die letzte Etappe unserer Heimreise über Mühlhausen – Basel – Zürich an, mit einem Halt in Zürich. Wir erreichten die Schweizergrenze um ca. 2 Uhr und Wil um 7 Uhr. Um 9 Uhr lud Freddo mich als Letzten in St. Finden ab und unsere Reise war zu Ende.

 

Rückblick:

Dass wir uns entschlossen hatten, mit einem Wagen zu gehen, war das einzig richtige gewesen. Ohne Zelt und Verpflegung von Zuhause hätten alle zu wenig Geld gehabt.

Der Wagen lief tadellos, wir hatten nie eine Panne oder so etwas gehabt, auch nie einen Nagel!

Wir Sechs unter uns haben einander näher kennen gelernt und praktizierten wahre Freundschaft. „Wir haben uns von jedem ein Bild gemacht“, wie wir jeweils zu sagen pflegten.

Das Wichtigste von allem, die Sprache, haben wir zünftig geübt und es fällt allen leichter, sich englisch auszudrücken und die Idee mit dem Zahlen für jedes deutsche Wort war nicht die schlechteste Idee der Reise, nur war sie nicht immer durchführbar. Mindestens war es ebenso interessant, mit einem English Girl englisch zu lernen wie in der Schule mit einem Buch in der Hand.

Auf alle Fälle darf die Reise als völlig gelungen bezeichnet werden und jeder von uns wird sich in Zeiten des Schanzens und Ochsens auf die nun näher rückende Matura gerne der Zeiten erinnern, wenn wir den Autolenker gefoppt haben, den Witz vom grösseren Wagen, oder von den Fladen in den Strassen erzählt haben und Gnüssli’s Witze Renaissance feierten.

 

Sig. H. Gadient


Soweit also mein Bericht aus dem Jahr 1952.

 

 

 

Bemerkungen des Schreibers aus heutiger Sicht, Sommer 2002

 

Beim Abschreiben dieses Reiseberichts und beim Korrigieren meines PC – Ausdrucks hatte ich viel Zeit zum Nach­denken. Ich schwelgte in Erinnerungen an eine ausserordentlich glückliche Zeit. Und gar Manches ging mir durch den Kopf.

Jedes Mal, wenn im Bericht Humpe erwähnt wird, und er wird fast am meisten von uns allen erwähnt, gab es mir einen kleinen Stich, denn ich wurde mir immer wieder bewusst, dass er als Einziger von uns nicht mehr unter uns weilt. Er war uns damals ein guter und treuer Freund, etwas eigenwillig zwar, aber wer von uns ist das nicht? Und ist nicht gerade Eigenwilligkeit auch ein frühes Merkmal von starker Persönlichkeit? Wir wollen bei dieser Gelegenheit an Humpe denken.

Mir fiel aber auch auf, dass ich diesen Bericht damals wahrscheinlich als Information sicher an meine Eltern, aber auch an jene meiner Kollegen gedacht haben muss, denn ich habe das Tun und Lassen vor allem von mir, aber auch jenes meiner Kollegen in der Darstellung derart geschönt, dass ich es mir nicht anders erklären kann. Aus heutiger Sicht habe ich damals, wenn überhaupt, vor allem die Geschichten mit Mädchen und von Trinkgelagen nur deshalb derart diskret beschrieben.

Andrerseits war ich erstaunt über das Erwähnen von vielen, für die Reise eigentlich eher belanglosen Einzelheiten, wie beispielsweise die sonntäglichen Kirchenbesuche, oder wie lange wir jeweils ausschliefen etc.

Auch ist auffallend, dass der Bericht die Erlebnisse, je länger die Reise geht, um so summarischer festhält. Am Anfang finden sich noch Details, gegen Ende scheint der Schreiber müde geworden zu sein.

Ich habe den Bericht erst nach dem Verfassen des Einladungsbriefes wieder gelesen! Nach der Lektüre musste ich feststellen, dass verschiedene, über alle die Jahre in meinem Gedächtnis am stärksten hängengebliebene Reiseeindrücke im Bericht teilweise nur am Rand oder dann überhaupt nicht erwähnt werden. Im Brief habe ich aber gewisse Erlebnisse ganz aus dem Gedächtnis erwähnt! Ich möchte dies an folgenden Beispielen zeigen:

  • Gaz‘ Jodlerfestkater und sein tiefer Schlaf der Gerechten von St. Gallen bis Paris!
  • Humpes gewaltige Proviantkiste, die, weil er in Wil als Letzter einstieg, kaum mehr Platz im VW-Bus hatte!
  • Auto-Freaks, welche wir vor dem Abfahren immer wieder unter dem damals sensationellen VW-Bus hervor holen und denen wir unseren Spruch von „the engine at the back“ und der „air-cooling“ herunterleiern mussten.
  • Die dauernden Abstimmungen über alles und jedes, ob jemand Wasser lösen durfte oder nicht, und was besichtigt werden sollte, wann gegessen wurde usw.
  • Die minutiöse Kontrolle bei der Einreise in England und die damit zusammenhängenden Umtriebe mit der Versicherung und der englischen Autonummer sowie vor allem auch die Abgabe von Rationierungmarken, weil Verschiedenes auch 7 Jahre nach dem Kriegsende immer noch rationiert war.
  • Die damaligen Zerstörungen in London, vor allem um die St. Pauls Cathedral herum (Bilder, welche bei meinen vielen späteren Aufenthalten in London immer wieder aus dem Unterbewusstsein auftauchten)!
  • Die neu möglich gewordene Urbanisierung des Stadtkerns von Coventry, nachdem die Stadt während des Krieges derart stark zerstört worden war.
  • Die ewigen Kelloggs Corn Flakes mit Milch sowie dauernd Bacon and Egg aus dem Spritkocher! Dinge, die ich jahrelang nicht mehr ausstehen konnte!
  • Das Zelt eines Morgens bei Flut ganz wenig im seichten Meerwasser, weil es nachts bei Ebbe aufgestellt worden war. (War es ausserhalb von Southampton?)
  • Die Geldknappheit, vor allem bei mir und Gnüssli!
  • Humpes Tabletten gegen Akne, die ihm eine Apothekerin angedreht hatte. „Flavour of Sulphur“ hiessen sie, die seine Windproduktion so effizient und infernalisch übelriechend werden liessen.
  • Die nächtlich verlorene Wette von Schmacht, aus dem Linienbus auszusteigen und an den Bus zu pinkeln mit der anschliessenden Ohrfeige des Buschauffeurs... .
  • Humpes und mein Einkauf eines Zweireihers, seiner rostrot, meiner beige/braun.

 

Wahrscheinlich kämen in einem Brainstorming noch viele weitere Reminiszenzen aus unserem tiefen Unterbewusstsein zum Vorschein... .

Ich meine, es war für die damalige Zeit relativ kurz nach dem zweiten Weltkrieg eine gewaltige Reise, ein richtiges Unternehmen, das wir anpackten. Es ist unseren Eltern hoch anzurechnen, dass sie Verständnis dafür hatten und uns ziehen liessen. Unser nachträglicher Dank dafür soll sie beim Frohlocken auf ihren Wölklein nochmals erfreuen.

Es war aber auch ein gewisses Risiko mit dabei, das wir eingingen, wahrscheinlich uns allen damals nicht bewusst: Sechs Gleichberechtigte, ohne jede hierarchische Struktur, nur unter dem Gesetz der natürlichen Hackordnung leben 5 Wochen auf engstem Raum zusammen, im VW-Bus, im Zelt, immer im Rudel, praktisch ohne jede Privatsphäre! Erleben Gruppendynamik pur! Viel näher geht es sonst nur noch in einer Ehe! Es hätten unter den Teilnehmern sehr wohl auch grössere und ernstere Meinungsverschiedenheiten auftreten können. Dann würde die Reise in unserer Erinnerung ungleich weniger schön scheinen! Tatsache ist, dass unsere damalige Freundschaft und die gute Kameradschaft diese Klippen aber bestens umschifft haben. Das scheint mir mit dem Massstab der heutigen Zeit gemessen, in welcher Individualismus und Egoismus der­art hohe Stellenwerte besitzen, fast wie ein kleines Wunder.

Andrerseits waren wir auch Sonntagskinder und Glückspilze, nicht nur mit dem Wetter (es war scheinbar der Jahrhundertsommer in England), auch bezüglich Autopannen, Unfällen, Krankheit usw., was während den gemeinsam verbrachten fast 30 Mannwochen nicht selbstverständlich ist. Dafür wollen wir auch heute noch dankbar sein.

War diese Reise wohl der Grund, dass ich beim Bewilligen von Wunschreisen unserer Töchter dann auch sehr grosszügig war?

 

Zollikon, im Juli 2002, Hans Ruedi Gadient

Frühe Jugendzeit im Geissbühl Küsnacht Itschnach
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7.1.  Jugendjahre Friedeli Karpf bis Heirat – Frühe Jugendzeit im Geissbühl Küsnacht Itschnach.

7.1 Frühe Jugendzeit im Geissbühl Küsnacht Itschnach

Frieda „Fischli“ Gadient-Karpf wurde am 19. April 1937 in Zürich geboren. Ihr Vater Fritz Karpf betrieb im Geissbühl in Küsnacht Itschnach eine eigene Gemüsegärtnerei, die sich der gelernte Gärtner mit Erspartem aus 6 Jahren „Gastarbeit“ in den USA gekauft hatte. Zeitlebens dachte er mit Freude an seine Amerikajahre zurück und hatte grosse Sympathie zu den Vereinigten Staaten, was sich auch auf Fischli übertrug. Ihre Mutter Frieda Welti war auf einem der letzten Bauernhöfe in Zollikon aufgewachsen.
Das kleine Friedeli wuchs zusammen mit dem 3 Jahre älteren Bruder in einfachen, aber sehr behüteten und glücklichen Verhältnissen auf. Anfänglich war es ein eher kränkliches Kind und man befürchtete mehrere Male, dass es kaum am Leben bleiben würde. Aber glücklicherweise besserte sich der Gesundheitszustand etwa ab dem 3. Altersjahr zusehends. Bis zur dritten Klasse ging sie dann in Küsnacht zusammen mit ihren beiden Cousins Paul Karpf (von nebenan) und Ernst Karrer (Gärtnerei Karrer unten beim Schübelweiher) zur Schule, d.h. bis ihre Familie ihren Wohnsitz ins Kleindorf nach Zollikon verlegte.
Fischlis Grossvater mütterlicherseits suchte nach dem frühen Tod seines Sohnes einen Nachfolger für seinen Bauernhof „im Hägni“ in Zollikon. 1947 verkauften Fischlis Eltern ihren Betrieb in Itschnach und richteten ihre Gärtnerei auf dem Landwirtschaftsbetrieb im Zolliker Kleindorf ein.

Umzug nach Zollikon, Schule, Lehre
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7.2.  Jugendjahre Friedeli Karpf bis Heirat – Umzug nach Zollikon, Schule, Lehre.

7.2 Umzug nach Zollikon, Schule, Lehre

Klein Friedeli fühlte sich in Zollikon bald zuhause und war ein sehr fröhliches Kind. Von der schulischen Leistung her dachte man nach der 6. Klasse eigentlich an einen Wechsel ins Gymnasium. Ihr Primarlehrer Spörry riet den Eltern aber ab, da Friedeli sicher bald heiraten werde (!). Von dieser Zeit her stammt auch die enge Freundschaft mit "Nunu" Regula Vock-Krayenbühl, mit der sie in Zollikon zusammen zur Schule ging. (Sie hatten sich später zwar etwas aus den Augen verloren; Nach dem frühen Tod von Nunus Mann wurde das Verhältnis aber wieder enger). Nach der Sekundarschule entschied sie sich für eine KV-Lehre in einem Anwaltsbüro in Zürich. Während Sekundarschule und Lehre hatte sie in Martin Bender einen festen Freund. Martin war ein fröhlicher, junger Mann und sang hervorragend, wobei er sich dazu auf der Gitarre begleitete (Zufällig war Urs Bender, der ältere Bruder von Martin, zusammen mit Hans Ruedi in der Offiziersschule gewesen, so dass auch Hans Ruedi die Benders kannte). Die Lehrzeit war eine ausserordentlich schwierige Periode in ihrem Leben, denn Ihr Verhältnis zum Chef würde man heute als „zerrüttet“ bezeichnen. Obwohl sie von ihren Eltern aus deswegen die Lehre hätte abbrechen dürfen, biss sie ein erstes Mal auf die Zähne und lernte dabei, sich auch in Extremsitu­ati­on­en zu bewähren. Das gefiel ihrem Vater sehr. Die seit jeher sehr starke Vaterbeziehung wurde damit noch inniger. Als Belohnung für das Durchhalten und den trotzdem erfolgreichen Lehrabschluss durfte sie für ein halbes Jahr nach Paris in die Schule, um besser Französisch zu lernen.

Paris, Biot in Südfrankreich
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7.3.  Jugendjahre Friedeli Karpf bis Heirat – Paris, Biot in Südfrankreich.

7.3 Paris, Biot in Südfrankreich

Kaum in Paris, noch immer in einem schäbigen Hotel wohnend, wurde sie sehr krank. Da holte sie ihr Papa kurzentschlossen zur Genesung nach Hause. Sie willigte aber in die Heimreise nur ein, wenn sie ihren Koffer mit dem Schulzeug und ihren Kleidern in Paris lassen durfte. Nach der Rückkehr nach Paris verging das halbe Jahr in der "Alliance Française" wie im Flug und sie genoss diese unbeschwerte Zeit in vollen Zügen. Sie wohnte etwas ausserhalb bei einer aus Russland emigrierten, älteren Dame, die wir, nach unserer Heirat auf einer späteren Reise einmal besuchten.

Gegen Ende des Sprachaufenthaltes lernte sie durch eine Schulkollegin jemanden kennen, der eine Haushalthilfe/AuPair suchte. Der Mann war Franzose, Verleger der Zeitschrift "Paris Match", wohnte und arbeitete in Paris, während seine Frau Amerikanerin war, und mit ihren zwei Buben in Biot bei Antibes wohnte. Der Mann engagierte sie sur place, und sie willigte ein, nach Südfrankreich zu seiner Frau zu fahren und es einfach einmal zu versuchen. Sie hatte dabei schon viel Gottvertrauen, denn sie hatte weder einen Arbeitsvertrag, noch kannte sie die Frau, das Dorf oder gar die Wohnung! Ihre Eltern waren von diesem Abenteuer nicht sehr angetan, aber Friedeli konnte wieder einmal ihren Kopf durchsetzen.

Als sie in Biot eintraf, erlebte sie eine erste grosse Überraschung: Ihre zukünftige Patronne, die sie am Bahnhof abholte, war hochschwanger. Fischli erlebte dann in Südfrankreich alle Höhen und Tiefen einer jungen Frau und kam mit allerhand sonderbaren Leuten in Kontakt: Existenzialisten, Drogensüchtigen, Künstlern und Tagedieben. Sie über­stand aber wie durch ein Wunder diese Zeit schadlos, vor allem dank ihrem starken Willen und ihrer engen Bindung ans Elternhaus. Sie war davon überzeugt, in dieser Zeit charakterlich viel stärker geworden zu sein.

Als sich ihre Patronne nach einem halben Jahr von ihrem Mann trennte und mit den Kindern zurück nach Amerika fuhr, wollte Fischli selbstverständlich auch mit in die USA gehen. Hier legten die Eltern aber für einmal ein klares Veto ein, trotz der grossen Amerika-Sympathie ihres Vaters. Die junge Frau kehrte nach diesem Frankreich-Jahr in die Schweiz zurück.

SWISSAIR-Zeit, Hans Ruedi
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7.4.  Jugendjahre Friedeli Karpf bis Heirat – SWISSAIR-Zeit, Hans Ruedi.

7.4 SWISSAIR-Zeit, Hans Ruedi

Nach ein paar Tagen Ferien begab sie sich unangemeldet ins Personalbüro der SWISSAIR auf den Flughafen Kloten und erklärte, bei SWISSAIR arbeiten zu wollen. Und sie hatte tatsächlich Erfolg damit, denn sie erhielt eine Stelle im sog. “Hühnerstall“, dem Schreibbüro der Chefpiloten. Dort wurde man schon bald auf die Qualitäten der neuen Sekretärin aufmerksam, und sie durfte in der Folge für gewisse Chefpiloten vertrauliche Berichte schreiben, teilweise aus Diskretionsgründen auch Zuhause in der Freizeit, und für einen anderen, der im Militär Staffelkommandant war (Dr. Charlie Ott, Kdt Fl St 21), schrieb sie sogar Dienstbefehle und Einträge in vertrauliche Personaldossiers.
Dann wurde Flugkapitän Ernst Hürzeler (Hü, wie Ernst Hürzeler genannt wurde), damals Chef "Operational Engineering" im Departement III auf sie aufmerksam und holte sie als Sekretärin in seine Dienststelle. Hier nannte zuerst Hü, dann aber auch alle übrigen Mitarbeiter ihr Fräulein Karpf "FISCHLI", ein Name, der ihr ein Leben lang blieb, dies umso mehr, als sie ihren Vornamen "Frieda" verabscheute. Hier bei SWiSSAIR lernte sie auch ihren späteren Mann Hans Ruedi kennen. "Hü" hatte Hans Ruedi in einem gemeinsamen Militärdienst bei den Fliegertruppen davon überzeugt, sich bei der SWISS­­AIR Ingenieurabteilung im Departement IV "Technik" zu bewerben, da man dort derzeit Ingenieure suche. Nach Hans Ruedis erfolgtem Wechsel von SULZER zu SWISSAIR hatte er in seiner Arbeit sehr oft mit dem Operational Engineering zu tun, wo er sich jeweils bei "Fischli" anmelden musste. Thomi Lauber, ein Studienkollege von Hans Ruedi, der als Sachbearbeiter bereits dort arbeitete, stellte die beiden an der Abflugbar gegenseitig vor, für ein Coca-Cola, wie Hans Ruedi später immer gern erzählte. Fischli arbeitete bis zu ihrer Hochzeit im Operational Engineering. Sie fiel dort nicht nur als ausserordentlich fröhliche, zuverlässige und sehr belastbare Sekretärin, sondern vor allem als die einzige, sehr starke Raucherin des ganzen Büros auf!
Nachdem Fischli monatelang dem Werben von Hans Ruedi hartnäckigen Widerstand geleistet und er eigentlich schon aufgegeben hatte, funkte es aber an einem Flugtag der SWISSAIR Fluggruppe in Frauenfeld zwischen den beiden gewaltig und anhaltend: An Ostern 1961 wurde Verlobung gefeiert, und am 12. Mai 1962 heirateten die beiden. Während Hans Ruedi bei Karpfs vollkommen offene Türen vorfand, machten es die katholischen Eltern Gadient dem reformierten Fischli sehr schwer. Erst auf ein Ultimatum von Hans Ruedi hin akzeptierten seine Eltern die Heirat.

Unsere Familie Gadient -Karpf
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8.  Unsere Familie Gadient -Karpf

Vorab ein paar Meilensteine ...

  1. Mai 1960 Flugtag Frauenfeld (Es funkt das erste Mal auch bei Fischli!)
  2. Mai 1962 Hochzeit, katholisch
  3. Februar 1963 Geburt Andrea Regula, 15. August 1992 Hochzeit mit Frank,
  4. März 1966 Geburt Alexa Kathrin, 6. Juni 1997 Hochzeit mit Philipp

   Herbst 2006 Gespräche mit Pfr. Simon Gebs und Übertritt zum Protestantismus

  1. Mai 2012 Goldene Hochzeit
  2. Juli 2013 Fest 80. Geburtstag HR bei uns im Haus; letztes Fest mit Fischli
  3. September 2013 Fischli stirbt

und eine Grundaussage:

Es war der glücklichste Tag in meinem Leben, als ich in der SWISSAIR meine Frau Fischli kennen lernen durfte.

Aus einem Drink an der Abflug-Bar entwickelte sich eine Liebesgeschichte, wie sie normalerweise nur im Roman vorkommt und die bis ans Lebensende von Fischli etwas mehr 53 Jahre dauern sollte:

  • Wunderbare Zeiten des Sturm und Drangs,
  • Meistern der Schwierigkeiten in der Gadient Familie wegen Fischlis Religion,
  • Erleben von Zeiten unbeschreiblichen Glücks, vor allem auch zusammen mit unseren Töchtern,
  • Durchstehen von Finanzkrisen beim Kauf und beim Um­bau unseres Hauses in Hombrechtikon,
  • Unvergessliche gemeinsame Reisen,
  • Freude und Befriedigung im Beruf aber auch Leid und Ungemach beim Ausscheiden bei Growela und BALLY,
  • Eine wunderbare und überaus glückliche Zeit nach der Pensionierung in unserem neuen Haus in Zollikon!

Fischli und ich hatten ein reiches und erfülltes Leben. Je länger je mehr lebten wir praktisch in Symbiose! Das Meiste, das ich in meinem Leben erreicht habe, verdanke ich meinem Fischli. Sie hielt mir den Rücken frei und unterstützte mich, wo sie konnte! "Pflanzlich" gesprochen: Ich durfte einfach wachsen; für den geeigneten Boden, für den notwendigen Dünger, für den richtigen Halt und auch für das notwendige Wasser sorgte sie mit grösster Umsicht. Darum sprach mir Peter Ustinow in seinem Buch "Ich und Ich, Erinnerungen" voll aus dem Herzen, als er über seine Frau schrieb:

"Man hat mich einmal gefragt, ob sie "die perfekte Frau" war! Ich denke, die perfekte Frau hätte keine Persönlichkeit. Sie aber war eine harmonische Kombination zauberhafter Unvollkommenheiten, und etwas Schmeichelhafteres kann ich über niemanden sonst sagen. Ich kann nur hoffen, dass sie meine Unvollkommenheiten ebenso zauberhaft fand.

Nehmen fällt so leicht, wenn jemand da ist, der so viel zu geben hat; und Geben fällt so leicht, wenn jemand bereit ist zu nehmen. In erster Linie hat sie mich heimlich, still und leise zu dem Mann gemacht, der ich geworden bin, und dafür werde ich ihr ewig dankbar sein".

1960 - 1961: Sich kennen lernen, Tod von Papa Karpf
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8.1 1960 - 1961: Sich kennen lernen, Tod von Papa Karpf

Während meiner kurzen, aber intensiven Zeit im SWISSAIR Triebwerk-Engineering des Departement IV hatte ich öfters mit dem Operational Engineering des Departement III von Ernst Hürzeler (Hü) zu tun, den ich im Militärdienst kennen gelernt und der mich zum Wechsel von SULZER zur SWISSAIR ermuntert hatte. Im „Ops-Engineering“ arbeitete als Faktotum Hü’s Sekretärin, Fräulein Karpf, die aber von jedermann nur Fischli gerufen wurde. Deshalb meinte ich lange, sie heisse mit Namen Fischli und sprach sie immer mit Fräulein Fischli an. Ich fand sie ausserordentlich sympathisch, übrigens schon vor meinem Eintritt von der Stimme her, wenn ich einige Male mit Hü telefonierte.
Ich versuchte jeweils, wenn ich dort zu tun hatte, Fräulein Fischli mit guten Manieren und viel Lächeln zu betören. Obwohl ich mich stark um sie bemühte, nahm sie von mir aber kaum Notiz. In der Zwischenzeit war aber mein Studienkollege Thomas Lauber bei Hü als Mitarbeiter eingetreten, noch ein Grund mehr, mich dort hie und da bei der Sekretärin in Erinnerung zu rufen. Für ein Coca-Cola an der Abflug-Bar des Flughafens stellte mir Thomi Lauber Fräulein Fischli vor, die aber eigentlich Fräulein Karpf hiess! Ich warb dann wie wahnsinnig um sie: Ich versuchte, sie ins Kino einzuladen, ich offerierte ihr, sie mit nach Hause zu fahren, da ich ja so oder so über Zollikon nach Erlenbach fahre, usw. Ich bekam aber Korb um Korb, bis ich eines Tages entnervt den Telefonhörer mit den Worten auf die Gabel knallte: „S’isch no für die wo wönd“! Frustriert stellte ich ab sofort jegliches Werben um dieses Fräulein Karpf ein.
Durch einen Zufall, ca. 2 Monate später, als ich zu einer Vorstandssitzung der SWISSAIR Fluggruppe für die Organisation eines Abendanlasses am Flugtag in Frauenfeld eingeladen wurde, sass da plötzlich Fräulein Karpf am Vorstandstisch, was mich sehr nervös machte. Nach der Sitzung funkte es aber ein erstes Mal auch bei ihr etwas und ich durfte sie an diesem Abend sogar nach Hause fahren.

Am 26. Mai 1960 war dann dieser Flugtag in Frauenfeld mit einem Ball am Abend zum Ausklang. Ich wusste, dass Fischli, wie ich sie in der Zwischenzeit auch nennen durfte, mit Hü in einer Pilatus P3 nach Frauenfeld flog und nahm an, dass sie dann wahrscheinlich froh um einen Gentleman bzw. vor allem um dessen Auto wäre, um ihr Cocktailkleid für den Abend tagsüber zu deponieren. Also war ich dann nach der Landung „zufällig“ gerade da, als Fischli aus dem Flugzeug stieg und im Gepäck eben ein Cocktailkleid und einen Toilettensack mitführte. Ich offerierte ihr als Ablage mein Auto, sagte ihr wo es steht, gab ihr den Schlüssel und verschwand. Mit meinem Autoschlüssel musste sie wohl oder übel einmal zu mir zurückkommen, wenn sie nicht ein ganz grosses Schlitzohr sein wollte. Und es kam dann so, wie ich mir dies in den kühnsten Träumen vorgestellt hatte: Wir unterhielten uns ein paar Mal im Laufe des Tages, gingen dann aber zusammen zum Ball und tanzten viel und mit der Zeit auch sehr eng, und ich sang ihr ins Ohr! Später sagte sie mir, dass sie damals wenigstens von mir wusste, dass ich nicht singen könne…
Auf dem Heimweg war es dann soweit, dass wir uns im Wäldchen nach der grossen Kreuzung in Gutenswil Richtung Uster zum ersten Mal küssten und uns dann bei Hans Stahel Zuhause in Uster freiwillig anerboten, in der Küche Kaffee zu machen, alleine in der Küche, versteht sich. Der Kaffee brauchte sehr, sehr lang... Nach einem zusätzlichen kurzen Schmuse-Halt auf dem Heimweg in der Nähe von Ebmatingen (Wenn ich dort vorbei fahre, kribbelt es mich heute immer noch!) war es schon taghell, als ich Fischli zuhause ablieferte.

Schon bald durfte ich auch Fischlis Eltern kennenlernen, und ich erinnere mich noch sehr gut an den prüfenden Blick, mit dem mich ihr Vater beim ersten Vorstellen in der Stube im Kleindorf 14 in Zollikon durch­leuchtete, sich wahrscheinlich fragend, ob ich wohl sein Pumpeli wert war oder nicht. Scheinbar war ich es, denn ich durfte wiederkommen! Wir waren beide sehr verliebt. Trotzdem fuhr Fischli im Sommer ohne mich mit einer Kollegin für eine Woche nach Cascais in die Ferien. Bei einem Nachtessen wurde es ihr scheinbar schlecht und sie wollte draussen Luft schnappen. Aber sie erwachte erst wieder in einem Spital, wo sie genäht werden musste, denn sie war in Ohnmacht gefallen und hatte sich beim Sturz das Kinn aufgeschlagen. Passanten brachten die Bewusstlose ins Spital. Sie trat nach dem Spitalaufenthalt sofort die Heimreise an, und ihr Vater empfing sie mit den Worten: „Man geht doch auch nicht soweit fort, wenn man so verliebt ist!“ Selbstverständlich reiste ich nach ihrer Rückkehr sofort an ihr Krankenbett!

Im Spätsommer besuchten wir an einem Wochenende in Bergün ihre Eltern, die dort in den Ferien weilten. Erst dort bekam ich richtig mit, wie krank Fischlis Vater wirklich war. Ich rauchte damals noch hie und da am Wochenende Camel Zigaretten ohne Filter. Zu meiner grossen Freude versuchte er dann manchmal ein paar Züge davon, weil ihn der Geschmack an seine Jahre in den USA erinnerte. Ich sah ihn nach diesem Wochenende leider nicht mehr oft, denn er verstarb am 1. November 1960. Fischli war unendlich traurig, denn sie hatte ein sehr enges Verhältnis zu ihm gehabt und stark an ihm gehangen. Ich musste sie immer wieder trösten, was ich sehr gerne tat. Die Beerdigung war eigentlich der erste Anlass, an welchem ich richtig in ihre Familie aufgenommen wurde und auch ihre Verwandtschaft kennen lernte. Bei einem Nachtspaziergang mit ihrem Bruder Albert am Abend nach der Beerdigung hinauf auf die Zolliker Allmend führte ich mit ihm ein gutes Gespräch, ich denke das Beste, das ich je mit ihm hatte. Wir kamen uns an jenem Abend sehr nahe, so nahe wie später leider nie mehr.

Ich weiss nicht, ob ich schon in diesem oder erst im nächsten Jahr auch an der Weih­nacht bei Fischlis Grosseltern im Kleindorf 16 teilnehmen durfte. Ich erinnere mich aber heute noch sehr gut an die ominöse, silberne Birne mit den Schnapsgläsli bei den Grosseltern Welti, die im eingebauten Buffet über der Durchreiche neben dem Kachelofen ihren Platz hatte. Die Birne kommt auch heute noch immer dann auf den Tisch, wenn eine oder ein zukünftige/er Eingeheiratete/er das erste Mal an der „Sippenweihnacht“ teilnimmt, wie ich diesen Anlass immer etwas despektierlich nannte, den ich aber so lange als möglich beibehalten möchte. Es ist immer ein wunderbarer Familienanlass, und von dort her bahnte sich zu der bereits traditionellen, engen Beziehung von "Zilüü" mit Oechslis (sie nennen Fischli so) auch eine recht freundschaftliche Beziehung von mir zu Marteli und Fritz an, die jüngste Schwester meiner Schwiegermutter und ihr Schwager, die beide eher zu unserer Generation gehörten.

1961 - 1962: Verlobungszeit, Diskussionen um die Religion, Wechsel von SWISSAIR zu GROWELA
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8.2 1961 - 1962: Verlobungszeit, Diskussionen um die Religion, Wechsel von SWISSAIR zu GROWELA

Ich hatte dauernd gegen recht heftigen Widerstand meiner Eltern gegen Fischli zu kämpfen (in erster Linie war es meine Mutter, Vater war toleranter). Ich wurde einmal sehr deutlich und sagte meinen Eltern, dass, auch wenn ich erst mit 50 eine Frau heimbringen würde, sie wahrscheinlich immer noch dagegen wären. Ich machte ihnen klar: Entweder sie würden Fischli jetzt akzeptieren, oder sie würden mich auch verlieren. Und als ich dann nach der Rückkehr von einer Kurzreise mit ihnen per Auto an den Garda­see zu Fischli nach Zollikon wollte, war meine Mutter dagegen. Als ich daraufhin trotzdem ging, meine Wäsche aber anstatt sie Mama zu überlassen mit nach Zollikon zum Waschen mitnahm, begriff sogar auch meine Mutter endlich, dass es mir wirklich ernst war mit Fischli. An Ostern 1961 verlobten wir uns dann im Rössli in Zollikon im Beisein von Momi Karpf, Eltern Gadient sowie Bruder Albert und seine Frau Nelly.
Nach der Verlobung hatten wir eine Woche Skiferien im „Hotel Castor und Pollux“ in Zermatt gebucht, was eigentlich nicht das grosse Erlebnis war, das ich mir vorgestellt hatte. Schön war, dass wir zum ersten Mal eine Woche lang zusammen sein konnten, aber ich hatte Fischli nicht geglaubt, dass sie, die so sportlich aussah, keine gute Skifahrerin sei. Wir fuhren trotzdem sofort auf den Gornergrat; ich hatte dann aber schon grosse Mühe, bis ich sie wieder heil ins Tal brachte. Einmal rutschte sie in einem Steilhang kopfvoran auf einen grossen Felsbrocken zu, was mich dazu zwang, mich todesmutig in ihre Bahn zu werfen, um sie zu retten. Sie sagte dann noch lange, dass ich sie damals eben noch geliebt hätte! Später fuhr sie immerhin gut und sicher alpin und nordisch Ski, aber nie so leidenschaftlich gerne, wie ich dies tat. Später meinte sie einmal, dass sie nur Skifahren gelernt habe, weil sie glücklicherweise ein Leben lang immer den gleichen Privatskilehrer gehabt hätte!

Zum grundsätzlichen Problem meiner Eltern mit der Frau, die ihnen den einzigen Sohn wegnahm, kam noch erschwerend das Problem mit der Religion. Fischli und ich waren uns im Prinzip einig, dass die gleiche Religionszugehörigkeit ein Grund weniger für eheliche Differenzen war. Ihr Vater war katholisch gewesen und hatte reformiert geheiratet. So war sie früher oft mit ihrer Grossmutter väterlicherseits zur Kirche gegangen, und das Katholische schien ihr etwas näher zu liegen als es für mich der reformierte Glaube war, für mich, den so erzkonservativ Erzogenen. So glaubten wir, es sei die einfachere Lösung, wenn wir katholisch heirateten. Von konvertieren war am Anfang nie die Rede. Wie schwer dies für Fischlis Momi gewesen sein muss, können wir nur erahnen. Fischlis Momi kam aus einer gut protestantischen Familie. Der Grossvater von Fischli war lange Jahre Präsident der reformierten Kirchgemeinde und dann Gemeindepräsident von Zollikon gewesen, und Tante Lina, eine Schwester von Momi, war Sonntagsschullehrerin! Auf alle Fälle war es kein einfacher Entscheid.

Ich kannte von meiner Jungwachtzeit her immer noch Cecchi Rohrbach, der aus seiner Bähnlerlaufbahn heraus als Spätberufener Theologie studiert hatte und jetzt Kaplan in Gossau bei St. Gallen war. Er war auf Anfrage bereit, einen Abend pro Woche für uns zu opfern und mit uns über Glaubenssachen zu diskutieren. So fuhren wir ein ganzes Jahr lang einmal pro Woche nach der Arbeit von Kloten nach Gossau SG, Sommer und Winter, bei jedem Wetter, auch bei Eis und Schnee. Wir diskutierten mit Cecchi oft bis nach Mitternacht entweder bei ihm zuhause (wo ihm seine Mutter den Haushalt besorgte, die kleine Frau Rohrbach, die in St. Gallen sehr nahe von uns gewohnt hatte) oder im Restaurant Rössli im Dorf Gossau. Meine erzkatholische Erziehung holte mich dabei immer wieder ein, und die Gespräche waren nach Meinung von Cecchi für mich wesentlich notwendiger als für Fischli, die schon damals der Religion gegenüber ein viel unverkrampfteres Verhältnis hatte als ich. Glücklicherweise lernte ich aber rasch, und von da weg hatte ich religionsmässig nie mehr Probleme. (Ich entschloss mich dann erst mit ca. 78 Jahren, zum protestantischen Glauben zu wechseln, weil ich mich mit der katholischen Kirche einfach nicht mehr identifizieren konnte).

Ende 1961 verliess ich die Swissair und arbeitete von da an in Lachen SZ bei der Schuhfabrik GROWELA AG, und Fischli beendete ihre Arbeit bei der Swissair per Ende März 1962, weil wir im Mai heiraten wollten.

1962 - 1964: Heirat, Wohnung in Lachen, Geburt Andrea, Streit mit Gadient-Familie, Haussuche im Kt. Zürich, Erste grosse Frankreichreise
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8.3.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 1962 - 1964: Heirat, Wohnung in Lachen, Geburt Andrea, Streit mit Gadient-Familie, Haussuche im Kt. Zürich, Erste grosse Frankreichreise.

8.3 1962 - 1964: Heirat, Wohnung in Lachen, Geburt Andrea, Streit mit Gadient-Familie, Haussuche im Kt. Zürich, Erste grosse Frankreichreise

Am 12. Mai 1962 heirateten wir. Brautführer war Jack Brunnschweiler, der im Militärdienst weilte und am frühen Morgen „aus dem Felde“ auf Urlaub kam, sich in Zollikon umzog, noch mit Laub in der Unterhose! Brautführerin war Yvonne Zaugg, eine alte Schul- und Paris-Kollegin von Fischli.

Am Vormittag war die zivile Trauung im Gemeindehaus in Zollikon beim Zivilstandsbeamten Herr Schneebeli. Am Nachmittag traute uns Cecchi Rohrbach im katholischen Kirchlein in Herrliberg kirchlich. Mit ihm hatten wir uns in zahllosen Gesprächen auf die Ehe vorbereitet. Seine Predigt beeindruckte uns sehr und seine Worte an uns sassen tief, praktisch ein Leben lang! Vor allem seinen Ratschlag, im Leben möglichst leise aufzutreten, versuchten wir immer zu befolgen, womit wir auch sehr gut fuhren!
Das Hochzeitsfest fand im Hotel Restaurant Kreuz in Erlenbach statt, welches es heute nicht mehr gibt. Aus finanziellen Gründen mussten wir leider bei den Verwandten die Anzahl Personen pro Familie aus Budgetgründen auf zwei beschränken, denn wir wollten einerseits unsere Freunde dabei haben und andrerseits konnten uns unsere Eltern damals nicht sponsern!
Wir erlebten ein rauschendes Hochzeitsfest im Kreuz Erlenbach, vor allem dank unseren Freunden. Fischli war vor der Hochzeit gesundheitlich leider schlecht "zwäg" und musste vom Arzt „traufähig“ gespritzt werden. Aus diesem Grund mussten wir abends das Hochzeitsfest auch schon ca. 23:00 Uhr verlassen. Fischli wollte aber in der Hochzeitsnacht unbedingt noch eine Kleinigkeit von Zollikon nach Lachen zügeln, wo wir uns in den letzten Wochen am Kirchplatz bei Metzger Mächler eine schöne, grosse Wohnung eingerichtet hatten. Als wir dann auf dem Weg von Zollikon nach Lachen nochmals beim Kreuz in Erlenbach vorbeifahren mussten, schlief Fischli schon tief und schnarchte leicht. Durch die geöffneten Fenster des Saales hörte man laute Musik und den Lärm der Hochzeitsgesellschaft, so dass ich fast in Versuchung geriet, Fischli schlafen zu lassen und mit meinen Kollegen noch etwas weiter zu feiern...
Ich widerstand aber der Versuchung, hielt kurz an, und fuhr wieder weiter, dem Seedamm zu: Es hätte sich auch sehr schlecht gemacht! Erst in Lachen erwachte Fischli dann wieder, bat mich, sie über die Schwelle zu tragen, und verlangte im Schlafzimmer anstatt des bereitliegenden, luftigen Hochzeits-Nacht­hemdchen das Barchet-Pyjama aus der Kommode und schlief dann sofort wieder ein... . Ich hielt also meine eben angetraute, aber leise und herzig schnarchende Gattin in meinen Armen und fragte mich, ob dies jetzt also die in allen Romanen so vielbesungene Hochzeitsnacht war!
Am Sonntag ruhten wir uns von den Hochzeits-Strapazen aus und am nächsten Montagmorgen starteten wir mit unserem himmelblauen VW-Käfer auf die Hochzeitsreise. Über Genf und das Rohnetal fuhren wir am ersten Tag bis nach St. Andiol südlich von Avignon, und dann über Aix-en-Provence, Fréjus und Cannes mit einem kleinen Abstecher nach Biot bei Antibes, wo Fischli ein paar Monate lang bei einer Familie mit Kindern gelebt hatte, während den folgenden Tagen alles dem Mittelmeer entlang, über Ventimiglia, Genua, den Bracco-Pass nach La Spezia, Pisa und Grosseto bis nach Rom zu Fischlis Onkel Hans Streuli und Tante Mily. Dort durften wir in ihrem Weekend-Haus in Fregene wohnen, welches Fischlis Cousin Carlo nach seinem ETH-Diplomabschluss als Architekt ein paar Jahre früher hatte bauen dürfen. Es war ein wunderbarer, romantischer Ort und eine wunderbare Zeit. Onkel Hans lernte mich auch noch, wie man in Rom Auto fahren muss, um vorwärtszukommen! Auch hier lernte ich sehr schnell, und es machte mir Spass.
Bald merkten wir, dass Fischli schwanger war, behielten es aber still für uns. Erst im Spätherbst, als Onkel Hans auf der Herreise von Rom über den San Bernardino bei uns in Lachen kurz Halt machte und plötzlich Fischli an den Bauch griff und fragte: „Häsch es Römer-Chindli oder nöd?“ und Fischli dabei rot wurde, wurde es publik. Es war eine wunderbare Zeit, das heranwachsende Leben zu spüren, und wir freuten uns riesig. Wir schenkten uns als "Mir-Dir-Geschenk" eine Lithografie mit einem herzigen Kind. Diese Litho stand dann an unserer ersten gemeinsamen Weihnacht unter dem kleinen Christbaum, den Fischli wunderbar hergerichtet hatte. Der Christbaum war nur mit Glasschmuck versehen. Das sah tagsüber wunderbar aus. Nachts hingegen sah man den Schmuck nicht, nur wenn die Kerzen brannten gab es eine geringe Spiegelung! Und schon bald nach den Feiertagen rückte die Zeit der Niederkunft näher und näher.
Die letzten Wochen der Schwangerschaft fielen in die berühmte Seegfrörni vom Winter 1962/63. Es war herrlich, von Lachen nach Rapperswil zu spazieren und wieder zurück. Um für die Geburt mit dem Auto nicht in Schwierigkeiten zu kommen, nahm ich bei der grossen Kälte jeden Abend die Batterie aus dem Auto und trug sie in die Wohnung. Wenn man bedenkt, dass der Aus- und Einbau der Batterie beim VW Käfer wirklich eine "Major Operation" war, gab dies bereits einen Hinweis auf meine Nervosität und Vatersorgen.
Eigentlich hätte ich im Februar in den Militärdienst einrücken müssen, aber ich wollte unbedingt bei der Geburt es 1. Kindes zuhause sein. Dazu hatte ich den Wiederholungs-kurs verschieben können, weil an meiner Stelle mein Dienstkollege Alex Beck einrückte. Mein Kommandant Walo Krieg war unter der Bedingung einverstanden gewesen, dass ich Alex Beck genau instruierte, denn Walo liess mich im Technischen Dienst sehr frei walten.

Mit dem Föhneinbruch am Wochenende vom 16./17. Februar ging die Seegfrörni zu Ende und mit dem Ende der stabilen Wetterlage meinte Fischli am Sonntagmorgen schon sehr früh, wahrscheinlich gehe es jetzt los mit den Wehen und der Geburt. Ich soll darauf geantwortet haben: “Mach nöd s’Chalb, hüt chunnt de Beck!“, das erzählte wenigstens Fischli noch jahrelang! Alex Beck kam tatsächlich an diesem Sonntag, ich zeigte ihm alles, übergab ihm Akten und Material, und kaum war er um 18’00 Uhr weg, fuhren wir ins Spital Lachen, wobei ich beim geschlossenen Bahnübergang (heute gibt es eine Überführung!) gemäss Fischli scheinbar laut aufgestöhnt und ausgerufen hätte: „Auch das noch!“
Aber wird hatten Zeit, viel Zeit. Erst am anderen Morgen, am 18. Februar um 04’50 Uhr, kam im Spital Lachen unser Ghiali zur Welt. Fischli musste stark leiden, es war eine äusserst schwere Geburt mit Zange und Dammriss. Aber die junge Familie war nachher sehr glücklich, jetzt zu dritt. Die Taufe von Andrea fand nach der Rückkehr von Fischli aus dem Spital in der Pfarrkirche von Lachen statt, und das bescheidene Taufessen hatten wir in einem Restaurant neben der heutigen Marina Lachen, das es heute auch nicht mehr gibt.
Momi Karpf hatte sich beim Schlittschuhlaufen auf dem zugefrorenen See vor Zollikon die Hand gebrochen und fiel als Haushalthilfe nach der Geburt leider aus. Also offerierte sich meine Mutter, uns etwas zu Hilfe zu kommen. Wir hatten sehr viel gelesen über Kinder und nahmen Kinder-Pflege und -Ernährung sehr genau. Wir waren auch sehr glücklich, dass Fischli voll stillen konnte. Nun begann aber mit der Anwesenheit meiner Mutter ein Kleinkrieg Schwiegermutter – Schwiegertochter. Meine Mutter hatte selbst nie voll gestillt, und auch alle meine Schwestern hatten nie voll stillen können. Und so hatte meine Mutter immer das Gefühl, Andrea bekäme zu wenig und wollte nachschöppelen, und tat dies auch, wenn sie sich unbeobachtet wähnte. Sie erwähnte auch, dass sie immerhin sechs Kinder gehabt hätte und schon wisse, wie es gehe! Ich war gespannt, ob dies gut kommen würde!
Ich arbeitete nur zwei Minuten von unserer Wohnung entfernt und kam so auch immer über Mittag zum Essen nach Hause. Nach ein paar Tagen war eines mittags, als ich heimkam, ein sehr gespanntes Verhältnis zuhause. Es knisterte förmlich vor Spannung. Bevor ich zur Arbeit ging, sagte ich noch zu den Beiden: “Sind lieb miteinander!“ Kurz vor drei Uhr rief Fischli an und bat mich, heimzukommen, es gäbe Streit mit meiner Mutter. Ich fand meine Mutter sehr wild, sofort erzählend, was vorgefallen sei. Sie wurde bereits noch mehr wütend, als ich sie beruhigte und wünschte, jetzt noch die Version von Fischli zu hören, wie es sich aus ihrer Sicht zugetragen habe, denn es gäbe immer zwei Seiten. Und nachdem ich auch Fischli zugehört hatte, die traurig und unter Tränen kaum erzählen konnte, sagte ich zu Mama sehr bestimmt, dass wir sehr für ihre Hilfe dankbar gewesen seien, dass es jetzt aber wirklich besser sei, wenn sie heimfahre, ich würde sie nach Rapperswil auf den Zug bringen. Ausser sich rief sie aus: „Du willst also Deine Mutter aus Deinem Haus werfen?“ Ich würde niemanden herauswerfen, entgegnete ich, aber nach dem Zuhören beider Varianten wäre jetzt der Moment gekommen, wo ich klar Partei für meine Frau ergreifen müsse und wolle. Hier wäre meine Frau die Hausfrau, und sie bestimme hier, was wie wann geschehe.

Ich sehe meine Mutter heute noch: Sie hatte eine Ärmelschürze mit vielen kleinen Knöpfen vorn von oben bis unten an, und sie riss sich in der Wut diese zugeknöpfte Schürze vom Leib, dass die Knöpfe nur so durch Korridor und Wohnzimmer flogen. Dieser Tag brachte für eine gewisse Zeit eine gänzliche Funkstille, nicht nur mit meinen Eltern, sondern mit Ausnahme von Lisbeth auch mit allen meinen Schwes­tern. Lisbeth hatte wieder einmal am meisten Verständnis für die Situation und versuchte Fischli zu trösten. Der Vorfall hatte aber auch eine positive Seite: Alle hatten Zeit nachzudenken, und zwar über das eigene Verhalten und über das Verhalten anderen gegenüber! Nach ca. einem halben Jahr normalisierten sich die Verhältnisse wieder, aber von diesem Moment an begegneten wir uns in der Gadient-Familie mit etwas mehr Vorsicht und dem nötigen, gegenseitigen Respekt.
Andrea gedieh bestens und die junge Familie war sehr glücklich in der schönen Wohnung. Hingegen hatten wir mit der Umgebung etwas Mühe: Wir schätzten es weniger, wenn es morgens im Kinderzimmer anstatt nach Baby-Öl durch das offene Fenster von der Metzgerei im Haus nach gekochtem Gnagi oder geräuchertem Fleisch roch. Oder wenn der Hausmeister Metzger Mächler in der vollen Metzg bei Fischli reklamierte, ob wir den eigentlich jeden Tag duschen müssten und ihr öffentlich demonstrierte, wie man sich auch sauber waschen könne!

Dann ärgerte selbst mich, der ja sehr katholisch erzogen worden war, das hier in Lachen fast mittelalterliche, öffentliche Zelebrieren des katholischen Glaubens. Der Pfarrer konnte z. B. nicht begreifen, dass ich die Taufe erst nach Fischlis Entlassung aus dem Spital wollte. Das Kind könnte ungetauft sterben! Oder wir mussten am Kapellfest, wenn die abendliche Prozession durchs Dorf zog, in unseren beleuchteten Fenstern Heiligenbilder aufstellen, die uns der Hausmeister gab.
So wurde im Frühling 1964 der Wunsch immer grösser, aus dem Kanton Schwyz wieder zurück in die Kantone Zürich oder St. Gallen zu ziehen, und, wenn möglich, in ein eigenes Haus. Wir sagten uns, wenn schon ein Haus, dann jetzt mit kleinen Kindern. Ich hatte auf einer Landeskarte 1:25'000 ab dem Seedamm in Rapperswil Distanzkreise gezogen, und wir begannen ganz systematisch auf regelmässigen Spaziergängen mit dem Kinderwagen die Gegend um Rapperswil zu erkunden, Wohnlagen, Wohnungen und Häuser gegeneinander abzuwägen.
Im Sommer 1964 fuhren wir für 10 Tage in die Ferien. Momi hütete noch so gern die jetzt fast 1 ½-jährige Andrea. Wir wollten die Loire-Schlösser besuchen. Im Burgund begannen wir zu spät ein kleines Hotel zu suchen und übernachteten schliesslich im Hotel Royal in Chalon, und hatten damit gleich einen Drittel unseres Ferienbudgets in der ersten Nacht verbraten. Von da an übernachteten wir mehrheitlich im Zelt, hatten in der Benediktinerabtei St. Benoit ein wunderbares Choralerlebnis und sahen anschliessend die meisten der herrlichen Loire-Schlösser. Als Fischli dann nach einer Woche genug von Schlössern hatte, fuhren wir nordwärts in die Normandie, um auf den Spuren der Invasion, welche genau 20 Jahre früher hier stattgefunden hatte, auf dem äussersten Strässchen dem Atlantik entlangzufahren und nach den Schlössern die noch existierenden Bunker zu besichtigen, bis Fischli auch davon genug hatte. Als wir dann fast kein Geld mehr hatten, trieb es uns zwangsläufig über Belgien und Luxemburg nach Hause.

1964 - 1966: Umzug nach Hombrechtikon, 1. Wurstzeitalter, 17 Wochen Hptm-Abverdienen, Geburt Alexa
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8.4.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 1964 - 1966: Umzug nach Hombrechtikon, 1. Wurstzeitalter, 17 Wochen Hptm-Abverdienen, Geburt Alexa.

8.4 1964 - 1966: Umzug nach Hombrechtikon, 1. Wurstzeitalter, 17 Wochen Hptm-Abverdienen, Geburt Alexa

Eines Tages im Herbst gab uns André Kurz ein Zeitungsinserat für ein Haus in Hombrechtikon. Wir besichtigten es und kamen zum Schluss, dass dies eine Chance war. Wir trieben von überall her Geld auf: André Kurz wollte mir rückwirkend ab Arbeitsbeginn einen höheren Lohn nachzahlen, da er mit meiner Leistung sehr zufrieden war, Fischli erbte 18'000 Franken, als Onkel Adolf das grosselterliche Chalet in Itschnach übernahm, Fischlis Grossvater war einverstanden, uns für eine 2. Hypothek 30'000 Franken zu leihen, auch meine Eltern und Schwestern pumpten uns etwas Geld, so dass wir am Schluss den Kaufpreis zusammen hatten. Beim Kauf brauchten wir dann aber zum ersten Mal in unserem Leben die Hilfe eines Anwalts, da wir, in Immobilienbelangen mehr als naiv, dem Verkäufer gegen Quittung aber ohne jede notarielle Beglaubigung eine Anzahlung geleistet hatten. Da der Verkäufer dann die Grundstückgewinnsteuer nicht bezahlen konnte, kam die Gemeinde auf uns zu, und wir mussten alle Hypotheken um einen Rang zurücknehmen, da die Restschuld des Verkäufers an nicht bezahlten Steuern bei unserer Liegenschaft im 1. Rang eingetragen wurde. Die Gemeinde fragte uns dann periodisch an, ob wir die Schuld nicht übernehmen wollten. Wir wollten nicht, so sehr hatte der Verkäufer uns junge, naive Leute hereingelegt. Und die Gemeinde betrieb ihn jahrelang, bis er seine Schuld abgetragen hatte und der unliebsame Grundbucheintrag dann endlich wieder gelöscht werden konnte.

Nach dem Hauskauf begann eine harte Zeit. Wir nennen sie heute das „erste Wurstzeitalter“. Vieles hatten wir nicht budgetiert: Wir brauchten beispielsweise eine Gartenschere, einen Gartenschlauch, einen Rasenmäher, Gartenmöbel usw. Wir hatten auch vergessen, dass gegenüber Lachen, wo wir praktisch neben der Fabrik gewohnt hatten, jetzt das Auto für zweimal 16 Km Fahrt zur Arbeit Benzin und mehr Unterhalt brauchte usw. Ferien gab es im Moment keine, wir mussten zuhause bleiben. Wenn wir dann aber die kleine Andrea im Garten spielen sahen und wenn wir jetzt im eigenen Garten Würste grillieren konnten, waren wir eigentlich trotz fehlender Finanzen unwahrscheinlich glücklich. Mein Vater hatte grosse Zweifel gehabt, ob der Hauskauf richtig gewesen war. Er konnte nicht begreifen, dass wir uns derart stark verschuldeten. Der Entscheid für den Hauskauf war aber goldrichtig gewesen, denn in den 60er Jahren war die Inflation sehr hoch und die Löhne wurden nicht nur für erbrachte Leistungen erhöht, sondern sie folgten fast automatisch auch der Teuerung. Wir verzichteten auf vieles, sparten wirklich wie wild und zahlten unsere Schulden zurück. Damit wurde die Zinslast kleiner, und wir konnten bald wieder atmen. Auf alle Fälle wohnten wir bald billiger als meine Kollegen, deren Miete mit der Inflation auch gestiegen war.
Das Haus selbst an der Etzelstrasse in der Eichwies war von aussen kein Prunkstück, es war aber vom Lay Out her für eine junge Familie geradezu ideal: Alles war auf einer Ebene. Durch den Hauseingang und eine kleine Garderobe kam man in ein grosses, zentrales Wohnzimmer, von dem aus Türen in die Küche, ins Bad, in alle drei Schlafzimmer und auf die Terrasse führten. Ferner gab es neben einem "Aussenzimmer", das vom Vorgänger als Büro genutzt wurde, ein geräumiges Kellergeschoss und einen riesigen Estrich. Uns war es sehr wohl in dem gemütlich eingerichteten Haus.

Im Sommer 1965 musste ich nach der Einweihung der neuen Fabrik in Lachen für 18 Wochen nach Payerne zum Abverdienen des Hauptmannsgrades in den Militärdienst. Damit war Fischli die ganze Zeit allein mit Andrea in unserem Haus, eine ganz neue Erfahrung. Ob sie wohl Angst hatte? Sie stand dies tapfer durch, erstaunlich vor allem deshalb, weil sie kurz nach meinem Einrücken wusste, dass sie zum zweiten Mal schwanger war. Ich fuhr deshalb an den Wochenendurlauben so viel als möglich nach Hause, meistens per Auto mit meinen Kollegen Kurt Schmid und Wädi Peter, während ich unser Auto Fischli überliess. Eine schöne Abwechslung war eine Woche mit Fischli in Payerne, als mir mein Kollege Michel Fiaux während seines Militärdienstes seine Wohnung in Payerne überliess. Momi Karpf hütete wiederum gerne die kleine Andrea.

Ende November war ich wieder zurück, und wir verbrachten den zweiten Winter in unserem Haus. Dann bereiteten wir uns auf die Geburt von Alexa vor, die in der Klinik Hirslanden zur Welt kommen sollte. Als Fischli das Gefühl hatte, es gehe los, fuhren wir zuerst einmal zu Momi nach Zollikon, denn wir wollten aus Spargründen verhindern, noch vor 24’00 Uhr im Spital einzutreten, denn sonst wurde auch dieser Tag bereits voll verrechnet. Aber wir verrechneten uns: Gegen Mitternacht mussten wir mit beginnenden Wehen trotzdem fahren und traten um 23’30 Uhr in die Klinik ein und am 24. März 1966 um 03’03 Uhr kam unser zweites Meiteli Alexa zur Welt, glücklicherweise wieder ein gesundes Kind. Sicher hätten wir uns zur ersten Tochter einen Buben gewünscht, aber ich war ja nicht der Schah von Persien, der à tout prix einen Stammhalter haben musste. Wir waren glücklich, dass Fischli nicht mehr so leiden musste wie das erste Mal.

Die Taufe von Lexi fand dann noch im alten Kirchlein von Hombrechtikon statt, das relativ bald danach abgerissen wurde. Das Taufessen hingegen fand aus Spargründen bei uns im Haus statt. Am Vortag war Fischlis Grossvater mütterlicherseits gestorben, was Oechslis uns erst nach dem Taufessen sagten, um die Taufe nicht zu stören! So nahe ist Geburt und Tod beieinander.

Es war eine aussergewöhnlich glückliche Zeit, die wir in den nächsten Jahren mit unseren zwei goldigen Mädchen erlebten: Ich war glücklich am Arbeitsplatz, wir hatten uns gern wie eh und je, und mit den herzigen Mädchen war das Glück der jungen Familie perfekt. Inzwischen hatten wir auch eine Katze, da wir gelesen hatten, Haustiere wären für die Psyche der Hausbewohner, aber vor allem für jene der Kinder gut. Die erste fiel zwar schon bald dem Strassenverkehr vor unserem Haus zum Opfer, die zweite Katze aber, es war ein Kater, taufte Fischli „Sepphie“ und sollte drei Autounfälle überleben und über 20 Jahre unser Haus mitbewohnen.

Eines Tages im Herbst gab uns Dr. Kurz ein Zeitungsinserat für ein Haus in Hombrechtikon. Wir besichtigten es und kamen zum Schluss, dass dies eine Chance war. Wir trieben von überall her Geld auf: Dr. Kurz wollte mir rückwirkend ab Arbeitsbeginn einen höheren Lohn nachzahlen, da er mit meiner Leistung sehr zufrieden war, Fischli erbte 18'000 Franken, als Onkel Adolf das grosselterliche Chalet in Itschnach übernahm, Fischlis Grossvater war einverstanden, uns für eine 2. Hypothek 30'000 Franken zu leihen, auch meine Eltern und Schwestern pumpten uns etwas Geld, so dass wir am Schluss den Kaufpreis zusammen hatten. Beim Kauf brauchten wir dann aber zum ersten Mal in unserem Leben die Hilfe eines Anwalts, da wir, in Immobilienbelangen mehr als naiv, dem Verkäufer gegen Quittung aber ohne notarielle Beglaubigung eine Anzahlung geleistet hatten. Da der Verkäufer dann die Grundstückgewinnsteuer nicht bezahlen konnte, kam die Gemeinde auf uns zu, und wir mussten alle Hypotheken um einen Rang zurücknehmen, da die Restschuld des Verkäufers an nicht bezahlten Steuern bei unserer Liegenschaft im 1. Rang eingetragen wurde. Die Gemeinde fragte uns dann periodisch an, ob wir die Schuld nicht übernehmen wollten. Wir wollten nicht, so sehr hatte der Verkäufer uns junge, naive Leute hereingelegt. Und die Gemeinde betrieb ihn jahrelang, bis er seine Schuld abgetragen hatte und der unliebsame Grundbucheintrag dann endlich wieder gelöscht werden konnte.

Nach dem Hauskauf begann eine harte Zeit. Wir nennen sie heute das „erste Wurstzeitalter“. Vieles hatten wir nicht budgetiert: Wir brauchten beispielsweise eine Gartenschere, einen Gartenschlauch, einen Rasenmäher, Gartenmöbel usw. Wir hatten auch vergessen, dass gegenüber Lachen, wo wir praktisch neben der Fabrik gewohnt hatten, jetzt das Auto für zwei mal 16 Km Fahrt zur Arbeit Benzin und mehr Unterhalt brauchte usw. Ferien gab es im Moment keine, oder wir blieben Zuhause. Wenn wir dann die kleine Andrea im Garten spielen sahen und wenn wir jetzt im eigenen Garten Würste grillieren konnten, waren wir eigentlich trotz fehlender Finanzen sehr glücklich. Mein Vater hatte grosse Zweifel gehabt, ob der Hauskauf richtig gewesen war. Er konnte nicht begreifen, dass wir uns derart stark verschuldeten. Der Entscheid für den Hauskauf war aber goldrichtig gewesen, denn in den 60er Jahren war die Inflation sehr hoch und die Löhne wurden nicht nur für erbrachte Leistungen erhöht, sondern sie folgten fast automatisch der Teuerung. Wir verzichteten auf vieles, sparten wirklich wie wild und zahlten unsere Schulden zurück. Damit wurde die Zinslast kleiner, und wir konnten wieder atmen. Auf alle Fälle wohnten wir bald billiger als meine Kollegen, deren Miete mit der Inflation auch gestiegen war.

Das Haus selbst an der Etzelstrasse in der Eichwies war von aussen kein Prunkstück, es war aber vom Lay Out her für eine junge Familie geradezu ideal: Alles war auf einer Ebene.Durch den Hauseingang und eine kleine Garderobe kam man in ein grosses, zentrales Wohnzimmer, von dem aus Türen in die Küche, ins Bad, in alle drei Schlafzimmer und auf die Terasse führten. Ferner gab es ein geräumiges Kellergeschoss und einen riesigen Estrich. Uns war es sehr wohl in dem gemütlich eingerichteten Haus.

Im Sommer 1965 musste ich nach der Einweihung der neuen Fabrik in Lachen für 18 Wochen nach Payerne in den Militärdienst, den Hauptmannsgrad abverdienen. Damit war Fischli die ganze Zeit allein mit Andrea in unserem Haus, eine ganz neue Erfahrung. Ob sie wohl Angst hatte? Sie stand dies tapfer durch, erstaunlich vor allem deshalb, weil sie kurz nach meinem Einrücken wusste, dass sie zum zweiten Mal schwanger war. Ich fuhr deshalb an den Wochenendurlauben so viel als möglich nach Hause, meistens per Auto mit meinen Kollegen Kurt Schmid und Wädi Peter, während ich unseren VW Fischli überliess. Eine schöne Abwechslung war eine Woche mit Fischli in Payerne, als mir mein Kollege Michel Fiaux während seines Militärdienstes seine Wohnung in Payerne überliess. Momi Karpf hatte wiederum die kleine Andrea gehütet.

Ende November war ich wieder zurück, und wir verbrachten den zweiten Winter in unserem Haus. Dann bereiteten wir uns auf die Geburt von Alexa vor, die in der Klinik Hirslanden zur Welt kommen sollte. Als Fischli das Gefühl hatte, es gehe los, fuhren wir zuerst einmal zu Mami nach Zollikon, denn wir wollten aus Spargründen verhindern, noch vor 24’00 Uhr im Spital einzutreten, denn sonst wurde auch dieser Tag bereits voll verrechnet. Aber wir verrechneten uns: Gegen Mitternacht mussten wir mit beginnenden Wehen trotzdem fahren und traten um 23’30 Uhr in die Klinik ein und am 24. März 1966 um 03’03 Uhr kam unser zweites Meiteli Alexa zur Welt, glücklicherweise wieder ein gesundes Kind. Sicher hätten wir uns zur ersten Tochter einen Buben gewünscht, aber ich war ja nicht der Schah von Persien, der à tout prix einen Stammhalter haben musste. Wir waren glücklich, dass Fischli nicht mehr so leiden musste wie das erste Mal.
 
Die Taufe von Lexi fand dann noch im alten Kirchlein von Hombrechtikon statt, das relativ bald danach abgerissen wurde. Das Taufessen hingegen fand aus Spargründen bei uns im Haus statt. Am Vortag war Fischlis Grossvater mütterlicherseits gestorben, was Oechslis uns erst nach dem Taufessen sagten, um die Taufe nicht zu stören! So nahe ist Geburt und Tod beieinander.
 
Es war eine aussergewöhnlich glückliche Zeit, die wir in den nächsten Jahren mit unseren zwei goldigen Mädchen erlebten: Ich war glücklich am Arbeitsplatz, wir hatten uns gern wie eh und je, und mit den herzigen Mädchen war das Glück der jungen Familie perfekt. Inzwischen hatten wir auch eine Katze, da wir gelesen hatten, Haustiere wären für die Psyche der Hausbewohner, aber vor allem für jene der Kinder gut. Die erste fiel zwar schon bald dem Strassenverkehr vor unserem Haus zum Opfer, die zweite Katze aber, es war ein Kater, taufte Fischli „Sepphie“ und sollte drei Autounfälle überleben und über 20 Jahre unser Haus mitbewohnen.
1966 - 1971: Kindsgi / Schule Mädchen, Erste Portugalreise, "Familienferien" in Granja, Portugal, Badhüsli, Tennis
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8.5.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 1966 - 1971: Kindsgi / Schule Mädchen, Erste Portugalreise, "Familienferien" in Granja, Portugal, Badhüsli, Tennis.

8.5 1966 - 1971: Kindsgi / Schule Mädchen, Erste Portugalreise, "Familienferien" in Granja, Portugal, Badhüsli, Tennis

Für den Kindergarten und die ersten 6 Jahre Primarschule lag unser Haus unwahrscheinlich günstig. Die Mädchen konnten hinten aus dem Haus über einen kleinen Fussweg zu einem sehr wenig befahrenen Nebensträsschen, das zum Schulhaus führte, der Schulweg war nur einige hundert Meter. Die Leistungen der beiden Mädchen in der Primarschule waren gut und wir hatten diesbezüglich überhaupt keine Sorgen. Nur Lexi hatte eine Weile Schwierigkeiten mit der Aussprache des S. Mit ein paar Legasthenie-Stunden und viel Üben zuhause mit ihrem Momi konnte dies aber auch behoben werden.

Im Haus war es uns sehr wohl, obwohl die von unserem Vorgänger beim Aufgang an der Südseite des Hauses gepflanzten Föhren, Tannen und Birken immer üppiger wucherten, dort die Blumen erstickten und die Sonne abdeckten. Wir entschieden uns für eine Holzfäll-Aktion, bei welcher uns unser Nachbar Peter Goldschmid mit Rat und Tat beistand. Ich nahm drei Tage Ferien, um Holt zu spalten, aufzuräumen und die Äste zu verbrennen. Der Rauch meines Feuers war so dicht, dass die Autos auf der Etzelstrasse Licht anmachten! Als ich schlussendlich alles Holz gespalten und am Trockenen aufgebeigt hatte, wusste ich, wieso Cheminéeholz so teuer ist: Drei Tage meines damals ja nicht horrenden Monatsgehalts auf ungefähr einen Ster Holz! Das war ein stolzer Preis! 
 
Viel Freude bereiteten uns in diesen Jahren die Musikbegeisterung unserer Mädchen. Bei ihrem Klassenlehrer, Herrn Karl Nater, erlernten beide das Flötenspiel. Lexi kam genau drei Jahre hinterher, um wieder zum gleichen Primarlehrer zu kommen. Herr Nater bildete mit den begabtesten Schülern eine Flötengruppe, die manchmal in der reformierten Kirche zum Gottesdienst spielte, und zwar recht schöne Stücke, welche von den jungen Flötisten recht viel Können und vor allem auch Üben abverlangte. Daneben nahm Andrea Klavierstunden, und Lexi begann mit dem Cellospiel. Neben dem Cellospiel nahm Lexi auch noch etwa 2 Jahre lang Klavierstunden. Das war ein Üben und musikalisches Tribulieren zu Hause! Es gab Präsentationen in der Musikschule, da spielte Andrea Klavier, Lexi begleitete mit dem Cello ein Klavier spielendes Gespänli, und am Schluss spielte sie auch noch in einer Flötengruppe.

Im Sommer 1968 sollte ich im Norden Portugals erkunden, ob dies allenfalls etwas für eine GROWELA Tochtergesellschaft wäre, denn in der Schweiz war die Beschaffung von Arbeitskräften das grösste Problem in der Fabrik geworden. Die Kinder durften zu Selin und Fritz in Erlenbach in die Ferien und wir zogen mit unserem VW los. Es war eine wunderschöne Reise, die längste, die wir bisher unternommen hatten. Nach vielen geschäftlichen Besprechungen, dann auch mit André Kurz, welcher eingeflogen kam, sowie der Absprache eines Jpoint Ventures mit José und Arnaldo Rodrigues, fuhren Fischli und ich dann weiter nach Lissabon und hatten von dort aus nochmals Kontakt mit Selin und wussten, dass es den Mädchen gut ging. Nach Lissabon waren wir während 4 Tagen unterwegs Richtung Schweiz, obwohl wir eigentlich zügig fuhren, aber es hatte damals praktisch noch keine Autobahnen.
Von der Grenze aus in Genf versuchte ich dann Selin zu erreichen, aber es war niemand zuhause. Von Moudon aus probierten wir es ein zweites Mal, und wieder war niemand da, was uns jetzt aber beunruhigte, denn es war schon gegen acht. Endlich von Bern aus erreichten wir Selin, die uns sehr traurig sagte, die Kinder wären in Zollikon bei Nelly, denn in der Nacht nach unserem letzten Telefongespräch wäre ihr Mann Fritz ganz plötzlich gestorben. Es wäre schön, dass wir so anderntags vormittags auch an der Beerdigung teilnehmen könnten. Das war eine traurige Heimkehr nach drei so schönen und interessanten Wochen unterwegs. In den kommenden Jahren war Selin oft bei uns in Hombrechtikon, und wir sorgten uns etwas um sie, eigentlich bis zu ihrem Umzug nach Thalwil. Ich half ihr auch noch etwas mit dem Hausverkauf. In diesen Jahren kamen wir uns, nach der eher etwas grösseren Distanz nach der Geburt von Andrea (mit Selins klarer Parteinahme für Mama) auch wieder viel näher.

Sommeraufenthalte in Granja: 26. Mai - 26. Juni 1969, 8. Juli - 6. August 1970, 17. Juli - 13. August 1971.
Drei Jahre hintereinander durfte ich an obigen Daten in Granja, südlich von Porto und ca. 5 km nördlich von Espinho ein bescheidenes, zusammengebautes Doppeleinfamilenhaus mieten, das GROWELA bezahlte. Nur eine Naturstrasse lag zwischen uns und dem Meer. Wir hatten eine grossartige Sicht auf den Atlantik und bewunderten traumhafte Sonnenuntergänge direkt ins Meer. Ein schräg gegenüber liegendes Sommerhaus des Besitzers der Banco Espirito Santo war zwar schuld, dass wir nicht ganz freie Sicht hatten.

Wir sprachen meistens von Portugal-"Ferien". Dabei ging ich am Morgen sehr früh ganz normal arbeiten und kam erst abends nach sieben Uhr wieder nach Hause. Trotzdem war es herrlich, die paar Wochen abends und an den Wochenenden im Kreise der Familie sein zu dürfen, denn normalerweise war ich in Portugal ja sehr allein. Für Fischli und die Kinder war es schon ein ferienähnlicher Zustand: Tagsüber waren sie meistens im Schwimmbad, da das Meer viel zu gefährlich und zu wild zum Baden war. Ich erinnere mich gut, als ich einmal mit beiden kleinen Mädchen in der Hand bis zu den Knien im Wasser stand, rückwärts schaute und mit Fischli etwas sprach, und ich nicht bemerkte, dass plötzlich eine wesentlich grössere Welle heranrauschte und mir die Mädchen an den Händen nur so im Wasser herumwirbelte. Wir erschraken alle sehr, lernten daraus aber, dass der Atlantik einfach heimtückisch ist: Nach langer Zeit sehr harmlosen, gleichmässig kleineren Wellen kann plötzlich eine viel grössere und heftigere anrollen! Wir als Kinder der Berge liebten jedoch das Meer sehr, genossen alle Facetten bei Wind und Wetter. Besonders aber die Vielfalt der Wolken und des Lichts beeindruckte uns immer wieder von neuem. 

Das Haus war durch einen Zaun von der Strasse abgegrenzt und hatte nur ein leicht erhöhtes Geschoss. Nach dem Gartentor gelangte man über eine ebenfalls leicht erhöhte, über die ganze Breite des Hauses reichende und angenehm tiefe Terrasse zum Haupteingang. Dieser führte in ein geräumiges Wohn- und Esszimmer. Durch eine Türe an der hinteren Wand des Wohnzimmers gelangte man in einen langen Korridor, an welchem zuerst die Küche lag mit einem direkten Ausgang in einen Hof, und dann drei Schlafzimmer und 2 Bäder. Zuhinterst war das Elternschlafzimmer mit einem Bad vis à vis, dann kamen das Kinderzimmer, wo unsere Mädchen schliefen, und das Gastzimmer, wo jeweils André Kurz schlief, wenn er während unserer Aufenthalte nach Portugal kam. Die Einrichtung war einfach, aber zweckmässig. Frau Rodrigues war dafür besorgt, dass es uns an nichts mangelte. Als wir im zweiten Jahr einzogen, wohnte José Rodrigues dann mit seiner Familie im zusammengebauten Nachbarhaus. So sehr hatten ihm die Abende bei uns auf der Terrasse gefallen, dass er das Nachbarhaus gekauft und für sich etwas umgebaut hatte.

Im ersten Jahr während Mai / Juni froren wir anfänglich fürchterlich im Haus, das während des Winters unbewohnt und ungeheizt war, sowie sehr lange feucht blieb. Erst als wir dann Butagasöfen besorgten, wurde es etwas besser. Im Juli und August war das dann kein Problem mehr, eher das Gegenteil: Manchmal war es in den Schlafzimmern sehr, sehr heiss.
Das Beste am Haus war aber die Terrasse, auf welcher sich bei trockenem Wetter eigentlich unser ganzes Leben abspielte. Wir waren uns ja auch von zuhause aus gewohnt, draussen zu leben. So liebten wir die langen Abende sehr, zuerst draussen zu essen und dann sitzen zu bleiben, und bei einem Glas Wein die Weite des Meeres und das Treiben auf der Strasse vor dem Haus zu geniessen. Entweder taten wir es allein oder dann mit Besuch. Wir hatten oft Besuch, von Mitarbeitern, von Mitarbeitern von Rodrigues, Nuno Romão kam mit Familie, André Kurz war oft da, der Anwalt der Firma usw.

Auf der Strasse war abends ein emsiges Treiben. Buben und Mädchen lernten Velofahren, Hunde streunten in ganzen Gruppen wie in Umzügen hin und her, nach etwas Essbarem bettelnd. Es war aber auch etwas „grusig“ auf der nicht asphaltierten Naturstrasse, denn es lag viel Unrat herum. Die Leute waren sich nicht gewohnt, Ordnung zu halten. Ich erinnere mich an einen Abend, den wir mit André Kurz, dem Firmenanwalt und José Rodrigues draussen auf der Terrasse verbracht hatten. Jemand sagte, dass Fischli jetzt noch viel aufzuräumen hätte, den es standen viele Wein- und Wassergläser, volle Aschenbecher und Teller mit Papier und Speiseresten auf dem Tisch herum. Der Anwalt sagte, alle würden doch helfen und schwupp hatte er schon den Aschenbecher und einen Teller mit Papier und Abfall auf die Strasse geleert. Auch die sogenannt besseren Leute waren sich damals noch nicht gewohnt, die Umwelt nicht zu verschmutzen.

Lexi war das kleinste Kind in der Nachbarschaft. Während sich Andrea mit Worten, Händen und Gebärden bereits etwas verständigen konnte und in den ersten Tagen Velofahren lernte, hatte sich Lexi mit Madusa, einem sehr hässlichen, aber umso liebenswerteren Hund angefreundet. Wenn sie auf einem Kanapee im Wohnzimmer noch ihr Mittagsschläfchen machte, lag Madusa ihr zu Füssen, sie ihn mit dem Händchen am Halsband haltend. Der Hund merkte auch den Abschied im Voraus: Als Lexi ihm am letzten Abend des ersten Aufenthaltes traurig zuflüsterte, dass sie jetzt halt wieder nach Hause in die Schweiz fliegen müsse, aber sicher nächstes Jahr wiederkäme, heulte der Hund ganz jämmerlich und trottete von dannen. So viel Liebe bekam er wahrscheinlich das ganze Jahr nicht wie während diesen Wochen von Lexi. Das Wiedersehen im anderen Jahr war dann ein anderes, grossartiges Erlebnis. Madusa merkte sofort, dass wir wieder da waren, und lebte von da an mehrheitlich bei uns. Zuhause verpflegte er sich anscheinend nur noch!

Ein Erlebnis war auch das Einkaufen. Im Supermarkt war es bereits damals ähnlich wie bei uns. Aber im kleinen Lädeli beim Bahnhof Granja war es schon noch sehr archaisch: Da waren alle die verschiedenen Gerüche: Getrockneten Bacelhau, der an der Eingangstüre aufgehängt war, dann die Gewürze, Gemüse, das Abwägen von Mehl, Zucker usw. Aber das Beste war der Fleischverkauf. Die Bestellung gab Fischli mit Hilfe des Diktionäre auf. Das Fleisch wurde dann ins Haus gebracht, und wie! Ein junger Bursche hatte in einem geflochtenen Korb (ein gleicher Korb wie sie auf dem Bau den Beton die Leitern hoch tragen) die vielen bestellten Fleischstücke lose, offen und nicht eingepackt liegen. Beim Verteilen wusste er aber haargenau, wer was bekommen sollte. Diesen Korb mit dem Fleisch hing er an die Lenkstange seines Velos und fuhr damit wie wild auf der Naturstrasse zu den Häusern, rief etwas sehr laut, packte einen der Mocken und drückte ihn der herauseilenden Frau einfach so in die Hand. Fischli musste dann das Fleischstück zuerst waschen und parieren (von Verschiedenem kaum Essbaren entledigen), was jeweils Madusa zugutekam. Die Fleischqualität war dann recht gut, aber Fischli musste Metzgersdienste leisten. Aus diesem Grund hatten wir ab dem zweiten Aufenthalt ein in der Schweiz von unserm Metzger noch speziell geschliffenes Fleischmesser mit dabei.

Die Küche hatte einen Herd mit Backofen, der an eine Butagasflasche angeschlossen war. Ferner gab es einen gasbetriebenen Durchlauferhitzer und das notwendigste Küchengerät. Herd und Backofen brauchten viel Fingerspitzengefühl beim Anzünden. Nicht nur einmal hob eine kleine Explosion die Brenner und oberen Herdeinsätze mit lautem Knall leicht ab, was Fischli jeweils schauerlich erschreckte. Es lief aber immer glimpflich ab


Seit 1963 verbrachten wir unsere Sommerferien sonst regelmässig im Badhüsli im Lachner Horn. Dieses Badhüsli gehörte meinem Arbeitgeber, der GROWELA Schuh AG, und wurde vor allem für ungestörte Sitzungen und bei Kundenbesuchen benutzt. An Wochenenden und während der Betriebsferien durften es auch die Mitglieder der Geschäftsleitung benützen. Zum Badhüsli gehörte noch ein kleines Ruderboot mit Aussenbordmotor sowie ein Segelboot; für Boote und Haus war ich in der Firma verantwortlich. Herr Monthey aus Murten, ein Freund von André Kurz, hatte uns zudem eine alte Doppelzweier-Gig geschenkt, in welcher einige von uns Mitarbeitern mit dem Chef André Kurz rudern lernten. Als ich es bereits etwas konnte, durfte ich dann auch den Skiff meines Chefs benutzen. Wenn ich am Anfang jeweils kenterte, musste ich mit dem Boot zurückschwimmen, bis ich dann endlich wiedereinsteigen lernte! Ursprünglich lag das Badhüsli am offenen Seeufer. Man sah von unserem Badhüsli aus gegen Süden Stöcklikreuz und Etzel und von Westen nach Norden über den See von Hurden über Rapperswil, Jona und Wurmsbach bis nach Bollingen, dahinter Bachtel und weiter rechts Speer. Etwas ausserhalb gab es einen Schwimm-Bagger zur Kiesgewinnung, wo regelmässig Ledischiffe anlegten. Wir nannten den Bagger nur unseren Tinguely! Und auf der Ostseite war der Flugplatz Lachen-Wangen mit regelmässigem Flugbetrieb, der uns Flugbegeisterte aber nicht störte, ganz im Gegenteil, einmal fuhren wir mit unserem Boot einen im Wasser gelandeten Piloten retten…
Für Sommerferien war es eine geradezu ideale Lösung: Keine langen Anfahrwege und Staus, gute Einkaufsmöglichkeiten, alle zwei Tage konnten wir zuhause den Kater füttern und gleichzeitig Beeren pflücken usw. Für die Kinder hatten wir zusätzlich zum Segelboot einen Optimisten gekauft, mit welchem sie das Segeln erlernen konnten. Alex Rothlin und Lexi waren im Sommer dort zwei unzertrennliche Freunde, sei es beim Segeln, Ping Pong oder Schach spielen. Ghia hatte es eher etwas mit Christopf Rothlin oder mit Vogts Buben (Valentin wurde später SWISS Mem Präsident!). Aber immer lief etwas, man lernte schwimmen, wir hatten viel Besuche mit einfacher Bewirtung:  Salat, Chips und einer Wurst oder einem Stück Fleisch vom Grill, man machte Bootsfahrten bis nach Schmerikon oder auf die Ufenau usw.
Es kam an Samstagen oder Sonntagen auch ausserhalb der Ferien vor, wenn André Kurz rudern wollte, dass ich hie und da mit seinem Skiff schon draussen war, was er nicht besonders schätzte! Wenn ich aber immer vorher fragen musste, war das der Spontaneität eher abträglich. Ich entschloss mich daher 1971, einen eigenen Staempfli Kunststoff Skiff zu erwerben, den ich auch im Badhüsli stationieren durfte.
Fortan war Rudern mein Nr.1 Sport, denn Tennis hatte ich wieder aufgegeben, obwohl ich Gründungsmitglied des TC-Lachen war. Ich trat nach dem Umzug nach Hombrechtikon aus dem Klub aus, als an der GV mein Antrag, Auswärtigen die Platzreservation für 1 Stunde pro Woche zu gewähren, abgelehnt wurde. Vor allem aber, weil Fischli nicht mehr Tennis spielen wollte. Ich hatte sie vom Badhüsli aus an einem schwülen Augusttag über Mittag scheinbar derart über den Platz gehetzt, dass sie unter dem Einfluss eines leichten Sonnenstich den Schläger ablegte und knallhart und sehr ernst sagte, sie werde nie, nie mehr einen Tennisschläger in die Hand nehmen, was sie konsequent und sauber durchgehalten hat. Es sollte mir für andere Anliegen eine Lehre sein!

1971 - 1983: In Zollikon übernimmt Albert Gärtnerei, Mami Karpf heiratet nochmals, Umbau Kleindorf 14a, Fischli wird Bibliothekarin, Umzug Eltern nach Ragaz, Tod des Vaters, Umbau Hombrechtikon, 2. Wurstzeitalter
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8.6.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 1971 - 1983: In Zollikon übernimmt Albert Gärtnerei, Mami Karpf heiratet nochmals, Umbau Kleindorf 14a, Fischli wird Bibliothekarin, Umzug Eltern nach Ragaz, Tod des Vaters, Umbau Hombrechtikon, 2. Wurstzeitalter .

8.6 1971 - 1974: In Zollikon übernimmt Albert Gärtnerei, Momi Karpf heiratet nochmals, Umbau Kleindorf 14a, Fischli wird Bibliothekarin, Umzug Eltern Gadient nach Ragaz, Tod des Vaters, Grosser Umbau in Hombi, 2. Wurstzeitalter,

Nachdem Albert und Nelly die Gärtnerei Mitte der 60er Jahre übernommen hatten, zügelte Momi Karpf in den obersten Stock des Hauses ihrer Eltern Kleindorf 16, wo ihr Vater für sie eine Küche einbauen liess, so dass eine kleine zusätzliche Wohnung entstand. Momi Karpf heiratete am 29. März 1967 nochmals, und zwar Alfred Spaltenstein, einen Malermeister aus Basel, dessen verstorbene Frau eine Cousine von ihr gewesen war.
In Zollikon war 1974 nach dem Tod von Fischlis Grossmutter die Erbteilung fällig. Meine Schwiegermutter bat mich, unsere Familie in den Besprechungen für diese Erbteilung zu vertreten, was bei meinem Schwager nicht gut ankam. Es bestand ein allseits unterzeichneter, rechts­gültiger Erbvertrag von Emil und Frieda Welti-Dübendorfer aus den 40er Jahren, einer Zeit, als Häuser gegenüber Land noch wesentlich wertvoller waren. Grossvater Welti wollte im Erbvertrag seine Tochter Frieda klar bevorteilen, und zwar zum Dank dafür, dass ihr Mann Fritz Karpf seine eigene Gärtnerei in Küsnacht Itschnach verkauft hatte, um in einem Pachtverhältnis den Betrieb seines Schwiegervaters weiterzuführen, da dieser ja seinen Stammhalter im Weltkrieg verloren hatte. Er hatte zwar auf dem Bauernbetrieb seine Gärtnerei eingerichtet, hatte aber, als ich in die Familie kam, immer noch drei Rinder im Stall. Nun stand ich vor der schwierigen Aufgabe, den Miterben zu erklären, dass Grossvater Welti im Erbvertrag Momi mit der Zuteilung der Häuser eigentlich bevorzugen wollte, dass dies aber unter den heutigen Verhältnissen ins Gegenteil umgeschlagen hatte: Das Land hatte eine viel höhere Wertsteigerung erfahren als die Altbauten. Es waren sehr schwierige Verhandlungen, wobei der schwierigste Verhandlungspartner Fischlis Cousin Walter Karrer war. Andrerseits erhielt ich durch Fritz Oechsli viel Unterstützung, da er viel Verständnis für die neue Situation zeigte. Schlussendlich fanden wir unter der Federführung von Grossvaters Hausbank, der Bank Neumünster, wo Grossvater Bankrat gewesen war, eine einvernehmliche Kompromisslösung, der schlussendlich, ohne Familienkrach, alle Erben zustimmten.

Mit der früheren, partiellen Erbteilung hatte meine Schwiegermutter (Momi) neben den selbst erstellten und selbst bezahlten Rüstraum und Gewächshäusern sofort nach Grossvaters Tod 1966 das ganze Haus Kleindorf 14 inkl. Scheune zugesprochen erhalten, dessen unteren Hausteil sie 1968 mit Architekt Blumer umbaute, dem Vertreter des Heimatschutzes in Zollikon. Ich hatte mich damals nicht eingeschaltet, sonst hätte eventuell eine etwas bessere Raumlösung gefunden werden können, denn meines Erachtens wurde die wertvollste Fläche mit Seesicht ausgerechnet einem überdimensionierten Treppenhaus geopfert, das überdies heizungstechnisch ein grosses Problem war. Momi und Fred zogen dort ein. Von allem Anfang an durfte unsere Familie, wann immer wir wollten, im „Juhee“, wie wir den obersten Stock des Hauses nannten, das riesige Zimmer mit Seesicht und eigenem Bad, an Wochenenden oder für ein paar Ferientage benutzen. Wir hatten das Zimmer mit 4 Betten und für mich einen Schreibtisch eingerichtet, wo ich an Wochenenden arbeiten konnte.

Mit Momi und auch mit ihrem neuen Mann hatten wir eigentlich immer ein sehr gutes Verhältnis. Fred war ein viel belesener und vor allem in der Kunst ein sehr gut bewanderter Mann, und dadurch auch ein sehr guter Gesprächspartner. Aber er hatte auch seine Macken, wie jedermann. Sein grösster Fehler war in meinen Augen, dass er zwar sehr viel um die Scheune und den Rüstraum herum arbeitete, sich aber auch gebärdete, wie wenn alles ihm gehören würde, ausser, wenn es dann um die Bezahlung von Unterhaltskosten ging. Dann war jeweils immer Momi die Besitzerin. Fred und Momi hatten Gütertrennung beschlossen. Fischli und ich mussten deshalb einmal ein ernstes Wort mit Fred reden, dass er die Hälfte des Lebensunterhaltes zu bezahlen hätte, inkl. den Haushaltskosten.

Fred pflegte nach dem Tod von Grossvater Welti auch die Reben. Dort kamen sich zwischendurch dann Fred und Oechslis in die Quere, da er Oechslis Sitzplatz als Werk- und Arbeitsplatz nutzte. Ferner gab es einmal einen grossen Krach mit Albert und Nelly, als Fred während einer Ferienabwesenheit von Karpfs im Garten des oberen Hausteils, wo Albert und Nelly wohnten, eigenmächtig eine grosse Birke fällte, da sie ihm scheinbar in der Küche dunkel machte. Ich meine aber, dass die positiven Aspekte von Momis zweiter Ehe die negativen bei weitem wettmachten und vor allem für Momi war die Zeit mit Fred eigentlich eine gute Zeit war.

Fischli packte zwischendurch die Reue, dass sie seinerzeit nicht ans Gymi gegangen war und wollte sich in dieser struben Zeit mit abwesendem Mann, mit Kindern, Haushalt und Garten in Fernkursen der AKAD in Zürich die Matura nachholen. Sie musste aber das Projekt aufgeben und beschränkte sich nur auf die Erarbeitung des Matura-Stoffs in Deutsch und Geschichte, was ihr grosse Freude und auch Befriedigung brachte.

In dieser Zeit fragte Fischli einmal Frau Annelies Lüthi, sie würde sich für die Mitarbeit in der Gemeindebibliothek interessieren und was dafür punkto Ausbildung zu tun wäre. Annelies Lüthi war von ihr sehr angetan. Fischli konnte 1968 sofort mit der Arbeit beginnen, Annelies riet ihr aber, den kantonalen Bibliothekaren-Kurs zu absolvieren. Diesen halbjährigen Kurs besuchte sie im Jahre 1969 und absolvierte die Schlussprüfung mit Erfolg. Anschliessend hatte Fischli zwei Mal pro Woche Bücherausgabe und arbeitete einen halben Tag pro Woche für allgemeine Bibliotheksarbeiten wie Bücher einbinden, Ordnung machen, Bücher aus­scheiden. Sie erarbeitete sich eine Spezialität, das Katalogisieren, was sie dann bald am meisten beschäftigte. Diese Arbeit sollte Fischli während über 25 Jahren, verrichten, ja man hätte es sehr gerne gesehen, wenn sie nach Annelies Lüthi die Bibliotheksleitung übernommen hätte, was sie aber nicht wollte. Erst mit unserem Umzug nach Zollikon hörte sie damit auf und hatte ein Tränli dabei!

Meine Eltern waren dann ca. 1972 in die kleine Inlieger-Wohnung unten in Dorli und Alberts Haus in Bad Ragaz gezogen, zu spät, wie es sich herausstellte. Papa machte damals als erstes nach dem Umzug in sein St. Galler-Oberland einen Spaziergang zum Friedhof und erzählte anschliessend lachend, dass er hätte wissen wollen, wo er einmal hinkäme! Seine 10 Jahre früher durchgeführte Prostataoperation hatte ihn sehr geschwächt, und er war nie mehr ganz zu Kräften gekommen. Auch war er nicht mehr jederzeit zu Spässen bereit, so wie es fast sein ganzes Leben lang der Fall gewesen war. Es war äusserst traurig, zusehen zu müssen, wie der Krebs ihn zunehmend zeichnete und wie sein Lebenswille unter grossen Schmerzen langsam erlosch. Er starb im Frühling 1975 und wurde auf dem Friedhof in Bad Ragaz begraben.

Die Sparanstrengungen in unserer Familie konnten mit dem Abzahlen von Schulden mit der Zeit auch wieder etwas heruntergefahren werden. So stellten wir anfangs der 70er Jahre mit Befriedigung fest, dass wir in unserem eigenen Haus in Hombrechtikon günstiger wohnten als die meisten unserer Freunde in ihren Mietwohnungen. Wir hatten in der Zwischenzeit bei der Planung eines Fabrikneubaus in Portugal den Architekten Pierre Zoelly kennen gelernt, der uns vorschlug, den „bünzlihaften“ kleinen Balkon vor dem Wohnzimmer zu einer Holzterasse zu vergrössern, und zwar mit einer fest eingebauten Sitzbank als Abschlussgeländer. Er machte uns gleich noch eine kleine Handskizze, nach welcher ich die Stahlträger berechnete, und wir im Jahre 1971 die Terasse durch den Zimmermann, der auch das Badhüsli gebaut hatte, errichten liessen. Für die Föhre, die dort wuchs, wurde in den Lärchenholzriemen am Boden ein Loch ausgeschnitten, und so hatten wir eine Föhre auf der Terasse. Herr Reichmuth, der Hauswart von der Schuhfabrik, zimmerte uns aus Abfallholz einen grossen Klapptisch, der dimensionsmässig auf unsere vielen, karierten Tischtücher aus Portugal abgestimmt war, und wir kauften uns im Ausverkauf bei der Wohnhilfe Gartenstühle. Obwohl es die Strassenseite war, lebten wir bei schönem Wetter praktisch immer dort draussen, denn der Verkehr hielt sich bis zum Ausbau der Zellweger Fabriken in der Eichwies in Grenzen, vor allem abends und am Wochenende war es dort recht ruhig. Den Bau dieser Terrasse und die neuen Stühle bewältigten wir finanziell spielend, und das machte uns bereits wieder etwas übermütig. Wir begannen, von einem neuen Haus zu träumen, nicht zuletzt angeregt durch die Freundschaft zum Architekten Pierre Zoelly. Als erstes begannen wir wieder mit unseren Spaziergängen, um schönere Häuser oder bessere Standorte für einen Neubau zu suchen. Tatsache aber war, dass es für uns überall dort, wo es uns gefallen hätte, praktisch unerschwinglich war. Wenn wir z.B. am Lützelsee das Eglihaus, am Bachtel, in Dürnten oder zwischen Grüningen und Gossau usw. sonst einigermassen erschwingliche Häuser oder Bauplätze gefunden hatten, war Pierre Zoelly jeweils bereit, die Objekte mit uns zu besichtigen, die Bausubstanz zu beurteilen und auch abzuschätzen, wieviel Mittel wir neben dem Kaufpreis noch hineinstecken müssten, um es für uns bewohnbar zu machen.

Und wieder wurden praktisch alle auf den ersten Blick günstigen Objekte für uns unerschwing­lich. Einmal auf dem Heimweg von einer solchen Besichtigung meinte er, wir könnten natürlich auch unser Haus in Hombrechtikon umbauen. Die Lage würde dadurch zwar nicht besser, hingegen könnte man seine Orientierung von der Strasse weg nach hinten, also nach Südosten ausrichten. Er würde sich dies einmal überlegen.
Eines Samstags, als wir wie üblich im Garten arbeiteten, kreuzte Pierre Zoelly überraschend mit einer kleinen Handskizze auf und jubelte: Er hätte eine zwar eigenwillige, aber sehr überraschende Lösung für einen Umbau gefunden. Er würde die Nord­ostecke des bestehenden Hauses abbrechen, dort einen quadratischen „Turm“ bauen und nach Nordosten hin einen unterkellerten Anbau erstellen, ein paar Treppenstufen höher, ein grosses Studio mit Giebeldach und mit einem Wintergarten als Abschluss. Hinter dem Haus würde bei geschickter Gartengestaltung ein Patio entstehen, das praktisch uneinsehbar wäre und wo man ohne weiters „blütteln“ könne.

Jetzt begann eine hoch interessante Planungsphase, die sich am Anfang an unserer von Fischli und mir ausdiskutierten, möglichen finanziellen Mehrbelastung von ca. CHF 100'000 ausrichtete. Wir wollten nicht schon wieder wie gehabt auf Alles verzichten, denn man gewöhnt sich ach so schnell an das Bessere! Irgend­wann bei der Detailplanung verlangte Pierre Zoelly dann aber weiter CHF 80'000, ohne die das Projekt drastisch reduziert werden müsste. Wir hatten uns in Gedanken bereits in unser künftiges, neues Haus eingelebt und auch verliebt, und nach einigem Zögern sagten wir schweren Herzens Ja zur Budgeterhöhung. Das Baugespann wurde aufgestellt, wir orientierten unsere Nachbarn, und ich musste mich um die Finanzierung kümmern. Es war 1973/74 sehr schwierig, für einen solchen, etwas gewagten Privatbau eine Finanzierung zu erhalten, die ich dann aber über geschäftliche Beziehungen dennoch sicherstellen konnte. Die Zinsen waren aber (übrigens wie immer, wenn wir uns in unserem Leben mit Bauplänen beschäftigten!) exorbitant hoch und brachte uns neben den Mehrkosten in weitere Schwierigkeiten. Dazu mussten wir für 7 Monate auch noch das Haus verlassen und in eine Wohnung umziehen (neue Mehrkosten!), denn die Umbauten machten das Haus für diese Zeit unbewohnbar.

Eine Woche vor dem Muttertag 1974 brachte mein Mitarbeiter Martin Studach die Motorsäge und wir fällten im Garten alle Obstbäume bis auf einen Pflaumenbaum,. Es sah grausig aus im Garten. Martin Studach sprach damals vom „Tornado Frieda“. Jetzt mussten wir nur noch ausziehen. Wir verpackten alles, was wir nicht brauchten, in Schachteln und stapelten diese in zwei Zimmern des Hauses, die wir möglichst staubdicht abzudichten versuchten.

Am Samstag vor dem Muttertag zügelten wir mit dem GROWELA Lastwagen und den Herren Rauchenstein (Der Lagerchef war auch einige Male Samichlaus bei uns!) und Reichmuth in eine relativ kleine 2 ½ Zimmerwohnung an der Heusserstrasse in Hombrech­tikon. Wir kochten, wohnten und assen im Wohn-/Koch-/Esszimmer, Fischli und ich schliefen zudem auf einem Auszugcouch darin, die Kinder hatten das andere Zimmer mit Kajütenbett, Kasten Tisch und Klavier. Nach 10 Jahren Einfamilienhaus wurde es sehr eng! Aber wir hatten das Gefühl, dass dies auch für unsere Mädchen eine gute Erfahrung in einer Mietwohnung sei: Keine Nägel in die Wand hämmern, keinen Lärm machen, keine Haustiere halten, dies war verboten, vieles war verboten...
Um die Enge der Wohnung kurz zu schildern, eignet sich der Abend des ersten Muttertages am besten! Wir waren en famille bei unseren Müttern unterwegs gewesen und kamen gegen Abend alle etwas geschafft nach Hause. Andrea sagte, sie müsse noch Klavier üben für die Stunde am Montag, dazu musste sie ans Klavier ins Zimmer, das war klar. Lexi wollte Flöte üben. Also setzten wir sie aufs Klo, als Notenständer diente der Wäschekorb. Ich musste noch etwas für den morgigen Montag im Geschäft vorbereiten und setzte mich an den Schreibtisch und konzentrierte mich auf meine Arbeit. Normalerweise kann ich mich auch bei relativ lauter Umwelt sehr gut konzentrieren. Als dann aber zum Klaviergeklimper aus dem Kinderzimmer und zum Geflöte aus dem Bad/WC auch noch der Dampfabzug über dem Kochherd wie ein Rasenmäher losheulte, denn Fischli musste ja das Nachtessen vorbereiten, platzte mir in der kleinen Wohnung am ersten Tag schon ein erstes Mal der Kragen. Aber trotzdem war es eine gute Zeit. Etwa 2 Monate nach uns zogen im dritten Stock Hannes und Uschi Studer ein, welche von der Grossstadt München ins Bauerndorf Hombrechtikon kamen. Hannes kannte ich vom Handball in St. Gallen her, wo er als jüngster während meiner allerletzten Saison mit mir bei Pfader Hospiz spielte, wobei seine Schwester Dorli zudem noch mit mir in die Primarschule gegangen war. Für Uschi war es sehr wichtig, mit Fischli nach ihrer Ankunft eine Bezugsperson im Dorf zu haben. Sonst wäre der Kulturschock auch gar gross gewesen. Aus dem Wohnen im gleichen Haus entwickelte sich eine schöne und tiefe Freundschaft, bis sie beide 1978 bei einem Flugzeugunglück vor Madeira tödlich verunglückten und jäh aus dem Leben gerissen wurden. Es war kurz vor Weihnachten, wovor sie, die leider kinderlos geblieben waren, fliehen wollten. Sie waren am Vorabend noch bei uns zu Besuch gewesen, und wir hatten mit kleinen Geschenken etwas Weihnachten vorgeholt. Fischli und ich waren sehr, sehr traurig.
Während unserem Aufenthalt an der Heusserstrasse liessen wir Kater Sepphie im Haus, denn er konnte durch ein geöffnetes Oberlichtfenster in den Heizungsraum einsteigen, wo wir ihm auch das Futter hinstellten. Schon relativ bald frass er aber das bereitgestellte Essen nicht mehr, und wir vermuteten, dass er wahrscheinlich umgekommen sei. Wir beachteten leider erst viel später, dass jemand jenes Oberlichtfenster so stark geschlossen hatte, dass er gar nicht mehr hineingelangen und damit auch nicht mehr fressen konnte. Es war sehr traurig, der Kater war scheinbar der erste Verlust in Zusammenhang mit dem Neubau.
Wenn ich von der Heusserstrasse zur Arbeit fuhr, musste ich zwangsläufig an unserem Haus vorbeifahren. So konnte ich die Baustelle wenigstens morgens und abends immer unter Kontrolle halten. Der Aushub brachte neue Überraschungen: Für den Aushub des Kellers, vor allem aber des Tankkellers für den neuen Öltank, stiess man auf sehr harte Nagelfluh. Da man wegen der umliegenden Häuser nicht sprengen konnte, wurde während mehreren Tagen mit mehreren Pressluftbohrern unter ohrenbetäubendem Lärm der Fels abgetragen. Dabei entwickelte sich jeweils ein Staub, der mich an mein Feuer nach der Baumfällaktion erinnerte: Wieder schalteten die Autos auf der Etzelstrasse das Licht ein. Daneben lief eigentlich alles ungefähr nach Plan, nur dass es bei den Ingénieurarbeiten eine Kostenüberschreitung von fast 100% gab, die aber m.E. nicht eindeutig erklärbar war. Ich begann zu zittern und hoffte, dass die anderen Positionen besser budgetiert worden waren. Im Laufe der Bauzeit kristallisierte sich immer klarer heraus, dass auch der um die CHF 80'000 erhöhte Kostenvoranschlag wahrscheinlich nicht eingehalten werden konnte. Was dies für uns bedeutete, war Fischli und mir sonnenklar: Das zweite Wurstzeitalter brach an, wobei wir jetzt auch im Winter Servelas braten konnten, da wir jetzt ein Cheminée hatten. Aber wir konnten bereits planen, auf welche liebgewordenen Sachen wir ab sofort verzichten wollten, bzw. mussten. Das Haus wurde zwar ein Wurf! Pierre Zoelly brachte uns damit aber in eine Situation, wo wir uns einen Verkauf über­legen mussten, da es finanziell für uns eigentlich nicht mehr tragbar war. Selbstverständlich gab es auch Spannungen zwischen Bauherr und Architekt, denn wir versuchten fortan, alles neu bewilligen zu lassen und jeden Rappen zweimal zu drehen, bevor wir zu etwas unsere Zustimmung gaben. Schluss­endlich betrug die Kostenüberschreitung zu den ursprünglich vorgesehenen Baukosten nochmals CHF 100'000, und dies zusätzlich zu den bereits schweren Herzens bewilligten CHF 80‘000.  Unfrohe Stunden standen an! Dazu kam noch der von uns Anliegern gar nicht geschätzte Ausbau der Etzelstrasse, an welchen wir perimeterpflichtig waren und nochmals rund CHF 10'000 beitragen mussten. Wir wussten, dass, wenn Fischlis himmelblauer "Herr Vier", wie unsere Kinder dem Renault 4 mit "ciel ouvèrt" sagten, kaputt ging, dass wir keinen neuen Zweitwagen kaufen konnten. Aus Spargründen hatten wir neu auch Wechselschilder, und ich versuchte deshalb so viel wie möglich, Fischli das Auto zu überlassen und mit den Herren André Kurz und Neukomm oder mit Frau Mazzega nach Lachen zur Arbeit zu fahren, da sie alle in der Nähe von uns wohnten.

Wie bereits gesagt, das Haus war aber wenigstens wirklich ein Wurf! Als Fischlis Cousin und Architekt Paul Karpf von einigen Auslandjahren Frankreich und USA zurück in der Schweiz das erste Mal zu Besuch kam, sagte er spontan: "Euer Architekt war sehr mutig, als er Euch dieses Haus verkaufte"!!
Zum Glück hat mein Papa unser neues Haus nach dem Umbau noch einmal gesehen, bevor er starb. Er, der zusammen mit meiner Mutter unser Haus in Hombrechtikon während mehreren Ab­wesen­heiten von uns gehütet und jeweils wie wild im Garten gewütet hatte: Er war mit Leib und Seele ein Schrebergärtner! Blütensträucher waren nicht unbedingt sein Ding, die schnitt er jeweils immer wieder radikal zurück.

Entlassung bei Growela, Wechsel zu BALLY, Tod der Mutter, Überbauung in Zollikon
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8.7.  Unsere Familie Gadient -Karpf – Entlassung bei Growela, Wechsel zu BALLY, Tod der Mutter, Überbauung in Zollikon .

8.7 1976 – 1983: Entlassung bei GROWELA - Wechsel zu BALLY, , Tod der Mutter, Überbauung in Zollikon

Ende 1976 musste ich den Rauswurf aus der GROWELA verkraften, wobei ich von Fischli und den Mädchen nachhaltig getragen wurde. Fischli stand fest hinter mir, machte mir Mut und war in dieser Ausnahmesituation eine ausgesprochen starke Frau, ihr grossartiges Verhalten beeindruckte mich nachhaltig. Auch Jack Brunnschweiler half mir in echter Freundschaft, indem er als erfahrener Personalchef meine Stellensuche coachte. Nach meinem Entscheid für BALLY ergaben sich neu der Arbeitsort Zürich, dann die Abwesenheiten für Zentralschule IIA und Abverdienen des Majorsgrades.

Bei BALLY ging es nach dem Stellenwechsel im Jahr 1977 drunter und drüber. Der Financier Werner Rey hatte die Mehrheit an BALLY übernommen mit den bekannten anschliessenden Turbulenzen. Man konnte immer in der Zeitung das Neueste über die Firma lesen. Ich war eigentlich bereits wieder am sich Neu-orientieren, denn in einer derart unseriös geführten Firma konnte man wirklich nicht bleiben. Erst nach der Übernahme durch die Oerlikon-Bührle Holding (OBH) und meiner Ernennung zum Leiter Stabsbereich Planung, Organisation und Informatik wurde es wieder eine mich voll fordernde Aufgabe, wieder mit vielen Reisen in Europa, Amerika und Südamerika. Damit waren aber auch die GROWELA – Badhüsli Ferien vorbei! Wir mussten für Sommer 1977 Ersatz suchen, wobei wir trotzdem nochmals 2 Wochen im Badhüsli verbringen durften, zusammen mit Holers, welche abends nach Hause nach Galgenen gingen) und ein Jahr später 1978 nochmals: Dieses Mal gaben uns unsere Freunde Dr. Rothlin‘s für 2 Wochen ihr Badehaus zur Benützung.

Schon bald nach dem Tod meines Vaters war Mama sehr melancholisch geworden, ja es begannen richtiggehende Depressionen. Für mein Schwester Dorli, welche zuerst beide Eltern und jetzt nur noch Mama betreute, war es sehr traurig, wenn Mama uns jeweils erzählte, Dorli stehle ihr ihren Schmuck, aber auch Geld. Dabei hatte Mama nur begonnen, immer wieder alles zu verstecken, wobei sie es dann nicht mehr fand. Fischli und ich holten Mama einmal für 2 Wochen zu uns, um Dorli eine Verschnaufpause zu verschaffen. Auf dem Hinweg erklärte ich meiner Mutter, "dass bei uns im Haus dann nicht gestohlen werde."  Meine Mutter beklagte sich dann auch nie. Aber nachdem sie uns verlassen hatte, fanden wir noch wochenlang immer wieder etwas, das sie versteckt hatte.

Ihre Krankheit wurde dann so ausgeprägt, dass man sie schlussendlich 1978 in die Psychiatrische Pflege in Pfäfers einweisen musste. Ich besuchte sie dort noch zwei Mal, aber sie erkannte mich nicht mehr, sie nannte mich immer Heinrich, meinte wahrscheinlich, ich sei ihr jüngster Bruder. Es war deprimierend, wenn die Mutter ihren einzigen Sohn nicht mehr erkennt!

Ein Lichtblick war ihr 90. Geburtstag am 30. November 1979: Wir 5 Kinder mit Partnern und fast allen Enkeln feierten ein Fest in Valens und im St. Margrethenberg, an welchem sie einen sehr guten Tag hatte und uns praktisch alle erkannte. Sie genoss diesen Tag im Kreise ihrer Grossfamilie sichtlich noch einmal in hellen Zügen. Am 18. Januar 1980, also nur 1 ½ Monate später, wurde sie von ihren Altersbeschwerden erlöst und kam dann zu ihrem Mann ins gleiche Grab auf dem Friedhof in Bad Ragaz. Das Grab wurde nach 25 Jahren aufgehoben.

In Zollikon stellte sich ein neues Problem: Nachdem Albert die Gärtnerei aufgegeben hatte und mit zwei Angestellten für die Rediffusion Kabelanschlüsse verlegte, brauchte er dazu weder die Scheune noch den Rüstraum. Man stellte viel zu spät fest, dass das Dach der Scheune nicht mehr dicht war und das Holz durch den dauernd eindringenden Regen morsch wurde. Man musste zwangsläufig etwas unternehmen. Ich schlug den Ausbau der Scheune zu einem Wohnhaus vor, was Momi freudig, Albert eher widerwillig begrüsste. Wir gaben den Auftrag Pierre Zoelly, von dem wir mittlerweile wussten, dass er grossartige Lösungen vorschlug. Um auch die Finanzen in den Griff zu bekommen, schlug ich vor, dass Paul Karpf, Fischlis Cousin und Architekt mit Puerre Zoelly in einer Architekten-Gemeinschaft mitarbeiten und vor allem für die Kostenüberwachung und die Ausführung verantwortlich sein sollte. Mit Pierre Zoelly hatten wir kostenmässig beim Umbau unsere Hauses in Hombrechtikon eher schlechte Erfahrungen gemacht.

Der Ausbau nur der Scheune war aber derart teuer, dass die Wohnungen niemals kostendeckend hätten vermietet werden können. Es wäre nur gegangen, wenn man selbst darin gewohnt und nicht auf den Preis gesehen hätte. Pierre Zoelly schlug deshalb vor, eine Studie für eine Gesamtüberbauung auf Momis Land zu machen und dann mit einer Mischrechnung das Ganze zu vermieten. Ein erstes Vorprojekt wurde von der Gemeinde abgelehnt, da es angrenzend an die Kernzone und mit der geschützten Scheune sehr schwierig war, etwas Vernünftiges zu bauen. Zoelly arbeitete aber daran weiter und machte eine neue Eingabe, die dann bewilligt wurde. Das ganze Prozedere hatte sich allerdings über mehrere Jahre hingezogen, bis wir 1982 plötzlich eine, damals für 1 Jahr gültige Baubewilligung hatten.

Ich bin der Meinung, dass Fischli und ich die Einzigen unserer Familie waren, welche diese Überbauung mit den 17 Wohnungen wirklich wollten. Momi und vor allem ihr Mann Fred, sowie Fischlis Bruder Albert standen dem Projekt sehr skeptisch gegenüber. Um ehrlich zu sein, tangierte sie uns im fernen Hombrechtikon natürlich auch am wenigsten. Ich konnte aber schliesslich Momi davon überzeugen, dass man etwas machen musste, und dass diese Planung für die Familie optimal wäre. Alberts Haltung zur Überbauung war nach wie vor eher negativ.

Im August 1983 begannen der Abriss von Scheune, Schopf und Gewächshäusern, praktisch gleichzeitig mit dem Tod von Fred Spaltenstein am 2. August. Die Beerdigung von Fred fand in Basel statt, wo seine Kinder leben.

Auf der Baustelle war plötzlich Fischlis zweiter Cousin Hans Karpf Bauführer, der Bruder des Architekten Paul Karpf, Paul und Hans arbeiteten hier so zusammen, wie wenn es ihr eigenes Projekt gewesen wäre, oftmals im Gegensatz zu Pierre Zoelly, welcher selbstverständlich der grosse Maestro war und für die Vermeidung von Mehrkosten meistens wenig Verständnis aufbrachte. Die Bauarbeiten verliefen nicht ganz problemlos, war doch in der Mitte des Grundstücks das alte Wasserreservoir der Gemeinde, welches gleichzeitig als Filterstation ausgebaut wurde. Aber schlussendlich wurde die Überbauung ein äusserst gelungenes Werk, nicht sehr alltäglich und sich am Rand der Kernzone harmonisch einfügend. Keine der 17 Wohnungen war wie die andere; alle waren eigentlich Originale. Wir ernteten viel Lob damit, allerdings auch Tadel, was ja vorauszusehen war, wie vor allem Albert immer wieder freute. Im ZoBo erschien ein sehr negativer Artikel mit dem Titel "Kleindorf City", ausgerechnet verfasst von Trudy Meier, einer Freundin von Momi und vor allem von Fred!

Die ersten Mieteinnahmen kamen aber glücklicherweise genau gleichzeitig mit den ersten regelmässigen Rechnungen des Pflegheim Bethesda, wo Momi inzwischen nach einem Oberschenkelhalsbruch eingeliefert wurde. Nachdem ich immer wieder gesagt hatte: "Momi wäre zwar eine reiche Frau, aber sie habe kein Geld", war dies schliesslich ein absoluter Glücksfall; die Familie hätte sonst Land verkaufen müssen. Deshalb war jetzt auch Albert etwas weniger negativ der Überbauung gegenüber.

1979 - 1988: Mädchen an Kantonsschule Wetzikon, Andrea England und Uni Zürich, Alexa New York un HSG St. Gallen
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8.8.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 1979 - 1988: Mädchen an Kantonsschule Wetzikon, Andrea England und Uni Zürich, Alexa New York un HSG St. Gallen.

8.8 1979 - 1988: Mädchen an Kantonsschule Wetzikon, Andrea in England und Uni Zürich, Alexa in New York und HSG St. Gallen

Andrea Regula *1963, hatte aus der sechsten Primarschulklasse heraus die Aufnahmeprüfung ans Untergymnasium der Kantonsschule Wetzikon bestanden und pendelte nun jeden Tag mit dem Schulbus hin und her. Und wenn es Ausfallstunden gab und sie stundenlang hätte warten müssen, so fuhr jeweils Fischli nach Wetzikon, um ihr Töchterchen zu holen. Die unbeschwerten Tage der Primarschulzeit waren aber am Gymi gezählt: Ohne wirklich zuhause zu arbeiten, gehörte Andrea nicht mehr zu den Klassen­besten wie in der Primarschule. Sie versuchte dies aber trotzdem immer wieder, was in der Unterstufe, aber vor allem nachher an der mathematisch naturwissenschaftlichen Abteilung (Maturatypus C) prompt vor den Notenkonventen zu grossen Zitterpartien führte. Aber sie schaffte es, wenn ich mich richtig erinnere, mit einem einzigen Mal provisorischer Promotion, aber doch mit einer gehörigen Dosis Glück, ihre Matura abzulegen. Andrea bekundete während der Gymnasialzeit auch immer etwas Mühe im Umgang mit ihren Klassenkameraden. Woran es gelegen haben mag? Wir wissen auch heute noch nicht. Ob es ihre sehr direkte Art war, auf Leute zuzugehen, oder etwas anderes? Wir wurden beispielsweise zuerst im Kindergarten und später auch während ihrer Gymnasialzeit gefragt, ob sie ein Einzelkind wäre! Was sie aber sicher immer verabscheute, war „diplomatisch“ zu sein, oder etwas "diplomatisch" zu sagen. Sie verwechselte dies m.E. mit Unehrlichkeit. Sie war stolz darauf, den Leuten ihre ehrliche Meinung ins Gesicht zu sagen, auch wenn es nicht nötig war, oder eben, wenn man das Gleiche auch etwas diplomatischer hätte ausdrücken können.

Nach der Matura wünschte sie sich eine Ausbildungspause, und zwar einen Englandaufenthalt, welchen wir ihr gerne gewährten. Da ich wusste, dass es ausserordentlich schwierig war, in England eine Arbeitsbewilligung zu kriegen, wollte ich ihr bei BALLY England einen Job vermitteln, was sie aber nicht wollte, denn wenn etwas mit Beziehungen zustande kam, war das schlecht! Sie glaubte auch ohne mich eine Stelle zu finden. Auch als ihr nur eine Au Pair Stelle übrigblieb, liess Ihr Kopf keine nochmalige Rückfrage bei BALLY zu, und sie biss sich durch. Es muss für sie dann trotzdem eine wundervolle Zeit gewesen sein, so ohne elterliche Kontrolle, wenn auch von der Arbeit her und im Verkehr mit Ihrer Chefin eher etwas düster. Lexi besuchte sie während der Schulferien, und auch ich besuchte während eines geschäftlichen Aufenthaltes in England die beiden Mädchen in Portsmouth.
Nach ihrem Englandaufenthalt hatte sich Ghia für ein Anglistikstudium an der Uni Zürich entschieden. Ihr Momi, das heisst ihre Zolliker-Grossmutter, hatte leider ins Pflegeheim Bethesda wechseln müssen. Als wir Ghia den Vorschlag machten, sie dürfe im Haus von Momi in Zollikon wohnen, war sie ausser sich vor Freude. Sie durfte dort unter der Bedingung fast gratis wohnen, als sie das Haus derart instand halten musste, dass ihre Grossmutter bei einer allfälligen Besserung jederzeit hätte zurückkommen können. Ghia denkt auch heute noch gerne an diese, wiederum sturmfreie Zollikerzeit zurück. In ihrem Studium musste sie infolge der C-Matura zuerst das kleine Latinum nachholen, was ihr mit einer kleinen Wiederholungsschlaufe auch gelang. Als es dann aber nach weiteren bestandenen Zwischenprüfungen mit dem Altenglisch losging, entschied sie sich klar für einen Wechsel vom Anglistik- zu einem Geschichts-Studium, obwohl gewisse Prüfungen damit wertlos wurden und sie wieder neu antreten musste. Später wählte sie dann noch die Spezialrichtung Wirtschaftsgeschichte. Ihr Studium schleppte sich in unseren Augen eher etwas mühsam dahin. Sie wollte als Lizenziats-Arbeit über BALLY während der Wirtschaftskrise schreiben, wozu ich ihr natürlich schon ein paar Türen öffnen konnte. Als sie aber einmal bei BATA im Archiv stöbern durfte, kam sie nach Hause und sagte, ich solle nicht böse sein, aber sie schreibe jetzt über BATA. Das gäbe vielmehr her! Ich hatte viel Verständnis.

Wenn ich mich richtig erinnere, war es im April 1989, als meine Geduld langsam zu Ende war und ich von ihr einmal wissen wollte, wie sie sich den Abschluss ihrer Studien denn vorstelle. Sie hatte einen klaren Plan, worauf ich ihr sagte, dass ich ihr jetzt den vollen Betrag bis zu dem geplanten Abschluss auszahlen werde und darüber hinaus noch zusätzliche drei Monate bis Juli 1990. Auch würden wir ihr das Sparheftchen übergeben, das wir angelegt hatten, um ihr ein Auslandsemester zu ermöglichen. Dann aber sei der Geldhahn zu und sie müsse auf eigenen Beinen stehen. Ghia reagierte darauf sehr heftig und fragte, ob wir sie jetzt richtig hinauswerfen wollten. Als Folge davon hatte Ghia ein paar Wochen später bereits eine halbe Assistentenstelle angetreten!

Andrea hatte inzwischen über AIESEC der Uni Zürich ihren Frank Dieter Heinzelmann kennen gelernt, welcher im Studium in Augsburg ebenfalls in Turbulenzen gekommen war und der beschlossen hatte, in Konstanz fertig zu studieren. Also zogen Andrea und Frank zusammen in eine kleine Wohnung in Tägerwilen, von wo aus er mit dem Velo an die Uni fahren konnte. Sie hatte erreicht, dass sie ihre Verpflichtungen der halben Assistentenstelle an zwei Tagen mit sehr hoher Präsenzzeit erfüllen konnte. Diese hohe Präsenzzeit erreichte sie dadurch, dass sie mit dem ersten Zug von Tägerwilen nach Zürich an die Uni zur Arbeit fuhr, abends gegen halb sieben zu mir ins Büro kam, um mit mir nach Hause zu fahren. Hier hatte sie immer noch ihr Zimmer und es war auch für uns sehr befriedigend, sie einmal pro Woche zum Verpflegen und Schlafen zuhause zu haben. Anderntags fuhr sie dann mit mir kurz vor sechs wieder los, sodass sie ca. 06’30 Uhr bereits wieder im Büro war.

Ich glaubte in diesem Moment eigentlich nicht mehr daran, dass Ghia ihr Studium abschliessen werde. Umso überraschender und erfreulicher war dann der Bescheid im Dezember 1991, als ihre Arbeit angenommen und sie ihr Lizenziats Examen bestanden hatte, und Frank ebenfalls kurz vor dem Studienabschluss stand. Andrea war jetzt also eine richtige Historikerin, eine sog. Liz. phil. I! Sie hatte zwar auf die Einladung zu ihrer Liz. Feier geschrieben: „Lieber phil Wein als phil I“. Selbstverständlich nahmen wir mit Freude und Dankbarkeit an der Liz-Feier in der Uni teil. Sie fand dann auch rasch ihre erste Stelle beim Kanton Thurgau in Frauenfeld als Assistentin des Sekretärs der Erziehungsdirektion. Als Frank dann ebenfalls sein Studium mit Erfolg abgeschlossen hatte (Nur Ghia, Fischli und ich nahmen an seiner Liz Feier teil, während seine Familie durch Abwesenheit glänzte), fand er eine Anstellung bei UBS in Zürich. So zügelten Heinzelmanns nach Frauenfeld. So konnte wenigstens ein Familienmitglied an Ort und Stelle wohnen und arbeiten.

Alexa Kathrin *1966, folgte ihrer Schwester nach drei Jahren ebenfalls nach Wetzikon. Im Untergymnasium erging es ihr ähnlich wie Andrea: Die Brillanz der Primarschule bröckelte stark! Ich liebäugelte bei Lexi sogar mit der Idee, sie könnte Musikerin werden, denn sie spielte für ihr Alter hervorragend Cello. Mit dem Klavierspiel hatte sie aus Zeitgründen wieder aufgehört, wobei aber die Klavierlehrerin sehr traurig war, denn sie hätte selten ein begabteres Mädchen gehabt! Aber ich meine es war gut, dass sie sich auf ein Instrument, und zwar auf das Violoncello konzentrierte. Sie übte neben ihren Hausaufgaben jeden Tag, ohne dazu von uns angehalten werden zu müssen. Die einzige Bedingung war, Fischli musste zuhören. Schon früher in den Anfängen musste Fischli sich neben sie setzen, sonst wollte sie nicht üben. Sie spielte auch nur, was ihr gefiel. Stücke, die sie nicht mochte, liess sie liegen. Solange Käthi Gohl ihre Lehrerin war, ging das gut, denn Käthi Gohl hatte Lexi wahnsinnig gern, und die beiden fanden immer wieder eine Lösung.

Als aber Käthi Gohl die Musikschule Hombrechtikon verliess, kam Frau Reschke, eine wahrscheinlich ebenso begabte Cellistin wie als Lehrerin, aber zwischen Lexi und ihr fehlte von allem Anfang an die gegenseitige Zuneigung, und Lexi übte ab sofort viel weniger. Es machte ihr auch nicht mehr so viel Spass. Sie spielte zwar noch im Kantonsschulor­chester, aber das frühere, innere Feuer war weg.
Meines Erachtens kam noch etwas Wesentliches dazu: Weder in der Unterstufe noch am Wirtschaftsgymnasium hatten ihre wichtigsten Klassenkameradinnen oder -kame­ra­den, mit denen sie gerne zusammen war und die sie interessierten, Freude an klassischer Musik! Alle standen auf Rock und Pop, und sie war auch die Einzige mit einem klassischen Instrument. Und das war für Lexi anscheinend schlimm! Wenn man bedenkt, dass sie schon immer ein kleines Herdentierchen war, zwar möglichst als Leithammel, so konnte dies mit der klassischen Musik nicht gut kommen. Das Cello wurde immer mehr in den Hintergrund gedrängt. Sie spielte zwar später auch noch im Akademischen Orchester der Universität St. Gallen HSG mit, aber nicht mehr mit jener Verve, die man von ihr früher gewöhnt war. Und nach ihrem Hochschulabschluss ruhte das Cello in seiner Ecke in unserem Haus in stillem Frieden.

Zurück zur Schule: Lexi wählte nach 2 Jahren Untergymnasium das Wirtschaftsgymnasium, warum weiss ich auch heute noch nicht. Ob sie das Gefühl hatte, es wäre das Einfachste? Oder weil ihr langjähriger Freund André Künzler dies wählte? Auch Lexi war nicht so brillant, auch bei ihr war vor dem Notenkonvent jeweils das grosse Zittern angesagt. Diskussionen um "Provisorische Beförderung" war fast an der Tagesordnung, und als André wiederholen musste, wiederholte Lexi freiwillig auch, allerdings mit unserem Einverständnis und nach unserem Gespräch mit ihrem Klassenlehrer. Nach dieser Wiederholung hatte sie etwas mehr Reserven, und die Matura im Jahre 1986 war dann eigentlich nie mehr in Gefahr.

Nach ihrer Matura hatte sich Lexi an der Hochschule St. Gallen HSG für Politik - Wissenschaften eingeschrieben. Ich freute mich zwar riesig, dass Lexi nach St. Gallen zog, hätte ich doch eigentlich gerne nach meinem Abschluss auch noch einen zusätzlichen Wirtschaftsabschluss an der HSG gemacht. Ich konnte dies aber damals meinen Eltern einfach nicht zumuten und wollte endlich mein eigenes Geld verdienen. Bei Lexi wusste ich wiederum nicht so recht, wieso sie diese Richtung gewählt hatte, denn bis anhin hatte sie sich nie stark für Politik interessiert. Ich hätte sie eher am Konservatorium als Musikerin gesehen. Ob es wieder etwas mit dem geringsten Widerstand oder allenfalls Sympathien zu gewissen Professoren zu tun hatte?
Ganz am Anfang durfte sie bei meinem Schwager Ruedi Blöchliger in Abtwil wohnen, bis sie etwas Geeignetes in St. Gallen gefunden hatte. Danach war sie in verschiedenen Wohngemeinschaften, unter anderen zuerst und zuletzt mit Steffen Tolle, dann auch mit Rolf Kaufmann in St. Fiden an der Flurhofstrasse, nur einige hundert Meter von meinem Elternhaus entfernt. Das „Biberen“ vor und nach Prüfungen ging analog der Mittelschule weiter und hörte eigentlich erst mit dem definitiven Abschluss auf.

Im Jahr 1989 hatte ich Lexi ein halbjähriges Praktikum bei BALLY USA vermittelt, wobei sie am Anfang beim Chef BALLY USA Emily und John Heim in Darien Connecticut wohnen und mit John zur Arbeit fahren durfte. Nachher fand sie via AIESEC Downtown Manhattan ein Zimmer, ja mehr einen Schlag, etwas unappetitlich, aber natürlich mitten im Kuchen, und ich hätte dies wahrscheinlich dem feinen Haushalt aber weit weg vom Geschehen auch vorgezogen. Ich glaube, sie hat diese paar Monate mit Museen, Konzerten, Open Airs im Central Park, Oper usw. sehr ausgiebig genossen, und wenn es gar zu schlimm wurde, durfte sie an Wochenenden zu Heims ins wunderschöne Haus mit Swimmingpool und nahe dem Meer fahren. Heims hatten dort praktisch ein Zimmer für sie reserviert und sie durfte auch einen Teil der Kleider dort lassen. Andrea besuchte sie im Sommer für ein paar Tage in New York, was die beiden Schwestern sichtlich genossen haben. Am Ende ihres Praktikums machten wir zu dritt per Auto eine grosse USA Reise.

Andrea Regula (*1963)
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8.8.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 1979 - 1988: Mädchen an Kantonsschule Wetzikon, Andrea England und Uni Zürich, Alexa New York un HSG St. Gallen.

Andrea Regula (*1963)

Andrea hatte aus der sechsten Primarschulklasse heraus die Aufnahmeprüfung ans Untergymnasium der Kantonsschule Wetzikon bestanden und pendelte nun jeden Tag mit dem Schulbus hin und her. Und wenn es Ausfallstunden gab und sie hätte stundenlang warten müssen, so fuhr jeweils Mami nach Wetzikon, um ihr Töchterchen zu holen. Die unbeschwerten Tage der Primarschulzeit waren aber am Gymi gezählt: Ohne wirklich zuhause zu arbeiten, gehörte Andrea nicht mehr zu den Klassen­besten wie in der Primarschule. Sie versuchte dies aber trotzdem immer wieder, was in der Unterstufe, aber vor allem nachher an der mathematisch naturwissenschaftlichen Abteilung (Maturatypus C) prompt vor den Notenkonventen zu grossen Zitterpartien führte. Aber sie schaffte es, wenn ich mich richtig erinnere, mit einem einzigen Mal provisorischer Promotion, aber doch mit einer gehörigen Dosis Glück, ihre Matura abzulegen. Andrea bekundete während der Gymnasialzeit auch immer etwas Mühe im Umgang mit ihren Klassenkameraden. Woran es gelegen haben mag? Wir wissen auch heute noch nicht. Ob es ihre sehr direkte Art war, auf Leute zuzugehen, oder irgend etwas anderes? Wir wurden beispielsweise zuerst im Kindergarten und später auch während ihrer Gymnasialzeit gefragt, ob sie ein Einzelkind wäre! Was sie sicher immer verabscheute, war „diplomatisch“ zu sein, oder etwas "diplomatisch" zu sagen. Sie verwechselte dies m.E. mit Unehrlichkeit. Sie war stolz darauf, den Leuten ihre ehrliche Meinung ins Gesicht zu sagen, auch wenn es nicht nötig war, oder eben, wenn man das Gleiche auch etwas diplomatischer hätte ausdrücken können.

Nach der Matura wünschte sie sich eine Ausbildungspause, und zwar einen Englandaufenthalt, welchen wir ihr gerne gewährten. Da ich wusste, dass es ausserordentlich schwierig war, in England eine Arbeitsbewilligung zu kriegen, wollte ich ihr bei BALLY England einen Job vermitteln, was sie aber nicht wollte, denn wenn etwas mit Beziehungen zustande kam, war das schlecht!. Sie glaubte auch so eine Stelle zu finden. Auch als ihr nur eine Au Pair Stelle übrigblieb, liess Ihr Kopf keine nochmalige Rückfrage bei BALLY zu, und sie biss sich durch. Es muss für sie dann trotzdem eine wundervolle Zeit gewesen sein, so ohne elterliche Kontrolle, wenn auch von der Arbeit her und im Verkehr mit Ihrer Chefin eher etwas düster. Lexi besuchte sie während der Schulferien, und auch ich besuchte die beiden Mädchen in Portsmouth während eines geschäftlichen Aufenthaltes in England.

Nach ihrem Englandaufenthalt hatte sich Ghia für ein Anglistikstudium an der Uni Zürich entschieden. Ihr Omi, das heisst ihre Zolliker-Grossmutter hatte leider ins Pflegeheim Bethesda zügeln müssen. Als wir Ghia den Vorschlag machten, sie dürfe im Haus von Omi in Zollikon wohnen, war sie ausser sich vor Freude. Sie durfte dort unter der Bedingung gratis wohnen, als sie das Haus derart instand halten musste, dass ihre Grossmutter bei einer allfälligen Besserung jederzeit hätte zurückkommen können. Ghia denkt gerne an diese, wiederum sturmfreie Zollikerzeit zurück. In ihrem Studium musste sie infolge der C-Matura zuerst das kleine Latinum nachholen, was ihr mit einer kleinen Wiederholungsschlaufe auch gelang. Als es dann aber nach weiteren bestandenen Zwischenprüfungen mit dem Altenglisch losging, entschied sie sich klar für einen Wechsel zu einem Geschichtstudium, obwohl gewisse Prüfungen damit wertlos wurden und sie wieder neu antreten musste. Später wählte sie dann noch die Spezialrichtung Wirtschaftsgeschichte. Ihr Studium schleppte sich in unseren Augen eher mühsam dahin. Sie wollte als Lizenziatsarbeit in der Zeit der Wirtschaftskrise über BALLY schreiben, wozu ich ihr natürlich schon ein paar Türen öffnen konnte. Als sie aber einmal bei BATA im Archiv stöbern durfte, kam sie nach Hause und sagte, ich solle nicht böse sein, aber sie schreibe jetzt über BATA. Das gäbe vielmehr her! Ich hatte viel Verständnis.

Wenn ich mich richtig erinnere war es im April 1989, als meine Geduld langsam zu Ende war und ich von ihr einmal wissen wollte, wie sie sich den Abschluss ihrer Studien denn vorstelle. Sie hatte einen klaren Plan, worauf ich ihr sagte, dass ich ihr jetzt den vollen Betrag bis zu dem geplanten Abschluss auszahlen werde und darüber hinaus noch zusätzliche drei Monate bis Juli 1990. Auch würden wir ihr das Sparheftchen übergeben. Dann aber sei der Geldhahn zu und sie müsse auf eigenen Beinen stehen. Ghia reagierte darauf sehr heftig und fragte, ob wir sie jetzt richtig hinauswerfen wollten. Als Folge davon hatte Ghia ein paar Wochen später bereits eine halbe Assistentenstelle angetreten!

Andrea hatte inzwischen über AIESEC der Uni Zürich ihren Frank Dieter Heinzelmann kennen gelernt, welcher im Studium in Augsburg ebenfalls in Turbulenzen gekommen war und der beschlossen hatte, in Konstanz fertig zu studieren. Also zogen Andrea und Frank in eine kleine Wohnung in Tägerwilen zusammen, von wo aus er mit dem Velo an die Uni fahren konnte. Sie hatte erreicht, dass sie ihre Verpflichtungen der halben Assistentenstelle an zwei Tagen mit sehr hoher Präsenzzeit erfüllen konnte. Diese hohe Präsenzzeit erreichte sie dadurch, dass sie mit dem ersten Zug von Tägerwilen nach Zürich an die Uni zur Arbeit fuhr, abends gegen halb sieben zu mir ins Büro kam, um mit mir nach Hause zu fahren. Hier hatte sie ja immer noch ihr Zimmer und es war auch sehr schön, sie einmal pro Woche zum Verpflegen und Schlafen zuhause zu haben. Anderntags fuhr sie dann mit mir kurz vor sechs wieder los, sodass sie ca. 06’30 Uhr bereits wieder im Büro war. Ich glaubte in diesem Moment eigentlich nicht mehr daran, dass Ghia ihr Studium abschliessen werde. Umso überraschender und erfreulicher war dann der Bescheid im Dezember 1991, als ihre Arbeit angenommen und sie ihr Lizenziatsexamen bestanden hatte, und Frank ebenfalls kurz vor dem Studienabschluss stand. Andrea war jetzt also eine richtige Historikerin, eine sog. Liz. phil. I! Sie hatte zwar auf die Einladung zu ihrer Liz. Feier geschrieben: „Lieber phil Wein als phil I“. Selbstverständlich nahmen wir mit Freude und Dankbarkeit an der Liz-Feier in der Uni teil. Sie fand dann auch relativ rasch ihre erste Stelle beim Kanton Thurgau in Frauenfeld als Assistentin des Sekretärs der Erziehungsdirektion. Als Frank dann ebenfalls sein Studium mit Erfolg abgeschlossen hatte (Nur Ghia, Fischli und ich nahmen an seiner Liz Feier teil, während seine Familie durch Abwesenheit glänzte), fand er eine Anstellung bei UBS in Zürich. So zügelten Heinzelmanns nach Frauenfeld. So konnte wenigstens ein Familienmitglied an Ort und Stelle wohnen und arbeiten.
Alexa Kathrin (*1966)
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8.8.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 1979 - 1988: Mädchen an Kantonsschule Wetzikon, Andrea England und Uni Zürich, Alexa New York un HSG St. Gallen.

Alexa Kathrin (*1966)

Alexa folgte ihr nach drei Jahren ebenfalls nach Wetzikon. Im Untergymnasium erging es ihr ganz ähnlich wie Andrea. Die Brillanz der Primarschule bröckelte stark weg! Ich liebäugelte bei Lexi sogar mit der Idee, sie könnte Musikerin werden, denn sie spielte für ihr Alter hervorragend Cello. Mit dem Klavierspiel hatte sie aus Zeitgründen wieder aufgehört, wobei aber die Klavierlehrerin sehr traurig war, denn sie hätte selten ein begabteres Mädchen gehabt! Aber ich meine es war gut, dass sie sich auf ein Instrument und zwar auf das Violoncello konzentrierte. Sie übte neben ihren Hausaufgaben jeden Tag, ohne dazu von uns angehalten werden zu müssen. Die einzige Bedingung war, Mami musste zuhören. Schon früher in den Anfängen musste Mami sich neben sie setzen, sonst wollte sie nicht üben. Sie spielte auch nur, was ihr gefiel. Stücke, die sie nicht mochte, liess sie liegen. Solange Käthi Gohl ihre Lehrerin war, ging das gut, denn Käthi Gohl hatte Lexi wahnsinnig gern, und die beiden fanden immer wieder eine Lösung. Als aber Käthi Gohl die Musikschule Hombrechtikon verliess, kam Frau Reschke, eine wahrscheinlich ebenso begabte Cellistin wie als Lehrerin, aber zwischen Lexi und ihr fehlte von allem Anfang an die gegenseitige Zuneigung, und Lexi übte ab sofort viel weniger. Es machte ihr auch nicht mehr so viel Spass. Sie spielte zwar noch im Kantonsschulor­chester, aber das frühere, innere Feuer war weg. Meines Erachtens kam noch etwas Wesentliches dazu: Freude an klassischer Musik hatten weder in der Unterstufe noch am Wirtschaftsgymnasium ihre wichtigsten Klassenkameradinnen oder -kame­ra­den, mit denen sie gerne zusammen war und die sie interessierten,. Alle standen auf Rock und Pop, und sie war auch die Einzige mit einem klassischen Instrument. Und das war bei Lexi schlimm! Wenn man bedenkt, dass sie schon immer ein kleines Herdentierchen war, zwar möglichst schon als Leithammel, so konnte dies mit der klassischen Musik nicht gut kommen. Das Cello wurde immer mehr in den Hintergrund gedrängt. Sie spielte zwar auch noch im Akademischen Orchester der Handelshochschule St. Gallen mit (wie die Universität SG damals noch hiess; davon kommt die Abkürzung HSG!), aber nicht mehr mit jener Verve, die man von ihr früher gewöhnt war. Und nach ihrem Hochschulabschluss ruhte das Cello irgendwo in einer Ecke in unserem Haus in stillem Frieden.

Zurück zur Schule: Lexi wählte nach 2 Jahren Untergymnasium das Wirtschaftsgymnasium, warum weiss ich auch heute noch nicht. Ob sie das Gefühl hatte, es wäre das Einfachste? Oder weil ihr langjähriger Freund André Künzler dies wählte? Auch Lexi war nicht so brillant, auch bei ihr war vor dem Notenkonvent jeweils das grosse Zittern. Diskussionen um "Provisorische Beförderung" war fast an der Tagesordnung, und als André wiederholen musste, wiederholte Lexi freiwillig auch, allerdings mit unserem Einverständnis und nach unserem Gespräch mit ihrem Klassenlehrer. Nach dieser Wiederholung hatte sie etwas mehr Reserven, und die Matura im Jahre 1986 war dann eigentlich nie mehr in Gefahr.

Nach ihrer Matura hatte sich Lexi an der Hochschule St. Gallen HSG für Politikwissenschaften eingeschrieben. Ich freute mich riesig, dass Lexi nach St. Gallen zog, hätte ich doch eigentlich gerne nach meinem Abschluss auch noch einen zusätzlichen Wirtschaftsabschluss an der HSG gemacht. Ich konnte dies aber damals meinen Eltern einfach nicht zumuten und wollte endlich mein eigenes Geld verdienen. Bei Lexi wusste ich wiederum nicht so recht, wieso sie diese Richtung gewählt hatte, denn bis anhin hatte sie sich nie stark für Politik interessiert. Ob es wieder etwas mit dem geringsten Widerstand oder allenfalls Sympathien zu Professoren zu tun hatte? Ganz am Anfang durfte sie bei meinem Schwager Ruedi Blöchliger in Abtwil wohnen, bis sie etwas Geeignetes in St. Gallen gefunden hatte. Danach war sie in verschiedenen Wohngemeinschaften, unter anderen zuerst und zuletzt mit Steffen Tolle, dann auch mit Rolf Kaufmann in St. Fiden an der Flurhofstrasse, nur einige hundert Meter von meinem Elternhaus entfernt. Das „Biberen“ vor und nach Prüfungen ging analog der Mittelschule weiter und hörte eigentlich erst mit dem definitiven Abschluss auf.

Im Jahr 1989 hatte ich Lexi ein halbjähriges Praktikum bei BALLY USA vermittelt, wobei sie am Anfang beim Chef BALLY USA Emily und John Heim in Darien Connecticut wohnen und mit John zur Arbeit fahren durfte. Nachher fand sie via AIESEC downtown Manhatten ein Zimmer, ja mehr einen Schlag, etwas unappetitlich, aber natürlich mitten im Kuchen, und ich hätte dies wahrscheinlich dem feinen Haushalt aber weit weg vom Geschehen auch vorgezogen. Ich glaube, sie hat diese paar Monate mit Museen, Konzerten, Open Airs im Central Park , Oper usw. sehr ausgiebig genossen, und wenn es gar zu schlimm wurde, durfte sie an Wochenenden zu Heims ins wunderschöne Haus mit Swimmingpool und nahe dem Meer. Sie hatte dort praktisch ein Zimmer für sie reserviert und durfte auch einen Teil der Kleider dort lassen. Andrea besuchte sie im Sommer für ein paar Tage, was die beiden Schwestern sichtlich genossen haben. Am Ende ihres Praktikums machten wir zu dritt per Auto eine grosse USA Reise.

Erste gemeinsame USA-Reise 02.-12.Apil 1982
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8.9.  Unsere Familie Gadient -Karpf – Grosse Ferienreisen.

Erste gemeinsame USA-Reise 02.-12.Apil 1982

Erste gemeinsame USA-Reise 02.-17. Apil 1982

Ich war Ende März noch geschäftlich bei unserer Firma Cortume Carioca in Rio de Janeiro und flog von dort zum Rendez Vous mit Fischli nach New York. Fischli flog zum ersten Mal über den Atlantik und hatte beim Abflug einen grossen Bahnhof in Kloten: Ausser Lexi waren Vrenely Br. und Christeli Holer zur Verabschiedung gekommen. Wir trafen uns am Freitagabend 02.04.1982 im neu eröffneten New York Grand Hyatt mit dem grossen Wasserfall im Entrée. Wir kamen uns unheimlich weltmännisch bzw. weltfrauisch vor: Rendez-Vous hier weitab von zuhause, von verschiedenen Kontinenten herkommend, in einem 5 Sterne Hotel und das in New York! Am ersten Abend fuhren wir mit einem Mitarbeiter im Mietwagen über die George Washingtonbrücke nach New Jersey zum Nachtessen in ein Restaurant am Hudson mit wunderbarer Sicht auf das hell erleuchtete Manhattan. Dabei wären wir viel lieber allein gewesen, denn wir hatten uns wie üblich nach einer Trennung doch so viel zu erzählen. Da wir uns New York am Schluss der Reise ansehen wollten, reisten wir am nächsten Tag 03.04. per Bahn gleich weiter nach Washington. Hier waren gerade die Cherry-Trees in voller Blüte: wobei dann alles in dieses wunderschöne sanft Rosa getaucht ist! Wir hatten für den Abend Sightseeing by night gebucht und sahen nach­ein­an­der: Library of Congress, Capitol mit einem unglaublichen Rundgang zu Fuss, Washington Monument, Jefferson Memorial, Lincoln Memorial, Arlington Friedhof, IwoJima-Memorial, Kennedy Center! Ein unver­gess­li­ches Erlebnis!
Am Sonntag 04.04. fahren wir durch Villenvororte per Taxi bei schönstem Wetter nach Mount Vernon, dem Landsitz von George Washington. Zu viele Leute schrecken uns von einer Besichtigung innen ab. Per Bus geht es zurück und dann per Subway zum Heldenfriedhof nach Arlington. wo wir die Kennedy Gräber und das Denkmal für den unbekannten Soldaten besuchen und einen ausgedehnten Spaziergang machen. Beeindruckend! Anschliessend besuchen wir das Smithonian Air- und Space Museum, für uns Flugbegeisterten absolut einmalig! Auch der 3D-Film "To Fly" ist unglaublich!
Am Montag haben wir zuerst eine Führung im Capitol, anschliessend Besichtigung Congress Library. Dann ab in den Botanischen Garten. Seit diesem Tag kennen wir Dog-Wood Bäume, und vor allem den Cornus Florida! In der Art Gallery geniessen wir vor allem Monnet, Manet und Renoir. Wir haben nur 2 Stunden für ein Museum, für welches man mindestens 1 Woche bräuchte! Schade! Und gegen Abend nochmals Technik und der zweite 3D Film "Living Planet".
Am Dienstag 06.04. fliegen wir vom Flughafen Baltimore aus (Fischli wollte nicht von Washington aus fliegen, da im Winter ein Flugzeug nach dem Start unter das Eis des Potomac Rivers stürzte und die Leute elendiglich ertranken) nach New Orleans, wo wir nach einem prächtigen Anflug über Stadt und Missisippi gut landen. Wir wohnen im Hotel Sonesta, fabelhafte Anlage, von Ernest Gyger empfohlen! Hier ist Sommer! Schön warm! Für mich als New Orleans-Mu­sikfan sind ein Spaziergang über Bourbon Street, St. Louis Street, Royal Street zur Preservation Hall etc. vielsagend. Die Altstadt ist wunderbar!

Am Mittwoch 07.04. machen wir zuerst eine Fahrt mit einem Missisippi.Dampfer und bestau­nen den riesigen Fluss mit seinen Nebenkanälen. Anschliessend machen wir einen Bummel durch das French Quarter, das mit seinen eisernen Balkongeländer sehr schön ist. Abends essen wir ein unvergesslich gutes Prime Rib Steak.
Am Donnerstag 08.04. spazieren wir zum Ursulinenkloster und zum French Market, dann Fahrt quer durch das Garden Viertel zum Andebon-Park mit ausgedehntem Spaziergang. Dann geniessen wir das tolle Hotel mit Pool und Bars. Abend Show "Ain't miss be heaven", sehr provinziell, eher enttäuschend. Da haben wir in NYC schon besseres gesehen. Und dann bekommen wir nicht einmal mehr einen rechten z'Nacht…
Am Karfreitag 09.04. packen wir zum Flug nach Chicago. Schon kurz nach New Orleans gibt es eine kompakte Wolkendecke, und als diese nach ca. 2 Stunden Flug einmal kurz aufreißt ist alles weiss; mit Schnee bedeckt! Welch ein Wechsel! Ankunft im riesigen O'Hare Airport und Fahrt ins Hotel Drake. Nach einem guten Nachtessen tanzen wir wieder einmal in der Hotel Bar zu einem Live-Trio mit Singer!
Am Samstag 10.04. machen wir zuerst auf eigene Faust und dann mit einer geführten Tour den ganzen Tag Sightseeing, um am Abend weiter zu fliegen nach Buffalo. Hier haben wir im Hotel eine Suite, super und doch relativ günstig. Feines Nachtessen auswärts.
Ostersonntag 11.04.: Heute haben wir für 70$ während 5 Stunden den Taxichauffeur von gestern für uns: Wir nehmen das Gepäck gleich mit ins Taxi. Fahrt an den Eriesee, voll Eismocken, dann auf die kanadische Seite, dem Niagara River entlang, der bis zu den Fällen immer schneller fließt. Wir machen jeweils an Viewpoints Halt. Es beginnt zu schneien, ich kann ich kaum noch fotografieren! Eindruck der Wasserfälle großartig, nicht nur optisch, auch akustisch: Ohrenbetäubender Lärm, wenn die Eismocken unten aufschlagen und auseinanderbrechen. Oben im Drehrestaurant des Aussichtsturms sieht man des Schneefalls wegen leider gar nichts! Via Wirlpool und das kanadische Kraftwerk fahren wir zum Flughafen, wo wir verpflegen und nach NYC zurückfliegen. Traumhafter Anflug auf New York La Guardia, dann per Bus bis Grand-Central-Station und Taxi zum Hotel. Dieses ist mitten im Kuchen, aber leider etwas schmuddelig! Was für eine Differenz zu den bisherigen Hotels, dafür etwas günstiger.
Am Ostermontag fahren wir mit der Circle Line rund um Manhatten und sind abends mit Emily und John Heim zum Essen im Gloucester House und nachher zur Show im Imperial "42nd Street" verabredet. Grossartiger Abend.
Dienstagmorgen 13.04. Breakfast im "Oscars" des Waldorf Astoria, das ich Fischli doch zeigen musste. Hier habe ich schon mehrmals gewohnt, nur 1 Block vom BALLY Showroom an der Madison Ave entfernt. Ich zeige ihr auch im Waldorf Astoria das Geschäft "Frieda's", wo ich ihr früher einmal ein Nachthemd gekauft hatte. Dann machen wir eine 5-stündige Tour "NYC by Bus", als Pendent zur Circle Line! Sehr empfehlenswert! Wenigstens ein sehr gutes Nachtessen im chinesischen Restaurant unseres Hotels.
Mittwoch 14.04. sind Shoppen und Museen angesagt: 5th Avenue mit Saks, Bloomingdale, Gucci. Dann Taxi zu Guggenheim Museum, Spaziergang quer durch Grand Central Park zum Lincoln Center mit Met, Al Fisher Hall und Theatre, Nochmals durch 5th Ave flanieren, Schocki für Heims posten.
Donnerstagmorgen 15.04. fahren wir mit Gepäck ab Grand-Central-Station nach Darien, wo uns Emily abholt. Wir wohnen bis Samstag bei Heims, Fischli bleibt bei Emily, ich gehe Donnerstag und Freitag mit John arbeiten. Heims sind sehr gastfreundlich und bringen uns am Samstagabend 17. April auf den Kennedy Airport, um zurück nach Hause zu fliegen

Erste Kreuzfahrt im Mittelmeer 07.-18. April 1984
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8.9.  Unsere Familie Gadient -Karpf – Grosse Ferienreisen.

Erste Kreuzfahrt im Mittelmeer 07.-18. April 1984

Erste Kreuzfahrt im Mittelmeer 07.-18. April 1984

Mein Schwager, Dr. Alois Stadlin, Rektor des KV Zürich, organisierte jeweils für die Abschlussklassen eine Mittelmeerkreuzfahrt, für welche dieses Mal ausser seiner Frau Beatrice auch Fischli und ich, Selin und Irma (Freundin von Bea) sowie Jack und Vrenely Brunnschweiler mitgehen durften.

Am Samstag 07.04. ging es per Bus nach Ancona, wo bis nach Patras auf eine Fähre eingeschifft wird.

Sonntag, 08.04. auf See! Am Morgen des

Montag, 09.04. Ausschiffen: Patras – Athen per Bus mit dem Kanal von Korinth als Sehenswürdigkeit. Bei der Ankunft in Athen Stadtrundfahrt, anschliessend Einschiffen in Piräus und dann das erste Mal Leinen los!Dienstag 10.04. auf See; sönnelen, viel Uso.

Mittwoch 11.04. morgens früh Einlaufen in Alexandrien. Jack mit Arafat Tuch verkleidet vergrault mich als Verkäufer und ich erkenne ihn zuerst nicht! Fahrt nach Kairo: Archaische Zustände: Chauffeur ein Halbverrückter, Kühe pumpen Wasser, Lehmhütten. Ägypten und die Araber sind für mich etwas fremdes, verunsicherndes. Wir durchfahren Kairo mit dreckigen Slums und grimmigen Arabern, Besuch im Papyrus Museum, wir erreichen Gizeh mit Pyramiden und Sphinx! Dann Fahrt an vielen weiteren Pyramiden vorbei nach Memphis mit der liegenden Monumentalstatue des Ramses. Dann besuchen wir noch einen Bazar in Kairo, wo ich mich richtig unwohl fühle, und dann auf einer Wüstenstrasse nach Port Said, wo uns unser Schiff wieder aufnimmt. Das war ein sehr strenger Tag. Schiff fährt 22:00 Uhr weiter Richtung Israel.    

Donnerstag 12.04. frühmorgens Einlaufen in Ashdod. Fahrt nach Jerusalem, Besichtigung Oelberg, Garten Gethsemane, die beiden Moscheen innerhalb der Tempelmauern, Via Dolorosa, Grabkirche. Fahrt nach Bethlehem und anschliessend durch die Wüste zum Toten Meer. Baden im Salzwasser kurlig! Dann Fahrt dem Jordan entlang über Jericho und Nazareth nach Haifa, wobei es auf der Fahrt schon Nacht geworden ist. Hier wartet unser Schiff auf uns zur Weiterfahrt.

Freitag 13.04. ganzer Tag auf See.

Samstag 14.04. Rhodos Johanniter sind auf Schritt und Tritt anzutreffen, Fahrt nach Lindos, dann Stadtbesichtigung Rhodos und freier Ausgang: Selin im Pelzmantel-Shopping, während wir und Brunnschweilers in Gartenwirtschaft vis-à-vis bei viel Wein die Mäntel begutachten und abstürzen.

Sonntag 15.04. Insel Patmos: Wir ankern im Morgengrauen vor dem Städtchen und dem Johanneskloster auf dem Hügel. Landgang mittels Tendering und Morgenspaziergang auf den Berg zum Kloster. Anschliessend Weiterfahrt nach Kusadasi. Nach dem Anlegen Fahrt nach Ephesus, wo uns die "Entspannungslokalität" mit Bad – WC – Freudenhaus besonders beeindruckt. Rückfahrt und Einschiffen Richtung Piräus!

Montag 16.04. morgens Ankunft in Athen. Bea und Familie reist per Flugzeug nach Hause. Normal Sterbliche reisen per Bus über Theben nach Delphi, das wir bei schönstem Wetter besichtigen. Sehr beeindruckend, wie das Heiligtum am Berghang angelegt ist. Anschliessend Weiterfahrt über Rion und Antirion (Fähre!) nach Patras. Dort Einschiffen nach Ancona.

Dienstag 17.04. ganzer Tag auf See

Mittwoch 18.04. 08:00 Koffern bereit vor Kabine und Heimfahrt

Grosse Brasilienreise 02.-24. November 1985
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8.9.  Unsere Familie Gadient -Karpf – Grosse Ferienreisen.

Grosse Brasilienreise 02.-24. November 1985

Grosse Brasilienreise 02.-24. November 1985

Als ich wieder einmal geschäftlich zu unserem Tochterunternehmen Cortume Carioca SA reisen musste, kam Fischli mit nach Rio de Janeiro. Ich liebäugelte damals mit der Leitung unserer Tochterfirma. Während ich in der erste Woche mit dem damaligen Chef Ernest Gyger Kunden und unsere Vertretungen im Süden des Landes besuchte, hatte ich veranlasst, dass Fischli ein paar Tage mit Catherine Gyger das Leben der Oberklasse erleben konnte.

Fischli ist wenig begeistert von diesem Leben im vornehmen Ghetto!

Anschliessend bereisten wir das dann riesige Land per Flugzeug. Erste Station war die neue, architektonisch hochinteressante Hauptstadt Brasilia, dann flogen wir in die Tropenstadt Manaus, die mit Kautschuck reich geworden war. Hier packten wir eine Handtasche mit dem Notwendigsten und reisten per Schiff, Bus und Schnellboot für drei Tage auf eine sehr abenteuerliche, auf einem Amazonas-Nebenarm schwimmende Lodge mitten im Urwald, wo wir Bootsausflüge, Urwaldwanderungen, Piranha-Fischen und einen Besuch bei Ureinwohnern machten. So nahe hatten wir wilde Tiere wie Tapire, verschiedene Affen, Kaimane usw. noch nie gesehen, Die nächsten Stationen waren die Hafenstadt Belem, dann Recife mit dem letzten erhaltenen de.wikipedia.org/wiki/Ankermast">An­ker­mast für de.wikipedia.org/wiki/Zeppelin">Zeppelin-de.wikipedia.org/wiki/Luftschiff">Luftschiffe und einem Besuch von Olinda, der früheren Hauptstadt von Pernambuco, dann Salvador de Bahia mit seinen goldenen Kirchen, und zu guter Letzt dann nochmals ein paar Tage Rio de Janeiro mit einem Besuch auf unserer riesigen Fazenda im Nordwesten der Stadt.

Auf dem Heimflug hatten Fischli und ich längere Gespräche um meinen potenziellen Job bei Cortume Carioca und damit unseren Aufenthalt in Rio. Für mich schien es nach dem seinerzeit "abverheiten" Portugalabenteuer eine letzte Gelegenheit für einen Auslandaufenthalt zu sein. Fischli sagte mir, dass sie überall hinkomme, wo ich hinginge; wenn dies jetzt aber nicht sein müsse, würde sie dies wirklich schätzen. Sie machte sich vor allem Sorgen mit der Schule und der Uni für unsere Mädchen, sowie mit dem Leben der Oberklasse in dieser so unnatürlich abgeschiedenen Art, wie auch noch fernab von Familie und Freunden. Und gefährlich war es auch noch! Praktisch alle BALLY Leute waren schon überfallen worden, inklusive den lokalen Herren von Cortume Cariocca, glücklicherweise bisher immer ohne Verletzungen. Die Frage war auch nach unserer Rückkehr noch nicht ausdiskutiert. Sie wurde dann aber irrelevant, als man mir am Montag nach meiner Rückkehr die Führung der BALLY Arola AG anbot, der mit Abstand umsatzstärksten BALLY Gesellschaft weltweit und die früher nur von BALLY-Familienmitglieder geleitet werden durfte!

Familienferien 1981-1988
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8.10.  Unsere Familie Gadient -Karpf – Familienferien 1981-1988.

8.10 Familienferien 1981-1988

In die Zeit zwischen 1981 und 1988 fallen aber auch wunderschöne Familienferien:

Während wir im Herbst meistens für ein paar Tage in die Provence fuhren, verbrachten wir 1981 Sommerferien auf der Ile d’Oléron, wo wir ein altes, abenteuerliches Haus von einer älteren Dame mieten konnten.

1983 waren die Mädchen in England, wo wir sie besuchten und über Ostern eine gemeinsame kleine Reise im Mietauto durch Südengland unternahmen.

1984 verbrachten wir 2 Wochen in einer lausigen Interhome Wohnung in Port Barcarès. Zuerst mussten wir noch putzen lassen! Dann war Ghia bei der Ankunft davon überzeugt, dass es sich hier um den Hintereingang handeln musste und wir nur von der falschen Seite her gekommen wären! Der im Prospekt angepriesene Garten beim Eingang war nur ca. 1.5 auf 2.5 m gross und nicht mit Rasen, sondern mit Schotter wie auf einem Bahndamm versehen! Für den mitgebrachten Grill genügte es aber alleweil! Unvergesslich für die Mädchen sind trotzdem das Paquepot Lydia und für die Eltern die herrlichen Ausflüge in die katalanische Romanik nördlich der Pyrenäen.

1986 hatten wir im Pueblo Eldorado Playa PEP in Cambrils ein ideales Einfamilienhaus gemietet, ca. 150m vom Zentrum und vom Meer entfernt. Es besass einen abschliessbaren Garten, eine gut eingerichtete Küche und war mit zwei Bädern und genügend Schlafzimmern versehen. Das Wohn-/Esszimmer haben wir nie benutzt, da wir immer draussen lebten. Ghia durfte ihre Freundin Dominique Bachmann und Lexi ihren Freund André Künzler mitnehmen. Ghia und Dominique reisten über das Jazz Festival Montreux per Zug und mit Zelt separat an. Wir trafen uns auf der Reise einmal in Collioure zum Apéro und Essen! Es waren recht harmonische Ferien mit fast täglichem Tennis und die Jungen spielten Volleyball. Ghia wurde zudem im Contest Miss PEP Steinstoss!
1988 waren wir dann nochmals in einem anderen Einfamilienhaus im PEP, gleichzeitig mit Familie Brunnschweiler, welche mit Steff und Philipp das Haus von Freunden benutzen durften. Ghia durfte das erste Mal Frank Heinzelmann in die Ferien mitnehmen und Lexi hatte nochmals ihren, auch für uns sehr angenehmen und pflegeleichten André Künzler dabei, obwohl bei Lexi/André die grösste Liebe scheinbar etwas am Erkalten war. Ghia, Frank und Steff fuhren in Vrenelys Auto separat, während Jack, Vrenely und Philipp nach Barcelona flogen! Abends assen wir jeweils abwechslungsweise in bzw. vor den zwei Häusern, wobei die Gastfamilie immer in einer Art Prozession ihren abgesprochenen Beitrag zum Essen ins andere Haus trug.

1986: Unfalltod Lisbeth Blöchliger, Sekundentod Albert Karpf, Erbschaftsvertrag Karpf
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8.11.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 1986: Unfalltod Lisbeth Blöchliger, Sekundentod Albert Karpf, Erbschaftsvertrag Karpf .

8.11 1986 - 1988 Unfalltod Lisbeth Blöchliger, CEO BALLY Arola AG, Sekundentod Albert Karpf, Erbschaftsvertrag Karpf

Im Sommer 1986, also kurz vor Lexis Matura, verunglückte meine Lieblingsschwester Lisbeth (die anderen Schwestern mögen mir diesen Ausdruck verzeihen) und Lexis Gotti bei einem Autounfall tödlich, als sie in Winkeln ihren Mann Ruedi in die Schule gebracht hatte. Sie wurde mitten aus einem äusserst aktiven Leben gerissen, unerwartet, plötzlich. Keine Beerdigung, an welcher ich bisher in meinem Leben teilgenommen hatte, würgte mich so wie diese, nicht einmal jene meines Vaters. Vieles ging mir durch den Kopf: Wenn sie mich in der frühen Jugendzeit ins Bett brachte, stellte ich endlose Fragen „Was ist Eisen, Glas, Wolle, wie wird das und das hergestellt, usw“ und sie beantwortete dies mit Engelsgeduld, oder Ferienaufenthalte bei den frisch verheirateten Lisbeth und Ruedi während meiner Kantonsschulzeit im Schulhaus Waldkirch Oberwald, dann an ihre Lehrtätigkeit im Thalhof, wenn Ruedeli jeweils zum Hüten bei der Gross­mama in St. Finden weilte und ich sie mit Ruedeli abholte. Vor allem aber hatten Fischli und ich Lisbeth noch viel mehr schätzen gelernt, als sie sich zwei Mal mit ihrer grosszügigen Haltung voll hinter uns stellte, zuerst als die Familie Gadient wegen Fischlis Religionszugehörigkeit auf Distanz ging, dann aber vor allem nach unserem Streit mit Mama nach der Geburt von Andrea und der damit heraufbeschworenen Funkstille mit dem Rest der Familie. Ich meine heute rückblickend, dass Lisbeth und ich uns von allen Geschwistern vom Charakter her wahrscheinlich am ähnlichsten waren. Darf man sogar von Seelenverwandtschaft sprechen? Ich war sehr, sehr traurig.

Nach den guten Erfahrungen mit dem Erbvertrag von Grossvater Welti schlug ich in den 80er Jahren Momi, Nelly und Albert Karpf vor, jetzt, da wir alle noch geistig frisch und bei Kräften waren, ebenfalls einen solchen Erbvertrag unter Federführung von RA Dr. Jörger, unserem Familienanwalt ausarbeiten zu lassen. Dazu müssten wir alle einmal unsere Vorstellungen und Wünsche anbringen. Relativ schnell war klar, dass dies ein äusserst schwieriges Unterfangen werden sollte, da Albert nicht sehr daran interessiert war, vor allem daher, weil die seit den 30er Jahren unveränderte, sehr kleine Miete der Eltern bei Grossvater Welti für den von Albert und Nelly seit Mitte der 60er Jahre allein benutzten, oberen Hausteil ausgleichspflichtig sein sollte. Wir kamen über erste Entwürfe nicht hinaus und es blieb beim Wunsch, sich über eine allfällige Erbteilung rechtzeitig Gedanken zu machen.

Aktualität erhielt dieser hängige Erbvertrag, als am 30. Dezember 1988 Fischlis Bruder Albert ganz unverhofft und plötzlich an einem Sekundentod starb. Da Albert Schulden hatte, wollten Nelly und die Kinder zuerst das Erbe ausschlagen, das heisst, dass der Erbverzicht samt den Gründen amtlich publiziert worden wäre. Momi und Fischli schämten sich deswegen und wollten dies nicht. Momi litt sehr: Sie hatte also nach dem Tod ihres ersten und zweiten Mann auch noch den Tod ihres einzigen Sohnes zu verkraften, und dies erst noch mit Erbverzicht. Momi und damit selbstverständlich zur Hälfte auch Fischli übernahmen Alberts Schulden.

Mit der immer noch hängigen Ausgleichspflicht für den oberen Hausteil kamen wir auch nicht weiter, ja Nelly, Sandra und Roland Karpf nahmen sogar einen eigenen Anwalt, und es wäre sicher zum Streit gekommen, wenn Fischli nicht äusserst grosszügig auf jeglichen Ausgleich verzichtet und sich, nicht zuletzt auf Anraten von Dr. Jörger, bei der doch recht schönen Anwartschaft grosszügig zu sein, zu einer wirklich hälftigen Teilung bereit erklärt hätte.

Planung Haus in Zollikon, USA Reise mit Lexi, Tod Mami Karpf, Partielle Erbteilung in Zollikon, Fischlis Bauchspeicheldrüse, USA Reise Westküste und Rückfahrt mit QE II
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8.12.  Unsere Familie Gadient -Karpf – Planung Haus in Zollikon, USA Reise mit Lexi, Tod Mami Karpf, Partielle Erbteilung in Zollikon, Fischlis Bauchspeicheldrüse, USA Reise Westküste und Rückfahrt mit QE II.

8.12 1989 – 1991 Planung Haus in Zollikon, USA Reise mit Lexi, Tod Momi Karpf, Partielle Erbteilung in Zollikon, Fischlis Bauchspeicheldrüse, Studium Abschluss Andrea und Frank, USA Reise Westküste und Rückfahrt mit QE II

Mit meiner Stellung als Direktionspräsident der BALLY Arola AG ging es Fischli und mir auch einkommensmässig wieder recht gut. Wir überlegten uns 1985, ob wir eine Ferienwohnung kaufen wollten, Fischli schlug vor, uns für ein „Ferienhaus für alle Tage“ in Zollikon zu entscheiden, und zwar auf einem der beiden anlässlich der Überbauung für Fischli und die Kinder ihres verstorbenen Bruders ausgeschiedenen Bauplätze. Die Nähe und die gute Busverbindung nach Zürich gewannen mit zunehmendem Alter und der näher kommenden Pensionierung immer mehr an Bedeutung. Auf einer Ferienreise im vergangenen Herbst 1988 in die Provence und an die Côte d’Azur hatten wir abends im Speisesaal immer ein Notizbüchlein dabei, wo wir versuchten, ein Pflichtenheft mit unseren Wünschen für unser zukünftiges Heim zu formulieren, das wir dann dem Architekten geben konnten. Und dann begann eine neue, wunderbare Planungszeit, mit wem denn sonst als mit Pierre Zoelly. Mitten in die Planungszeit hinein kam dann noch Momis Tod und machte das Bauen noch aktueller, da das Land plötzlich uns gehörte. Auch hier brauchten wir zwei Anläufe bis zur Baubewilligung. Doch dann kam die Immobilienkrise mit dem absoluten Tiefpunkt zum Häuser verkaufen! Wir hatten eine Schätzung für unser Haus in Hombrechtikon machen lassen, und mit dem Erlös des Hauses wollten wir in Zollikon bauen. Im Moment war aber kein Mensch daran interessiert, das Haus zu diesem Verkaufspreis zu kaufen, auch nicht mit einem Abschlag von 25%. Man riet uns, die Krise auszustehen und mit dem Baubeginn zu warten. Zum Glück waren mit einem neuen Baugesetz ab sofort ausgestellte Baubewilligungen 3 Jahre lang gültig. So mussten wir zum Glück nicht nochmals eine Eingabe machen. Vierteljährlich inserierten wir in den folgenden Jahren das Haus über einen Makler zum Verkauf, ohne jeglichen Erfolg.

Zum Abschluss von Lexis USA Praktikums trafen Fischli und ich Ende September 1989 Lexi im Drake Hotel in New York. Lexi hatte in ihrer Freizeit Reisevarianten studiert und machte Vorschläge. Den Ausgangspunkt für eine grosse Reise im Mietwagen hatten wir mit Albuquerque schon früher festgelegt, den Rest wollten wir von Tag zu Tag neu bestimmen, ganz nach Lust und Laune. So flogen wir anderntags zuerst über Chicago und Denver nach Albuquerque, wo wir ins Mietauto umstiegen und für die erste Nacht sofort nach Sta Fe weiterfuhren. Mit der Erfahrung von früheren Reisen wollten wir alle 2 Tage Andrea anrufen (Nur per Zufall waren Fischli und ich 1965 gerade noch rechtzeitig von einer Portugalreise zur Beerdigung von Fritz, Selins Mann zurückgekommen). Über Taos fuhren wir dann westwärts, nach der Überquerung des Rio Grande am Skigebiet von San Juan vorbei in den Mesa-Verde-Nationalpark mit seinen ehemaligen Indianer Behausungen, teilweise in Höhlen.
Ich erinnere mich noch gut an eine lustige Begebenheit: Auf dem Weg ins Monument Valley fuhr Lexi zum ersten Mal unseren Mietwagen, der einen Tempomat hatte, was für sie neu war. Scheinbar liess sie den rechten Fuss doch immer leicht auf dem Gaspedal liegen, denn als nach einer Senke die Strasse wieder anstieg und es für die gleiche Geschwindigkeit wesentlich mehr Gas brauchte, rief Lexi plötzlich ganz verzweifelt: „Jetz goht ganz plötzlich vo elei s‘ Gaspedal abe!“
Nach der Durchquerung des Monument Valleys fuhren wir südlich in den Canyon de Chelly, nochmals mit wunderbaren Indianer Behausungen. Diese konnten wir infolge Überschwemmungen nach einem sehr heftigen Gewitter nicht besichtigen, nur von oben an einigen Aussichts - Plattformen. Das nächste Ziel war das Nat. Monument des Bryce Canyon. Dazu mussten wir die hohe Staumauer des Lake Powell überqueren. Auf einer südlicheren Strasse fuhren wir dann wieder zum Lake Powell zurück und von dort südwestwärts zum Grand Canyon Village. Nach längeren Spaziergängen entlang dem Canyon lud uns Fischli zum Abschluss, wieder einmal mit "Bibi-Geld", zu einem Helikopterflug über und in den Grand Canyon ein, ein grandioses Erlebnis. Über Willliams folgten wir bis Kingman der Route 66, um dort nordwestlich Richtung Boulder City und Hoover-Dam nach Las Vegas zu gelangen. Witzigerweise wohnten wir im Hotel Alexis. Las Vegas hatten wir schnell gesehen, Lexi erspielte an einem Abend mit von mir gepumpten 20$ innert kürzester Zeit 80$ und hörte dann auf und zahlte mich wieder aus! Der nächste Tag war mit dem Death-Valley einer der längsten und aufregendsten Reisetage, vor allem weil wir anschliessend bis Bishop kein Hotel fanden. Ganz nah beieinander liegen beim Death-Valley die tiefste, und mit dem Mt. Whitney eine der höchsten Stellen des nordamerikanischen Kontinents. Am nächsten Tag ging es über den Tioga Pass in den Yosemite National Park, wo wir in der berühmten, mehrere hundert Meter hohen Kletterwand den Mut von einigen Kletterern bewundern konnten. Vom Yosemite National Park fuhren wir Richtung Meer und über Monterry bis nach Carmel, von wo aus wir dann nach San Francisco weiterreisen wollten.
Als wir am anderen Morgen, es war inzwischen Mittwoch, der 11. Oktober, Andrea anriefen, erfuhren wir die Nachricht vom Tod von Fischlis Mutter am 7. Oktober 1989. Ausgerechnet seit Samstagabend in Las Vegas hatten wir 4 Tage nicht mehr nach Hause angerufen, weil wir sowohl in Bishop als auch in einer etwas unappetitlichen Lodge im Yosemite Park (die guten waren alle bereits ausgebucht ge­wesen!) kein Telefon im Zimmer hatten und am Wandtelefon der Restaurants verstand man kaum das eigene Wort.

Andrea zuhause war in dieser Situation nicht zu beneiden und litt. Sie musste in Zusammenhang mit Momis Tod alles mutterseelenallein entscheiden, da Momi kurz nach unserem letzten Telefongespräch am Samstag, 7. Oktober 1989 überraschend gestorben war. Weil sie uns nicht erreichen konnte, und um den Termin für die Beerdigung offen zu behalten, entschied sie folgerichtig auf Feuer- bzw. Urnen-bestattung. Neben Momis Tod musste sie aber am gleichen Wochenende auch noch mit unserem über 20-jährigen Kater Sepphie zum Tierarzt, der Koliken hatte. Dieser konnte ihn in ihren Armen nur noch einschläfern, was für das etwas einsame Ghiali ein weiterer harter Schlag war, den sie auch noch verkraften musste. Aber sie war ein tapferes Mädchen und regelte alles bestens.

Nach dem Telefon in die Schweiz buchten wir sofort telefonisch Flüge ab San Francisco nach New York und von dort nach Zürich, sowie ein Hotelzimmer in New York. So bekamen wir leider San Francisco nicht mehr zu sehen, worauf wir uns doch so gefreut hatten, denn der Flughafen liegt ziemlich weit südlich der Stadt. Um 14’00 Uhr hatten wir unseren liebgewonnenen, zuverlässigen Wagen abgegeben, eingecheckt und flogen mit American Airways nach New York zurück, wo wir abends sehr spät ankamen. Der nächste Swissairflug war erst anderntags abends. Lexi musste noch ihre restlichen Sachen packen und holen, ich buchte das Ticket von Lexi auf den gleichen Flug wie wir ihn hatten um, was aber ausserordentlich schwierig war und mich fast den ganzen Tag kostete.
Schlussendlich konnte uns Andrea dann aber am andern Morgen, am Freitag, den 13. Oktober um 06’15 Uhr am Flughafen Zürich abholen. Die Beerdigung von Momi legten wir für Mittwoch, 18. Oktober in Zollikon fest. Der Trauergottesdienst in der Kirche Zollikon war sehr gut besucht. Man hatte Momi sehr gern gehabt und ihre warmherzige Art sehr geschätzt.

Das hatte zur Folge, dass eine Partielle Erbteilung mit Karpfs wieder an die Hand genommen werden musste, allem voran die Zuteilung der zwei Bauplätze im Hägni; der Dritte Bauplatz war zum Verkauf bestimmt worden, um die damals sofort fällige, sehr hohe Erbschaftssteuer bezahlen zu können (Momi hatte uns 3 Monate zu früh verlassen: Ab 1990 fiel im Kt. Zürich die Erbschaftssteuer weg!). In der herrschenden Immobilienkrise war es aber auch hier sehr schwierig, einen Käufer zu finden, wobei bereits die Verzugszinsen für die fällige Erbschaftsteuer wie bei einer Taxiuhr tickten.

Die Partielle Erbteilung sah vor, das Haus Kleindorf 14 juristisch in zwei selbständige Katasternummern zu teilen, wobei wir vom Land der Überbauung noch je ein kleines Stück Gartenland im Süden des Hauses auf der andern Seite des Fussweges zu den zwei Parzellen Kleindorf 14 und 14a schlugen. Während Karpfs den von ihnen bewohnten oberen Hausteil behielten, bekam Fischli den unteren Hausteil. Wir nahmen auf Kosten der Erbengemeinschaft in beiden Hauseilen eine sanfte Renovation vor, wobei das ehemalige Zimmer von Fischli im ersten Stock des oberen Hausteils jetzt wieder definitiv zum unteren Hausteil geschlagen wurde. Im oberen Hausteil wurde im 2. Stock für Sandra zudem eine kleine Küche eingebaut sowie das Bad/WC renoviert. Die Teilung von Momis Sachen in der Wohnung brachte keine Probleme, Andrea, die bisher hier gewohnt hatte und jetzt ausziehen musste, konnte einen grossen Teil von Geschirr und Küchengeräten mitnehmen. Fischli und ich übergaben den unteren Hausteil, jetzt Kleindorf 14A, zur Verwaltung an meine Kollegen von der Oerlikon Immobilienabteilung (analog der Überbauung der Erbengemeinschaft). Ich wollte das Haus nicht selbst verwalten, mussten doch viele Rechnungen wie Heizung, Wasser, Kehricht etc. mit dem oberen Hausteil geteilt bzw. verrechnet werden. Auch die Teilung der Wertschriften gelang problemlos, wobei Fischli den Anteil an der Holzkorporation Zollikon in Anrechnung übernahm, da sonst niemand Interesse hatte.

In der Erbengemeinschaft Frieda Spaltenstein blieben damit nur noch

  • die Überbauung,
  • der Drittels-Anteil am Brunnen zwischen Häusern Kleindorf 12.14 und 16
  • der Anteil an der unverteilten Erbschaft von Grossvater Emil Welti, das im Strassenbauland und Wertschriften besteht.

Und schon hatten wir im Spätherbst 1989 eine weitere Zäsur zu bestehen. Fischli hatte innert kürzester Zeit die Trauerpost für Momi verdankt und hatte am Samstagmorgen des 11. November noch Bibi-Ausgabe. Als sie heimkam, arbeitete ich bereits im Garten. Sie hatte sich bereits umgezogen, rief mir aber zu, es gehe ihr nicht so gut und sie müsse sich noch einen Moment hinlegen. Als sie nach etwa einer halben Stunde immer noch nicht gekommen war, ging ich nachsehen und fand sie bleich und aschfahl mit grossen Schmerzen. Da unser Hausarzt Dr. Witzig nicht da war, rief ich den Notarzt an, der seine Praxis oben in Männedorf hatte. Von dort ging es dann gleich notfallmässig ins Spital Männedorf hinunter. Fischli hatte in der Zwischenzeit grosse Schmerzen und es begannen für sie mühsame Untersuche. Ich konnte nur nach Hause fahren und ein paar ihrer Sachen packen. Es sollten für sie 4 lange, schlimme Wochen mit grossenteils künstlicher Ernährung werden. Man musste davon ausgehen, dass es eine erste Entzündung der Bauchspeicheldrüse war, genau konnte man es auch nach allen Untersuchen inklusive einem im Uni-Spital Zürich mit Transport hin und zurück in der Ambulanz nie herausfinden (Wieso solche Transporte nicht von der Krankenkasse übernommen werden, ist mir auch heute noch ein Rätsel! Man kann ja nicht zu Fuss oder mit dem Privatauto dorthin kommen!).
Gegen Schluss hatten wir dann auch noch ein paar schöne Momente im Spital: Lexi und ich hatten an einem Sonntagabend für uns auch ein Menu bestellt. Wir schmuggelten heimlich Gläser und Wein in Fischlis Zimmer setzten uns an den Tisch, als eine Schwester hereinkam und meinte, da fehle doch noch ein Tischtuch! Sie ging hinaus und kam mit einem schönen, weissen Spitaltuch zurück und half uns, den Tisch ganz schön zu decken, auch noch mit Fischlis Blumen! Am 12. Dezember durfte Fischli wieder nach Hause.

Kurz vorher hatte Lexi und ich aber noch in einem Katzenheim in Wald zwei Kätzchen geholt. Lexi bereitete wieder einmal eine Prüfung vor und jammerte, so allein im Haus sei das kaum auszuhalten. Früher wäre wenigstens noch Sepphie dagewesen. Also hintergingen wir Fischli und als sie vom Spital heimkam, begegnete sie als erster Katze dem komischen, an Rücken, Beinen und A-Löchli mit Tigerflecken behafteten, weissen Kätzchen. Sie benutzte zur Charakterisierung dieser Katze einen jeweils von Vrene B. benützten Appenzeller - Ausdruck und rief aus: „Da isch jo en Würglig!“ Und dieser Name blieb. Eigentlich wollten wir sie der Flecken wegen und des weiblichen Geschlechts nicht Miro, sondern „Mira“ nennen, aber es blieb bei Würglig, mit der Zeit mutierte der Name zu „Wügi“. Die zweite, schwarzweisse, etwas bedächtigere und kräftigere Bauernkatze nannten wir nach Elke Heidenreichs Katzengeschichte „Felis“.
      
Der Arzt hatte für Fischli zu Ferien in der Höhe geraten. Über Herr Reust von der Tennis­Agentur, welche bei mir im Geschäft für BALLY Jakob Hlasek und Marc Rosset betreute, bekamen wir zulasten der Bob WM ab 27. Dezember ein Doppelzimmer im Cresta Palace in Celerina vermittelt (wo wir später noch unzählige Male waren). So kamen wir zwangsläufig zu unserem ersten Hotel-Sylvester im Leben mit Smoking und Abendkleid, allerdings auch mit einem blauen Auge und arg geschwollener Backe. Fischli musste am 30. Dezember zum Zahnarzt in St. Moritz wegen grauenhaften Schmerzen. Dieser diagnostizierte einen Abszess an einer Zahnwurzel und öffnete kurzerhand mit Hammer und Meissel, vergass dann aber eine Klammer oder irgendetwas Kleines in der bereits zugenähten Wunde, sodass er bei langsam bereits abklingender Lokalanästhesie nochmals öffnen musste! Armes Fischli, und dann fast noch bis zur Unkenntlichkeit entstellt! Dr. Liatowitsch junior mit Frau erkannten uns deswegen beinahe nicht. Fischli hatte aber am Sylvester wenigstens keine Schmerzen mehr, sodass wir das Buffet sehr genossen und anschliessend auch ausgiebig tanzten. Für eine Woche wechselten wir dann noch ins Hotel Margna in Sils Baselgia, zu AH Sancho und seiner Frau Dorli. Das Hotel Margna war auch sehr schön, unser Zimmer und auch die Küche waren aber im Cresta Palace unserer Ansicht nach wesentlich besser. Lexi als Studentin genoss es, wenn ich für wichtige Sitzungen oder Anlässe ins Büro musste! Dann kam sie jeweils Fischli besuchen und sie vertrat mich ausgezeichnet auf Spaziergängen, im Zimmer und im Speisesaal!

Im Herbst 1990 fuhren wir das erste Mal nach meinem GROWELA Rauswurf wieder nach Portugal in die Ferien. Wir durften in Portugal den bei GROWELA Portuguesa stationierten alten Lancia von Myrtha Kurz benutzen. Als Gegenleistung mussten wir dann den alten GROWELA-Renault zurück in die Schweiz bringen. Es sollten die „Echappes“- Ferien (deutsch Auspuff-Ferien) werden. Der erste Teil der Reise führte uns wieder einmal ins Palace Hotel do Bussaco in Luso, und endete am zweiten Tag nach einer wirklich "ohrenbetäubenden" Fahrt in den Sonntagmorgen hinein in einer Auspuffwerkstatt von Caldas da Rainha. Ein Traum jeden Autofahrers: Die Suche nach einer Garage am Sonntag! Glücklicherweise war damals mein Portugiesisch noch einigermassen präsent! Mit einem Mietwagen fuhren wir nach einigen Stunden weiter in die Algarve, die wir von Portugal noch am wenigsten kannten. Wir fanden ein gediegenes Hotel, von aus wir wunderbare Exkursionen machten. Wir telefonierten jeden Tag mindestens einmal mit der Garage, bis dann endlich der Auspuff für dieses sehr seltene, bereits etwas antiquierte Lancia-Mo­dell von irgendwoher eingetroffen war. Nachdem wir nordwärts gefahren und den Mietwagen wieder mit dem Lancia ausgetauscht und Nuno Romão zurückgebracht hatten, traten wir die Heimfahrt mit dem GROWELA Renault an, bei welchem man anlässlich unserer Abreise trotz einem längeren Garagenbesuch leider die Heizung nicht mehr abstellen konnte. Wir fuhren gut gewärmt nordwärts nach Santiago de Compostela und dann alles dem berühmten Jakobs-Pilgerweg entlang, einfach umgekehrt, bis über die Pyrenäen. Wir gewannen unvergessliche Eindrücke von einer speziellen Landschaft und von viel grossartiger Architektur. Entgegen üblichen Pilgerfahrten genossen wir einzelne grandiose Hotels, vor allem in Santiago und in Leon, sowie durchs Band guten Küchen und Keller. So "machten" wir den Pilgerweg zwar in entgegengesetzter Richtung und per Auto, taten dabei aber im voll überheizten Auto schwitzend Busse wie richtige Wallfahrer …

Im Herbst 1991 bereisten wir die Westküste der USA von Norden nach Süden von Seattle bis LA! Wir hatten einen Flug mit Zwischenhalten in London und Vancouver nach Seattle gebucht. Dort kamen wir leider ohne Koffern an, konnten uns dadurch aber wenigstens Seattle 2 Tage lang besser ansehen. Fischli wollte am ersten Tag bereits auf dem Markt Riesen Knoblauch (Jumbo Garlic) zum Heimnehmen kaufen, was ich aber noch knapp verhindern konnte. Zwischendurch hatte ich sowohl hier in Seattle, aber auch später auf der Reise längere Telefonate mit unserem Finanzchef, denn es war Budgetierungszeit. Zuerst fuhren wir auf der Route Nr 1 und nachher auf der Route 101 alles dem Meer entlang südwärts: Durch viel intakte Natur mit Regenwald, Sekoja-Wäldern, Clear Cut Holzschlag im Staat Oregon und wilden Küsten mit ihren View Points (meist zwar in den Wolken oder im Nebel), mit nebenher fliegenden Pelikanen, mit arg stinkenden Seepferden in Höhlen und auf Klippen, mit einigen Abstechern ins Landesinnere wie beispielsweise zum Info-Center des erst vor ein paar Jahren explodierten Vulkans Mount St. Helens, zum verträumten Craterlake, in die Weingebiete Kaliforniens, nach Sacramento und dann bis nach San Francisco. Dann weiter über Monterry und Carmel über das Hearst-Castle und Santa Barbara bis nach Los Angeles.
Von dort flogen wir nach New York zurück, wo wir uns nach einer Nacht im Drake Hotel auf der Queen Elisabeth 2 zur Transatlantikfahrt einschifften. In einem speziellen Koffer hatten wir auf der Reise unseren guten QE2 Kleider Sorge getragen, indem wir überall dort, wo wir mehr als 1 Nacht blieben, die Kleider lüfteten und wieder neu einpackten. Auch die Überfahrt selbst auf dem Luxus-Liner war ein einmaliges Erlebnis. Vor allem die Ausfahrt aus New York mit der immer kleiner und kleiner werdenden Skyline im Abendhimmel, bis am Schluss nur noch die zwei mächtigen Türme des World Trade Centers in Down Town Manhattan wie kleine Nadeln zu sehen waren... Immerhin, wir sahen sie noch vor 9 / 11! Es war eine alles in Allem eine traumhafte, sehr abwechslungsreiche und absolut unvergessliche Reise.

1992: Absetzung als CEO BALLY, Ferienwohnung Celerina, Ferien Bretagne mit Br, Hochzeit Andrea Frank, Implatate HR
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8.13.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 1992: Absetzung als CEO BALLY, Ferienwohnung Celerina, Ferien Bretagne mit Br, Hochzeit Andrea Frank, Implatate HR.

8.13 1992: Absetzung als CEO BALLY, Ferienwohnung Celerina, Ferien Bretagne mit Br, Hochzeit Andrea Frank, Implatate HR

Das Jahr brachte in chronologischer Reihenfolge im Januar Skiferien im Cresta Palace, im Mai die Absetzung bei BALLY als Arola Chef und Entlassung aus den übrigen Funktionen in der Gruppenleitung, die ich im Abschnitt "13. BALLY, 16.Februar 1977 bis 31. Dezember 1993" näher beschreibe.

Anfangs Mai konnten wir zusammen mit Krapf Fröhlich und Pedal Stump, zwei alten St. Galler Handballkollegen im Haus Ca­flisch hinter dem Bahnhof in Celerina eine kleine Ferienwohnung in ganzjähriger Miete übernehmen. Wir hatten zufällig im Januar im Cresta Palace Krapf getroffen, welcher zusammen mit Pedal eben eine Wohnung besichtigt hatte. Sie fragten mich, ob ich zu einem Drittel auch für die Miete aufkommen würde, wenn Pedal als Dritter die Wohnung in der Zeit, in welcher Krapf und ich sie nicht benutzten, weitervermieten würde.
Wir sagten ja. Schlussendlich war der Zeitpunkt für den Bezug dieser Ferienwohnung dann unglaublich günstig! Fast wie vorgeplant für die Zeit nach meinem Rauswurf bei BALLY im Mai 1992 zur Erholung von den Strapazen und zum Einziehen von den 82 Ferientagen, die ich noch zu gut hatte!!! Zu der Wohnung gibt es einen besonderen Abschnitt: "9. Erinnerungen an die Ferienwohnung In der Chesa Caflisch, Via Chalchera 6, CH - 7505 Celerina".

Andrea hatte ihren Job beim Kanton Thurgau aufgegeben und hatte mehr zufällig anlässlich eines Interviews bei Executive Search Robertson AG gleich dort als Sekretärin / Researcherin zugesagt, als der dortige Chef und Besitzer Gert Staengel ihr sagte, sie käme für die ausgeschriebene Stelle nicht in Frage, er suche aber genau jemanden wie sie. Daraus sollte sich dann später auch eine gewisse Mitarbeit meinerseits bei Robertson AG ergeben.

Im Juli verbrachten wir 2 Wochen Ferien in der Bretagne, zusammen mit Brunnsch­wei­lers. Wir fuhren im Autozug von Strassburg bis Nantes und waren je 1 Woche in Quiberon und auf der Belle Ile. Wir machten wunderbare Wanderungen der wilden Küste entlang, besuchten Menhire und Steinmöckli, und im Hotel auf der Belle Ile war Fischli der Ansicht, den Herrn doch zu kennen, der das Hotel begutachtete: Es war Präsident Mitterand, dem Fischli tief ins Auge blickte. Wunderbare Ferien!

Ein weiterer Höhepunkt des Jahres war dann selbstverständlich der 15. August 1992: Die Hochzeit von Andrea und Frank. Das Wetter spielte voll mit: Es war ein strahlend schöner, wolkenloser und heisser Augusttag. Minutiös hatten wir den Empfang der Hochzeitsgäste mit einem Apéro am frühen Nachmittag bei uns im Garten in Hombrechtikon vorbereitet. Von dort ging es in die Kirche Hombrechtikon zur Trauung, und dann nach Rapperswil in den Schwanen zum Fest. Ein warmer, wunderbarer Augustabend bei offenen Fenstern im schönen Schwanensaal, mit einer zusätzlichen Attraktion: Feuerwerks am Abendhimmel über dem See vom zufällig gleichzeitig stattfindenden Lachner Seenachtfest.

In diesem Jahr ging mein langjähriger Zahnarzt Dr. Hans Herzog in Pension. Das war der Moment, zu Pierre Zoellys Schwiegersohn Dr. Ueli Grunder in Zollikon zu wechseln. Dieser war entsetzt über den Zustand meiner Zähne und liess sie auch noch von seinem Partner Dr. Gaberthül begutachten. Die Diagnose war ein richtiger Schock: Hochgradige Paradentose mit oben bereits angegriffenen Kieferknochen: Dort wäre nichts mehr zu retten, unten könnten wahrscheinlich einige Zähne noch über die Runden gebracht werden. Als Lösung kamen verschiedene Alternativen in Frage, wobei ich mich für eine Total-Sanierung entschied: Oben mittels acht Implantaten und unten mit einer kleinen Normal-Prothese. Diese Lösung brachte Kosten in der Grössenordnung von CHF 50'000 mit sich. Es folgte eine sehr langwierige Geschichte: Immer wieder Operationen, Anpassung von provisorischen Zahn-Prothesen, Tage zuhause, weil keine Zähne, kurz: Mehr als 2 Jahre lang Stammgast in der Zahnarzt- und Zahntechnikerpraxis an der Dufourstrasse beim Bahnübergang in Zollikon! Von diesem Moment an hatte ich aber Ruhe bis 2015, als die noch vorhandenen Zähne sowie die Prothesen stark abgewetzt waren und neu aufgebaut werden mussten. Auf meine Frage, ob für so einen alten Chlaus sich das noch lohne, meinte Dr. Grunder, dass ich jetzt halt noch möglichst lang leben sollte, um die neuerlichen CHF 12'000 gut amortisieren zu können

1993: Celerina, Neubau EFH in Zollikon, Verkauf in Hombi, CSSR-Reise, Vorstand im Kulturkreis Zollikon, Studienabschluss Lexi
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8.14.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 1993: Celerina, Neubau EFH in Zollikon, Verkauf in Hombi, CSSR-Reise, Vorstand im Kulturkreis Zollikon, Studienabschluss Lexi.

8.14 1993: Celerina, Neubau EFH in Zollikon, Verkauf in Hombi, CSSR-Reise, Vorstand im Kulturkreis Zollikon, Studienabschluss Lexi

Nach Neujahr 1993 erhielten wir plötzlich für unser Haus in Hombrechtikon auf unser vierteljährliches Routine-Inse­rat etwa 20 Anfragen, was mich sofort dazu brachte, den Neubau in Zollikon nochmals ausschreiben zu lassen, und siehe da, die Baukosten waren in der Zwischenzeit um fast 10% gefallen, wenigstens ein kleines Trostpflaster gegenüber dem riesigen Nachlass auf den Schätzpreis, den wir beim Verkauf unseres Hauses in Hombrechtikon zugestehen mussten. Frühjahr 1993 Baubeginn in Zollikon.
Die Bauzeit des Hauses in Zollikon war mit ganz wenigen Ausnahmen nochmals eine weitere, tolle Bau-Erfahrung in meinem Leben. Pierre Zoelly arbeitete nach vielen unliebsamen Erfahrungen bei Kostenüberschreitungen jetzt neuerdings mit einem Generalunternehmer (GU) zusammen. Und da das Baugewerbe während der Immobilienkrise nicht allzu gesegnet mit Aufträgen war, nahm BW-Generalbau auch einige anspruchsvolle Einfamilienhäuser als GU in Arbeit, sehr zum Vorteil der Bauherren, denn da waren wirkliche Professionals am Werk, und es lief recht wenig schief. Ich war meistens auf dem Weg zur oder von der Arbeit einmal pro Tag auf der Baustelle und konnte das Werden unseres neuen Heims mit viel Befriedigung von ganz nah mitverfolgen und fotografieren.

Dies umso mehr, als nach meiner Absetzung als Direktionspräsident die berufliche Belastung gegen Null tendierte, weil man mich gar nichts Wichtiges und Richtiges mehr machen liess, obwohl ich eigentlich von der Erfahrung her im Engros- und Detailhandel, in Fabrikation, sowie in Administration und Führung prädestiniert gewesen wäre, in einem Konzern, wo alles drunter und drüber ging, anspruchsvolle Aufgaben anzupacken. Die Arbeit, die man mir zwischendurch anbot, war unter jeder Beschreibung. Jeden Morgen, wenn ich die halbe Stunde zur Arbeit fuhr, fragte ich mich jeweils, was ich heute wohl den ganzen Tag im Büro machen sollte. Ich lernte aber zum Glück in dieser Zeit für den Hausgebrauch den PC einigermassen beherrschen, das konnte man mir nicht abschlagen, denn ich hatte ja auch keine Sekretärin mehr, nicht einmal mehr eine halbe oder einen Viertel davon. Auch gab es wahrscheinlich nicht viele NZZ-Leser, die die Zeitung wie ich von vorn bis hinten wirklich durchlasen!

In diesem sehr schwierigen Jahr wurde ich ein weiters Mal von Fischli und den Kindern getragen. Ich möchte drum hier nochmals wiederholen, dass Fischli wie in allen schwierigen Situationen jetzt und früher immer ganz fest hinter mir stand und mir Kraft gab, ihr zuliebe durchzuhalten. Die Freistellung von Ende 1993, die man mir anbot, mir, der eigentlich das ganze Leben lang so gerne zur Arbeit gefahren war und der doch immer mit grosser Freude eher überdurchschnittlichem Einsatz gearbeitet hatte, war eine richtige Erlösung. Fischli und ich hatten Ende Jahr die unverhoffte, grosse Chance eines totalen Neuanfangs: Umzug ins neue Haus nach Zollikon, Fischli ohne Bibi, ich pensioniert! Eine richtiggehende Zäsur! Es konnte praktisch nur besser kommen.

Im Herbst 1993 löste ich noch ein in den 60er Jahren gemachtes Versprechen ein, Fischli die Tschechoslowakei zu zeigen und dieses wunderbare Land einmal im eigenen Auto ausgiebig zu bereisen. Ich war seinerzeit für GROWELA immer wieder hinter den "eisernen Vorhang" gereist, um die Teilefertigung und die Zusammen-arbeit mit den ehemaligen Bata-Werken zu organisieren. Jetzt, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs war es besser möglich, eine private Reise zu planen. Böhmen, Mähren und die Slowakei sind immer eine Reise wert, und Prag ist meines Erachtens nach wie vor eine der schönsten Städte der Welt.
Auf dieser Reise erfuhren wir von Lexi zuhause, welche auf ihre Lizenziats Prüfung büffelte, dass unser Haus in Hombrechtikon verkauft worden war.

Ich hatte mich im Herbst 1993 dazu entschlossen, im Vorstand des Kulturkreises Zollikon mitzumachen, wo gleichzeitig Hans Gremli (im KTV v/o Galan) Präsident wurde. Ich hatte nach der Kulturkreis-Reise nach spanisch Katalonien über die Organisation und Reiseleitung gemotzt und Vorschläge eingebracht, wobei man mich sofort bat, im Kulturkreis-Vorstand das Ressort Reisen zu übernehmen. Man hätte schon längere Zeit nach jemandem Ausschau gehalten. Wir waren bereits Mitglied und hatten schon an mehreren Reisen teilgenommen. Daher wusste ich, auf was ich mich einliess. Ich sagte zu, denn, abgesehen dass Fischli und ich sehr gerne reisen, macht es mir auch richtig Spass, Reisen zu organisieren. Die Mitarbeit im Kulturkreis war auch deshalb sehr erfreulich, weil wir nach unserem Umzug nach Zollikon (d.h. vor allem natürlich für mich, denn für Fischli war es ja ein Heim-Kommen) mit vielen interessanten Leuten aus Zollikon in Kontakt kamen und sie kennen lernen durften.

Ein weiterer Meilenstein im Leben unserer Familie war der Studienabschluss von Lexi. Die Lizenziats-Arbeit war angenommen worden und die letzten Prüfungen erfolgreich be- und durchgestanden. Zuerst gab es eine würdige Verleihung der Doktorentitel und der Lizenziate in der Aula der HSG, und dann eine lustige Lizenziatsfeier, zusammen mit ihrem WG-Kol­legen Steffen Tolle, der gleichzeitig sein Doktorexamen feierte: Wir waren in ein urchiges Restaurant in Eggersriet eingeladen zu Chäshörnli und bei Schwyzerörgeli-Musik von Steffens Doktorvater Prof. Dr. Zimmermann! Nun war also unser Lexi auch fertig! Eine liz. rer. publ. HSG! Unglaublich, Fischli und mir fiel ein gewaltiger Stein vom Herzen, alle Töchter mindestens berufsmässig auf eigenen Füssen.

Nach Neujahr 1993 erhielten wir plötzlich für unser Haus in Hombrechtikon auf unser vierteljährliches Routine-Inse­rat etwa 20 Anfragen, was mich sofort dazu brachte, den Neubau in Zollikon nochmals ausschreiben zu lassen, und siehe da, die Baukosten waren in der Zwischenzeit um fast 10% gefallen, wenigstens ein kleines Trostpflaster gegenüber dem Nachlass auf den Schätzpreis, den wir beim Verkauf unseres Hauses in Hombrechtikon zugestehen mussten.

Die Bauzeit des Hauses in Zollikon war mit ganz wenigen Ausnahmen nochmals eine weitere, tolle Bau-Erfahrung im Leben. Pierre Zoelly arbeitete nach vielen unliebsamen Erfahrungen bei Kostenüberschreitungen jetzt neuerdings mit einem Generalunternehmer zusammen. Und da das Baugewerbe während der Immobilien-krise nicht allzu gesegnet mit Aufträgen war, nahm die BW Generalbau auch einige anspruchsvolle Einfamilienhäuser in Arbeit, sehr zum Vorteil der Bauherren, denn da waren wirkliche Professionals am Werk, und es lief sehr wenig schief. Ich war meistens auf dem Weg zur oder von der Arbeit einmal pro Tag auf der Baustelle und konnte das Werden unseres neuen Heims mit viel Befriedigung von ganz nah mitverfolgen. Dies umsomehr, als nach meiner Absetzung als Direktionspräsident die berufliche Belastung gegen Null tendierte, weil man mich gar nichts Wichtiges und Richtiges mehr machen liess, obwohl ich eigentlich von der Erfahrung her im Engros- und Detailhandel, in Fabrikation, sowie in Administration und Führung prädestiniert gewesen wäre, in einem Konzern, wo alles drunter und drüber ging, anspruchsvolle Aufgaben anzupacken. Die Arbeit die man mir zwischendurch anbot, war unter jeder Beschreibung. Jeden Morgen, wenn ich die halbe Stunde zur Arbeit fuhr, fragte ich mich jeweils, was ich heute wohl den ganzen Tag im Büro machen sollte. Ich lernte aber zum Glück in dieser Zeit für den Hausgebrauch den PC einigermassen beherrschen, das konnte man mir nicht abschlagen, denn ich hatte ja auch keine Sekretärin mehr, nicht einmal mehr eine halbe oder einen Viertel davon. Auch gab es wahrscheinlich nicht viele NZZ-Leser, die die Zeitung von vorn bis hinten wirklich durchlasen!

In diesem sehr schwierigen Jahr wurde ich ein weiters Mal von Fischli und den Kindern getragen. Ich möchte drum hier nochmals wiederholen, dass Fischli wie in allen schwierigen Situationen jetzt und früher immer ganz fest hinter mir stand und mir Kraft gab, ihr zuliebe durchzuhalten.

Die Freistellung von Ende 1993, die man mir anbot, mir, der eigentlich das ganze Leben lang so gerne zur Arbeit gefahren war und der doch immer mit grosser Freude eher überdurchschnittlich viel gearbeitet hatte, war eine richtige Erlösung. Ja Fischli und ich hatten Ende Jahr die unverhoffte,grosse Chance eines totalen Neuanfangs: Umzug ins neue Haus nach Zollikon, Fischli ohne Bibi, ich pensioniert! Eine richtiggehende Zäsur! Es konnte praktisch nur besser kommen.

Im Herbst 1993 löste ich noch ein in den 60er Jahren gemachtes Versprechen ein, Fischli die Tschechoslovakei zu zeigen und dieses wunderbare Land einmal im eigenen Auto ausgiebig zu bereisen. Ich war seinerzeit für Growela immer wieder  hinter den "eisernen Vorhang" gereist, um die Teilefertigung und die Zusammen-arbeit mit den ehemaligen Bata-Werken zu organisieren. Jetzt, nach dem Fall des eisernen Vorhangs war es besser möglich, eine private Reise zu planen. Böhmen, Mähren und die Slowakei sind immer eine Reise wert, und Prag ist meines Erachtens nach wie vor eine der schönsten Städte der Welt.

Auf dieser Reise erfuhren wir von Lexi Zuhause, welche auf ihre Lizenziatsprüfung büffelte, dass unser Haus in Hombrechtikon verkauft worden war.

Ich hatte mich im Herbst 1993 dazu entschlossen, im Vorstand des Kulturkreises Zollikon mitzumachen, wo gleichzeitig Hans Gremli (im KTV v/o Galan) Präsident wurde. Ich hatte nach der Kultukreis-Reise nach spanisch Katalonien über die Organisation und Reiseleitung gemotzt und Vorschläge eingebracht, wobei man mich sofort bat, im Kulturkreis-Vorstand das Ressort Reisen zu übernehmen. Man hätte schon längere Zeit nach jemandem Ausschau gehalten. Wir waren bereits Mitglied und hatten schon an vielen Reisen teilgenommen. Daher wusste ich, auf was ich mich einliess. Ich sagte zu, denn abgesehen dass Fischli und ich sehr gerne reisen, macht es mir auch richtig Spass, Reisen zu organisieren. Die Mitarbeit im Kulturkreis war auch deshalb sehr erfreulich, dass wir nach unserem Umzug nach Zollikon (d.h. vor allem natürlich für mich, denn für Fischli war es ja ein Heim-Kommen) mit vielen interessanten Leuten aus Zollikon in Kontakt kamen und sie kennen lernen durften.

Ein weiterer Meilenstein im Leben unserer Familie war der Studienabschluss von Lexi. Die Lizenziats-Arbeit war angenommen worden und die letzten Prüfungen erfolgreich be- und durchgestanden. Zuerst gab es eine würdige Verleihung der Doktorentitel und der Lizenziate in der Aula der HSG, und dann eine lustige Lizenziatsfeier, zusammen mit ihrem WG-Kol­legen Steffen Tolle, der gleichzeitig sein Doktorexamen feierte: Wir waren in eine Chnelle in Eggersriet eingeladen bei Chäshörnli und Schwyzerörgeli-Musik von Steffens Doktorvater Prof. Dr. Zimmermann! Nun war also unser Lexi auch fertig! Eine liz. rer. publ. HSG! Unglaublich, Fischli und mir fiel ein gewaltiger Stein vom Herzen, alle Töchter berufsmässig mindestens auf eigenen Füssen.
1994: Bobrun St. Motitz-Celerina, Umzug nach Zollikon, Fischlis Eminenzia, Thomas Mann Symposium, Beratung in Portugal
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8.15.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 1994: Bobrun St. Motitz-Celerina, Umzug nach Zollikon, Fischlis Eminenzia, Thomas Mann Symposium, Beratung in Portugal.

8.15 1994: Fahrt auf dem Bobrun in St. Moritz, Umzug nach Zollikon, Fischlis Eminenzia, Thomas Mann Symposium, Beratung bei GROWELA-Portuguesa

Nach Neujahr 1994 fuhren wir wie üblich in die Skiferien nach Celerina. An Weihnachten hatte ich Fischli für die Bobbahn von St. Moritz nach Celerina eine Passagierfahrt mit mir zusammen geschenkt, welche wir in diesen Ferien nun einzogen. Wir durften vorne mit dem erfahrenen Piloten Reto Caplatzi und hinten einem Bremser fahren. Während Fischli am Anfang noch keck sich umschaute, hielt sie schon bald den Kopf ziemlich tief und war bereits im Sunny Corner fast ohnmächtig, und beim Aussteigen in Celerina war es ihr schlecht. Seit dieser Fahrt auf „ihrem“ Bob-Run erzählte sie immer wieder, dass sie jetzt wahrscheinlich wisse, wie sterben sei! Dabei hatte sie jeweils in den Vorjahren auf unseren Spaziergängen entlang dem Bobrun immer sehr lauthals kundgetan, dass sie einmal mit Weltmeister Erich Schärer vom Bobclub Zürichsee da hinunter fahren wolle. Anscheinend war es eine sehr gute Fahrt, denn als wir auf der Lastwagenbrücke mit den Bobschlitten wieder hinauf fuhren, zeigte uns Herr Caplatzi beim Horse-Shoe seine Spur mit der Bemerkung, er hätte diese Kurve wunderbar hoch und sauber erwischt, was Fischli wenig beeindruckte, denn sie sass still und krank nur einfach da! Und bis Fischli auf das Glas Champagner nach der Fahrt im Starthaus verzichtet, das bei der Übergabe des von Gunther Sachs unterzeichneten Diploms kredenzt wird, braucht es wirklich sehr viel. Also eine Erfahrung mehr mit „sporty Frieda“, wie Lexi gerne sagte!!

Von Celerina zurückgekehrt begannen wir mit der Räumung unseres Hauses in Hombrechtikon. Wenn man wie wir während 30 Jahren im eigenen Haus mit riesigem Estrich wohnt, sammelt sich allerhand an, besonders bei einem Sammler-Typ wie mir! Es bedeutet unzählige Male vom Estrich in die Garage und/oder direkt in die Mulde retour! Auf alle Fälle nahm ich fast 10 kg ab, und der Gemeindeangestellte in der Entsorgungsstelle wurde mir ein guter Bekannter, denn manch­­­mal kreuzte ich dort sogar mehrmals täglich auf! Dann musste ich im neuen Haus in Zollikon den Zugang zum Katzen-Törli zimmern und montieren, Gestelle im Keller und im Schopf montieren, dazu die Träger und Holztablare einkaufen, einpacken, Züglete organisieren usw. Es war eine hektische, aber interessante Zeit mit restlos ausgefüllten Tagen.

Weil im neuen Haus der Teppich im Untergeschoss falsch geliefert worden war, mussten wir in letzter Minute den Ablauf mit den zwei Zügelterminen austauschen. Wir mussten deshalb schon mit dem ersten Termin unser Schlafzimmer zügeln und danach zwangsläufig in Zollikon bleiben und zum Packen des zweiten Teiles jeweils nach Hombrechtikon zur „Arbeit“ fahren! Ab 23. Februar 1994 wohnten wir nun also in Zollikon, und wir geniessen seither an jedem neuen Tag die Schönheit und Weite der Aussicht auf Zürichsee und Albiskette. Als wir mit dem ersten Zügelwagen ankamen, war Pierre Zoelly mit einer Fotoequipe im Haus, um sein Architektur-Monument vor der „Zerstörung durch die Besitzer“ (Ausdruck von PZ!) noch sauber festzuhalten. Die Zügelmannen fanden übrigens, sie hätten erst einmal noch mehr Wein zügeln müssen! Daran war aber Tom Oederlin bei BALLY schuld, welcher mir anlässlich seiner Pensionierung gesagt hatte, sein Vater hätte immer gesagt, man müsste bei der Pensionierung so viel Wein im Keller haben, wie man bis ans Lebensende noch trinken könne.

Die Übergabe des Hauses in Hombrechtikon an den neuen Besitzer fand anfangs März statt, wobei dieser das wunderbar schöne Holztäfer im „Neubau“ von 1974 weiss streichen liess, was zwar schade, aber auch eine sehr interessante Wirkung hatte. Ich brachte einmal noch die Wintergartenabdeckung nach Hombrechtikon und, da die Maler noch im Haus waren, konnte ich noch einen letzten Blick in das weiss gemalte Wohnzimmer werfen. Tempi passati!

An einem schönen Märztag, am Aschermittwoch, überredete ich Fischli mit Hilfe von Lexi, mit mir in die Flumserberge Skifahren zu gehen. Es war an diesem Tag schön warm und sehr sulzig, was Fischli nicht besonders gern hat. Kurz nach dem Start zur ersten Abfahrt, an einer etwas schmalen Stelle, fuhr ein kleiner, ca. 5-jähriger Knabe von hinten in das still stehende Fischli hinein, sodass Fischli ganz langsam zu Boden ging und sich dabei den obersten Teil des Schienbeins im Kniegelenk brach. Es ging nur noch per Rettungsschlitten weiter! Orginalton Fischli: "Kurz nach der Bobbahn jetzt auch noch dies!" Fischli fragte anschliessend den Rettungsmann im vollen Ernst, ob sie nicht sitzend nach unten fahren dürfe, sie liege ungern kopfvoran in diesem Schlitten! Der Schlitten brachte sie bis Tannenboden­alp, wo wir das Auto parkiert hatten, und ca. um halb elf waren wir schon beim diensttuenden Arzt in Flums, welcher aufschrie und rief: „Aber nicht schon wieder ein Knie“, dabei eine ziemliche Alkoholfahne nach sich ziehend. Für mich durchaus verständlich, denn ich wusste ja von meinem Vater, wie wild in Flums "gefastnachtet" wird, und so sah der Arzt auch aus: Er war unrasiert, und wahrscheinlich nach dem Fastnachtsdienstags-Ball noch gar nicht im Bett gewesen. Er röntgte das Knie und vermutete aufgrund der Aufnahme einen Anriss am obersten Teil des Schienbeins, der sogenannten Eminentia. Mit einem reich gefüllten, scheinbar für alle Patienten im Voraus abgepackten, vollen Tragsack mit mehr weniger notwendigen Medikamenten, 2 grünen Krücken und dem weisen Rat, noch zu einem Spezialisten zu gehen, verliessen wir Flums.
Zuhause angekommen, setzten wir uns mit Lexis Kniespezialist im Zollikerberg in Verbindung, welcher sich das Knie ansah und auf dem Röntgenbild im Gegensatz zum fastnachtgeschädigten Arzt in Flum­s sofort und klar einen Bruch dieser Eminentia sah. Er telefonierte mit seinem Kollegen im Balgrist, wo Fischli in 30 Minuten für den Computertomographen vorgemerkt wurde! Vom Zollikerberg also direkt in die Realp „und ab in die Röhre“, wie der Arzt sich ausdrückte.
Wenn es in der Klinik Balgrist ein freies Privatpatienten-Zimmer gehabt hätte, wäre Fischli in der Klinik behalten worden. Wir mussten aber nochmals zuhause schlafen und anderntags zur Operation einrücken. Ein wunderbarer spanischer Arzt, ein Herr Dr. Gonzales, wollte eine Zugschraube montieren. Ich war zufällig da, als Dr. Gonzales Fischli das erste Mal nach der Operation in ihrem wunderbaren Eckzimmer mit Aussicht auf Stadt und See besuchte. Ich bat ihn, mir doch anhand des Röntgenbildes zu erklären, was er geschraubt habe, denn ich wäre Maschineningenieur! Dr. Gonzales antwortete, ohne eine Sekunde zu zögern mit viel Humor: „Ja und ich bin Maschinenschlosser, ich habe gebohrt und eine Zugschraube eingesetzt“.

Nach ihrer Entlassung aus dem Spital war ich für ein paar Wochen Haus­mann, was ich aber überhaupt nicht als Last empfand. Nun konnte auch ich einmal Fischli etwas verwöhnen.
Fischli musste alle paar Tage in die Physiotherapie und bekam dann zudem eine Maschine mit nach Hause, in welcher das Bein eingelegt wurde und das Knie langsam und ohne Belastung gebeugt und gestreckt wurde. Langsam wurde die Einstellung für den Beugewinkel vergrössert, und der Bewegungsablauf normalisierte sich langsam. Dr. Gonzales hatte Fischli prophezeit, dass sie ab jetzt ein Knie habe, vorher habe sie dies nie bemerkt.

Der Heilungsprozess verlief aber sehr gut, sodass sie heute ihr Knie nur noch höchst selten merkt. Übrigens war die Schraube nach einigen Wochen locker, sodass ich gern und viel im Freundeskreis erzählte, Fischli habe eine Schraube locker…. Alles war aber bereits schön zusammengewachsen, sodass man die überflüssig gewordene Schraube unter Vollnarkose wieder entfernen konnte. Fischli fragte Dr. Gonzales, ob sie die Schraube aus Titan als Souvenir behalten dürfe. Als Fischli aus der Narkose erwachte, hatte sie die Schraube in der geschlossenen Faust! Dr. Gonzales hatte sie ihr im Tiefschlaf in die Hand gedrückt...

Im Juli diesen Jahres 1994 nahmen Fischli und ich an einem Thomas Mann Symposium in Davos teil. Fischli war inzwischen fast etwas wie ein Thomas Mann Spezialist geworden; sie las fast alles von ihm und las auch viel Thomas Mann Sekundärliteratur. So war das Symposium ein grosses Erlebnis, umso mehr, als man auch Stätten besichtigte, wo er gewesen war und die er im Zauberberg beschrieben hatte.

Im Herbst arbeitete ich auf Mandatsbasis als Berater für Nuno Romao (wohl eher für André Kurz) bei GROWELA-Portuguesa in Portugal, wobei ich einmal mit André Kurz im Auto nach Portugal fuhr, eine wunderbare Fahrt mit guten Gesprächen und schöner Landschaft. André Kurz sprach später immer wieder von diesem gemeinsamen Erlebnis. Fischli kam noch für ein paar Ferientage und die Heimreise nach. Auf der Heimreise zu dritt übernachteten wir in Ciudad Rodrigo mit den vielen Störchen, wir besuchten ausgedehnt Salamanca und fuhren dann über Madrid, Zaragossa, Barcelona und Rhonetal heimwärts.

1995: Flusskreuzfahrt Moskau - Petersburg, Mitarbeit bei Robertson AG, Beginn Golf-Karriere
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8.16.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 1995: Flusskreuzfahrt Moskau - Petersburg, Mitarbeit bei Robertson AG, Beginn Golf-Karriere.

8.16 1995: Flusskreuzfahrt Moskau – Petersburg, Mitarbeit bei Robertson AG, Beginn Golf – "Karriere"

In diesem Jahr machten wir mit Brunnschweilers eine Flusskreuzfahrt von Moskau nach Petersburg, einer für uns eher fremden Welt. In Moskau beeindruckten uns vor allem der Kreml, das Lenin Mausoleum auf dem Rotem Platz und die Universität. Auf der Schiffsreise war dann aber die Natur überwältigend, besonders ein nahendes Gewitter auf einem der grossen Seen im Norden Russlands. Die Klöster waren wie in Bilderbüchern abgebildet, andrerseits wurde man immer wieder an Relikte des Stalinismus und der grausamen kommunistischen Herrschaft erinnert. Zum Schluss war St. Petersburg und Umgebung mit seinen Prachtsbauten und wunderbaren Museen absolut grossartig. Auf dem Schiff hatte uns Marina Chepkina, eine Philosophiestudentin, bedient, welche wir anschliessend für zwei Wochen Ferien zu uns einluden.

Im Jahr 1995 hatte auch ich begonnen, als Freelancer für Robertson AG zu arbeiten, zuerst als freier Berater, später für zwei Jahre auch noch als Verwaltungsrat. Andrea hatte mich mit ihrem Chef und Besitzer Gert Staengel zusammengebracht. Ich erlebte aber nach dem Umzug an den Zeltweg nur noch Ghias letzte Wochen bei Robertson, denn sie hörte dann auf zu arbeiten, da am 15. September 1996 unser erster Enkel Jan Heinzelmann auf die Welt kam.

Ferner hatte mich die seinerzeitige Reise mit Fischli in die Tschechoslowakei zu einer Kulturkreisreise in die Slovakei animiert, welche ich zusammen mit Helen Oplatka im Herbst 1995 konzipierte und mit ihr im Auto rekognoszierte. Die Beziehungen ihres Mannes, Dr. Andreas Oplatka von der Neuen Zürcher Zeitung, bis 1956 in Ungarn aufgewachsen aber oft in der Tschechoslowakei halfen uns dabei sehr. Er vermittelte uns die besten Leute, welche uns berieten und teilweise selbst Führungen übernehmen wollten.

Auf dem Golfplatz in Bubikon begannen Fischli und ich bei Ronny Levitan, einem südafrikanischen Professional, Stunden zu nehmen. Fortschritte hielten sich vor allem bei Fischli in Grenzen, obwohl sie die beste Theorieprüfung unserer Anfängerklasse abgelegt hatte.

1996: Marina Chepkina, 1. Enkel Jan Heinzelmann, Präsident KTV AH Zürcher Blase, 1. Mallorca Wanderwoche
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8.17.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 1996: Marina Chepkina, 1. Enkel Jan Heinzelmann, Präsident KTV AH Zürcher Blase, 1. Mallorca Wanderwoche.

8.17 1996: Marina Chepkina, Präsident KTV AH Zürcher Blase, 1. Mallorca Wanderwoche, Erster Enkel Jan, Finanzchef im Kulturkreis

Nach den obligaten 2 Wochen Skifahren fuhren wir im Februar zum Abschluss des zweiwöchigen Aufenthaltes von Marina Chepkina nochmals für ein paar Tage nach Celerina. Wir hatten unsere Kellnerin auf der Flussfahrt Moskau-St. Petersburg zu uns in die Ferien eingeladen. Am Schluss waren wir gar nicht mehr so sicher, ob es gut gewesen war, Marina die westliche Welt zu zeigen, die für sie absolut unerschwinglich war und in der Folge wahrscheinlich der grosse Lebenstraum bedeutete, aus Russland heraus in den Westen zu kommen.
Im Frühling diesen Jahres fand die erste von vieln nachfolgenden Mallorquiner Wanderwochen der Zürcher Blase der Altherren der Studentenverbindung KTV St. Gallen unter Führung von Wanze statt, ein voller Erfolg. Wir wohnten jeweils im Hotel Don Leon in Colonia St. Jordi, welches seinerzeit von Wanzes Bruder Hans Knopfli als Chef der Bank Leu ermöglicht wurde. Alice und Hans Knopfli haben ganz in der Nähe ein schönes, modernes Ferienhaus, und sie waren jedes Mal, wenn wir da waren, ebenfalls anwesend und waren meistens mit uns. Ich hatte Wanze seinerzeit versprochen, das Präsidium der Zürcher Blase zu übernehmen, wenn er mir weiterhin bei den Wanderanlässen zur Seite stehen würde.
Als er mir dies zusicherte, übernahm ich in diesem Jahr als Obmann die Zürcher Blase des KTV, noch ohne zu wissen, dass ich es auch nach 25 Jahren noch sein sollte!

Dann hatten wir, ebenfalls im Frühling, über Hapimag Tamdem-Tours einen einwöchigen Anfänger-Golfkurs in Mas Nou Katalonien gebucht. Auch hier waren die Fortschritte eher mässig. Vor allem Fischli war etwas frustriert, wenn ihre Bälle nicht bis auf die anvisierte Weite und nur ungefähr in die richtige Richtung flogen. Es war aber eine gute Woche und auch die Reise machte Spass.

Im Frühsommer luden wir dann Lexi und Philipp für ein paar Tage in die Toscana ein, mit Florenz, Siena, Monteriggione etc., und als Ausgleich dazu fuhren wir mit Frank und mit der hochschwangeren Ghia ein paar Tage ins Elsass.

Am 17. September kam Jan Heinzelmann zur Welt, unser erster Enkel! In den kommenden Jahren sollten sich die Ereignisse in Sachen Enkel richtiggehend überstürzen: Innerhalb von 4 ½ Jahren sollten wir 5 Enkel geschenkt bekommen, alles Buben, nach meinen Frauenhaushalten einmal etwas ganz anderes. Das Grosseltern-Dasein führte uns in einen neuen Lebensabschnitt!

Im Kulturkreis übernahm ich neben dem Ressort Reisen nach dem berufsbedingten Rücktritt von Felix Bernet auch noch das Ressort Finanzen. Wahrscheinlich habe ich während meiner beruflichen Aktivzeit zu viel über die Finänzler geschimpft, dass ich nun plötzlich auch noch für die Finanzen des Zolliker Kulturkreises verantwortlich war. Ich führte eine professionelle Struktur mit Budgetierung, einem Vergleich Effektiv zu Budget und einer sauberen Abrechnung ein. Mein Nachfolger wird es einmal wesent­lich einfacher haben, die Finanzen zu übernehmen, denn ich fand praktisch gar nichts vor! Man lebte wirklich von der Hans in den Mund.

1997: Bettmeralp/Celerina, Finca Kurz Mallorca, Cinque Terrae, Hochzeit Lexi/Philipp, Bodrum, Paris, VR Präsidium ATS Wickeltechnik
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8.18.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 1997: Bettmeralp/Celerina, Finca Kurz Mallorca, Cinque Terrae, Hochzeit Lexi/Philipp, Bodrum, Paris, VR Präsidium ATS Wickeltechnik.

8.18 1997: Bettmeralp/Celerina, Finca Kurz Mallorca, Cinque Terrae, Hochzeit Lexi/Philipp, Bodrum, Paris, VR-Präsident ATS Wickel- und Montagetechnik Würenlos. einer Maschinenfabrik

Das Neujahr verbrachten Fischli und ich bei prächtigem Skiwetter auf der Bettme­ralp im Wallis, wo wir die Familie unserer Tochter Alexa besuchten. Die Familie ihres zukünftigen Man­nes Philipp Bosshard macht dort seit Jahren Winterferien. So wie wir Engadin – minded, sind Bosshards Bettmeralp - minded, und so ist Lexi seit ein paar Jahren eben jeweils auch dort. Höhepunkt dieser Kurzferien war ein Sitzenbleiben nach dem Skifahren in Art Furrer's "Furi-Hütte" zuerst mit einem ausge­dehntem Apéritiv, dann mit einem Raclette-Essen und anschliessender Talfahrt bei Nacht im Fackelschein ins Dorf hinun­ter. Noch ein lustiges Detail: Ich hatte während dem Studium zusammen mit Alexas zukünfti­gem Schwiegervater in der ETH Mannschaft Handball gespielt.
Es ging dann gleich weiter mit 2 Wochen Skiferien in unserer kleinen Engadiner Wohnung in Celerina bei St. Moritz. Das schöne Wetter sowie die unwahrscheinlich guten Schneeverhältnisse waren beste Voraussetzungen dafür, dass Fischli zwei Jahre nach ih­rer durch einen Skiunfall bedingten Knieoperation wieder über die Pisten flitzte, wie schon lange nicht mehr. Ich war überglücklich, denn wir fahren jetzt über 35 Jahre zusammen Ski, und ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, dass ich dies allein tun müsste. Neben dem Skifahren kamen auch grosse Winterwanderungen nicht zu kurz, die Fischli so liebt.

Im März durften wir zwei Wochen das Haus von Myrtha und André Kurz, eine Finca auf Mallorca be­nutzen, die ersten drei Tage gemeinsam mit ihnen. Das umgebaute Bauernhaus mit gros­sem Garten und Swimming Pool ist ein wunderbares Feriendomizil. Wir benutzten die Ge­legenheit, weitere, uns noch unbekannte Ecken dieser ausserordentlich schönen Insel mit ihren Sehenswürdigkeiten zu entdecken.

Anschliessend fuhren wir für ein paar Tage in die Cinque Terrae zu Hanneli und Heinz Busenhardt, die dort in den Ferien weilten. Wir machten einige traumhafte Wanderungen mit atemberaubender Aussicht auf die Küste und das Meer und hatten es auch sehr lustig.

Danach wurden wir aber etwas sesshafter, zum Glück auch für Andrea. Nachdem ihr Sohn Jan im März halbjährig geworden war, begann Andrea wieder einen Tag pro Woche zu arbeiten, was zur Folge hat, dass wir als Grosseltern jeweils an diesem Tag den wilden, jungen Jan betreuen. Jan macht uns viel Freude und entwickelt sich von Woche zu Woche.

Höhepunkt des Jahres war aber am 7. Juni 1997 die Hochzeit von Lexi mit Philipp Bosshard. Ähnlich wie seinerzeit bei Ghia fand der Empfang der Hochzeitsgäste auch wieder bei uns in Haus und Garten statt, dieses Mal aber jetzt in Zollikon. Wir hatten uns eine grosse Mühe gegeben, den Garten in einen optimalen Zustand zu trimmen, was zweifellos gelungen war. Philipps Bruder und ich hatten im Garten der schlechten Wetterprognose entsprechend ein Zelt aufgestellt, das ich jedoch zusammen mit dem Bräutigam am Hoch­zeitstagmorgen um 11’00 Uhr wieder abbrach, da es darunter bei einem so wunderschönen Frühsommertag zu warm geworden wäre. Über 110 Gäste folgten der Einladung zum Empfang und zum Apéritif. Um drei Uhr bewegte sich die Gästeschar zu Fuss durchs Kleindorf zur reformierten Kirche Zollikon, wo die kirchliche Trauung stattfand. Von dort dislozierten die auch zum Abendessen geladenen Gäste dann nach Küsnacht, wo im Rosengarten des Seehof am See bei herrlichstem Wetter zu Musik von Stef Brunnschweiler und seinem Gitarrenquartett der Apéro mit Häppchen serviert wurde. Nach dem Abendessen spielte eine Life-Band, und es wurden viele gute Produktionen geboten. Wir hatten in vorsorglicher Weise 100 weisse Schirme mit dem Aufdruck 7. Juni 1997 bereitgestellt, welche die Gäste dann bei einem Gewitter um Mitternacht auf dem Heimweg sehr gut brauchen konnten.

Das Jazz Festi­val in Zollikon fand dieses Jahr im September zum zweiten Mal statt, und es sieht so aus, als ob dies eine feste Sache werden könnte. Ich beschäftigte mich als OK Mitglied intensiv mit den Finanzen. Auch hier noch ein klei­nes Detail am Rande: Leiter der Jury ist André Berner, der legendäre Begründer des frü­heren Zürcher Jazz Festivals im Kino Urban, wo ich 1953 anlässlich der zweiten Austra­gung mit unserer St. Galler Mittelschul-Jazzband die Tuba gespielt hatte.

Wir hatten in diesem Jahr Hapimag Aktien gekauft und hatten als Willkommens-geschenk 2 Wochen in der neuen, noch unausgelasteten Anlage in Bodrum in der Türkei erhalten. So erlebten wir Mitte Oktober höchst interessante Herbstferien in Bodrum, dem früheren Halikarnassos mit den Ruinen des Mausoleums, einem der sieben Weltwunder der Antike. Ein- und zweitägige Ausflüge zu den alten Griechen- und Römerstätten wie Ephesos, Priene, Milet, Didyma, Kaunos, Aphrodisias, Hierapolis, Pamukkele etc. liessen in uns die Antike wieder aufleben. Dazwischen genossen wir die türkische Küche, machten Bergwanderungen und schwammen im angenehm warmen Meer; vor allem konnten wir so den Sommer noch etwas verlängern.

Noch eine Reise stand im November auf dem Programm: Re­kognoszierung mit einer Kunsthistorikerin in Paris, wo die nächstjährige Kulturkreisreise hinführen wird. Während Fischli und ich anlässlich früherer Parisbesuche meist den uns bekannten Sehenswürdigkeiten nachgingen, sahen wir in diesen Tagen vor allem neue Parks, moderne Bauten usw. Wir mussten sogar einen neuen Stadtplan kaufen. Paris entwickelt sich unwahrscheinlich schnell!

Alexa ist nach wie vor bei Heidrick & Struggles mit Begeisterung im Executiv Search tätig, während Philipp an der Uni Zürich doktoriert und ich im (Un-) Ruhestand weiterhin als freier Partner bei Robertson As­sociates im Executiv-Search tätig bin.

Ich musste auf diesem Gebiet aber etwas kürzer treten, da ich seit Ende April als Verwaltungsratspräsident von ATS Wickel- und Montagetechnik in Würenlos, einer KMU im High - Tech - Bereich tätig bin: ATS stellt Fertigungsstrassen für elektrische Kleinmotoren her wie sie vor allem im Automobilbau verwendet werden. Kern der Anlagen sind Ankerwickelmaschinen. Der knapp bankrotte ABB Buyout war von einem kanadischen Marktleader übernommen worden und man suchte einen Schweizer, der mit Unternehmungsführung in der Schweiz, aber auch auf Distanz und dem dazu notwendigen Re­porting vertraut war, einem Gebiet, auf welchem ich bei GROWELA, dann aber vor allem bei Bally Erfahrungen sammeln durfte. Interessant, dass ich zum Schluss nach vielen Jahren Schuhindustrie wieder in einer Maschinenfabrik landete, was mir grosse Freude bereitete. Die damit zusammenhängende zeitliche Belastung war allerdings wesentlich grösser, als ich mir dies ursprünglich vorgestellt hatte, sodass dieses Jahr der Golfsport zwangsweise wieder in den Hintergrund treten musste.

Hinge­gen ruderte ich dieses Jahr mit über 1600 km einen persönlichen Rekord, aber das mache ich in der Morgendämmerung und habe dann den ganzen Tag zur freien Verfügung

Das Neujahr verbrachten Fischli und ich bei prächtigem Skiwetter auf der Bettme­ralp im Wallis, wo wir die Familie unserer Tochter Alexa besuchten. Die Familie ihres zukünftigen Man­nes Philipp Bosshard macht dort seit Jahren Winterferien. So wie wir Engadin-minded sind sind Bosshards Bettmeralp-minded, und so ist Lexi seit ein paar Jahren eben jeweils auch dort. Höhepunkt dieser Kurzferien war ein Sitzenbleiben nach dem Skifahren in Art Furrer's "Furi-Hütte" zuerst mit einem ausge­dehntem Apéritiv, dann mit einem Raclette-Essen und anschliessender Nachtabfahrt im Fackelschein ins Dorf hinun­ter. Noch ein lustiges Detail: Ich hatte während dem Studium zusammen mit Alexas zukünfti­gem Schwiegervater in der ETH Mannschaft Handball gespielt.

Es ging dann gleich weiter mit 2 Wochen Skiferien in unserer kleinen Engadiner Wohnung in Celerina bei St. Moritz. Das schöne Wetter sowie die unwahrscheinlich guten Schneeverhältnisse waren beste Voraussetzungen dafür, dass Fischli zwei Jahre nach ih­rer durch einen Skiunfall bedingten Knieoperation wieder über die Pisten flitzte, wie schon lange nicht mehr. Ich war überglücklich, denn wir fahren jetzt über 35 Jahre zusammen Ski, und ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, dass ich dies alleine tun müsste. Neben dem Skifahren kamen auch grosse Winter-wanderungen nicht zu kurz, die Fischli so liebt.

Im März durften wir zwei Wochen das Haus von Myrtha und André Kurz, eine Finca auf Mallorca be­nutzen, die ersten drei Tage gemeinsam mit ihnen. Das umgebaute Bauernhaus mit gros­sem Garten und Swimming Pool ist ein wunderbares Ferien-domizil. Wir benutzten die Ge­legenheit, weitere, uns noch unbekannte Ecken dieser ausserordentlich schönen Insel mit ihren Sehenswürdigkeiten zu entdecken.

Anschliessend fuhren wir für ein paar Tage in die Cinque Terrae zu Hanneli und Heinz Busenhardt, die dort in den Ferien weilten. Wir machten einige traumhafte Wanderungen mit atemberaubender Aussicht auf die Küste und das Meer und hatten es auch sehr lustig.

Danach wurden wir aber etwas sesshafter, zum Glück auch für Andrea. Nachdem ihr Sohn Jan im März halbjährig geworden war, begann Andrea wieder einen Tag pro Woche zu arbeiten, was zur Folge hat, dass wir als Grosseltern jeweils an diesem Tag den relativ wilden, jungen Mann betreuen. Jan macht uns viel Freude und entwickelt sich von Woche zu Woche.

Höhepunkt des Jahres war aber am 7. Juni 1997 die Hochzeit von Lexi mit Philipp Bosshard. Ähnlich wie seinerzeit bei Ghia fand der Empfang der Hochzeitsgäste auch wieder bei uns in Haus und Garten statt, dieses Mal aber jetzt in Zollikon. Wir hatten uns eine grosse Mühe gegeben, den Garten in einen optimalen Zustand zu trimmen, was zweifellos gelungen war. Philipps Bruder und ich hatten im Garten der schlechten Wetterprognose entsprechend ein Zelt aufgestellt, das ich jedoch zusammen mit dem Bräutigam am Hoch­zeitstagmorgen um 11’00 Uhr wieder abbrach, da es darunter bei einem so wunderschönen Frühsommertag zu warm geworden wäre. Über 110 Gäste folgten der Einladung zum Empfang und zum Apéritif. Um drei Uhr bewegte sich die Gästeschar zu Fuss durchs Kleindorf zur reformierten Kirche Zollikon, wo die kirchliche Trauung stattfand. Von dort dislozierten die auch zum Abendessen geladenen Gäste dann nach Küsnacht, wo bei herrlichstem Wetter am See zu Musik von Stef Brunnschweiler und seinem Gitarrenquartett im Rosengarten des Seehof der Apéro mit Häppchen serviert wurde. Nach dem Abendessen spielte eine Life-Band, und es wurden viele gute Produktionen geboten.

Wir hatten vorsorglicherweise 100 weisse Schirme mit dem Aufdruck 7. Juni 1997 bereitgestellt, die wir dann bei einem Gewitter um Mitternacht auf dem Heimweg sehr gut brauchen konnten.

Das Jazz Festi­val in Zollikon fand dieses Jahr im September zum zweiten Mal statt, und es sieht so aus als ob dies eine feste Sache werden könnte. Ich beschäftigte mich als OK Mitglied intensiv mit den Finanzen. Auch hier noch ein klei­nes Detail am Rande: Leiter der Jury ist André Berner, der legendäre Begründer des frü­heren Zürcher Jazz Festivals im Kino Urban, wo ich 1953 anlässlich der zweiten Austra­gung mit unserer St. Galler Mittelschul-Jazzband die Tuba gespielt hatte.

Wir hatten in diesem Jahr Hapimag Aktien gekauft und hatten als Willkommens-geschenk 2 Wochen in der neuen, noch unausgelasteten Anlage in Bodrum in der Türkei erhalten. So erlebten wir Mitte Oktober höchst interessante Herbstferien in Bodrum, dem früheren Halikarnassos mit den Ruinen des Mausoleums, einem der sieben Weltwunder der Antike. Ein- und zweitägige Ausflüge zu den alten Griechen-und Römerstätten wie Ephesos, Priene, Milet, Didyma, Kaunos, Aphrodisias, Hierapolis, Pamukkele etc. liessen in uns die Antike wieder aufleben. Dazwischen genossen wir die türkische Küche, machten Bergwanderungen und schwammen im angenehm warmen Meer; vor allem konnten wir so den Sommer noch etwas verlängern.

Noch eine Reise stand im November auf dem Programm: Re­kognoszierung mit einer Kunsthistorikerin in Paris, wo die nächstjährige Kulturkreisreise hinführen wird. Während Fischli und ich anlässlich früherer Parisbesuche meist den uns bekannten Sehenswürdigkeiten nachgingen, sahen wir in diesen Tagen vor allem neue Parks, moderne Bauten usw. Wir mussten sogar einen neuen Stadtplan kaufen. Paris entwickelt sich unwahrscheinlich!

Alexa ist nach wie vor bei Heidrick & Struggles mit Begeisterung im Executiv Search tätig, während Philipp an der Uni Zürich doktoriert und ich im (Un-) Ruhestand weiterhin als freier Partner bei Robertson As­sociates im Executiv-Search tätig bin. Ich musste auf diesem Gebiet aber etwas kürzer treten, da ich seit Ende April als Verwaltungsratspräsident von ATS Wickel- und Montagetechnik in Würenlos, einer KMU im High - Tech - Bereich tätig bin. Die Firma war von einem kanadischen Marktleader übernommen worden und man suchte einen Schweizer, der mit Unternehmungsführung in der Schweiz, aber auch auf Distanz und dem dazu notwendigen Re­porting vertraut war, einem Gebiet, auf welchem ich bei Growela, dann aber vor allem bei Bally Erfahrungen sammeln durfte. Die damit zusammenhängende zeitliche Belastung war allerdings grösser, als ich mir dies ursprünglich vorgestellt hatte, sodass dieses Jahr der Golfsport zwangsweise wieder in den Hintergrund treten musste. Hinge­gen ruderte ich dieses Jahr mit über 1600 km einen persönlichen Rekord, aber das mache ich in der Morgendämmerung und habe dann den ganzen Tag zur freien Verfügung
1998: Tatjana Chepkina, 2. Enkel Per Heinzelmann, Mallorca, Apulien, Paris, wieder Badhüsli, Strada Alta
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8.19.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 1998: Tatjana Chepkina, 2. Enkel Per Heinzelmann, Mallorca, Apulien, Paris, wieder Badhüsli, Strada Alta.

8.19 1998: 2. Tatjana Chepkina, Enkel Per Heinzelmann, Mallorca, Apulien, Wieder Badhüsli, Paris, Strada Alta

Das neue Jahr begann für Fischli und mich mit den obligaten 2 Wochen Skiferien in Celerina. Wieder hatten wir prächtiges Wetter, überdurchschnittlich gute Schneeverhältnisse und während der Woche praktisch wenig Leute auf Pisten und Loipen. Die ersten paar Tage hatten wir noch Tatjana Chepkina, eine junge russische Studentin aus Sankt. Petersburg bei uns, welcher wir vor dem Engadin noch Zürich und Umgebung zeigten. Tatjana ist die Schwester von Marina, die zwei Jahre früher bei uns gewesen war und welche wir auf unserer Russlandreise 1995 kennen gelernt hatten. Fischli fuhr wieder wunderbar Ski wie vor der Knieoperation. Neben dem Skifahren unternahmen wir wieder grössere Winterwanderungen, die Fischli je länger, je mehr liebt, sicher mehr, als sich nordische oder alpine Bretter unter die Füsse schnallen zu müssen.
Am 23. März, ein Tag vor Fischlis Geburtstag, kam unser zweiter Enkel Per Heinzelmann zur Welt. Damit wurde die Frauen-Dominanz in unserer Familie endgültig gebrochen. Bis zur Hochzeit unserer Töchter war das Verhältnis Frau zu Mann immer 3 : 1, mit der Vermählung von Andrea und Lexi wurde es dann ausgeglichen 3 : 3, mit der Geburt von Jan waren wir Männer das erste Mal leicht im Vorteil. Dies hätte aber mit einem Töchterchen wieder ausgeglichen werden können. Nach der Geburt von Per steht es jetzt, mindestens bis nächstes Jahr, vorläufig 3 : 5 für die Männer, allerdings nur, wenn wir unsere beiden Katzenweibchen nicht mitrechnen!

Ende März führten wir mit den Zürcher Altherren des KTV, unserer St. Galler Studentenverbindung eine zweite Wanderwoche auf Mallorca durch. Wiederum waren wir im Hotel Don Leon in Colonia Sant Jordi untergebracht und wurden im Hotel selbst, aber auch bei Picknicks auf den wunderschönen Wanderungen in den Bergen und dem Meer entlang auch wieder von Herr und Frau Hans Knopfli geradezu verwöhnt.

Fischli und ich nahmen im Mai an einer Kunstreise in Apulien der RHZ teil. Wir flogen nach Bari und waren die ersten 6 Nächte in Martina Franca stationiert. Von dort aus besuchten wir zuerst im Süden die Hafenstadt Taranto und die archaisch-griechische Siedlung Metaponto, bereits in der Basilicata, aber ebenfalls am Golf von Taranto liegend. Ein erster Höhepunkt der Reise war bereits am zweiten Tag Otranto mit der prächtigen Kathedrale und seinen Mosaiken. Auf dem Heimweg besuchten wir auch noch kurz die Kathedrale von Lecce, einer Stadt, sonst als Hochburg von Taschendieben bekannt. Am nächsten Tag waren wir in Alberobello mit seinen traditionellen Steinhäuser mit Spitzdach, den Trullis. Ein zweiter Abstecher in die Basilicata führte uns zu den Höhlenkirchen und Felswohnungen von Massafra und Matera. Auf den Spuren von Federico II fuhren wir dann nordwärts, wo uns die Kastelle von Gioia del Colle und vor allem natürlich das Castel del Monte sehr beeindruckten. Der Dom von Canosa di Puglia und die „Königin der apulischen Kathedralen“, jene von Trani, die Fassade dem Land, die Apsidenseite dem Meer zugewandt, beeindruckten uns ganz besonders. Zum Schluss besuchten wir noch den „Sporen des italienischen Stiefels“ mit dem Wallfahrtsort Monte San Angelo sowie den Ortschaften Vieste und Manfredonia, bevor wir in Bari wieder das Flugzeug zum Heimflug bestiegen.

In diesem Jahr konnten wir von Christof Zuber, dem Neffen von André Kurz, das Badhüsli im Lachner Horn für ein Jahr mieten. Ich arbeitete von 1962 bis 1977 in der GROWELA Schuhfabrik AG in Lachen (Kanton Schwyz). Dort gab es ein Wochenendhaus direkt am See. Die oberen Kader der Firma durften es an Wochenenden und in den Ferien mit ihren Familien auch benützen. Dieses Badhüsli hat einen grossen Raum mit einer bescheidenen Küchen­einrichtung, einem Cheminée und nach Süden und zum See hin auf zwei Seiten grossen Glas-Türen, die man bei schönem Wetter ganz aufmachen kann, so dass man wirklich fast im Freien lebt. Dazu kommen WC, Dusche und zwei ganz kleine Schlafzimmerchen. Es hatte seinerzeit keinen Strom und kein Telefon, aber als Seltenheit einen Gas - Kühlschrank und eine einzige, grosse Gas - Lampe. Trinkwasser musste man in Kanistern anschleppen und für Lavabos und WC mühsam Grundwasser mit einer Handpumpe in einen 200 Liter Tank im Dach des Hauses pumpen. Nachdem wir uns seinerzeit mit dem Kauf unseres Einfamilienhauses und dem späteren Umbau etwas gar viel zugemutet hatten, waren wir jahrelang sehr froh, dass wir jeweils unsere Sommerferien in diesem Häuschen am See verbringen durften.
Und eben dieses Badhüsli konnten wir jetzt mieten, architektonisch immer noch im Urzustand von 1962, jetzt aber mit Strom, TV und Trinkwasser versehen.
Für unsere Töchter war es ein wirkliches Erlebnis mit viel Nostalgie: Dort, wo sie selbst als kleine Mädchen schwim­men und mit dem Optimist segeln gelernt hatten, machten sie jetzt mit ihren eigenen Kindern Ferien, und bei schönem Wetter dort auch tageweise mit der Familie das Wochenende zu verbringen. Ich kaufte für die Buben wieder einen Optimist! Selbstverständlich durften auch grosse Familien-Zusammenführungen nicht fehlen, so, wie wir dort wie seinerzeit auch wieder ein Wochenende mit Brunnschweilers verbrachten.

Im Kulturkreis Zollikon hatten wir im August die oben bereits erwähnte Reise nach Paris mit dem Thema „Ungewohnte Sichtweisen und faszinierende Gegensätze vom Mittelalter bis zur Gegenwart“ auf dem Programm. Schwerpunkte waren dabei moderne Architektur und ein Abstecher nach Chartres, der „grüne Faden“ der Reise waren aber die Parkanlagen von Villette, Bercy, André Citroen, Jardin des Plantes und Château de Maintenon. Ich meine, dass das Reiseprogramm wirklich gut war. Die Reaktion darauf war dann auch sehr positiv. Es war auch spannend, einmal im Bus durch Paris zu fahren, da man doch sonst meistens mit der U-Bahn unterwegs ist. Es gab eine ganz neue Sichtweise.

Nach dem traditionellen KTV-Wanderwochenende im Hotel Cresta Place in Celerina im September besuchten wir anfangs Oktober kurz noch Andrea mit ihrer Familie in Cap Esterel in Südfrankreich, welche dort in den Ferien waren.

Anschliessend wanderten wir Ende Oktober zusammen mit Brunnschweilers mit Sack und Pack über die Strada Alta von Airolo bis Biasca, eine wunderbare Erfahrung, dass man auch mit wenig Gepäck, nur mit einem Rucksackversehen, in bescheidenen Herbergen absteigend und mit einfachem Essen reisen kann.

1999: Fischli Handbruch, Sizilien, 3. Enkel Fabian Bosshard, Familienferien La Madrague, Hornhaut - Transplantation, KKZ Reise Piemont, 4. Enkel Finn Heinzelmann, ATS, Badhüsli längerfristig mieten.
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8.20.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 1999: Fischli Handbruch, Sizilien, 3. Enkel Fabian Bosshard, Familienferien La Madrague, Hornhaut - Transplantation, KKZ Reise Piemont, 4. Enkel Finn Heinzelmann, ATS, Badhüsli längerfristig mieten..

8.20 1999: Fischli Handbruch, Sizilien, 3. Enkel Fabian Bosshard, Familienferien La Madrague, Hornhaut – Transplantation, KKZ Reise Piemont, 4. Enkel Finn Heinzelmann, ATS Wickel- und Montagetechnik Würenlos.

Im Januar Skiferien wie gehabt im Caflisch-Wönigli in Celerina.

Wieder zuhause, als wir anfangs Februar einmal von einem Winterspaziergang mit Lexi von der Forch heimfuhren, fragte ich Fischli, ob sie nicht auch einmal die riesige Baugrube von Goldschmidts auf dem Nachbargrundstück sehen wolle, was sie bejahte. Normalerweise besichtigte ich die Baugrube jeweils in Stiefeln mit Jan, wenn er bei uns war. Jan war ganz scharf auf Baustellen! Also fuhr ich die Weltistrasse bis zum Kehrplatz, wo Fischli ausstieg. Weil wir vorher noch kurz in Lexis Wohnung gewesen waren, hatten wir dort unsere grossen Winterschuhe ausgezogen, und Fischli hatte diese anschliessend nicht mehr richtig geschnürt. Als sie zum Auto aussteigen wollte, hatten sich die Nestel des einen Schuhs in den Schnür-Hacken des anderen Schuhs verhängt, sodass ihre zwei Füsse wir zusammengebunden waren. Sie fiel so unglücklich, dass sie sich eine Hand brach und mit Backe und Stirn auf dem Boden aufschlug. Via Notarzt verbrachten wir den Rest des Tages im Spital Neumünster im Zollikerberg, wo die Hand geröntgt und dann eingegipst wurde. Eine Zweitdiagnose von Hans Scherrer am nächsten Tag brachte das gleiche Ergebnis. So war Fischli während längerer Zeit wieder stark behindert, und ich wurde wieder einmal an meine Pflichten als Hausmann erinnert.

In der zweiten Hälfte März hatten wir uns bei der Reisehochschule Zürich für eine Kunstreise „Primavera in Sicilia angemeldet. Nach Apulien im letzten Jahr ging damit ein weiterer, lang gehegter Traum in von Fischli und mir Erfüllung. Wir hatten wieder die gleiche hervorragende Reiseleiterin wie im Vorjahr in Apulien, und wieder waren wir von der Reise begeistert. Einzig das Wetter spielte nur teilweise mit. Denn entgegen dem Titel der Reise war es meistens sehr kalt und es regnete praktisch immer. Ich hatte zwar nach der Reise mit Aetna-Fotos viel Erfolg, allerdings nicht vom rauchenden Vulkan-Gipfel, dafür aber von süditalienischen Schneepflügen in voller Aktion. Den Gipfel sahen wir leider nur einziges Mal, und zwar an einem der drei einzigen schö­nen Tage aber nur von Weitem von der Mitte der Insel aus.

Nach Ostern führten wir mit den Zürcher Altherren des KTV eine dritte Wanderwoche auf Mallorca durch. Wiederum waren wir im Hotel Don Leon in Colonia St. Jordi untergebracht und wurden im Hotel selbst, aber auch bei Picknicks auf den Wanderungen in den Bergen und dem Meer entlang verwöhnt.

Am 4. Mai bekamen nun auch Lexi und Philipp Nachwuchs: Als dritter Enkel wurde Fabian geboren, die Mutter zwar arg strapaziert, das Kind aber „gsund und grad“, wie mein Vater jeweils zu sagen pflegte. Lexi erholte sich in ihrem Glück und mit ihrer Sportlichkeit wieder relativ schnell. Nun wussten wir also, wie die zweite Sorte Enkel aussah! Lexi und Philipp wohnen neu in der Forch, also nur einen Katzensprung von uns weg. Dadurch schaute Lexi öfters mit dem Kleinen bei uns herein. Und da Andrea wieder ein Tag pro Woche arbeitete, waren ihre beiden Buben auch öfters bei uns, wobei sich Jan bereits als grosse Hilfe des Grossvaters im Garten auszeichnete. Der Garten eignete sich auch gut für Sommerfreuden zuhause: Wir hatten ein kleines, aufblasbares Bassin gekauft, worin sich die beiden älteren Buben austoben konnten. Auf Drängen der Töchter wurde auch noch ein Sandhaufen eingerichtet. Infolge sehr strenger Regeln der Grossmutter für dessen Benützung (Kein Ein und Aus im Haus mit all dem Sand an Händen, Füssen und in den Kleidernl!) war dem Sandhaufen eher weniger Erfolg beschieden.

Im September 1999 hatten wir einen neuen Versuch mit Familienferien gewagt. Wir mieteten während zwei Wochen zwei 3-Zimmer Wohnungen von Hapimag in der Anlage La Madrague in Südfrankreich (in der Nähe von Bagnol, La Ciotat und Cassis) östlich von Marseille: Eine Wohnung für Heinzelmanns, und eine für uns, zusammen mit Bosshards mit dem halbjährigen Fabian im Wonnealter. Ich meine, der Versuch darf als erfolgreich in die Familiengeschichte eingehen, auch wenn die Anlage mit ihren vielen Treppen nicht gerade als besonders kinderwagen-freundlich bezeichnet werden kann. Mit den beiden grossen, geschützten Terrassen nebeneinander konnten wir aber jeweils grosse Gelage durchführen. Schöne Wanderungen, Besuche bei Rebbauern, viel Baden und ein paar Mal Essen auswärts bleiben gut in der Erinnerung. Die Bewegungsfreiheit Heinzelmanns war etwas eingeschränkt, da Andrea wieder schwanger war. Nach der Rückkehr kam dann schon bald am 31. Okto­ber Finn als vierter Enkel zur Welt.

Im Herbst 1999 hatte ich das Gefühl, kurz nachdem ich eine neue Brille gekauft hatte, dass ich damit nicht mehr gut sehe und ging reklamieren. Der Optiker meinte, es sei wirklich so, ich sehe viel schlechter, er könne mir aber nicht helfen, ich müsse zu einem Augenarzt zur Untersuchung, worauf ich mich bei Hans Gruber anmeldete, den wir bei Schreiers kennen gelernt hatten. Dieser stellte eine Hornhauterkrankung und damit eine Veränderung der Hornhaut fest, welche praktisch nur mit einer Hornhaut - Transplantation korrigiert werden könne. Das sei eine Geduld heischende und langwierige Angelegenheit, die sicher 1 bis 1 ½ Jahre dauere. Leider wechselte gerade an Neujahr der Professor an der Universitätsklinik Zürich, sodass Hans Gruber vorschlug, erst im Februar zu entscheiden, was wir tun wollten, ob im Uni Spital bei einem neuen Professor oder dann bei einem Privatarzt im Hirslanden, den er kenne, den er aber aus persönlichen Gründen nicht unbedingt empfehlen wolle. Die Operation wurde dann auf den Juli 2000 bei Prof. Dr. Dr. Seiler im Universitätsspital Zürich vorgesehen und am 27. Juli durchgeführt. Es war ein etwas archaisches Spitalerlebnis mit einem dreiseitigen Brief an Prof. Seiler, in welchem ich ihm meine teilweise wirklich schlimmen Erlebnisse in seiner Klinik mitteilte. Nach der Operation machten wir fast täglich grössere und kleinere Spaziergänge, verschiedentlich ins Küsnach­ter-Tobel, zu Fuss von zuhause aus, mit Ausstieg über die KEK, dann Ausstieg über Badi Zumikon und zu guter Letzt zu Lexi in die Forch, wobei sie uns dann heimchauffierte!

Die Reise des Kulturkreises im Oktober lief unter dem Titel „KK im Piemont“, wobei KK nichts mit Kaiserlich - Königlich zu tun hat, sondern „Kunst und Küche" bedeutete. Die Nachfrage war enorm. Wir hatten schon kurz nach der Ausschreibung zwei Reisen mit 28 Personen ausgebucht, ja es bestand sogar eine Warteliste. Als Reiseleiterin konnte ich Frau Prof. Dr. Steinhoff gewinnen, welche Fischli und ich von unseren Reisen in Apulien und in Sizilien her kannten.

In der Nacht vom 30. auf den 31. Oktober standen nachts um halb vier plötzlich An­drea und Frank bei uns am Bett, sagten, sie hätten ihre beiden Buben Jan und Per bei uns schlafend bereits ins Bett gebracht und verabschiedeten sich dann für die Geburt ins Spital. Am Nachmittag wurde dann unser vierter Enkel und Heinzelmanns dritter Bub namens Finn geboren, wiederum „gsund und grad“, was ja nicht selbstverständlich ist. Die beiden Buben blieben dann während dem Spitalaufenthalt von Andrea eine Woche bei uns und forderten uns echt! Wir wissen heute etwas besser, warum „man/frau“ Kinder in jungen Jahren hat. Nerven und Biceps sind in diesem Fall viel wichtiger als Erfahrung und Weisheit!!!

Nachdem Lexi nach Fabians Geburt ein halbes Jahr Urlaub genom­men hatte, begann sie anfangs November wieder zwei Tage pro Woche bei Heidrick & Struggles zu arbeiten, wobei sie aber im neuen Jahr einen Stellenwechsel plant. Fischli und ich hüten seither alle zwei Wochen an diesen zwei Tagen Fabian. In der anderen Woche ist Fabian bei den andern Grosseltern im Grüt (Wetzikon). Für Philipp geht die Studentenzeit abrupt zu Ende. Er ist mit seiner Dissertation in den letzten Zügen und hat praktisch per sofort und für alle überraschend eine 100% Assistentenstelle am Institut für medizinische Mikrobiologie der Universität Zürich angenommen und nimmt am 3. Januar 2000 das Berufsleben auf. Im März benötigt er dann noch unbezahlten Urlaub für gewisse Abschlussarbeiten an der Dissertation und die Doktorprüfungen.

Frank hat anfangs Jahr von Diebold zu Systor AG gewechselt und sich gut eingelebt. Seine Arbeitstage wurden schnell wieder sehr lang, was (wenigstens für mich) ein gutes Zeichen ist! Andrea pausiert beruflich zwangs­weise mit ihren drei Buben.

Meine Tätigkeit als Verwaltungsratspräsident bei der ATS Wickel- und Montage-technik macht mir weiterhin viel Freude. Es ist sehr befriedigend, die früher im Berufsleben gemachten Erfahrungen in der Unternehmungsführung und –kontrolle einzubringen und mit Rat und Tat dem operativen Management beizustehen. Hingegen habe ich per Ende Jahr ein anderes Verwaltungsratsmandat bei einer sich in schottischem Besitz befindlichen Firma für Re-Engineering von Gasturbinen nach 1 ½ Jahren Mitwirkung wieder abgegeben, weil ich mit deren Geschäfts-gebaren nicht mehr identifizieren konnte.

An Weihnachten 1999 orientierte ich zufällig die Grossfamilie, dass Dr. Christof Zuber, der Neffe von André Kurz, in Zollikon gebaut habe. Daher kam die Frage auf, ob eventuell dadurch das Badhüsli zu kaufen wäre. Ich fragte Zuber sehr direkt und erhielt eine negative Antwort. Nach 2 Wochen schrieb er mir aber, dass ihm meine Anfrage keine Ruhe lasse und er sich vorstellen könnte, das Badhüsli längerfristig zu vermieten. So packten wir die Gelegenheit beim Schopf und ich handelte aus, das Badhüsli nicht nur für ein Jahr, sondern für die zwei Jahre 2000 und 2001 zu mieten. Wir legten keine Miete fest, sondern wir unterzeichneten eine Vereinbarung, dass er mir einfach alle eingehenden Rechnungen für Baurechtszins und Unterhalt zur Begleichung senden wird. Einzig bei strategisch wichtigen Reparaturen müssten wir zusammen sprechen, wobei er im Prinzip diese übernehmen würde. Das Haus kann leider nur im Sommer oder wenn es warm ist, gebraucht werden, da es für den Winter nicht isoliert ist und ausser dem Cheminée keine Heizung hat. Dadurch sind die Kosten pro benutzten Tag schon extrem teuer, aber wir mieteten es ja weniger für Fischli und mich, sondern für unsere Töchter mit ihren Familien, die vorläufig in Wohnblocks hausen.
Jan scheint etwas unfallgefährdet zu sein! Er hatte sich schon als ganz kleiner Bub einmal den Arm gebrochen und jetzt, an Weihnachten hat er sich bei uns eine obere Schaufel herausgeschlagen, während die andere Schaufel nur noch ganz schief im Zahnfleisch hing. Ich fühlte mich mitschuldig, da ich mit ihm gespielt hatte und er meinte, ich würde ihn halten. Via Notfallarzt setzten wir die Zähne dann wieder erfolgreich ein, wobei Jan ein Jahr später die eine Schaufel nochmals, jetzt aber definitiv herausschlugIm Januar Skiferien wie gehabt im Caflisch-Wönigli in Celerina.

2000: Milleniums-Party, Celerina, Provence, KKZ Augsburg, KTV Schottland, 1. Jahr Badhüsli, Promotion Philipp, Elbfahrt
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8.21.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 2000: Milleniums-Party, Celerina, Provence, KKZ Augsburg, KTV Schottland, 1. Jahr Badhüsli, Promotion Philipp, Elbfahrt.

8.21 2000: Milleniums-Sylvester-Party, Celerina, 2 x Provence, KTV Schottland, Promotion Philipp, Elbfahrt, Tod Andreas Rupp

Das Jahr begann „quite unusual“ mit einer grossen Milleniums-Sylvester-Party in Winterthur, die mein Göttibub Stef Brunnschweiler mit einem Kollegen organisiert hatte. Dort waren wir mit seinen Eltern und einem dritten, befreundeten Ehepaar die Oldies, schön an einem „Alten-Tisch“ gruppiert, nahe beim Buffet und weit weg von der Musik (!). Solange „nur“ ein Pianist zum Apéro und Essen spielte, hatten wir es sehr kurzweilig mit guten Gesprächen. Es war herrlich, den vielen jungen Leuten zuzusehen, auf die heutige, moderne Art festlich gekleidet, fröhlich und völlig ungeniert. Wir Oldies wurden als originelles Zugemüse zum Fest durchaus toleriert. Gegen Mitternacht begann dann aber ein Disc-Jockey erbarmungslos unsere Trommelfelle zu bearbeiten, Flugzeugtriebwerke sind ein Säuseln gegenüber dem, was uns hier zugemutet wurde! Wir konnten kein Wort mehr miteinander reden, auch wenn wir schrien, so hart und laut war der Disco-Sound auch bei uns zuhinterst im Saal. Glücklicherweise konnten wir uns ohne Aufsehen sehr bald für den Jahreswechsel ins Freie begeben, wo es trotz dem Lärm im Saal sogar noch möglich war, die Kirchenglocken zu hören und uns gegenseitig das Neujahr anzuwünschen. Dies alles machte es uns Oldies leichter, sich zu einem relativ frühen Abgang nach Hause zu entscheiden, so dass wir Neujahr ohne Kater feiern konnten.

Für einmal fuhren wir dann ausnahmsweise erst die zweite Hälfte Januar nach Celerina in die Skiferien. Hervorragende Schneeverhältnisse machten das Engadin zum wirklichen Bilderbuch. Wir freuten uns an neu gekauften Carving Skis und unternahmen wiederum grössere Spaziergänge auf tief verschneiten Wanderwegen; nur der Langlauf kam dieses Jahr eindeutig zu kurz. Nachdem Fabian bereits über die Festtage mit der Bosshard Familie auf der Bettmeralp im Wallis Winterferien genossen hatte, kam er mit seiner Mutter Lexi ein paar Tage zu Besuch zu uns. Und gleich beim ersten Mal im Engadin wurde er auf dem Schlitten auf Grossmamas Lieblingsspaziergang ins Val Roseg gezogen, da musste er einfach durch, obwohl er vom legendären Dessertbuffet noch gar nicht profitieren kann!

Nach Ostern fuhren Fischli und ich für ein paar Tage in die Provence, wo wir einerseits wieder einmal Altbekanntes wie Orange, Sénanque und Les Beaux besuchten, aber auch auf den Spuren von Peter Mayle Neues entdeckten. Wir trafen unsere Freunde Myrtha und André Kurz, welche auf der Heimfahrt von Mallorca in St. Rémy en Provence eine Pause einlegten. Wir hatten schon immer so viele Bilder von grossen Lavendelfelder in der Blütezeit gesehen, noch nie aber in natura. Wir beschlossen, dieses Jahr während der Lavendel-Blüte nochmals hinzufahren. Und das taten wir dann auch Ende Juni: Wir fuhren für einmal nicht auf der "Route du Vin" sondern auf der "Route de la Lavende" in der Haute Provence und sind glücklich, jetzt das „Lavendel-Feeling“ zu kennen; es ist wirklich für Auge und Nase beeindruckend. Zusätzlich besuchten wir dann als Zugabe noch den "Canion de Verdon".

Während einer Ferienwoche von Lexi und Philipp im Mai hüteten wir zuerst fast eine Woche lang Fabian. Dann fuhren wir auf die Kunstreise des Kulturkreises Zollikon nach Augs­burg und Umgebung. Dom und Rathaus in Augsburg beeindruckten uns sehr, aber auch die Geschichte und die Bauten der Fugger, deren Spuren nicht zu übersehen waren. Barockkirchen in der Umgebung rundeten das Bild ab.

Nach ein paar Tagen Ruhe war Ende Mai eine KTV-Wanderwoche in Schottland angesagt, die Havas mit seiner schottischen Frau Lindsay aus Sterling organisiert hatten. Wir flogen nach Edinburgh und reisten per Bus weiter in den Nordwesten von Schottland, wo wir im Hotel „The Moorings“ bei Fort William am Fuss des Ben Nevis, dem höchsten Berg Grossbritanniens stationiert waren. Ein ausgewogene Mischung zwischen wunderschönen Wanderungen auf „Bens und in Glens“ in einer teilweise noch wirklich heilen Natur mit den vielen Schafherden und touristischen Exkursionen mit Bus und Fähre über weite Teile des Festlandes und der Inseln des Nordwestens bescherte uns eine sehr abwechs­lungsreiche und intensive Ferienwoche. Intensiv vor allem infolge der langen Abende mit gestifteten Apéros, guten Nachtessen und anschliessenden Whisky Degustationen.

Der Sommer brachte dann viel Freude mit dem „Badhüsli“ im Lachner Horn. Vor allem für die Kinder ist es herrlich, am See oder im Sandhaufen zu spielen, und die Eltern haben dadurch viel Zeit für sich selber. Für die Kinder ist im Notfall auch noch ein Zelt da, wenn einmal die ganz grosse Familie hier übernachten will. Kurz, wir hatten diesen Sommer dort am See manch schönes, nostalgisches Fest en famille und im Freundeskreis.

Dann ging das Kapitel Ausbildung unserer Töchter und Schwiegersöhne definitiv zu Ende, als wir am 30. Juni zur Promotionsfeier von Philipp an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich mit anschliessendem Apéro eingeladen waren. Mit Schmunzeln sagten wir zusammen mit Philipps Eltern, dass bei so viel akademischer Würde unserer Kinder und jetzt als i-Punkt nach dem Doktorat von Philipp eigentlich nur noch die Verleihung eines Nobelpreises eine Steigerung bedeuten würde.

Fischli und ich hatten uns im Oktober für eine Elbe-Flussschifffahrt angemeldet. So flogen wir Mitte Oktober nach Berlin, und waren von der Kurzvisite dieser Stadt mit Stadtrundfahrt, Besuch in Potsdam und bei den Berliner Philharmonikern begeistert. Hierher werden wir sicher nochmals zurückkommen. Von Berlin aus reisten wir mit dem Bus nach Magdeburg. Dort schifften wir uns auf der Clara Schumann ein. Die Flussschiffahrt war ein grandioses Erlebnis, mit vor allem auf der ersten Hälfte „Natur Pur“. Über Dessau, Wittenberg, Meissen, Dresden und dann durch das Erzgebirge und die sächsische Schweiz tuckerten wir bis fast nach Prag in Tschechien. Gut geführte Exkursionen bei herrlichstem Herbstwetter machten die Reise sehr abwechslungsreich. Nach einem Kurzaufenthalt in Prag, welches wir schon einmal besucht hatten, uns aber auch wieder sehr beeindruckte, flogen wir dann wieder nach Hause. Alles in Allem eine Reise eher der ruhigen Art, ohne Hektik, und ohne Auto!

Mit unseren 4 Enkeln sind wir oft ganz schön beschäftigt, denn beide Töchter haben anfangs Jahr tageweise wieder die Arbeit aufgenommen: Andrea einen Tag und Lexi zwei Tage pro Woche. Nachdem wir früher jeweils Andreas ältesten Sohn Jan hüteten, hatte sie jetzt für ihre drei Buben in ihrem Dorf Uitikon eine eigene Hüteorganisation aufgezogen. Hingegen setzte Lexi weiter voll auf uns. Alle zwei Wochen ist seither ihr Sohn Fabian Montag und Dienstag bei uns. In der anderen Woche hüten jeweils die Eltern von Philipp.

Anfangs Dezember trugen wir meiner Schwester Dorlis jüngsten Sohn Andreas Rupp zu Grabe, der im Taminatal auf der Hochwildjagd über einen Felskopf abgestürzt war. Es ist schon sehr traurig, wenn ein Mensch in voller Aktivität und erst 49 Jahre alt aus dem Leben gerissen wird. Er hatte ursprünglich Jurisprudenz studiert, war dann aber Berufsoffizier geworden, inzwischen Oberst im Generalstab. Als Milizoffizier kommandierte er ein Infanterieregiment, und als Berufsoffizier war er Kommandant der Infanterieschulen St. Gallen / Herisau. Auf den 1. Januar 2001 wäre er als Stabschef und Inspektor ins Bundesamt für Kampftruppen berufen worden, was ein ausgezeichnetes Sprungbrett für eine weitere Beförderung gewesen wäre. Es war vor allem traurig für meine Schwester mit 79 und meinen Schwager mit 82 Jahren, ihren jüngsten Sohn mit 49 Jahren zu verlieren.

Im Dezember 2000 wollte Lexi noch vor dem Geburtsurlaub für ihr zweites Kind verschiedene Arbeiten bei ihr im Geschäft abschliessen, und auch Jan war einmal ein paar Tage bei uns, sodass wir vermehrt Enkel hüteten und wie im Sommer wieder öfters mit ihnen spazieren gingen.
Urplötzlich tat mir jeweils nach ca. 30 Minuten der linke Halux stark weh. Natürlich wunderte ich mich schon seit Jahren, dass meine Halux nicht schmerzten, obwohl meine Füsse schlimm und krank aussahen. Und da ich wusste, dass es nicht gut für die Struktur ist, wenn man Schmerzen beim Gehen nicht auskorrigiert, meldete ich mich für nach Neujahr zu Hans Scherrer an

2001: Celerina Januar und März mit Jan, 5. Enkel Nils Bosshard, Haluxop. HR, Frank selbständig, Hornhaut - Krümmung durch Linse korrigieren, Besuch bei Kriegs in Altea Spanien
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8.22.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 2001: Celerina Januar und März mit Jan, 5. Enkel Nils Bosshard, Haluxop. HR, Frank selbständig, Hornhaut - Krümmung durch Linse korrigieren, Besuch bei Kriegs in Altea Spanien.

8.22 2001: Celerina Januar und März mit Jan, 5. Enkel Nils Bosshard, Halux-OP HR, Besuch bei Kriegs in Altea Spanien

Das Jahr begann mit dem Arztbesuch bei Hans Scherrer. Nach dem Röntgen gab es für ihn nur einen Rat: So schnell wie möglich beide Haluxgelenke operieren, denn derjenige Fuss, der noch nicht schmerze, sei genau gleich schlimm dran wie der andere, und es sei ein Wunder, dass ich nicht viel grössere Schmerzen hätte. Wir verabredeten, nach Konsultation des Kalenders, die Füsse im März in der Klinik Hirslanden operieren zu lassen. Das bedeutete, dass wir die Teilnahmen an Philipp Brunnschweilers Hochzeit und an der KTV Wanderwoche Mallorca absagen mussten.

In den anschliessenden Januar-Ferien in Celerina befolgte ich Hans Scherrers Rat, keinen Langlauf zu betreiben, aber so viel wie möglich zu wandern, und zum Wandern und Skifahren einfach Voltaren zu schlucken. Auf der Fahrt ins Engadin besuchten wir unsere Freunde Emily und John Heim in Klosters, ehemals Chef von Bally USA.

Am 17. Februar kam als 5. und letzter (?) Enkelbub Nils Bosshard zur Welt. Während dem Spitalaufenthalt von Lexi und Nils wohnten Philipp und Fabian während einer Woche bei uns.

Im März waren Fischli und ich noch mit Jan eine Woche im Engadin. Jan machte seine ersten, noch nicht allzu erfolgreichen Versuche auf Ski. Wir mussten ihn wieder aus der Skischule nehmen, da er mit seinen 3 ½ Jahren noch nicht reif genug dafür war. Wir konnten aber viel schlitteln und spazieren, und es war trotzdem eine lustige Woche! Auf der Hinfahrt hatten wir von Thusis bis Samaden auf die Bahn verladen, da Jan Passfahrten nicht gut verträgt. Und das war für ihn ein grosser Spass: Er hatte riesig Freude, jeweils in den engen Kurven aus dem Fenster einmal links und ein anderes Mal rechts hinten unser Auto auf dem hintersten Wagen zu sehen.

Nach Hause zurückgekehrt war meine Halux-OP durch Hans Scherrer fällig, assistiert vom Bruder der verstorbenen Schauspielerin Romy Schneider am 16. März 2001. Hans riet mir, nach meiner Entlassung aus dem Spital so viel wie möglich daheim Therapie zu machen, genau jene Übungen, die mir die Physiotherapeutin einmal pro Woche zeigen würde. Das tat ich, und wirklich, die Erholung gedieh vorzüglich: 5 ½  Wochen nach der Operation wanderten wir im Engadin schon wieder gegen 4 Stunden.

In diesem Frühling 2001 machte sich Andreas Mann Frank als M & A Spezialist selbständig. Ich hatte ihn immer, seit wir uns kannten, so etwas wie „coachen“ dürfen, d.h. er kam periodisch zu beruflichen Problemen meine Meinung fragen. Als ihm nach dem Selbständig werden zwei relativ sicher geglaubte, grössere Aufträge entgangen waren, hatte ich wieder ein solches „geschäftliches“ Gespräch mit ihm. Ich riet ihm, niedrigere Honorare, dafür aber das Recht zu verlangen, den Kunden als Referenz angeben zu dürfen. Zusätzlich riet ich ihm, ja nicht mit dem eben neu gekauften Jaguar Kunden zu besuchen, da dies ihm als Jungunternehmer ein zu neureiches, leicht verschwenderisches Image gäbe, was im Moment für den Aufbau seiner Firma wirklich nicht gut wäre. Es sollte leider unser letztes Gespräch sein, denn er kam nachher nie mehr zu mir. Auf meine spätere Frage an Andrea, warum Frank nie mehr komme, sagte mir Andrea, Frank hätte er ihr gesagt, ich käme jetzt nicht mehr draus und wäre zu weit weg von der Realtät….

Die Kulturkreisreise in die Emilia Romagna im Mai, eine Reise mit Fischli ins Burgund und über die Auvergne in die Provence sowie nochmals eine Woche Wandern im herbstlichen Engadin waren weitere Stationen dieses Jahr.

Im Spätsommer 2001 konnte Professor Seiler dann endlich die Fäden an der Hornhaut ziehen. Er stellte eine relativ schwache Hornhautkrümmung fest, die von der Spannung der eingenähten Hornhaut herrührten. Er wollte diese mit zwei kleinen, tangentialen Schnitten korrigieren. Nach einer ersten, sehr erfolgreichen Korrektur wollte er noch eine weitere Verbesserung und machte nochmals zwei kleine Schnitte in die neue Hornhaut, höchst wahrscheinlich etwas zu schnell nach der ersten Korrektur. Leider kippte die Spannung jetzt auf die andere Seite, so dass jetzt die Krümmung sehr unregelmässig war und ich wieder viel schlechter sah. Scheinbar konnte die Hornhaut aber jetzt nicht mehr korrigiert werden. Darauf riet mir Dr. Gruber,es mit Kontaktlinsen zu versuchen. Dann versuchte ich es gleichzeitig mit einer „second opinion“ von Dr. Reinhard Rüesch (Auch er KTVer als v/o Audax), Chefarzt an der Augenklinik des Kantonsspitals St. Gallen. Resultat: Er findet es gut, dass zuerst die Versuche mit den Kontaktlinsen gemacht werden. Falls dies aber nichts bringe, würde er nochmals operieren. Nun hatte ich also zwei gegensätzliche Meinungen und die Versuche mit den Kontaktlinsen brachten nichts. Schlussendlich operierte mich Dr. Häfliger in der Vista Klinik in Binningen doch nochmals, wohin mich Dr. Hans Gruber geschickt hatte: Da er zudem einen beginnenden grauen Star diagnostizierte, schlug er vor, die neue Linse so anzufertigen, dass sie den Hornhautfehler optisch kompensieren sollte. Dies gelang schliesslich und ich hatte wieder Ruhe mit den Augen, mindestens vorläufig. Er meinte zum Schluss, es gäbe nur ein kleines Problem: Wenn sich die künstliche Linse allenfalls leicht drehen sollte, wäre dies dann für die Optik ganz schlecht! Und dies sollte sich dann wirklich viel später auch einstellen...

Im November 2001 fuhren wir für 10 Tage nach Altea bei Alicante zu Dorli und Walo Krieg nach Südspanien. Golf war angesagt! Walo meinte, der Golf-Pro dort würde Fischli das Golfspielen sicher beibringen! Infolge himmeltraurigen Wetters mit Schneesturm, Wind und Regen war der Golfplatz aber mehrheitlich gesperrt, und wir konnten nur wenig spielen. Fischli nahm bei jenem Pro noch einmal Stunden. Sie meinte aber danach, dass der Pro ein sehr schöner Mann sei, dass es mit Golf jetzt wohl endgültig sei! Das war jetzt das definitive Ende unserer Golf-Karrieren, denn auch ich hörte damit auf: Ich brauchte neben dem Rudern nicht noch einen Sport, den ich nur allein treiben konnte. Wir hatten zusammen aber trotzdem eine kurzweilige Woche, wobei noch eine Freundin von Kriegs aus München zu Besuch war, die uns den wunderbaren Spruch lehrte:
"Wenn die Versuchung naht, muss die Sünde greifbar sein"!

2002: Celerina im Januar, März und Juli mit Jan, KTV Mallorca, Gartenreise Yorkshire, KKZ Ungarn, Neapel/Amalfi mit Br, Trennung Andrea/Frank
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8.23.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 2002: Celerina im Januar, März und Juli mit Jan, KTV Mallorca, Gartenreise Yorkshire, KKZ Ungarn, Neapel/Amalfi mit Br, Trennung Andrea/Frank.

8.23 2002: Celerina im Januar, März und August mit Jan, KTV Mallorca, Gartenreise Yorkshire, KKZ Ungarn, Neapel/Amalfi mit Br, Trennung Andrea/Frank

Auch dieses Jahr begann wie immer mit den 2 obligaten Wochen Celerina, dieses Mal ganz ohne natürlichen Schnee. Es war zwar bitterkalt, sodass Tag und Nacht die Schneekanonen laufen konnten. Mit dem Kunstschnee hatte man die Langlauf-Loipen wie weisse Schneebänder in die Landschaft gelegt, während es bei den alpinen Skipisten etwas natürlicher aussah, da rundherum in den Bergen natürlich alles schon weiss war. Jemand sagte uns nach unserer Ankunft, die Pisten seien sehr hart. Da wir dies nicht haben müssen begnügten wir uns mit wunderschönen Wanderungen, teilweise auch durch die schlimmsten Lawinenhänge, wo man normalerweise im Winter nie wandern kann. Erst als Lexi und Philipp am Wochenende hoch kamen, wollten sie natürlich Skifahren. Abends kamen sie nach Hause und zeigten uns den Finger! Die Pisten waren hervorragend präpariert. Es wäre wunderschön, reiner künstlicher Pulverschnee. Von da weg fuhren wir dann wie wild Ski, und ich hätte nie geglaubt, dass man ein ganzes Skigebiet von dieser Grösse praktisch mit Kunstschnee so hervorragend präparieren kann.

Während Ghia im Februar 2002 mit den beiden grösseren Buben im Engadin war, hüteten wir und Selin Finn, den Kleinsten. Im März fuhren wir dann nochmals wie im Vorjahr mit Jan nach Celerina. Dieser hatte jetzt bezüglich Skifahren "den Knopf aufgemacht" und fuhr in der Skischule schon ganz ordentlich. Vor dem VOLG passierte mir das mit dem „A-Loch“. Ein Deutscher hatte so parkiert, dass ich nur nach mehrmaligem Sägen den Parkplatz verlassen konnte. Während dem Manöver entfuhr mir ein wütendes: „So ein A-Loch“! Jan wiederholte anschliessend dieses Wort genüsslich immer wieder und in verschiedenen Tonlagen. Zuhause durfte er auf Anraten der Mutter das Wort nochmals in die WC-Schüssel sagen und dann hinunterspülen. Damit war die Angelegenheit scheinbar erledigt und Jan hatte das Wort vergessen, bis sein Vater etwa 3 Monate später einmal beim Autofahren über jemanden fluchte und Jan auf dem Hintersitz sofort sagte: „Gell Papi, das isch jetzt es A-Loch“!

Im April 2002 war wieder eine der legendären KTV-Wanderwochen auf Mallorca im Hotel Don Leon in Colonia San Jordi.
Anfangs Mai rekognoszierte ich zusammen mit Helen und Andreas Oplatka in Oesterreich / Ungarn für den Kulturkreis,
und Ende Mai fuhren wir ein erstes Mal mit Barbara Scalabrin nach England auf eine Gartenreise im Yorkshire, welche uns viel Freude bereitete, umso mehr als Myrtha und André Kurz sowie Ruth und Franz Hagen auch dabei war.

Im Juli benutzten wir für ein paar Tage das Badhüsli, und im August fuhren wir für eine Woche mit Jan ins Engadin zum Wandern. Jan war schon sehr gut zu Fuss und machte ohne Wimpernzucken die Wanderung mit von Corviglia über die Chamanna Saluver nach Marguns, und nach dem Essen noch hinunter nach Celerina. Andrea und Finn besuchten uns im Engadin für zwei Tage. Wir machten einen schönen Spaziergang zum Morteratsch - Gletscher, wobei Andrea nicht bis zum Gletscher mitkam, Jan aber grosse Freude zeigte, einen Gletscher von nahe gesehen und darauf gestanden zu haben. Andrea erzählte uns bei diesem Besuch etwas von Schwierigkeiten mit Frank, aber nicht so, dass wir uns ernsthafte Sorgen hätten machen müssen. Uns gefiel schon seit längerem die etwas laute Art nicht besonders, wie sie miteinander umgingen, Wir dachten dann aber, das wäre jetzt vielleicht einfach die moderne Art des Zusammenlebens. 

Umso bestürzter waren wir, kaum zu Hause, als Frank von zuhause auszog, drei Tage nach dem 10-jährigen Hochzeitstag...

Im September 2002 fand dann die Kulturkreisreise „Auf Haydns Spuren“ im Burgenland/Ungarn statt. Die Reise machte viel Freude, vor allem die Haydn Oper in Eisenstadt und das Klavierrezital im Esterhazy Schloss von… . Mit dabei waren dieses Mal auch Gremlis, Oeschgers und Rohners.

Und nochmals ging es dieses Jahr auf die Reise: Zusammen mit Brunnschweilers besuchten wir Neapel – Amalfi, eine prächtige RHZ-Reise mit der Stadt Neapel, dem Vesuv, Pompeij, dann Capri und der Costa Amalfitana bis nach Paestum. Auf dieser Reise lernten wir als äusserst kompetenten und liebenswerten Reiseleiter Timo Gold­mann kennen, den ich nachher auch für die Reisen des Kulturkreises Zollikon engagierte.

Und dann mussten wir 2002 die ersten Familien-Weihnachten ohne Frank feiern. Es war fast wie in den letzten 10 Jahren, und trotzdem schwang bei Fischli und mir immer etwas Wehmut mit. Diese lieben, aber schon ausserordentlich wilden Heinzelmann Buben hätten eine starke Vaterhand unbedingt nötig! Lexi mit Familie kam am 23. und verreiste am 25. Dezember wieder, währen Andrea mit den Buben am 24. kam und bis am 27. Dezember blieb, wobei sich Jan am 26. Dezember bei einem Streit mit seiner Mutter eine Platzwunde an der Stirn einfing und ich mit ihm zum Kindernotfallarzt fahren musste.

2003: Celerina Januar und März mit Fabian, KKZ Portugal, Gartenreise Lake District, Reko Mecklenburg Vorpommern, Provence
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8.24.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 2003: Celerina Januar und März mit Fabian, KKZ Portugal, Gartenreise Lake District, Reko Mecklenburg Vorpommern, Provence.

8.24 2003: Celerina Januar und März mit Fabian, KKZ Portugal, Gartenreise Lake District, KTV-Wanderwoche im Wallis, Reko Mecklenburg-Vorpommern, Provence

Das Jahr begann für einmal mit fast drei Wochen Ferien im Caflisch in Celerina, sowie einer weiteren Woche dort mit Fabian im März.

Im Mai führten wir „meine“ Kulturkreis Portugalreise durch: Wir starteten im Norden, besuchten Porto, eine Flussfahrt auf dem Douro, Guimarâes, Braga, Viana, dann auf dem Weg nach Süden Coimbra, Tomar, Batalha, Alcobaça, Nazaré, Sintra, Estoril und Lissabon. Zur Einstimmung auf die Reise hatte ich für die Teilnehmer aus meinen Tagebüchern einen kleinen Bericht geschrieben, wie es in den 60er und 70er Jahren in Portugal ausgesehen hatte. „Meine“ Fabriken in Maya oder Lousada konnten wir leider nicht besuchen, da André Kurz sich mit Nûno Româo überworfen hatte. Schade!

Im Juni fuhren wir mit Barbara Scalabrin auf die Gartenreise England in den Lake District mit vielen unvergesslichen Erinnerungen.
Und kaum wieder zuhause fand unter Führung von Kläff die KTV-Wanderwoche im Wallis statt, mit Stationierung in Veysonnaz.

Für den Kulturkreis hatte ich schon lange eine Reise nach Mecklenburg-Vorpom­mern geplant, die ich gerne mit Timo Goldmann durchführen wollte. Timo führte bereits eine solche für die RHZ durch, und er erreichte bei RHZ, dass ich die Reise gratis als Rekognoszierung durchführen durfte und wir nur für Fischli bezahlen müssten. Es war eine prächtige Reise, auf welcher wir wieder vor allem die wunderbare Landschaft und die herrliche, sakrale und profane Backsteingotik genossen. Unser Abstecher nach Rügen blieb ebenfalls unvergesslich. Zusammen mit Timo Goldmann passten wir die Reise dann für den Kulturkreis vor allem im Kulinarischen im nächsten Jahr an.

Und weitere wunderbare 5 Reisetage in unserer geliebten Provence rundeten das Jahr ab.

Im November anlässlich eines normalen CheckUps riet mir unser Hausarzt, Dr. Bernhard Aepli, einmal zum Urologen zu gehen. Meine PSA-Werte (Prostata-Spezifische-Antigene) wären zwar in einem absolut unkritischen Bereich, wären aber in den letzten 2 Jahren etwa um 50% angestiegen. Der Urologe Dr. Zoelly, ein Neffe unseres Architekten, glaubte zuerst auch nicht an einen Tumor und gab mir ein spezielles Antibiotika; ich sollte Ende Januar nochmals vorbeikommen....

2004: Tod Pierre Zoelly, Prostata Op HR, KKZ Mecklenburg Vorpommrn, Gartenreise Devon, Inselhüpfen Ägäis mit Br, Rücktritt aus KKZ Vorstand
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8.25.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 2004: Tod Pierre Zoelly, Prostata Op HR, KKZ Mecklenburg Vorpommrn, Gartenreise Devon, Inselhüpfen Ägäis mit Br, Rücktritt aus KKZ Vorstand.

8.25 2004: Tod Pierre Zoelly, Prostata Op HR, Arbeit im Rebberg, KKZ Mecklenburg- Vorpommern, Gartenreise Devon, Inselhüpfen Ägäis mit Br, Rücktritt aus KKZ Vorstand, Sue Naef Gadient im Vorstand

Das Jahr begann sehr traurig: Am 5. Januar mussten wir unseren Architekten Pierre Zoelly, und Freund zu Grabe tragen. Ich schrieb gleichentags an seine Familie, die wir selbstverständlich auch kannten, einen Beileidsbrief:
„Für meine Frau und mich war PZ seit ca. 1970 eine der wesentlichsten Personen in unserem Leben. Kaum einem anderen Bauherren war es wahrscheinlich vergönnt, gleich mehrere Bauten mit ihm zu realisieren und ihm dabei so nahe zu kommen!
Wir lernten PZ durch meinen damaligen Chef André Kurz kennen. Als sich für uns privat alle anderen Möglichkeiten als unerschwinglich erwiesen, baute uns Pierre als erstes unser in jungen Jahren gekauftes Feld-, Wald- und Wiesenhaus an der Etzelstrasse in Hombrechtikon um, und wie! Der Cousin meiner Frau, selbst Architekt, und spätere Partner in der ARGE für die Überbauung in Zollikon, meinte bei seiner Rückkehr nach mehreren Jahren USA-Erfahrung dazu nur:“ Moll, dä Architekt hät au no Muet gha, wo Eu dä Umbau verkauft hät!“

Als zweites kam eine Fabrik für die GROWELA in Portugal dazu. Ich durfte anlässlich eines ersten Besuches Andrée und Pierre durch den Norden Portugals chauffieren und ihnen die landschaftlichen Schönheiten zeigen. Für den Fabrikneubau zog die grossen Linien ganz klar PZ, die Details erarbeitete ich zusammen mit seinem Mitarbeiter Hans Gremli, während ein portugiesischer Architekt dann die lokale Bauleitung inne hatte. Die GROWELA Portuguesa ist meines Erachtens immer noch die schönste Schuhfabrik, die ich je gesehen habe!
Als drittes kam die oben erwähnte Überbauung im Kleindorf in Zollikon dazu, welche ich im Auftrag meiner Schwiegermutter mit Pierre realisieren durfte. Sich an die Kernzone im Kleindorf anschmiegend ist es auch heute noch eine gut gelungene Arbeit.
Und als viertes und für uns krönenden Abschluss baute Pierre 1993 unser heutiges Heim in Zollikon, in welches er immer wieder mit Freude zurück kam. Wir, die ihn mittlerweile ja ein bisschen kannten, erachteten es als riesiges Kompliment, als er vor etwa zwei Jahren einmal meinte, „dass er sich bei uns immer sehr wohl fühle, weil wir das Haus so belassen hätten, wie er sich Wohnen in diesem Haus vorgestellt habe“.
Nun mussten wir heute endgültig Abschied von Pierre nehmen. Das macht uns tief traurig. Seine angemeldeten, aber auch die unangemeldeten Besuche mit Freunden und / oder potentiellen Bauherren werden uns sicher fehlen. Bei uns gab es auch immer ein Glas Wein, was er sehr schätzte! Kaum vorstellbar, dass er nie mehr an Einladungen bei uns oder bei Freunden hereinschweben und sofort eine Traube interessierter Gäste um sich scharen wird.
Wir sind aber unwahrscheinlich dankbar, dass wir Pierre kennen lernen und über Jahre seine Freundschaft erfahren durften. Er hat unser Leben auf grossartige Weise bereichert und wird immer ein ganz wesentlicher Bestandteil unseres Lebens bleiben.“

Nach der Beerdigung fuhren wir dann wie jedes Jahr zum Skifahren und Winter-wandern nach Celerina ins Engadin.
Nach den Ferien gefiel dem Urologen der neue PSA-Wert nicht und er machte anfangs Februar eine Biopsie. Erst diese brachte dann leider Gewissheit, dass ich an einem bösartigen Prostatakrebs litt. Normalerweise würde er bei Personen über 70 nicht mehr zur Operation raten. Es käme aber auf das physiologische und nicht auf das absolute Alter an, und ich würde ihm wesentlich jünger als 70 scheinen; deshalb rate er zur Operation. Ich hatte mit dem Krebsbescheid anfänglich schon etwas Mühe, verdaute das Ganze aber schnell, wobei Fischli ein weiteres Mal ein grossartiger Kollege und Gesprächs­partner war und mich bei der Bewältigung dieser Hiobsbotschaft wieder unterstützte.
Ich wollte es so schnell wie möglich hinter mich bringen, und so wurde die Operation auf Mitte März im Hirslanden angesetzt. Die Operation verlief gut. Allerdings fanden die Pathologen heraus, dass es auch noch Krebsspuren ausserhalb der Drüse geben müsse, und Dr. Zoelly riet zur Bestrahlung. Er reichte mich an den Radio-Onkologen der Universitäts-klinik Zürich, Prof. Dr. Lütolf weiter, wo ich dann im Juli/August während 7 Wochen jeden Tag ausser Sa und So bestrahlt wurde; anscheinend erfolgreich, da an der Abschlussbe-sprechung bei Prof. Lütolf der Befund lautete: PSA-Wert nicht mehr messbar.
Ich habe auch seither Ruhe, und Glück hatte ich auch: Nach sehr kurzer Zeit war auch die Kontinenz wieder absolut O.K.
Dem Spitalaufenthalt fielen leider die geplanten Skiferien im März mit Fabian sowie die Hochzeit von Philipp Brunnschweiler mit Nina Tuffli in Davos zum Opfer. Dadurch kennen wir leider die Familie Tuffli nur vom Hörensagen.

Eine weitere neue Beschäftigung hat sich seit ein paar Jahren einfach so ergeben, vor allem, seit Fritz Oechsli Schwierigkeiten mit seinem Rücken hat: Ich arbeite im Rebberg unserer Freunde, Verwandten und Nachbarn Marteli und Fritz Oechsli mit. Fritz sagt jeweils vorläufig noch, wann was gespritzt werden soll.

Im Juni fand dann die für den Kulturkreis Zollikon angepasste Reise nach Mecklenburg-Vorpom­mern statt, welche ein grosser Erfolg war und zwei Mal mit Maximalbesetzung durchgeführt wurde. Die Übernachtungen in ehemaligen Gutshäusern und Schlössern waren einmalig, und die späteren Reisen der RHZ erfolgten dann immer nach dieser von mir mitkonzipierten Reise. Als diese Reise in Norddeutschland so sehr gefallen hatte, empfahl uns Timo noch eine weitere Kulturkreisreise weiter östlich in Pommern, dem früheren Ostpreussen und heutigen Nordpolen zu planen. Diese Reise erfolgte dann aber erst 2007, d.h. nach meinem Rücktritt aus dem Vorstand des Kulturkreises Zollikon.

Die diesjährige Gartenreise führte in die Grafschaft Devon in Südwestengland. Zum ersten Mal kamen auch Brunnschweilers mit. Zwangsweise hatten wir es natürlich zu viert recht unterhaltsam, und wir waren fast unzertrennlich, sehr zum Leidwesen von Fischli, die sich oft lieber mehr an Barbara Scalabrin mit ihrem enormen Wissen gehalten hätte als an die oft eher dürftigen, trivialen gartentechnischen Erklärungen von Jack.

Trotzdem unternahmen wir Im Herbst mit Brunnschweilers und Tandem-Tours von Hapimag nochmals eine gemeinsame Reise: „Inselhüpfen in der Ägäis“. Nach einem kurzen Aufenthalt in Athen ging es per Fähre nacheinander auf die Kykladen-Inseln Naxos, Paros und Santorini. Delos konnten wir leider nicht besuchen, da so spät im Jahr keine Fähren mehr verkehrten und für kleinere Boote die Ägäis zu rau war. Am meisten beeindruckte uns Santorini mit seiner imposanten Caldeira und dem weissen Kranz von Ortschaften oben am Kraterrand. Wir nahmen uns fest vor, später einmal hierher zurückzukehren.
Im Anschluss an die Gruppenreise bewohnten wir in der Hapimag - Anlage von Porto Heli auf dem Peloponnes je eine Wohnung. Obwohl es sehr spät im Jahr war, herrschten glücklicherweise dieses Jahr immer noch sommerliche Bedingungen, sodass wir jeden Tag baden konnten. Besuche in Epidaurus, Mykene und Nafplion, sowie auf der Insel Spetses rundeten den Aufenthalt in Porto Heli ab.

Im Herbst 2004 gab ich meinen Rücktritt aus dem Vorstand des Kulturkreises Zollikon, wo ich 10 Jahre das Ressort Reisen und dazu zusätzlich die letzten 6 Jahre das Ressort Finanzen geleitet hatte.
Ich übernahm die Finanzen in einem desolaten Zustand. Ausser einer tadellos geführten Buchhaltung gab es nichts, was die Budgetierung eines neuen Jahres-programms erleichtert hätte. In einem jahrelangen Iterationsprozess hatte ich Instrumente geschaffen, die relativ schnell zeigten, ob das Programm unter den verschiedenen Ressorts Musik, Literatur, Theater, Bildende Kunst/Architektur etc. ausgewogen und ob ein gewisser Anlass finanziell tragbar war oder ob ev. dafür an anderen Orten hätte gespart werden müssen. Ich war relativ stolz, dass ich bei meinem Rücktritt meinem Nachfolger Alfred Blesi ein feines Instrumentarium übergeben konnte.
Als eine der wesentlichsten Errungenschaften hatte ich den Wechsel bei den jährlichen Mitgliederbeiträgen realisiert: Anstelle des bestehenden, sehr kleinen Mitgliederbeitrages und der jeweiligen Bezahlung eines Eintrittes für jeden besuchten Anlass schlug ich einen höheren Mitgliederbeitrag vor, dies bei freiem Eintritt für alle unsere Anlässe (ausser Reisen und Exkursionen). Ich rechnete dabei mit einem kleinen Rückgang der Mitgliederzahl, dafür war aber der Geldeingang viel besser budgetierbar.
Nach dem an der Generalversammlung beschlossenen Beitrags - Wechsel verloren wir aber entgegen meinen Befürchtungen keine Mitglieder, und als grosse Überraschung wurden ab sofort unsere Anlässe wesentlich besser besucht, wahrscheinlich deshalb, weil man dafür ja bereits bezahlt hatte…

Über die Reisen, deren Organisation mir immer sehr Spass gemacht hatte, habe ich weiter oben bereits berichtet. Inzwischen war Helen Oplatka Präsidentin und Nach­folgerin von Hans Gremli geworden. Hans Gremli hatte (für mich leider) sofort reagiert, als Helen sich als zukünftige Präsidentin ins Gespräch brachte; denn normalerweise ist es immer sehr schwierig, einen Nachfolger für ein zeitlich aufwendiges, unbezahltes Amt zu finden! Dass sie gerne Reisen organisierte, hatte ich bei den zwei mit ihr zusammen rekognoszierten Reisen in die Slowakei und nach Ungarn gesehen. Irgendwann kam sie auf mich zu, sie hätte eine prima Nachfolgerin für mein Ressort Reisen, ich hätte ja immer noch die Finanzen. Das machte mich etwas stutzig, umso mehr als danach dann doch niemand anderes kam und ich das unbestimmte Gefühl hatte, dass Helen das Ressort Reisen für sich wollte. Das passte mir nicht und ich trat als Vorstandsmitglied sofort zurück.

Vorher hatte ich noch von Cousins Felix in Chur gehört, dass sein Sohn Diego Gadient und seine Frau Sue Naef im Zollikerberg ein Haus gekauft hatten. Sue sei Kunsthistorikerin und sähe sich nach der Kinderpause wieder nach einer Nebenbeschäftigung um. Ich brachte meinen fast 90-jährigen Vorstands-Kollegen René Scheidegger mit ihr zusammen. Die Zusammenarbeit glückte und sie wurde nach einem Jahr seine Nachfolgerin im Vorstand.

Im Dezember wurde Annemarie, die Tochter von Fischlis Cousin Ernst Karrer beerdigt. Ich hatte sie einige Male anlässlich meiner Krebs-Bestrahlung im USZ gesehen. Sie litt auch an Krebs. Zusammen mit Koni hatten sie einen Knaben in Fabians Alter. Traurig!

2005: Celerina Januar und März mit Nils, Italienreise, Gartenreise Wales, KKZ Blauer Reiter, Tod Fritz Oechsli, Wandertage im Engadin, Griechenland mit Br, Konversion zum Protestantismus HR, Tod Selin
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8.26.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 2005: Celerina Januar und März mit Nils, Italienreise, Gartenreise Wales, KKZ Blauer Reiter, Tod Fritz Oechsli, Wandertage im Engadin, Griechenland mit Br, Konversion zum Protestantismus HR, Tod Selin.

8.26 2005: Celerina Januar und März mit Nils, Italienreise, Gartenreise Wales, KKZ Blauer Reiter, Tod Fritz Oechsli, Griechenland mit Br, Konversion zum Protestantismus HR, Tod meiner Schwester Selin

Auch dieses Jahr begann wie immer: Skiferien in Celerina und dann nochmals im März eine Woche mit Nils, wobei die ganze Bosshard Familie uns an einem Wochenende jeweils besuchen kam.

Wir hatten im Winter an der Volkshochschule eine Vorlesung von Timo Goldmann gehört über Mäzenatentum in der Renaissance in Oberitalien, zu welcher er auch eine Reise durchführte, an welcher wir aber leider nicht teilnehmen konnten.
Im April fuhren wir dann auf eigene Faust, ohne Reiseleiter, aber mit all seinen Unterlagen die Reise ab: Ferrara, Rimini, Urbino. Absolut traumhafte Eindrücke, vor allem in Urbino. Anschliessend besuchten wir via Assisi das Castello di Meleto, das Weingut im Chianti, an welchem wir über Schuler Schwyz eine kleine Weingüterbeteiligung besitzen. Im alten, vom Winter her immer noch bitterkalten Wehrturm des Castello übernachteten wir in einem Himmelbett-Zimmer, fuhren dann wieder einmal nach Siena und übernachteten anderntags in Monteriggione, um am nächsten Tag über Massa Maritima dem Meer entlang über Genua und die Laghi zu Bea nach Brissago zu fahren, und dort ein letztes Mal zu übernachten.

Im Mai dieses Jahr ging die Gartenreise in England nach Wales, das wir bisher sehr wenig kannten: Eine wunderbar abwechslungsreiche und landschaftlich traumhafte Reise.

Im Juni nahmen wir an einer RHZ-Reise „Auf den Spuren des Blauen Reiters“ teil: Station in Murnau: Staffelsee, Gabriele Münter, Wassilij Kandinskij, Macke; tolle Reise! Am meisten beeindruckte und das Haus von Gabriele Münter, das sie mit Kandinsky bewohnt hatte, mit Blick auf die Kirche Murnau, welche Kandinsky mehrmals gemalt hat: Von perspektivisch korrekt bis total abstrakt!

Im Juli hiess es für immer Abschied nehmen von Fritz Oechsli-Welti, unserem "Verwandten, Nachbar und Freund“, wie er sich selbst jeweils betitelte. Viele unvergessliche Stunden durften wir, vor allem natürlich Fischli schon in ihrer Jugend, mit ihm und seiner Frau Marteli verbringen. Seit unserer Wohnsitznahme als Nachbarn in Zollikon mähte ich jeweils auf ihrem Land unterhalb unseres Hauses im hohen Gras gewisse Wege, auf welchen Fritz in seinen letzten Monaten jeweils gerne spazierte, am Schluss sogar mit der Sauerstoff-flasche umgehängt. Er fehlt uns im Alltag und vor allem in seinem Rebberg sehr.

Für das Mitte September stattfindende traditionelle Wanderwochende der Zürcher Altherren des KTV St. Gallen fuhren Fischli und ich Mitte August ins Engadin, um eine Wanderung entlang dem Fluss „Flaz“ zu rekognoszieren, dessen Flussbett in den letzten Jahren hinter den Flugplatz Samedan umgeleitet und das alte Flussbett renaturiert wurde. Dieses in den letzten Jahren realisierte Hochwasserschutzprojekt für Samedan erwies sich als hochinteressant und für eine Wanderung als sehr geeignet, immer wieder unterbrochen mit den notwendigen Erklärungen. Wir wohnten dabei ausnahmsweise für zwei Nächte im romantischen Hotel Chesa Salis in Bever, wo wir im Vorjahr im Garten so schön und gut gegessen hatten.

In der ersten Hälfte Oktober stand eine Studiosusreise „Klassisches Griechenland“ gemeinsam mit unseren Freunden Brunnschweiler auf dem Programm. Nach zwei Tagen Athen besuchten wir nacheinander Altkorinth, Mykene, Epidaurus, Nafplion, Sparta, Mistra, Kalamata, Olympia, Delphi, und zum Schluss wieder Athen. Per Bus und jeden Abend in einem anderen Hotel war die Reise sehr anstrengend und anspruchsvoll. Ungewöhnlich war der Reiseleiter: Dr. Dr. Philippos Giannopoulos: Er war Grieche, hatte in Köln Archäologie, Kunstgeschichte und Byzantismus studiert und auch promoviert. Wieder zurück in Griechenland studierte er zusätzlich noch Theologie und wurde Mönchspriester. Seine Erklärungen lagen daher hauptsächlich im Philosophischen mit ostkirchlicher Optik, was für uns „Wessis“ hochspannend war. Wir durften sein Mini­kloster besuchen, wobei der Hauptbau aus dem ehemaligen Ferienhaus seiner Familie an absoluter Traumlage am Meer besteht, und seine Mitbrüder in bescheidenen, kleinen Höuschen wohnen. Sie hatten uns zudem feinen wunderbaren "Fingerfood" Z'Mittag vorbereitet.
Die zweite Woche verbrachten wir und Brunnschweilers wie im Vorjahr je in einer Zweizimmerwohnung in der Hapimag-Anlage von Porto Heli auf dem Peloponnes. Wir hatten dazu in Athen ein Auto gemietet, und nach der anstrengenden ersten Woche verbrachten wir die Zweite ausserordentlich geruhsam. Ausflüge nach der Insel Hydra und zu den Höhlen von Frachti unterbrachen die eigentlichen Bade- und Leseferien. Das Wetter war nicht mehr ganz so sommerlich schön und warm wie im Vorjahr. Wir konnten aber dem Herbst in der Schweiz immer noch ein Schnippchen schlagen und badeten jeden Tag mehrmals im Meer …
Noch eine kleine Anekdote: Wir hatten bei der Übernahme des Mietwagens nach der Studiosusreise zusammen mit Brunnschweilers relativ viel Gepäck, bedingt durch die zwei sehr unterschiedlichen Wochen. Als wir vier damit zur Übernahme des Wagens bereitstanden, fragte uns mit Blick auf unser Gepäck der Hertz-Angestellte: „Do you want to stay for ever in Greece“?
Auf dieser Studiosusreise hatte Dr. Philippos Giannopoulos wie gesagt lieber philosophische Aspekte der Antike und des frühen Christentums abgehandelt als sich in kunsthistorischen Einzelheiten zu verlieren. Beim Essen und beim Fahren im Bus versuchte ich immer wieder, ihn in Gespräche zu verwickeln, und ich notierte mir dabei gewisse Literaturempfehlungen ("Deschner, Kriminalgeschichte des Christentums"; "Griechische Mythologie in christlicher Optik"). Seine ostkirchliche Sicht der Dinge gab mir den Anstoss, mich zuhause intensiv mit dem Christentum und dem Papsttum zu befassen, was meine religiöse Weltanschauung grundlegend erschütterte und mich immer mehr in Zwiespalt mit meiner römisch-katholisch geprägten Erziehung brachte. Anlässlich Lexis Heirat in Zollikon hatten wir den reformierten Pfarrer Simon Gebs kennen gelernt. Gespräche mit ihm bestärkten mich dann im Entschluss, aus der katholischen Kirche auszutreten und, um mich trotzdem irgendwo zuhause zu fühlen, zusammen mit Fischli der reformierten Kirche beizutreten, wobei es für Fischli mehr eine "Heimkehr" war.

Nach einem für meine älteste Schwester Selin gesundheitlich eher problematischen Jahr (Brustkrebs) hatte sie sich entschlossen, zusammen mit ihrer besten Freundin Vreny Schaffroth ins Altersheim umzuziehen. Dieser Umzug mit Wohnungsräumung hatte uns Geschwister und vor allem Andrea die letzten Monate sehr auf Trab gehalten. Mitte Dezember musste Selin dann aber plötzlich mit einer vom Hausarzt diagnostizierten Metastase im Gehirn ins Triemli-Spital, wo ihr Gehirn bestrahlt wurde.
Wir holten aber Selin noch am letzten Adventssonntag im Triemli ab und besuchten mit ihr ein Krippenspiel in Uitikon, wo die Heinzelmann Buben mitspielten und zu grosser Form aufliefen. Anschliessend kehrte Selin zufrieden in ihr Zimmer im Spital Triemli zurück.
Um wie jedes Jahr mit ihr und Heinzelmanns bei uns Weihnachten zu feiern, wollten wir Selin nach dem Ausflug nach Uitikon auch noch für zwei Tage aus dem Spital zu uns nach Hause nehmen. Dazu kam es aber nicht mehr. Nach dem Ausflug nach Uitikon verschlechterte sich der Gesundheitszustand von Selin rapid. Sie verlor das Bewusstsein und erwachte eigentlich nicht mehr. Entsprechend ihrer Patientenverfügung sprach ich am 27. Dezember mit der diensttuenden Ärztin, so dass man abends alle lebensverlängernde Massnahmen einstellte. Fischli und ich waren am Morgen des am 29. Dezember noch zu Besuch bei ihr (Wir wussten ja nicht, ob sie im Unterbewusst­sein unsere Präsenz trotzdem wahr nahm!) und wollten auch am späteren Nachmittag nochmals kurz bei ihr hineinschauen, als die Oberschwester ca. 15:30 Uhr anrief und uns den Tod von Selin mitteilte. Die Obduktion ergab schliesslich, dass Selin nicht an der Brustkrebs-Metastase starb, sondern an einer Hirnhautentzündung. Der verantwortliche Arzt erklärte uns die Fehldiagnose damit, dass Hirnhautentzündungen im Computertomogramm scheinbar gleich aussehen wie Krebszellen!

Andrea und Frank machten es unseres Erachtens zuerst nach ihrer Trennung recht gut und man hatte nicht das Gefühl, dass die Kinder darunter zu leiden hatten. Am 24. Dezember werden die Heinzelmann Buben zu Frank fahren, um dort zusammen mit Andrea Weihnachten zu feiern. Frank wird nun zum dritten Mal nicht mehr dabei sein, wenn die jungen Familien schon am 23. Dezember zu uns nach Hause kommen. Dieser Umstand macht Fischli und mich zwischendurch halt immer wieder traurig, vor allem der Buben wegen.
Am 26. Dezember findet nach wie vor die traditionelle, verwandtschaftliche Weihnachtsfeier von Fischlis Seite statt, die „Sippenweihnacht“, wie ich sie nenne. Früher fand diese im Haus von Grossvater und Grossmutter Welti statt, dann nach deren Tod im selben Haus bei Oechslis. Neu ist seit letztem Jahr, dass nach dem Singen und der Bescherung bei Oechslis sich die etwa 25-köpfige Gesellschaft jeweils zu uns ins Nachbarhaus verschiebt und wir zum Weihnachtsessen einladen.

2006: Trauerfeier Selin, Celerina Januar, März mit Nils, Gartenreise Cornwall, Ausstellung in Aix: Cézanne en Provence, Kreuzfahrt L.A-Panamakanal- Karibik
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8.27.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 2006: Trauerfeier Selin, Celerina Januar, März mit Nils, Gartenreise Cornwall, Ausstellung in Aix: Cézanne en Provence, Kreuzfahrt L.A-Panamakanal- Karibik.

8.27 2006: Trauerfeier Selin, Celerina Januar, März mit Nils und 40. Geburi Lexi, Gartenreise Cornwall, Ausstellung Cézanne en Provence, Kreuzfahrt L.A-Panamakanal- Karibik

Das Jahr begann also eher traurig: Am Dreikönigstag, Freitag, den 6. Januar, war der Trauergottesdienst und die Beisetzung von Selins Urne im Gemeinschaftsgrab auf dem Friedhof in Thalwil. Ihre engsten Freunde und eine grosse Zahl von Verwandten gaben ihr das letzte Geleit. Ich war als Testamentsvollstrecker in der ersten Januarwoche voll ausgelastet, und ihr Testament, die Auflösung des Haushaltes, die Wohnungsabgabe sowie der ganze Papierkrieg liessen mich bis weit in den Sommer hinein mit Selin eng verbunden bleiben. Überhaupt, ich war in Gedanken noch sehr oft bei Selin, weil wir in den letzten Jahren praktisch mit niemandem sonst so viel Kontakt hatten wie mit ihr!

Mit einem Tag Verspätung starteten wir dann zu unseren traditionellen Skiferien in Celerina im Engadin. Dieses Jahr waren es nur 2 Wo­­­chen. Wir reisten am Sonntag, 8. Januar wieder mit DeLuxe Ferienbeginn ins Engadin: Verladen des Autos auf die Bahn von Thusis bis Samedan und Mittagessen im Speisewagen. Am mittleren Wochenende kamen Bosshards zu Besuch, und für die zweite Woche kamen wieder unsere Freunde Brunn­schweiler für eine Wellness-Woche ins Hotel Cresta Palace nach Celerina. Bei strahlendem Wetter fuhren wir Ski alpin. Und wenn es Wolken hatte, machten Winterwanderungen zu Fuss. Das Langlaufen kam wieder eindeutig zu kurz!

Kurz nachdem anfangs März in Zollikon über Nacht 50 cm Schnee gefallen waren und die Schneelast auf der Glyzinen-Pergola die grossen Sonnenstoren über dem Wasserhof hatten abstürzen lassen, fuhren Mitte Monat Fischli und ich nochmals mit unserem kleinsten Enkel Nils nach Celerina für eine Woche zum Skifahren . Ab Donnerstag kam dann auch noch Philipp mit Lexi und Fabian nach. Lexi feierte ihren 40. Geburtstag zuerst mit uns und der ganzen Familie bei einem stimmigen Nachtessen auf Muottas Muragl. Am Wochenende fuhren sie dann mit ihren Freunden Sylvia und Roland Mensch zum Feiern ins Hotel Val Fex, während wir die Buben hüteten und dann nach Hause nahmen. Lustige Erlebnisse en famille mit Schlitteln, Skifahren und ein Ausflug per Pferdefuhrwerk ins Rosegtal liessen die Zeit wie im Flug vergehen.

Vom 25. Mai bis 1. Juni fand die (für uns auch schon fast traditionelle) Gartenreise nach England statt, die uns dieses Jahr nach Cornwall führte. Weitere Teilnehmer waren wiederum unsere Freunde Myrtha und André Kurz sowie Jack und Vrenely Brunnsch­weiler. Um den Weg nach und von Cornwall am Reisetag etwas zu verkürzen, wohnten wir jeweils für eine Nacht im Castle Hotel in Taunton und besuchten Gärten in der Umgebung. Für die übrige Zeit war fester Ausgangspunkt dann das Alverton Manor in Truro. Eine glückliche Auswahl von zu besichtigenden Gärten und Häuser, sowie die wiederum sehr ruhige und umsichtige Reiseleitung durch Barbara Scalabrin trug viel zu einer erlebnisreichen Reisewoche bei. Wie bisher immer nahmen wir auch dieses Jahr soeohl neue Anregungen für ein paar Veränderungen im eigenen Garten als auch ein paar Pflanzen mit nach Hause!

Ende Juli machten wir mitten in der grossen Hitzeperiode wieder einmal etwas total Verrücktes: Einen kurzen Ausstellungsbesuch in Aix-en-Provence! Anlässlich seines 100. Geburtstages fand eine grosse Aus­stellung "Cézanne en Provence" statt! Dazu fuhren wir an einem Montagmorgen um 04'30 Uhr mit dem Auto los Richtung Genf, dann über Chambéry - Grenoble, einen Teil der "Route Napoleon" und das Durence-Tal südwärts bis kurz nach Château Arnoux zur Prieuré de Ganagobie. Dort kamen wir mittags im wunderbar gekühlten Auto an. Beim Aussteigen erschlugen uns beinahe die sommerliche Hitze und die intensiven Farben und Düfte der Provence. Wir blieben nur kurz im kleinen romanischen Kloster, denn es war geschlossen, und draussen war es 40 Grad warm. Wir flüchteten wieder ins Auto und fuhren weiter nach Aix, wo wir bereits ca. 15'00 Uhr im "Grand Hotel Nègre Coste" abstiegen, mitten in der Stadt, und wovon Fischli schon immer geträumt hatte: Direkt am Cours Mirabeau! Am andern Morgen besuchten wir die Austtellung, und am Mittwoch fuhren wir schon wieder durch das Rohnetal nordwärts mit Ziel Chambéry, wo wir im Château de Landie, einem wunderbaren Hotel mit einer Michelin-Stern Küche in einem sehr romantischen Zimmer übernachteten. Noch nie haben wir nach unserer Ankunft einen Hotel-Swimmingpool so geschätzt wie bei den herrschenden 40 Grad Hitze. Nach einem "Menu de Confiance" am Abend trafen wir anderntags ca. 15'00 Uhr wieder zuhause ein.

Das siebte Jahr hintereinander hatten wir jetzt das Badhüsli in Lachen am oberen Zürichsee gemietet, was den Familien von Andrea und von Lexi wiederum erlaubte, dort ihre Sommerferien zu verbringen. Während Lexi glücklicherweise die Hitzperiode erwischte, hatte Andrea dann wettermässig eher Pech: Sie musste zwei Mal wegen Kälte und Nässe den Aufenthalt im kleinen Haus am See unterbrechen und nach Hause fahren, mit den drei Buben und dem Gepäck jedes Mal eine mittlere Expedition. Wir waren hie und da dort zu Besuch, und nach den Ferien der jungen Familien verbrachten Fischli und ich ebenfalls noch einige Tage dort.

Abgesehen von ein paar Tagen mit Brunnschweilers in ihrer neuen Wohnung in Davos blieben wir September und Oktober mehrheitlich zuhause und bereiteten uns auf unsere diesjährige grosse Reise, einer Hochsee-Kreuzfahrt im November vor. Wir flogen von Zürich nach Los Angeles und schifften uns dort nach einem Kurzaufenthalt mit Stadtrundfahrt und Stadtführung zu unserer zweiten, grossen Kreuzfahrt ein (Die erste hatten wir vor Jahren mit Bea, Alois Selin, Irma und Brunnschweilers mit dem KV Zürich im Mittelmeer gemacht!).
Die Reise ging in der Concierge Class mit der „SUMMIT“ von Celebrity Cruise südwärts mit Tagesausflügen in Cabo San Lucas, Acapulco und Huatulco in Mexiko, in Puntarenas in Costa Rica, dann durch den Panama Kanal in die Karibik und Richtung kleine Antillen mit Exkursionen an Land in Or­an­je­stad auf Aruba und Willemstad auf Curaçao. Endpunkt der Schiffsreise war San Juan auf Puerto Rico, von wo wir dann über Miami wieder nach Hause flogen. Es war eine herrliche Reise bei bestem Sommerwetter; und eigenartigerweise kamen wir von einer grossen Reise selten so ausgeruht und zufrieden zurück. Glücklicherweise hatten wir eine schöne Kabine mit eigenem Balkon, wo wir viel lasen, dazwischen schliefen, oder einfach in die unendliche Weite des Meeres mit Wind, Wellen und Wolken hinausblickten. Der Balkon war auch sehr geeignet für das Geniessen einer Kombination von Sonnenuntergang mit Happy Hour! Jeden Morgen machten wir ein paar Runden à ca. 1/2 Meile auf dem Deck mit den Rettungsbooten. Kreuzfahrten auf so einem tollen Schiff wie der Summit von Celebrity Cruise und in der Concierge Class könnten für uns zu einem sehr erstrebenswerten Reiseerlebnis werden!

An Weihnachten war nun neben Frank auch meine älteste Schwester Selin nicht mehr dabei. Andrea und Frank haben es derzeit nach ihrer Scheidung wesentlich weniger gut wie früher. Dieser Umstand macht Fischli und mich zwischendurch immer wieder sehr traurig, vor allem der drei Buben wegen. Franks eigene Firma musste zudem im Herbst Konkurs anmelden, sodass er jetzt arbeitslos ist. Andrea arbeitet deshalb wesentlich mehr. Aber auch unter diesen erschwerten Bedingungen erfreuten wir uns ein weiteres Mal am „Full House“ an Weihnachten.

2007: Letztes Jahr Caflisch im Januar und März mit Nils, Rebbaukurs, Fischli Halux Op, Ostpreussen/Polen, Kochferien Provence, Familienferien Porto Heli, Erinnerungen ans Caflisch
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8.28.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 2007: Letztes Jahr Caflisch im Januar und März mit Nils, Rebbaukurs, Fischli Halux Op, Ostpreussen/Polen, Kochferien Provence, Familienferien Porto Heli, Erinnerungen ans Caflisch.

8.28 2007: Letztes Mal Caflisch im Januar und März mit Nils, Rebbaukurs, Fischli Halux OP, Ostpreussen / Polen, Kochferien Provence, Familienferien Porto Heli, Erinnerungen ans Caflisch

Nach dem üblichen, trauten Sylvester/Neujahr zu zweit zuhause starteten wir am 6. Januar zu unseren traditionellen 2 Wochen Skiferien in Celerina im Engadin. Wieder gab es für uns den Deluxe Ferienbeginn mit Verladen des Autos auf die Bahn von Thusis bis Samedan und Mittagessen im Speisewagen. Am ersten Wochenende besuchten uns Lexi und Familie. Für die zweite Woche waren dann wieder unsere Freunde Brunn­schweiler im Hotel Cresta Palace in Celerina, sodass wir vieles gemeinsam unternahmen. Bei strahlendem Wetter fuhren wir Ski alpin, wenn es Wolken hatte, machten Winterwanderungen zu Fuss. Die Langlaufski hatten wir dieses Jahr gar nicht mehr mitgenommen!                               
Andrea verbrachte bisher immer eine der Sportwochen mit ihren Buben in unserer Wohnung in Celerina. Dieses Jahr hatte sie Donnerstag bis Samstag vor den Sportwochen in St. Moritz ein Seminar mit ihrem Büro. Damit sie nicht gleichentags nach Hause und mit den Buben wieder ins Engadin fahren musste, hüteten Fischli und ich bei ihr zuhause an den letzten Schultagen die Buben und fuhren diese dann am Samstag, den 10. Februar in Andreas Auto für ihre Ferienwoche nach Celerina, nicht ohne am Telefon noch einen heftigen Streit mit ihrem geschiedenen Mann Frank gehabt zu haben, der die Buben gegen alle Vereinbarungen über das Wochenende reklamierte. Nach überstandenem Transport reisten dann Fischli und ich per Bahn über die wunderbare Albula-Strecke zurück. Die Bu­­ben besuchten wiederum ganztägig die Skischule und mach­ten auch dieses Jahr weitere Fortschritte.

Nachdem ich die letzten Jahre jeweils die Reben im Nachbar - Rebberg so weiter gespritzt habe, wie dies Fritz angeordnet hatte, absolvierte ich im Jahr 2007 an der Fachhochschule Wädenswil einen Rebbaukurs. Seither trage ich als "Chef traitement chimique" die alleinige Verantwortung für das Spritzen der Reben und erstelle jedes Jahr einen neuen Spritzplan und kaufe die Spritzmittel ein.

Vom 17. bis 26. März waren wir das allerletzte Mal in der Ferienwohnung in der Chesa Caflisch, zusammen mit unserem Enkel Nils. Bisher hatten wir immer einen der jüngeren Enkel für eine Woche ausserhalb der Sportwochen zum Skifahren mit ins Engadin mitgenommen, solange man diese noch aus dem Kindergarten nehmen konnte. Nils als jüngster Enkel wird im Sommer auch eingeschult, und kann dann nur noch in den Sportferien Skifahren, und dann geht er jeweils mit seiner Familie in die Bettmeralp.

Es war dies übrigens das letzte Mal Chesa Caflisch, das letzte Mal, dass wir in unserer Mietwohnung Ferien machten. Unsere Freunde Fröhlich wollten / konnten der Höhe wegen nicht mehr! Zu­sammen mit ihnen hatten wir die Wohnung während 15 Jahren ganzjährig gemietet, und so mussten wir sie wohl oder übel kündigen und räumen. Wir und Andrea allein brauchen die Woh­nung zu wenig oft, denn Lexi und die Familie ihres Mannes Philipp sind auf die Bett­meralp im Wallis eingeschworen, so wie es unsere Familie seit Jahren auf das Engadin ist. Auch geht jetzt der letzte Enkel auch zur Schule, sodass wir ausserhalb der der Sportwochen nicht mehr mit einem der Enkel Ferien machen können. Wir fanden aber für das nächste Jahr bereits eine schöne, geräumige 3 Zimmerwohnung gleich nebenan, eigentlich grösser und schöner als wir es im Caflisch hatten.

Am 22. Mai rückte Fischli für eine Halux Operation ins Spital Hirslanden ein, wobei ich sie erfreulicherweise bereits nach 4 Tagen wieder heimholen konnte. Der Arzt verordnete für 6 Wochen 95% Füsse hoch, was für mich 105% Füsse tief bedeutete! Glücklicherweise hatte ich ihr in letzter Zeit beim Haus­halten und Kochen etwas über die Schulter geschaut, sodass ich nicht ganz aufgeschmissen war. Im Gegenteil, ich versuchte, Fischli kulinarisch etwas zu verwöhnen. Durch die offene Küche mit der Durchreiche konnte sie mir ab Sofa immer wieder die notwendige Hilfe geben! Der anschliessende Genesungsprozess verlief gut.
Wir hatten infolge der Operation leider die jährliche Gartenreise nach England sowie eine private und persönliche Berlinreise mit unserem Reiseleiter Timo Goldmann annullieren müssen und profitierten ein erstes Mal von einer Annullierungsversicherung. Erst Ende August „rückten wir wieder aus“, aber dann eigentlich sehr flott:

Zuerst waren wir mit besagtem Timo Goldmann auf der Kulturreise durch Nordpolen, von der ich früher schon berichtet habe. Es war eigentlich die östliche Verlängerung unserer früheren Reise durch Mecklenburg-Vorpommern ins frühere Ostpreussen, ebenfalls mit Timo Goldmann. Danzig und Warschau beeindruckten uns als aufstrebende Grossstädte. Es war einerseits geschichtlich eine sehr interessante Reise (Burkhardts Danzig, Hitlers Wolfsschanze), vor allem aber hat sie uns wiederum landschaftlich tief beeindruckt. Dabei haben es uns die traumhaften Masuren besonders angetan, die wir auch noch aus der dritten Dimension auf einer Fahrt mit einem Heissluftballon betrachten durften.

Ende September waren wir für eine erste Kochferienwoche in der Provence. Der Leiter war der Sternekoch Rolf Grob vom Rössli in Lindau, der jeweils auf einem herrlich eingerichteten Weingut in Le Cannet des Maures einwöchige Kurse für maximal 8 Paare veranstaltet. Scalabrins, die jeweils die Gartenreisen nach England leiten, verdankten wir die Teilnahme. Da sie kein Auto dabei hatten, machten wir mit ihnen verschiedene Tagesausflüge und kamen uns so erfreulicherweise etwas näher.
Die Tagesabläufe sind immer die gleichen: Der Tag beginnt jeweils mit einem Besuch auf einem grösseren Markt wie St. Tropez, St. Maxim etc, wo dann entsprechend dem angetroffenen Angebot im Marktrestaurant bei einem Pastis Vorschläge gemacht werden können und dann gemeinsam ein mehrgängiges Menü beschlossen wird. Nach dem Einkaufen steht dann der Tag je nach dem gewählten Menü bis 16’30 oder 17’30 Uhr zur freien Verfügung. Wir machten Tagesausflüge in der Gegend oder lasen und faulenzten am Swimmingpool. Dann hiess es aber die Schürze anziehen und Antreten zum Schnetzeln, Rüsten, Parieren, Fische Filetieren, Kochen und Braten, kurz unterbrochen für einen Apéro. Der Chef hatte einen Koch und eine Serviceangestellte mit dabei, welche ihren Chef bei der Anleitung für die Zubereitung der Speisen unterstützten. Wir fanden die Woche absolut toll und hatten viel Spass. Vor und nachher waren wir in unserer geliebten Provence noch einige Tage allein unterwegs.

Anstatt zu Fischlis 70. Geburtstag ein grosses Fest zu veranstalten, hatte sie unsere Töchter mit ihren Familien Mitte Oktober zu einer Woche Griechenland eingeladen. Wir hatten 3 Wohnungen in der Hapimag-Anlage in Porto Cheli auf dem Peleponnes gemietet und erlebten eine super Badewoche in der Grossfamilie mit einigen schönen Ausflügen (Epidaurus, Nafplion, Inseln Poros und Spetses etc). Dadurch, dass jede Familie ihre eigene Wohnung hatte, war auch eine gewisse Privacy gewährleistet. Umso mehr freute man sich auf gemeinsame Bade- und Tafelfreuden. Es war herrlich, die 5 Enkel in der kleinen Bucht Schnorcheln (einmal sogar auch mit der Grossmutter) oder abends nach dem Nachtessen in der Dämmerung Verstecken spielen zu sehen! Mit der abenteuerlichen Taxifahrt von Porto Cheli nach Athen in einem fast Homer’schen Gewitter und dem Heimflug nach Zürich war unsere Reisesaison für dieses Jahr zu Ende.

Weihnachten und Neujahr fanden fast im üblichen Rahmen statt. Wir feierten mit allen Kindern und Enkeln bereits am 23. Dezember, weil Andreas Buben vom 24. bis 30. Dezember bei ihrem Vater waren. Nicht üblich war, dass Fischli und ich die drei Buben dann am Sylvester bei uns hatten, denn wir feiern Sylvester am liebsten ganz allein, ruhig und besinnlich. So musste dieses Jahr dann auch noch zwangsweise das von Frank mitgegebene Feuerwerk gezündet werden. Schade um den wunderbaren Sternenhimmel!


8.28a Erinnerungen an unsere Ferienwohnung In der Chesa Caflisch, Via Chal­chera 6, CH - 7505 Celerina

Vom 01. Mai 1992 - 30. April 2007 hatten wir zusammen mit unseren Freunden Fröhlichs und Stumps im 1. Stock dieses Hauses ganzjährig eine 3 Zimmer Ferienwohnung gemietet. In diesen 15 Jahren waren Fischli und ich 35-mal hier in den Ferien, Aufenthalte unserer Töchter und deren Familien sowie von Freunden nicht mitgezählt.

Begonnen hatte es mit einem absoluten Glücks­fall: Anlässlich eines Aufenthaltes im Hotel Cresta Palace in Celerina im Januar 1992 trafen Fischli und ich im Hotel unverhofft auf Krapf Fröhlich. Dieser überredete mich für ein Bier ins Hotel Post, wo er mit Pedal Stump verabredet war. Die beiden hatten mit mir in St. Gallen Handball gespielt und zusammen am Nachmittag eine Wohnung im Chesa Caflisch besichtigt, die relativ günstig ganzjährig zu mieten war. Die Wohnung gehörte einer Stiftung, für welche Pedal als Professor an der Kantonsschule St. Gallen zwei für Klassenlager geeignete Häuser in Celerina verwaltete und deshalb davon wusste.                   
Pedal machte Krapf und mir einen interessanten Vorschlag: Falls Krapf und ich für die Benutzung der Wohnung je für einen Drittel der Jahresmiete eine Defizitgarantie übernehmen würden, würden er, Pedal mit seiner Frau Elsbeth, sich verpflichten, in der Zeit, in welcher Krapf und ich die Wohnung nicht benutzen würden, diese bestmöglich zu vermieten, um so mindestens den letzten Drittel hereinzubringen, wenn möglich aber mehr.
Da ich die Wohnung nicht gesehen hatte, zeichnete mir Pedal den Grundriss der Wohnung auf die Rückseite des Kassabons für das Bier, das wir eben tranken. Krapf und ich waren mit Pedals Vorschlag einverstanden. Der dann auf unbestimmte Zeit abgeschlossene, ganzjährige Mietvertrag begann am 1. Mai 1992, wobei Pedal und Krapf die Wohnung anfangs Mai per­sönlich über­nah­men und die grössten Hässlichkeiten und Preziosen an Mö­beln und Bildern der Wohnung sofort in den Estrich beförderten.

Der Zeitpunkt der Übernahme der Wohnung war für mich nun nochmals ein Glücksfall, denn kurz darauf, am 15. Mai 1992, wurde ich als CEO der BALLY Arola AG abgesetzt und zu BALLY International AG versetzt, wobei mir angeboten wurde, die über 80 nicht bezo­ge­nen Ferientage (welche ich sicher nie bezogen hätte!) in nächster Zeit zu beziehen! Ende Mai waren Fischli und ich bereits ein erstes Mal da. Eine der ersten längeren Wanderungen blieb mir in bester Erinnerung: Mit dem Alpenblumen-Buch ging es von der Alp Grüm nach Cavaglia und weiter nach Poschiavo. Am Start der Wanderung blühten neben letztem Schnee Soldanellen, und in Poschiavo hatte bereits der Heuet begonnen, sodass wir in dieser Wanderung das ganze Alpenblumenspektrum von Frühling bis Sommer zu Gesicht bekamen.

Nach 15 Jahren haben wir die Wohnung nun per 30.04. 2007 gekündigt, weil Ingrid und Krapf nach dem ausserordentlich kalten Aufenthalt im Winter 2006 aus medizinischen Gründen nicht mehr weiter im Engadin bleiben wollten. Leider fand ich, Veto, keinen Ersatz für Krapf, wobei schlussendlich auch nicht mehr ausdiskutiert wurde, ob Pedal die Vermietung überhaupt noch weiter gemacht hätte. Uns allein war die Miete zu hoch, denn so viel hatten wir die Wohnung eben auch wieder nicht benutzt. Unsere Tochter Andrea war zwar im Winter auch regelmässig mit ihren Buben während einer Sportwoche da, hingegen ist unsere zweite Tochter Alexa mit ihrer Familie im Winter eher auf die Bettmeralp im Wallis ausgerichtet. So wie wir aufs Oberengadin eingeschworen sind, so sind es unsere "Gegenschwer" auf die Bettmeralp: Philipp und sein Bruder verbrachten mit ihren Eltern von Klein auf die Sportferien regelmässig dort, und beide haben dort auch Skifahren gelernt.

Das nahe Ende eines 15 jährigen Feriendomizils lässt schon ein bisschen Wehmut aufkom­men, was mich spontan zur Feder, beziehungsweise in die PC-Tastatur greifen liess.
Das rührt nicht etwa daher, dass wir in Zukunft die Schönheit oder Ge­pflegtheit unserer Ferienwohnung vermissen würden. Nein, ganz im Gegenteil, es war eine beschei­de­nere, und am Schluss eher sub­opti­mal unterhaltene Wohnung. Und trotz­dem haben wir darin eine aus­serordentlich glückliche und schöne Zeit erlebt. Wie haben wir uns jedes Mal über den ganz speziellen und charakteristischen Arvenholz-Ge­schmack der Wohnung gefreut, wenn wir die Wohnungstüre öffneten. Und wie erholsam war es, nach dem Skifahren im sonnendurch-fluteten Stübli im Trainings­anzug die Zeitung zu lesen und sich nicht wie im Hotel zum Essen umziehen zu müssen. Dazu kam, dass die Lage des Hauses geradezu ideal war: Nahe den Läden zum Einkaufen, nahe zur Gondelbahn nach Marguns, und auch nahe von diversen Restaurants zum Nachtessen, wenn es etwas zu feiern gab. Trotz der Kleinheit der Wohnung haben wir verschiedene Familienfeste hier oben ge­feiert, wobei bei der Überbelegung eine zusätzliche Dusche und allenfalls ein Zimmer mehr sehr willkommen gewesen wären. Was kann man hinterher schöneres von einer Ferienwohnung sagen, als dass es uns alles in Allem einfach sehr wohl hier war.

Manchmal haben wir unter den Unzulänglichkeiten der Wohnung auch etwas gelitten, darüber hie und da sogar geflucht - und trotzdem ist sie uns ans Herz gewachsen. Wir begannen früh, jeweils bei unserer Abreise gewisse persönliche Effekten im Estrich einzustellen, was das Packen für die Aufenthalte wesentlich erleichterte. Seither war immer auch ein kleines Werkzeugsortiment dabei, mit welchem ich anlässlich unserer Aufenthalte regelmässig tätig wurde. Oft kam ich mir wie ein Haus­wart ohne Anstellungsvertrag vor, und ich denke, dass wir damit verschiedene Unterhaltskosten einsparen konnten. Dafür habe ich andrerseits aber auch oft ausgerufen, wenn ich gewisse Zustände nicht nur für uns, sondern vor allem auch für unsere Mieter als untragbar ansah. Ich erinnere nur

  • an die anfängliche, grauenhafte Sitzgarnitur im Wohnzimmer, auf welcher nach kurzer Zeit regelmässig der Rücken schmerzte und sich des farbigen Stoffmuster wegen beinahe die Netzhaut der Augen des Betrachters ablöste,
  • ganz abgesehen von dem tonnenschweren Steinmosaik-Tisch mit dem abstrusen Design, oder
  • an den miserablen, sehr kleinen Fernseher aus TV-Anfängen mit knapp vier Sendern, davon RAI I und RAI II, mit himmeltrauriger Empfangsquali­tät und wohlgemerkt ohne Fernbedienung, was der Sportlichkeit zu Gute kam, oder
  • an den schmalbrüstigen Balkon mit den unfall­trächtigen, morschen Bodenbrettern, auf wel­chem man infolge der Schmalheit sowieso nur wie im Tram hintereinander sitzen konnte, oder
  • an die bei unserer Ankunft immer wieder ver­stopften Abläufe im Bad an Lavabo und Bade­wanne, die sich aber mit dem Draht in meinem kleinen Ferienwohnungs-Werk­zeug­kasten immer wieder durchgängig machen liessen, oder
  • an die verkalkte Warmwasserleitung der Bade­wan­nenarmatur, welche jedes Jahr weniger Warm­wasser durchliess, sodass man sich ein Bad einlaufen lassen und ohne Weiteres noch in Ruhe Essen oder ein Buch lesen konn­te, ohne sich der Gefahr eines Überlaufens auszusetzen. Auch musste man deshalb zwangsläufig über die Jahre immer kälter Duschen, damit die Dusche überhaupt noch funktionierte und nicht nur ein müdes Bächlein aus der Brause tropfte. Um überhaupt nass zu werden, musste man eigentlich schon von allem Anfang an unter der Dusche praktisch hin und her rennen, und, und, ...

In Anbetracht des nahen Miet-Endes mit der erwähnten, langsam aufsteigenden Wehmut habe ich diesen vergangenen Winter 2006/07 einige Notizen gemacht und auch ein paar Fotos geschossen. Zwangsweise kommen im Folgenden natürlich eher kritische Erlebnisse und Gefühle zur Sprache, wohl wissend, dass alles Positive leider immer wieder als nor­mal hingenommen wird und hier viel zu wenig zur Geltung kommt. Ich hoffe aber, dass ich mit den folgenden Beschreibungen die Wohnungsbenützer der letzten Jahre etwas zum Schmunzeln bringen kann, vielleicht auch Freunde und Bekannte, die uns von der Chesa Caflisch erzählen hörten. Falls mir dies gelingen sollte, habe ich mein Ziel erreicht.

Das Haus
Der nächste Weg zu Fuss vom Dorf Celerina zu "unserem" Haus führte von der Via da la Staziun durch die kleine Fussgängerunterführung in die Vietta Schlattain, wobei bereits diese Unterführung ein absolutes Juwel ist: Die Seitenwände sind Mauern aus roh beschlagenen Steinen, teils sind sie aber auch verputzt und äusserst originell bemalt. Die Decke besteht aus einigen arg rostigen Doppel-T-Trägern, deren Zwischenräume mit Beton ausgegossen sind; als Passant durchquerte man diese renovationsbedürftige Unterführung mit einigem Unbehagen, besonders wenn oben gerade die Rhätische Bahn darüber fuhr. Vom Dorf her führt ein leicht abfallender Zugang zur Unterführung, während bergseits eine Treppe den Höhenunterschied überwindet. Am Anfang, in der Mitte und am Ende der Unterführung befinden sich Wasserabläufe im Fussboden. So sehr dies im Sommer für die Entwässerung von Vorteil ist, bildet sich jeweils im Winter sofort ein wunderbarer, natürlicher Eiskanal, worauf die Eismeister am Bob- und Skeleton-Run St. Moritz-Celerina echt eifersüchtig werden konnten. Ungesplittet sollte sich kein Fussgänger ohne übergezogene Spikes an den Schuhen da hindurch wagen.
Diese Unterführung darf nicht verwechselt werden mit jener beim Parkplatz der Celeriner Bergbahnen, welche auch für Autos bestimmt ist. Sie ist zwar nicht wesentlich schöner und auch nicht viel höher als die Fussgängerunterführung. Hingegen benutzten sie unsere Jungen Lexi und Philipp auf dem Weg in die Ferien in die Chesa Caflisch, um die auf dem ihrem Autodach befestigten zwei Mountain-Bikes effizient, rasch, und relativ kostenintensiv abzuladen.   
Typische Bündnerhäuser empfinde ich als ausserordentlich schön, und zwar nicht nur alte, mittelalterliche, nein, auch viele moderne Häuser sind es. Unsere als Adresse so wohl klingende Chesa Caflisch habe ich immer als eine der hässlicheren Häuser von Celerina beschrieben. Es ist das, was ich bei Häu­sern als Spar­gel bezeichne: Hier stimmen die Propor­tionen einfach überhaupt nicht. Das Haus ist im Ver­­­hält­nis zur Breite oder zum Grundriss viel zu hoch.
Ob­wohl das Haus auf ei­nem grossen, ein­gezäunten Grund­stück von schät­zungsweise 2000 m2 steht, besitzt das Haus eigenar­ti­ger­weise trotzdem keinen eigenen Parkplatz für die Bewohner. Es wäre eigentlich so einfach gewesen, in der Wiese neben dem Haus einen Parkplatz zu bezeichnen und den Gartenzaun etwas zu versetzen. Alle diesbezüglich unternommenen Vorstösse scheiterten jedoch ausnahmslos. Vor allem in der Hochsaison war das Parkieren eine absolute Lotterie. Am besten liess man das Auto immer stehen, wenn man einmal den praktisch einzigen öffentlichen Parkplatz in der Nähe zwischen dem Entsorgungs-schuppen und dem Elektrokasten des EW Celerina ergattert hatte. Fuhr man trotzdem einmal weg, konnte man jeweils Wetten abschliessen, ob der Platz bei der Rückkehr noch oder wieder frei war. Glücklicherweise hatten wir seit einigen Jahren die Bewilligung erhalten, beim ersten Klassenlagerhaus links an der via Chalchera einen der Parkplätze zu benützen. Nicht vergessen werden darf im Zusammenhang mit dem Parken in freier Natur das damit zwangsweise verbundene Schneeschaufeln und Enteisen der Scheiben. Was habe ich in Celerina Eis gekratzt und Schnee geschaufelt! Wenn dann auch noch die Dachlawine vom Entsorgungsschuppen das Auto richtig einbuddelte, brauchte man neben dem Schaufeln keinen anderweitigen Sport mehr. Und wenn man einmal vergass, die Scheibenwischer hochzustellen, waren sie am anderen Morgen sicher angefroren.

Um nochmals auf die diskrete, äussere Schönheit der Chesa Caflisch zurückzukommen: Zur Ehrenrettung muss noch gesagt werden, dass zusammen mit dem benachbarten, behäbigen Haus an der Vietta Schlattain die Chesa Caflisch zu den ältesten Häusern von Celerina nördlich der Bahnlinie gehören, was auf einer alten Foto im Hotel Cresta Palace dokumentiert ist.

Im Keller des Hauses befindet sich ein grosser, heller Raum, der früher Kindergarten der Skischule gewesen sein soll. Deshalb besitzt er einen eigenen Eingang mit Windfang, ist relativ gross und hell, und besitzt ausserdem die beste Toilettenanlage des ganzen Hauses. Dieser Raum diente uns im Winter als Skiraum. Daneben war er dem Hausbesitzer ein Edel-Abstellraum: Neben Tischen und Stühlen des ehemaligen Kindergartens waren hier nicht gebrauchte Möbel, Matratzen, kaputtes Mobiliar so­wie ein antikes Buffet zu finden. Daneben stand immer ei­ne Ho­belbank herum. Während mir die Hobelbank immer wieder vorzügliche Dienste beim Wachsen der Lang­lauf­skis leistete, bedienten sich unsere Jungen hier jeweils für die Nacht mit Matratzen, wenn sie uns einmal "au grand complet" besuch­ten.

Vor einigen Jahren war der Spannteppich im Treppenhaus an einer Trittkante durchgelaufen, dann an einer Zweiten, einer Dritten. Der Spannteppich war der gleiche wie in der Wohnung und stammte wahrscheinlich noch aus dem Spann­teppich-Boom nach dem 2. Weltkrieg. Wir konnten jeweils fast Wetten abschliessen, ob bei der nächsten An­kunft wieder bei einer Stufe mehr die Tritt-Kante durch­ge­treten war. Innerhalb der Wohnung war der Teppich zwar hösslich, jedoch sehr pflegeleicht, was nicht nur den Mietern sondern auch der armen Frau Zanini zu Gute kam, die jahrelang für uns die Wohnung in Ordnung hielt.
 
Die Wohnung:

Das Wohnzimmer:
In den ersten Jahren herrschte ein ewiger Kampf um die Wohnungstemperatur zwischen der exklusiven Mieterin im Erdgeschoss, Frau Paumier, und uns, den Mietern im ersten Stock: Der Innenthermostat befand sich in unserem Wohnzimmer, und wenn Frau Paumier zu kalt hatte, und sie hatte oft zu kalt, und man die eingestellte Temperatur er­höhen musste, dann wurden wir im ersten Stock richtiggehend gesotten. Ich war sehr stolz, als wir endlich durchgesetzt hatten, dass an allen Heizkörpern thermostatische Regulierventile montiert wurden. Da sich in unserer Wohnung die obersten Heizkörper des Hauses befanden, gurgelten diese meistens bei unserer Ankunft und sollten entlüftet werden. Dem konnte aber sehr einfach abgeholfen werden. In meinem kleinen Werkzeugsatz war deshalb schon nach den ersten Aufenthalten ein kleiner Entlüftungsschlüssel für die Heizkörper. Das Schwierigste am Entlüften war jeweils, möglichst bald eine leere Weinflasche zur Hand zu haben, denn damit geht es am einfachsten. Das konnten wir aber glücklicherweise selbst beeinflussen: Wir wurden geradezu gezwungen, sofort einen Apéro zu veranstalten.

Seit die oben angedeutete, überfällige Sitzgruppe samt Tisch ersetzt wur­de, war im Wohnzimmer eigentlich wenig zu bemängeln, ausser dass ich Pedal vor ein paar Jahren einmal drohte, das bereits oben beschriebene, Uralt-Fern­sehgerät im Format "Mini" eigenhändig durchs geschlossene Fenster auf die Strasse zu werfen. Erst dann durfte ich endlich bei Loepfe-Antennen­bau ein zeitgemässes Modell anschaffen.

Die wunderbare, gedrechselte Holz-Ständer­lampe musste ich praktisch jeden zweiten Aufenthalt demontieren, da oft nur noch eine einzige Lampenfassung von dreien funktionierte. Ich habe dadurch die Lampe richtig gerne bekommen. Seit etwa 5 Jahren brachte ich auch mit grösstem Aufwand jene Fassung, die indirekt gegen die Decke leuchtet, leider nie mehr zum Funktionieren. Mit dem Fuss und dem Schaft hätte man sich übrigens sehr gut auf eine Gewichthebe-Meister­schaft vorbereiten können, und der frei aufgelegte, grosse Lampenschirm hing meistens schief im Raum und man tat gut daran, sich einfach möglichst schnell daran zu gewöhnen!

Auch die kleine Lampe auf der Heizung habe ich ei­ni­ge Male reparieren müssen. Daneben brannten bei un­serer Ankunft in der Wohnung meistens ein paar Glüh­­­birnen nicht, und die Sicherungen waren oft auf­gebraucht. Solange Elektro-Weisstanner einen La­den hatte, kaufte ich jeweils dort Ersatz. Jetzt kann man die Glühbirnen gleich mit dem Obst und dem Kaffee kaufen, denn COOP hat ein gutes Angebot an Glüh­birnen.
Um beim Elektrischen zu bleiben, so erinnere ich mich an einen Aufenthalt ganz am Anfang, als ich fest­stellte, dass mir nach einer Reparatur die Si­cher­ung durchbrannte. Ich suchte am riesigen Elektro-Tab­leau im Unterge­schoss nach den Sicherungen der Wohnung im 1. Stock, fand aber nichts. Darauf telefo­nierte ich Elektro­-Weisstanner, der sich aber am Tele­fon nicht an die Wohnung erinnern konnte. Er empfahl mir aber, einmal hinter allen Bildern nach dem Sicherungskasten zu suchen, vor allem im Kor­ridor. Und prompt fand ich ihn hinter einer wunder­bar gestickten Webprobe am Kamin.

Auch anlässlich unseres allerletzten Ferienaufenthal­tes im März 2007 waren im Wohnzimmer zwei Glühbirnen zu ersetzen, wobei, wie meistens, das Lager an Glühbirnen im Kinderzimmer bis auf eine 25 W Birne ausgeschöpft war. Schon wollten wir es bei den kaputten Glühbirnen bewenden lassen, als am zweitletzten Tag abends im Badzimmer auch noch die Leuchtröhre oben am Spiegelschrank ihren Dienst aufgab. Eine der sonst vorhandenen Lampen oder Lämpchen, die alle immer noch nur alte, zweipolige Stecker besitzen, konnte man im Badzimmer nicht einstecken, da es dort vorschriftsgemäss nur einen dreipoligen Stecker gab, und in der Wohnung kein zweipoliges Verlängerungskabel vorhanden war. Zum Glück wusste ich von meiner "Hauswartstätigkeit, dass in einem Allerwelts-Behälter im Besenschrank der Küche neben diversen abartigen Gegenständen ein einzelner, moder­ner, dreipoliger Stecker vorhanden war. Das abendliche Wechseln des Steckers an ei­nem Nachttischlämpchen des Kinderzimmers verhinderte romantisches Candlelight-Zäh­neputzen und Toilettenbenützen, sofern es da überhaupt irgendwo eine Kerze gegeben hätte. Am anderen Morgen vor acht Uhr war ich nach telefonischer Anmeldung bereits wieder einmal bei Elektro-Weisstanner, um Ersatz zu besorgen. Rückmontage des Nachttischlämpchen-Steckers, das Ersetzen der Leuchtröhre im Bad sowie das Auswechseln der nun trotzdem noch gekauften Glühbirnen fand alles noch vor dem Morgenessen statt.    

Erwähnenswert sind vielleicht hier noch die Fensterladen, wobei das Folgende für alle Laden an Fenstern und Balkontüren gilt. Die Befestigungseinrichtung der Laden hat scheinbar unter Wind und Wetter, Hitze und Frost derart gelitten, dass es überall 5 bis 10 Millimeter Spiel gab. Sobald der Ma­lojawind, der Nordföhn oder irgend sonst ein kräftiger Wind blies, begannen sämtliche Fen­sterläden inklusive der Läden bei den Balkontüren derart zu "chlefelen", dass es mit der Ruhe vorbei war. An Schlaf oder konzentriertes Lesen war so jeweils nicht mehr zu denken. Was habe ich Zeitungen zwischen die Haltevorrichtung und die Laden geklemmt und Wäsche­klammern zerstört, um mit den keilförmigen Teilen die La­den festzuklemmen. Alles um­sonst; bei der nächsten An­kunft begann der Kampf je­weils von neuem!

Küche
Die Wohnküche mit dem grossen Tisch und der Eckbank war für die Ferienwohnung eigentlich sehr praktisch. Die Eckbank hatte glückli­cher­weise unter dem Sitz sehr viel Platz, um Häss­liches zu verstauen, welches viele Mie­ter gut mei­nend hier zu­rückliessen, oder böser gesagt hier "entsorgten". Es scheint ein Bedürfnis von vielen Ferien­wohnungsmie­tern zu sein, mit irgendwelchen skur­rilen Gegenständen eine persönliche Spur zu hinterlassen.

Wahr­schein­lich wurde einmal ein neuer Küchenboden auf­ge­dop­pelt, sodass die Höhe der Küchenkombination mit Aus­guss, Abtropfbrett und Arbeitsfläche arbeitsphy­sio­lo­gisch zu niedrig geworden war, was das Arbeiten daran (ohne Ge­­schirrwaschmaschine) sehr mühsam machte. Das Spiel zwischen Fussboden und dem Türchen für den Kehrichtkübel unter dem Ausguss war damit so knapp ge­worden, dass man sich hier recht gut die Zehen ein­klem­men, bei zu energischem Öffnen durchaus auch ernsthaft verletzen konnte.

Der Dunst-Abzug über den drei alten Platten des Kochherds tönte wie ein Rasenmäher, nur saugte er leider et­was weniger. Der Kochherd war eher ein älteres Modell mit drei Platten. Seit eine davon vor ca. 3 Jahren ersetzt worden war, konnte man sogar wieder etwas aufwärmen, ohne so­­fort ein Buch dazu lesen zu müssen.

Der fast antike Backofen hingegen wäre eine Supergele­gen­heit für einen Werbespot von Zug mit Martina Hingis gewesen: Man konnte zwar an einem Drehknopf die Tem­peratur einstellen; ob diese Temperatur dann im Ofen aber auch herrschte, konnte man nicht feststellen, denn es gab keinen Thermostaten. Da überdies die Türe nicht mehr richtig schloss und bei der Backofenbenützung die ganze Küchenkombination samt Herdplatten und Chrom­stahlabdeckung bis zum Kühlschrank richtig schön warm wurde, konnte man damit, wie mit einem Kachelofen, auch sehr gut heizen. Auf alle Fälle stellte bei der Back­ofenbenützung das Re­gu­lier­ventil am Heizkörper die Heizung der Küche sofort ab!

Da es keine Küchentüre gab, haben wir jeweils bei stärkeren Geschmacks­em­is­sionen die wunderbaren, schwe­ren und rustikalen Türvorhänge am Türrah­men gezogen, am Besten gleichzeitig auch jene am Türrahmen des Wohnzimmers, da auch dort eine Türe fehlte. Die­se dop­pelte Vorhangschleuse wirkte nicht nur gegen Küchenge­ruch in der Wohnung, sondern gleichzeitig auch noch hervorragend als Lärm­schutz gegen den Dunstabzug.

Die ehemalige Türe von der Küche direkt ins Wohnzimmer wurde mit einer Holzwand geschlossen und davor im Türrahmen ein Küchengestell für besonders aparte Einzelstücke der Wohnung ein­gerichtet, wobei zusätzlich die Tablar-Vorderkanten mit rustikal gestick­ten Bordüren verkleidet waren, was noch etwas mehr Leben ins Gestell brachte.

Nicht vergessen werden darf in dieser Beschreibung die zuoberst auf diesem Ge-stell zwischen zwei undefinier­ba­ren, farbigen Glastellern thro­nende, wunderbare, batterie­betriebene Küchenuhr, für die sich unsere Enkel je­weils so begeistern konn­ten: Das Zif­ferblatt war ei­gentlich ein neo-antiker De­­­korationsteller, wie sie oft an Wände gehängt wer­­den. Auf der Hinterseite war das Uhrwerk angebracht, und in der Tellermitte befand sich ein Loch, durch welches der Schaft mit den daran be­festigten Zeigern nach vorn führte. Falls der Dunstabzug nicht ge­rade in Betrieb war, konnte man, sofern sie lief, sogar ein leises, verspieltes Ticken hören.

Fenster und Vorfenster in der Küche waren im Winter meistens beschlagen, da sie nicht mehr richtig schlossen, sehr oft so­gar mit schönen Eisblumen ver­ziert. Der Raum zwischen Fenster und Vorfenster war eine sehr angenehme und willkommene Vergrösserung des winzigen Kühlschrankes. Manchmal konnte man ihn sogar als Tiefkühlfach benutzen!

Elternschlafzimmer:
Das Elternschlafzimmer war von den Proportio­nen und von der Einrichtung her das schönste Zimmer der Wohnung. Die Möblierung war aus Arvenholz. Der grosse Schrank, das Kombi­mö­bel (Büchergestell/Kommode), Bett und Nacht­­tischchen bildeten eine echte Einheit. Ur­sprüng­lich waren auch zwei schöne, geschnitzte Stühle dazu passend. Vor etwa zwei Jahren ent­deckten wir bei unserer Ankunft einen der Stühle als zerbrochene Ruine im Un­ter­ge­schoss, und im Schlafzimmer stand an seiner Stelle ein ge­wöhnlicher, mo­derner Stuhl. Mir kam au­gen­blicklich der alte Witz von den antiken Stühlen in den Sinn: In einer Ausstellung standen drei wun­der­bare antike Stühle so­wie ein hässlicher, moderner Hocker. Je­mand frag­te nach dem Stil der Stühle. Die Antwort war: Dieser ist Louis XIV, die­ser Louis XVI, jener Louis XV, und der da … Louis Arm­strong.
Das eine Bett war durchaus in Ordnung und normal "be­schlaf­bar". Die zweite Matratzenkombination war aber von Anbeginn weg eine Zumutung: Man versank darin wie im tiefen Schnee. Vom wunderbaren, offenen, aber kaum benutzten Gestell hinter der Kin­derzimmertüre hatte ich deshalb schon in den ersten Jahren Holztablare entwendet, bzw. entfremdet, um damit besagtem Bett die Matratze aufzubessern.
Im Schlafzimmer befand sich auch das Telefon, samt Kästchen für die An­zeige der Telfontaxen. Der Telefonapparat war ein Tisch­­mo­dell mit Wählscheibe und datierte wahrscheinlich aus der ersten Häl­fte des letzten Jahrhunderts. Es läutete so diskret, wie es sich für ein Schlaf­zim­mer ge­ziemt. Falls man sich aber im Wohnzimmer auf­hielt und die Schlafzimmertüre zuhatte, hörte man es mei­stens nicht läuten.
Ich hatte deshalb vor einigen Jahren parallel zum be­stehenden Apparat durch Elektro-Weiss­tan­ner (Man sieht, ich war durchaus ein guter Kunde von Weiss­tanner!) Tele­fon­steck­do­sen mon­tieren lassen. Seither nahmen wir immer von zuhause ein mo­dernes Gerät mit Speicher und Repeat-Funk­tion mit; und zudem konnte ich so das Notebook anschliessen, zwar nur analog, aber immerhin. Das Gute daran war, dass man nach den Ferien immer wieder das ADSL von zuhause viel mehr schätzte, wenn es plötzlich im Internet wieder so rasant ging und man sich nicht mehr in Geduld üben musste.
Weiter zu erwähnen im Schlafzimmer ist die elektrische Installation. Im ganzen Schlafzimmer befand sich nur eine einzige Steckdose, und die war sinnigerweise beim Ausgang auf den Balkon angebracht. Je nach Anzahl Anschlüssen waren mehrere Doppelstecker und Verlängerungskabel notwendig. Dadurch musste man für die Nachttischlampen, Leselam­pen, Computer oder sonstige elektrische Geräte wie Wecker, Telefonadapter usw. Kabelstränge wie in einem Industriebetrieb durch die Gegend legen. Neckischerweise gab es in der Wohnung Doppel- und Dreifachstecker mit und ohne Erdung, also Dreiloch und Zweiloch. Man konnte dann einfach hoffen, dass die anzuschliessenden Appa­rate mit den Steckern übereinstimmten; sonst begann jeweils ein Zufalls-Puzzle!
Dann darf die exklusive Schlafzimmer-Deckenleuchte nicht uner­wähnt bleiben: Sie passte eigentlich zum schönen Arvenholz-Mobiliar wie eine Faust aufs Auge, am ehesten noch zum oben erwähnten Louis Armstrong-Stuhl. An einer wun­derbaren Holzimitationskette aus Plastik hängt ein hölzerner Teller, wahrscheinlich Mahagoni oder Ähnliches. Darunter ist an einem hochglanzpolierten Messingring eine wunderbare, senkrecht durchbrochene Rauchglasschale an­ge­bracht, in wel­cher sich die Glühbirne befindet. Ein weiterer Kommentar erüb­rigt sich; das Bild spricht für sich.

Kinderzimmer:
Im Kinderzimmer ist vor allem die Kleinheit des Raumes zu erwähnen: Ich schätzte 3 ½ auf 2 m. Auf der Längsseite ste­hen das Kajütenbett und der Schrank. Das Kajütenbett besass pro Bett immerhin ein Ab­stelltablar an der Kopfseite mit je einem Nachttisch­lämp­chen. Als ich sah, was unsere Enkel mit diesen Lämpchen alles anstellten, war ich nicht mehr erstaunt, dass ich diese ebenfalls mehrfach habe aus­ein­ander nehmen und neu mon­tieren, einmal auch einen der Druck­knopf­schalter er­set­zen müssen.
Der Schrank war leider nur zu ei­nem ganz klei­nen Teil benutzbar, da darin die Bett-, Frot­tier- und Küchenwäsche der Wohnung gelagert wird. Zum Glück war aber dieser Schrank nicht allzu hoch, sodass man gewisse Dinge noch auf den Schrank legen konnte. Neben dem Kajütenbett konnte man gerade noch eine Matratze auf den Boden legen; dann war das Zimmer definitiv im wahr­­sten Sinn des Wortes belegt. Nur noch vor dem Schrank konnten Kleider auf dem Boden (!) deponiert werden.
Hinter der Türe befand sich das bereits erwähnte, offene Gestell aus rohen Tannenbrettern, das diskret mit einem Vorhang "geschlos­sen" werden konnte. Durch den bereits oben erwähnten, zweckentfremdeten Gebrauch von zwei Holztablaren zur Anreicherung der Bettqualität im Eltern­schlafzimmer war die Platzka­pa­zität des Gestells sowieso beschränkt. In Tat und Wahrheit war es eine Kreuzung zwischen Büchergestell und Besen­schrank. Es wurde deshalb auch als permanenter Standort für den Staubsauger der Wohnung, den Posti-Korb und als Reservelager für Glühbirnen gebraucht.
Zum Schluss kommen wir jetzt aber zum eigentlichen Juwel der Wohnung, dem

Badezimmer:
als eigentliche Erlebniswelt. Vorerst soll einmal die Materialwahl und  Farbgebung be­schrieben werden: An den Wän­­­den hatte es bis auf eine ge­wisse Höhe Plättli. Diese er­in­nerten stark an Basler Leckerli, nur grün statt braun, und oben an den Plättli hatte es weissen Putz. Die Dusche hatte, wie oben bereits er­wähnt, glück­licherweise keinen Power, sonst wäre rund um die Bade­wan­ne die Wand oben an den Plättli je­weils nass und damit auch grau geworden.
Absolut überzeu­gend war die Abstimmung des Heiz­­kör­per-Grün auf das Plätt­li-Grün: Mit den infolge Abblätterns der Far­be teils schwarzen Flecken und den teils mit ei­nem drit­ten Grün übermalten übrigen schad­haften Stellen des Heizkörper be­steht auch hier für die Augen des Be­trachters grosse Gefahr für eine Netzhautablösung.
Ein Höhepunkt der Bade­zimmerausstattung war der Bo­den­be­lag: Es war der mit grossem Ab­stand hässlichste Kunst­stoffplat­ten-Bodenbelag, den ich in mei­nem Leben je gesehen ha­be. Es handelte sich um von Far­be und Form her eher surreale, quadra­tische Platten von ca. 20 cm Sei­ten­länge, streng ge­ometrisch in kleine, zwar gleichgrosse, dafür aber verschieden-farbige Rhomben unterteilt. Farblich erinnerten die Rhomben wieder stark an Basler Le­ckerli, allerdings das ganze Farbspektrum von cremigem Weiss bis zu drec­kigem Dun­kelbraun ausschöpfend. Aber, und das muss zur Ehren­rettung auch gesagt sein, für eine Ferien­woh­nung ist dieser Bade­zim­merboden unheimlich gut geeignet, denn nach in­ten­sivster Woh­nungs­benützung, auch in Über­belegung, war darauf nach 2 ½ Wochen noch kein Stäubchen zu sehen, es sei denn, die tiefstehende Januarsonne konn­te zufälligerweise durch die offenen Balkon- und Zimmertüren von Eltern­schlafzimmer und Bad ihr morgendliches Streiflicht bis auf den Badzimmerboden werfen.
Nicht zu übersehen war neben dem markanten Duschvorhang eine eher seltene Art von Badezimmergestell in Form eines Metallkorbes an der Wand. Oben besass der Korb eine Art Auflage, während der untere, der eigentliche Korbteil mit einem im Alter stark ausgeweiteten textilen Um­hang versehen war, dessen Funktion für uns immer undefinierbar blieb. Was der ursprüngliche Verwendungszweck dieses für uns einmaligen Einrichtungsgegenstandes mit und ohne textilen Umhang einmal war, haben wir nie herausgefunden. Uns diente er jedenfalls als Stand­­ort oben für Feuchttüchlein und unten als Behälter für den wunderbaren, roten Haarföhn, dessen Lärmpegel die Blaswirkung aber wesentlich übertraf, in einer Art Analogie zum Dunstabzug in der Küche, wo der Lärm auch viel höher war als die Saugwirkung.
Ein weiteres Bijou im Bad war der an einer teleskopisch ausziehbaren Scheren-befestigung angebrachte Rasier- oder Frisierspiegel hinter der Türe. Wir haben ihn zwar nie gebraucht, für die Enkel jedoch war er ein bevorzugtes Wohnungsobjekt. Vor allem liebten sie das Geräusch, wenn man den Spiegel jeweils sehr rasch herauszog!
Neben dem Spiegel an der Wand montiert waren einer­seits ein apart rauchfarben getöntes Kunststoffgestell mit Glastablar sowie eine doppelte Badetuchstange aus dem gleichen Kunststoffmaterial. Wieso diese "Stangen" als ziemlich scharf- und vierkantige Lineale ausgebildet waren, wird für immer ein Geheimnis des Designers bleiben. Tatsache ist aber, dass man die einmal dort hängenden Badetücher nur noch sehr äusserst beschwerlich bewegen konnte.
Als absolute Krönung der Wohnungseinrichtung empfanden wir im Bad aber von allem Anfang an die WC-Rollen-Hal­­terung, die ebenfalls noch zu der oben beschriebenen, äusserst seltenen Bade­zimmer-Gar­nitur in rauchfarbenen Kunst­stoff gehörte. Wie auf dem Bild ersichtlich, besteht die Halterung aus den zwei an der Wand befestigten winkelförmigen Kunststoffteilen sowie aus den zwei sehr sophisticated konstruierten, mobilen Me­tallzylindern, welche in die vorkragenden Flansche der Halterung eingelassen sind. Die Zylinder sind mit je einer wi­derhacken-ähnlich funktionierenden Klappeinrichtung versehen.
Für das Einlegen einer neuen Rolle war ich über meine Ausbildung zum Maschineningenieur sehr glücklich, denn ohne höhere, technische Ausbildung oder eine minimale Unterweisung am Gerät konnten meines Erachtens nur handwerklich ausserordentlich geschickte Wohnungsmieter eine WC-Rolle wechseln. Man musste nämlich nach dem Entfernen der alten Kartonhülse zuerst den einen, am besten den rechten, mobilen Metallzylinder aus der Halterungs-Nut des Flansches ziehen, die neue WC-Rolle über den noch fixen, linken Metallzylinder stülpen, um dann, die WC-Rolle mit der linken Hand schräg an den linken Flansch drückend, mit der rechten Hand den rechten Metallzylinder leicht in die Kartonhülse der neuen WC-Rolle einzuführen und mit einer eleganten Dreh-/Stossbewe­gung den rechten Metallzylinder mit der daran hängenden WC-Rolle in seine Ausgangsposition im rechten Flansch zu hieven. Wofür die widerhackenähnlich funktionierende Klappeinrichtung an den beiden, mobilen Metallzylindern dienen sollte, habe ich während den 15 Jahren und 35 Aufenthalten in der Wohnung trotz relativ hohem, technischem Ausbildungsgrad weder je herausfinden, noch begreifen können.
Ebenfalls ein Geheimnis des Designers wird in alle Ewigkeit bleiben, wieso die Breite der Halterung annäherungsweise dem anderthalbfachen der Länge einer in unseren Breitengraden üblichen WC-Rolle entsprach. Ich fragte mich, ob diese Halterung ursprünglich eventuell für Russland konzipiert gewesen sein könnte, denn die übergrosse Schienenbreite der russischen Staatsbahnen ist auch klar grösser als die Schienenbreite der Eisenbahnen sonst überall auf der Welt. Sobald ca. 1/3 einer neuen Rolle verbraucht war, drohte diese zwangsläufig aus der Halterung zu gleiten und zu Boden zu fallen, sofern man nicht hochkonzentriert vorging und, stets darauf bedacht, den WC-Rollen-Absturz zu verhindern, Blatt um Blatt sorgfältig von der Rolle gezogen wurde. Das machte diese menschliche Verrichtung in der Wohnung richtig spannend und zu einem Erlebnis.

Damit wäre ich am Schluss meiner Erinnerungen. Wir werden in den kommenden Jahren wahrscheinlich das Caflisch nur noch von aussen bewundern können, haben wir doch gleich nebenan einen Ersatz für unsere Januar Aufenthalte gefunden. Wir wären aber nicht erstaunt, wenn demnächst bei der Chesa Caflisch die Bagger auffahren und das Haus abbrechen würden.

Wir hatten trotzdem alles in Allem viele herrliche, glückliche Stunden im Caflisch!

Vorkommende Personen:
Krapf:    Hansueli Fröhlich, Antiquitätenhändler a.D., St. Gallen
Ingrid:    Lebensgefährtin von Krapf
Pedal:    Kurt Stump, pensionierter Professor der Kt.schule St. Gallen, Teufen Elsbeth:  Gemahlin von Pedal
Veto:      Hans Ruedi Gadient, Privatier, Zollikon ZH, der Schreibende
Fischli:   Gemahlin von Veto (geb. Karpf!)
Andrea Heinzelmann: Tochter von Veto und Fischli
Lexi und Philipp Bosshard: Tochter/Schwiegersohn von Veto und Fischli

Zollikon, im März 2007, GA

Nachtrag vom Januar 2011: Die Chesa Caflisch steht immer noch, obwohl inzwischen ausser dem Klassenlager – Haus an der Via Chalchera 9 rund herum alles abgerissen und neu aufgebaut wurde. Preziosen leben scheinbar länger!

Nachtrag vom Januar 2012: Die Chesa Caflisch ist abgebrochen. Auf der grossen Landparzelle stehen jetzt zwei riesige Renditeobjekte, und die auf Seite 3 unten beschriebene Unterführung ist jetzt ganz neu gestaltet und ohne jegliches Eis!

2008: Celerina, Südamerika Kreuzfahrt, Jan zu Frank, KTV Mallorca, Gartenreise Cotswolds, Diskushernie HR, Andrea Spital, Kochferien Provence, Santorini
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8.29.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 2008: Celerina, Südamerika Kreuzfahrt, Jan zu Frank, KTV Mallorca, Gartenreise Cotswolds, Diskushernie HR, Andrea Spital, Kochferien Provence, Santorini .

8.29 2008: Celerina, Südamerika Kreuzfahrt, Jan zu Frank, KTV Mallorca, Gartenreise Cotswolds, Diskushernie HR, Andrea Spital, Kochferien Provence, Rückkehr nach Santorini

Wir starteten das Neue Jahr wie üblich mit unseren traditionellen Engadiner Skiferien in Celerina. Zum ersten Mal waren wir aber nicht mehr in unserer Ferienwohnung im Caflisch, die wir nach 15 Jahre Dauermiete im vergangenen April aufgegeben hatten, sondern ganz in der Nähe im Haus Alpina. Und wieder gab es den DeLuxe Ferienbeginn mit Verladen des Autos auf die Bahn von Thusis bis Samedan und Mittagessen im Speisewagen. Und ebenso besuchten uns am ersten Wochenende Lexi und Philipp mit Fabian und Nils und für die zweite Woche wohnten dann unsere Freunde Brunn­schweiler wieder im Hotel Cresta Palace in Celerina.

Kaum zuhause begannen die letzten Vorbereitungen für unsere zweite grosse Kreuz­fahrt um Südamerika herum, auf der Infinity, einem Schwesterschiff der Summit von der letzten Kreuzfahrt. Wie letztes Mal hatten wir wieder Concierge Class mit eigenem Balkon gebucht. Wir flogen am 13. Februar über Frankfurt nach Buenos Aires, ein nicht enden wollender Flug von 13 Stunden 40 Minuten. In Zürich waren es trockene -2 Grad, in Buenos Aires dann um ca. 21’00 Uhr Lokalzeit immer noch feuchte 28 Grad. Nach 2 heissen Tagen Buenos Aires mit viel Sightseeing und Shopping schifften wir am 15. Februar abends ein.
Ablegen mit Ziel Montevideo Uruguay. Dort hatten wir uns bei schönstem Sommerwetter für eine grosse Stadtbesichtigung und den Besuch eines Weingutes eingeschrieben. Am nächsten Tag treffen wir am Morgen in der Hafenstadt Punta del Este ein, die wir individuell besichtigen. Sie besitzt einen absolut über­dimensionierten, riesigen Yacht­hafen, wird deshalb auch St. Tropez Südamerikas genannt. Weiterfahrt abends.
Nach 1 Tag auf See treffen wir in Puerto Madryn ein. Hier haben wir einen Ausflug in die Pinguin Kolonie Punta Tomba gebucht. Nach einer langen, landschaftlich aber interessanten Bus-Fahrt sehen wir unzählige Pinguine, wir wandern mitten unter ihnen, ein einmaliges Erlebnis. Pinguine haben hier vor dem Menschen Vortritt! Neben den Pinguinen sehen wir noch ein Gürteltier, immer wieder Guanacos, und viele Vögel, die den Strand von Aas befreien.
Nach 2 weiteren Tagen auf See bei langsam kühler werdendem Wetter treffen wir schon in Ushuaia ein, die südlichste, argentinische Hafenstadt auf Feuerland, mit auch jetzt, im hiesigen Sommer, schneebedeckten Bergen im Hintergrund. Hier nehmen wir an einer Halbtages-Exkursion in den landschaftlich traumhaft schönen „Tierra del Fuego“ Nationalpark teil. Wir legen abends ab, um im Morgengrauen des 23. Februar bei einer wunderbaren Stimmung mit Sonne, Wolken und eisigem Wind die kleine Insel des Kap Hoorn zu umrunden, bevor wir wieder zurück an Ushuaia und später, bereits in Chile, an riesigen Gletschern vorbei fahren, die hier von den Bergen bis zum Meer hinunter reichen. Hier ist es auch im Sommer sehr kühl.
Nach diesem grandiosen Schauspiel treffen wir am anderen Morgen in der Magellanstrasse in Punta Arenas, Chile ein. Hier hatten wir nochmals einen Ausflug in eine Pinguinkolonie gebucht, die aber nach Punta Tomba eher etwas enttäuschend war.  Es folgten 2 schöne aber eher kühle Tage auf See, zuerst in der Magellanstrasse und dann in den chilenischen Fjorden.
Am Morgen des 27. Februar treffen wir in Puerto Montt ein. Wegen eines Busch-Brandes dürfen wir leider bis am Mittag nicht an Land gehen, sodass die gebuchte Exkursion zum berühmten Osorno-Vulkan nicht mehr möglich ist, nur noch ein Halbtagesausflug an einen nahen See bei jetzt wieder leicht wärmeren Temperaturen. Nach einem weiteren Tag auf relativ unruhiger See und mit Nebel bis am Mittag treffen wir in La Serena ein. Nun ist es wieder richtig Sommer und wir haben bereits den letzten Abend vor uns.
Dann, als wir am Samstag, 1. März erwachen, sind wir bereits im riesigen Containerhafen von Valparaiso angedockt. Die Ausschiffung klappt reibungslos, und wir werden von einem Reiseführer mit Chauffeur zur Fahrt nach Santiago de Chile und dort zur Stadtbesichtigung erwartet. Auf dem Weg nach Santiago besuchen wir noch ein Weingut. Eindrücklich in Santiago ist die am Horizont immer sichtbare, über 6000 m hohe und gletscherverzierte Bergkette der Anden. Wir beziehen unser Hotel erst nach der Stadtbesichtigung und geniessen nach einem Schläfchen dann bei einem letzten, feinen Nachtessen den prächtigen Sommerabend im Hotelgarten.
Anderntags, Sonntag, 2. März ist mittags Abflug mit Swiss und Zwischenhalt in Sao Paulo. Glücklicherweise haben wir mit Meilen ein Upgrading in die Business­ Class erhalten und können so den wiederum sehr langen Nachtflug richtig geniessen und uns verwöhnen lassen. Am Montag sind wir um 11’45 wieder zuhause in unserem Heim in Zollikon.

An Ostern waren traditionellerweise unsere Töchter mit ihren Familien zum Brunch bei uns, wobei die Enkel nachher im Garten die versteckten Osternestli suchen müs­sen, dieses Mal eher bei kühlem Wetter. Zum ersten Mal fehlte von den fünf Enkeln Jan, der seit kurzem bei seinem Vater Frank wohnt. Dass Jan neu bei seinem Vater in Konstanz das Gymnasium besucht, ist ja an und für sich positiv. Die Art aber, wie Frank die Verpflanzung von Jan von der Mutter zum Vater heimlich vorbereitet und dann ohne Vorankündigung durch­zog war doch sehr bedenklich.

Anfangs April verbrachten wir zusammen mit den Altherren des KTV wieder eine Wanderwoche auf der Insel Mallorca, wo wir wie immer im Hotel Don Leon in Colonia St. Jordi stationiert waren. Auch wenn die Wanderungen zeitlich dem fortgeschrittenen Alter der Teilnehmer etwas angepasst werden mussten, tat dies der guten Stimmung keinen Abbruch, und es war wie immer eine schöne und lustige Woche.

Ende Mai nahmen wir zusammen mit unseren Freunden Brunnschweiler an Barbara und Claus Scalabrins Gartenreise nach England teil, dieses Jahr in den Cotswolds, einer sehr harmonischen Landschaft, oft auch „Bilderbuch-England" genannt. Und wieder genossen wir die Gärten, Parks und Häuser und nahmen auch den einen oder anderen Anstoss für Veränderungen im eigenen Garten mit. Mit zunehmender Dauer der Reise verspürte ich starke Schmerzen im rechten Oberschenkel, sodass ich auf die Einnahme von Voltaren angewiesen war. Es behinderte mich zwar, es war aber zum Aushalten.

Wieder zuhause konsultierte ich am Montag den Hausarzt. Nachdem ich ihm noch von einem Kribbeln auf der Haut des Unterschenkels berichtete, diagnostizierte er sofort einen Bandscheibenvorfall und meldete mich für eine Untersuchung im Computertomographen an. In der Nacht auf den Dienstag wurden die Schmerzen aber unerträglich, sodass ich sofort untersucht wurde. Es bestätigte sich die Vermutung des Hausarztes und er verwies mich an den Rückenspezialisten Dr. Wälchli, der mich aber erst nach 7 Tagen untersuchen konnte. Da ich in der Zwischenzeit schmerzbedingt nicht mehr liegen konnte, verbrachte ich die Nächte möglichst gerade sitzend auf einem Stuhl, bis eine Infiltration ins Rückenmark etwas Linderung brachte. Nach dem Untersuch durch den Spezialisten und einem zusätzlichen MRI empfahl er mir die Operation. Nun ging es sehr schnell: Am 26. Juni wurde ich operiert, am 30. Juni konnte mich Fischli bereits heimholen. Ich erholte mich dank meinen sportlichen Tätigkeiten sehr schnell, und am Tag nach der Abschlusskonsultation vom 5. August durch den Spezialisten ging ich das erste Mal wieder Rudern! Seither geht es mir gut. Ich muss einfach aufpassen, dass ich mich nicht übertue, sonst merke ich es sofort im Rücken.

Nach diesem Intermezzo im Spital blieben wir zwangsweise den ganzen Sommer schön brav zuhause, mussten aber nur das traditionelle KTV-Wanderwochenende im Engadin annullieren, denn nach der grossen Südamerikareise hatten wir im Sommer sowieso zuhause bleiben wollen. Erst Ende August, nach den Schulferien, wollten wir für eine Woche ins Badhüsli, da musste am 24. August Andrea not­fallmässig mit Gallenproblemen ins Spital eingeliefert werden. Selbstverständlich sprangen wir als Ersatz­eltern sofort ein und ermöglichten vorerst einmal den normalen Schulalltag in Uitikon, bis Lexi die Buben der älteren Schwester zu sich nach Uster nehmen und dort zusammen mit ihren Kindern dort zur Schule senden durfte. Schön, wie die Familie während diesen 5 Wochen Spital- und Rekonvaleszenzzeit von Andrea zusammenstand und die Schwierigkeiten meisterte, vor allem durch einen übergrossen Einsatz von Lexi und Philipp, welcher nicht selbst-verständlich war.

Wir hatten infolge der Krankheit von Andrea unsere geplanten Septemberreisen in die Provence- und nach Santorini bereits abgeschrieben. Dank Lexis Einsatz konnten wir dann aber trotzdem an den Kochferien von Rolf Grob in der Bastide Neuve in le Cannet des Maures teilnehmen. Die Tagesabläufe waren die gleichen wie im Vorjahr. Im Gegensatz dazu blieben wir tagsüber meistens im Park der Bastide. Nach einem feinen, kalten Lunch und verbrachten wir den Nachmittag meistens mit Faulenzen, Baden und Lesen. Laura und Hans Gremli waren mit dabei und hatten ebenfalls viel Spass. Vor und nachher waren wir noch einige Tage allein in der Provence unterwegs und entdeckten in Seillons ein wunderbaren kleinen Ort, an dem wir nicht das Letzte Mal waren.

Für die dritte Septemberwoche hatten wir über das Reisebüro des TCS eine Badewoche auf der griechischen Vulkaninsel Santorini gebucht. Wir hatten ein äusserst günstiges Angebot gesehen und konnten durch Rückfragen und Informationen aus dem Internet unsere Zweifel an der Qualität des Aufenthaltes ausräumen. Die Reise war schlussendlich wirklich grandios mit vielen Höhepunkten, wie der Besteigung des „Kohlehaufens“ in der Caldeira oder dem Sonnenuntergang auf einem Ausflugsboot unterhalb des Städtchens Oia. Damit hatten wir den Vorsatz, einmal nach Santorini zurückzukommen verwirklicht, den wir vor einigen Jahren nach dem Inselhüpfen auf den Kykladen gefasst hatten.

Die Finanzkrise erwischte auch uns: Obwohl ich glücklicherweise im letzten Jahr mein Portfolio auf mehr Sicherheit umgeschichtet hatte, wurde gegen 30 % des dort angelegten Vermögens verbraten. Im Vergleich zu unseren Freunden Brunnschweiler ging es uns aber noch gut, denn sie verloren den grössten Teil ihres doch sehr beachtlichen Vermögens. Wir verordneten uns einen scharfen Sparkurs und mussten in die Wege leiten, wie wir den künftigen Kapitalverzehr organisieren wollen (Ich habe keine Pension, da ich seinerzeit die Kapitalabfindung wählte, weil ich befürchtet hatte, dass Hans Widmer nicht nur die BALLY Immobilien weltweit in dreistelligen Millionenhöhe verscherbelte, sondern auch noch die Pensionskasse plündern würde).

Anfangs Dezember rief überraschend Jan an, um uns zu sagen, dass er an Weihnachten gerne mit der Mama und den Brüdern zu uns komme; er hätte dies bereits mit ihr besprochen, was uns unerhört freute. Also würde Weihnachten wieder fast im üblichen Rahmen stattfinden können. Gemeinsam schleppten Fischli und ich „Food ans Beverages“ an, bliesen Luftmatratzen auf, zogen Betten an und trafen alle Vorbereitungen für ein volles Haus. Unsere Töchter feierten mit ihren Familien wie immer zuerst bei sich, bevor sie dann ab 23. Dezember gestaffelt bei uns eintrafen und unser Haus wieder einmal aus allen Nähten platzte. Dieses Jahr lief am 24. Dezember das Programm nicht streng nach dem schriftlich festgelegten, langjährigen und von allen unterzeichneten Protokoll ab: Erstens hatten wir neu den Familiengottesdienst um 15’30 Uhr in der nahen Zollikerkirche ins Programm aufgenommen, nachdem letztes Jahr ein ad hoc Kirchenbesuch bei Gross und Klein grossen Anklang gefunden hatte. Und zweitens sind inzwischen die Kinder etwas älter geworden, d.h., man kann nicht mehr erwarten, dass sie schon um 20’00 Uhr ins Bett gehen. Dementsprechend wurden nach der Rückkehr vom Gottesdienst zuerst alle Vorbereitungen für das Essen getroffen, dann die Kerzen angezündet, gesungen sowie die Bescherung durchgeführt und erst nachträglich gegessen. Es war ein schöner, sehr harmonischer Tag.
Wir waren auch ohne Frank wirklich noch eine gut harmonierende Familie. Wie durften wir Freude haben an unseren Enkeln. Ich machte mir zwischendurch den Vorwurf, dass ich mich zu sehr von meinem Beruf hatte vereinnahmen lassen und mich deshalb etwas zu wenig mit meinen Töchtern beschäftigt hatte. Nachträglich ist man immer gescheiter: Könnte ich nochmals, so liesse ich mich mehr vom Grundsatz leiten, dass es wichtiger ist, mehr mit den halbwüchsigen Mädchen Andrea und Alexa zu spielen, mit ihnen Gespräche zu führen, sie anzuhören, ihnen wie ihrer Mama von meinem Beruf zu erzählen und uns gegenseitig viel mehr am Leben teilnehmen zu lassen.

Das am 26. Dezember stattfindende verwandtschaftliche Singen am Christ­baum samt Bescherung im Nach­bar­haus bei Mar­theli Oechsli-Welti sowie das anschliessende Essen bei uns (dieses Jahr mit total 18 Personen) war der traditionelle Schlusspunkt der Weihnachtsfeierlichkeiten. Wiederum war es sehr schön gewesen, unsere beiden jungen Familien mit viel Betrieb bei uns im Haus zu beherbergen. Es war dann aber auch schön, als am 27. Dezember im Haus wieder die grosse Ruhe einkehrte.

Für Sylvester hatten wir uns Billete für das Lunchkonzert in der Tonhalle besorgt und nach dem Konzert machten wir einen Besuch im Kunsthaus, um dann nach Hause zu fahren und gemeinsam ein exklusives Sylvester-Menü zu kochen und den Jahresausklang wie gewohnt in stiller Zweisamkeit zu geniessen.

2009: Celerina, Heizungssanierung, Verkauf Maisonettli, Burgund, Gartenreise Norfolk. Kochferien Provence, Senioren im Klassenzimmer
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8.30.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 2009: Celerina, Heizungssanierung, Verkauf Maisonettli, Burgund, Gartenreise Norfolk. Kochferien Provence, Senioren im Klassenzimmer.

8.30 2009: Celerina, Heizungssanierung, Wechsel von Wegelin zu VZ, Verkauf Maisonettli, Gartenreise Norfolk. Kochferien Provence, Senioren für Senioren, Senioren im Klassenzimmer

Wir starteten das Neue Jahr mit unseren traditionellen Engadiner Skiferien in Celerina. Zum zweiten Mal waren wir im Haus Alpina. Infolge der Sparmassnahmen verzichteten wir aber auf den DeLuxe Ferienbeginn mit Verladen des Autos auf die Bahn von Thusis bis Samedan und Mittagessen im Speisewagen und auch auf Essen auswärts. Am ersten Wochenende besuchten uns wiederum Lexi und Philipp mit Fabian (10) und Nils (8), die mir bereits ganz gehörig um die Ohren fahren. Und in der zweiten Woche kamen unsere Freunde Brunn­schweiler für zwei Tage zu Besuch. Wir fuhren nur Ski alpin, wenn kein Wölklein am Himmel war. Sonst machten wir ohne Skis zu Fuss Touren auf den vielen, prächtig unterhaltenen Winterwanderwegen des Oberengadins. Langlaufen wäre zwar besser für den Bauch, die Langlaufskis hatten wir aber auch dieses Jahr gar nicht mehr mitgenommen!

Im Februar März musste unsere Gasheizung ersetzt werden, da der alte Apparat viel Wasser verlor. Philipp musste während unseren Engadinferien einmal Wasser nachfüllen, damit die Heizung während unserer Abwesenheit intakt blieb.

Zusammen mit dem VZ-Vermögenszentrum wurde eine Lösung für unser Liquiditätsproblem erarbeitet. Als optimale Lösung entpuppte sich der Verkauf der zwei zu diesem Zweck bereits früher ausparzellierten Maisonettwohnungen der Überbauung, wozu Sandra und Roland Hand reichten. Der Verkauf wurde in die Wege geleitet und schlussendlich durch Vermittlung von André Diem Ende Juni an Familie Dinner getätigt. Gleichzeitig entschieden wir uns, mit unserem Potfolio von Wegelin zum VZ-Vermögenszentrum zu wechseln. Dazu verlangte das VZ alles zu verkaufen bis auf die ZKB ETF Goldanteile, auch bei schlechtem Kurs, und dann die Barmittel zu transferieren.

Ende September hatte ich einen Wutanfall, als ich in der Quartals-Rappotierung sehen musste, dass beim VZ der Grossteil unseres Vermögens, notabene inkl. unseren Anteil am Verkaufserlös der Maisonettewohnungen, auf einem praktisch zinslosen Konto brach lag und noch nicht investiert worden war, weil das VZ Regeln hatte, die Vermögen nicht zu schnell anzulegen, damit man nicht in einem Peak Verluste einfahre! Dabei war dieser Sommer 2009 börsenmässig ein absolutes Boomjahr.

Am 23. Februar feierten wir im Kreis der (noch lebenden) Gadient-Geschwister in Bad Ragaz den 86. Geburtstag meiner Schwester Dorli, deren Gesundheit leider in letzter Zeit merklich nachgelassen hat.

Mitte März machten wir den Winterferien-Gegen­be­such bei Brunnschweilers in ihrer Ferienwohnung in Davos. Das Wetter liess uns nicht Skifahren. Dafür machten wir ausgedehnte Winterwanderungen. Der Auftakt zu diesem Besuch war zwar nicht sehr erbauend gewesen, trafen wir uns doch zur Trauerfeier für unsere gemeinsame Freundin Christeli Holer in Zug.

An Ostern waren dann traditionellerweise wieder unsere jungen Familien zum Oster-Brunch bei uns, wobei die Enkel nachher die im Garten versteckten Osternestli suchen mussten. Erfreulicherweise waren von Andreas Buben dieses Jahr neben Per (11) und Finn (10) auch Jan (13) wieder dabei, obwohl er jetzt seit über einem Jahr beim Vater in Kreuzlingen wohnt und in Konstanz ein Gymnasium besucht. Die etwas zurückgebliebene Natur machte das Verstecken der Nestli nicht einfach, und auch das eher kühle Wetter sorgte dafür, dass die Gartenfreuden nicht überbordeten.

Aus bereits erwähnten Spargründen verzichteten wir dieses Jahr auch auf die Wanderwoche mit den Altherren des KTV auf der Insel Mallorca. Hingegen fuhren wir anfangs Mai mit Brunnschweilers ins Burgund, wo wir ein paar Tage in der Firmenwohnung der Familie Tischhauser in Moroges bei Châlons s. S. wohnten. Kunsthistorische Exkursionen, ein herrlicher Spaziergang auf den Mont Avril, Autofahrten durch diese immer wieder schöne Gegend und wunderbare Grilladen am offenen Cheminée erinnerten an frühere Zeiten, wenn wir hier jeweils mit Vrenely und Jack (sowie teilweise auch mit unseren Kindern) Ferientage verbracht hatten.

Ende Mai nahmen wir auch dieses Jahr an Scalabrins Gartenreise nach England teil. Dieses Mal bereisten wir Norfolk, eine sehr harmonische, aber klar durch das nahe Meer geprägte Landschaft. Und wieder genossen wir die verschiedensten Gärten, Arboretums und Herrenhäuser sowie einen Schiffsausflug ins Naturreservat der Seevögel und Seelöwen. Wir nahmen auch wieder den einen oder anderen Anstoss für Veränderungen im eigenen Garten mit nach Hause. Das im letzten Herbst neu angelegte Beet als Abschluss unseres Parkplatzes wurde von Barbara Scalabrin konzipiert und erinnert mit seinen Buchskugeln schon etwas an englische Gärten! Besuche in Norwich und Lowestoft liessen bei mir Erinnerungen an meine Zeit bei BALLY International AG aufleben, denn ich hatte damals öfters in den hiesigen BALLY Schuhfabriken zu tun, die heute aber beide geschlossen sind.

Über meinen Geburtstag verbrachten wir einige Tage im Badhüsli am Zürcher Obersee, wo sich dann bei schönstem Wetter auch unsere ganze Familie versammelte. In den Schulferien machten unsere jungen Familien dort Badeferien, wobei sich Andrea mit Per und Finn und dann Lexi und Philipp mit ihren Buben Fabian und Nils abwechselten. Unsere Enkel verbringen ihre Sommerferien auch wieder dort, wo schon ihre Mütter sie mit uns verbracht hatten. Und wieder steht ihnen ein Optimist zum Segeln lernen zur Verfügung. Daneben habe ich diesen Sommer meinen alten Stämpfli-Kunststoffskiff „Veto“ ins Badhüsli zurückgebracht, wo er schon vor dem Seeclub Stäfa und dem Seeclub Küsnacht stationiert war. Nach den Schulferien verbrachten Fischli und ich nochmals eine wunderbare Woche im Badhüsli, wahrscheinlich die schönste und wärmste Woche des ganzen Sommers.

Ende August verreisten wir wieder in unsere geliebte Provence. Erste Station war wie üblich das Hotel de l’Atelier in Villeneuve les Avignons, am zweiten Tag übernachteten wir in Le Lavandou, selbstverständlich erst nach dem obligaten Stadtbummel in Aix-en-Provence mit Mittagessen im „Les deux Garçons" am Cours Mirabeau. Über die mondänen Orte St. Tropez und St. Maxim fuhren wir an nächsten Tag nach dem verschlafenen Bergdörfchen Seillans (in der Nähe von Faience), wo wir auf der Durchreise ein Jahr zuvor ein wunderbares kleines Hotel mit sehr guter Küche entdeckt hatten. Von dort aus machten wir Ausflüge, einen Tag auch nach Biot, wo Fischli in ihrer Jugendzeit ein halbes Jahr als au pair verbracht hatte.
Am Montag, 31. August rückten wir dann zum dritten Mal in die Kochferien von Rolf Grob in der Bastide Neuve in le Cannet des Maures ein. Die Tagesabläufe waren die gleichen wie im Vorjahr: Der Tag beginnt jeweils mit dem Besuch eines Marktes, wo dann entsprechend dem Angebot gemeinsam ein mehrgängiges Menü beschlossen und entsprechend eingekauft wird; der Tag steht dann bis ca. 17’00 Uhr zur freien Verfügung. Wie im Vorjahr blieben wir tagsüber meistens im Park mit dem Swimming Pool der Bastide und verbrachten jeweils nach einem feinen, kalten Lunch den Nachmittag mit Faulenzen, Baden und Lesen.
Für die Heimreise hatten wir uns den Weg über Montpellier und die Auvergne ausgedacht, wo uns die Gegend schon vor Jahren sehr gefallen hatte und wo seit 2 Jahren bei Millau die höchste Autobahnbrücke der Welt mit über 300 m über Grund in Betrieb ist. Wir planten, in Aumont-Aubrac zu übernachten, wo wir schon vor Jahren einmal abgestiegen waren. Abgesehen von der eleganten Hängebrücke faszinierte uns wiederum die Gegend, vor allem dann am nächsten Morgen im Massif Central, wo uns die Fahrt durch die vulkanische Gegend in Richtung Clermand Ferrand sehr beeindruckte. Über Roanne, Paray-le-Monial, Moroges, Châlons, Dôle, Mulhausen und Basel erreichten wir schliesslich heil und gesund nach fast 800 km Autofahrt wieder unser Zuhause.

Im Rebberg von Fischlis Grossvater, 30 Meter unter unserem Haus, der heute der Familie von Fischlis Tante gehört, und wo ich seit drei Jahren als Spritzmeister (Chef du traitement chimique!) amtiere, hatten wir ein wunderbares Rebjahr: Wir wurden von jeglichen Pilzkrankheiten verschont, wir hatten weder Schädlinge noch Vogelfrass und bei dem für die Reben idealen Herbstwetter kletterten die Oechsle-Grade auf 92, den gleichen Wert wie im Wärmejahr 2003, was in unseren Breitengraden für einen Riesling-Sylvaner hervorragend ist. Einzig Fuchs und Marder versuchten zuzuschlagen und mit zunehmender Reife der Trauben davon zu stehlen. Mit einem elektrisch geladenen Maschenzaun für Schafe konnten wir aber gut dagegen halten, sodass wir schlussendlich einen schönen Ertrag hatten.

Nach dem Rebbaukurs in der Fachhochschule Wädenswil interessierte ich mich auch für die Spritzung der Obstbäume auf dem ehemaligen Landwirtschaftsland von Fischlis Grossvater. Es gelingt mir nun seit einigen Jahren, von den Kirschen die Kirschenfliege, von Aprikosen, Zwetschgen und Pflaumen die Monilia und von den Äpfeln die Wurmstichigkeit fernzuhalten, was mich sehr stolz macht. Unser eigener Boskop Baum war dieses Jahr wieder voll „trächtig“, nachdem er letztes Jahr nicht einen einzigen Apfel trug. Wir verschenkten heuer über 200 kg an Freunde und Nachbarn und werden selbst wahrscheinlich bis in den März hinein davon zehren können.

Unsere Abonnemente in Tonhalle sowie die Jahreskarte im Kunsthaus machen uns immer noch sehr viel Freude. Den Sparmassnahmen fiel dieses Jahr leider das Abonnement im Opernhaus zum Opfer. Vielleicht besuchen wir aber doch noch die eine oder andere Vorstellung in der zweiten Saisonhälfte.

Für den Zolliker Verein „Senioren für Senioren“ arbeite ich seit ein paar Jahren als Mechaniker und repariere Gartentore, Lampen, Türschlösser und vieles mehr. Nun bin ich im neuen Schuljahr auch beim Projekt „Generationen im Klassenzimmer“ mit dabei. Hier helfe ich einer Lehrerin als Assistent in einer sehr schwierigen 2. Sekundarklasse B beim Chemie- und Physikunterricht. So arbeite ich am Dienstagnachmittag bei der Vorbereitung und dann am Mittwochmorgen in einer Doppelstunde bei der Überwachung von Versuchen und Experimenten mit. In den ersten Stunden war für mich das Verhalten der Schüler im Unterricht gegenüber der Lehrerin ein absoluter Schock! Im Vergleich zu dem, was ich von meiner eigenen Schulzeit und jenem unserer Töchter in Erinnerung behalten hatte, scheint mir der heutige Zustand eine absolute Katastrophe. Ich habe mich inzwischen etwas daran gewöhnen müssen. Ich beneide aber die Lehrer im Umgang mit Schülern und Eltern der heutigen Wohlstands- und Migrations-Gesellschaft nicht; im Gegenteil, ich habe inzwischen wesentlich mehr Verständnis für ihre Anliegen.

Weihnachten fand wieder fast im üblichen Rahmen statt. Da Andreas drei Buben dieses Jahr ab 24. Dezember beim Vater sind, feierten wir bereits am 23. Dezember hier bei uns. Wie immer schleppten Fischli und ich vorher „Food ans Beverages“ an und trafen alle Vorbereitungen für ein volles Haus: Wir hüteten das Jahr hindurch Bosshards Buben noch turnusgemäss am Dienstag, so auch am 22.12., in den Ferien jedoch hier bei uns, und abends trafen dann auch Lexi und Philipp ein. Andrea reiste mit ihren Buben und mit Jan am Mittwoch 23.12. an, sodass wir am frühen Nachmittag vollzählig waren. Auf den Familiengottesdienst in der Kirche mussten wir dieses Jahr verzichten, da dieser erst anderntags am 24.12. stattfand. So war beim Einnachten zuerst beim Kerzenschein des Christbaums Singen und Musizieren angesagt; dann fand die Bescherung statt, und anschliessend wurde gegessen.
Nach einem Oma-Z’Morge am 24.12. (das ist ein reicher „Brunch“ mit Eiern, Wurst, Käse, Brot und Zopf) kam Frank die Heinzelmann Buben holen, und auch Andrea, Lexi und Familie reisten dann heim.

Es waren schöne, friedliche und sehr harmonische Tage. Auch das verwandtschaftliche Singen mit Christbaum am 26. Dezember bei Marteli Oechsli-Welti, unserer Nachbarin und letzten, noch lebenden Tante von Fischli, mit anschliessendem Essen bei uns mit dieses Jahr total 16 Personen war der traditionelle Schlusspunkt der Weihnachtsfeierlichkeiten. Es ist jetzt aber auch wieder schön, die grosse Ruhe in unserem Haus zu geniessen.

Zwischen Weihnachten und Neujahr bekochten wir am 29. Dezember unsere Freunde Scalabrins und am 30. Dezember gingen wir Essen mit unseren Freunden Brunnschweilers in der Akazie in Winterthur. 

2010: Celerina, Darmop Fischli, Burgund, KKZ Flandern/Brabant Engadin-Barolo-Kochferien Provence, Grosse Südsee-New Zealand-Australien Reise
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8.31.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 2010: Celerina, Darmop Fischli, Burgund, KKZ Flandern/Brabant Engadin-Barolo-Kochferien Provence, Grosse Südsee-New Zealand-Australien Reise.

8.31 2010: Celerina, Darmop Fischli, KKZ-Flandern / Brabant, Engadin – Piemont - Kochferien Provence, Weltreise Hawaii-Südsee-New Zealand-Australien-Singapore

Wieder starteten wir das Neue Jahr mit unseren traditionellen Engadiner Skiferien in Celerina. Zum dritten Mal waren wir im Haus Alpina. Wetterbedingt kamen wir auf den DeLuxe Ferienbeginn mit Verladen des Autos auf die Bahn von Thusis bis Samedan zurück, verzichteten aber wenigstens auf das Mittagessen im Speisewagen. In der ersten Woche kamen unsere Freunde Brunn­schweiler zu Besuch. Wir machten ausgedehnte Wanderungen, allerdings bei eher mässig schönen Wetter. Und am Donnerstagabend fuhren dann bereits Lexi und Philipp mit Familie an. Fabian und Nils zogen am Freitag einen sogenannten Jokertag ein und konnten so das Wochenende um einen Tag verlängern. Am Freitag und Samstag fuhren wir Ski, am Sonntag wanderten wir ins Val Roseg. Die zweite Woche hatten wir dann für uns: Wir fuhren zwei Mal Ski alpin, als kein Wölklein am Himmel war. Sonst machten wir zu Fuss Touren auf den vielen, prächtig unterhaltenen Winterwanderwegen des Oberengadins.
Mitte März machten wir den Winterferien-Gegen­be­such bei Brunnschweilers in ihrer Ferienwohnung in Davos. Das Wetter liess uns nicht Skifahren. Dafür machten wir ausgedehnte Winterwanderungen, am ersten Tag nach Mondstein, und am zweiten Tag um den Davosersee und über die Promenade zurück zur Wohnung in der Nähe der Bolgeren.

Ende März hatten Fischli und ich je einen medizinischen Tiefschlag zu verkraften: Am Mittwoch. 24. März rückte Fischli an ihrem Geburtstag im Spital Hirslanden für einen sogenannt kleinen Eingriff am Darm ein. Samstag spätestens sollte sie wieder zuhause sein. Komplikationen, die anfänglich mit der eigentlichen Operation nichts zu tun hatten verlangten aber einen Spitalaufenthalt bis Dienstag, und weitere Komplikationen liessen die für Mitte April geplante Wanderwoche auf Mallorca in weite Ferne rücken. Und diese Komplikationen nach der Operation sollten Fischli leider das ganze Jahr hindurch und sogar noch weiter begleiten.

Gleichentags war ich am morgen früh in Basel in der Vista Klinik beim Augenarzt Dr. Häfliger angemeldet, der mir im November 2003 die Speziallinse eingesetzt hatte, welche die Fehler bei der Hornhaut - Trans­plan­tation korrigieren sollte. Damals bestand eine minimale Möglichkeit, dass sich die Speziallinse mit der Zeit etwas drehe, was dann die Optik sehr stark verschlechtern würde. Diese sehr kleine Wahrscheinlichkeit wurde letzten Herbst bei mir leider Tatsache, als die Sehstärke im transplantierten Auge plötzlich stark abnahm und die Sicht trüb wurde, was mich vor allem beim Lesen behindert. Die neue Untersuchung bei Dr. Häfliger endete in der Frage, ob ich damit leben könne und in der Empfehlung, im Moment gar nichts zu machen und die Situation in einem Jahr wieder zu beurteilen.

An Ostern waren dann traditionellerweise wieder unsere jungen Familien zum Oster-Brunch bei uns, wobei die Enkel nachher die im Garten versteckten Osternestli suchen mussten. Leider war von Andreas Buben dieses Jahr der Älteste Jan nicht dabei. Die auch dieses Jahr etwas zurückgebliebene Natur machte das Verstecken der Nestli nicht einfach, und auch das eher kühle Wetter sorgte dafür, dass die Gartenfreuden nicht überbordeten.

Nach der infolge der Komplikationen nach Fischlis Operation annullierten Wanderwoche auf Mallorca fuhren wir anfangs Mai wie im Vorjahr mit Brunnschweilers für ein paar Tage nach Moroges ins Burgund. Wetterbedingt beschäftigten uns weniger die Ausflüge, sondern vor allem Heizprobleme, da es grösstenteils sehr kalt und nass war. Da das riesige, offene Cheminée zu Heizzwecken praktisch den ganzen Tag brannte, drängten sich wunderbare Grilladen geradezu auf. Daneben kauften wir verschiedene lokale Spezialitäten ein und kochten uns ganz feine „Plättli“. Gerne erinnerten wir uns anhand der Gästebücher auch an frühere Besuche mit Vrenely und Jack sowie teilweise auch mit unseren Kindern. Am zweitletzten Tag trafen wir uns mit Marina Chepkina und ihrem Mann zum Mittagessen, welche seit einem Jahr in Dijon wohnen.

Im Frühsommer begannen wir unsere grosse Weltreise zu planen, sodass wir dieses Jahr auf die Gartenreise nach England verzichteten. Hingegen hatten wir uns für die Kulturkreisreise nach Flandern und Brabant angemeldet, die vom 19. – 26. Juni stattfand. Reiseleiter war „unser“ Timo Goldmann. Es war eine wunderbare Reise in ein Gebiet, das wir überhaupt nicht kannten.

Bevor sich in den Schulferien unsere Jungen die 5 Wochen im Badhüsli am Zürcher Obersee teilten, verbrachten Fischli und ich die schönste und wärmste Sommerwoche des Jahres dort. Das Wetter war wunderbar und wir Glückspilze hatten ein richtiges Ferienfeeling wie früher! Da mein alter Kunststoff-Skiff seit letztem Sommer auch wieder dort stationiert ist, war ich jeden Morgen auf dem See, obwohl das Ein- und Aussteigen ab dem hohen Schiffssteg nicht sehr einfach ist. Das war seinerzeit mit dem Ruder – Ponton viel einfacher. In den Schulferien spielte das Wetter dann nur noch teilweise mit. Anstatt Badeferien mussten unsere Jungen Ausflüge und Museumsbesuche planen und zwischendurch sich zuhause aufwärmen. Auch der Optimist zum Segeln und der Skiff (Alexa und Jan rudern auch!) wurde dieses Jahr wetterbedingt nicht allzu oft gewassert...

Ende August fanden die traditionellen Wandertage im Engadin mit den Altherren des KTV samt Gemahlinnen statt, dieses Mal nicht am Wochenende sondern unter der Woche, und wieder einmal mit wunderbarem Wetter. Wir fuhren am ersten Nachmittag nach Marguns hoch und stiegen auf dem normalen Alpweg nach Celerina ins Hotel ab. Am zweiten Tag fuhren wir mit der Bahn bis Bernina Hospiz und wanderten über die Talstation der Diavolezzabahn nach Morteratsch, mit Z’Mittag im Restaurant Berninahäuser. Und am dritten und letzten Tag fuhren wir mit den Privatautos nach Maloja und stiegen zum Lägh da Cavloc auf. Wir hatten die Strecke über den Lägh da Bitaberg gewählt, den Fischli und ich ca. 1992 einmal begangen hatten. In Erinnerung hatten wir zuerst einen etwas happigen Aufstieg, dann aber zwischen Bitaberg und Cavloc eine leichte Bergwanderung auf schönen Wegen praktisch auf gleicher Höhe. Wir hatten Wanze mit etwelchen Herzproblemen und Alice Tifig mit Knie- und Hüftproblemen bei uns! Der Anfang war wesentlich happiger als er in der Erinnerung war und machte unseren Begleitern bereits erste Mühen. Und dann war der erwartete, beschauliche Weg ein ewiges Auf und Ab mit teilweise recht beträchtlichen Höhendifferenzen, sodass wir schliesslich sehr froh waren, mit unseren Begleitern endlich das Restaurant Cavlocsee zu erreichen.

Da in der Folgewoche der Kochkurs von und mit Rolf Grob stattfand, hatten wir beschlossen, am Freitag direkt von Celerina über das Piemont in die Provence zu fahren, und zwar durchs Barologebiet im Piemont. Immer noch bei herrlichem Reisewetter fuhren wir über den Malojapass und dem Comersee entlang nach Mailand; von dort auf der Genua-Auto­bahn Richtung Tortona, dann nach Asti und Alba und schliesslich nach Barolo. Freunde hatten uns das Weingut und Hotel mit Swimmingpool "Brezza" empfohlen und das Weingut von Aurelio Settimo in La Morra, das nahe Barolo liegt. Als wir dort die Namen unserer Freunde Schmid-Wyss nannten, wurden wir spontan wie Freunde behandelt, und man führte uns herum, zeigte uns die Reblagen und den Betrieb, und dies noch bevor wir 6 Flaschen Barolo kauften. Das Barolo Gebiet hat es uns angetan: Alle die so wunderbar ausgerichteten und gepflegten Rebberge an den Hügeln, wie frisch gekämmt; und immer zuoberst ein kleiner Weiler oder ein Dorf! Eine grandiose Landschaft, vom Wein ganz zu schweigen!
Anderntags fuhren wir auf der Autobahn Turin – Savona über Mondovi und Cava nach Savona, wo wir die Autobahn entlang dem Ligurischen Meer erreichten und von dort relativ rasch in Biot bei Antibes waren, wo wir in der „Domaine du Jas“ unten am Dorf abstiegen. Zu Fuss ist die Dorfmitte von Biot vom Hotel aus in ca. 10 Minuten erreichbar, allerdings teilweise über steile Treppen, was tagsüber sehr warm machte! Das Hotel gefiel uns so gut, dass wir gleich bis am Montagmorgen blieben. Fischli schwelgte in Jugenderinnerungen. Biot hat sich aber auch zu einem schönen Dorf mit guten Restaurants entwickelt, vielleicht etwas gar touristisch aufgemacht, gemäss Fischli nicht mehr zu vergleichen mit dem ärmlichen Anstrich von damals.

Am Montag, 31. August rückten wir dann zum vierten Mal in die Kochferien von Rolf Grob in der Bastide Neuve in le Cannet des Maures ein. Die Tagesabläufe waren wieder die gleichen: Wie in den Vorjahren blieben wir tagsüber meistens im Park mit dem Swimming Pool der Bastide, und verbrachten nach einem etwa stündigen Marsch in der Mittagshitze und dem Lunch den Nachmittag mit Lesen, Baden und Faulenzen.
Die Heimreise zogen wir dieses Jahr am Sonntag 5. September sauber durch: An Aix en Provence vorbei, das wir zum ersten Mal auf einer Provencereise nicht besuchten, fuhren wir nach Lyon, dann über Bourg en Bresse, Besençon und Basel nach Hause, um so dem Sonntagsverkehr auf unserer A1 zu entgehen.

Am 22. September flogen wir zu unserer grossen Südsee- und Australienreise nach San Francisco ab, wo wir nach einem Tag Aufenthalt mit ausgedehnten Spaziergängen einschifften und unter der Golden Gate Brücke hindurch Richtung Hawaii ausliefen: Ein absolut unvergesslicher Anblick: Unsere Lieblingsstadt hinter der Golden Gate Brücke!

Auf Hawaii machten wir auf den Inseln Oahu und Maui je einen Tagesausflug, bevor wir südwärts fuhren und je für einen Tag die Inseln
Moorea, Tahiti und Bora Bora in Französisch-Polynesien besuchten.

Nach Besuchen auf den Inseln Samoa, US Samoa und Fidschi steuerten wir weiter südwärts Richtung

New Zealand, wo wir nacheinander je einen Tag Auckland und die Hauptstadt Wellington auf der Nordinsel besuchten. Weiter ging’s über Christchurch und Dunedin um die Südspitze von Neuseeland herum nach Fijordland, welches wir aber leider eines Sturmes wegen nicht besuchen konnten und nordwestwärts unseren Zielhafen

Sydney ansteuerten. Wir waren insgesamt 31 Tage auf See und haben auch diese längere Kreuzfahrt voll geniessen können, nicht zuletzt unseres relativ grossen Balkons wegen, auf welchem wir die Tage auf See mehrheitlich sehr privat verbrachten.

Und wenn wir schon einmal praktisch am anderen Ende der Welt waren, fuhren wir nicht sofort vom Hafen zum Flughafen zum Heimflug, sondern blieben noch 2 Tage in Sydney, reisten dann für drei unvergessliche Tage in die Wüste bei Ayers Rock, heute Uluru genannt, wo wir geführte Ausflüge machten, und erholten uns nochmals drei weitere Tage nördlich von Cairns beim Great Barrier Reef in einem traumhaften Hotel an der Kewarra Beach. Von hier aus besuchten wir draussen im Reef "Green Island" und verbrachten bei "Kuranda" ein letztes Mal einen Tag im Regenwald, der es uns auf der Reise besonders angetan hatte.

Von Cairns flogen wir dann über Darwin nach Singapore, wo wir nochmals einen Tag Pause mit Stadtbesichtigung einschalteten, um dann definitiv am 3. November glücklich, gesund und zufrieden nach Hause zu kommen. Das Verdauen der unwahrscheinlich schönen Eindrücke und Erlebnisse dieser Reise wird wohl noch eine Weile dauern.

Weihnachten fand wieder fast im üblichen Rahmen statt. Wie immer schleppten Fischli und ich „Food ans Beverages“ an und trafen die Vorbereitungen für ein volles Haus. Wir feierten dann am 24. Dezember in Vollbesetzung, wobei anschliessend wiederum alle hier schliefen. Nach einem Oma-Z’Morge am 25.12. reisten alle heim. Es waren wieder schöne, friedliche und sehr harmonische Tage. 
Das verwandtschaftliche Singen mit Christbaum am 26. Dezember bei Marteli mit anschliessendem Essen bei uns, mit dieses Jahr total 19 Personen, war wieder der traditionelle Schlusspunkt der Weihnachtsfeierlichkeiten.

Fast hätte ich noch vergessen zu berichten, dass Fischli und ich in diesem Jahr je ca. 10 Kilo Gewicht verloren haben: Mit einem E-Balance Programm einerseits und täglichen, zügigen Spaziergängen von etwa 70 Minuten oder Krafttraining. Wir sind etwas stolz, dass wir dies einfach so geschafft haben und dann das niedrigere Gewicht halten konnten.

Tagebuch Reise San Francisco – Hawaii – Polynesien - New Zealand – Australien vom 21.09. bis 02.11. 2010
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8.32.  Unsere Familie Gadient -Karpf – Tagebuch Reise San Francisco – Hawaii – Polynesien - New Zealand – Australien vom 21.09. bis 02.11. 2010.

8.32 Tagebuch Reise San Francisco – Hawaii – Polynesien - New Zealand – Australien vom 21.09. bis 02.11. 2010

Montag, 20. September 2010       Wetter in Zürich „grand beau“
Obwohl wir ja erst Morgen abfliegen, begann die Reise schon etwas früher! Probepacken, wägen der potentiellen Koffer…
Aber heute galt es definitiv zu packen, und unsere Koffer hatten zuviel Gewicht. Wir nahmen gewisse Sachen heraus und legten sie ins Handgepäck, trotzdem waren bei mir 3 kg und bei Fischli 2 kg über den erlaubten 23 kg! Wir hofften auf eine verständige Sachbearbeiterin am Check-In.
Zwischenhindurch hatte Kaspar von Meyenburg noch den 2009er Zolliker gebracht. Nachdem er in den Kellern verstaut war, probierte man ihn wie üblich am Tischli unter der Linde bei Martheli: Ein Superjahrgang, ähnlich wie 2003! Er hat auch praktisch die gleichen Oechsligrade wie damals. Und Kaspar meint, er wäre so gut wie seine R S Spätlese! Und die hat eben die Goldmedaille am Grand Prix Suisse gewonnen.
Nach Apéro und Nachtessen am Tischli draussen an der Hangkante in der wärmenden Herbstsonne bringen wir unser Gepäck zum Vorabend-Check-In. Wir müssen hier bei Air France (fliegen wir nur, weil es viel billiger ist!) den Flug nach Paris und jenen nach San Francisco am Automaten einchecken. Da die Sitze auf dem Langstreckenflug aber nicht beieinander liegen, und wir am Automaten dies nicht ändern können, muss ich Hilfe anfordern, und diese Hilfe muss es dann am Desk am eigenen Computer ändern, aber glücklicherweise geht es. Am Gate lernen wir auch Simon’s, zwei der 6 Bischofberger Südseefahrer kennen. Wir müssen auch noch Übergewicht bezahlen! Ein Koffer kostet CHF 140.-, und da man dann bis 32 kg haben darf, geht der zweite Koffer quasi gratis mit. Ich bemerke nur, dass die Ferien kostenmässig denkbar schlecht beginnen….
Nach der Rückkehr bringen wir noch mein Auto in den Service, gleich mit Wechsel auf Winterreifen, denn wenn wir zurückkommen ist es bereits anfangs November, fast schon Zeit zum Skifahren, dann erledigen wir noch die dringendsten Sachen wie Kehricht und Grünabfuhr vorbereiten, Jalousien herunterlassen, fertig packen, und legen uns dann zur Ruhe.

Dienstag, 21. September 2010: Reise Zürich – San Francisco 
Wetter in Zürich und Paris „grand beau“, in Kloten Nebel…. und in San Francisco kühl und sehr windig!
Wir fuhren mit dem ersten Bus, Beugi ab um 05:58, bis Tiefenbrunnen, nahmen dort die S16 bis Flughafen, Ankunft 06.28. Wir begeben uns direkt zum Gate, wobei Fischlis Lippenstift Argwohn erregt und sie ihr „Rusäggli“ ausräumen muss. Dazu pfeift es auch noch bei ihr, sodass sie auch noch eine Leibesvisitation über sich ergehen lassen muss…
Am Gate treffen wir auf den Bischofberger- Betreuer, der mit uns aber wenig Mühe hat, uns aber eine gute Reise wünscht und dann geht. Ferner lernen wir noch das dritte Bischofberger-Paar, Frau Lanz und Herrn Wächter kennen, denn wir sind nur eine 6er Gruppe. wenigstens das!
Das Boarding geht zeitlich und organisatorisch bestens vonstatten, erst, als alles sitzt verkündet der Captain, dass sich infolge Nebel der Abflug verzögert. Erst nach etwa einer halben Stunde können wir endlich starten. Ich mache mir etwas Sorgen wegen des Anschlusses in Paris, wie oft aber ver­gebens. Wir landen mit nur ca. 15 Minuten Verspätung und der Anschluss ist gesichert, umso mehr, als man uns mit einer „Navette de Douane““ transit von unserem Landeterminal 2G ins Abflugterminal 2E verschiebt.
Der Abflug nach San Francisco verzögert sich um fast 40 Minuten, die Schlange an der Bordkarten-Kontrolle war aber auch riesig. Im Flugzeug, eine alte Jumbo B 747-400, sitzen wir knapp hinter dem Flügel rechts am Fenster in Reihe 35; vorne ist Business Class, die erste Klasse ist im Oberdeck! Um 11:23 Uhr heben wir nach überlangem Rollen und fast endlosem Beschleunigen für die über 11 Stunden Flug ab, vorerst noch über ein sonniges Frankreich, aber schon in England sind wir in den Wolken bis nach Irland, eigentlich ungewöhnlich in dieser Höhe! Bei Island sieht man einmal kurz hinunter, dann sind wir wieder in den Wolken, und manchmal gibt es auch noch Turbulenzen! Die Zeitungen sind vor dem Essen gelesen, auch schon etwa zwei Kapitel des 9. Jhdt. von Deschner’s Kriminalgeschichte des Christentums, Band V!
Nach dem Essen und Digestif gibt’s ein feines Mittagschläfchen! Anschlessend ist wieder Lesen und Tagebuch Schreiben angesagt. Und wieder Lesen, stundenlang, und jetzt ist es erst kurz nach 16:30 Uhr, also noch nicht einmal die Hälfte. Der Flug ist schon "schampar" lang!
Wir müssen jetzt wahrscheinlich über Grönland sein, oder schon über der Barentsee, aber eine dichte Wolkenschicht erlaubt keine Sicht zur Erde. Und es ist auch nicht wie bei Swiss oder Swissair, wo anhand einer Weltkarte zwischendurch der Standort des Flugzeuges am Bildschirm gezeigt wird, geschweige denn, dass man den TV-Kanal selber wählen kann! Batteriestand am Notebook ist 56%, also Zeit, wieder abzuschalten und zu Lesen.
Es ist jetzt 20:00 Uhr und wir fliegen immer noch auf über 10’000m Höhe über unendlich weites kanadisches Land, meist steppenartig mit mäandernden Flüssen, zwischendurch ein paar riesige rechteckige Felder, dann kommen wieder Wolken, usw. Vor kurzem müssen wir die nördlichen Rocky Mountains überflogen haben. Bedrohlich hoch kamen einzelne Gipfel. Jetzt ist wieder alles durch Wolken zugedeckt.
Jetzt tut sich was: Am Geschmack an gibt es wieder etwas zu Essen! Schon das Mittagessen war qualitativ nicht überwältigend, ich weiss gar nicht, wieso es so gut schmeckte, denn das Nachtessen jetzt war eher kläglich, alles, auch die Quiche war kalt, schade. Etwa um halb 10 Uhr Ortszeit begann der Sinkflug. Vorher sah man noch die Halbinsel bei Seattle mit dem Regenwald, den wir 1991 besucht hatten, dann die Flussmündung bei Portland, dann waren wir wieder über dichten Wolken, bis kurz vor San Francisco, das sich in der Mittagsonne im besten Licht zeigte. Anflug über Berkely und Oakland in einer Schlaufe von Süden her. Immigration umständlich und langsam mit Fingerabdrucken und Foto, aber problemlos.

Unsere Gruppe trifft sich nach der Gepäckausgabe und findet nach dem Ausgang einen Reiseführer, der uns in Empfang nimmt und zum Kleinbus führt. Los geht’s zu einer Stadtrundfahrt, etwas hektisch, und der Führer ist nicht sehr sympathisch. Das Wichtigste scheinen für ihn die Preise von Viktorianischen Häusern zu sein, sonst erzählt er nicht viel Wissenswertes über die Stadt. Wir starten bei den Twin Peaks mit der prächtigen Aussicht, fahren durch den Stadtteil Haight Ashbury (Flower-Power der 60er Jahre!) am Alamo Square vorbei mit den schönen Viktorianischen Häusern zum Civic Center mit Oper, Symphonie, City Hall, Main Library und Asian Art Museum. Dann fahren wir auf den Nob Hill mit seinen steilen Strassen und der einzigen Cable Car Strecke in Ost-West Richtung, anschliessend zum Union Square, durch China Town und den Financial District zur Fisherman’s Wharf (wo wir bereits unsere Sapphire Princess sehen, die hier vor Anker liegt), die Beach Av. mit den Läden, Restaurants, Fischständen und Vergnügungsstätten. Der Führer zeigt uns noch das Restaurant, in welchem wir das Abendessen einnehmen werden (wobei „Abend“-Essen etwas leicht gesagt ist, denn es wird dann 04:00 Uhr MEZ sein!), und schliesslich um ca. 16:00 Uhr zum Hilton Fisherman’s Wharf Hotel, wo wir einchecken, gerade gleichzeitig mit der eben angekommenen Thurgau Travel Gruppe. Es gibt etwas Schwierigkeiten, da die Bischofberger-Gruppe mit der Thurgau Travel-Gruppe auf der gleichen Hotelliste steht, weil beide Reiseunternehmen scheinbar den gleichen US-Partner haben. Wir packen das Notwendigste aus, Duschen einmal schön, und gehen dann spazieren, hinunter an die Beach Ave. Der Wind treibt uns aber zurück in die Hotelbar, die aber erst um 18:30 öffnet, sodass wir uns solange in der Lobby gedulden müssen.

Um 19:00 Uhr treffen wir uns in der Gruppe und gehen zu Fuss 10 Minuten zum scheinbar bekannten Seafood Restaurant McCormick & Kuleto, wo für uns ein Fischmenü vorbestellt ist, allerdings mit Ausweichmöglichkeiten auf Nicht-Fisch. Nach dem Heimspaziergang gehen wir um 22:30 Uhr Ortszeit ins Bett, was in MEZ immerhin O7:30 bedeutet: Jetzt haben wir wieder einmal eine Nacht durchgemacht…

Mittwoch, 22. September 2010: San Francisco, Einschiffen
Wetter: Grand Beau, wolkenlos, aber kühl und windig!
Um 01:00 erwache ich und habe 2 Stunden lang keine Chance wieder einzuschlafen. Merke ich zum ersten Mal im Leben "westbound" einen Jet-Lag? Schliesslich stehe ich auf und schreibe Tagebuch.
Auch weitere Versuche, wieder einzuschlafen, misslingen! Willkommene Abwechslung bildet eine SMS von Lexi, in welchem sie mitteilt, dass weder sie noch Ghia unser Programm kennen. Ich schreibe zurück, dass ich es vom Schiff aus senden werde, und dass ich nicht schlafen könne. Worauf sich ein längeres Hin und Her ergibt, bis ich dann gegen Morgen doch noch etwa 2 Stunden schlafen kann.
Nach Morgentoilette und Frühstück checken wir aus und stellen das Gepäck ein. Dann kann ich Simons noch knapp helfen, ihre Koffer wieder aus dem Thurgau Travel Bus auszuladen, als die Thurgau-Travel-Gruppe zu ihrer Stadtrundfahrt starten will. Die falsche Hotelliste hat anscheinend gewirkt, denn die Hotelangestellten haben auch Simons Koffern mitgenommen, weil sie ja auch auf der Liste standen.
Dann brechen wir zu Fuss auf Richtung Union Square. Aus dem Stadtplan sind die Höhendifferenzen leider nicht ersichtlich, und der kürzestete Weg ist in SF nicht unbedingt der einfachste! So besteigen wir praktisch den Nob Hill und dann wieder hinunter. Marschzeit fast 1 Stunde. Auf dem Union Square trinken wir an der Sonne einen Espresso, sehen am hinteren neuen Hochhaus des Westin St. Francis Hotels die Aussenlifte, die uns auf einer Geschäftsreise so beeindruckt hatten, und wandern dann weiter, Richtung Market Street, diese hinunter bis zum Ferry Terminal und dann dem Embarquadero entlang Richtung Waterfront und Fisherman’s Wharf.
Dann sehen wir plötzlich wieder unser Schiff, die Sapphire Princess, riesig und mächtig liegt sie da. Und daneben, am nächsten Pier, die Millenium von Celebrity, mit der wir durch den Panamakanal gefahren sind! Wir bekommen fast etwas Heimweh. Zuerst essen wir noch im Waterfront Restaurant einen Cesar Salad mit Shrimps und wandern dann zum Hotel zurück, wo wir noch Zeit finden, um die Ecke ein Glas Wein bzw. einen Orangensaft zu trinken.
Dann werden wir Bischofberger-Leute von einer Strech-Limousine plus zusätzlich einem  Taxi für das Gepäck abgeholt! Jetzt hätte nur noch gefehlt, dass man uns auf dem einen Kilometer zum Pier noch ein Glas Champagner angeboten hätte.
Nach dem Gepäck ausladen geht es Ruck-Zuck: Im Abfertigungsgebäude zuerst Passkontrolle, dann Abgabe von Bordkarte und Registrierung der Kreditkarte, auf die auf dem Schiff alles gebucht werden soll. Dann bekommt Fischli und ich die Universalkarte, mit der jeweils bei Ausflügen aus- und nachher wieder eingecheckt wird. Anschliessend folgt die Handgepäckkontrolle, gleich wie am Flughafen, und schon geht’s hinaus auf den Pier: Riesig steht sie vor uns, unsere Sapphire Princess, man kommt sich richtig als Winzling vor!
Beim Hineingehen werden wir am Eintrittsautomat fotografiert und die Fotos auf der Universalkarte gespeichert, damit nicht eine fremde Person mit einer unserer Karten an Bord gehen kann. Jetzt sind wir auf dem Schiff und müssen unseren Weg zum Stateroom D703 selber suchen, wobei aber bei jedem Lift jemand steht, der uns das Stockwerk unserer Kabine angibt und uns in die richtige Richtung weist!
Unsere Kabine ist überwältigend, grösser als unsere bisherigen, und hat vor allem einen grösseren, ungedeckten Balkon über den Rettungsbooten. Das Bad hat Lavabo, Badwanne, Dusche und WC, davor ist ein begehbarer Schrankraum, dann kommt das Schlafzimmer mit Schmink- bzw. Schreibtisch, weiteren Möbeln mit Schubladen, Kühlschrank mit Minibar, einen ersten TV-Apparat, dann kommt Wohnraum mit Sofa, Klubtisch und Fauteuil sowie einem zweiten TV-Apparat, durch eine Glasscheibe / Glastüre gegen aussen abgeschlossen, durch welche man den Balkon betreten kann, auf welchem Liegestühle bereitstehen.
Wir packen vorerst unser Handgepäck aus, installieren Computer und Ladestation für das Handy, und dann kommen schön nacheinander die Koffer. Zuerst meiner, den wir zusammen auspacken, und dann jener von Fischli, den wir auch wieder gemeinsam auspacken und die Kleider aufhängen. Dazwischen bringt uns der Stewart Philipp, ein Filippino, je ein Glas Champagner als Begrüssungstrunk!
Die Alarmübung unterbricht kurz das Auspacken, und wir begeben uns zu unserem Notfall-Besammlungsort, wo wir instruiert werden, wie man die Schwimmweste anzieht und was weiter zu tun ist.
Und dann begeben wir uns auf die öffentlich zugängliche Aussichtsplattform über der Schiffsbrücke, wo es uns zwar beinahe von Deck bläst, so stark ist der Wind inzwischen geworden. Hier verfolgen wir das Ablegen, Wenden und die Abfahrt des riesigen Schiffes, und dies alles aus eigener Kraft ohne jeden Schlepper! Wie sich das riesige Schiff zuerst ganz sachte von der Hafenmauer wegschiebt und dann ganz langsam rückwärts in die Bay von San Francisco hinaus fährt, sich dabei zu drehen beginnt, um sich schliesslich mit voller Kraft gegen die Golden Gate Bridge hinzubewegen. Und das alles mit einem unwahrscheinlich fotogenen Hintergrund, denn San Francisco ist wirklich eine sehr schöne Stadt, vor allem natürlich bei solchem Postkartenwetter. Dementsprechend wird auch fotografiert. Ich mache wunderbare Fotos mit der Golden Gate Bridge, dahinter die "weisse" Stadt SF! Wir sind sehr glücklich!
Und dann nehmen wir gleich Kurs nach Hawaii, 5 Tage geradeaus, wahrscheinlich mit Autopilot. Der Seegang ist entsprechend dem starken Wind relativ rau, und das Schiff bewegt sich leicht, was Fischli veranlasst, eine Pille gegen die Seekrankheit zu nehmen.
Vor dem Essen nehme ich noch den Computer in Betrieb, wobei ich noch die Internet-Café-Managerin bemühen muss, denn ich habe die Gutschrift für 300 Minuten noch nicht erhalten. Sie hat mich aber bereits erwartet, und alles ist O.K. Auch den von zuhause aus bestellten Whisky bekommen wir gegen Gutschein, und der Stewart bringt die Tickets für die gebuchten Ausflüge.
Im Speisesaal kommt die nächste Überraschung: Es hat mit dem Zweiertisch geklappt. leider aber im Speisesaal Vivaldi, wo zusammen mit dem 2. Seating auch Anytime Dining ist. Wir fürchten, dass es hier immer viele sehr laute Leute, meistens in hässlicher Casual-Beklei-dung haben wird. Ich werde Morgen versuchen, in das Restaurant International mit Traditional Dining zu wechseln. Die Kellner sind nett, das Essen gut und der Wein erstaunlich preiswert. Nachtruhe heute ca. um 22:00 Uhr. Vor allem habe ich schon am Tisch Schlaf, da wir die letzten 48 Stunden schon sehr wenig geschlafen haben.
Beim Nachtessen haben wir noch eine interessante Diskussion: Wir finden beide, dass uns der Einrichtungsstil bei Celebrity etwas besser gefiel als hier bei Princess. Und zwar meinen wir dies relativ breit: Wir finden die Uniformen der Kellner bei Celebrity gestylter, auch die Möblierung und Gestaltung der Speisesäle, von Bars, Aufenthaltsräumen etc. ist bei Celebrity schnörkelloser, architektonisch mehr Richtung Bauhaus, hier viel reicher, „plüschiger“, „barocker“, umständlicher, mit mehr Verzierungen und Schnörkeln und Lämpchen…

Donnerstag, 23. September 2010: At Sea   
Wetter: anfänglich bedeckt und kühl, dann einige Aufhellungen.
Bei den starken Winden war auch die See ausserhalb der San Francisco Bay ziemlich aufgewühlt. Fischli hat scheinbar etwas zu spät begonnen Pillen zu schlucken, denn obwohl sie am Morgen nochmals eine Pille genommen hat, fühlt sie sich schlecht und bleibt nach der Morgentoilette im Bett. Ich hole ihr ein paar Früchte: Bananen und Orangen, dann muss ich allein Frühstücken. Nachher besichtige ich noch den überfüllten Fitnessraum (wahrscheinlich muss man sehr früh gehen, er ist ab 06:00 Uhr offen!), und dann versuche ich den Speise­saalwechsel.
Als ich zurückkomme schläft Fischli immer noch. Ich sende unseren Töchtern per E-Mail unser Reise-Programm, das ich Ihnen anscheinend nicht gesandt habe und das Lexi in einem SMS reklamiert hat. Anschliessend schreibe ich Tagebuch. Gegen Mittag erholt sich Fischli soweit, sodass wir auf Erkundungstour gehen können.
Unser Schiff ist schon riesig, ich meine etwas grösser als unsere bisherigen Celebrity Kreuzfahrtschiffe: Die Gesamtlänge beträgt 290 m und die Breite 50 m. Es gibt 16 Stockwerke, 3 Treppen-/Liftanlagen, die grösste in der Schiffs­mitte beim Atrium über 3 Stockwerke, wo sich auch die Hotelrezeption und die Schalter für Landausflüge usw. befinden, sowie je eine Treppen-/Liftanlage vorne und hinten im Schiff, ein zweistöckiges Theater mit 1500 Sitzplätzen, ein Spielkasino, eine Ladenpassage, unzählige Speisesäle, Clubs, Bars usw.
Nach einem kleinen Lunch wird genuckerlet und gelesen. Und um 16:00 Uhr gibt es eine Orientierung für deutschsprechende Passagiere. Hier treffen wir zum ersten Mal Christine und Hansruedi Schuppisser und ihre Freunde Blöchliger, von welchen wir wussten, dass sie auch auf dem Schiff sein werden. Anschliessend an die Orientierung gehen wir noch ein Bier trinken. Dann versuche ich wieder einmal vergeblich den Speisesaalwechsel, und bald ist auch Essenszeit.
Unseren Zweiertisch haben wir zwar immer noch, aber es gibt sehr viele Leute die „Anytime Dining“ praktizieren, und damit ein ewiges Kommen und Gehen. Dabei sind dauernd neue Leute an den Tischen um uns herum, oder grosse leere Tische, die gar nicht besetzt werden. Speis und Trank sind in Ordnung, der Service perfekt. Beim Hinausgehen orientiere ich noch den Chef de Service über mein Anliegen zum Speisesaalwechsel. Er Verspricht mir für morgen Vormittag Bescheid.

Freitag, 24. September 2010: At Sea                    
Wetter: Grand Beau
Wir waren heute Morgen auf dem Promenadendeck 9 Runden „zügig marschieren“ und erlebten dabei einen wunderbaren Sonnenaufgang, der (wie auch der Sunset) hier am Äquator viel schneller vor sich geht als bei uns, weil sich die Sonne fast senkrecht zum Horizont bewegt (während sie bei uns seitwärts schräg aufsteht und eintaucht). Für eine Runde benötigen wir 7 Minuten; drei Runden sind 1 Meile = 1.600 km; für die 4.8 km brauchten wir eine gute Stunde. Heute Morgen war es schon viel wärmer. Bei der gegenwärtigen Fahrtrichtung haben wir erst gegen Abend Sonne auf unserem Balkon. So mussten wir nach dem Morgenessen für eine Stunde an der Sonne Lesen einen Liegestuhl auf dem Sonnendeck benutzen, wo es dann aber schon fast zu heiss wurde. Nach einem kleinen Lunch ist Fischli am Nucker­len und ich schreibe per E-Mail meine Schiffsmeldung Nr. 1 (Zusammengefasste Tagebuchnotizen für unsere Lieben zuhause), bevor wir dann auf unserem Balkon etwas „Sönnelen“ können. Ich habe bis gegen Abend immer noch keinen Bescheid betr. Speisesaalwechsel erhalten. Ein neuer Gang an die Rezeption ergibt, dass der Verantwortliche für solche Entscheide sich um 17:30 Uhr im International Dining-Room befinde und ich ihn dort treffen könne. Als ich um 17:30 dort eintreffe in Poloshirt und kurzer Hose kommen eben alle Gäste vom 1st Sitting in Smoking und Abendkleidern zum Essen, was mich sehr blöd aussehen und in die Flucht jagen lässt. Wir machen uns dann auch sehr schön, wohnen zuerst noch bei einem offerierten Glas Champagner der Begrüssungsrede des Captains bei und geniessen anschliessend das festliche Abendessen, soweit man dies neben leeren Tischen eben tun kann. Mindestens servieren heute auch die Kellner in tadellos, den festlichen Gewändern der Gäste würdig angepassten Uniformen. Da ich auch heute des Speisesaalwechsel wegen nichts gehört habe, erkundige mich beim Chef de Service deswegen wieder einmal. Er ruft für mich den Verantwortlichen an und verspricht ein weiteres Mal eine Antwort bis morgen früh.
Vor dem zu Bett gehen muss die Uhr noch eine Stunde zurückgestellt werden, sodass jetzt die Zeitdifferenz gegenüber zuhause 10 Stunden beträgt.

Samstag, 25. September 2010: At Sea                           
Wetter: Grand Beau und warm
Wieder waren wir heute Morgen auf dem Promenadendeck 9 Runden „zügig marschieren“ und wieder erlebten wir dabei den Sonnenaufgang, heute aber infolge eines Wolkenbandes am Horizont nicht mehr so schön wie gestern. Aber schon bald spürten wir auf dem Rundkurs jeweils auf Backbord des Schiffes die wärmenden Sonnenstrahlen. Schon fast wie ein Ritual: Sportliches Gehen, Morgentoilette, Frühstück. Heute nach dem Frühstück besuchten wir gemäss Tagesprogramm die „Culinary Demonstration“ mit dem Maître d’Hotel und dem Executive Chef Cuisinier Nilo. Erinnerte etwas an die Bastide und an die feinen Plättli dort. Überhaupt: Es gibt natürlich ein Programm ab 06:00 bis 24:00 Uhr mit unzähligen Veranstaltungen, von denen wir uns jeweils eine oder zwei anzeichnen; und wenn es hineinpasst ohne Hast, so gehen wir, und sonst nicht.
Nach der Koch-Demo holten wir unsere Bücher und setzten uns in einen feinen Lehnstuhl auf dem gedeckten Promenadendeck Backbord, das heisst auf der Sonnenseite des Schiffs, wo die Stühle aber bereits am Schatten waren, aber mit der Sicht auf die in der Sonne gleissenden See. Dort blieben wir bis zu einem kleinen, späten Lunch, gemeinsam mit einem sympathischen, jüngeren Paar aus Winipeg/Canada. Anschliessend Nuckerlen/Lesen/Tage­buch­schreiben. Und inzwischen ist es vier Uhr geworden und wir haben auf unserer Terrasse die Liegestühle auch an der Sonne, also nichts wie los hinaus…. Aber an der Sonne hält man es nur sehr kurz aus, so warm ist es immer noch. Aussentemperatur im Schatten: 25,5Grad. An der Zwischenwand zur nächsten Kabine gibt es schön Schatten: Dort ist es sehr angenehm zum Lesen!
Gegen Abend läutet das Telefon: Der Wechsel in den International Dining-Room scheint jetzt zu klappen! Wir können schon heute Abend dort essen.
Aus dem Internet muss ich noch die Adresse vom Duke’s herausholen; das ist das Restaurant, das wir gemäss Hohls in Honolulu in Waikiki unbedingt besuchen müssen!
Und jetzt endlich hat es geklappt, und wir können in den International Dining-Room gehen. Der Maître d’Hôtel, der gleichzeitig im International Chef de Service ist, wusste von meinen Bestrebungen scheinbar bis heute Abend nichts, aber er konnte uns sofort einen 2er Tisch geben. So einfach ist das. Als Kellnerin haben wir eine Ungarin (könnte mit ca. 1.80 m Grösse meine kleine Schwester sein), die einen guten Eindruck macht, und auch ihr Gehilfe ist O.K. Es ist hier viel schöner, in einem vollen Speisesaal mit festlich gekleideten Leuten zu essen! Sind wir etwa Snobs?
Heute Nacht müssen wir wiederum die Uhren eine Stunde zurückstellen, damit ist die Zeitdifferenz zu Zürich schon 11 Stunden; und Morgen werden es 12 Stunden sein, das ist dann leichter zu rechnen! Durch das Zurückstellen der Uhr gewinnen wir wieder eine Stunde Nachtruhe und schlafen 10 Stunden.

Sonntag, 26. September 2010: At Sea                  
Wetter: Bewölkt aber warm
Ich habe vergessen, auch den Wecker umzustellen, sodass wir eine Stunde zu früh aufstehen, und dies erst zu spät bemerken. Wir denken aber, dass wir ja auch im Dunkeln unsere Runden drehen können, was aber nicht der Fall ist, da das Promenadendeck wegen Reinigungsarbeiten noch gesperrt ist. Nach 30 Minuten lesen, bzw. Internet (Ich musste wissen, ob die Abstimmung zur Revision der AHV JA gesagt hat: Hat sie!) können wir dann mit dem Sport beginnen, für einmal nicht mit dem Sun Rise am Anfang, sondern in der Mitte. Etwas eigenartig zwar, da die Sonne erst über einer Wolkenbank am Horizont relativ kurz zu sehen ist, dann verschwindet sie wieder. Daneben ist ein mächtiger Gewitterturm sich am Entleeren, wobei es zeitweise Ausläufer bis zu uns hat. Und da die Sonne zwischendurch trotzdem Wege und Löcher findet, um durchzuleuchten, ergibt sich ein wunderbarer Regenbogen, zeitweise zweifach und stark leuchtend. Wunderbare Natur! Heute haben wir nach nur 7 Runden = 50 Minuten genug. Es schaukelt auch wieder etwas mehr, sodass wir je eine Pille zu uns nehmen. Nach Morgentoilette und Frühstück wird gelesen, HR ab Notebook über Perl Harbor und Hawaii allgemein, Fischli beschäftigt sich am Notebook mit dem Schreiben ihrer Bastide-Kochkurs-Rezepte.
Dann bekommen wir als Antwort auf unsere Schiffsmeldung Nr.1 per E-Mail "Uster-News Nr.1", witzig! Schneefall ist für uns im Moment etwas ganz Exotisches! Es ist für uns derzeit völlig absurd auch nur daran zu denken, dass sie bei uns zuhause die Winterpneus montieren und wir hier an der Sonne fast verschmachten… Am Nachmittag wird gelesen und geschlafen, bis unwiderruflich die Happy Hour kommt, und wir uns dann schön machen fürs Nachtessen, das heute ganz speziell ist, mit lauter italienischen Spezialitäten. Nach dem Essen versuchen wir noch, in eine Show zu gehen. Aber anstelle eines Musicals, wie wir erwartet hatten, kam ein ausrangierter, ehemals wahrscheinlich sehr erfolgreicher Pianist mit eigener Band. Nur das Getue erinnerte immer noch an seinen Erfolg! Wir konnten mit gutem Gewissen Schlafen gehen, ohne etwas zu verpassen!

Montag, 27. September 2010 : Oahu, Honolulu    
Wetter: Grand Beau
Heute frühe Tagwache, weil sich heute Morgen die Ereignisse überstürzen: Zum ersten Mal seit fast 5 Tagen kommt wieder Land in Sicht und wir wollen beim Einlaufen in Honolulu auf der Brücke sein; dann müssen wir schon um 07:30 Uhr bereit sein für den ersten Landausflug, und doch auch noch Frühstücken. Das sind die grössten Probleme, vor welche wir hier immer wieder gestellt werden: Alles klappt aber bestens! Um ca. 4 Uhr sehen wir Leuchttürme und erste Lichter, als wir einmal kurz wach sind und auf dem Balkon Ausschau halten. Um 5 Uhr ist Tagwache, anschliessend Morgentoilette und Frühstück, sodass wir ca. ab 06:30 Uhr über der Schiffsbrücke auf dem obersten Deck Hafeneinfahrt und Anlegen verfolgen können, und all das mit der imposanten Skyline von Honolulu und Waikiki dahinter.
Bald müssen wir uns zur Besammlung für die Landausflüge begeben. Das wird im grossen Theater bestens organisiert. Man bekommt beim Eingang je nach gewähltem Ausflug einen Kleber auf die Brust ist damit gekennzeichnet, sodass die vielen Helfer im Theater und auf dem Weg an Land sofort sehen, wenn jemand falsch liegen würde. Nachdem unsere Gruppe aufgerufen wird, werden wir zum Bus geführt, beim Ausgang ausgecheckt, und dann fährt unser Bus ab auf die Rundfahrt durch den östlichen Teil der Insel Oahu. Zuerst westwärts durch Downtown Honolulu, dann durch die berühmte Kalakaua Ave von Waikiki mit seinen mondänen Hotels, Beaches und Läden, und weiter der Küste entlang um den erloschenen Vulkan Diamond Head herum an die Kahala Beach. Immer wieder unterbrochen von kurzen Fotohalten, fährt der klimatisierte Bus über den östlichsten Teil der Inseln mit seinen Buchten und Stränden nordwärts und über einen kleinen Pass nach Waimãnalo, wo es einen WC-Halt mit der Möglichkeit etwas zu trinken gibt, denn es ist schon sehr heiss geworden. Über einen Pass auf gegen 300 m Höhe geht es zurück, wobei wir noch einen Fotohalt beim Pali Lookout machen, wo auch einmal eine Schlacht der Urbevölkerung stattfand, nach welcher alle Inseln in einem einzigen Königreich zusammengefasst wurden. Aus jener Zeit stammt auch noch der einzige Königspalast, den die USA besitzt. Diesen und das State Capitol sehen wir noch vom Bus aus, als dieser wieder dem Hafen zu fährt. Wir haben dieses Programm gewählt, nachdem wir uns vor der Reise von Hohls beraten liessen, was in einem einzigen Tag Honolulu am besten zu tun wäre. Den St. Galler Hansruedi Hohl kenne ich von der Kanti und vom Handball her und er war einige Jahre an der Universität von Honolulu Professor. Marianne Hohl war Nachbarin von Fischli in Zollikon. Hohls Kinder sind alle in Honolulu geboren! Er empfahl uns das nachstehende Restaurant und Spaziergänge zu Fuss, wenn es nicht zu heiss wäre.
Wir nehmen uns deshalb nach der Rückkehr ein Taxi und fahren ins Outrigger Hotel Waikiki mit seinem berühmten Restaurant Duke’s Canoe Club, wo wir auch Z’Mittag essen. (Duke war und ist Hawaiis grösster Athlet aller Zeiten und „Ambassador of Aloha“! Geboren 1890 gewann er für die USA an Olympischen Spielen von 1912 bis 1932 als Schwimmer 3-mal Gold, 2-mal Silber und 1-mal Bronze und war zwischen 1922 und 1930 in Hollywood in 28 Filmen ein sehr erfolgreicher Schauspieler. Während wir essen, sehen wir am Nebentisch ein junges Paar einen gewaltigen Apparat von einem Dessert verschlingen und machen dabei Sprüche über E-Balance! Uns wird später der Hausdessert, eine sog. „Hula-Pie“ empfohlen. Fischli möchte eher nicht mehr, aber ich stelle mir dabei so ein saftiges Wähenstück vor und bestelle. Wir staunen natürlich nicht wenig, als wir den gleichen Monsterdessert bekommen, wie wir ihn vorher am Nebentisch gesehen haben: Ein mit etwa 45 Grad Winkel ca. 12 cm hohes Stück einer gewaltigen Eistorte, Vanille mit Schokoladensplitter, dazu noch übergossen, wie bei einem Coupe Dänemark, mit flüssiger, dunkler Schokolade. Wir haben aber keine Mühe, einmal richtig zu sündigen und verschlingen diese Hula-Pie zu zweit, denn sie ist wirklich sensationell gut.
Dafür beschliessen wir, den Rückweg einmal zu Fuss zu beginnen, da man dabei einfach viel mehr sieht und erlebt als im Bus oder Taxi. Wir folgen zuerst wieder der Kalakaua Ave und spazieren nachher der Beach entlang und durch den Ala Moana Park Richtung Hafen, und dies alles bei ca. 30 Grad am Schatten sowie zwei Schirmen und zwei Regenjacken im Ruck­sack (!). Wir fassen es auch etwas als Busse für die Hula Pie auf, und halten tapfer bis zum Schiff durch. Verschwitzt und etwas groggy kommen wir nach fast 1 ½ Stunden Marschzeit an, nehmen nach dem Einchecken eine kühle Dusche und legen uns eine Stunde aufs Ohr.
Eine unvergessliche Happy Hour auf der Terrasse mit der Honolulu Skyline als Hintergrund, sich dann schön machen und ein wunderbares Abendessen beschliessen einen Tag mit vielen neuen Eindrücken.
Abends, punkt 23:00 Uhr legt das Schiff wieder ab. Eindrücklich, wie der riesige Koloss im Hafenbecken sich rückwärts drehend selbständig eine Wende zustande bringt, allerdings nur um wenige Meter an der Hafenbegrenzung vorbei. Dann nehmen wir Kurs auf die Insel Maui, wo wir morgen früh um 07:00 vor der Ortschaft Lahaina vor Anker gehen werden.

Dienstag, 28. September 2010: Maui, Lahaina    
Wetter: Grand Beau
Wir erwachen, als wir an kleineren Inseln vorbei Richtung Lahaina fahren und dann pünktlich ankern. Wir gehen hier mit „Tendering“ an Land, denn der Hafen ist für Kreuzfahrtschiffe viel zu klein. Beim Tendering werden je nach Wegstrecke zum Hafen 6 bis 10 Rettungsboote zu Wasser gelassen, welche für diesen Zweck hergerichtet werden können, und diese Boote fahren dann praktisch als Shuttle non Stopp die ganze Aufenthaltsdauer vom Auschiffungsstandort auf Deck 4 des Schiffs zum Hafen hin und her.
Besammlung zum von uns gewählten Landausflug „Hiking im Regenwald“ ist heute um 08:15 Uhr im Theater. Wir haben beim Tendering Glück, denn es gibt ein paar heiss begehrte Plätze oben auf dem Dach des Tenderbootes, wovon wir profitieren. Von dort aus kann ich aus einer gewissen Distanz auch endlich einmal unser Schiff fotografieren, denn das geht angedockt an Land praktisch nicht.
Wir sind heute glücklicherweise eine Kleingruppe mit nur 11 Teilnehmern. Da haben wir auch schon das Gegenteil erlebt, eine viel zu grosse Gruppe mit nur einem Führer! An Land angekommen, fährt unser Kleinbus zuerst den Bergen und dem Meer entlang ostwärts nach Maslaea, dann über die grosse Ebene zwischen den westmauischen Bergen und dem Haleakala-Massif mit den riesigen Zuckerrohrplantagen an die Nordküste der Insel nach Kahului und Paia. In Kahului fassen wir einen Rucksack mit unserem Lunch, einer Flasche Wasser, sowie speziellen Wasserschuhen, die man beim Baden in den steinigen Teichen wegen Verletzungsgefahr anziehen soll. Ferner gibt es auch noch einen WC-Halt.
Nach Paia lassen wir den Kleinbus stehen und folgen unserer Chauffeurin/Führerin Helga in den Regenwald. Helga ist gegen 50, eine sympathische, ruhige Deutsche, die seit 33 Jahren hier als Touristenführerin für Naturtrecking arbeitet und sehr vielseitig ist. Sie erzählt nicht nur sehr viel über die Geschichte und die Geographie der Insel, sie weiss auch sehr viel über Pflanzen. Der Regenwald grenzt an eine Plantage, über die wir am Anfang gehen müssen und Früchte pflücken dürfen, wenn sie reif sind. Dort zeigt uns Helga nacheinander Guave, Papaia, Mango, Ananas und Bananen. Der Pfad folgt dann im Wald einem kleinen Bach, in welchem es angenehm kühl ist, bis wir plötzlich vor einem kleinen Teich stehen, in den sich der Bach als Wasserfall stürzt. Heute gibt es leider nur sehr wenig Wasser, da es in letzter Zeit sehr wenig geregnet hat. Im Teich kann Baden wer will. Da es bereits Mittag geworden ist, essen wir hier das gefasste Picknick. Durch abwechslungsreiches, sehr coupiertes Gelände kommen wir zu einem zweiten Wasserfall, wo man wieder Baden kann. Von diesem Angebot machen aber nur sehr wenige gebrauch. Wir würden eigentlich schon gern baden, haben auch alles dabei! Aber nachher ungeduscht wieder in die Kleider schlüpfen lieben wir nicht. Unterwegs macht uns Helga auf viele prächtige Blumen aufmerksam, die ich fotografiere, von denen ich aber leider nur beschränkt die Namen behalten kann. Das Gleiche gilt auch für die hier vorkommenden Bäume. Zwar wieder etwas müde, aber glücklich und zufrieden kehren wir langsam zu unserem Van zurück. Nach einem WC-Halt und dem Verzehr einer dieser reif gepflückten, wunderbaren, kleinen Bananen fahren wir nach Lahaina zurück. Das war einer der besseren Landausflüge, der uns voll befriedigte. Wir stellen uns am Hafen in eine scheinbar endlose Schlange wartender Kreuzfahrer, die sich aber sehr rasch nach vorn bewegt, sodass wir schon bald zurück auf dem Schiff sind.
Wir beschliessen, nach diesem wiederum sehr warmen Tag in einem Pool schwimmen zu gehen. Als wir den Heckpool auf Deck 12 aufsuchen, ist es dort wärmer als in einer Badewanne, und ergibt überhaupt keine Abkühlung. Im Gegenteil, es ist wie im Thermalbad! Aber auch jener darüber auf Deck 14 (Es gibt kein Deck 13!) ist gleich warm; also versuchen wir es noch in den Pools in der Mitte und im vorderen Teil des Schiffes: Alle sind gleich warm. Wir erfahren, dass dies die Sonne ist, die das Wasser derart aufheizt! Also gehen wir in die Kabine und nehmen eine kühle Dusche, um sofort zur Happy Hour überzugehen, und uns dann zum Nachtessen umzuziehen.
Nach dem Essen ist eine Show angesagt mit der Hausband, einigen guten Sängern und den „Sapphire Dancers“. Wir haben auf dem Tender je zwei Damen und Herren davon gesehen und sie davon sprechen gehört. Unser Besuch lohnt sich: Die Show ist wirklich super, viele gute alte Songs, gut gesungen, gut gespielt und gut getanzt! ¾ Stunden beste Unterhaltung! Müde, aber sehr zufrieden mit diesem Tag sinken wir ins Bett!

Mittwoch, 29. September 2010: At Sea                  
Wetter: Zuerst Grand Beau, nachmittags Bewölkungs­zunahme, abends und nachts erster Regen auf unserer Reise.
Da Sonnenaufgang auf 06:22 angesagt ist, stehen wir um 6 Uhr auf und richten uns auf „Zügiges Gehen“ ein. Für den Sonnenaufgang kommen wir etwas zu spät, da die angesagte Zeit nicht stimmte. Es ist aber schon recht warm, sodass wir nach 9 Runden arg schwitzen und beschliessen, es heute am morgen früh mit einem Pool zu versuchen. Wieder versuchen wir es im unserer Kabine distanzmässig am nächsten liegenden am Heck des Schiffes, und siehe da, über Nacht hat er sich schein­bar abgekühlt, sodass es jetzt herrlich erfrischend ist, ein paar Mal hin und her zu schwimmen.
Dann kommt wieder ein normaler „At Sea“ Tag mit Morgentoilette, Frühstück (heute auf Deck 14, zuhinterst im Freien an der frischen Luft, ein wunderbares Plätzchen!), Lesen, Schreiben. Dann nehmen wir einen kleinen Lunch ein, wieder dort wo wir frühstückten. Es folgen Mittagschläfchen und dann wieder Lesen und Schreiben bis zur Happy Hour (Tagebuch So, Mo, Die und Schiffsmeldung Nr.2).
Heute haben wir uns überhaupt kein spezielles Programm vorgenommen, sodass man sich dann bald einmal schön machen und auf das Nachtessen konzentrieren muss! So schön kann man auf einer Kreuzfahrt Faulenzen…

Donnerstag, 30. September 2010: At Sea            
Wetter: Wechselnd bewölkt, warm und feucht
Den heutigen Seetag beginnen wir wieder mit 9 Runden „Zügiges Gehen“, danach kurz Schwimmen in einem wunderbar kühlen Pool, der sich gestern Nachmittag ohne Sonne scheinbar nicht so aufheizen konnte wie üblich, wobei das Wasser natürlich immer noch ca. 27 Grad warm war.
Nach dem Frühstück liessen wir einmal einen Kontostand heraus und erkundigten uns am Landausflugschalter nach dem Snorkeling: Wir hatten plötzlich auf den letzten Ausflugsblatt gelesen „Some Snorkeling experience required“. Der Mann tröstet uns jedoch, dass dies vorsichtshalber geschrieben wurde und jedermann nach spätestens 5 Minuten "Snorkeling Expert" sein könne. Schwimmen Können sei einzige Voraussetzung.
Dann wird wieder gelesen…
Zum Mittagessen gehen wir ins Restaurant, wo wir mit einem Schweizer- und einem Engländer-Ehepaar am Tisch sind. Es ergeben sich interessante Gespräche, und vor allem der Engländer ist sehr witzig und pfiffig. Er sagte beispielsweise, Kreuzfahrer würden als Passagiere an Bord gehen und das Schiff als Cargo verlassen; oder die häufigste Turnübung von Kreuzfahrern sei die Bewegung, wenn man sich nach dem Essen zum Aufstehen auf dem Stuhl sitzend vom Tisch abstösst. Die Schweizer sind auch nicht mit einer Gruppe da und interessieren sich für Babas Gartenreisen.
Nach dem Mittagsschläfchen wird wieder gelesen, und Fischli macht mit dem Schreiben der Bastide-Rezepte weiter. Die Happy Hour geht heute nahtlos in das sich in die Abendtoilette stürzen über, da wir vor dem Essen noch in die Show von Lovena B Fox gehen, eine scheinbar sehr bekannte Sängerin, welche von Aussehen und Stimme sehr an Whitney Houston erinnert. Sie singt viele bekannte Songs, die vor ihr schon ganz berühmte Sängerinnen und Sänger gesungen haben. Nach dem Nachtessen drehen wir noch auf dem Promenadendeck 2 „Runden“, wobei wir zuvorderst im Schiff nicht die Treppe auf Deck 8 hochsteigen können, da diese Verbindung aus Sicherheitsgründen nachts geschlossen ist.

Freitag, 01. Oktober 2010: At Sea                 
Wetter: Wechselnd bewölkt, warm und feucht
Als ich gegen Morgen nach dem WC noch auf den Balkon gehe, um das Wetter zu begutachten, traue ich meinen Augen kaum, aber ich sehe einen Vogel, wahrscheinlich eine Möve kurz dem Schiff folgen und dann wieder in der Morgendämmerung verschwinden. Ich kann nachher am Bord-TV nachvollziehen, dass wir an den Kiritibati-Inseln vorbei gefahren sind und die Möve von dort gekommen sein muss.
Wie gestern wieder 9 Runden Gehen, dann Schwimmen, wobei es heute mit ca. 25 Grad noch kühler ist als gestern, dann Morgentoilette und Lesen bzw. Tagebuch schreiben. Es war interessant gestern im Bord-TV zu sehen, wie bei der Angabe der Koordinaten die nördliche Breite langsam gegen 0 Grad ging, dass wir in der Nacht dann den Äquator überquert haben müssen, denn heute Morgen waren es bereits 1 Grad südliche Breite. Um 11 Uhr fand eine „Crossing the Equator Ceremony“ statt, bei welcher Honeymooner sowie Schiffsangestellte, die zum ersten Mal den Äquator überquerten, im grossen Swimming-Pool mit viel Pomp getauft wurden.
Der Nachmittag verläuft wie üblich an einem Seetag: Nuckerlen, Lesen, Schreiben.
Heute Abend ist Formal Dressing angesagt; also werfen wir uns ins Abendkleid und den Smoking: Wir sind unheimlich schön und der Smoking wird endlich wieder etwas amortisiert! Nach dem Nachtessen besuchen wir wieder eine Show! Wieder sehr rassig und gekonnt.

Samstag, 02. Oktober 2010: At Sea             
Wetter: Leicht bewölkt, warm und feucht
Heute nur 9 abgekürzte Runden, da die vordere Verbindung auf Deck 8 wegen stärkerem Seegang nicht geöffnet wird. Aber es gibt trotzdem eine Stunde!
Dann heute übliches Seetagprogramm; Es gibt heute nichts Erwähnenswertes, ausser dass die Uster News Nr. 2 eintreffen, was uns viel Freude bereitet. Der höhere Seegang lässt bei uns Freude aufkommen, Morgen endlich wieder einmal festem Boden unter den Füssen zu haben!

Sonntag, 03. Oktober 2010: Moorea, franz. Polynesien                                                
Wetter: Stark bewölkt, zeitweise Regen, feucht
Der Tag begann eigentlich schlecht: Weil heute das an Land gehen mit Tendering erfolgt, war das Promenadendeck gesperrt, um die Tenderboote zu wassern. Also wichen wir auf Deck 15, das Sportsdeck aus. Dort oben hat es aber wegen der starken Winde Zwischenwände, um welche man sich beim Zügig Gehen herumschlängeln muss. Da etwas stärkerer Seegang hier oben heftiger gespürt wird, wurde ich etwas aus dem Tritt gebracht und stiess mit dem Arm an die Railing, wobei sich ein bisschen Haut abschälte. Fischli verband mich mit einem Pflaster, aber wir hatten kein Desinfektionsmittel.
Nach dem Sport und der Morgentoilette ging ich deshalb ins Medical Center, um die Wunde sauber desinfizieren zu lassen. Ich wurde aber gleich in die Maschinerie genommen: Für m. E. nur etwas Merfen und ein grösseres Pflaster musste ich zuerst ein A4 Formular mit allen Krankheiten seit der Geburt ausfüllen, dann einmal sehr lange warten, dann wurde Blutdruck, Temperatur und Puls gemessen, dann wieder sehr lange warten, dann ein weiteres Formular ausfüllen, da es sich ja um einen Unfall handelte. Und dann wieder warten. Es folgte eine erste Begutachtung durch eine Krankenschwester, dann wieder warten. Jetzt kam die Ärztin zur Begutachtung, welche mich wieder an die Schwester weitergab zum Pflaster auflegen. Dann wieder Warten, bis jemand von der Security des Schiffes kam, welcher den genauen Unfall nochmals aufnahm, den ich ja bereits in Blockschrift aufgeschrieben hatte. Dann kam wieder die Schwester mit der Rechnung über 75 USD. Der Rechnungsbetrag wird zur Gesamtrechnung addiert, zusammen mit dem Wein zum Essen und den Einkäufen und Landausflügen usw.
Das alles dauerte über eine Stunde, und ausgerechnet während dem das Schiff das erste Mal durch eine Öffnung im Riff in die Lagune und die Opunohu-Bucht der Insel Moorea einlief, was doch unendlich viel spannender gewesen wäre, als auf Deck 4 im Bauch des Schiffes im Medical Center unnötigerweise untersucht zu werden. Übrigens sind diese Eingänge durch das Korallenriff in die Lagunen nicht künstlich angelegt, sondern solche Eingänge gibt es immer dort, wenn ein Flüsschen in die Lagune mündet. Da das Süsswasser irgendwo ja ins Meer hinaus fliessen muss, sterben dort die Korallen, weil sie mit Süsswasser nicht leben können!
Als ich endlich wieder in die Kabine kam, lag das Schiff bereits vor Anker. Vom Balkon aus bot sich eine unwahrscheinliche Kulisse: Eine wunderschöne Bucht mit Palmen an den Ufern, dahinter steil ansteigende, meistens baumbestandene Berge mit fast unheimlich und unwirklich anmutenden, senkrecht aufsteigenden Zacken, an Berge auf Kinderzeichnungen erinnernd, dazwischen erodierte Hänge und vulkanische Felsen, die Berggipfel zwischen 1000 und 1500 m hoch.
Nach einem Frühstück in aller Ruhe konnten wir uns dann langsam zum Tendering begeben. An Land hatten wir noch Zeit, um einen Spaziergang ins Dorf zu machen, obwohl wahrscheinlich sämtliche Läden der Insel am Pier eine richtige Ladenstrasse mit Marktständen aufgestellt hatten, denn es kommt ja nicht jeden Tag ein Kreuzfahrtschiff, und schon gar nicht ein so grosses mit so vielen Leuten. Vor allem wurden schwarze Perlen einzeln und als Ketten und Gehänge angeboten. Da Fischli ihre schwarze Perlenkette trug, meinten viele Passagiere vom Schiff, sie hätte sie heute hier eingekauft und machten ihr Komplimente. Im Dorf sahen wir viele relativ bescheidene Häuser bis hinunter zum umfunktionierten Schiffscontainer, aber eine fast überschäumende Natur: Kräftige, üppig wachsende Blütensträucher und –bäume, viele Kokospalmen, in den Gärten wachsen Bananen, auch Papaia, Mango, Guave und Ananas, so wie bei uns Feigen- und Apfelbäume. 
Schade, dass das Wetter heute nicht mitspielte, als wir auf unserem Ausflug einem Aussichtpunkt ankamen, preschte ein richtiger Regenschauer nieder, sodass wir um unsere Regenjacken sehr froh waren. Die Natur mit der üppigen, fast noch heilen Flora sowie der Lagune mit ihrer Farbenpracht wären sicher noch viel eindrucksvoller gewesen, wenn ihnen die Sonne noch mehr Farbe verliehen hätte.
Die Inselrundfahrt war sehr interessant, vor allem weil unser grossartiger Chauffeur und Führer, ein Franzose, der seit 8 Jahren hier lebt, mit einer grossen Begeisterung die Schönheiten der Insel zeigte und ihre Geschichte erklärte. Er fuhr auch sehr speziell, meistens einhändig, da er in der anderen Hand das Mikrophon hielt. Wenn er aber etwas zeigen wollte, fuhr er freihändig, das Steuerrad mit den Knien blockierend! Es ist aber immer gut, wenn jemand mit derart grosser Leidenschaft in seiner Arbeit aufgeht wie unser Chauffeur/Reiseleiter, denn dann bringt er seine Message auch hinüber!
In den Dörfern gibt es unter anderen auch viele schöne Häuser, auf alle Fälle viel bessere als in der Nähe des Piers. Und das Sofitel Hotel beeindruckte von Weitem sehr, alle diese Pfahlbauer-Bungalows in der Lagune draussen, mit einem Fussboden aus Glas, sodass man die Fische der Lagune sehen könne, allerdings für US$ 1000.- pro Nacht, und das Hotel sei dauernd ausgebucht. Übrigens sagte uns der Führer, dass er am Italienisch lernen sei, denn ohne Italienisch verpasse er das grosse Geschäft. Scheinbar sei Polynesien für italienische Honeymooners die ausgesuchteste Destination. Schon erstaunlich!
Pünktlich für die Rückkehr aufs Schiff waren wir zurück am Pier, wo wir eines der letzten Tenderboote erwischten. Wir waren glücklich, oben noch Platz zu finden, wurden dann aber schnell von aufspritzendem Gischt geduscht, und beim Absitzen kriegte man auch noch einen nassen Hintern…
Glücklich und zufrieden kamen wir in die Kabine, gerade rechtzeitig zur Happy Hour, dann während dem Auslaufen noch etwas Tagebuch schreiben, anschliessend Abendtoilette erstellen. Bevor wir mit Heisshunger (wir hatten seit dem Frühstück zusammen nur eine Orange und eine Banane gegessen) zum Nachtessen gingen, war das Schiff bereits in Papeete auf Tahiti eingefahren und hatte bereits angedockt. Nach dem Essen wollten wir zur einmaligen folkloristischen Tahiti-Show, wo wir aber 30 Minuten vor Vorstellungsbeginn weder einen Sitz- noch einen Stehplatz in dem riesigen Theater kriegten. Anstelle der Show trank ich in der Crooners-Bar mit einem Jazz-Pianisten noch ein Glas Wein, Fischli ein Glas Schwarz­tee, wahrscheinlich uralt und dementsprechend bitter, um dann mit einem Nachtspaziergang auf Deck 15 die andere Seite des Schiffes noch zu sehen mit dem Pier, an welchem wir angedockt hatten. Rund um uns herum liegen orössere Privatjachten, wie wir sie bisher nur im Hafen von St. Tropez zu sehen bekamen.
Mit etwas Lesen und Tagebuchschreiben verbringen wir die Zeit bis zum Lichterlöschen. Wir haben übrigens erfahren, dass jeweils bei einem solchen seltenen Overnight-Stay die ganze Mannschaft nach Arbeitsschluss bis auf die Diensthabenden in den Ausgang gehen würden...

Montag, 04. Oktober 2010: Tahiti, Papeete 
Wetter: Grand Beau, am Nachmittag etwas Wind, aber moderat.
Wir erwachen ca. um 6 Uhr und ein Gang auf den Balkon zeigt, dass die letzten Übernächtler eben nach Hause kommen, und zwar bei schönstem Wetter. Dann sehe ich, dass die gestern in Moorea geschriebenen und nicht gesendeten SMS von hier in Papeete aus nun versandt wurden, was ein kleines Hin und her mit Lexi gibt. Schliesslich rufen wir kurz bei Lexi an: Schön, die Leute von zuhause zu hören!
Im Hafen ist schon allerhand los mit der Verbindung zu den Schwesterinseln: Fährboote kommen, Katamarane gehen, auf einem französischen Kriegsschiff wird eine Art Zapfenstreich geblasen, ein weiteres kleines Kreuzfahrtschiff legt an, und all das will doch von mir fotografisch dokumentiert sein. Dann gehen wir wie üblich eine Stunde zügig Gehen, machen Morgentoilette und fahren zum Frühstück in den 14 Stock. Heute nehmen wir nicht nur Birchermüesli, Joghurt und Früchte, sondern auch noch etwas Rührei und Speck, da wir bis nach unserer Rückkehr vom Landausflug nichts mehr futtern wollen.
Um ca. halb 11 gehen wir vom Schiff, um im Hafen von Papeete etwas die Geschäfte anzusehen, wobei Geschäfte mit schwarzen Perlen klar überwiegen. Wir sehen Perlenketten mit noch viel grösseren schwarzen Perlen als Fischlis Kette besitzt. Mit Abstand das Interessanteste ist die grosse, zweistöckige Markthalle, wo es wahrscheinlich in Sachen Food und Bekleidung einfach alles zu kaufen gibt. Farbenfroh die Gemüse- und Blumenstände, dem Geschmack nach finden wir auch schnell die Fischstände, Bäckereien mit Sandwiches. Ferner sind Fastfood aller Art, recht gut vertreten, zum hier essen oder mitnehmen. Im ersten Stock, mit Rolltreppen erschlossen, sind die Nonfood-Geschäfte zu finden.
Anschliessend gehen wir noch in den Park über dem riesigen Parkhaus am Hafen wo wir unter anderen Blütensträuchern normale, aber auch weisse Plumbagos sehen. Hier können wir auch einmal eine Aufnahme von unserem Schiff machen. Dann wird es schon Zeit zur Besammlung für den Ausflug, wobei wir heute ziemlich früh da sind und sofort einsteigen dürfen und so einen sehr guten Platz (2. Reihe) erwischen.
Der Ausflug führt uns von Papeete an der Nordküste ostwärts bis zum Faarumai Valley, in welchem wir den grossen Wasserfall besichtigen, der sich über eine Felswand von ca. 70 m herabstürzt. Durch die Gischt werden wir ziemlich nass, aber das ist bei der heutigen Wärme sehr willkommen. Durch den starken Regen vom Samstag und Sonntag hat der Bach relativ viel Wasser und der Wasserfall ist heute deshalb besonders spektakulär, umso mehr, als dies alles in einem Wald von einer Üppigkeit stattfindet, die man kaum beschreiben kann. Man hat das Gefühl, dass einfach alles wächst, wenn ein Samen zu Boden fällt, sogar das Moos auf den Steinen ist viel üppiger als unser Moos!
Dann fahren wir ans „Arahoho Blowhole“, wo sich die an der Küste brechenden Wellen im vulkanischen Basaltfelsen unter der Strasse hindurch ein Loch „gebohrt“ haben. Bei einer starken Welle bläst es auf der anderen Strassenseite Gischt aus dem Loch hinaus.
Auf dem Rückweg von dort nach Papeete kommen wir an der Matavi Bay am One Tree Hill von Captain Cook vorbei. Hier ist Cook 1769 gelandet und hat als Navigationspunkt einen orange blühenden Baum auf einem Hügel am Ufer benützt und diesen Hügel One Tree Hill genannt. Von hier hat man eine prächtige Sicht auf die Nachbarinsel Moorea, wo heute anscheinend auch wieder besseres Wetter herrscht.
Den letzten Halt machen wir am „Point Venus“, der so heisst, weil Cook 1769 den Auftrag hatte den Weg der Venus am Sternenhimmel zu verfolgen. Hier schlugen auch Bligh, Wallis und Cook jeweils ihre Zelte auf. Der 1867 gebaute, monumentale Leuchtturm versieht auch heute noch seinen Dienst. Dort ist auch ein Denkmal für die Christianisierung von Polynesien. Ob dies eines Denkmals wert ist, wage ich zu bezweifeln.
Anschliessend fahren wir zum Schiff zurück, wobei die Führerin, eine lustige Engländerin, die mit einem Polynesier verheiratet ist, am Schluss sagte: Es wird viel gesprochen und geschrieben, dass Trinkgelder in Polynesien nicht üblich seien, ja dass man die freundlichen Leute oft direkt beleidige. Sie könne aber in ihrem und im Namen der Chauffeurin mitteilen, dass sie beide wahnsinnig gerne beleidigt würden…
In der Kabine angekommen gibt’s 2 Orangen und 1 Banane, brüderlich geteilt: Dann nuckerlet Fischli und ich schreibe Tagebuch. Das Schiffshorn kündet das Ablegen an, und schon geht es jetzt in der Abendsonne westwärts Richtung Bora Bora: Grossartige Sehenswürdigkeiten, eine nach der andern!
Nach der Dusche und einem Aperitif in der Crooners-Bar haben wir richtig Hunger aufs Abendessen. Danach heute relativ früh Nachtruhe.

Dienstag, 05. Oktober 2010: Bora Bora      
Wetter: Grand Beau,
Während der Nacht sehe ich bei einem Kontrollgang auf den Balkon einen wunderbaren Sternenhimmel und weit in der Ferne eine Lichterkette sowie die Signale eines Leuchtturms einer weiteren der vielen Inseln Polynesiens. Von den Sternbildern erkenne ich nur den kleinen Sternhaufen der Plejaden sowie den Orion, aber der ist für unser Empfinden verkehrt, denn das Schwert am Gurt ist nach oben gerichtet! Wenn das Schiff nachtsüber etwas weniger Lichter brennen hätte, wäre die Nacht noch viel schöner!
Ich erwache dann wieder ca. um 5 Uhr und erkenne am sich in der Dämmerung leicht rötenden Horizont die Silhouette einer Insel mit wieder einem so fast unnatürlichen Felszacken. Das muss bereits Bora Bora sein, wieder eine Vulkaninsel. Vom ursprünglichen Vulkan steht eigentlich nur noch der äussere Rand als runder Ring als Bergkette mit zwei übrig gebliebenen, wilden Bergzacken, der höchste hier aber nur 667 m ü. M. Die eigentliche Caldeira in der Mitte ist wieder versunken, dort ist tiefes Meer und dort können auch grosse Schiffe durch eine einzige Öffnung im Korallenriff hineinfahren. Die Einfahrt war absolut faszinierend, immer wieder neue Perspektiven, die Durchfahrt durch das Riff, an kleinen Inseln vorbei, wieder mit so Pfahlbauten-Hotels wie in Moorea. Dann gehen wir pünktlich vor Anker, da es keinen Pier zum Anlegen für grössere Schiffe gibt. Für den Landgang wird Tendering vorbereitet. Heute haben wir wieder einen sehr ruhigen Morgen vor uns, da unsere Exkursion erst am Nachmittag stattfindet.
Heute nur ¾ Stunden Sport, anschliessend Morgentoilette. Ich gehe dann ca. 7 Minuten vor der offiziellen Öffnung ins Medical Center, damit ich möglichst früh in die Schlange stehen kann. Aber o Wunder: Als ich komme, ist die Türe bereits offen, und bei meinem Eintreten nimmt mich die Schwester in Empfang, die mich vorgestern verbunden hat, nimmt das Pflaster ab, wäscht die Wunde und bittet mich, auf die Ärztin zu warten. Sie kommt aber sofort wieder zurück und sagt, die Ärztin komme nicht extra, ich könne gehen, denn damit sei alles erledigt. Es werde nicht mehr verbunden, die Wunde sei einfach offen zu lassen. Anscheinend können sie im Medical Center auch effizient sein!
Damit können wir bereits zum Morgenessen gehen, für welches wir wie meistens im Self Service auf Deck 14 am Heck des Schiffes im Freien Platz finden. Wunderbare Papaia und frische Ananas à ­discré­tion, dazu noch etwas Birchermüesli und Magerjogurt. Da wir am Mittag wieder nichts bekommen, gibt’s auch heute noch etwas Rührei und Speck dazu! Nach dem Frühstück machen wir noch auf den obersten Decks 15 und 16 eine gemütliche Runde und bestaunen vom Schiff aus die Naturschönheiten dieser Insel, und ich versuche, möglichst viel fotografisch festzuhalten.
Wieder im Zimmer leeren wir noch den E-Mail-Briefkasten, sichten im Internet die News aus der Heimat, und dann ist schon bald Zeit, mit dem Tenderboot an Land zu gehen und uns für die Exkursion zu besammeln.
Heute tragen wir bereits die Badehose unter den Shorts, bzw. dem „Hängerli“, denn wir haben uns zum Schnorcheln angemeldet: Wir fahren dazu mit einem Katamaran ins Riff hinaus, wobei wir an einer gewissen Stelle anhalten, an welcher das Wasser nur etwa hüfttief steht, und die Treppe wird ins Wasser hinunter gelassen. Wir sehen bereits dunkle, zwischen 60 bis 100 cm grosse "Schatten" um das Schiff herum schwimmen, die Form eine Kreuzung zwischen kreisrund und dreieckig, mit einem langen, an Ratten erinnernden Schwanz aus der Mitte des Hinterteils, nur viel länger: Es sind Stachelrochen, die hier auf der ersten Station unserer Schnorcheltour gefüttert werden und die ganz zutraulich sind. Man fasst eine Brille mit Schnorchel und schon geht’s hinein ins wunderbar saubere und ca. 27 Grad warme Wasser, hier noch ohne Flossen, aber wir müssen Badeschuhe tragen. Einer der Führer hat einen Kessel mit Sardinen bei sich und füttert damit die Rochen, wie jeden Tag an der gleichen Stelle mit Touristen. Die Rochen kämen sofort, weil sie den Motor des Bootes mit dem Essen kennen! Wir stehen im Wasser oder schnorcheln, und die Rochen schwimmen mitten unter uns herum und flattieren bzw. berühren uns sogar beim Vorbeischwimmen an Beinen und Hüften; man darf sie auch berühren und tätscheln aber nur von oben. Unwahrscheinlich, wie man durch die Brille sieht, wie zutraulich diese schönen Tiere sind und wie sie sich majestätisch bewegen, uns ansehen und an uns vorbeischweben! Der Führer kann sie sogar halten und über dem Wasser leicht aufstellen, bevor er ihnen die Sardine gibt. Dann kann man ihre weisse Unterseite mit dem Gesicht und dem Mund sehen. Die meisten Leute sind begeistert, einige haben Angst. Dazu gehört auch Fischli. Sie stirbt fast vor Angst, wenn ein Rochen auf sie zu schwimmt, ja sie erschrickt sogar dauernd vor ihrem eigenen Schatten, der, wenn man nicht unter Wasser schaut, auf dem weissen Sand des Bodens den Rochen sehr ähnlich ist. Fischli hat Angst, springt mich an, hält sich fest und will die Rochen lieber vom Schiff aus sehen. Wir gehen deshalb wieder aufs Schiff zurück und schauen vom Schiff aus dem bunten Treiben zu. "Snorkeling" ist also nicht so der Hit für Fischli!
Für die zweite Station fährt der Katamaran weiter ins Riff hinaus, dort wo es Korallen hat. Hier können wir mit Flossen schnorcheln, Fischli und ich verzichten aber auf Flossen und schnorcheln ohne, wobei wir einige farbige Fische beobachten. Es hat aber sehr wenige, bis jemand auf die Idee kommt, eine Sardine als Köder hinzuhalten, und dann sieht es wirklich aus wie im Zoo. Man bringt die Leute fast nicht mehr aus dem Wasser, sodass wir schlussendlich zusammen mit einer zweiten Gruppe etwas zu spät zum Pier zurückkommen und nur mit dem allerletzten Tenderboot unser Schiff erreichen.
Fazit des heutigen Tages: Das war 3-mal Snorkeling: das erste, letzte und einzige Mal! Wir sind wahrscheinlich wirklich nicht die geborenen Wasserratten, und schon gar nicht geborene Schnorchler.
Sobald das letzte Tenderboot am Kran über Wasser gehoben wurde, wurden die Anker gelichtet und die Reise ging um 16:00 Uhr weiter, jetzt ziemlich genau westwärts Richtung Samoa!
Wir hatten damit noch genügend Zeit, ein paar Früchte zu essen, etwas zu lesen, die Happy Hour zu feiern, uns dann anschliessend zu duschen und uns umzuziehen und zum Nachtessen zu gehen.
Nach dem Nachtessen bringe ich vor dem zu Bett gehen sogar noch Tagebuch- und Schiffsmeldung Nr.3 schreiben unter Dach, nicht mehr aber Fehlerkontrolle und Versand.

Mittwoch, 06. Oktober 2010: At Sea             
Wetter: Grand Beau,
Unzählige Male habe ich mir in meinem Leben schon den Sonnenaufgang aus dem Meer angesehen! Und immer wieder ist es so faszinierend wie das erste Mal! So ist es auch heute Morgen vom Balkon aus: Zuerst kommen im zeitlichen Ablauf alle diese Tönungen in rot, langsam heller werdend, gelblicher, dann ins Weisse übergehend, bis die Sonne am Horizont anfängt zu blinzeln, dann im Aufstieg immer heller werdend, bis man schliesslich nicht mehr hinsehen kann, man dafür aber schon bald die Wärme der Sonne zu spüren bekommt! Einfach wunderbar! In der griechischen Mythologie ist der Sonnenaufgang so prächtig beschrieben, wenn der Sonnengott Helios jeweils den Sonnenwagen achtspännig am Firmament emporfährt!
Wir haben unsere Kabine auf der Steuerbordseite (in Fahrtrichtung gesehen rechts!) hinteres Drittel. Deshalb hatten wir auf dem Süd-Südwestkurs von San Francisco nach Hawaii auf der nördlichen Hemisphäre auf unserem Balkon Abendsonne und sahen den Sonnenuntergang. Jetzt, auf West-Nordwestkurs und der südlichen Hemisphäre sehen wir von unserem State-Room aus den Sonnenaufgang und haben den ganzen Tag bis gegen Abend Sonne auf dem Balkon, denn die Sonne steht hier im Norden und nicht im Süden wie bei uns!  
Nach dem Sonnenaufgang gnadenlos Sport: Eine Stunde Marschieren (heute ist es schon sehr warm und feucht, denn wir schwitzen viel mehr als sonst) mit anschliessendem Schwimmen im Heck des Schiffes auf Deck 12 und an der Sonne trocknen lassen. Fischli ist überglücklich, dass sie Snorkeling und Stachelrochen hinter sich hat…
Nach der Morgentoilette Morgenessen draussen an der frischen Luft, an „unserem“ Platz im Heck des Schiffes auf Deck 14. Rundgang gemütlich auf dem obersten Deck und dann in der Shopping Mall Einkaufen von Zahnpasta und Snacks für die Happy Hour.
Dann ist Lesen angesagt, und eine weitere Culinary Demonstration mit anschliessender Küchenbegehung, dieses Mal auf Deutsch durch den Schweizer Princess Chefkoch, der auf dieser Reise als Inspektor mitfährt.
Am Abend ist Formal angesagt: Also müssen wir uns für Apéro und Nachtessen in Abendkleid und Smoking werfen, wobei es für uns absolut kein "Must" ist. Da kommen mir jedes Mal die zwei amerikanischen Ehepaare auf unserer ersten Kreuzfahrt in den Sinn, die sich im Lift trafen und die eine Dame dem anderen Herrn ein Kompliment machte, er wäre so schön! Dieser antwortete ganz sec: “Yes, I know, but I was working hours for it”!

Donnerstag, 07. Oktober 2010: At Sea                  
Wetter: Grand Beau
Normaler Seetagbeginn: 9 Runden Gehen, Schwimmen, Morgentoilette, Frühstück draussen (fast wie auf der Terrasse zuhause!!!).
Dann öffne ich den E-Mail-Briefkasten. Jack berichtet, dass André Kurz am 4. Oktober gestorben ist. André befand sich in der Sonnweid in Wetzikon, einem Heim für Demenz-Kranke. Mit knapp über 90 Jahren vorhersehbar, nicht sehr überraschend, und vor allem für Myrtha eigentlich eher eine Erlösung, und trotzdem macht es uns traurig. Myrtha weiss nicht, dass wir fort sind. Ich bitte Jack, mir die Todesanzeige zu scannen und zu senden. Ich werde dann einen Brief schreiben, diesen per E-Mail an Lexi senden mit der Bitte, ihn auszudrucken und an Myrtha weiterzuleiten.
Heute ist Waschtag: 4-mal einen Quarter-$ einwerfen für Waschmittel, 4-mal einen Quarter-$ einwerfen für Waschvorgang und 43 Minuten warten, 4-mal einen Quarter-$ einwerfen für Tumbler und 38 Minuten warten. Dann sind alle Unterhosen und Leibchen von 16 Tagen Ferien wieder sauber. Im Waschraum hat es auch 2 Bügelbretter mit Bügeleisen. Als wir in den Waschraum kommen, ist gerade ein amerikanisches älteres Ehepaar wie wild am Bügeln! Vielleicht sollte ich in meinen alten Tagen neben Kochen auch noch Bügeln lernen! (Habe ich übrigens nach Fischlis Tod dann auch getan!)
Sonst war wieder ein Lesetag, wobei man es jeweils nur ganz kurz auf dem Balkon an der Sonne aushält, nicht einmal wegen dem Sonnenbrand; aber es ist einfach viel zu heiss, und wir müssen zwischendurch hinein! Der starken Winde wegen gibt es auf den Schiffen keine Sonnenstoren und -schirme oder dergleichen.
Dass wir uns wirklich praktisch am Äquator befinden, sieht man übrigens schön am Mittag am Schattenwurf: Da zudem erst noch fast Tag/Nacht-Gleiche ist, entsprechen die Schattenwürfe von Tisch und Stühlen auf dem Balkon wirklich haargenau den Grundrissen der Möbel!
Da „at sea“ unser Telefon selbstverständlich nicht geht, versuchen wir den ganzen Abend über das Schiffstelefon Myrtha zu erreichen, es nimmt aber niemand ab. Es geht aber auch bei Lexi nicht. Also machte ich ein Mail an Lexi, ob sie Myrtha Kurz anrufen könnte, um ihr zu sagen, wir wären auf der Reise. Aber ich würde schreiben. Ich musste sowieso den ganzen Tag immer wieder an André denken, der schon nicht mehr war, als wir vorgestern eine Karte an Myrtha sandten und André grüssen liessen.
Als Fischli ins Bett geht, stehe ich noch lange unter einem wunderschönen Sternenhimmel an der Railing, schaue in die unendliche Weite des Meeres und denke an André. Ich denke über unser Verhältnis zueinander nach: Die ersten drei Jahre bei der GROWELA mit dem Neubau, dann die 10 glücklichen Arbeitsjahre in Lachen und Portugal, und schliesslich die zwei weniger guten, letzten Jahre bis zur Kündigung! Dann ca. zwei/drei Jahre später seine Kontaktaufnahme mit dem anschliessenden, wirklich schönen Freundschaftsverhältnis bis zum Schluss. Plötzlich gehe ich an den Computer und schreibe zwei Briefe, einen an Myrtha, und einen Abschiedsbrief an André, mit all dem, was ich ihm an seiner Abdankung noch sagen wollte. Ich schrieb bis gegen zwei Uhr; dann musste ich schlafen, denn Morgen war unser Ausflug schon am Vormittag!

Freitag, 08. Oktober 2010: US Samoa, Pagp Pago                                                         
Wetter: tropisch: Sonne und kurze Regenschauer abwechselnd, mehrheitlich Sonne
Heute nach der Tagwache ausnahmsweise keinen Sport, nur das Schauspiel des Einlaufens in US Samoa, Pago Pago bestaunen: Wieder so eine exotische Insel, mit riesigen Kokos-Palmen über dem normalen Baumbestand an steilen Berghängen.
Ich versuche wieder bei Myrtha und bei Lexi anzurufen, über Handy und Schiffstelefon: Es geht nicht. Dann sehe ich, dass auch das Mail von gestern Abend an Lexi nicht weg ist! Also korrigiere ich mit Fischli die zwei nächtlichen Briefe und maile sie an Lexi mit der Bitte, sie auszudrucken und an Myrtha zu senden. Dann müssen wir schnell zum Z’Morge und dann zur Besammlung für den gebuchten Ausflug.
Als wir aus dem Schiff kommen hat neben uns ein zweites, ebenfalls recht grosses Kreuzfahrtschiff angelegt, also ergiessen sich heute die Ausflügler von 2 grossen Schiffen auf die Insel. Ob die das wohl bewältigen? Endlich fahren wir mit einem „Heimatstil-Bus“ Richtung Südwestküste ab. Die Karosserie des Busses ist aus Holz, auf einem normalen Chassis montiert, mit Holzbänken und –wänden, sowie offenen Fenstern. Die Insel ist wieder ähnlich den vorher besuchten, es fehlt etwas das Neue, das Überraschende, natürlich ebenfalls sehr schön und sehr grün, dank einem Berg, den sie „The Rainmaker“ getauft haben, und an welchem die vom Pazifik herziehenden Wolken ausleeren: Das bedeutet meistens mehrmals täglich einen Tropenschauer.
Der Ausflug ist eher etwas enttäuschend, viel Armseligkeit, auch viel Schmutz und oft herumliegende Abfälle. Und dann am ersten Stopp, wo wir die AVA-Zeremonie mit anschliessender Tanzvorführung erwarteten, war bereits eine andere Touristengruppe dran. Es wurde rasch entschlossen umgestellt, und wir fuhren zum nächsten Stopp, wo wir die ursprüngliche Missionsstation hätten besichtigen sollen. Die war aber noch zu! Auf einem Umweg fuhren wir also wieder zur AVA-Zeremonie zurück. Dort war die erste Gruppe zwar fertig, aber eine andere Gruppe von unserem Schiff war zur rechten Zeit da gewesen und wir müssen warten. Als wir dann die Zeremonie endlich auch erleben durften, war diese eher enttäuschend, komplett „vertouristet“, obwohl das Begrüssungs-Ritual für ankommende Gäste doch eigentlich sehr schön wäre. Die Tänze der lauten Krieger und der anmutigen Frauen rissen uns jetzt auch nicht gerade von den Sitzen. Und dann fuhren wir zum Schiff zurück, wo wir in einem Supermarkt noch Zahnpasta einkauften. Es war erst früher Nachmittag, sodass wir noch eine Kleinigkeit essen und ein Mittagsschläfchen machen konnten, bevor wieder der normale Alltag mit Happy Hour, Abendtoilette und Nachtessen einkehrte.

Samstag, 09. Oktober 2010: Samoa, Apia
Wetter: tropisch, Sonne und kurze Regenschauer abwechselnd, mehrheitlich Sonne
Ich erwache, als mein Handy mukst und mir sagt, es hätte die Zeitzone automatisch umgestellt. Vom Balkon aus sehe ich, dass wir uns der Insel Samoa nähern und wir demnächst durch das Riff in den Hafen von Apia einlaufen. Beim Öffnen des Mail-Briefkastens sehe ich, dass Lexi geschrieben hat. Sie hat mit Myrtha gesprochen und musste ob meines Briefes weinen. Kurzerhand nehme ich das Telefon und rufe an: Jetzt klappt es wieder, allerdings kommen die Antworten mit einer grossen Zeitverzögerung. Sie haben gepackt, bei ihnen ist es Abend und sie werden Morgen um 5 Uhr abfahren (Bei uns ist es dann abends um 5 und auch wir fahren dann ab Richtung Fidschi-Inseln.
Nach Morgenessen und ohne Sport begeben wir uns zur Besammlung für den Ausflug. Am Pier hat schon kurz nach dem Anlegen eine grössere Folkloregruppe zu singen und zu tanzen begonnen, m. E. etwas professioneller als gestern. Auch haben sie viel melodiösere Lieder als gestern, nur die Kriegstänze der Männer sind ebenfalls sehr laut und wild. Wie­der einmal haben wir anscheinend jenen Ausflug gewählt, der den grössten Zulauf hat. Es scheint aber, dass die Organisation heute besser klappt, denn unser Bus stellt das Programm um und hält erst auf dem Rückweg an einem Aussichtspunkt für einen Fotohalt, während andere Busse nach Programm fahren.
Wir sind bald der Meinung, dass Samoa die schönste, sauberste und grünste von allen Inseln ist, die wir bisher besucht haben. Bis an den Rand des Meeres grün und mit Palmen bestanden, tadellose Strassen mit Mittelstreifen, Strassenränder gemäht, fast wie Greens auf dem Golfplatz, die Häuser zwar auch unterschiedlich schön, aber gepflegt sind sie alle, auch die armseligeren. Uns scheint, dass die Natur hier am üppigsten ist, fast überladen, vor allem die Wälder auf der Regenseite platzen fast aus allen Nähten. Überall wie in einem Mischwald die Fruchtbäume, von denen die Menschen hier zum grossen Teil leben. Zum ersten Mal sehen wir auch Kühe, an einem Pass sogar eine grosse Cattle-Farm, wo Viehzucht betrieben wird, um den Tierbedarf der Insel zu decken. Dazu wurde der Mischwald gerodet, um Weideflächen zu erhalten, wobei es fast wie bei uns auf der Alp aussieht, nur eben mit Palmen anstatt Arven!
Nach ungefähr einer Stunde Fahrzeit und der Überquerung eines kleinen Passes kamen wir zu einem grossen Wasserfall, den man aus ca. 100 m Distanz bewundern konnte. Bei diesem Wasserfall hat eine Familie in bester Aussichtslage so etwas wie einen Schaubetrieb eingerichtet. Hier zeigt man uns, wie die Einheimischen als Alltags-Lebensmit­tel die Kokosnüsse bearbeiten, daneben haben sie einen sogenannten Bodenofen so vorbereitet, dass man ihn bei unserer Ankunft vor unseren Augen auspacken kann. Man hat darin Taro-Wurzeln und ein Spannferkel gebraten. Die Speisen wurden uns zum Versuchen offeriert: Die Taro-Wurzeln in Kokoscreme getunkt schmeckten ausgezeichnet, und auch das Säuli war so gut wie bei uns vom Grill, sehr fein gewürzt. Und da sprangen glückliche Hühner mit Kücken verschiedensten Alters herum, durch den Fleischduft wurde auch ein Büsi angezogen, die ganze Familie mit zwei herzigen Kindern war da, dann Gartenbeete mit Bananen, Papaya, Mango, Ananas, Manjoka und Zuckerrohr, alles fein säuberlich von Hand auf Holztafeln angeschrieben, auf Samoanisch und Englisch, ein richtiger Schaugarten. Ganz saubere Toiletten waren auch da: Kurzum, ein richtiges kleines Familienunternehmen, das ihre bevorzugte Lage touristisch nutzt und etwas daraus gemacht hat.
Die Zeit verging nur zu schnell, bis man nochmals ca. 20 Minuten fahren musste, bis wir an der Tafa Beach ankamen: Ein wunderbarer Sandstrand, nur ein kleines Korallenriffband bis ins tiefe Wasser, am Strand entlang Palmen und andere Bäume, daneben auch kleine Hüttchen, also genug Schatten für jene, welche sich nicht der prallen Sonne aussetzen wollten. Dann das Meer, mit allen Farbschattierungen der Südsee, wie man sie sonst nur im Ferienkatalog sieht. Zum Lunch bekam jeder Teilnehmer als Tranksame eine angebohrte Kokosnuss mit Röhrchen voll Kokosmilch, daneben Bananen, Papaya und Kokosnuss. Nach einem ersten Bad im 29 Grad warmen Wasser marschierten wir dem Strand entlang, zuerst auf die eine Seite, bis man wegen Felsen nicht mehr weiter konnte, dann auf die andere Seite, wobei wir auch noch Schuppissers trafen, die vom heutigen Tag ebenfalls sehr beglückt waren. Wir konnten nochmals kurz ins Wasser, um dann nach 2 Stunden auf dem gleichen Weg zurück zum Hafen zu fahren, wobei die Gegend so schön war, dass man sich die andere Strassenseite auch noch gerne ansah. Nach den 6 Stunden Ausflug kamen wir zwar etwas müde, aber sehr glücklich und zufrieden aufs Schiff zurück, wo wir uns ausruhen konnten.
Wir assen etwas Früchte, und während der Happy Hour legten wir bereits wieder von dieser Trauminsel ab, für einen weiteren Tag „at Sea“, Richtung Fidschi-Inseln.
Beim Nachtessen meldeten wir an, dass wir morgen gerne mit Schuppissers und ihren Freunden Blöchlinger einen 6er Tisch hätten.

Sonntag, 10. Oktober 2010: Entfällt wegen Überfahrens der Datumsgrenze

Montag, 11. Oktober 2010: At Sea
Wetter: Grand beau
Heute Nacht mussten wir die Zeit umstellen! Eigentlich wäre es um 24:00 Uhr hier Samstag, 9. Oktober gewesen, das heisst, in der Schweiz wäre es 12 Stunden später, also Sonntag, 10. Oktober Mittag 12:00 Uhr. Infolge Überfahrens der Datumsgrenze sind wir jetzt plötzlich 11 Stunden vor Euch, das heisst, auf dem Schiff ist jetzt bereits Montag, 11. Oktober 01:00 Uhr. Mit anderen Worten, man hat uns den Sonntag, 10. Oktober klammheimlich gestohlen, denn auf dem Schiff folgt auf Samstag, den 9. Oktober gerade Montag, der 11. Oktober! In der nächsten Schiffsmeldung Nr. 5 wird Sonntag, 10. Oktober also fehlen, was dann nicht etwa ein Fehler ist! Seltsam, aber durchaus logisch!
Heute Morgen dann zuerst sehr früh Sport: Gehen und Schwimmen, dann Frühstück sowie Lesen und Schreiben. Mittags dann kleiner Lunch und wieder Lesen und Schreiben. Um 15:00 Uhr habe ich eine Weindegustation mit US-Weinen aus Kalifornien, Oregon und Washington. Ich habe mich da angemeldet, weil ich immer ein etwas gespaltenes Verhältnis zu diesen Weinen habe und der Ansicht bin, dass diese Weine uns mit dem etwas übertriebenen Geschmack direkt anspringen. Ich habe heute aber gesehen, dass dies ein Vorurteil ist, es sind nicht alle Weine so! Ich habe einen wunderbaren Pinot Noir und einen Cabernet Sauvignon probiert, die ich einkellern würde. Andere waren so wie ich es erwartet hatte. Scheinbar haben die Leute hier einen etwas anderen Geschmack. Übrigens wird in den Restaurants auf dem Schiff relativ wenig Wein getrunken!
Abends assen wir mit Schuppissers und Blöchlingers an einem 6er Tisch z’Nacht, wobei wir uns gut unterhalten haben.

Dienstag, 12. Oktober 2010: Fidji, Suva
Wetter: Bedeckt, für hiesige Verhältnisse mit ca. 25 Grad eher kühl, nachmittags heftiger Regen mit Sturmwind.
Der übliche Kontrollgang auf den Balkon nach dem Erwachen zeigte uns bereits die Hauptinsel von Fidji mit der Hauptstadt Suva. Unter dem Begriff "Fidschi-Inseln" ist eine Inselgruppe von 333 Inseln zu verstehen, wobei die zwei Hauptinseln 85% der Landfläche ausmachen und es sind nicht alle Inseln bewohnt. Alle Inseln sind aber sehr gebirgig, und bewohnt ist meistens nur die Küstennähe.
Um 9 Uhr besammeln wir uns für unseren Ausflug: Wandern im Regenwald eines Naturparks. Ein Bus bringt uns in einer etwa halbstündigen Fahrt dorthin. In Gruppen von 10 Personen, angeführt von einem Park-Ranger, starten wir in Einerkolonne auf einem der vielen kleinen, angelegten Wege, denn man darf wie im Nationalpark nicht vom Weg abweichen, was in dem „Urwald“ aber auch ziemlich schwierig wäre. Es ist eben kein Urwald, denn hier war vor 200 Jahren einmal abgeholzt worden, dann glücklicherweise aber wieder aufgeforstet, teilweise mit Mahagonibäumen aus Südamerika. Der Wald wird aber nicht bewirtschaftet. Es ist wirklich ein Naturpark. Der Weg führt relativ steil in ein Tal hinunter, oft über hölzerne Treppenstufen mit teilweise recht happigen Höhenunterschieden, immer wieder über einen Bach, Steine, Geröll. Manchmal hat es behelfsmässige Brüggli aus Holzbrettern, manchmal geht es nur über Steine. Ich hätte hier eigentlich gerne meine Wanderschuhe getragen, ich würde mich viel sicherer fühlen. Eine Japanerin wandert aber sogar in FlipFlops!
Die Pflanzenwelt wächst hier wieder so üppig, ich weiss gar nicht, wie ich es beschreiben soll! Am ehesten fühlten wir uns wie in der Masoalahalle im Zürcher Zoo! Es geht ungefähr 100 Höhenmeter hinunter, an kleinen Wasserfällen und Weihern vorbei, ungefähr 40 Minuten lang. Dann kommt ein grösserer „Pond“, wo man baden kann, was viele Teilnehmer benutzen, sich von einem Felsen an einem Seil hinaus schwingen und sich ins Wasser fallen lassen. Wir sehen dem munteren Treiben nur zu, obwohl wir Badezeug im Rucksack dabei hätten und es hier ja nicht einmal Stachelrochen gibt. Von wegen Wasserratten! Obwohl es ja nicht heiss ist, schwitzen wir unsere Shirts richtig durch, weil es so feucht ist, und erst recht, als wir dann auf einem auch wieder mit Tritten versehenen Weg die 100 Höhenmeter wieder aufsteigen müssen. Erinnerte uns etwas an den mörderischen Aufstieg von Spinas auf die Samadener Alp, als wir Fischli seitwärts lagern mussten. Heute war der Aufstieg nur etwas weniger lang!
Nach der Wanderung werden wir in die Lodge des Parks gefahren, wo wir zum Lunch Früchte und Kuchen mit Orangensaft erhalten, dazu tanzen einheimische Mädchen traditionelle Tänze, aber auch ein Mädchen, das wie eine Inderin aussieht, tanzt einen indischen Tanz. Es sei ein Mischling von Einheimischen und von Indern. Der Grund, dass Inder hier leben, machte uns schmun­zeln: Als man vor 200 Jahren begann, im unwahrscheinlich fruchtbaren Fidji Plantagen anzulegen, wollte man die Einheimischen als Arbeiter einstellen. Die geregelte Arbeit auf der Plantage war diesen aber viel zu mühsam und sie verzichteten gerne darauf, obwohl sie wohl arm waren, aber die Natur gab ihnen ja praktisch alles und vor allem, sie lebten auch ohne diese Arbeit sehr glücklich. Um die bereits angelegten Plantagen trotzdem betreiben zu können, holte man Tausende von Indern hierher. Diese bilden seither auf den Inseln eine starke Minderheit, sie vermischten sich aber auch mit den Einheimischen. Das war der Grund, warum nicht nur Tänze aus der Südsee dargeboten wurden, sondern auch ein indischer Tanz.
Auf der Rückfahrt setzte ein fürchterlicher Regen mit stürmischen Winden ein, zum Glück nicht schon während unserer Wanderung! Auf alle Fälle wurden wir auf den 50 Metern vom Bus zum Schiff trotz Schirm völlig durchnässt, Hosenstösse und Turnschuhe zum Auswinden. Nach einer warmen Dusche und einem Nachmittagsschläfchen erholten wir uns aber rasch von den heutigen Strapazen. Ein wie üblich feines Nachtessen und eine grossartige ABBA-Show einer australischen Gruppe rundeten diesen wunderbaren Tag ab.
Zurück zum Thema glückliche Menschen: Ich habe hier auf der Reise zufällig im Internet von einer Umfrage gelesen, bei welcher herauszufinden war, in welchem Land die Menschen am glücklichsten leben. Bezeichnenderweise war es keine unserer westlichen Demokratien, son­dern eine kleine Insel in der Südsee, auf welcher die Menschen in Sippen unter einem Patriarchen, einem sogenannten Matai leben, zwar mausarm, aber scheinbar sehr glücklich. Die mitteleuropäischen Länder kamen praktisch alle erst in den dreistelligen Zahlen, die USA sogar erst an 151. Stelle.
Am letzten Samstag in Samoa hatten wir einen College Stu­denten als Führer, weil es auf der kleinen Insel gar nicht so viele professionelle Tou­ris­ten­führer gibt, wie man für ein grosses Kreuzfahrtschiff bräuchte. Der wahrscheinlich nur etwa 17 Jahre alte Schüler erzählte auf unsere Fragen, dass er 10 Geschwister hätte, 5 Brüder und 5 Schwestern, dass die ältesten schon ausgeflogen seien, die Restlichen aber noch sehr glücklich zuhause wohnten, wo Dad und Mom für sie sorge. Das wäre doch ideal! Die ganze Verwandtschaft lebe in kleinen Häusern relativ nahe zusammen, mit einem klaren Chef, und mit vielen gemeinsamen Anlässen. Wem diese Art des Zusammenlebens nicht passe, müsse halt auswandern! Für ihn sei das Wesentlichste im Zusammenleben die Familie, die Religion und der Respekt: Respekt vor Gott, vor den Eltern, vor der Natur, vor der gesamten Umwelt, im vollen Vertrauen darauf, dass im Alter dann auch ihm dieser Respekt entgegengebracht werde. Und er schwärmte so überschwänglich von seinem Samoa und seiner Familie, wie ich schon lange niemanden mehr von seiner Heimat habe sprechen hören. Zwangsweise stellt sich die Frage nach dem Warum: Da scheint vor allem die Familienstruktur noch zu stimmen und die Religion noch ihren Platz in der Gesellschaft zu haben. Die Leute haben allerdings auch nicht so viel Ablenkung, wie dies bei uns mit Zeitungen, Fernsehen, Gameboys, DVDs und Heftli vom Kiosk der Fall ist. Decken sich die Statements unseres jungen Führers in Samoa nicht perfekt mit den Resultaten der Studie? Rennen wir im Westen mit unserer Betriebsamkeit und dem Zwang, Geld zu verdienen, allenfalls nicht einem falschen Glück nach?

Jetzt sind wir bereits wieder ausgelaufen und fahren Richtung Süden, Aukland in New Zealand zu. Kurz, bevor die Verbindung mit dem Mobilnetz von Fidji abbrach, konnten wir noch mit Lexi SMS austauschen und ich beginne, die Schiffsmeldungen Nr.5 zu schreiben. Da man eine etwas rauere See voraussagt, nehmen wir prophylaktisch bereits eine Pille…

Mittwoch, 13. Oktober 2010: At Sea
Wetter: Grand beau, starker Wind, kühl (nur noch 20 Grad!)
Heute Morgen ist die See zum ersten Mal seit der Abfahrt in San Francisco (das ist schon so lange her!) etwas stürmischer und unser Schiff „stampft“ ziemlich stark. Grosse Wellen, die mit dem Wind von vorne rechts kommen, werden am Bug des Schiffes in einer Fontäne bis zu 15m Höhe zurückgeworfen, die Fontäne vom Wind zu Gischt zerrissen, der in sich zusammenfällt, bis am Schluss nur noch eine grosse, weiss schäumende Fläche im Meer übrig bleibt. Zusammen mit dem zusätzlich durch die Schiffsschrauben aufgewühlten und deshalb ebenfalls schäumenden Wassermassen wird dadurch der Weg des Schiffes wie durch einen Kondensstreifen am Himmel noch lange nachgezeichnet. Durch den Aufprall auf grössere Wellen wird das Schiff vorne angehoben, dann sinkt es im Wellental wieder hinunter, und wenn Länge der Wellen eine gewisse Grösse haben, so kann ein Schiff ins Schwingen kommen, eben das Stampfen wie heute Morgen. Der Bug des Schiffes hob und senkte sich heute Morgen etwa 5 Meter, was sich bei unserem sportlichen Frühpro­gramm stark bemerkbar machte: Erstens wurden wir beim Aufprall der Wellen etwas nach links und rechts geschüttelt, was den berühmten Seemannsgang zur Folge hatte. Zweitens, und das habe ich noch selten so stark erlebt, merkte man, wenn bei der Schwingung der Bug des Schiffes unten war, wie man in den Boden gedrückt wurde. Beim Fliegen würde man sagen, man hatte dabei vielleicht 2g, d. h. zwei Mal die Erdbeschleunigung. Bei der oberen Wende wurde man hingegen fast etwas abgehoben, das heisst, man spürte die negative Beschleunigung. Dieses „Stampfen“, das heisst eine Schwingung des Schiffes um die Querachse, ist übrigens auch der Grund, wieso sonst absolut identische Kabinen mittschiffs teurer sind als jene hinten und vorne. Das „Rollen“, das heisst eine Schwingung des Schiffes um die Längsachse ist für alle Kabinen gleich und kann bei unserem Schiff mittels einziehbaren, computergesteuerten Stabilisatoren fast gänzlich unterdrückt werden.
An dieser Stelle möchte ich ein paar Spezifikationen unseres Schiffes, der Sapphire Prin­cess angeben (Man kann übrigens im Internet unter „ www.princess.com/">www.princess.com > Quick Links > Ships“ unser Schiff, anschauen, auch Deckpläne, Kabinen etc.). Sie wurde von Mitsubishi Heavy Industries hergestellt, hat 115'875 Bruttoregistertonnen (die grössten Flugzeugträger haben etwa die gleiche Tonnage!), ist 290 m lang und 46m breit, bei der Brücke oben ist sie genau 50 m breit, sie gehört damit zur sogenannten Panamax-Klasse, das heisst, sie hat die maximalen Masse, um gerade noch durch die heutigen Schleusen des Panamakanals zu kommen. Sie kann 3400 Tonnen Treibstoff tanken, sie bereitet auf See Meerwasser zu Trinkwasser auf, für den Verbrauch vor Anker oder angedockt im Hafen nimmt sie maximal 3500 Tonnen Trinkwasser mit an Bord. Die Passagier-Kapazität liegt bei 2650 (auf unserer Reise sind 2500 Passagiere an Bord), und die normale Crew umfasst 1120 Personen. Die Reisegeschwindigkeit ist 20.7 Knoten, das sind etwa 38 km/Std. Der Strom des Schiffes wird durch 4 Dieselmotoren sowie einer Gasturbine erzeugt. Die Schiffs­schrauben werden dann alle mit Elektromotoren angetrieben. Für die Reisegeschwindigkeit besitzt die Sapphire Princess zwei feste Schiffsschrauben hinten, und zum Manövrieren beim Anlegen oder Ankern besitzt sie vorne und hinten je eine weitere, um 360 Grad drehbare Schraube mit verstellbaren Propellern.
Unser Leben an Bord spielt sich heute mehrheitlich in unserer Kabine mit Lesen, Schreiben und Schlafen ab, das heisst wieder richtig faulenzen! Auf dem Balkon ist es bei dem starken Wind schon fast zu kalt, obwohl es immer noch 20 Grad hat! Wie schnell man sich doch an die konstante Wärme gewöhnt hat und richtig verwöhnt wurde!
Nach dem Nachtessen gehen wir in die Wheelhouse-Bar zu einem Glas Rotwein, wo eine Life Band mit Klavier, Bass und Drums sowie einer Sängerin Tanzmusik macht. Am 23. Tag unserer Reise tanzen wir tatsächlich wieder einmal. Zum letzten Mal haben wir wahrscheinlich auch auf unserer letzten Kreuzfahrt getanzt!
Gegen Mitternacht gibt es Nachtruhe, nachdem wir unsere Uhren um eine Stunde vorstellen mussten.

Donnerstag, 14. Oktober 2010: At Sea
Wetter: Bedeckt, starker Wind, kühl, am Morgen 17 Grad!
Glücklicherweise hat sich die See etwas beruhigt, sodass das Schiff nicht mehr so stark stampft. Der Durchgang vorne im Schiff auf Deck 8 ist heute infolge des starken Windes gesperrt, sodass wir jeweils bei den 2 Treppen umkehren müssen. Mit diesem Wind kam für unser Marschieren die sog. "Frösteltabelle" zum Tragen. Diese gibt für eine gewisse Wind­ge­schwindigkeit an, wie viel Grad man von der tatsächlichen Temperatur noch abziehen muss, damit man die vom Menschen gefühlte Temperatur erhält; denn mit zunehmender Windgeschwin­digkeit gibt der Körper mehr Wärme ab, sodass der Körper eine tiefere Temperatur wahrnimmt, als sie in absoluten Zahlen tatsächlich ist, was beim Rudern oder beim Sport allgemein wichtig ist. Bei einer gewissen Temperatur und starkem Wind muss man, um nicht zu frieren, sich wärmer anziehen als bei Windstille! Deshalb hatten wir eine Jacke mehr angezogen als bisher, und ein Matrose, der am Promenadedeck arbeitete, hatte neben einer Jacke sogar schon eine wollene Mütze tief über den Kopf gezogen, Bei unserem Marsch auf dem Promenadedeck gibt es immer wieder Luftaustritte der Klimaanlagen, wobei wir dort, als es noch warm war, jeweils die herunter gekühlte Abluft gespürt und geschätzt haben. Heute war es umgekehrt: Wir haben bei der Kälte bereits die aufgeheizte Abluft sehr geschätzt! 
Heute waren wir zum Morgenessen für einmal nicht im Self Service, sondern haben uns einmal ganz nobel auch beim Morgenessen im International Dining-Room bedienen lassen. Als wir nach dem Essen noch etwas an die frische Luft wollten und auf das Sports-Deck 16 hochfuhren, war dieses des Windes wegen gesperrt, so auch das Sun Deck 15. Also fuhren wir nochmals aufs Promenadedeck 7 hinunter, wo wir am morgen früh eine Stunde marschiert waren: Da war auch dieses Deck des Windes wegen gesperrt. Da hatten wir ja noch Glück, dass wir heute schon früh unterwegs waren.

Freitag, 15. Oktober 2010: Auckland
Wetter: Bedeckt, kühl, am Morgen 16 Grad, später wechselnd bewölkt und mit etwas Sonne auch wärmer.
Als ich erwachte, waren wir schon in diesem Meeresarm, der vom Pazifik her weit in die Nord­­insel von Neu Seeland hineinreicht und in welchem seinerzeit der Segelwettbewerb des America’s Cup stattfand. In grossen Kurven sucht sich unser Schiff den Weg durch die mittels Bojen markierte Fahrrinne zum de.wikipedia.org/wiki/Waitemata_Harbour">Waitemata Harbour, der sich genau vor dem eigentlichen Stadtzentrum mit dem markanten Skytower, dem höchsten Bauwerk der südlichen Hemisphäre, befindet. Hier wurde im Rahmen des America’s Cup ein ganzes Hafenquartier abgerissen und eine sehr moderne Hafenanlage gebaut, wobei sich die Architekten an der Bauweise von modernen Schiffen orientierten. So ist neben dem Fährenterminal direkt am Wasser ein grosser Komplex mit der Anlegestelle für Kreuzfahrtschiffe und dem Passagierterminal, mit Ladengeschäften, Büroflächen, Superwohnungen und dem Auckland Hilton Hotel entstanden, daneben die riesige West­haven Marina (Yachthafen) mit viel hunderten von Booten, vor allem Segelschiffen. Auck­land wird nicht umsonst „City of Sails“ genannt und es gebe keine Ortschaft auf der Welt, die mehr Boote pro Einwohner aufweise als Auckland. Nach dem Anlegen war dieser moderne Baukomplex so nahe, dass unsere Kabinen genau vis-à-vis den Hotelsuiten und Hotelzimmern lagen, höchstens etwa 15 m entfernt, wobei unser Schiff aber höher war als das Hilton Hotel!
Nach dem Frühstück hatten wir eine dreistündige Stadtrundfahrt gebucht und planten anschliessend, auf eigene Faust den Nachmittag in der Stadt zu bleiben. Auf der Stadtrundfahrt lernten wir Auckland als sehr sympathische, sehr grüne Stadt kennen. Weil ausser im Stadtzentrum praktisch jeder sein eigenes Einfamilienhaus besitzt, ist diese Stadt mit ihren 1.4 Mio Einwohnern flächenmässig eine der grössten der Welt, was vor allem Verkehrsprobleme mit sich bringt, kommt doch fast jede/jeder mit seinem Privatauto in die Stadt! Die von der Chauffeuse/Reise­leiterin sehr interessant und witzig kommentierte Rundfahrt begann mit dem Befahren der berühmten Harbour Bridge, mit einer einmaligen Sicht auf das Stadtzentrum, den Hafenkomplex und den grössten der vielen Yachthäfen. Nachher fuhren wir durch Wohn- und Villenviertel zum Mount Eden, einen der wenigen 50 erloschenen Vulkane, auf welchen die Stadt gebaut wurde, der nicht abgetragen, sondern als Aussichtsplattform erhalten wurde. Von diesem vollkommen mit Gras überwachsenen Vulkan (übrigens inklusive auch dem ebenfalls überwachsenen Krater) kann man die einzigartige Lage der Stadt sehr gut erkennen: Die Stadt liegt auf einem nur ca. 4 km breiten Isthmus, der den nördlichsten Teil der Nordinsel mit dem Hauptteil der Insel verbindet. Auckland liegt mit dem „de.wikipedia.org/wiki/Waitemata_Harbour">Waitemata Harbour“ im Osten am pazifischen Ozean (in diesem bereits erwähnten Meeresarm bis ins Stadtzentrum) und mit dem „de.wikipedia.org/wiki/Manukau_Harbour">Manukau Harbour“ an der de.wikipedia.org/wiki/Tasmanische_See">Tasmanischen See, das heisst, dem Meer zwischen Neu Seeland und Australien. Im Südosten, im Südwesten, im Westen und Nordwesten wird der Grossraum der Stadt durch bis zu 650 m hohe Hügelketten natürlich eingegrenzt. Vom Mount Eden sieht man auch gut die Einfamilienhaus-Struktur der Stadt, die schon relativ bald ausserhalb der Hochhäuser des Stadtzentrums beginnt.
An vielen Schulen vorbei und durch ausgedehnte Wohnviertel fahren wir durch den „Park Auckland Domain“ mit dem darin gelegenen „Auckland War Memorial Museum“, entlang der Auckland Waterfront mit zwei schönen Stränden zumde.wikipedia.org/wiki/Michael_Joseph_Savage"> Michael Joseph Savage Memorial, von wo aus man einen guten Überblick über diese zum Meer hinaus führende Meerenge bekommt, über welche wir eingefahren waren. Auf dem Weg zurück in die Stadt durchfahren wir noch die „Goldküste“ von Auckland, Villen mit traumhafter Aussicht auf Meer, Stadt und Berge am Horizont. Anschliessend durchqueren wir das riesige Hochschulviertel: Ähnlich wie in Zürich liegen in Auckland die Universität und die Technische Hochschule praktisch nebeneinander und haben total 40'000 Studierende, mit einem relativ grossen Anteil asi­atischer Studentinnen und Studenten, vor allem Chinesen. Als Abschluss der Rundfahrt durchfahren wir noch das charmante "Parnell Village” mit vielen Geschäften und Restaurants sowie den „Business District“, bevor jene, die in der Stadt bleiben wollen, bei der Fährenanlegestelle aussteigen.
Ich hatte auf der Fahrt noch einen leichten Frust zu verdauen: Kurz nach Mount Eden macht meine Kamera keinen Wank mehr. Es kommt nur noch die Aufforderung, den Akku zu wechseln, wobei ich keinen Akku zum Wechseln besitze. Bisher habe ich diesen jeweils jeden Abend wieder aufgeladen. Die letzten zwei Tage auf See habe ich aber nicht fotografiert und meinte deshalb, ich müsse nicht aufladen, was scheinbar ganz falsch war. So kaufe ich als erstes in der Stadt einen Ersatzakku, der aber natürlich auch nicht aufgeladen war, sodass ich Auckland nur sehr begrenzt mit Fotos dokumentieren konnte. Abends vor dem Eindunkeln ist aber der erste Akku wieder so weit, dass ich noch ein paar Aufnahmen vom Schiff aus machen kann, sowie ein paar Nachtaufnahmen beim Auslaufen um 22:00 Uhr.
Nach dem Kauf des Akkus machen wir uns zu Fuss auf den Weg zum Sky Tower, wo wir im Restaurant oben mit einer irrsinnigen Aussicht über die Stadt und die Harbour Bridge den Lunch einnehmen. Für die Prachts-Aussicht und die Superqualität des Essens hier oben fahren wir mit je 41 NZD eigentlich recht günstig, wobei Fischli folgende Rechnung macht: Wenn man in Betracht zieht, dass der Besuch der Aussichtsplattform allein ohne Essen je 25 NZD gekostet hätte, war der Lunch für die zusätzlichen 16 NZD fast geschenkt! Verschiedene Touristen begeben sich auf den Sky-Walk, das ist ein Rundgang auf einer Gitter-Plattform rund um den Tower mit freier Sicht nach unten, aber immerhin mit einem Gurt an einem Seil gesichert! Uns sträuben sich die Haare nur schon beim Zusehen!
Nach dem Essen in der Höhe und mit der wieder scheinenden Sonne wird es wieder langsam wärmer in der Stadt. Deshalb flanieren wir zuerst noch ein bisschen und besuchen anschliessend das „New Zealand Maritime Museum“, wo das maritime Erbe des Landes dokumentiert ist: Von der Besiedlung durch die Maori auf ihren Outriggerbooten über die Anfänge der Seefahrt, die Zeit mit den Einwanderungswellen nach dem 1. und 2. Weltkrieg, den Ruder Olympiasiegen der „All Blacks“ in München 1972 im Doppelvierer und Achter bis zum gloriosen Gewinn des America’Cup durch Coutts, Butterworld und Co. Ihre Rennyacht, die „New.Zealand 32“, ist im Museum auch ausgestellt! Es fehlt auch nicht ein bissiger Kommentar, dass sich danach die besten Segler der Welt durch einen „Swiss Industrial Tycoon“ hätten abwerben lassen, dass aber weiterhin Segler aus New Zealand noch zwei Mal den America’s Cup gewonnen hätten, wenn auch für die typische Nicht-Segler-Nation Switzerland in Europa!
Um 5 Uhr sind wir zurück auf dem Schiff für ein Nuckerli und den anschliessenden Apéro. Heute haben wir uns für das italienische Spezialitäten Restaurant angemeldet. Das Essen ist hervorragend, vor allem die Antipasti. Das Auslaufen verfolgen wir auf Deck 16, worauf wir uns in die „Moonwalker Bar“ im 18 Stock zuoberst ganz am Heck des Schiffes begeben, wo wir an einem Fensterplatz Abschied nehmen müssen von dieser wunderbaren Stadt, den langsam verschwindenden Lichtern nachblickend…

Samstag, 16. Oktober 2010: At Sea
Wetter: anfänglich bedeckt und kühl, später aufhellend und sonnig und warm.
Die See war auf der ganzen Reise noch nie so ruhig wie heute, nur Wellenhöhen von 1-2 Fuss. Nach dem in einem grossen Bogen umschifften, östlichsten Teil der Nordinsel folgen wir anschliessend der Küste, die von der See aus eigentlich recht gebirgig aussieht, wenn auch nicht mit sehr hohen Bergen.
Also nochmals ein Tag auf See, bevor jetzt dann drei aufeinanderfolgende Tage mit Landausflügen folgen. Wir geniessen das Nichtstun auf dem Balkon, wo ab gegen Mittag die Sonne schön wärmt und wir wieder in der Badehose lesen können!
Heute in einer Woche sind wir dann bereits am Ausschiffen. Eigenartig, wie die Zeit dann doch plötzlich sehr rasch vergeht. Bisher hatten wir eher das Gefühl, wir wären schon sehr, sehr lang unterwegs und die Zeit stehe fast still!

Sonntag, 17. Oktober 2010: Wellington
Wetter grauenhaft: Sturmwinde peitschen ganze Wasserschwaden vom Meer her über den Hafen und die Stadt, Temperatur 14 Grad.
Nach dem wunderschönen gestrigen Nachmittag mit einem Bilderbuch-Sonnenuntergang begann es in der Nacht zu stürmen und ein ausserordentlich starker Wind peitschte die Wellen höher und höher. Gegen Morgen hatten wir die Südostspitze der Nordinsel umschifft und steuerten den relativ geschützten Hafen von Wellington an, wo der Stadtkern um den Hafen herum in einem Halbrund am Hang der aufsteigenden Hügel liegt. Durch das Unwetter hatten wir zum ersten Mal auf dieser Reise eine halbe Stunde Verspätung. Diese wurde noch grös­ser, denn als das Schiff anlegen sollte, wurde es durch den starken Wind gegen den Pier getrieben, sodass vorne und hinten am Schiff je ein Hafenschlepper mit Tauen halfen, das Schiff zu bremsen, damit es schön langsam an den Pier anlegen konnte. So etwas haben wir auf unseren Kreuzfahrten noch gar nie erlebt. Unsere Schiffe konnten bisher immer mit eigener Kraft manövrieren! "Windy Wellington!!!
Gerade als wir nach dem Frühstück ausschifften und zu unserer gebuchten Halbtages-Tour aufbrachen, begann es zusätzlich zum Wind auch noch zu regnen. Und zwar nicht einfach normaler Regen, sondern der Sturmwind peitschte ganze Wasserschwaden vom Meer her horizontal über den Hafen und über die Stadt, sodass wir nur schon vom Schiff ins Terminal und von dort zum Bus recht nass wurden.
Zuerst ging es zum Cable-Car, einem Bähnchen, das vom Stadtkern zum Botanischen Garten und dem Universitätsviertel hochfährt. Eigentlich hatte man nicht viel davon, denn der grösste Teil des Weges verläuft in einem Tunnel! Von der oberen Station der Standseilbahn (Hersteller übrigens Habegger Thun!) ging es in den „Lady Norwood Rose Garden“ im Botanischen Garten. Super Wetter für einen Rosengarten! Die Rosen blühten doch um diese Jahreszeit noch gar nicht, denn bei uns blühen sie im März auch nicht! Dafür kehrte es mir als erstes gerade einmal meinen Schirm, sodass wir wie die meisten von uns ins warme Green­house flüchteten. Dort hatte es ein Warm- und ein Kalthaus, wo wir eigentlich genau das zu sehen bekamen, was wir in den vergangenen zwei Wochen in Natura gesehen hatten. Für den kurzen Weg zum Bus hatten wir die Kapuzen unserer Windjacken aus dem Kragen gerollt und über den Kopf gezogen.
Von hier fuhren wir an den beiden Parlamentsgebäuden vorbei, zuerst am neuen modernen „Bienenstock“ und dann am altehrwürdigen, von anfangs 20. Jahrhundert stammenden zur St. Paulskirche, einer vor allem innen wunderschönen, alten Holzkirche mit Baujahr 1866, die heute Museum ist, aber für Hochzeiten, Begräbnisse und was auch immer gemietet werden kann. Von dort ging die Tour durch sehr schöne Wohnviertel zum Aussichtsberg Mount Viktoria, wahrscheinlich wie in Auckland wieder durch die Goldküste von Wellington mit Prachtsvillen, zum Teil derart an den Steilhang gebaut, dass sie nur durch Treppenlifte erschlossen sind, oder von oben her, mit der Garage auf dem Dach. Auf Mount Viktoria hatten wir Gelegenheit, die 77 Treppenstufen zum „Lookout“ hinaufzusteigen, um auf die Stadt hinabzuschauen. Die Sicht war aber so schlecht, dass man in den vorbeiziehenden Wasserschwaden nur knapp das Stadtzentrum sehen konnte, den Standort unseres Schiffes, und das ist ja nun nicht gerade klein, konnte man nur noch erahnen. Fotografieren lohnte sich überhaupt nicht, denn man sieht praktisch nichts auf dem Bild.
Auf dem Rückweg von dort hatte man wieder wie in Auckland Gelegenheit, im Stadtzentrum auszusteigen, um noch etwas in der Stadt zu bleiben. Das benutzten heute aber nur sehr wenige. Wir wären unter normalem Umständen noch gerne in der Stadt geblieben, aber bei diesem Wetter entschlossen wir uns, sofort zum Schiff zurückzukehren, umso mehr, als Fischli in ihren Sommerhosen ganz durchfroren war und nach einer warmen Suppe sich beim Mittagsschlaf im Bett aufwärmte. Mir gab die frühe Rückkehr aber Gelegenheit, heute trotz Ausflug Tagebuch zu schreiben.

Montag, 18. Oktober 2010: Christchurch
Wetter leicht bewölkt, kühl; am Nachmittag kurzer Regenschauer, danach wieder schön.
Christchurch ist eigentlich falsch gesagt, den es liegt gar nicht am Meer. Der Hafen, an welchem wir anlegen, heisst Littleton und liegt an einem ins Landesinnere hineinführenden Meeresarm, praktisch dort, wo die Nordküste der Banks Halbinsel beginnt. In der Morgendämmerung zogen plötzlich Hügel, teilweise mit Felsabbrüchen an unserem Fenster vorbei, was mich aufstehen und die die restliche Einfahrt sowie das Anlegen auf dem Balkon verfolgen liess, denn es ist immer wieder spannend. Es ist empfindlich kühl an diesem Morgen, nur noch 13 Grad, und tagsüber wird es nicht viel wärmer, höchsten direkt an der Sonne. Mit den sehr starken Winden und auch dem einsetzenden Regen fühlt es sich noch viel kälter an, als es schon ist!
Nach dem Frühstück ging es heute schon um halb acht per Bus auf den Landausflug. In einem modernen Bus, in welchem wir mit viel Glück einmal die zwei vordersten Plätze links ergatterten, folgten wir der gut ausgebauten Küstenstrasse der Nordküste der Banks Halbinsel. Hier gibt es einige schöne Dörfer, direkt am Meer, hinter sich relativ steil ansteigende Berge. Über einen kleinen Pass gelangten wir ins Innere der Halbinsel, wo sich uns ein ganz anderes Bild bot: Eine Ebene, eingefasst von Hügeln und Bergen, mit ganz wenig Ackerbau, praktisch nur Viehwirtschaft, und zwar in der Ebene Rindvieh und im steileren Gebiet dann Schafe, soweit das Auge reicht. Nach einer Stunde gelangen wir an einen schön gelegenen See, wo wir einen ersten Halt machen, bevor wir zu einer Schaffarm weiterfuhren, mit 600 Hektaren Land und 1600 Schafen, dazu 5 Hunden, um die Schafe einzutreiben. Hier erwartete uns zuerst eine „Schafs-Hunde“ Demonstration.
Der Besitzer zeigte uns, wie er mit Pfeifen den Hund so anweisen kann, um Schafe auch von weit her zu holen, solange der Hund das Pfeifen noch hört. Bei einem gewissen Pfiff rennt der Hund mehr links, bei anderen rechts, bei wieder anderen bleibt er stehen, dann gibt es Pfiffe für schneller oder für langsamer usw. In unserem Fall sandte er den Hund mit Pfeifen schräg einen steilen Abhang hinauf, sicher 100 Höhenmeter und auf etwa 500 m Distanz, wo 4 Schafe mit 2 Lämmern waren, die er herunterholen und in ein Gehege treiben sollte. Unwahrscheinlich wie das klappte! Wie der Hund entsprechend den Pfiffen mehr links oder mehr rechts hinter den Schafen her ist und sie genau in die richtige Richtung treibt, in welche der Meister die Schafe haben will. Übrigens waren es Merino Schafe mit einer oberflächlich ganz festen, darunter aber sehr samtigen Wolle. Man durfte die etwa 14-tägigen Lämmer auf den Arm nehmen und streicheln. Ob sie das gern hatten, ist eine andere Frage.
Anschliessend scherte er auf einer Schaubühne vor unseren Augen ein Merinoschaf, das am Schluss ganz blutt dastand, und am Boden lag die zusammenhängende Wolle an einem grossen Knäuel!
Und dann gabs für die 2 Bus voll Leute, 67 Personen aller Nationalitäten Kaffe oder Tee mit Gebäck! Der Farmer und seine Frau machten dies sehr professionell und mit Grandezza. Sie freuen sich sehr, dass dieses Jahr 40 Kreuzfahrtschiffe einen Besuch bei ihnen auf dem Programm haben, scheinbar klar ein Teil ihres Einkommens, da sie dafür auch in die Schaubühne und in den Garten, wo wir verköstigt wurden, investiert haben. Ich weiss nicht, was uns mehr interessierte, die Schafe oder der Garten. Fischli und ich fanden uns auf alle Fälle sehr an Gartenbesichtigungen in England erinnert, wo es oft zum Abschluss der Gartenbesichtigung auch oft Tee und Gebäck gibt. Im interessant angelegten, grossen, schön strukturierten Garten gab es viele Pflanzen, die es bei uns auch gibt wie Kamelien, Astranzien, Astilben, Hostas, Violas, Günsel, aber viel grösser als bei uns, usw. Daneben hatte es dann aber auch Zitronen, Orangen und viele Pflanzen, die wir nicht kannten. Klarer Höhepunkt war aber zweifelsohne ein wunderschöner, riesiger Ceanothus, aber viel dunkler als in England, der mich als eine meiner Lieblingspflanzen sehr beglückte.
Nach diesem sehr gelungenen Anlass fuhren wir weiter, Richtung Spitze der Halbinsel. Dazu mussten wir aber über einen Pass mit 420 m Höhe, von 0 aus wohlverstanden. Von der Passhöhe aus gab es eine wunderbare Fernsicht auf einen ins Land hereinreichenden, stark verzweigten Meeresarm, an welchem das Hafenstädtchen Akaroa liegt. Da der Meeresarm aber nicht tief ist, können hier nur kleinere Schiffe (wie etwa jene auf dem Zürichsee) anlegen. Die Fahrt nach Akaroa war sehr abwechslungsreich, mit sehr schönen Ausblicken in die Berge und auf den Meeresarm.
In Akaroa bekamen wir im „Grand Hotel“ ein reichhaltiges Lunchbuffet, wobei man sich beim Grand Hotel ein sympathisches Holzhaus aus dem Ende des 19. Jhdt. vorstellen muss, nett restauriert, wie übrigens viele der Häuser hier. Akaroa soll das Städtchen mit den meisten viktorianischen Häusern in Neu Seeland sein. Im gleichen Ort gibt es einen Fantasiegarten einer Künstlerin, mit einerseits sehr schönen Pflanzen und andrerseits aber als Attraktion riesige Fantasiefiguren von Menschen und Tieren und Gegenständen. Ich denke sie holt sich ihre Inspirationen sicher bei Gaudi oder Hundertwasser, aber echt gut. Sie hat auch eine kleine Galerie für ihre eigenen Bilder angebaut. Die Galerie ist vom Lichteinfall her genial. Die Bilder weniger! Hier hatten wir anschliessend noch eine Stunde Zeit zur freien Verfügung, wobei es leider zu regnen anfing, was uns damit zwangsweise in eines der wenigen Restaurants trieb!
Für die Rückfahrt nahm der Chauffeur dann den Weg über Christchurch. Kurz bevor wir die Vorstädte erreichten, konnten wir über den weiten Feldern und Viehweiden am Horizont im Südwesten die schneebedeckten Berge der sogenannten „Südalpen“ von Neu Seeland sehen. Das Stadtzentrum von Christchurch, das wir kreuz und quer durchfuhren, war sehr sympathisch, mit einem guten Nebeneinander von altehrwürdigen Bauten und moderner Architektur. Vom Erdbeben im letzten September konnte man nur noch hie und da infolge Einsturzgefahr gegen die Strasse hin abgestützte und abgesperrte Gebäude sehen, sonst war nicht mehr viel zu sehen. Der Führer erwähnte, dass die Baugesetze in Neu Seeland recht streng wären. Nicht umsonst hätte es bei einem gleich starken Erdbeben wie in Haiti in Neu Seeland nur Sachschaden und keine Opfer gegeben. So bekamen wir bei diesem Sightseeing doch noch einen Eindruck dieser sehr englischen Stadt, mit einem Flüsschen Avon und vielen sehr an England erinnernden Strassennamen. Die Rückfahrt zum Schiff dauerte dank einem Tunnel zum Hafen der Stadt kaum 20 Minuten, sodass wir schon bald „zuhause“ waren. Wie schnell man sich doch an ein Pseudo-zuhause gewöhnt! Schon bald legten wir ab, und fuhren weiter südwärts Richtung Dunedin.

Dienstag, 19. Oktober 2010: Dunedin
Wetter leicht bewölkt, wieder sehr kühl; ab Mittag heftige Regenschauer, gegen Abend wieder schön.
Wie bei Christchurch ist auch bei Dunedin der Hafen eine andere kleine Stadt: Hier ist es Port Chalmers. Dunedin liegt zwar am gleichen Meeresarm wie Port Chalmers, aber viel weiter im Landesinnern, sodass nur kleinere Schiffe bis dorthin fahren können. Wenn man einfährt, gehört das linke Steilufer zur Halbinsel Otago. Es ist wieder recht felsig und hügelig, und die Fahrrinne ist relativ schmal, sodass unser Schiff richtig kurven muss!
Nachdem wir noch ein paar Sachen zum Waschen gegeben hatten, begeben wir uns schon 07:40 zur Besammlung ins grosse Theater, wo wir heute aber über eine Stunde warten mussten, und da sie als Unterhaltung nur ein kleine Sequenz eines auf unserer Kreuzfahrt aufgenommenen Videos zeigten, sahen wir es 7-mal, was uns etwas verärgerte. Die Organisation war nun heute wirklich das Letzte. Als die Tour dann endlich losging, hatten wir wieder Glück: Aus dem Schiff kommend wurden wir in der Kolonne gerade zum zweiten Bus gewiesen, sodass wir wieder praktisch als erste einsteigen und uns wieder in die vorderste Reihe rechts setzen konnten, was uns wieder etwas versöhnlicher stimmte!
Die Busfahrt ging landeinwärts dem Meeresarm folgend zuerst bis nach Dunedin, dort um dessen Ende herum und auf der anderen Seite die Küstenstrasse der Otago Halbinsel wieder zurück. In Dunedin selbst besichtigten wir das wunderschöne, alte Stationsgebäude der Bahn. Nach Dunedin ging es durch kleine Dörfer, bis wir auf dem anderen Ufer praktisch an unserem Schiff vorbei kamen, an einer Albatros-Station vorbei wieder auf eine Schaffarm. Die Hobbies dieses Farmers sind neben den Schafen Wildtiere: Seehunde, Pinguine und Vögel. Dazu hat er auf einem Teil seines Besitzes ein Reservat geschaffen, das er „Natures Wonders“ nennt. Auch nutzt er dieses Reservat kommerziell: Er macht Führungen an die Steilküste hinunter mit achträderigen, ausgedienten Allrad-Militärfahrzeugen, vergleichbar mit unseren Pinzgauern. So wurden wir in einen Neuseeländischen „Prontomantel" gesteckt und je sechs von uns wurden einem Gefährt zugeteilt. Und dann ging es los: Acht solche Fahrzeuge donnerten los, auf angelegten Pisten, teilweise durch halbmetrige Tümpel, dann wieder eine Rampe hoch und wieder hinunter, teilweise mit bis zu 50% Gefälle! Und man musste sich sehr festhalten, dass man nicht abgeschüttelt wurde. Die Strapazen lohnten sich aber, denn plötzlich kamen wir fast an der Brandung unten an eine Beach mit ungefähr zwei Meter Distanz zu den Seehunden, die sich überhaupt nicht um uns kümmerten! Die einen schliefen, andere putzten sich, und zwei im letzten Dezember geborene junge Männchen lümmelten in einem angelegten Tümpel herum, wie man es sonst nur im Zoo sehen kann. Die Tiere werden in ihrer normalen Umgebung gelassen, sie werden nicht gefüttert, man darf sie nicht berühren, man darf nur ohne Blitz fotografieren, und man darf nur seitwärts in ihre Nähe gehen, um sie nicht zu brüskieren. Gegen Ende unseres Besuches kam ein ganz junger, neugieriger Seehund selbst immer näher! Mit seinen herzigen, grossen, runden Augen schaute er uns an und liess sich wie ein Model fotografieren. Ja er humpelte uns sogar nach, als wir wieder unsere Fahrzeuge bestiegen. Ein wunderbares Naturerlebnis.
Dann besuchten wir eine andere Beach, jene der Pinguine. Fischli und ich hatten uns etwas wie in Argentinien südlich von Puerto Montt vorgestellt, wo wir an einer Beach auf einem Fuss­weg mitten durch hunderte, wenn nicht tausende von Pinguinen und ihren Höhlen spazieren konnten, wobei die Pinguine klar Vortritt hatten, und wo der Personen-Fussweg bei besonders intensiv benutzten „Pinguin-Wegen“ zum Meer hinunter über kleine Brücken führten. Hier wurden wir an einer Steilküste in einen lang gezogenen, hölzernen Tunnel mit Gucklöchern geführt wurden, aus welchen man die Pinguine aus der Ferne beobachten durfte, so man dann einen zu Gesicht bekam. Wir hatten unseren privaten Reisefeldstecher bei uns, sodass wir ein einziges Tier ausmachen konnten, der ca. 100 m entfernt war. Andere sahen gar nichts und waren noch mehr enttäuscht als wir. Ich meine, dies dürfte man nicht als „Besuch bei den Pinguinen“ anpreisen, denn der Ausflug war recht teuer.
Er beinhaltete dann noch ein Lunchbuffet im Zentrum, das aber noch enttäuschender war als der Pinguinbesuch. Geschäftstüchtig ist er, der Besitzer, das muss man ihm lassen. Und dann begann es bei der herrschenden Kälte auch noch stark zu regnen, was uns bei der anschliessenden Besichtigung eines „Aquariums“, d. h. einer staatlichen Meerestier-For­schungs­­anstalt weniger störte als die Gruppe im anderen Bus, die zuerst im Aquarium war und jetzt bei dem Sauwetter mit den Geländefahrzeugen auf die Tour mussten!
Im Aquarium zeigte man uns in einem flachen Naturbassin auf Tischhöhe allerhand Meeresgetier wie Seesterne, Seeigel, Schnecken, Meergurken, kleine Krebse etc. die man herausnehmen, befühlen und betrachten durfte. In Schaukästen sind die kleineren Fische und Seepferdchen etc. ausgestellt. Und zu allen diesen Tierchen erzählte uns eine deutsche Studentin, die mit einem Stipendium hier eine Arbeit macht, spannende, artspezifische Geschichten, man hätte stundenlang zuhören können. Dann zeigte man uns in grossen, oben offenen und vom Meer nur durch Gitter getrennte Kammern die verschiedensten grösseren Meerfische, vom Hai bis zum jungen Delphin. Und als etwas wirklich Einmaliges konnten wir eine Sammlung von riesigen Langusten bestaunen: Ein Fischer bringt diese jeweils her, wenn er an einem Ort, den nur er kennt, zu grosse Tiere „fischt“. Ab einer gewissen Grösse, sprich ab einem gewissen Alter, haben sie keinen kommerziellen Wert mehr, denn man kann sie anscheinend nicht mehr essen, denn sie wären zu zäh und der Geschmack sei auch nicht mehr gut. Man erklärte uns auch, wie die Languste wächst. Die Langusten könnten in ihrem festen Panzer ja nicht wachsen. Deshalb wächst unter dem Panzer eine neue Haut, und praktisch ein Mal pro Jahr sprengen die Tiere dann den Panzer auf, um sich während einer folgenden, relativ kurzen Zeit richtig vollzufressen, bis die Haut wieder fest und zum Panzer wird und die Languste für ein weiteres Jahr nicht mehr wachsen kann. Unter den Tieren der Sammlung hatte es solche mit über 60 Jahren, die dann nicht mehr jährlich den Panzer aufbrechen, sondern nur noch alle zwei bis drei Jahre. Der Besuch dieses Aquariums war wieder ein voller Erfolg, der uns die Pinguine und den Lunch vergessen machten.
Auf dem Rückweg nahmen wir den Weg über den Bergkamm der Halbinsel. Schade, dass der Regen eine schlechte Sicht mit sich brachte, sodass sich der Umweg kaum lohnte. Gegen 4 Uhr waren wir wieder beim Schiff. Wir wuschen nach der Rückkehr im „Laundromat“ nochmals die Unterwäsche, damit wir für die restliche Zeit in Australien und auf der Rückreise über die Runden kommen können.
Um 18:00 Uhr legten wir ab und fuhren die Fahrrinne im Meeresarm hinaus, wobei wir auf unserer Seite ganz nahe die Strasse hatten, auf welcher wir heute zu den Seehunden und dem lonely Pinguin gefahren waren. Wir konnten auch nach der Umrundung der Einfahrt am Ufer auch das Gebiet und die Strände sehen, in welchen wir am Morgen mit den Geländefahrzeugen herum gekurvt waren.
Dann begann es langsam, aber sicher zu stürmen, und das Schiff wurde teilweise richtig geschüttelt. Sicherheitshalber nahmen wir beim zu Bett gehen je ein Pille gegen Seekrankheit, wobei wir feststellten, dass wir auf früheren Reisen beide viel schneller Schwierigkeiten hatten, als auf dieser Reise! Ob dafür die Grösse des Schiffs der Grund war?

Mittwoch, 20. Oktober 2010: "Fjordland National Park"
Wetter: Regen, kalt, heftige Winde aus Südwest, richtig Sturm, am Morgen noch 2 m hohe Wellen. Prognose: Sturm wird noch stärker, Wellen auf 4 m steigend!
Nachdem wir in der Nacht die Südostecke der Südinsel umfahren und die Fovaux-Strasse zwischen der Südinsel und der Stewart Insel durchfahren haben, umrundeten wir bei Tagesanbruch die Südwestecke der Südinsel. Da wir beim Losgehen des Weckers um 07:00 noch kein Land sahen, schliefen wir nochmals eine Stunde. Während der Nacht und heute Morgen schüttelte es ganz gehörig! Die Aussendecks wurden gesperrt, sodass wir unseren Marsch gar nicht hätten machen können. Zum Glück, denn wir hätten heute bei dem miesen Wetter kneifen wollen! Und dann kam um 08:00 die schlechte Nachricht per Lautsprecher von der Brücke, und zwar vom Kapitän persönlich: Infolge des zunehmenden Sturms kann das grosse Schiff aus Sicherheitsgründen nicht in die Fjorde einfahren. Das hat zur Folge, dass wir nun direkt Kurs auf Sydney nehmen werden. Der Kapitän entschuldigt sich persönlich für diese Programmumstellung, aber die Sicherheit von Passagieren und Mannschaft habe Priorität. Wir hätten uns bei gutem Wetter den ganzen Tag in zwei Fjorden aufgehalten. In diese Fjorde einzufahren mit ihren bis zu 2746 m hohen, noch schneebedeckten Bergen links und rechts, wäre schon spektakulär gewesen! Zur ganztägigen Kommentierung der Szenerie per Lautsprecher an Deck und in den öffentlichen Räumen war in Port Chalmers extra ein Sprecher des Nationalparks an Bord gekommen. Schade, vor allem, wenn man so viel über den wunderbaren Park gelesen hat!
Also schreibe ich meine letzte Schiffsmeldung, Fischli liest. Dann fragt Hansruedi Schuppisser telefonisch an, ob ich an die Weindegustation von 15:00 Uhr käme, Christine wolle nicht! Sehr gerne sage ich zu. Unser Mittagessen besteht heute aus je einer Orange und je 1 ½ Banane; mehr verdienen wir nicht, denn heute Morgen bei dieser Kälte sind wir nicht marschieren gegangen, ich stellte dann am Mittag meine Wetterstation auf den Balkon, und siehe da es hatte am Mittag nur 12 Grad! Wieso haben wir eigentlich jede Menge Kleider für tropische Tage und viel zu wenig für kältere Tage mitgenommen? Wir haben doch die Durchschnittstemperaturen von hier gekannt!
Gegen Abend werden die Wellen dann wirklich mächtig gross. Alle Aussendecks bleiben gesperrt. In den Treppenhäusern mit den je vier Aufzügen wird jeweils einer von zwei nebeneinanderliegenden ausser Betrieb genommen. Ich denke es besteht die Gefahr, dass sich bei dem Schütteln zwei fahrende Aufzüge touchieren könnten! Erst jetzt sieht man, dass es schon sehr viele Leute an Bord gibt, denn viele benutzen jetzt die Treppenhäuser, um nicht warten zu müssen.
Anlässlich dieser "Very rough Sea" notiere ich die Nummern der verschiedenen Wellenhöhen:
1         Smooth, wafelets                 0.3 – 0.6 m              1 – 2 feet
2         Slight                                  0.6 – 1.25 m            2 – 4 feet
3         Moderate                             1.25 – 2.5 m            4 – 6 feet
4         Rough                                 > than 2.5 m            > than 6 feet
Im Theater bieten Amateurkünstler vom Personal Gesang, Tanz, und humoristische Einlagen, was noch ganz unterhaltsam ist!

Donnerstag, 21. Oktober 2010: At Sea
Wetter: Regen, kühl, immer noch Winde aus Südwest, Wellen werden wieder mässiger, zwischendurch scheint sogar etwas die Sonne.
Heute normaler Seetag, nur unterbrochen durch Kochdemonstration mit Küchenbegehung, wobei man nach der Küchenbegehung zwangsweise gerade noch durch den Schlussverkauf der Bordläden muss mit Wühltischen wie im Ausverkauf. Ist hier so wenig gemütlich wie bei uns!
Dann muss jeder Passagier in einer gewissen Reihenfolge eine Immigration Karte ausfüllen und damit, zusammen mit dem Reisepass bei drei Polizeibeamten vorbei, welche auf einem Polizei-Computer nachsehen, ob man eventuell gesucht wird. Es bilden sich lange Schlangen, in welchen wir eine halbe Stunde anstehen. Zeitweise standen die Leute aber mehr als eine Stunde an.

Freitag, 22. Oktober 2010: At Sea
Wetter: Wechselnd bewölkt, am Morgen bereits wieder 17 Grad, Wellen wieder normal
Am heutigen letzten Tag lassen wir nochmals einen Kontoauszug heraus, wobei unsere Kontrolle ergibt, dass alles richtig verbucht ist. Wir erhalten heute Nacht dann nochmals einen Schluss-Kontoauszug, und wenn wir damit einverstanden sind, wird dieser dann meiner Kreditkarte belastet, sodass wir dann nicht mehr an der Kasse auschecken müssen. Im Übrigen läuft natürlich vieles für das morgige Ausschiffen: Instruktionen wie, wann, warum…
Wir lesen viel und auch das Tagebuch wird nachgeführt. Da wir wieder gegen Nordwesten fahren wird es wieder etwas wärmer und das Wetter bessert sich zunehmend. Wir können sogar wieder auf dem Balkon lesen, allerdings nicht blüttlen!
Dann ist Packen angesagt, damit die Koffer vor dem Nachtessen hinausgestellt werden können. Die Etiketten für die Ausschiffung müssen wir an der Rezeption selbst holen, irgendetwas klappt nicht. Wir sind bei der Gruppe „PINK 6“ und müssen um 08:45 in der Explorer Bar zum Ausschiffen bereit sein.
Abends essen wir noch ein letztes Mal mit Schuppissers und Blöchlingers. Während dem Essen findet noch die Parade der Kellner und der Köche durch den grossen Speisesaal statt.
Vor dem zu Bett gehen müssen wir die Uhren nochmals eine Stunde nachstellen, dann gibt es zum letzten Mal auf dem Schiff Nachtruhe, heute wieder mit offener Balkontüre!

Samstag, 23. Oktober 2010: Ausschiffen – Sydney
Wetter: Am Morgen Wolkenlos, relativ bald schön warm, mittags bereits 25 Grad. gegen Abend Gewitter und anschliessend Regen
Ich werde um 05:00 Uhr durch das Geräusch eines Motorbootes geweckt. Ich sehe nach und kann miterleben, wie der Lotse vom fahrenden Motorboot auf unser Schiff umsteigt! Das ist für mich Zeichen für Morgentoilette, denn ein zufällig derart markantes „Sail-In“ in Sydney bei untergehendem Vollmond und fast gleichzeitigem Sonnenaufgang erlebt man wahrscheinlich nur einmal im Leben. Als ich aus dem Bad komme, durchfahren wir bereits die äussere Hafeneinfahrt mit den recht felsigen Abbrüchen der beidseitigen Hügel. Nach 5 Minuten bin ich mit der Kamera bewaffnet auf der Terrasse oberhalb der Brücke, die zwar normalerweise bis Sonnenaufgang gesperrt ist, aber ich bin nicht der einzige der die Abschrankung einfach überklettert.
Die Lichter der Stadt und der Lichtschimmer darüber sind bereits zu sehen, und links über der Skyline der Stadt hängt fast kitschig der untergehende, rote Mond. Die Skyline von Sydney tritt immer mehr aus dem Dunkel des anbrechenden Morgens, und mit dem heller werden des Himmels im Osten wird sie immer besser sichtbar! Wir kommen ihr aber auch immer näher. Die Silhouetten des Opernhauses und der Harbour-Bridge werden klar erkennbar: Ein wunderbares, tatsächlich wie aus Bildern bekanntes Schauspiel, das einem fast Herzklopfen macht. Wir kommen immer näher; dabei wird es immer heller und man erkennt immer mehr Details einer unbeschreiblich schönen Stadt.
Inzwischen ist Fischli auch auf der Brücke angekommen. Sie hat die Einfahrt bisher von unserem Balkon aus verfolgt! Wir können jetzt gemeinsam mitverfolgen, wie die Spitzen der Wolkenkratzer und des Sky-Tower bereits von der aufgehenden Sonne beschienen werden, wie die Schatten langsam absinken, bis die Sonne dann endlich auch für uns plötzlich sichtbar am Horizont zu blinzeln beginnt. Wir empfinden dabei gemeinsam ein ungeheures Glücksgefühl.

Die Erinnerung an diesen so eindrucksvollen Tagesbeginn, dieses "Sail-In" am letzten Morgen unserer grossen Schiffsreise (wir wussten damals noch nicht, dass es unsere letzte grosse Reise war) lässt mich selbst nach Jahren beim Lesen meiner damaligen Eindrücke immer wieder richtig freudig erschauern.

Wir haben nun genügend Zeit, noch ein letztes Mal in Ruhe im vertrauten Speisesaal im 14. Stock zu frühstücken und anschliessend fertig zu packen, um dann in der Explorers Lounge auf den Ausschiffungszeitpunkt zu warten. Das Ausschiffen selbst war fast problemlos: Die Gruppe PINK 6 wird ausgerufen, Und wir gehen, wie jeweils bei Landausflügen, wo man auch aus- und wieder einchecken musste, ein letztes Mal mit unserer Cruise-Card am Automaten vorbei und stecken die Karte in den dafür vorgesehenen Schlitz. Der Sicherheitsbeamte kontrolliert das im Apparat erscheinende Bild mit mir und erlaubt das Weitergehen: Dann sind wir für unser Schiff, die Sapphire Princess, die für uns nun über einen Monat unser „Zuhause“ war, nicht mehr existent, keine Passagiere mehr!
Im Terminal behändigen wir unsere bei Pink 6 bereitstehenden Koffern und begeben uns zum Zoll. Passkontrolle war ja schon auf dem Schiff. Dort werden wir in die Schlange geschleust für Personen, die auf ihrer Immigration Card deklariert hatten, dass sie während der Reise mit Farmen und Tieren in Kontakt gekommen sind. Das allein wäre nicht so schlimm gewesen, denn ich kam mit der Beantwortung von einigen Fragen betreffend Sheep Dog Demonstration und Sheep Shearing durch. Fischli hatte aber auf irgendeiner Insel ein aus Palmenblättern geflochtenes, kleines Körbchen gekauft, wo wir für unsre Happy Hour jeweils die Snacks und Nüssli drin hatten, welches nicht deklariert war, obwohl es aus Naturprodukten bestand. Fischli hatte es leider genau zuoberst im Handgepäck, welches als Stichprobe gezeigt werden musste. Das war nun verdächtig, und die Dame wollte jetzt natürlich noch mehr sehen, auch im grossen Koffer. Nun wollte sie alle Schuhe sehen usw. Wir verloren so einfach etwa eine Halbstunde, sonst lief alles glimpflich mit einer Ermahnung ab, bei der nächsten Einreise solches Zeug genau zu deklarieren und unaufgefordert zu zeigen: Wie wenn wir alle 14 Tage in Australien einreisen würden!!! Andrerseits habe ich viel Verständnis für diese genauen Kontrollen, kann damit doch verhindert werden, dass mit Tieren und Pflanzen Krankheitserreger in den Kontinent eingeschleust werden.
Damit waren wir also in Australien angekommen!
Auf diese verlorene Halbstunde kam es dann aber wirklich nicht mehr an: Das Reisebüro Bischofberger in Zürich, bei welchem zufällig zusammen mit uns noch zwei weitere Ehepaare diese Kreuzfahrt gebucht hatten, hatte in San Francisco und Sydney je ein Vor- und Nachprogramm vorgesehen. So war nach dem Ausschiffen sofort eine Stadtrundfahrt vorgesehen. Wir kannten uns also vom Programm in San Francisco her. Aus irgendeinem Grund war aber ein Ehepaar nicht in Pink 6 eingeteilt, sondern in Purple 2, und diese kamen erst um 10:00 Uhr zum Ausschiffen. Sie versuchten zwar mit uns hinauszukommen, aber ihre Koffer kamen erst um 10:00 Uhr. Also blieb uns nichts anderes übrig, als draussen vor dem Schiff von 09:00 Uhr bis fast um 11.00 Uhr auf sie zu warten. Diese Zeit ging uns dann für die vorgesehene Stadtrundfahrt voll verloren. Das Reisebüro wollte uns zwar ab halb 10 Uhr ohne sie auf Tour schicken, wir draussen fanden dies aber unfair und warteten, bis sie dann endlich kamen. Es folgte dann eine zwangsweise eher rudimentäre Stadtrundfahrt, ohne Nord Sydney, ohne Harbour Bridge und nur mit einem einzigen Photohalt, denn um 12:30 Uhr waren wir für eine Hafenrundfahrt mit Mittagessen gebucht.
Eigentlich war diese Hafenrundfahrt für uns gut gemeint, aber eher etwas phantasielos: Wir waren bis heute Morgen immerhin 32 Tage auf See, hatten einen grossen Teil der Stadt beim „Sail In“ vom Wasser her bereits gesehen und es ist doch eher schwierig, zu essen, zu fotografieren, sowie daneben noch Hafen- und Stadtbesichtigung zu machen. Ein Mittagessen in einem feinen Restaurant am Darling Harbour wäre wahrscheinlich nicht teurer als die Schifffahrt mit Essen und wäre uns allen viel willkommener und angenehmer gewesen. Wir hatten den Eindruck, dass der Reiseleiter sehr hungrig und an diesem Schiffsbuffet am meisten interessiert war. Ähnlich wie jener in San Francisco war auch dieser wieder ein absoluter Selbstdarsteller!
Etwas vom schöneren war bei dieser Bootsfahrt das Fotografieren der Sapphire Princess vor dem Hintergrund von Downtown Sydney: Unser Schiff sah aus wie wenn einer der Wolkenkratzer umgefallen wäre; senkrecht aufgestellt würde sich das Schiff bestens in die Sky Line von Sydney einfügen!
Nach der Hafenrundfahrt und dem heute zweiten Ausschiffen im Darlinghafen wurde die "Bischofberger Gruppe" zum Zimmerbezug ins Hotel gefahren, wobei der Reiseleiter für uns noch Eintrittskarten für den Sydney Sky Tower, das Sydney Aquarium und die Sydney Nature World besorgte. Auf dem Weg ins Hotel ging ein starkes Gewitter nieder, und es regnete dann mehr oder weniger den ganzen Abend. Eine halbe Stunde nach dem Hotelbezug fuhren die Gruppe zu sechst, der Witterung entsprechend per Taxi, zur Sydney Wildlife World und zum Sydney Aquarium, beides sehr sehenswert, eine gute Präsentation der einheimischen Tierwelt zu Lande und zu Wasser. In kleinen und grösseren Gehegen werden praktisch alle einheimischen Tiere von der kleinsten Schlange über Echsen bis zum Känguru hervorragend gezeigt und dokumentiert. Im Aquarium gleich daneben wird das Gleiche für Wassertiere auf ganz hohem Niveau geboten: In kleinen Schaukästen sind die klei­nen, farbenfrohen Fische, Krebse und Krustentiere gezeigt, zum Teil mit der Aufforderung zum Anfassen, in riesigen Bassins sind dann die grösseren Kaliber zu sehen, alle Arten Raubfische, See­kühe, Riesen-rochen und vor allem Haie. Unter diesen grossen Bassins gibt es begehbare Glastunnels, von denen aus man eine unwahrscheinliche Sicht auf die Unterseite dieser Tiere hat, was uns vor allem bei den Rochen und den Haien unheimlich faszinierte.
Nach einem Glas Wein in einer "Knelle" am Hafen fahren wir ins Hotel zurück und wollen im Restaurant des Sky Tower reservieren. Bis nach 22:00 Uhr ist ausgebucht; das gleiche hören wir von anderen Restaurants, die man uns vom Hotel empfiehlt. Schlussendlich essen wir im Hotel und verabschieden uns von unseren Bischofberger Mitreisenden, da wir uns wahrscheinlich nicht mehr sehen werden, da wir ja noch länger in Australien bleiben.

Sonntag, 24. Oktober 2010: Sydney
Wetter: regnerisch, angenehm warm, aber feucht, ab ca. 11:00 Uhr teilweise trocken, dazwischen wieder leichter Regen.
Wir schlafen für einmal aus. Nach dem Frühstück begeben wir uns zu Fuss unterwegs, zuerst dem Hyde Park entlang, dann ins architektonisch wunderschöne, alte Warenhaus mit im Erdgeschoss allen Prestige Marken (Ich schnuppere sogar wieder einmal in einem BALLY Laden herum) und in mehreren Obergeschossen alle anderen Geschäfte. Von dort aus suchen wir den Sky Tower. Umbaubedingt ist das eine sehr schwierige Angelegenheit, bis wir endlich oben sind, nur leider am falschen Ort, da wir wie in Auckland hier Lunchen wollten. Die Aussichtsplattform, auf welcher wir eine Runde drehen und fotografieren ist aber auch super, umso mehr, als das Drehrestaurant heute nicht dreht! Das Essen ist mässig, lässt uns aber schon bald weiterwandern an der Kathedrale, der Townhall, einem alten Spital, dem Parlamentsgebäude und der Stadtbibliothek vorbei in den Botanischen Garten, der öffentlich ist und wo nur für die Treibhäuser Eintritt verlangt wird. Alles ist bestens beschriftet und nicht nur sehr interessant, sondern auch eine sehr schöne Parkanlage bis ans Meer hinunter. Auf einem kleinen „Regenwald-Trail“ machen gewisse Viecher unheimlichen Lärm. Sie sehen aus wie riesengrosse Fledermäuse und hängen an den Ästen von Bäumen. Jemand sagte uns, dies wären „Fruit Pads“ oder „Fruit Bags“. Zwar öffnen sie manchmal ihre Flügel, fliegen sehen wir sie aber leider nicht! Wir verlassen den Botanischen Garten durch den „Queen Elisabeth Eingang“ und stehen vor dem Opernhaus, das sich mit seinen Muscheln übergross vor uns erhebt. Es steht auf einer (wahrscheinlich aufgeschütteten) Halbinsel gleich gegenüber des Overseas Passenger Terminals, wo wir gestern ausgeschifft hatten und wo unser Schiff schon nicht mehr liegt! Wir machen dem Wasser nach einen Rundgang um die Oper herum. Das Haus besitzt zusätzlich zur Bühne mehrere Konzertsääle und Theater und ist heute Sonntag sehr belebt, denn heute ist ausgerechnet Tag der offenen Tür. Die Warteschlange für eine Besichtigung ist deshalb enorm, sodass wir auf eine Führung verzichten. Wir wollen eigentlich noch zu Fuss über die Harbour Bridge, um die wunderbaren Aussicht auf die Stadt zu haben, ähnlich wie wir dies in Auckland erlebt hatten. Es ist aber schwierig, den Weg zum Aufgang bei einem Pfeiler zu finden, und per Taxi kommt man nicht dorthin. Also Fahren wir halt im Taxi über die Brücke und wieder zurück, wobei dies etwas in die Hosen geht, da wir ja nicht in einem Bus, sondern in einem Taxi fahren und man hier zwangsläufig kaum über die Balustrade hinaus sieht! Aber es ist trotzdem schön. Das Taxi bringt uns nach dem langen Fussmarsch auch noch ins Hotel, wo wir einen Moment ausruhen, bevor wir Jürg Anderegg mit seiner Partnerin Barbara zum Nachtessen treffen. Wir hatten im Sommer herausgefunden, dass wir gleichzeitig in Sydney sein werden und tauschten unsere Hotelkoordinaten aus, sodass wir uns am Mittag telefonisch verabreden konnten. Wir treffen uns vor 7 Uhr im Shangri Fa Hotel und fahren per Taxi zum Darling Harbour, wo Jürg bei „Nick’s“, einem feinen Seafood Restaurant auf der Terrasse reserviert hat. Es ist um diese Zeit dazu eigentlich zu kühl; mit den Gasstrahlern wird es aber genügend warm, und wir schwatzen über Gott und die Welt! Wir haben uns aber auch sehr viel zu erzählen: Sie nach 4 Wochen Reisen in Australien, und wir nach 4 Wochen Kreuzfahrt über ca. 20'000 km! Wir verabschieden uns kurz nach 22:00 Uhr, weil wir am Dienstag um 07:00 Uhr bereits abgeholt und zum Flughafen gefahren werden. Mit Morgentoilette und Packen gibt dies eine sehr frühe Tagwache.

Montag, 25. Oktober 2010: Ayers Rock (Uluru) 1. Tag
Wetter: regnerisch, angenehm warm, aber feucht, ab ca. 16:00 Uhr trocken   
Fahrt zum Flughafen problemlos. Chauffeur kommt mit einem Minibus, weil er 5 Personen erwartet. Einchecken am Automaten, eine Angestellte hilft. Wieder haben wir zu viel Gewicht. Die Quantas-Angestellte beim Bag Drop fragt, woher wir kämen. Als ich Switzerland sage, drückt sie ein Auge zu und lässt uns, ohne fürs Übergewicht zahlen zu müssen, durch: Schön!
Abflug sehr pünktlich um 09:30 Uhr, Ankunft nach fast 4 Stunden Flug ebenfalls pünktlich, wobei wir die Uhr noch 1 ½ Std zurückstellen müssen. Das Wetter ist fast auf der ganzen Strecke schlecht. Einmal sieht man noch im Osten Australiens die schachbrettartige Aufteilung von Acker- und Weideland, dann ist wieder zu! Erst kurz vor Ayers Rock nach dem Durchstossen der Wolkendecke können wir die Wüste sehen: Rote Erde und dazwischen Gebüsch. Wir sind im Moment neben ein paar Helikoptern und kleinen Privatflugzeugen das einzige Verkehrsflugzeug auf dem Platz. Man geht zu Fuss zum kleinen Terminal, nimmt das Gepäck und sucht den Shuttle Bus, der uns zum Hotelkomplex Yulara fährt.
Unser „Lost Camel Hotel“ ist zusammen mit zwei weiteren Hotels, einem Apparthotel, einem Wohnwagen Camping, einem normalen Camping und einem Service Center mit Läden und einem Supermarket in einem Resort zusammengefasst, das in den letzten 25 Jahren in der Wüste erstellt worden war, mit Restaurants, Bars, Swimmingpools, einem Amphitheater usw. Das Ganze wird durch eine Ringstrasse erschlossen, sodass es im Innern absolut autofrei ist. Es gibt auch Trails zum Wandern, mit einem Aussichtpunkt auf einer Sanddüne in der Mitte, von welchem aus man den Uluru (Ayers Rock) und die Kata Tjuta (Olgas) sehen kann, die zwei grossen Felskomplexe und Heiligtümer der Aborigines, wie man die hiesige Urbevölkerung nennt. Das Yulara Resort wurde erstellt, um den stark wachsenden Tourismus in den Griff zu bekommen und damit man das wilde Campieren verbieten konnte. Auf dem Weg ins Hotel sehen wir von weitem einmal wenigstens den Fuss des ca. 300 m hohen Felsens, der obere Teil ist in den Wolken verborgen. Der Zimmerbezug verläuft problemlos, ausser dass wir die schweren Koffern allein, ohne Hilfe und ohne Aufzug in den ersten Stock schleppen müssen.
Wir begeben uns vor dem Auspacken auf einen Rundgang, um uns in dem riesigen Komplex zu orientieren, kommen dabei an einem Restaurant vorbei und essen einmal etwas zu Mittag. Da es aufgehört hat zu regnen, machen wir anschliessend einen ersten Spaziergang mit „Zügigem Gehen“ auf dem Trail, besteigen auch noch die Sanddüne und können vom Lookout tatsächlich in der Ferne den Ayers Rock und die Olgas sehen, da sich die Wolken- oder Nebeldecke angehoben hat. Für den z’Nacht reservieren wir im Vorbeiweg in einem der besseren Restaurants, denn Fischli meinte, in jenem vom Mittag, das sehr nahe bei unserem Zimmer liegt, rieche es sehr "fettig" und nach Abwaschlappen.
Anschliessend geht Fischli sich ausruhen und ich kämpfe mit dem WLAN des Hotels, wo ich für 20$ Internet-Zeit kaufen musste, es aber nicht funktioniert. Nach etwa 2 Stunden gebe ich ziemlich frustriert auf! Wir stellen zudem schnell fest, dass wir eigentlich lieber in einem der anderen Hotels gewesen wären, da unser Hotel etwas zu sehr auf modern macht und zudem sehr kleine Zimmer hat (wir mit unseren "Überseekoffern" kommen etwas in Not)! Es hat nur eine Bar, aber kein Restaurant, der Service ist eher mager und wir kommen uns neben all den jungen Leuten und Rucksacktouristen noch viel älter vor als wir es eigentlich schon sind. Wir haben es halt schon lieber etwas gediegener (Sind wir wirklich Snobs?)! Das Nachtessen war dann sehr gut mit sehr netter Bedienung; ein Weg dorthin zu Fuss braucht aber immerhin ca. 10 Minuten. Wieder gehen wir früh zu Bett, da Morgen für die gebuchte Tour „Desert Awakening“noch früher als heute Tagwache ist. Ich stelle den Wecker auf 4 Uhr, denn um 5 Uhr werden wir abgeholt.

Dienstag, 26. Oktober 2010: Ayers Rock 2. Tag
Wetter: anfänglich bedeckt, gegen Mittag aufhellend, Nachmittag schön und warm.
Nach Tagwache und Morgentoilette fahren wir in einem 4 Rad angetriebenen Fahrzeug in der Dunkelheit etwa eine halbe Stunde auf einer Naturstrasse in die Wüste hinaus, bis wir auf einem Parkplatz anhalten. Nach einem Fussmarsch von ca. 250 m mit Taschenlampe auf eine Sanddüne hinauf befinden wir uns plötzlich in einem strohbedeckten Unterstand, wo es wunderbar riecht: Ein Kollege unseres Führers bereitet bereits das Frühstück zu: Es werden Spiegeleier mit Speck gebraten und Kaffee, Tee und Toast sind auch da! Wir können gemütlich frühstücken, während wir auf den so berühmten Sonnenaufgang in der Wüste warten. Bis dahin lief alles bestens nach Programm.
Bis jetzt ist es immer noch dunkel, manchmal schaut der Mond gespenstisch durch die aufgelockerte Wolkendecke. Dann wird es aber langsam hell und immer heller, und wir suchen im Nordosten die Helle des Sonnenaufgangs, sehen aber absolut nichts, weder Sonnenaufgang noch Ayers Rock und auch keine Olgas! Infolge Nebels oder Wolken ist nicht einmal ein Anzeichen eines Sonnenaufgangs zu sehen. Der Führer gibt als Kompensation zum unspektakulären "Desert Awakening" sehr viele Erklärungen zu Flora, Fauna, über die Aborigines und ihren Glauben. Wir sind aber die einzigen mit Nichtenglischer Muttersprache und haben kolossal Mühe, dieses australische Cockney zu verstehen. Ich falle zwar negativ auf, wenn ich zwischendurch immer wieder nachfrage, bis ich es schliesslich aufgebe und dann gar nicht mehr hinhöre. Verständliche Erklärungen wären hier wahrscheinlich schon sehr interessant und hilfreich gewesen.
Dann ziehen wir weiter, fahren näher zum Ayers Rock, dessen Fuss man nun plötzlich sieht, da sich der Nebel etwas gehoben hat. Der Felsen ist gar nicht so flach, wie man von weitem den Eindruck hat. Im Gegenteil, er ist in der Senkrechten ziemlich mit Furchen und silbernen Streifen durchzogen, vom herabstürzenden Wasser gezeichnet.
An einer gewissen Stelle steigen wir aus und gehen zu Fuss ganz an den Felsen heran, wo in einer sogenannten Lehr-Höhle uralte Malereien zu sehen sind: Hier war eine Art Schulzimmer im Heiligtum eingerichtet, wo die Kinder von ihren Eltern anhand von Zeichnungen in den Traditionen der Urbevölkerung unterwiesen wurden. Eine Schrift hatten die Eingeborenen keine, alles wurde mündlich von Generation zu Generation überliefert. Dann wanderten wir noch weiter zu einem Wasserloch, wo das Regenwasser von einem grossen Teil des Felsens gesammelt wird und wo eine wesentlich andere Vegetation herrscht als einige hundert Meter weiter in der Wüste draussen.
Dann umrunden wir im Bus den Felsen und fahren anschliessend zum Aborigines Kulturzentrum, wo für die Touristen museumshaft die Kultur der Aborigines dargestellt und beschrieben wird. Um diese zu verstehen, bräuchte man aber wesentlich länger als einen halbstündigen Besuch, denn es ist eine eigenartige „Religion“, will aber noch wesentlich mehr sein, eine Lebensphilosophie für den Umgang mit sich, den Mitmenschen und der uns umgebenden Natur. Hochinteressant! Ich denke, ich muss dann einmal darüber nachlesen! Nach dem Kulturzentrum werden wir durch diese schöne Wüste zurück ins Resort gefahren, und die Tour ist knapp nach elf Uhr zu Ende.
Ich nehme nochmals den Kampf mit dem Internet auf und rufe die Help-Line an. Diese sagt mir nach einem endlosen, gemeinsamen „Try and Error“- Prozess am Notebook, dass Outlook in Australien anders funktioniere als in der übrigen Welt und man etwas umstellen müsste. Das will ich aber nicht, sonst brauche ich zuhause dann wieder den PC-Doktor! Schliesslich finden wir heraus, dass ich in der Bluewin Startseite über die E-Mail-Funktion ohne jede Umstellung E-Mails versenden und empfangen kann. Das genügt mir im Moment.

Wieder zufrieden mit Gott und der Welt und jetzt auch wieder mit dem Netz gehen wir auf den Trail! Wir umrunden in ca. 35 Minuten die ganze Anlage und besteigen anschliessend nochmals den Lookout, von wo aus wir bei jetzt bereits aufgelockerter Bewölkung und teilweisem Sonnenschein den Ayers Rock und die Olgas in der Ferne sehen können! Unglaublich, wie diese Felsen majestätisch aus der sonst ganz flachen Wüste mit rotem Sand herausragen. Wobei es eine grüne Wüste ist, ich möchte sie eher "Bewachsene Sanddünen-Landschaft" nennen, nach dem vielen Regen der letzten Tage ist sie besonders grün, mit verschiedenen grösseren und kleineren Büschen in diversen Grüntönen, dazwischen immer wieder solche die blühen (es ist hier ja Frühling!), dann kleinere Bäume. Alle diese Pflanzen stabilisieren die Wüste.
Nach dem Mittagessen geht Fischli nuckerlen und ich schreibe „Landmeldungen“, drunten beim Swimmingpool an einem Tisch im Schatten, jetzt wieder bei 25 Grad wie am Anfang auf dem Schiff im Poloshirt, während hinter mir im Swimming Pool fleissig gebadet wird. Heute Abend gehen wir in ein anderes Hotel zum Z’Nacht, dessen Restaurant zwar sehr gut, aber etwas abgehoben und auch etwas teuer ist. Nach dem Essen begeben wir uns auf einen Nachtspaziergang in die Wüste hinaus, wo wir einen wunderbaren Sternenhimmel sehen, fast zum Anfassen und tief beeindruckend. Da die Tour Morgen erst nachmittags um halb drei beginnt, können wir ausschlafen. Sie wird uns zu den Olgas führen, mit auf dem Heimweg einem Sunset am Uluru (Ayers Rock), wobei man miterlebe, wie dieser beim Sonnenunter-gang alle paar Minuten eine andere Farbe habe! Hoffen wir, es sei morgen Abend so schön wie heute und nicht wieder neblig wie gestern!

Mittwoch, 27. Oktober 2010: Ayers Rock 3. Tag
Wetter: Grand Beau, wolkenlos, 30 Grad warm.
Ich wollte gestern Abend noch die fertig gestellte Landmeldung Nr. 8 versenden und dazu, um teuer eingekaufte Internet-Minuten zu sparen, einen Begleittext im Off-Line schreiben. Da ich aber mit dem E-Mail-Programm von Bluewin zu wenig Übung habe, misslang dies, dafür war dann die Landmeldung bereits weg! Und da es Zeit für ins Bett war, liess ich es fahren. Mein Kampf mit der Technik geht also weiter.
Heute Morgen werden wir durch die Helligkeit geweckt, als kurz nach 6 Uhr die Sonne mit ihrer ganzen Gewalt unser Zimmer durchflutete. Welch ein Gegensatz zu gestern! Schade, das hätte sie doch besser gestern getan, als wir im „Sunrise Lookout“ auf sie warteten. Wir schliefen dann aber selig noch eine Stunde und gingen anschliessend fast eine Stunde auf den Trail, wo uns die Morgensonne bereits zum Schwitzen brachte. Vom Lookout der Anlage aus waren in der Ferne beide Felskomplexe, der Ayers Rock und die Olgas, im Streiflicht der noch tief stehenden Sonne und dem entsprechenden Schattenwurf zu sehen, ein wunderbarer Anblick, wie auf Postkarten. Nach einem reichhaltigen, sehr guten Frühstück hatten wir dann viel Zeit zum Lesen und Schreiben, und konnten auch einmal die Liegestühle unter den Sonnenschirmen am Swimmingpool benutzen und sich zwischendurch im Pool abkühlen. Über Mittag essen wir im Gecko-Café eine Suppe, und begeben uns dann rechtzeitig zur Besammlung für unsere Olgas- und Sunset-Tour.
Wir fahren mit dem Bus fast eine Stunde nach Norden, wo wir einen ersten Fotohalt machen: Wir gehen Zu Fuss ca. 300 m auf eine Aussichtsterrasse hinauf, die auf einer Sanddüne erstellt wurde. Ein wunderbarer Anblick, diese buckligen, riesigen Felsen, der Höchste davon, die Olga, immerhin noch gut 200 m höher als der Ayers Rock, total etwa 550 m über der Wüste und total etwas über 1050 m ü. M. Es ist interessant zu sehen, wie das Terrain sich zuerst in einem ganz flachen Kegel von der Wüste abhebt, immer noch begrünt, um dann abrupt in die fast senkrecht aufsteigenden Felsen über zu gehen. Die Olgas sind mehrere Felsen, die sich aus der Wüste heraus erheben, über ein paar Quadratkilometer verteilt. Im Gegensatz zum Ayers Rock, der aus Sandstein besteht, sind die Olgas aus einer Art Nagel-fluh. Nach dem Fotohalt fahren wir um die Olgas herum, bis wir von einem Parkplatz aus bei etwas über 30 Grad Wärme den „Walpa-Gorge-Walk“, eine Wanderung in die Walpa Schlucht beginnen. Der steinige Weg, ähnlich wie bei uns in den Alpen, führt zwischen zwei der Felsen bis zu einer Aussichts-Plattform hinauf und dauert gegen eine halbe Stunde, um dann auf dem gleichen Weg wieder zurückzukehren. Wir finden hier neben dem wirklich roten Felsen vor allem viele gewagte Farbkombinationen der Pflanzen: das ganze Spektrum von Grün, vom harten bläulichen Grün bis zum lieblichen, weichen Gelbgrün nebeneinander, alle Varianten kommen vor, Vrenely würde wahrscheinlich aufschreien, so schön kann die Natur malen!
Nach einem WC-Halt fahren wir zum Sonnenuntergangs-Aussichtspunkt beim Ayers Rock, wo sich nach und nach alle die verschiedenen Busse der verschiedenen Exkursionen einfinden und uns eine Überraschung erwartet: Am Rande des Parkplatzes steht pro Bus ein weiss gedeckter Tisch mit weissem oder rotem Wein, Mineralwasser und Orangensaft samt Nüssli und Snacks, alles à discretion. Zirren am westlichen Himmel verderben uns zwar dann den ganz perfekten Sonnenuntergang mit Blick auf den Ayers Rock, da die Farbwechsel damit nicht so klar zur Geltung kommen, aber es ist trotzdem umwerfend schön. Nach dem die Sonne verschwunden ist werden wir ins Hotel zurückgefahren, wo es noch zum Duschen und zu einem Apéro reicht, bevor wir zum Nachtessen und schliesslich zufrieden ins Bett gehen.

Donnerstag, 28. Oktober 2010: Ayers Rock 4. Tag, Reise nach Cairns
Wetter: Grand Beau, wolkenlos, 35 Grad warm.
Wir haben den Wecker auf 05:15 gestellt, denn wir wollen um 6 Uhr auf den Lookout unserer Anlage steigen, um den Sonnenaufgang zu sehen,. Das gelingt wunderbar, die Sonne geht nur etwas gar links vom Ayers Rock auf. Nach dem Sonnenaufgang treiben wir noch etwas Sport, nach der Rückkehr machen wir Morgentoilette und gehen anschliessend zum Morgenessen, das wirklich perfekt ist! Nach dem Frühstück müssen wir packen und die Koffern einstellen, da die Zimmer um 10:00 Uhr geräumt sein müssen; ein absoluter Witz, denn am den Vortagen wurden unsere Zimmer erst gegen Abend gemacht. Als wir fragen, ob wir die Zim­mer etwas länger behalten können, war die Antwort Ja, aber für 25.00 $ pro Stunde! Lang­sam werde ich etwas wütend, denn Vieles ist hier nun schon an der Grenze zum Abriss, auch wenn es einem guten Zweck, der Unterstützung der Aborigines dient.
Also geben wir die Koffern um 10:00 Uhr ab und begeben uns noch ins Visitor-Center, das wir bisher noch nicht besucht haben. Wir kaufen für unsere Enkel kleine Geschenke, im Übrigen lernen wir aber in einer sehr gut angelegten Ausstellung sehr viel über die Geografie und die Geschichte des Uluru und der Kata Tjuta, Flora und Fauna dieses Gebietes sowie über die Aborigines, alles perfekt beschrieben und mit Bildern versehen.
Anschliessend lesen wir noch etwas beim Swimming Pool, müssen aber schon bald hinein in die Lobby unseres Hotels, da es draussen 35 Grad warm wird. Wir essen vor der vermeint-lichen Abfahrt noch eine Suppe im Geko-Cafée und begeben uns
punkt 13:30 zur Rezeption, wo der Bus zum Flughafen steht, wo man uns aber sagt, der Flieger hätte Verspätung und der Shuttle Bus fahre erst 14:45. Also geht die Warterei weiter, und als um 14:45 auch wieder kein Bus kommt, teilt man uns wieder erst auf Nachfrage mit, dass es nochmals eine halbe Stunde später losgehe. In dieser Phase war ich über die Freunde an der Hotel-Rezeption wirklich wütend, denn so eine absolut nicht kundenfreundliche Einstellung in einem Dienstleistungsunternehmen darf einfach nicht sein; die meinten wirklich, wir blöden Touristen seien für sie da und nicht umgekehrt!
Ich telefoniere der Verspätung wegen mit dem Hotel in Kewarra Beach bei Cairns, um unseren Transport zum Hotel trotz der Verspätung sicher zu stellen. Das Hotel sagt, das sei kein Problem.
Das Flugzeug startet dann mit ca. 5/4 Std. Verspätung zum fast 3-stündigen Flug, wobei es in Cairns um 20:00 Uhr schon dunkel, aber noch immer 27 Grad und sehr feucht ist. Die Verspätung hat auch seine gute Seite: Anstatt wie angekündigt „Erfrischungen“ gibt es auf dem Flug ein richtiges Nachtessen! Auch nicht schlecht!
Am Flughafen in Cairns wartet eine Limousine auf uns, die uns in ca. 25 Minuten zum Kewarra Beach Resort im Norden der Stadt bringt, wobei unser Chauffeur heute zufällig seinen ersten Arbeitstag hat: Er wäre eigentlich Architekt, aber da sei im Moment gar nichts los! Zeichen der Rezession also auch hier in Down Under!
Kurz vor dem Hotel fahren wir in einen Mischwald mit riesigen Eukalyptus- und anderen, uns unbekannten Laubbäumen und einer Vielzahl von Palmenarten. Wir sehen erst andern-tags, dass es ein Regenwaldgürtel von vielleicht 150 m Tiefe ist, der bis an die nahe Beach reicht.
Mitten im Wald hält die Limousine bei einem grossen Vordach, bei welchem dahinter eine kühne Holzkonstruktion sichtbar wird, die aber eigentlich nur ein auf Säulen ruhendes Dach über einem sehr grossen Raum hält, denn es existieren keinerlei Aussenwände. In der Vorhalle steht In der Mitte ein grosser, sicher 15 m langer weisser Korpus: Links ist die Rezeption und rechts sehr sympathisch die Bar, aber wie gesagt, keine Aussenwände, alles offen. Die natürlichen Wände werden durch Baum- und Palmenstämme gebildet, teilweise durch Fächer-Palmen, rotstämmige Lipstick-Palmen (die es Fischli besonders angetan haben), Baumfarnen und Philodendron-artigen Pflanzen ergänzt. Hinter dem Korpus trennt eine halbhohe Zwischenwand die Vorhalle vom Restaurant und der Küche, die bei der Rezeption mit natürlichen Pflanzen begrünt, in der Bar wie üblich mit den Flaschen bestückt ist. Diese riesige, offene Halle ist das eigentliche Zentrum der Hotelanlage, die gegen hundert im Wald verstreute Bungalows besitzt. Eine tolle Architektur, beeindruckend durch Grösse, Klarheit, Einheit der Materialien, aber auch von der Einfachheit her. Vor allem befindet man sich wirklich einfach richtig draussen im Wald.
Wir werden durch einen höchst sympathischen Concierge begrüsst und vorerst einmal zwischen die Rezeption und die Bar gebeten, um bei einem Erfrischungsgetränk ein Formular auszufüllen, während unsere Koffern bereits in unseren Bungalow gebracht werden. Wir erfragen noch die Ausflugsmöglichkeiten und werden dann auf einem romantischen, diskret beleuchteten Waldweg zum Bungalow Nr. 5 geführt, bei dessen Anblick wir innerlich vor Freude jauchzen!  Es ist eine Pfahlbaute mit einer grossen Terrasse mit Tisch und Stühlen. Im Innern zwei Zimmer: Ein Wohn / Schlafzimmer schön gross, zwar einfach, aber zweck­mässig eingerichtet, ein kleines Zimmer mit Schreibtisch und Kleiderschrank und ein bestens eingerichtetes, grosses Bad. Es hat Glasschiebetüren und Insektengitter an Türen und Fenstern, eine Klimaanlage und wir hören im Dunkeln durch die umliegenden Bäume die Brandung des nahen Meers. Die vielen Bungalows sind alle mit beleuchteten Waldwegen an einem Ringsträsschen erschlossen und keiner kann einem anderen ins Wohn / Schlafzimmer schauen.
Als wir ausgepackt haben, gehen wir in der Dunkelheit noch kurz ans Meer, es ist sicher über 25 Grad warm. Wir bestaunen einen wunderbaren Sternenhimmel, und sehen ein Flugzeug im Finale Richtung Cairns landen. Zurück im Bungalow studieren wir noch die Ausflugsmög-lichkeiten: Wir werden morgen früh für Freitagnachmittag und Samstag buchen, während wir am Sonntag einfach das Paradies hier geniessen wollen. Beim zu Bett gehen stellen wir die Klimaanlage ganz ab und öffnen Türen und Fenster, sodass es etwas Durchzug gibt, wobei ein grosser Deckenpropeller noch zusätzlich etwas Luft verschafft. Wir messen am Morgen angenehme 24 Grad!
Wir sind überglücklich und finden, der Aufenthalt in diesem Hotel sei nun schon ein sehr würdiger Abschluss unserer grossen Reise….

Freitag, 29. Oktober 2010: Kewarra Beach, 1. Tag
Wetter: Grand Beau, wolkenlos, 35 Grad warm.
Wir schlafen aus und gehen zum Morgenessen im offenen Speisesaal neben dem Palmenwald. Dann buchen wir zwei Touren: Heute halbtags Green Island mit Glass-Bottom-Boat, und Morgen Regenwald mit Bergbahn-, Army Duck- und Gondelbahn-Fahrt über den Regenwald.
Anschliessend gehen wir auf einen Marsch und dann Baden. Das Wasser scheint gleich warm zu sein wie die Luft! Wunderbar! Bei diesen Temperaturen würde auch ich sehr viel mehr Baden gehen!
Dann schreibe ich auf der Terrasse Tagebuch, bzw. Landmeldungen, wobei mir zwei wilde Hühner Gesellschaft leisten, die neben dem Bungalow unter den dürren Blättern am Boden Nahrung suchen. Unwahrscheinlich wie effizient diese die Blätter wegscharren!
Um Mittag werden wir abgeholt und zum Hafen nach Cairns gefahren. Dort steigen wir nach einem Sandwich in einen Motor-Katamaran, der uns mit grossem Geschaukel in ca. 45 Minuten auf die Insel "Green Island" bringt. Die meisten Leute gehen Schnorcheln, während wir in ein Boot mit Glasboden umsteigen, und anschliessend etwa eine halbe Stunde ins Riff hinausfahren. Dort sehen wir durch den Glasboden die Korallen und bekommen diese erklärt, ebenso die Fische, die wir sehen. Plötzlich sind ganz viele Fische aller Grössenordnungen unter uns: Auch hier kennen die Fische das Boot, oder besser dessen Motor, denn jetzt bekommen sie Futter und balgen sich darum, ein tolles Schauspiel. Und wunderbare Fische! Fischli ist glücklich, langsam dem Geschaukel des Bootes entfliehen zu können und wieder festen Boden unter den Füssen zu haben. Nach dem „Glas-Bottom-Boat“-Erlebnis haben wir noch eine gute Stunde Zeit, um auf einem Lehrpfad mit vielen Tafeln mehr über die Insel, den Wald, die Vögel und die Fische auf der Insel zu erfahren. Dann geht es mit grossem Geschaukel wieder zurück nach Cairns und per Bus zurück ins Hotel.
Vor dem Nachtessen gehen wir noch im Meer schwimmen, wobei es schon fast dunkel wird, und das Wasser nun echt wärmer ist als die Luft draussen, umso mehr als eine feine Brise vom Meer her bläst.
Auf der Terrasse veranstalten wir aber noch, bevor wir zu Tisch gehen, mit einer Flasche Sauvignon Blanc eine Happy Hour. Unser Tisch steht am Rand des "Speisesals", der ja keine Wände hat, nur beleuchtete Palmen, Farne und Sträucher. Das Essen ist ebenfalls ausgezeichnet, was das positive Gesamtbild des Hotels noch aufwertet. Zufrieden begeben wir uns auf dem Waldweg zurück in unser neues Zuhause, wo Fischli noch etwas liest, und ich schreibe auf der Terrasse Tagebuch, Glücklich sinken wir ins Bett.

Samstag, 30. Oktober 2010: Kewarra Beach, 2. Tag
Wetter: Grand Beau, wolkenlos, 35 Grad warm.
Heute ist früher Tagwache, da wir bereits um O8:55 für die Tagestour abgeholt werden. Wir fahren zuerst nach Freshwater, um dort den Schmalspurzug nach Kuranda zu nehmen. Zug und Strecke sind mit der Rhätischen Bahn vergleichbar:
Es geht auf einer Bergstrecke in zwar etwas älteren Eisenbahnwagen in ein Tal hinein und es werden auf etwa 20 km 320 m Höhendifferenz überwunden. Die Aussicht ist sehr spektakulärer, teilweise auf die Ebene und das Meer hinaus, teilweise in eine Schlucht hinein mit einem Wasserkraftwerk, wobei die Generatoren in einer unterirdischen Kaverne stehen. Der Zug hält hier bei einer Aussichtsplattform 10 Minuten an, damit man fotografieren kann. Von hier aus sieht man das Restwasser in verschiedenen Wasserfällen über eine Höhen-differenz von 260 m über die Granitfelsen auf den Talboden hinunterstürzen, was vor allem in der Regenzeit mit viel mehr Wasser als heute ein gross­artiges Naturschauspiel sein muss. Im Weiteren sieht man auf der anderen Talseite die Masten und Gondeln des Sky-Rails, mit welchem wir dann über dem Urwald in die Küstenebene zurückfahren werden.
In Kuranda angekommen, durchqueren wir in einem 10-minütigen Fussmarsch das Städtchen, um zuerst die „Birdsworld“ zu besuchen, wo in einer grossen Volière die einheimischen Vögel frei herumfliegen. Schon beim Eingang an der Kasse werden wir von einem weissen Papagei begrüsst, der es sehr gerne hat, wenn man ihn am Hals krault. Daneben sitzt eher verschlafen und uninteressiert eine kleine Eule! Schon kurz nach dem Eingang habe ich einen kleinen, gelbroten Papagei auf dem Kopf, dem es zuerst das Zötteli an meiner Baseball-Mütze angetan hat, dann stieg er auf den Rucksack ab und zupfte wie wild an den Reissverschluss-Zotteln, bis ich ihn auf ein Geländer „entsorgen“ konnte.
Hier erleben wir eine wunderbare Vielfalt an zum Teil vielfarbigen, einheimischen Vögeln, bis hin zum Kassawari-Männchen, das allerdings hinter Gittern ist und dem man in der Wildnis besser nicht begegnet, da er sehr aggressiv sei, besonders, wenn er als Alleinerzieher 2 Jahre lang Junge aufzieht, die ihm die Mutter grosszügig überlassen hat!
Anschliessend fahren wir in die Regenwald-Station. Dort werden uns zuerst in einem Rundgang durch verschiedene Gehege die einheimischen Tiere von sehr nahe gezeigt: Ganz herzige Koalas, u. a. eine Mutter mit ihrem Kleinen, dann Wallabies (ähnlich wie Kängurus, aber kleiner) und Kängurus, frei herum liegend und stehend, deren ganz feines Fell man streicheln darf. Dann hat es Dingos, das ist der australische „Wolf“, und ein riesiges männliches Krokodil, das man in Zoos zur Zucht benutzen wollte, welches aber dabei nacheinander 10 Weibchen getötet hat. Nun wurde es hierher gebracht, wo es zur Strafe bis zu seinem Ende wie ein Mönch enthaltsam ­leben muss.
Dann steigen wir in einen „Army Duck“ um, ein Amphibienfahrzeug aus dem zweiten Weltkrieg, um eine geführte Fahrt durch den Regenwald und auf dem Fluss zu unternehmen. Die Station hat noch 8 solche Fahrzeuge im Betrieb, wobei anscheinend umweltschonendere Motoren eingebaut wurden. Der Führer hält immer wieder an, um uns charakteristische Pflanzen zu erklären, wobei wir hier zum ersten Mal neben dem englischen Lehrblatt auch eine deutsche Version bekommen, sodass wir die deutschen Namen nun endlich auch besitzen. Mit diesem Fahrzeug nun hautnah den Regenwald zu erleben, ist ein grossartiges Erlebnis, umso mehr, als das Fahrzeug dann plötzlich im Fluss und nachher in einem kleinen See schwimmt, und wir nun die Ufer des Waldes betrachten können: Erinnerungen an den Amazonas im Jahre 1985 steigen auf! Nach dem Ende dieser einmaligen Fahrt werden wir zurück nach Kuranda zur Sesselbahn gefahren.
Und nun folgt ein weiterer absoluter Höhepunkt unserer Reise: In einer Gondelbahn mit drei Sektionen werden wir über die Baumkronen des Regenwaldes, den sog. Canopy, zurück in die Ebene hinunter gefahren. Knapp über diesen Baumkronen wird einem die Vielfalt eines Regenwaldes erst bewusst: Alle die verschiedenen Formen und Farben, Palmen, Baumfarne, Laubbäume mit jeglicher Art Blätter, Koniferen, die hier nicht Nadeln, sondern Blätter haben usw. Man kann sich kaum satt sehen.
In den Stationen der einzelnen Sektionen muss man die Gondel verlassen und kann auf einem kleinen Rundgang die Natur wieder von unten und noch näher sehen:
Beim ersten Halt sehen wir die Power Station und die Wasserfälle von der anderen Talseite. Beim zweiten Halt auf dem Red Peak, mit 545 m ü. M. dem höchsten Punkt der 7.5 km langen Bahn, gibt es einen von einem Ranger geführten Umgang, ein Spaziergang, wiederum mit Erklärungen und der Möglichkeit, Fragen zu stellen.
Das letzte Teilstück am Hang zur Ebene und zum Meer hinunter zeigt bereits eine ganz andere Vegetation, andere Bäume lösen die bisherigen, mit Palmen vermischten Eukalyptuswälder ab. Später lesen wir, dass man hier zur Stabilisierung des Hanges nach dem Bau der Kuranda Range Strasse Karibische Kiefern gepflanzt habe, eine Art, die wir bisher noch nie gesehen haben.
Unten angekommen kommt nach einer kurzen Wartezeit unser Bus, der uns zurück ins Hotel bringt. Wir haben am Morgen vergessen, einen Tisch zu reservieren, deshalb können wir nur entweder jetzt sofort oder dann erst um halb Neun essen. Wir entschliessen uns wie früher auf dem Schiff für die spätere Lösung.
Inzwischen hat sich gegen das Landesinnere im Westen der Himmel bedeckt, sodass die Sonne nicht mehr voll scheint, während Richtung Meer im Osten immer noch der blaue Himmel vorherrscht. Es ist heute auch nicht mehr so heiss wie gestern, sodass wir beschliessen, heute ohne Baden zum Apéro überzugehen. Dazu haben wir an der Talstation des Sky Rails noch etwas zum Knabbern gekauft. Auf der Terrasse mundet die zweite Flasche Sauvignon Blanc aus dem Kühlschrank des Zimmers sehr und wir leeren sie fast ganz! Weil wir so lange bis zum Essen warten müssen, können wir sogar noch eine Stunde schlafen, bis wir duschen, uns schmücken und parfümieren und dann zum Essen gehen. Nach einem kurzen Nacht- bzw. Verdauungsspaziergang legen wir uns nach einem weiteren, eindrucksvollen Tag schlafen.

Sonntag, 31. Oktober 2010: Kewarra Beach, 3. Tag
Wetter: Grand Beau, wolkenlos, 35 Grad warm.
Wir gehen nach dem Erwachen ca. halb acht Uhr für eine Stunde am Strand wandern, zuerst nach Süden, an schönen Villen mit Meeranstoss vorbei, bis ans Ende der Bucht bei Trininity Beach, von dort dann gegen Norden, an unserem Hotel vorbei, bis über das nächste Dorf hinaus, wo man zurzeit mit grossen Granitblöcken die Beach am Stabilisieren ist. Wir sind eigentlich erstaunt, dass man so nahe an der Beach bauen darf. Ob sie wohl Angst kriegen, dass jener Teil des Dorfes direkt an der Beach eines Tages im Meer verschwindet? Oder für den Fall eines Tsunamis?
Wir kommen uns etwas wie auf unserem täglichen Marsch im Zollikerwald vor: Wie auf der Allmend oder im Wald haben die meisten der einheimischen Wanderer mindestens einen, eher mehrere Hunde, und sagen auch sehr freundlich "Guten Tag"! Überhaupt fällt uns auf, dass die Leute hier in Australien sehr freundlich, unkompliziert und hilfsbereit sind. Trotz der noch tief stehenden Sonne kommen wir bereits ins Schwitzen, wobei gegen Ende des Spazierganges eine schöne Brise aufkommt. Beim anschliessenden Schwimmen im Meer ist die Abkühlung wunderbar, vor allem, wenn man bei der Wärme des Wassers einfach hinein waten kann! Ich liebe so warmes Wasser!
Nach der anschliessenden Morgentoilette gehen wir Frühstücken, und dann ist Lesen und Tagebuch schreiben angesagt, bis wir um die Mittagszeit einen Spaziergang auf der Zufahrts­strasse des Hotels machen, um die Strassenseite der am Morgen vom Meer her gesehenen Villen zu besichtigen. Wir sehen meistens Prachtsvillen, teilweise mit guter Architektur, teilweise aber auch nur gross und protzig und an Feld, Wald und Wiesen-Architektur erinnernd.
Anschliessend essen wir einen Salatteller im Beach-Café des Hotels. Es ist natürlich traumhaft, vorne an der Beach, unter Palmen, im Sand, mit Blick auf das Meer mit den zwei kleinen Inselchen zu essen, wobei wir höchstens etwas von der doch etwas primitiven Möblierung hier vorne im Beach-Café enttäuscht sind, denn diese passt nun gar nicht zum sonst so perfekt gestylten Hotel.
Anschliessend legt sich Fischli etwas aufs Ohr und ich schreibe Tagebuch, damit ich vor dem morgigen Reisetag nach Singapore noch die Landmeldung Nr. 9 absenden kann! Später am Nachmittag geht Fischli nochmals etwas am Strand marschieren, wobei im Gegensatz zu heute Morgen Flut herrscht und, um am Trockenen zu gehen, ist der Strand in der Nähe der Häuser jetzt stärker abfallend ist als bei Ebbe, wenn der Strand gegen 15 Meter breit und ganz flach ist.
Ich schreibe noch fertig und treffe Fischli eine halbe Stunde später wieder zum Schwimmen. Ein letztes Mal geniessen wir das Meer mit seiner so angenehmen Temperatur und seiner leichten Brandung; am liebsten würde man ganz lang im Wasser bleiben. Wir haben auch den Eindruck, dass das Wasser weniger salzhaltig ist als normal. Ob das allenfalls mit dem Great Barrier Reef zu tun hat, in welchem wir uns befinden, und wo bei relativ geringer Tiefe doch erhebliche Süss­wassermengen aus dem Regenwald einfliessen?
Dann wird es schon bald Zeit für den Apéritif. Der australische Sauvignon Blanc in der Minibar schmeckt uns ausgezeichnet, denn er ist nicht so übertrieben fruchtig wie die meisten der australischen und amerikanischen Weine. Ich weiss seit der Weindegustation auf dem Schiff, dass es auch hier (und in den USA) schon vereinzelt ausgewogene, fast europäische Weine gibt, dass aber vor allem Herr Parker, der amerikanische Weinpapst, jene Weine mit hohen Punktzahlen belohnt, die einem mit ihrer Fruchtigkeit beinahe blutt ins Gesicht springen! Und die Winzer haben das Marketing entdeckt und produzieren deshalb klar jene Weine, welche die (von Parker verführten) Leute wollen, und nicht Weine, die für den guten Geschmack ausgewogen wären.
Nach dem gestrigen Abend, als wir erst um halb neun essen konnten, haben wir gleich noch gestern für heute reserviert, denn die ersten, die reservieren, bekommen die Tische ganz am Rand des Restaurants, fast im Wald draussen. Unser Lieblingstisch ist Tisch Nr. 2, wo es etwa in 2 m Abstand eine junge Fächerpalme hat, vielleicht 2 Meter hoch, und wo sich vor allem ein einzelnes, riesiges Palmblatt jeweils ganz harmonisch durch die leichte Brise vom Meer her langsam aufgestellt wird, sich dann langsam umwendet, um gleich wieder gemächlich in seine Ausgangsposition zu­rückzukehren. Da im Restaurant während der Mahlzeiten als Hintergrundmusik sehr ruhige Entspannungsmusik läuft, hat man manchmal das Gefühl, dass sich die Fächerpalme tatsächlich im Takt der Musik bewegt…
Das Nachtessen ist wieder sehr gut, und wir beschliessen den Abend geruhsam auf unserer Terrasse mit Meersicht bei einem Glas Rotwein, bevor wir dann ins Bett hüpfen.

Montag, 1. November 2010: Kewarra Beach, 4. Tag, Reise nach Singapore
Wetter: Grand Beau, wolkenlos, 35 Grad warm, in Singapore sehr feucht, abends nach 22:00 Uhr Tropenregenschauer.
Tagwache um 07:00 Uhr. Nach der Morgentoilette wird gepackt. Waschmittel und Sonnen-schutz bleiben aus Gewichtsgründen zurück, Bücher kommen ins Handgepäck. Wir können ein letztes Mal neben "unserer" Fächerpalme frühstücken, dann heisst es Abschied nehmen: Abschied von einem wunderschönen Flecken Erde, an welchem wir beide ausserordent­lich glücklich waren, mit dem Bungalow, der Küche, der Umgebung, der Natur, dem Meer, erlebnisreichen Ausflügen…
Nach dem Begleichen der Rechnung holt uns wieder eine Limousine für die Fahrt zum Flughafen ab, dieses Mal fahren wir aber zusammen mit zwei deutschen Taucherinnen, welche drei Tage „Tauchen im Great Barrier Reef“ gebucht haben und an den Hafen von Cairns gefahren werden, von wo sie mit einem Schiff hinausfahren und drei Tage darauf logieren werden. Ob sie es wohl auch so feudal haben werden, wie wir es auf der Sapphire Princess hatten?
Fischli und ich werden am Flughafen beim Internationalen Terminal ausgeladen, wo wir beim Einchecken wieder einmal 100$ Übergewicht bezahlen müssen (wir hätten also das Wasch-mittel und die Sonnencrème ruhig auch noch mit nach Hause nehmen können!).
Der Flug bis zum Zwischenstopp in Darwin dauert über drei Stunden und verläuft problem-los. Zudem müssen die Uhren um ½ Stunde zurückgestellt werden. Hingegen verzögert sich der Weiterflug nach Singapore, da wegen eines Vulkanausbruchs in Indonesien anscheinend ein Umweg geflogen werden und dieser zudem vorerst noch abgeklärt werden muss. Wir fliegen schlussendlich mit ca. 1 ½ Stunden Verspätung ab und müssen auf dem Flug die Uhren nochmals um 1 Stunde zurückstellen, sodass die Differenz zur Schweiz nur noch 7 Stunden beträgt. Der Flug dauert des Umwegs wegen auch noch länger, sodass wir anstatt um 19:00 Uhr erst nach 21:00 Uhr in Singapore landen.
Hier werden wir abgeholt und ins Swissôtel Merchant Court gefahren, wo wir für eine Nacht einchecken. Schade, wenn man nachts im Dunkeln in einer fremden Stadt ankommt hat man mit der Orientierung Mühe und bekommt einen eigenartigen ersten Eindruck! Wir gehen zwar noch in der warmen, feuchten Nachtluft ein paar Schritte spazieren, werden aber vom einsetzenden Tropenregen zurückgebunden.
Spontan finden wir beide, dass wir schlussendlich eigentlich lieber gerade im Transit geblieben und um 23.30 Uhr weiter nach Hause geflogen wären, denn vom Abend hatten wir infolge der Verspätung wirklich gar nichts mehr, und morgen früh wird es auch eher mühsam, wenn wir schon vor 12:00 Uhr bereits auschecken und die Koffern tagsüber einstellen müssen.

Dienstag, 2. November 2010: Singapore, Heimreise
Wetter: Grand Beau, leicht bewölkt, 35 Grad warm.
Wir haben für einmal keinen Wecker gestellt und stehen um ca. halb acht auf, damit wir frühstücken und dann Singapore am Morgen auf eigene Faust erkunden können, denn für den Nachmittag wollen wir eine City-Tour buchen. Fischli fühlt sich nach dem Morgenessen nicht optimal und legt sich nochmals für eine halbe Stunde ins Bett, und ich gehe einmal etwas ums Hotel herum rekognoszieren. Nach einer guten halben Stunde ist Fischli auch so weit, dass sie auf Entdeckungsreise kommen kann. Wir packen gerade fertig und geben die Koffern beim Concierge ab.
Dann spazieren wir vom Hotel dem Fluss nach abwärts, wir über- oder unterqueren die stark befahrenen Strassen X und Y und spazieren den Fressbeizli am Südufer des Flusses entlang, wo scheinbar der Staat die Hausbesitzer ermuntert hat, ihre Altstadthäuser zu renovieren. Der Staat andrerseits hat die Flussufer aufgefüllt und ausgebaut, um Platz für Gartenwirtschaften zu schaffen, damit man in der Stadt Möglichkeiten zum draussen Essen hat. Daraus ist jetzt eine richtige Fressmeile geworden mit Indisch, Thai, Chinesisch, und vor allem Seafood, und da diese sich gerade neben dem Businessviertel befindet, wird es auch mittags rege benutzt.
Wir spazieren durch das Bankenviertel und bestaunen die luxuriösen Wolkenkratzer mit den noblen Eingängen, gehen dann über die „Kettenbrücke“ von Singapur aufs nördliche Ufer des Flusses, an den Museen und am Parlament, sowie an den Schiffeinsteigestellen vorbei zur anderen Fressmeile, dem Quai X, wo man sogar über den Gassen überdimensionierte Regenschirme platziert hat.
Über die Y-Brücke kehren wir wieder zurück zu unserem Hotel, wo wir einen Salatteller und eine Portion Wok-Nudelgericht essen. Natürlich typisch für die Europäer, nicht drinnen im unterkühlten Restaurant, sondern draussen an der Hitze; aber an diese haben wir uns jetzt gewöhnt!
Es wird dann Zeit, sich zur gebuchten Tour bereit zu halten. Diese hat jedoch grosse Verspätung. Schlussendlich werden wir dann doch noch von einem Kleinbus abgeholt und zur Marina gefahren, wo für die verschieden gebuchten Touren „umgeladen“ wird.
Wir fahren zuerst ins Inder-Viertel, wo wir mit unserem Guide einen kleinen Gang durch den lokalen Bazar unternehmen, anschliessend zum Cricket Club, wo wir hinter der Z-Brücke einen wunderbaren Blick auf das Bankenviertel mit dem Wasser-speienden Buddha, sowie auf das Theaterviertel haben und fotografieren können! Wie auf allen Stadtbesichtigungen darf ein Besuch bei einem Juwelier nicht fehlen, denn da bekommt entweder die Tourgesellschaft oder der Guide Provision! Ich habe jedoch nur selten gesehen, dass jemand auf einer solchen Tour etwas gekauft hat! Anschliessend fahren wir nach Chinatown, und machen nochmals einen Spa­zier­gang durch eine Ladenstrasse und besuchen einen Z-Tempel. Als letzten Punkt fahren wir zum Botanischen Garten, wo wir den Orchideengarten besuchen. Hier werden scheinbar alle Orchideen der ganzen Welt ausgestellt. Wir können uns fast nicht satt sehen, aber leider sind wir schon viel zu spät dran und der Guide hetzt uns! Die Tour begann schon mit Verspätung, und dann sei doch die Bemerkung erlaubt, dass es doch viel sinnvoller gewesen wäre, wenn man den elenden Jeweller-Be­su­ch ausgelassen und die halbe Stunde hier im Botanischen Garten investiert hätte!
Da einige der Gruppe noch eine zweite Tour am Abend gebucht haben und der Guide fürchtet, dass er für diese im Abendverkehr zu spät zurückkehren würde, forderte er einen weiteren Kleinbus in den Botanischen Garten an, damit dieser den Rest der Gruppe in ihre Hotels zurückbringen kann. So müssen wir jetzt noch auf diesen Kleinbus warten und werden dann endlich auch ins Hotel gefahren.
Wir haben in den letzten 6 Wochen viele Städte gesehen, grössere und kleinere. Wie hat uns jetzt Singapur gefallen? Sicher ist es eine pulsierende, lebendige und auch reiche Stadt, supermodern, mit hochinteressanter Architektur, wobei mir scheint, dass einfach alles, was modern ist, bewilligt wird, wenn dafür altes abgerissen wird. Auch in diesen Tagen wird mitten in der Stadt gebaut wie wild; das heisst aber, dass man Altes abreissen muss. Uns fehlte in Singapore etwas der Charme, den San Francisco und Sydney besass, um nur zwei grössenmässig vergleichbare Beispiele zu nennen. Bei beiden Städten liegen alt und neu harmonisch neben- teilweise sogar ineinander, was hier nur ganz selten der Fall ist, und wenn, dann hat man das Gefühl, das Moderne erdrücke das Alte komplett!

Da wir ja keine Zimmer mehr besassen, konnten wir noch im SPA duschen und uns für die Reise umziehen, was nach der Hitze und Feuchte des Nachmittags eine Wohltat war. Wir schreiten zur letzten Happy Hour der Reise an der Hotelbar und essen noch ein Sandwich. Dann ist auch schon unser Chauffeur da, hilft das Gepäck einladen und fährt uns zum Flughafen Terminal 1, wo die Air France abgefertigt wird. Singapore besitzt einen riesigen Flughafen und ist ein Hub für verschiedene Fluggesellschaften.
Das Einchecken geht wie üblich am Automaten, wobei wir schlussendlich doch noch Hilfe brauchen; dafür bekommen wir zwei gute Plätze, zuhinterst links, wo es nur noch Zweiersitze hat und man seitwärts etwas mehr Platz hat. Beim Koffern abgeben passiert ein Wunder: Die Angestellte drückt ein Auge zu bei zwei Mal 24.5 kg bei erlaubten 23 kg, wobei wir einfach alles Schwere ins Handgepäck genommen haben und diese Taschen dafür schwer wie Stein sind.
Dann profitieren wir einmal von der American Express Platin Card, mit der man eine Privilege Card bekommt, mit welcher man weltweit fast auf jedem grösseren Flughafen in einer Lounge mit gratis Erfrischungen auf den Abflug warten kann. In Singapur hat jedes der drei Terminal je eine solche Lounge. Im Terminal 3 dürfen wir in die Regenwald-Lounge, was wir nach all den schönen Erfahrungen der letzten Wochen als sehr sinnig empfinden! Ausser der Tapete merkt man allerdings nicht viel vom Regenwald.
Dann geht es sehr schnell: Es geht gegen 23:00 Uhr, da ist Boarding. Ich habe die Uhr aber schon umgestellt und habe jetzt am Abflug 18:00 Schweizer Ortszeit. Und wir sollen etwas nach 6 Uhr in Paris sein, eine sehr lange Zeit. Wir sind aus der Lounge etwas spät und kommen gerade noch recht, da das Gate schon geschlossen wird. Wir beziehen unsere hintersten zwei Plätze links im Flugzeug. Schön, dass wir bei unseren zwei Sitzen nicht von einer Drittperson abhängen, wenn man einmal aufstehen will. Das Flugzeug, eine Boeing 777-300, eigentlich eine Weiterentwicklung der B 747 Jumbo, aber mit nur zwei Triebwerken, startet mit etwa 25 Minuten Verspätung.
Nach dem Start und einer 180 Grad Kurve haben wir im Steigflug eine letzte, wunderbare Sicht auf Singapur, eine Stadt, die besonders stark beleuchtet zu sein scheint.

Mittwoch, 3. November 2010: Singapore – Paris – Zürich - Zollikon
Wetter: Grand Beau, 15 Grad.
Bald wird es im Steigflug dunkel um uns herum, wir fliegen wahrscheinlich bereits über dem Meer Richtung Nordwest. Der sehr lange Flug beginnt mit dem Nachtessen, das zügig serviert wird. Leider gibt es keinen Apéro, obwohl er auf der Menükarte steht! Ob der Kapitän wohl wusste, dass wir sehr bald in heftige Turbulenzen kommen werden und das deshalb so angeordnet hat?
Auf alle Fälle fängt es dann bald an stark zu schütteln, sodass ich beim Wasser (!) einschenken für Fischli einen Teil verschütte. Dann „legen“ wir uns schlafen, was bei so langen Flügen in der Holzklasse einfach schon eine traurige Angelegenheit ist. Ich nehme deshalb ein Dormikum, das aber nur etwa zwei Stunden nützt, dann bin ich wieder halbwach und döse wie eine Sardine in der Büchse vor mich hin. Nach weiteren etwa 2 Stunden dösen und frieren (trotz Pullover und Wolldecke werde ich ganz wach und beginne um 2 Uhr Schweizer Zeit an der letzten Landmeldung weiterzuschreiben. Auf der Weltkarte, auf welcher der Flugweg nachgezeichnet wird, kann man sehen, dass in Singapore bereits Tag ist und wahrscheinlich die Sonne scheint, während es hier um uns herum endlos tiefe Nacht bleibt.
Da ich bisher noch nie im Fernen Osten gewesen war, interessiert mich natürlich die Flugroute. Ob sie auch über den Pol fliegen wie nach San Francisco? Da die Route wie bei den meisten modernen Flugzeugen am Bord-TV nachverfolgbar ist, schreibe ich sie hier auf: Wir fliegen der Küste Malaisias entlang über Phucket Richtung Mombai in Indien, dann über Pakistan hinweg knapp südlich an Teheran und dem Kaspischen Meer vorbei, über Irak und die Türkei, um bei Trabzon das Schwarze Meer zu erreichen, dann zuerst an dessen Südküste entlang bis auf Höhe Krim, dann in NW Richtung zuerst nördlich an Bukarest und später leicht südlich an Budapest und Wien vorbei über Salzburg, Bodensee nach Paris. Um ca. 04:45 Uhr fliegen wir beinahe über Zürich. Ich ärgere mich, nicht mit SWISS geflogen zu sein, denn dann wären wir jetzt schon zuhause! Ich frage mich allen Ernstes, ob es sich tatsächlich gelohnt hat, für diese Reise die billigere Air France zu wählen.

In Paris Charles de Gaulle können wir endlich aussteigen! Weil wir zuhinterst sassen, kommen wir auch als Letzte aus dem Flugzeug und müssen uns orientieren, ab welchem Terminal der Flug nach Zürich abfliegt. Am Beginn der Reise nach San Francisco gab es im Hub Paris für die Zubringer vom Ankunfts- zum Abflug-Terminal einen direkten Transit-Bus. Damals wurden die AF-Langstrecken-Kunden noch auf Händen getragen. Jetzt auf der Rückreise ist man als AF-Langstrecken-Kunde ein Nobody und hat für die Airline absolut keine Bedeutung mehr. Die Dienstleistung mit der „Navette de Douane“ für den Anschlussflug nach Zürich gibt es nicht mehr: Man muss mit dem Handgepäck zum Ankunftsterminal hinaus, die öffentliche Navette suchen, damit in ein anderes Terminal für den Abflug nach europäischen Destinationen fahren und wieder das mühsame Eincheck-Procedere und die Security Control über sich ergehen lassen mit Handgepäck röntgen, Jacke und Gurt ausziehen, Computer, Handy und Fotoapparat in die Schalen legen usw. Das ist sehr mühsam, vor allem wenn man um den Direktflug Singapore - Zürich weiss.

Der Flug nach Zürich ist im Vergleich zu den letzten Flügen recht kurz, und wir sind hoch erfreut, beim Landeanflug aus dem Flugzeug die Herbstfärbung der Schweizer Wälder festzustellen, wie die Bäume wunderschön in der Morgensonne leuchten. Als wir wegfuhren, war alles noch spätsommerlich grün!
Wie wir zur Gepäckausgabe kommen, drehen unsere Koffern bereits auf dem Förderband und wir müssen für einmal dort nicht warten. Ich habe bereits im Flugzeug noch das Schweizer-geld-Portemonnaie für das Taxi mit dem Hausschlüssel ausgegraben, da werden wir beim Ausgang voll überrascht, als Lexi dasteht und uns abholt.
Um 09:15 drehen wir bereits in Zollikon auf unseren Parkplatz ein, wo unsere Haushaltshilfe Amélia beim Hauseingang am Laub zusammennehmen ist und uns freudig begrüsst. Klar, am Mittwochmorgen ist sie ja jeweils bei uns.
Wir finden unser Haus ebenfalls im Herbstkleid, wobei im Garten recht viel Arbeit auf uns wartet. Kunststück, man kann eigentlich um diese Jahreszeit den Garten nicht 6 Wochen lang sich selbst überlassen.
Wir trinken mit Amélia und Lexi noch Kaffee, dann geht’s ans Auspacken, und bald hat uns der Alltag bereits wieder voll im Griff, mit Tätigkeiten wie Waschen, Posten, Lauben (sehr intensiv!!!), Rasen mähen, Töpfe mit Mittelmeer-Pflanzen unters Dach nehmen, Post holen und durchsehen, und vor allem auch noch nachsehen, ob es eigentlich noch Geld auf dem Konto hat…

Es war eine wunderbare Reise, eine Traumreise, eine Weltreise. Wir werden lange davon zehren können und brauchen etwas Zeit, um alle die Eindrücke zu verarbeiten. Vor der Reise waren wir in Erwartung von viel Unbekanntem, das auf uns zukommen soll. Jetzt, nach der Reise, beschleicht uns immer ein gewisses Glücksgefühl, wenn wir an die vielen Momente denken, die uns so tief beeindruckt haben.

Zollikon, im November 2010, GA


Nachtrag vom November 2013:
Es sollte unsere letzte grosse Reise gewesen sein. Fischli erkrankte im darauf folgenden Frühling 2011 mit Bauchspeicheldrüsenkrebs. Zwar sagte man ihr im April 2013, dass sie einer der wenigen Glückspilze sei, die eine Bauchspeicheldrüsen-OP überstanden habe und als gesund entlassen werden könne. So planten wir bereits wieder eine neue Reise: 2 Wochen Südafrika und von dort per Kreuzfahrt zurück nach Hause.
Fischli bekam im Juli 2013 aber die Diagnose Eierstockkrebs. Nach einer ersten Operation von Ende Juli korrigierte die Pathologie die Diagnose dann auf Bauchfellkrebs, der aber anscheinend noch aggressiver sei.
Fischli starb nach zwei weiteren Not-Operationen am 16. September 2013.

Nachtrag vom 20. März 2019:
Wieder einmal habe ich das Tagebuch gelesen und hatte dabei immer wieder dieses "gewisse Glücksgefühl, wenn wir an die vielen Momente denken, die uns so tief beeindruckt haben*, wie ich im Schlusssatz so schön festgehalten habe……

Nachtrag vom 2. August 2020
Und wieder war beim Lesen das Glücksgefühl da, vor allem bei den Tagen im Kewarra Beach Resort! Ich würde diese gerne nochmals besuchen!
Wenn doch Australien und Neuseeland nur etwas näher wären…

2011: Celerina, OP Bauchspeicheldrüsenkrebs Fischli mit Folgen, Annullierung aller Reisen, Tod meiner Schwester Dorli
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8.33.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 2011: Celerina, OP Bauchspeicheldrüsenkrebs Fischli mit Folgen, Annullierung aller Reisen, Tod meiner Schwester Dorli.

8.33 2011: Celerina, Bauchspeicheldrüsenkrebs Fischli, Annullierung aller Reisen, Tod meiner Schwester Dorli

Zum vierten Mal starteten wir das Neue Jahr mit unseren traditionellen Engadiner Skiferien im Haus Alpina in Celerina. In der ersten Woche am Dienstag und Mittwoch kamen unsere Freunde Brunn­schweiler zu Besuch. Und bereits am Donnerstagabend erwarteten wir wieder Lexi und Philipp mit Familie, da Fabian und Nils am Freitag in der Schule einen sogenannten Jokertag einzogen. Am Freitag und Samstag fuhren wir Ski, am Sonntag wanderten wir ins Val Roseg. Die zweite Woche hatten wir dann für uns: Wir fuhren nicht mehr Ski, sondern waren immer zu Fuss auf den vielen, prächtig unterhaltenen Winterwanderwegen des Ober­engadins unterwegs. Fischli war dieses Jahr das erste Mal nie mehr auf der Piste. Für nächstes Jahr müssen wir eine neue Wohnung suchen, da Stamms nach Bali ausgewandert sind und die Wohnung im Januar selbst bewohnen wollen.

Am 21. Februar machten wir den Winterferien-Gegen­be­such bei Brunnschweilers in ihrer Ferienwohnung in Davos. Das Wetter liess uns nicht Skifahren. Dafür machten wir ausgedehnte Winterwanderungen, am ersten Tag zum Waldfriedhof und am zweiten Tag zum See und über die Promenade zurück zur Wohnung.

Auf dem Heimweg fuhren wir am 23. Februar nach Bad Ragaz zu Dorlis 88. Geburtstag. Dorli ist etwas apatisch geworden und man überlegt, sie allenfalls in ein Pflegeheim zu verlegen. Spitex muss mehrmals am Tag kommen und neben Tochter Doris im Haus nebenan hilft die Mieterin der Inliegerwohnung bei der Betreuung.
Die Komplikationen nach Fischlis letztjähriger Darmoperation waren nach wie vor aktuell und zeigten sich in zeitweiser Inkontinenz. Sie wurde von Spezialist zu Spezialist gereicht, und man suchte nach Allergien, nach Empfindlichkeiten für Lactose und vielem mehr. Eine Messung der Muskelkraft des Schliessmuskels zeigte ein sehr schlechtes Bild. Man fand heraus, dass dies wahrscheinlich Spätfolgen des Damrisses anlässlich Andreas Geburt wären. Fischli wurde therapiert, Beckenbodentraining usw.

Irgendwann hatte Fischli genug und meldete sich einmal beim Hausarzt Dr. Aeppli für einen ganz normalen Checkup an. Beim Abtasten des Bauches hielt der Arzt plötzlich inne, und Fischli sagte: „gell, da ist etwas“! Der Arzt fragte sofort, wie lange sie denn dies schon spüre. Fischli antwortete, ca. 1-1½ Monate, worauf der Arzt sie sofort im Spital Zollikerberg für eine Computertomographie anmeldete. Am 24. März erhielt sie (kurz vor einem kleinen Geburtstagsfest bei Lexi) den CT-Befund: Tumor im Bauchspeicheldrüsenkopf, eine Biopsie müsse zeigen, ob bösartig oder nicht.
Am 28.03. erfolgte die ERCP Biopsie im Spital Hirslanden mit anschließendem bangen Warten auf den Bescheid: Der Tumor ist bösartig, was wir aber fast schon erwartet hatten (Onkel Päuli und Cousin Carlo Streuli waren daran gestorben).

Dr. Wehrli orientierte uns ausführlich am 5.April: Er erklärte an Hand einer Zeichnung, dass es eigentlich nur eine Möglichkeit gäbe: Da der Tumor glücklicherweise früh entdeckt wurde, könne man ihn noch operativ entfernen, denn in den meisten Fällen sei es dafür bereits zu spät. So hatte der Krebs den Gallenhauptgang und die lebenswichtige Leberarterie noch nicht allzu stark beeinträchtigen können und es scheinen auch noch keine Metastasen zu existieren. Zur Operation gäbe es praktisch keine Alternative: Falls man nichts machen würde, käme das eben beschriebene Szenario betr. Gallenhauptgang und Leberarterie ins Laufen und es gäbe ein relativ schnelles und sehr schmerzhaftes Ende.
Diese sogenannte „Whipple Operation“ sei praktisch die grösste Operation, die im Bauch gemacht werde! Es werde eine 5–6-stündige Operation, dann 4-6 Tage Intensivstation plus anschliessend 3-4 Wochen Spital plus anschliessend Reha. Dr. Wehrli wollte den Fall aber noch in einer interdisziplinären Tumor-Arbeitsgruppe besprechen und rief am nächsten Tag abends an, sie wären zum gleichen Urteil gekommen. Geplant wurde die Operation für anfangs Mai.
Durch die unvorhergesehene Diagnose musste als erstes unsere vom 1.-10. April geplante Reise mit Arnold Hottinger nach Andalusien abgesagt werden!

Dafür konnten wir dann aber am Sonntag, 10. April an der Konfirmation unseres ältesten Enkels Jan teilnehmen. Da er beim geschiedenen Vater in Kreuzlingen wohnt und ein Gymnasium in Konstanz besucht, wurde er auch in Konstanz konfirmiert. Wir erlebten einen sehr schönen und würdigen Gottesdienst mit anschliessendem Mittagessen am Untersee. Wir waren von Frank eingeladen, wieder einmal ganz en famille, wie früher, als Frank und Andrea noch zusammen waren: Neben Frank, Jan, Andrea mit Per und Finn und Fischli und mir waren noch Franks Bruder mit Gemahlin sowie auch Alexa und Philipp mit Fabian und Nils anwesend. Um Frank etwas unter die Arme zu greifen, übernahm ich dann die Getränke.
Nach der Annullation der Andalusienreise mussten wir uns auch für die Gartenreise in England wieder abmelden. Sie wäre dieses Jahr in Kent gewesen, u.a. mit einem Besuch in Sissinghurst! Schade!

Fischlis Freundin Annelies Lüthi hatte ebenfalls einen schlechten Bescheid: Brustkrebs. Da sie mit ihren fast 90 Jahren nichts machen wollte, gaben ihr die Ärzte noch ca. 1 Jahr. Fischli lud deshalb vor Ostern Annelies und die ganze, seinerzeitige Bibliotheksmannschaft Hombrechtikon zu uns zu einem Nachtessen ein (Rosemarie Betschart, Ingrid Schweizer, Lily Erb, xy).

An Ostern am 24. April waren dann traditionellerweise wieder unsere jungen Familien zum Oster-Brunch bei uns, wobei die Enkel nachher die im Garten versteckten Osternestli suchen mussten. Leider war von Andreas Buben auch dieses Jahr Jan über Ostern in einem Lager und somit nicht dabei. Die dieses Jahr schon sehr üppige Natur von Ende April machte das Verstecken der Nestli für einmal sehr einfach, und Fotos zeigen, dass das schöne Wetter echte Gartenfreuden aufkommen liess.

Anstatt mit Brunnschweilers wie geplant ins Burgund zu fahren rückten wir zur Whipple-OP am Freitag, 06.05. in die Klinik Hirslanden ein. Nach einer fast 8-stündigen Operation rief mich Dr. Wehrli erst kurz nach 15:00 Uhr an, es sei überstanden. Ab 13:00 hatte ich wie auf Nadeln beim Telefon gesessen und auf den Anruf gewartet! Abends um 18:00 Uhr durfte ich Fischli auf der Intensivstation besuchen; sie war erstaunlich munter. Ich zählte 19 Schläuche und Kabel, an welche sie angehängt und mit welchen sie permanent an einem Computer angeschlossen war und wo alle Daten aufgezeichnet wurden. Hier blieb sie unter ständiger Überwachung bis am Montagmittag. Dann wurde sie aufs Zimmer verlegt, wo sie bis zum 26. Mai blieb, zwischendurch mit Komplikationen: Einmal mit einem Herzklappenflimmern und dann mit dem Darmbakterium „Clostridium difficile“, welches starken Durchfall bewirkt. Fisch muss deshalb ab sofort ein spezielles darauf abgerichtetes Antibiotika nehmen, welches ihr stark zu schaffen macht.
Die Klinik Hirslanden liegt auf der Stadtgrenze zu Zürich, für uns in Zollikon äusserst günstig: Ich bin per Auto in 5 Minuten dort in der Tiefgarage; so war ich jeden Tag morgens und abends bei Fischli, manchmal noch ein drittes Mal. Ich machte ihr jeden Tag mit Fotos belegte „Gartenmeldungen“, d.h. Aufzeichnungen, was im Garten neu blühte usw. Zwei Mal holte ich sie für einen Tee im Garten nach Hause! Alles in allem hatte Fischli scheinbar einen überdurchschnittlich guten Genesungsverlauf, sodass ich sie am 26. Mai, drei Wochen nach der Operation, für einen Tag und eine Nacht heim holen konnte, um sie anderntags nach Mammern in die Reha zu fahren.  
In der Reha-Klinik Mammern staunte der Arzt am 27. Mai nicht wenig, als Fischli zu Fuss zur Eintrittsvisite kam! Whipple-Patienten würden normalerweise in der Ambulanz angeliefert!! Ich blieb die drei Wochen in Mammern als Begleitperson bei ihr: Neben ihrem Spitalbett hatte man ein normales Hotelbett samt Nachttischchen ins Zimmer 76 gestellt, sodass ich Fischli jederzeit als erster allerlei Handreichungen bieten konnte. Wir waren auch gut vernetzt, da ich mein Notebook mit W-Lan Anschluss bei mir hatte.
Wegen dem Durchfall konnte Fischli in der ersten Woche leider keine Therapien machen, da sie immer in der Nähe des WC bleiben musste! Zuerst waren nur 2 Wochen vorgesehen, es musste dann aber deswegen eine weiter Woche angehängt werden. Ab der 2. Woche konnte sie meistens die Therapien besuchen und wir begannen wieder etwas zu marschieren, zuerst im Park, und später auch etwas weiter im Dorf. Brunn­schwei­­lers kamen zwei Mal zu Besuch, einmal zu einem Apéro und ein zweites Mal zum Z’Nacht. Am 16. Juni wurde Fischli nach Hause entlassen.

Zurück zuhause aus Mammern begannen Fischli und ich wieder schön langsam mit unseren täglichen, zügigen Spaziergängen oder zwei Mal pro Woche mit Krafttraining. Ab Herbst waren es dann, sofern der Darm es zuliess, wieder fast täglich etwa 70 Minuten Waldspaziergang. Während Fischli diesen Sommer operationsbedingt bis auf 46 Kilo abmagerte (die letztes Jahr abgenommenen 10 Kilos hätten ihr jetzt gut getan!) setzt sie jetzt alles daran, möglichst wieder etwas zu Kräften und etwas mehr Gewicht zu kommen, wobei ich hingegen etwas Mühe habe, mein reduziertes Idealgewicht zu halten!

In der Zeit nach Mammern ging es immer auf und ab: 1-2 Tage fast normal, dann wieder 1-2 Tage oder Nächte Durchfall, und zwar hie und da so explosionsartig, dass Fischli keine Chance hat, noch aufs WC zu kommen. Es ist eine sehr deprimierende Situation. Die Ärzte versuchen Verschiedenes und immer wieder Neues: Quantalon, Opium-Tröpfchen, stärkere Kreon, Immodium, Immogas, usw. Sie sind aber, so denke ich, etwas ratlos. Seit jener unseligen Operation im Mai 2010 hat sich die Inkontinenz dramatisch verschlechtert, und nach der Whipple-Operation scheint Fischlis Verdauungstrakt restlos überfordert! Grund für die Inkontinenz sei der seit Andreas Geburt defekte Schliessmuskel, was sich oft erst im Alter manifestiere. Der noch junge und elastische Körper könne solche Defekte relativ lang übertünchen! Infolge der Inkontinenz wagt Fischli fast nirgends mehr hinzugehen. Und wenn wir uns einmal irgendwo anmelden (wie z.B. am 18.09. zum Kulturbrunch der ETH-Alumni mit Peter von Matt zum Max Frisch Jubiläum), so müssen wir uns wieder abmelden, oder ich muss alleine gehen, wie beispielsweise letzthin ans Abonnement-Konzert in die Tonhalle.
Während der 5 Wochen Sommer-Schulferien waren abwechslungsweise unsere Jungen wieder im Badhüsli am Zürcher Obersee. In der Woche vorher und nachher verbrachten auch wir auch je ein paar Tage dort, einfach ohne Besuch; und bei schlechtem Wetter fuhren wir jeweils nach Hause. 

Infolge der Verschlechterung des Gesundheitszustandes meiner Schwester Dorli konnte sie ab August nicht mehr im eigenen Haus bleiben, auch nicht mehr mit Spitex und ihrer Tochter und Enkelin im Haus nebenan. Fischli und ich konnten glücklicherweise noch einen Besuch bei ihr im Pflegeheim in Maienfeld machen. Eine Woche später starb Dorli am 18. August überraschend im Spital Walenstadt nach sehr heftigen Trigeminus-Anfällen. Fischli konnte mich zur Beerdigung am 23.08. nach Bad Ragaz begleiten.

Dadurch, dass Fischlis Durchfall weiterhin so unberechenbar blieb, mussten wohl oder übel alle übrigen Reisepläne auf Eis gelegt werden: Keine Fahrt über das Piemont nach Südfrankreich und schlussendlich doch Abmelden von den Kochferien in der Provence! Zum ersten Mal wahrscheinlich überhaupt werden wir dieses Jahr keinen einzigen Tag in Frankreich weilen…
Daneben verging die Zeit wie jedes Jahr mit Arbeit im Garten, Reben und Obstbäume spritzen, Abonnementskonzerten in der Tonhalle, Kunsthausbesuchen, Fitnesstraining, Rudern, Senioren für Senioren sowie im Klassenzimmer und Anlässen des Zürcher AHV KTV.

Ab September begannen wir akribisch Protokoll zu führen, was wir bei den Hauptmahlzeiten zu uns nehmen und wie sich dabei das Stuhlverhalten entwickelt, um daraus allenfalls mit den Ärzten eine Korrelation zu finden, was der Grund für den Durchfall sein könnte. 5 Monate Protokoll zeigte aber ein absolut irrationales Stuhlverhalten und man konnte schliessen, dass mit dem Essen kein Zusammenhang bestand: Bei genau der gleichen Mahlzeit konnte es einmal sehr gut sein, ein anderes Mal hatte es eine Horrornacht zur Folge. Nachdem im Dezember scheinbar alle Möglichkeiten ausgeschöpft waren, sind derzeit Abklärungen im Gang, ob allenfalls mit einem Schrittmacher der Schliessmuskel stimuliert werden kann. Deshalb wird nochmals eine Darmspiegelung gemacht und der Nerv des Schliessmuskels muss dazu noch intakt sein. Dieser wird von einem Spezialisten ausgemessen. Das Resultat wird erst nach Neujahr erwartet.

Weihnachten fand wieder fast im üblichen Rahmen statt. Wie immer schleppten wir „Food ans Beverages“ an und trafen die Vorbereitungen für ein volles Haus. Da dieses Jahr Andreas Kinder an Weihnachten beim Vater sind, kam Jan bereits am 22. 12. ein erstes Mal nach Uitikon zur Mutter und wir feierten dann bereits am 23. Dezember in Vollbesetzung, wobei anschliessend alle hier schliefen. Beim Einnachten war zuerst beim Kerzenschein des Christbaums Singen und Musizieren angesagt; dann fand die Bescherung statt, und anschliessend wurde gegessen. Nach einem reichen „Brunch“ mit Eiern, Wurst, Käse, Brot und Zopf am 24.12. reisten zuerst Andreas Familie ab, etwas später dann auch Lexi mit Familie. Es waren schöne, friedliche und sehr harmonische Tage. 
Das verwandtschaftliche Singen mit Christbaum am 26. Dezember bei Marteli Oechsli-Welti, unserer Nachbarin und letzten, noch lebenden Tante von Fischli, mit anschliessendem Essen bei uns, mit dieses Jahr total 15 Personen, war der traditionelle Schlusspunkt der Weihnachtsfeierlichkeiten
Sylvester/Neujahr verbrachten Fischli und ich sehr still bei einem gemeinsam gekochten feinen 6-Gang Menü.


 

2012: Celerina, Neuro Stimulation After Fischli, Goldene Hochzeit, La Dombes, Letztes mal Badhüsli, Kochferien, Bootsfamilienferien auf Canal du Midi
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8.34 2012: Celerina, Neuro Stimulation After Fischli, Goldene Hochzeit, La Dombes, Letztes mal Badhüsli, Kochferien, Familienferien auf Canal du Midi und La Madrague

Unsere Engadiner Januarwochen verbrachten wir neu in einer schönen 4 Zimmer Wohnung im Haus Chalchera Suot, wiederum ganz nahe dem (inzwischen abgebrochenen) Chesa Caflisch. Die Wohnung hat zwei Bäder, was für Fischlis Zustand und bei Besuch wichtig ist. Wir reisten am Samstag, 7. Januar bei Schneetreiben an, hatten ab Sonntag praktisch 2 Wochen „grand beau“ und reisten am Freitag, 20. Januar nach Hause, als es wieder zu schneien anfing. Wir konnten mehrmals auf Muottas Muragl oder im Fextal draussen zu Mittag essen; die grosse und anhaltende Kälte kam erst nachher! Brunnschweilers waren wieder für eine Nacht da; und ab Donnerstagabend bis Sonntagnachmittag waren Lexi mit Familie zu Besuch! Lexi fuhr nicht Ski, da bei ihr im letzten November ein Knie operiert werden musste.

Noch in den Ferien erreichte uns die Nachricht, dass man bei Fischli zur Verbesserung der Inkontinenz die Implantation eines Neurostimulators planen könne. Am 1. Februar rückte sie ins Hirslanden ein: Dr. Wehrli operierte unter Vollnarkose die Elektrode ein. Angeschlossen wurde zu Versuchszwecken ein kleiner Apparat, welcher Fischli am Gurt tragen und an welchem die Stärke der Stimulation eingestellt werden kann. Nach einer positiven Versuchsperiode rückte Fischli am 21. März wieder für einen Tag und eine Nacht ins Hirslanden ein, um jetzt, allerdings nur unter Lokalanästhesie, den Stimulator definitiv unter die Haut eingepflanzt zu erhalten, was scheinbar bei ihrer „überschlanken“ Figur gar nicht so einfach war! Das Resultat lässt sich aber sehen: Die Lebensqualtät ist seither definitiv wesentlich besser geworden! Und ich hänselte sie sehr gerne, sie hätte jetzt "High Tech" im A!

Anlässlich unserer Goldenen Hochzeit am Samstag, 12. Mai luden wir Freunde und Verwandte zu einem Apéro ein. Zum ersten Mal spielte das Wetter bei einer Festivität bei uns zuhause nicht mit, denn es war von allem Anfang an klar, dass man nicht im Garten sein konnte (dabei war er doch so schön hergerichtet!). Wir hatten zwischen 15.00 und 21:00 Uhr um die 40 Gäste, wobei uns Enkel Jan mit seiner Anwesenheit freudig überraschte! Im Hochzeitsalbum von damals die alten Fotos anzusehen war vor allem bei jenen sehr begehrt, welche schon vor 50 Jahren mit dabei gewesen waren…

Am Dienstag, 15. Mai wagten wir den Versuch, wieder einmal für ein paar Tage zu verreisen. Ziel war auf Empfehlung von Rolf Schaeppi, einem Schulkollegen von Fischli und jetzt Psychiater in Genf „La Dombes“, eine Teichlandschaft zwischen Bourg-en-Bresse und Lyon. Nach der Besichtigung des wunderbaren Monastère Royal de Brou in Bourg-en-Bresse suchten wir in Saint-Paul-de-Varax, nach dem Moulin de Varax und fanden ein verträumtes, einsam gelegenes und etwas heruntergekommenes Anwesen mit Chambres d'Hôtes und einem liebenswürdigen Besitzer. Der Nachteil vom schönen Wohnen auf dem Lande ist leider das per Auto ausrücken müssen fürs Essen! Wir besuchten am Mittwoch den Parc des Oiseaux in Villars-les-Dombes. Sehr eindrücklich, was hier in den letzten 42 Jahren geschaffen wurde. Am Donnerstag wanderten wir zu Fuss ab Moulin mit Feldstecher, Kamera und Vogelbestimmungsbuch in die Teichlandschaft und bestaunten die vielen Vögel. Am Freitag fuhren wir auf dem Heimweg zum Mittagessen noch in den uns bekannten „Cheval Blanc“ in Baldersheim bei Mulhouse, und von dort nach Hause, wo wir gegen 16:00 Uhr wohlbehalten ankamen.
Ende Juni verbrachten wir mit den AH des KTV drei Tage im Engadin, wo wir wieder im Cresta Palace Hotel nach Noten verwöhnt wurden. Bei absolutem Prachtswetter wanderten wir am Samstag von Bernina-Häuser an der rechten Talflanke nach Pontresina in den Steinbock zum Mittagessen! Am Sonntag wanderten wir von Morteratsch zum Gletscher und zurück mit Mittagessen in Morteratsch.

Vom 9.-13. Juli sowie vom 30.Juli – 4. August genossen wir zum letzten Male das Badhüsli in Lachen, das leider abgerissen wird. Wir hatten es die letzten 12 Jahre ganzjährig gemietet, und unsere Enkel haben, so wie seinerzeit ihre Mütter, dort schwimmen, segeln und surfen gelernt. Wieder hatten wir nochmals das absolute Ferien-Feeling, wie schon früher, auch wenn wir bei eher traurigem Wetter die dicken Wollpullover wesentlich mehr brauchten als die Badehose!!!

Auf dem Weg in die Provence - Kochferien von Rolf Grob in der Bastide Neuve in le Cannet des Maures wollten wir im Piemont wandern und hatten dafür in Barolo "unser" Hotel Brezza reserviert. Das Wetter war aber so schlecht, dass wir auf Museen und Weinkeller ausweichen mussten. Erst bei der Abreise am Sonntag zeigte sich das Barologebiet von seiner besten Seite. Das Kochen selbst war wieder ein voller Erfolg. Wie im Vorjahr blieben wir tagsüber meistens im Park mit dem Swimming Pool und verbrachten nach einem feinen, kalten Lunch den Nachmittag mit Lesen und Baden.

Mitte September rückte ich zu einer zweiten Hornhaut-Transplantation des linken Auges in die Augenklinik des Kantonsspitals Luzern ein. Alles lief plangemäss und Lexi und Fischli konnten mich schon einen Tag früher als vorgesehen nach Hause holen.

In den Herbstferien hatten wir die ganze Familie aus Anlass unserer goldenen Hoch­zeit zu einer ersten Woche auf Hausbooten auf dem Canal du Midi und einer zweiten Woche in der Hapimag-­Anlage La Madrague bei Saint-Cyr-sur-Mer nach Südfrankreich eingeladen.
Im ersten Boot gab es je eine Doppelkabine mit Dusche/WC für Fischli und mich, eine für Andrea und eine für Per und Finn. Jan war leider wieder nicht dabei, weil er erst später Herbst­­ferien hatte.
Im zweiten, etwas kleineren Boot gab es eine Kabine für Lexi und Philipp, sowie eine zweite für Fabian und Nils. Nach einer kurzen Fahrschule und einem Begrüssungs­apéro fuhren wir ostwärts Richtung Meer los, weil dort mehr Schleusen zu bewältigen waren, was meiner Ansicht nach für die Buben mehr Action bedeutete. Wir legten jeweils an besonders schönen Orten an und übernachteten meistens ausserhalb von Ortschaften. Frühstück und Lunch gab es auf dem Schiff, während wir abends meistens ein Restaurant suchten und dort verpflegten. Ausser einem Gewitter am zweitletzten Tag genossen wir Prachtswetter: Es war immer schön, manchmal zwar etwas windig, dazwischen aber auch richtig schön warm. Es war ein wunderbares Erlebnis.
Nachdem wir die Schiffe wieder abgegeben hatten, verschoben wir uns individuell nach La Madrague. Dort hatte jede Familie eine eigene Wohnung, schön nebeneinander. Das Wetter spielte auch diese Woche wieder mit, sodass die Jungen meistens am Strand waren und badeten, während Fischli und ich Märkte besuchten, wanderten und ins Hinterland Ausflüge machten. Die Heimreise verlief auch wieder für alle problemlos.

An Weihnachten gab es erfreulicherweise auch dieses Jahr wieder ein volles Haus mit beiden Familien von Andrea und Alexa. Es waren sehr schöne und friedliche Feiertage, wobei die Elektronik für die Jungen, vor allem aber für die Enkel, schon unheimlich wichtig ist. Während die Buben früher immer miteinander gekämpft und gerammelt hatten, sind sie jetzt meistens ganz still mit ihren Smartphones beschäftigt! Es war schön, als alle einzogen, dann aber auch wieder sehr schön, als alle um die Mittagszeit des 25. Dezember wieder abreisten und es still im Haus wurde.
Früher fiel ich jeweils bei der Abreise der Jungen nach Weih­nach­ten eine merkwürdig wehmütige Stimmung. Das ist heute weniger der Fall. Ist es deshalb, weil unsere Mädchen schon so lange ausgezogen sind und in der nächsten Generation eigene Familien gründeten? Oder vielleicht nur deshalb, weil Fischli und ich einfach immer älter werden?
Wie üblich versammelten sich am 26. Dezember gegen Abend die Verwandten von Fischli im Nachbarhaus bei ihrer Tante, wo es jeweils einen Apéro gibt und dann nach dem Singen von Weihnachtsliedern beim Kerzenlicht des Christbaums eine kleine Bescherung stattfindet. Dann verschieben sich jeweils alle zu uns zum z'Nacht, wo dieses Jahr für 18 Personen alles vorbereitet war: Der Aufwand für die Vorbereitung dieses Nachtessen und das anschliessende Aufräumen ist zwar relativ gross. Er ist es uns aber wert, umso mehr, als unsere Familien praktisch immer vollzählig daran teilnehmen! Einmal im Jahr die Verwandten zu sehen und zu bewirten macht auch Freude.
Wir werden Sylvester wie jedes Jahr wieder in trauter Zweisamkeit ganz still feiern, und überglücklich sein, dass sich Fischli von ihrer letztjährigen Monster-Operation so gut erholt hat, und vor allem dankbar, dass sie überhaupt noch da ist, was nicht ganz selbstverständlich ist.

2013: Celerina, Florenz mit Jan, Andrea 50, Wein-Lesen mit Dinah Hinz, Burgund, Provence, Hans Ruedi 80, Abschied Fischli, Provence mit Andrea. Zusammenfassende Notizen zu Fischlis Krankheit, Sterben und Tod.
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8.35 2013: Celerina, Florenz mit Jan, Andrea 50, Wein-Lesen mit Dinah Hinz, Burgund, Provence, Hans Ruedi 80, Abschied Fischli: Spital mit Bauchfellkrebs und Tod, Provence mit Andrea

Unsere traditionellen zwei Engadiner Januarwochen verbrachten Fischli und ich in der gleichen, geräumi­gen 4 Zimmer Wohnung hinter dem Bahnhof Celerina wie im Vorjahr Wir reisten am Samstag, 5. Januar an und am Freitag, 18. Januar wieder nach Hause, wobei wir dieses Jahr mit dem Wetter nicht sehr verwöhnt wurden. Wieder waren für zwei Tage und eine Nacht Brunn­schwei­lers zu Besuch; und ab Donnerstagabend bis Sonntagnachmittag waren Lexi mit Familie bei uns!

Nach unseren Winterferien reisten Fischli und ich mit Jan vom 12. -15. Februar nach Florenz, quasi als Kompensation für Jans Nicht-Teilnahme vom vergangenen Oktober an unseren Hausboot-Familienferien in Südfrankreich. Wir besuchten viele Sehenswürdigkeiten, u.a. die Uffizien, wo Jan vor allem auf die Venus von Botticelli sehr gespannt war, hatte er doch im letzten Herbst darüber eine Arbeit schreiben müssen. Interessant war, dass Jan bei den Besichtigungstouren fast früher ermüdete als seine Grosseltern! Hingegen schlug er beim Essen etwas mehr zu als wir. Das riesige Bistecca Fiorentina war seine Lieblingsspeise.

Der Gesundheitszustand von Fischli, bzw. die Verdauung war jetzt so stabil geworden, dass wir wieder Kurzreisen ins Auge fassen konnten. So besuchten Fischli und ich Ende Februar Bosshards auf der Bettmeralp im Wallis, wo diese  während den zwei Schulsportwochen wie üblich in den Skiferien weilten. Bei wunderbarem Wetter machten wir ausgedehnte Spaziergänge, da wir die Ski nicht mitgenommen hatten.

Am 2. März feierten wir bei uns im Haus mit Andreas Freunden ihren 50. Geburtstag. Auf dem Sitzplatz wurden von einem Caterer in zwei grossen Becken Paella gekocht: Eine mit Fisch und Meeresgetier und eine zweite ohne. Dieses Fest war sehr schön und harmonisch, und Ghia konnten wir damit eine grosse Freude bereiten.

Bei einer Kontrolluntersuchung 2 Jahre nach Fischlis grosser Whipple-Operation der Bauchspeicheldrüse bekam sie Ende April den wunderbaren Befund, dass der Pankreas wirklich geheilt sei, das hiess, dass sie wirklich einer der Glückspilze war, bei denen dieses Resultat gelingt. Viel glücklicher als nach diesem Bericht waren wir schon lange nicht mehr gewesen.
Wir feierten diesen Tag mit Champagner in stiller Zweisamkeit und schmiedeten sofort für Frühjahr 2014 neue Pläne: Wir wollten während 2-3 Wochen Südafrika bereisen und dann per Kreuzfahrt zurück nach Europa schiffen.

Am 4. Mai luden wir zu einer Vorfeier zu meinen 80. Geburtstag in Form eines "Wein-Lesens" zu uns nach Hause ein: Unsere Freundin und Schauspielerin Dinah Hinz las amüsant-süffige Geschichten zum Thema Wein und brachte damit die fast 50 Anwesenden oft zum Schmunzeln! Unser Haus zeigte sich einmal mehr von der besten Seite und sehr geeignet für Anlässe solcher Art. Den Apero hatte Fischli bereitgestellt und dem Zolliker wurde freudig zugesprochen. Bisher hatten wir immer noch Wetterglück gehabt, so dass wir jeweils auch draussen sein konnten. An diesem Tag lief praktisch alles drinnen ab, nur ein paar Raucher bevölkerten zeitweise den gedeckten Sitzplatz.

Dieses Jahr konnten wir mit Brunnschweilers wieder ein paar Tage in der Wohnung von Tischhausers in Moroges im Burgund realisieren. Wir begannen die Reise am 8. Mai mit Spargelessen in unserem "Cheval blanc" in Baldersheim bei Mulhouse, wo wir auch foie gras zum Mitnehmen kauften. In Moroges genossen wir tagsüber das Nichtstun und abends mit einer Ausnahme feine mehrgängige Nachtessen zuhause. Am ersten Tag bestiegen wir den Mont Avril, an einem anderen Tag besuchten wir wieder einmal die romanische Abteikirche in Tournus, und am Sonntag kauften wir auf dem Marchée in Chalon ein. Daneben lasen wir alle sehr viel, da das Wetter auch schon besser und wärmer gewesen war. Auf alle Fälle brannte das Cheminée meistens den ganzen Tag.

Kaum zurück planten wir spontan ein paar Tage Südfrankreich für anfangs Juni. Erste Station auf der Reise war das mittelalterliche Städtchen Perouges. Ein feines Hotel innerhalb der Stadtmauern und mit origineller Küche war auf dem Weg nach Süden eine wahre Trouvaille. Nächste Station war die Moulin de Gontrand bei Gordes. Überall wo man hinsah, gab es nur Schönes: Die Einrichtung drinnen und draussen sowie die Bepflanzung zeugten von viel Liebe zum Detail, dann gab es viele lauschige Plätzchen im Garten zum Lesen und um die Seele baumeln lassen, und am Abend brannten draussen und drinnen unzählige Kerzen. Ein nahes, gutes Restaurant rundete die gute Wahl ab.
Nach der Moulin fuhren wir nach St. Cyr-sur-Mer, wo wir für eine Nacht im Hotel Chante Plage abstiegen. Wir hatten ein Zimmer mit Balkon direkt an der Strandpromenade, also ca. 10 Meter vom Meer entfernt. Das Zimmer und der Balkon waren aber das Beste am Hotel. Sonst war alles lieblos und ohne Geschmack! Was für ein Absturz nach der Moulin...
Die nächste Nacht wollten wir im Raum Sisteron-Grenoble verbringen und fuhren deshalb über Aix-en-Provence Richtung Grenoble. Schon lange hegten wir bei der Durchfahrt immer den Wunsch, die Festung Sisteron einmal zu besichtigen, was wir jetzt taten und nach der Besichtigung in Sisteron in einem Hotel ein Zimmer bezogen. Die Festung ist ein imposantes Bauwerk und spielte auch noch im letzten Weltkrieg ein Rolle!

Der einzige Wermutstropfen auf dieser Reise war, dass unser guter alter BMW teilweise nicht mehr richtig lief. Es war ein BMW 545i, Jahrgang 1997, mit dem grossartigen 8-Zylinder Motor mit fast 300 PS! Zwischendurch lief er zwar wieder ganz normal.Aber nach etwa 2 Stunden Fahrt begann er mit den Kapriolen: Er zog nicht mehr trotz Vollgas! Zeitweise musste ich auf der Kriechspur für Lastwagen fahren, weil ich sonst ein Hemmnis darstellte! Zuhause fand man dann, dass "nur" die Katalisatoren "verbrösmelet" waren und ersetzt werden mussten.

Am 28. Juni rekognoszierten Fischli und ich zusammen mit Laura und Hans Gremli für meine Wandergruppe eine Wanderung von Trüllikon über den Husemersee nach Truttikon, wobei Fischli sich ein erstes Mal über leichte Blähungen beklagte, es wäre aber fast nicht der Rede wert. Immerhin konnte sie wieder stundenlang wandern, was doch vielversprechend für die Zukunft schien!

Am 1. Juli, am Vorabend meines 80. Geburtstages, kochte Rolf Grob (Rössli Lindau und Kochferien) in unserem Haus ein mehrgängiges Geburtstagsessen für unsere Grossfamilie und die drei befreundete Ehepaare Brunnschweiler, Gremli und Hohl, wobei für einmal die Enkel nicht mit dabei waren! Der Apero konnte noch bei bestem Wetter im Garten stattfinden, während drinnen der schön gedeckte Tisch für die 12 Personen wartete. Es war ein wunderbares Fest, mit hervorragendem Essen, gut gelaunten Gästen und witzigen Gesprächen.
Als die letzten Gäste gegangen waren, meinte Fischli, jetzt wäre sie sehr froh, das überstanden zu haben, denn ihre Blähungen wären seit gestern stärker und schmerzhafter geworden. Sie hätte schon Angst gehabt, die Einladung noch absagen zu müssen. Ich nehme an, dass Fischli etwas Angst hatte, zum Arzt zu gehen, weil sie befürchtete, es könnte doch wieder etwas mit der Bauchspeicheldrüse zu tun haben.en am Ende dieses Abschnitts 2013


Nun folgt eine Kurzfassung von Fischlis Krankheit, Sterben und Tod.
Meine Tagebuch - Notizen am Schluss dieses Abschnitts 2014
beschreibt dies im Detail

Am 5. Juli geht sie endlich zum Arzt: Nun geht es aber Schlag auf Schlag: Hausarzt, Ultraschall, Computertomographie! Befund: Tumorflüssigkeit im Bauch, sowie Tumor-Ableger auf Bauchfell, Leber und Eierstöcken. Es handle sich wahrscheinlich um einen sehr schnell wachsenden Eierstock-Tumor mit Ablegern bereits auf Bauchfell und Leber, der aber höchstwahrscheinlich nichts mit der Bauchspeicheldrüse zu tun habe. Dr. Wehrli, der Fischli schon vor 2 Jahren operiert hat, empfiehlt eine möglichst rasche Operation mit anschliessender Chemotherapie.

Die Operation am 29. Juli verläuft scheinbar planmässig: Eierstöcke, Eileiter, Teil Bauchfell, Teil des einen Leberlappens werden entfernt. Jetzt hoffte man auf schnelle Erholung, damit man möglichst bald mit Chemo jene infizierten Teile behandeln könne, die man belassen musste.
Als die Fäden der Operationsnaht gezogen werden, läuft durch die Narbe Darmflüssigkeit aus. Nach einem eilig angeordneten CT folgt eine 1. Notoperation am 11. August. Man entfernt einen Teil des Dickdarms und installiert einen künstlichen Darmausgang (Stoma). Der Bauch darf wegen Infektionsgefahr nicht geschlossen werden, sondern es wird ein Vakuumverband angelegt, wobei die Wunde dauernd durch eine Pumpe abgesaugt wird.

Am 12. August fragt Fischli ein erstes Mal den Arzt, ob sich all der Aufwand beim Zustand eines so alten "Guetzlis" überhaupt noch lohne.
Am 22. August  erklärt mir Fischli, sie wolle nicht mehr weiterleben, sie habe keine Kraft mehr zu kämpfen. Wir führen deshalb am 25. August ein Gespräch mit Dr. Wehrli über das Absetzen lebensverlängernder Massnahmen. Dr. Wehrli erklärte, wenn Fischli uns verlassen wolle, müsste sie dies mit Exit tun. Fischli war sehr enttäuscht über das Gespräch.
Am 23. August sagte sie mit dem mir so vertrauten Lächeln und Tränen in den Augen: "Wenn ich dann nicht mehr da bin, sende ich Dir jeweils einen Gruss aus dem Jenseits mit jeder Blume, die im Garten neu erblüht". Wir wissen jetzt beide, dass es wirklich dem Ende zu geht!
Am 28. August läuft wieder Darminhalt aus der Wunde, eine 2. Notoperation folgt. Man habe einen Abszess in der Bauchhöhle gefunden.
Am 7. September fragt sei, wie lange das denn noch so weitergehen soll? Es sei doch bei ihr da unten im Bauch weit herum alles kaputt.
Am 11. September ruft mich morgens eine Schwester an, zu kommen: Fischli hat grässliche Atemnot. Man nimmt sie auf die Intensivstation, Als ich abends den jungen Arzt auf der Intensivstation nach ihrem Befinden frage, meinte er in seltener Offenheit, man hätte die Patientin besser nicht auf die Intensivstation gebracht, wahrscheinlich wäre sie dann innert Stunden gestorben.
Am 12. September wird Fischli zurück auf die Abteilung verlegt, neu aber in ein grösseres Zimmer mit Schlafsofa für eine Begleitperson: Also das Sterbezimmer! Alle lebenserhal-tenden Massnahmen werden nun abgesetzt. Sie bekommt aber einen Infusions-Apparat, der ihr pro Stunde eine gewisse Dosis Morphin abgibt. Daneben hat sie zusätzlich einen Knopf, mit welchem sie bei Bedarf,  einen zusätzlichen Schuss Morphin abrufen kann.
Am 14.September um 3 Uhr früh weckt mich die Nacht-schwester, da Fischli zwar friedlich schläft, aber ganz unregelmässig und schwer atmet, zwischendurch mit Atmen aussetzt. Ich orientiere vor 6 Uhr Ghia und Lexi, dass es um Fischli schlecht stehe. Sie treffen nacheinander ca. 06:30 Uhr ein. Fischli öffnet plötzlich die Augen, und fragt, was wir denn alle hier machen. Sie bemerkt aber scheinbar alles, was um sie herum läuft. Ghia hält bis um 11 Uhr Wache, dann löse ich sie ab, und nächste Nacht bleibt Lexi hier.
Als ich am Sonntagmorgen 15. Sept. komme, ist Fischli hoch erfreut!  Fischli schläft viel, bemerkt kaum mehr, wenn ich ihre Hand halte. 
Am Montagmorgen 16. Sept. um 5 Uhr wird das Atmen scheinbar zur Qual; ich setze mich zu ihr. Die Atemnot wird immer heftiger, so dass ich läute und sie eine zusätzliche Morphin-Spritze erhält. Sie erwacht dabei und will mir noch dringend etwas sagen, aber ich kann nicht mehr verstehen, was sie sagen will. Ich sage ihr immer wieder: "Lass doch los!", sie reagiert aber nicht mehr.
Um ca. halb 9 kommt Lexi und erschrickt über ihren Zustand.
Kurz nach 9 Uhr verabschiede ich mich für die Morgentoilette zuhause: Ich gebe ihr einen Kuss, sage ihr nochmals eindringlich ins Ohr "Lass doch los" und gehe dann.
Ich war kaum draussen, will Lexi mich per Handy zurückrufen, da es wahrscheinlich zu Ende gehe. Ich habe aber leider im Aufzug und in der Tiefgarage keinen Empfang!

Erst nach der Ausfahrt auf der Witellikerstrasse ruft mich Lexi an. Ich fahre sofort zurück in die Tiefgarage. Bis ich ins Zimmer komme, finde ich sie bereits gestorben, zwar noch ganz warm, jedoch bereits mit Totenmaske. Lexi sagt, Fischli hätte zwei Mal ganz tief geatmet, dann kurz den Atem ausgesetzt, um ein letztes Mal friedlich auszuatmen.
Damit ist mein wunderbares, feines, sensibles Fischli mit dieser unvergleichlichen Ausstrahlung nicht mehr. Dabei weiss ich überhaupt nicht, wie ich ohne sie weiterleben soll!

Die Urnenbeisetzung auf dem Friedhof Zollikon und eine der Persönlichkeit von Fischli wirklich würdige Trauerfeier fand am 24. September in der praktisch vollen Pfarrkirche Zollikon mit Pfarrer Simon Gebs statt. Fischli war mit einem permanent an die Kirchenwand projizierten Foto immer mit uns.
Mit einem von Fischli ausdrücklich gewünschten, anschliessenden Stehapéro im Kirch-gemeindehaus mit eigenem Zolliker, den sie noch mit mir im Rebberg gespritzt hatte, klang ein sehr trauriger Tag mit vielen Freunden, Verwandten und Bekannten aus.

Andrea rief mich kurz nach der Trauerfeier an und fragte, ob ich so wie früher jeweils mit Fischli jetzt mit ihr ein paar Tage in die Provence fahren würde, Ihre Buben wären in den Schulferien beide in einem Lager und sie könnte gut eine Woche Ferien nehmen. Ich war vom Angebot sehr angetan und sagte sofort zu. So fuhren wir am Montagmorgen 7. Oktober über Basel-Mulhouse-Dole nach Bourg-en-Bresse, wo wir uns nach einem kleinen Mittagessen das Monastère Royal de Brou ansahen, das Fischli so gern gehabt hatte. Dann fuhren wir wie im Juni mit Fischli nach Pérouges weiter, wo auch wir wieder Station machten. Am nächsten Tag fuhren wir nach Aix-en-Provence, wo wir nach einem Drink im "Les 2 Garçons" am Cours Mirabeau einen Spaziergang in der Altstadt unternahmen, um anschliessend nach St. Cyr-sur-Mer weiterzufahren und im Best Western Hotel "Tapis de Sable" für 2 Nächte einzuchecken. Tagsüber machten wir jeweils Ausflüge, einmal auf den Mont Faron bei Toulon, wozu ich Fischli nie überreden konnte, und abends assen wir bei „Chez Henri“, wie letztes Jahr jeweils mit der Grossfamilie. Mit einer Übernachtung im Hotel Baussenc in Maussane gelangten wir schliesslich am Freitagnachmittag in die Moulin de Gontrand, wo ich im Juni noch mit Fischli gewesen war. Ghia war begeistert. Am Sonntag fuhren wir in die Schweiz zurück. Ghia und ich sind uns in dieser Woche näher gekommen, was mich ausserordentlich freut.

Schon während Fischlis Spitalaufenthalts musste ich mich wieder ans Haushalten gewöhnen mit Waschen, Wäsche zusammenlegen, Poschten, Kochen usw. Glücklicherweise habe ich Fischli oft geholfen, vor allem wenn Amelia jeweils in den Sommerferien in Spanien war, sodass ich einigermassen zurechtkomme. Dann galt es auch, den Garten abzuräumen, dieses Jahr allein, was sehr mühsam war. Für den Schnitt der Glyzinen und der grossen Buchsbäume hinter dem Haus bestellte ich allerdings den Gärtner.

Und dann kamen schon bald die Weihnachts-Vorbereitungen: Andrea machte mir Teig für Mailänderli und Orangengebäck, und Lexi half mir ausstechen und backen. Zusammen mit Lexi machten wir dann noch Zimtsterne, und sie machte speziell für mich noch "Chräbeli", die ich doch so gern habe.
Erfreulicherweise gab es auch dieses Jahr wieder ein volles Haus mit beiden Familien von Andrea und Alexa, so dass ich Menüpläne machte, die von Ghia und Lexi ergänzt und korrigiert wurden. Daraus entstand meine Poschti-Liste! Verpflegung wurde angeschafft und Schlafgelegenheiten vorbereitet. Familie Bosshard rückte am Montag, den 23. Dezember ein, welche ich am Abend noch bekochte, während Heinzelmanns am 24. Dezember um ca. 16:00 Uhr ankamen. Es waren auch dieses Jahr schöne friedliche und fröhliche Weihnachtstage, wobei natürlich Fischli hinten und vorne fehlte. Ich konnte keine Weihnachtslieder singen, da mir die Kehle wie zugeschnürt war, und die Tränen kollerten mir nur so über die Wangen. Es ist schon so: Wir haben die Seele der Familie, die Seele des Hauses verloren!
Um die Mittagszeit des 25. Dezember reisten Bosshards wieder ab, während Heinzelmanns bis zum 27. Dezember bei mir blieben.
Wie üblich versammelten sich am 26. Dezember gegen Abend die Verwandten von Fischli im Nachbarhaus bei ihrer Tante, wo es jeweils zuerst einen Apéro und dann nach dem Singen von Weihnachtsliedern bei Kerzenlicht des Christbaums eine kleine Bescherung gibt.
Dieses Jahr verschob man sich nicht zu uns zum Z'Nacht, sondern man blieb bei Marteli.
Letztes Jahr schrieb ich als Schlusssatz: "Wir werden Sylvester wie jedes Jahr wieder in trauter Zweisamkeit ganz still zuhause mit einem mehrgängigen Menü feiern, und überglücklich sein, dass sich Fischli von ihrer letztjährigen Monster-Operation so gut erholt hat und die Inkontinenz gegen Ende Jahr auch fast ganz unter Kontrolle ist. Aber in erster Linie sind wir dankbar, dass Fischli überhaupt noch da ist."
Zurzeit wechseln bei mir Momente grosser Traurigkeit ab mit Freude über schöne Erinnerungen mit Fischli. Und wunderbare, erinnerungswürdige Begebenheiten zu zweit hatten wir ja wirklich genug! Und dass die Freude jetzt immer öfters über die Traurigkeit obsiegt, finde ich wunderbar und vielversprechend für die Zukunft. Ich hoffe, diese Entwicklung halte weiter an.
Aus solchen Überlegungen habe ich mich trotz verschiedenen Einladungen entschlossen, Sylvester jetzt allein, aber auch wieder ganz still  zuhause zu verbringen. Ich werde zuerst in ein Konzert gehen, dann mir ein feines Essen kochen und eben versuchen, in schönen Erinnerungen zu schwelgen. Ich denke, Fischli würde es auch so handhaben, wenn sie in meiner Haut stecken würde...


Zusammenfassende Notizen zu Fischlis Krankheit - Sterben - Tod

Sept. 1989            Ein erstes Mal hat Fischli ganz plötzlich entsetzliche Schmerzen im Bauch. Man diagnostiziert eine wahrscheinliche Entzündung der Bauchspeicheldrüse mit ca. 1 Woche Spitalaufenthalt in Männedorf. Die Ärzte sind vollkommen ratlos. Der Spuk vergeht glücklicherweise wieder genauso, wie er gekommen ist: Die Schmerzen sind einfach ganz plötzlich wieder weg.

Okt/Nov 89            Ein zweites Mal hat Fischli an einem Samstagvormittag ganz plötzlich wieder diese entsetzlichen Schmerzen. Der Notfallarzt diagnostiziert wieder eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse mit anschliessenden 4 Wochen Spitalaufenthalt in Männedorf. Man suchte nach allem Möglichen, auch nach Gallensteinchen, ohne aber je den Grund für die Entzündung zu finden. Durchführung einer ERCP-Biopsie in Zürich, wobei ein kleiner Muskel beim Eingang der Bauchspeicheldrüse und Gallenblase in den Zwölffingerdarm durchgetrennt wurde. Auch diese zweite Entzündung verging glücklicherweise ebenfalls wieder genauso, wie sie kam! Die Ärzte waren wieder ratlos und fanden keinen Grund.

März 2010             Da die Darmschleimhaut am Anus von Fischli nach aussen kommt, wird es für sie sehr schwierig, sich nach Stuhlgang sauber zu halten, selbst mit unserem Dusche-WC. Dr. Heinz Wehrli, Viszeralchirurg in der Hirslanden Klinik, schlägt deshalb eine kleine Operation vor.

24.03.2010            Die relativ kleine Operation bringt aber leider vor allem Schwierigkeiten: Zuerst im Spital Komplikationen mit Blase; anschliessend mit der Kontinenz. Daneben dauernd grosses Rumoren im Bauch mit viel Wind.
Fischli wird von Arzt zu Arzt weiter gereicht. Gastro Ärzte vermuten den Grund dafür in unverträgliche Kost: Immer wieder werden neue Versuche gemacht, beim Essen dieses oder jenes wegzulassen. Wir müssen über Monate genau Tagebuch führen über alles, was gegessen wurde, und wie sich dies anschliessend auf Stuhlgang und Kontinenz auswirkt.

Januar 2011           Anlässlich eines Hausarztbesuches bei Dr. Bernhard Aepli erwähnt Fischli ihre Schwierigkeiten mit Kontinenz, Rumoren im Bauch und den Wind. Dr. Aepli regt an, anlässlich eines nächsten Besuches beim Gastro-Arzt Dr. Müller eine Untersuchung mit Ultraschall zu machen. Dr. Müller lehnt aber leider ab, gibt andere Medikamente und vertröstet auf später. 

Februar 2011         Als dies Fischli langsam zu bunt wird, schlägt sie vor beim Hausarzt einmal einen ganz normalen Check-Up machen lassen, damit ihr Körper wieder einmal ganzheitlich angesehen wird und nicht nur immer durch „Einloch“-Ärzte (Originalausdruck Fischli!) untersucht zu werden.

17.03.2011            Arztbesuch bei Dr. Aepli für einen solchen Check-Up. Dr. Aepli findet einen Klumpen im Bauch. Fischli kommentiert: "Gell, hier ist etwas!" Aepli frägt: Wie lange merken Sie das schon?" Antwort: "Seit etwa 2 Monaten, aber es kann jeweils wegmassiert werden:" Dr. Aepli ordnet sofort CT an mit "Ab in die Röhre". Anschliessend CT im Spital Neumünster Zollikerberg
 
24.03.2011            Arztbesuch bei Dr. Aepli für den CT-Befund: Sehr schlechter Bescheid: Im Bauchspeicheldrüsenkopf hat es einen Tumor. Nun wird eine Biopsie zeigen müssen, ob er bösartig ist oder nicht. Die im April geplante Andalusien-Reise mit dem Spanien-Kenner Arnold Hottinger muss leider abgesagt werden!
 
28.03.2011            ERCP-Biopsie im Spital Hirslanden mit anschliessendem erstem, bangem Warten auf den Bescheid, der den Herren Dres. Aepli und Wehrli zugestellt werden soll. Es kommt aber tagelang kein Bescheid.
 
31.03.2011            Frau Suter, Sekretärin von Dr. Wehrli ruft an und lädt zu einem Gespräch mit Dr. Wehrli für den 05.04. nachmittags ein. Auf die Frage von Fischli, warum man ihr eigentlich keinen Bescheid über das Resultat der Biopsie gebe, antwortete Frau Suter nur: "Ja wissen Sie denn noch nichts“? Das ist im Moment alles…
 
Als bis Freitagnachmittag von Dr. Wehrli immer noch kein Bescheid kommt, ruft Fischli den Hausarzt Dr. Aepli an, mit dem Resultat: Der Tumor ist bösartig.
Gegen Abend ruft dann doch schliesslich auch noch Dr. Wehrli an, er hätte geglaubt, Dr. Seewald, der die Biopsie durchführte, hätte sie orientiert. Dr. Wehrli werde sie aber im Gespräch von Dienstag 05.04. im Detail informieren, auch über die Möglichkeiten der Therapie.
Kurz vor unserer Abfahrt zu Dr. Wehrli ruft Frau Suter an, ob es uns auch eine Stunde später gehe. Dr. Wehrli sei am Operieren und jetzt gäbe es noch einen Notfall. Wir sagen zu. Um 17:00 ruft Frau Suter wieder an, ob wir sofort kommen könnten, Dr. Wehrli sei jetzt frei, müsse aber gegen 18:00 Uhr wieder in den Operationssaal wegen dem Notfall.
Nach diesem "Hüst und Hot" entschuldigt sich Dr. Wehrli bei unserer Ankunft unendlich, erstens wegen dem leider nicht erhaltenen Bescheid, zweitens, dass heute ein derartiges Gstürm sei und drittens, dass ab halb sechs jederzeit das Telefon läuten könne, wenn der Notfall im Operationssaal zum Eingriff bereit sei.                  
Dann erklärt er anhand einer Zeichnung, dass es eigentlich nur eine Möglichkeit gäbe: Da der Tumor glücklicherweise früh entdeckt wurde und noch klein sei, könne man ihn operativ entfernen. In den meisten Fällen sei es normalerweise dafür bereits zu spät.
Positiv war also vor allem, dass der Hausarzt bei zeitweisem leichtem Bauchweh Verdacht geschöpft und eine Computertomographie angeordnet hatte. So hat der Krebs den Gallenhauptgang und die lebenswichtige Leberarterie noch nicht allzu stark beeinträchtigen können und es scheinen auch noch keine Metastasen zu existieren.
Dr. Wehrli erklärt: Es gäbe praktisch keine Alternative zur Operation. Falls man nichts machen würde, käme das eben beschriebene Szenario betr. Gallenhauptgang und Leberarterie ins Laufen und ein sehr schmerzhaftes Ende wäre vorprogrammiert.
Dr. Wehrli erklärt uns, dass diese Bauchspeicheldrüsenoperation nach einem englischen Arzt „Dr. Whipple“, der die Operation zum ersten Mal durchführte, " Whipple-Operation" genannt und im Internet relativ gut dargestellt werde. Es sei die grösste Operation, die man im Bauch überhaupt machen könne! Es bedeute eine 5–6-stündige Operation, dann einige Tage Intensivstation und 3-4 Wochen Spitalaufenthalt mit anschliessender Reha.
Wir sollen uns überlegen, wann wir die Operation machen wollen. Es sei nicht absolut dringend, er würde aber auch nicht drei Monate warten.
Auf seiner Seite wolle er noch morgen Abend in der interdisziplinären "Hirslanden Tumor-Arbeitsgruppe" unseren Fall besprechen. Er rufe Fischli dann anschliessend an. 
Dann läutet das Telefon und Dr. Wehrli muss weg. Immerhin sind wir jetzt über die Krankheit aufgeklärt und dieses Gespräch gibt uns ein gewisses Vertrauen in den Chirurgen. Dass er dann ganz plötzlich weg musste: Vielleicht sind wir ja auch einmal froh, wenn er in einem Notfall auf Kosten anderer für uns da sein wird!
Ich habe dann gegoogelt und im Internet eine gute Beschreibung der Operation unter www.baermed.ch/de/karzinom">www.baermed.ch/de/karzinom gefunden. Es hat aber im Google unter Whipple Operation sehr viele Einträge samt Videos! Man könnte sich damit tagelang beschäftigen!

Wehrli ruft abends an, sie hätten den Fall in der Arbeitsgruppe besprochen und wären zum gleichen Urteil gekommen. Geplant ist die Operation für nach Ostern, der Tag ist noch nicht definitiv, aber Frau Suter sei am Planen! Wieder einmal warten wir auf einen Bescheid.

Nachdem wir unsere besten Freunde Vrenely und Jack Brunnschweiler orientiert hatten, kommen sie heute um 16:00 Uhr zu uns. Wir gehen gemeinsam „unseren“ Lauf machen, haben Apéro bei uns im Garten und gehen dann ins Rössli essen.

Vrenely ist Malerin und bringt als Mitbringsel ein Bild mit. Nachdem Fischli ihr am Telefon den Krankheits-Befund mitgeteilt hatte, war sie scheinbar so traurig, dass sie ins Atelier ging, um für Fischli ein Bild zu malen, dem sie den Namen „Hoffnung“ gab, obwohl sie sonst ihren Bildern nie Namen gibt! Das Bild ist wunderschön, abstrakt, mit einem prachtvollen Blau, wie wir es kürzlich gemeinsam bei Nolde in Davos bewundert hatten!
 

  • Heute erhält Fischli auf ihre telefonische Anfrage Bescheid, dass die Operation für Freitag, 06.05.2011 geplant sei mit Spitaleintritt am 05.05 nachmittags. Auf die Frage von Fischli, wie lange man dies schon wisse, sagt Frau Suter, seit gestern Abend…

Nun kommt ein weiteres dreiwöchiges Warten…. Wir sind aber eigentlich guten Muts.
Neben Andalusien werden alle übrigen, bereits geplanten Reisen ins Burgund, die Gartenreise nach England sowie die Reise von mir mit Jack nach Schottland annulliert.
Ferner habe ich mich entschieden, die Zeit bis zur Operation ausnahmslos mit Fischli zu verbringen: Deshalb gehe ich vorläufig nicht mehr Rudern; das kann ich dann während Fischlis Spitalaufenthalt nachholen. Ich gehe auch weder an die Maifahrt des AHV KTV noch an die Klassenzusammenkunft Gmür/Vogel. Hingegen machen wir gemeinsam jeden Morgen unseren währschaften Morgenmarsch und arbeiten auch im Garten viel zusammen, damit Fischli körperlich möglichst fit für unters Messer sein wird. Wir geniessen in vollen Zügen unsere Zweisamkeit und auch die Ruhe vor dem längeren Spitalaufenthalt. Fischli zeigt mir auch Verschiedenes im Haushalt, und vor allem auch, wie man was wäscht, da ich scheinbar doch eine Weile Hausmann spielen muss. Falls die Operation voll gelinge, könne Fischli nachher scheinbar wieder ohne grössere Benachteiligung essen, trinken und leben wie zuvor! An diesen positiven Aussichten stellen wir uns jeden Tag von neuem auf! Und bei diesem herrlichen, frühsommerlichen Wetter entwickelt sich der Garten prächtig, alles ist dieses Jahr viel früher als sonst, wie wenn der Garten Fischli vorher noch für die lange Absenz während ihrem Spitalaufenthalt entschädigen wollte.

05.05.2011         Spitaleintrittstag: Tagwache 06:30 Uhr; Morgenmarsch; Packen, Aufräumen, E-Mails beantworten. Frühes Müesli, dann ab ins Lunchkonzert: Schuberts Rondo in A-Dur für Violine und Streicher und die Sinfonie Nr. 7 „Unvollendete“, wahrlich ein wunderbarer Abschluss der Wartezeit.
Um 3 Uhr Eintritt; anschliessend übliche Abklärungen, Fragen.
Eine Physiotherapeutin kommt wegen der nach einer so langen Operation notwendigen Lungentherapie.
Dann kommt der Anästhesist mit seinen Erklärungen und Fragen, und zum Schluss muss man ja noch all die Ungeheuerlichkeiten unterschreiben. Fischli erzählte ihm vom letzten Mal, als sie zum Anästhesisten gesagt hätte, sie wolle das Unterschriebene jetzt dann in Ruhe nochmals durchlesen, dass dieser ihr davon vehement abgeraten hätte, denn dann werde sie nur nervös und könne überhaupt nicht mehr schlafen. Er lachte und berichtete von einem Fall in St. Gallen, wo ein Patient nach diesem Gespräch mit dem Anästhesisten ausriss und sofort nach Hause zurückkehrte und auch nicht mehr mit einem Telefon des Chefarztes zur Rückkehr für die geplante Operation zu gewinnen war. Grund: Nach allem, was er hätte unterschrieben müssen, wäre ihm diese Operation viel zu gefährlich.
Zurück zum Wesentlichen: Er berichtet aber auch, dass parallel zur Vollnarkose in die Wirbelsäule ein kleines Röhrchen eingepflanzt werde, und zwar dort, wo man auf die Nerven der zerschnittenen Teile des Bauches einwirken könne. Das bleibe auch nach der Operation drin. So könne man bei Schmerzen nach der Operation diesen Bereich jederzeit anästhesieren, und zwar werde sie das selbst mit einem Knopf tun können, indem sie diesen drücke.
Dann kommt auch noch Dr. Wehrli, der viel Zuversicht verströmt. Wir wünsch­en uns gegenseitig gutes Gelingen. Sie kommt morgen früh um 07:00 Uhr als erste dran und ich werde dann von ihm sofort nach der Operation einen Telefonanruf kriegen.

06.05.2011       06:30 Uhr: Letztes Telefon vor der Operation! Fischli hat bereits die Beruhigungstablette genommen, ist sehr gefasst und guten Mutes!
Lexi und Fabian kommen gegen Mittag mit Spargeln und Sauce Hollandaise zu mir. Ich mache etwas Salat dazu! Als nach 6 Stunden um 13:00 Uhr immer noch kein Anruf kommt, liegen meine Nerven langsam etwas blank!         
15:10 Uhr: Endlich! Telefonanruf von Dr. Wehrli: Alles O.K., Fischli ist am Aufwachen. Verlauf normal, ausser dass Tumor viel grösser gewesen war als angenommen, ca. 1 ½ Männerfaust gross, bedrängte bereits eine Arterie, war glücklicherweise aber noch nicht verwachsen. Man hätte auch viele Lympfknoten entfernt. All das hätte etwas mehr Zeit beansprucht. Fischli wäre gegen Abend besuchbar.
Ich benachrichtige Ghia (die am Morgen schon einmal angerufen hatte um zu fragen, ob ich das Warten aushalte) und Vrenely Br., die an einem Geburtstag am Rhein sitzt und sich seit Stunden fragt, ob mein fehlender Telefonanruf ein gutes oder ein schlechtes Zeichen sei.
Gegen 18:00 Uhr mache ich mich auf zum Krankenbesuch. Fischli ist in erstaunlich gutem Zustand, macht sogar Witze, hat ihren Humor nicht verloren! Ich bleibe aber nur kurz und gebe Ghia, Lexi und Vrenely den guten Bescheid durch.
Zu Käse und Bündnerfleisch und Brot trinke ich eine ganze, sehr gute Flasche Rotwein! Ich trinke auf Fischli und Dr. Wehrli! Ich denke, mit dem Warten hätte ich das verdient.

07.05.2011            Anderntags gehe ich nach dem Rudern um halb neun wieder zu ihr. Besuchszeit auf der Intensivstation ist zwar erst ab 10:30 Uhr; man macht für mich eine Ausnahme und lässt mich nach einer Viertelstunde Warten zu ihr. Ihr Zustand ist immer noch absolut erstaunlich gut. Dr. Wehrli kommt auch gerade und ist mit den Zustand höchst zufrieden. Er ergänzt noch seinen Befund von gestern: Es gab schon Verwachsungen, glücklicherweise aber nicht mit wichtigen Organen, sondern nur mit dem Mastdarm. So hätte man halt auch davon noch etwas herausgeschnitten und vernäht! Auf dieses Stückchen Mastdarm wäre es jetzt auch nicht mehr angekommen.                      
Die Anzahl Schläuche und Kabel, die von Fischli alle zu einer Maschine oder einem Computer gehen ist unbeschreiblich: Auf der einen Bettseite sind es 9, auf der andern Seite etwa 15! Auf Bildschirmen laufen dauernd die gemessenen Werte und werden registriert. Auf einer Tastatur des Computers und einem weiteren Bildschirm kann Dr. Wehrli mit dem Pfleger den Verlauf nachsehen und über die weiteren Massnahmen entscheiden. Die Koje gleicht daher eher einer militärischen Kommandozentrale als einer Aufwach- oder Intensivstation. Ich habe noch nie so was gesehen und staune ob all dieser High-Tech-Medizin!
Dann sehe ich jetzt auch, warum man beim Eintritt Fischlis Beine ausgemessen hat: Fischli trägt Strümpfe mit Luftkammern bei der Wade und am Oberschenkel. Ein Motor pumpt dauernd mit einem leise brummenden Geräusch Luft in die Luftkammern, abwechslungsweise in jene des linken und rechten Beines, damit diese das Blut herausdrücken, analog den G-Anzügen von Jet-Piloten im Militär; dann wird wieder entspannt und das Blut kommt zurück! Das sei gegen Thrombose und gut für die Muskeln. Dr. Wehrli nennt die Maschine „Brummbär“. Er hoffe, diese störe sie nicht zu stark. Die Pfleger und Ärzte sind zuvorkommend und sehr besorgt, auch mir gegenüber; sehr erfreulich!
Abends die gleiche Freude beim Anblick einer zwar müden aber glücklichen Frau. Ich meine, der erste Schritt unseres Bauchspeicheldrüsen-Abenteuers ist gut gelungen. Hoffen wir, dass es so bleibt.
Marteli kommt von ihrer Reise zurück und erkundigt sich sofort über Zilüüs Zustand (Oechslis nennen Fischli Zilüü, welches der kleine Peter geprägt hat, weil sie ihm zum Abschied auf Französisch "Salut" gesagt und er Zilüü verstanden hatte). Es kommen auch viele Telefonanrufe und E-Mails. Erstaunlich, wie viele Leute mitfieberten und positive Energie senden!

08.05.2011            Wieder um 5 Uhr morgens Rudern! Traumhaft schöner Morgen. Anschliessend Zeitungslektüre, bis 10:30 Uhr. Da darf ich zu Fischli in die Intensivstation: Unverändert erstaunlich guter Zustand. Auf dem Heimweg sehe ich in der Hägnistrasse Ruedi und Kath Bleuler, die gerade von ihrem Besuch bei Anja aus den USA zurückkommen, aber gleich weiter nach Kitzbühl zum Golfen müssen. Ich halte kurz an und orientiere sie.
 Auch am Abend hält der gute Zustand glücklicherweise weiter an! Jetzt sind es doch schon zwei Tage seit der Operation!

09.05.2011            Heute kaufe ich im Blumenladen einen grossen Strauss und begebe mich auf halb elf ins Zimmer 204, stelle den Strauss in eine grosse schöne Vase. Dann komme ich in der Intensivstation grad recht zum Zügeln! Bis auf wenige Schläuche werden die Überwachungsverbindungen alle gelöst und es bleiben nur noch etwa 4-5 Schläuche aus Gefässen, die an einem Galgen hängen, einer davon ist jener mit dem Schmerzknopf. Der Brummbär für die Beine kommt auch mit. Es geht Fischli immer noch recht gut:
Dann kommt Ghia noch für einen Besuch, bevor ich mich wieder heim begebe. Abends als ich Fischli wieder besuche, ist es ihr etwas schlecht und es geht ihr nicht mehr ganz so gut! Noch später am Abend musste sie dann sogar erbrechen, was scheinbar sehr schlimm war. Es wäre eine grüne Sauce heraufgekommen…

10.05.2011            Ich treffe Fischli um halb neun auf dem Stuhl sitzend, mit Hilfe des Pflegers bei der Morgentoilette. Sie hat schlussendlich gut geschlafen; sie hatte neben der Übelkeit am Vorabend auch noch Halluzinationen. Als man das Schmerzmittel VILAN abgesetzt hat und ein anderes wählte, habe das geholfen. Sie fühlt sich jetzt auch viel besser.
Nachmittags treffe ich sie mit aufgesetzter Brille am Lesen! Sie wäre mit der Physiotherapeutin schon bis zur Türe gegangen und zurück. Ich hätte jauchzen können. Es geht ihr wirklich nicht schlecht. Dann kommt auch noch Dr. Wehrli: Er ist sehr zufrieden. Der Genesungsverlauf sei eindeutig überdurchschnittlich positiv! Das ist doch bereits einmal etwas!

11.05.2011            Um halb neun hat sie heute schon Morgentoilette gemacht und sieht gut aus. Sie hatte eine gute Nacht, ist jetzt aber etwas müde. Eine Anästhesie-Ärztin kommt orientieren, dass man Morgen den Motor für die Rückeninfiltration einmal abstelle und sehe, ob sie mit normalen Schmerzmitteln auskomme. Wenn nicht könne man sofort wieder einstellen. Allzulange dürfe man den Schnippel aber eben nicht in der Wirbelsäule lassen!
Der Allgemeinzustand wechselt scheinbar dauernd: Einmal ist sie ganz kribbelig und dann wieder eher sehr müde. Ich lasse sie nach relativ kurzer Zeit schlafen. Mittags kann ich sie telefonisch orientieren, „ihre“ Vögel, die Mauersegler, wären bei uns angekommen! Sie seien ganz tief übers Haus geflogen und hätten zur Begrüssung laut geschrien. Ich hätte ihnen nach­gerufen, sie sollen auch "e chli" im Hirslanden über Zimmer 204 schreien!!!
Abends treffe ich sie wieder munter an; nur sehr heiss hat sie. Dann kommt auch gerade Dr. Wehrli wieder. Er war sehr positiv: Erstens stellte er fest, dass Fischli im Genesungsprozess etwa 1 Woche Voraus sei. Das käme nur etwa in einem von 50 - 70 Fällen so vor!
Dann hatte er den Bescheid der Pathologie über die Analyse der herausgeschnittenen Sachen: Er dürfe es jetzt ja sagen, sie wären während der Operation schon erschrocken, als die Dimension des Tumors gesehen hätten. Er habe im ganzen Leben erst drei oder vier Mal einen noch grösseren gesehen. Und im Normalfall infizieren jeweils diese grossen Tumore auch alles rundherum. Deshalb hätten sie radikal 48 Lymphknoten entfernt; empfohlen sei eigentlich nur 12 Knoten. Die Analyse der herausgeschnittenen Gewebe und der Lymphknoten habe nun aber ergeben, dass erstaunlicherweise überhaupt nichts „metastasiert“ sei oder sich infiziert habe. Alles wäre in dem Geschwulst drin geblieben. Rückblickend sei man daher fast zu radikal vorgegangen, aber das wisse man leider eben während der Operation noch nicht. Drum gehe man auf sicher. Die jetzt fehlenden Lymphknoten brächten aber keine Nachteile mit sich.

12.05. Hochzeitstag! Ich bringe ihr eine grosse rote Rose zum „Fest“.
Es geht ihr seit gestern Abend nicht mehr so gut wie vorher: Sie hatte gestern Abend einerseits etwas wie Herzweh, sodass man bei meiner Ankunft gerade ein EKG macht. Andrerseits war es ihr gestern Abend auch wieder schlecht und sie habe erbrechen müssen. Sie hätte das Gefühl, die blöden Blutdruckpillen machen ihr schlecht, und sie könne diese Riesenpillen überhaupt fast nicht schlucken. Sie hätte das Gefühl, diese sässen stundenlang in der Speiseröhre. Dass es dafür nichts Flüssiges oder Intravenöses gibt?
Dann kommt die Anästhesieärztin wieder: Der Versuch, den Motor für die Rückeninfiltration einmal abzustellen um zu sehen, ob sie mit normalen Schmerzmitteln auskomme, wird um 09:00 Uhr bereits wieder abgebrochen und später wieder aufgenommen.
 
13.05.2011            Ich versende heute folgendes E-Mail an unsere engsten Freunde und Verwandten
Liebe Freunde
Ich bekomme viele Anrufe und E-Mails von Euch, die während der Operation in Gedanken mit Fischli waren und Daumen gedrückt haben, und die jetzt jeweils wissen wollen, wie es ihr geht. Zuerst möchten wir uns beide bei Euch herzlich bedanken für die viele positive Energie, die da wahrscheinlich übertragen wurde. Scheinbar hat es genützt!
Erfreulicherweise kann ich Euch mitteilen, dass es Fischli heute, genau eine Woche nach der fast 8-stündigen Operation am Freitag 6. Mai, den Umständen entsprechend gut geht. Fischli habe auf den normalen Genesungsablauf erstaunlicherweise ein paar Tage Vorsprung, sagt der Arzt. Sie wären während der Operation schon erschrocken, als der Tumor wesentlich grösser war, als sie erwartet hatten. Da es Verwachsungen gab (glücklicherweise nicht mit lebenswichtigen Organen), und bei dieser Tumorgrösse meistens das Rundherum auch infiziert wäre, hätten sie radikal alles entfernt, u.a. 48 Lymphknoten. Nun habe der Bericht der Pathologie zwar ergeben, dass der Tumor bei Fischli wesentlich weniger aggressiv wie üblich gewesen sei. Beispielsweise wäre zum Glück noch keiner der Lymphknoten infiziert gewesen. Aber das sehe man halt leider während der Operation nicht. Das radikale Ausräumen bringe aber keine wesentlichen Nachteile.
Alles in Allem ein wunderbarer Bescheid. Wir hoffen, dass der Heilungsprozess ohne Komplikationen so weiter geht.

14.05.2011            Heute spricht Dr. Wehrli über Reha: Für Bauchpatienten seien Mammern, Sunnmatt Luzern und das Ländle in Aegeri besonders geeignet. Das Ländle schliesst Fischli sofort aus; es ist zu stark mit ihrer Tante Lina behaftet, die dort oft in den Ferien weilte. Die Anderen kommen beide in Frage.
Dann kommt noch der Onkologe Dr. Widmer, um sich mit uns über eine allfällige Chemotherapie zu beraten. Er meint aber nach dem Studium ihres Falles spontan, man könne bei Fischli ev. auf die sonst der Operation folgende, notwendige Nachbehandlung mit Chemotherapie verzichten. Er will sich aber nochmals mit dem Pathologen besprechen, der die Untersuchungen von Fischlis „Abfall“ durchgeführt hat. Ein Gespräch brächte manchmal mehr als nur das Lesen eines Berichtes. Er wird wieder auf uns zukommen.

16.05.2011            Heute schrieb ich an Vrenely auf ihre Anfrage:
Liebes Vrenely,
Die Fortschritte sind schon nicht mehr so spektakulär wie am Anfang! Heute wurde die künstliche Ernährung gestoppt und sie muss jetzt wieder selber essen. Dazu müssen jetzt natürlich der mit dem Gedärme zusammengenähte Magen und die wieder angenähten Zugangsröhrchen für die Verdauungssäfte wieder zu arbeiten beginnen. Das ergab nun zuerst einmal einen gewaltigen Durchfall. Zusammen mit der Mühe im Enddarm (von der letzten Operation her) war das Resultat scheinbar schlimm! Daneben ist Fischli immer noch sehr schwach. Im Badezimmer oder am Tisch sitzend bekommt sie jeweils Schweissausbrüche und es wird ihr übel, sodass sie schnell wieder ins Bett muss. Handkehrum geht sie mit der Physiotherapeutin im Gang wandern und sogar Treppensteigen. Aber auch ein Telefonanruf kann sie fix und fertig machen!
Morgen sollen die Kanüle und die letzten Schläuche entfernt werden. Vielleicht wird es dann besser! Dann muss sie auch wieder beginnen, selber Wasser zu lösen, denn bisher ging alles über Katheder.
 
17.05.2011            Heute Morgen geht es ihr eher mässig. Sie hatte eine schlechte Nacht. Nachdem ich gestern Abend gegangen war, wurden um 11:00 Uhr die Kanüle am Hals und alle Schläuche gezogen, leider auch den Urin-Bauch-Katheder. Während des Mittagessens am Tischchen erleidet Fischli einen Schwächeanfall. Man stellt Herzflimmern fest. Puls rasend! Blutdruck plötzlich im Keller. Sie friert! Grosse Aufregung: Wehrli kommt mehrmals, Kardiologen kommen, untersuchen Herz. Kardiogramm ist sehr schlecht und unregelmässig. Ultraschalluntersuchung des Herzens zeigt ausser dem Flimmern nicht negatives. Auch Bauch ist O.K. Man will wieder eine Kanüle setzen (grosse Schwierigkeiten des ganzen Personals beim Stechen; man fährt sie deshalb in die Anästhesie!!!), diesmal an der linken Hand. Damit wieder künstliche Ernährung. Blutwerte O.K. Blutdruck langsam wieder normal. Man setzt wieder einen normalen Urin Katheder, da Fischli nicht Wasser lösen kann, und man weiss vom letzten Mal, dass es ihr doch übel wird, wenn der Drang zu gross wird, und sie Erbrechen muss. Eigentlich kann ich nicht verstehen, dass mit der Erfahrung vom letzten Mal Dr. Wehrli den Bauchkatheder zog, bevor Fischli wieder normal „bislen“ konnte! Bei meinem Besuch zwischen halb fünf und halb sechs macht Fischli einen leidenden Eindruck!
 Man macht heute Abend 18:00 Uhr unter leichter Narkose eine Elektro-Konversion, d.h. man versucht mittels Elektro-Schock die Herztätigkeit wieder auf einen normalen Rhythmus zu bringen. Etwa 1 Stunde nach der Narkose ruft mich Fischli an, es gehe ihr bereits viel besser. Das lässt mich und hoffentlich auch sie besser schlafen!
Ich besuche sie noch einmal nach acht Uhr: Es scheint, dass sich alles wieder normalisiert hat! Sie sieht besser aus und macht wieder Sprüche! Hoffentlich hält das an!

18.05.2011            Ich besuche sie heute relativ früh, da ich nachher nach Wiesendangen fahre. Sie hat gut geschlafen und es geht ihr gut. Sie sieht auch wieder besser aus. Sie machte heute selbst Toilette und ging tagsüber mit Hilfe im Gang wandern und Treppen steigen, wobei sie jeweils nachher schon gerne wieder ins Bett geht!
Als ich heute Abend um halb sechs kam, sass sie am Tisch zum Nachtessen und ich helfe ihr ins Bett. Dann kommt gerade Dr. Wehrli mit Dr. Schmid, der bei der Operation assistierte und ihn ab Samstag vertritt. Er ist sehr zufrieden und ordnet an, Kanüle und Infusionen wieder zu ziehen, was gleich anschliessend ausgeführt wird. Der Katheder soll dann Morgen nach einem „Bisle-Training“ drankommen.
Dann wird uns folgender Plan eröffnet: Fischli bleibe bis Mittwoch 25. Mai im Hirslanden, dann könne ich sie zum Packen für eine Nacht nach Hause holen, und am Donnerstag 26. Mai dann zur Reha nach Mammern fahren. Wir beschliessen, dass ich dann als sog. "Begleitperson" bei ihr in Mammern bleibe.

19.05.2011            Erfreulicherweise geht Wasser lösen! Sonst Fortschritte erfreulicherweise weiter überdurchschnittlich, ausser oft leichter Durchfall nach dem Essen, welcher sie immer wieder etwas zurückwirft.   

21..05.2011           Fischli geht es ordentlich. Ich durfte sie heute für 1 ½ Stunden nach Hause holen, wo sie sich an ihrem Garten und an dessen guten Düften (Spitalluft sei fürchterlich…) "schampar" gefreut hat! Wir tranken im Garten Tee mit Marteli, welche dazu noch ein kleines Rhabarber - Wäheli brachte.
Austritt Hirslanden und Eintritt Mammern wurde inzwischen aus mir unbekannten Gründen um einen Tag verschoben.

22.05.2011            Heute gleiches Prozedere bei uns im Garten wie gestern, aber ohne zusätzlichen Besuch; ganz für uns allein! Wunderbar! Es geht ihr heute aber nicht mehr ganz so gut wie gestern! Es ist ihr immer ein bisschen übel!

23.05.2011            Heute Rückschlag: Starker Durchfall, dünn wie Wasser, explosionsartig, grosse Verschmutzung in Zimmer und Bad!
Dann ist der Stuhlbefund aus dem Labor da und erklärt den Durchfall: Fischli hat das Bakterium Clostridium difficile. Das ist gemäss Wikipedia „ein de.wikipedia.org/wiki/Anaerobie">anaerobes, de.wikipedia.org/wiki/Gramf%C3%A4rbung">grampositives, de.wikipedia.org/wiki/Endospore">endo-sporenbildendes Stäbchenbakterium, welches zur Gattung „de.wikipedia.org/wiki/Clostridium">Clostridium de.wikipedia.org/wiki/Sensu_lato#Sensu_lato_.28s..C2.A0l..29">sensu lato“ gehört und ist einer der häufigsten Krankenhauskeime in Spitälern. Bei gesunden Menschen ist C. difficile ein harmloses Darmbakterium. Werden konkurrierende Arten der normalen de.wikipedia.org/wiki/Darmflora">Darmflora durch de.wikipedia.org/wiki/Antibiotikum">Antibiotika (wie während einer Operation) zurückgedrängt, kann sich Clostridium difficile vermehren und de.wikipedia.org/wiki/Toxin">Gifte (Toxine) produzieren, die zu einer unter Umständen lebensbedrohenden de.wikipedia.org/wiki/Durchfall">Durchfalls Erkrankung führen können.“ Also auch das noch…. .
Fischli muss ab sofort ein spezielles, darauf abgerichtetes Antibiotika nehmen, das ihr mit starkem Durchfall sehr zu schaffen macht.
Sie mag heute nicht einmal mehr nach Hause in ihren Garten… .                        

24./25.05.2011       Dieser Zustand bleibt bis zum Heimholen am Donnerstag leider stationär: Starker Durchfall und Übelkeit!

26.05.2011            11:00 Uhr Auszug mit einem Sack Medikamenten aus dem Hirslanden. Dr. Schmid findet Fischli einen „Rennwagen“: Andere würden nach dieser Operation 2 Wochen auf der Intensivstation bleiben! Und sie könne nach Hause...
Zuhause liegt Fischli mehrheitlich im Bett. Abends macht sie sich ein Habersüppli, ich mache Spargeln mit gehacktem Ei und Schinken und wir gehen früh schlafen.

27.05.2011            Packen, dann noch rasch Pédicure im "La Beautée". Um ca. 12:00 Uhr fahren wir ab nach Mammern. Fischli ist es auf der Fahrt immer kötzelig!
In Mammern Zimmerbezug: Zimmer 76 im „Parkflügel 2“ leider hinten hinaus, ohne See­sicht, aber immerhin mit Blick auf die Gärtnerei sowie auf einen mit kleinen Buchshecken eingefassten, strukturierten „Formal Garden“ mit mehrheitlich Küchenkräutern! Schade, dass wir keine Seesicht haben!
Aber die haben wir ja dann wieder zuhause…                  
Um 15:00 Uhr Eintrittsvisite bei Dr. Christian Günter: Er staunt ob ihrem guten Zustand. „Andere würden meistens liegend mit der Ambulanz eingeliefert“! Das grösste Problem ist klar der Durchfall! Abends nach einem ersten Spaziergang Apéro mit für Fischli Tomatensaft und für mich Weisswein. Nachtessen fast normal. Dann aber wieder Durchfall!

28.05.2011            Heute nach dem Z’Morge passiert es wieder: Fischli kann den Darminhalt nicht mehr halten und macht vor dem Bett in die Hose und auf den Boden. Das ist deprimierend und macht uns sehr traurig.
Dr. Günter will ihr trotzdem vorläufig nichts dagegen geben, denn er meint, es müsse raus! Sie bekommt aber etwas gegen die Übelkeit. Am Abend nach dem Nachtessen beginnen Bauchkrämpfe. Eine Wärmeflasche hilft etwas dagegen, und es ist „nur“ noch Bauchweh! In der Nacht bleibt Fischli lange wach! Sie hat Angst, sie mache im Schlaf in die Hosen. An Physiotherapie ist noch nicht zu denken!     

29.05.2011            Ich schreibe am Sonntagmittag an Vrenely ab, da Brunnschweilers zum Apéro kommen wollen:
„Das verdammte, giftige Bakterium in Fischlis Verdauung und das zu dessen Abtötung verabreichte Antibiotikum, zusammen mit ihrem notorisch schwachen Enddarmverschluss dämpft leider ihre gute Stimmung und ihren aufkeimenden Unternehmungsgeist: Sie muss zig Mal aufs Klo und ist deshalb am liebsten im Zimmer, denn es ist ihr parallel dazu auch noch immer übel! Heute war es so schlimm, dass wir auch am Mittag im Zimmer essen mussten.“                
Sie mag zwar mit Freuden essen; schon während dem Essen beginnt es aber gewaltig zu rumoren und dann muss sie springen.
Dr. Günter wechselt anlässlich der Visite von Motilium auf Primperan! Heute Nachmittag ab ca. 15:00 Uhr Ruhe. Aber beim Nachtessen beginnt es wieder, mit Durchfall und Bauchkrämpfen. Ich präpariere die Wärmeflasche. Damit schläft Fischli um halb Neun sofort ein. Wir müssen über Stuhlgang genau Buch führen!
 
30.05.2011            Heute früh will man Stuhl und Urin nehmen und diese wieder prüfen. Dann kommt Dr. Zahn; weil Dr. Günter 2 Tage weg ist.
Fischlis Allgemeinzustand ist trotz einer relativ guten Nacht heute den ganzen Tag eher schlecht: Zwar hat sie keine Schmerzen, sie ist aber einfach sehr müde und hat absolut keine Lust zu essen, weder Frühstück noch Mittagessen. Auch mein leichter Zwang dazu fruchtet nur sehr wenig. Schläft oder döst vor sich hin. Dank dem nichts Essen allerdings auch keinen unmittelbaren Durchfall! Trinkt relativ viel, was positiv ist, vor allem Wasser!
Natürlich kann sie in diesem Zustand auch keine Physiotherapie machen, was sehr bedauerlich ist!

Das Stuhlgangblatt von Fischli weist heute 12 Vorgänge auf, wobei meistens „Wässeriger Durchfall“ festgehalten wird. Die Anzahl an sich ist schon ein Problem; das in die Hose Machen das andere. Sie erhält deshalb Kunststoffhosen mit Einlage. Heute natürlich wieder keine Therapie.

Heute scheint es etwas besser zu gehen. Dr. Günter verfügt, Sie soll nur Immodium nehmen, wenn es wieder wässerig kommt, denn man wolle nicht ins Gegenteil verfallen und dann gegen Verstopfung kämpfen. Heute natürlich wieder keine Therapie.

03/04.06.2011        Totaler Rückfall: Wieder 10-mal Aufs Klo! Schade! Man spricht von verpasster erster Reha Woche. Antibiotika gegen Clostridium difficile wird abgesetzt. Stuhlgang wird am nächsten Tag wieder zur Kontrolle genommen. Heute natürlich wieder keine Therapie
Am Nachmittag geht es besser. Ich rufe Brunnschweilers an, ob sie zum Apéro kommen. Es klappt. Fischli geht es relativ gut und wir haben viel Freude am Besuch.
Man klärt zudem ab, ob man Kostengutsprache für eine dritte Woche erhält, denn Fischli sollte ja unbedingt noch Therapie bekommen…

05.06.2011            Nach dem Morgenessen nimmt die Katastrophe wieder seinen Lauf: Bis elf Uhr bereits 5-mal! Heute kommt die Chefärztin Dr. Ruth Fleisch; sie will nicht mehr weiter zuwarten und verfügt 4 Immodium fest im Tag. Bei jedem Durchfall wieder eins, bis zu 10 im Tag. Ob das wohl hilft? Heute natürlich wieder keine Therapie.

06.06.2011            Tagsüber geht es fast normal. Nur am Morgen schlecht. Keine Therapie, aber für Morgen vorgesehen: Velofahren!

07.06.2011            Heute wieder nach dem Morgenessen und Nachtessen sehr schlecht. Morgentherapie fällt aus; nachmittags O.K. Stuhlkontrolle zeigt positives Resultat: Clostridium difficile ist scheinbar unter Kontrolle! Mindestens einmal dies!.

08.06.2011            Heute Morgen erstes Mal Therapie., am Nachmittag wird sie aber sehr müde, friert beim Velofahren und geht danach mit Schüttelfrost und starkem Kopfweh ins Bett. Man nimmt sie wieder an den Tropf, da sie mit dem Dünnpfiff wahrscheinlich zu viel Flüssigkeitsverlust hatte und gibt ihr auch Schmerzmittel gegen das Kopfweh.
Kostengutsprache ist scheinbar O.K., also bleiben wir eine Woche länger.

09.06.2011            Heute geht es wieder wesentlich besser. Tropf wird abends wieder abgenommen. Sie hat auch eine gute Nacht.

10.-15.06.11          Zustand beginnt sich langsam zu normalisieren. Fischli kann Therapien meistens absolvieren und beginnt auch mit mir zu spazieren, bis 40 Minuten, teilweise auch im Dorf, d.h. ausserhalb des Klinikparks. Unten am See hat Fischli einen absoluten Liebling entdeckt: Einen Cornus Florida Rubra als Bäumchen, der im Moment zart rosa blüht.

16.06.2011            Heimreise: Packen am Morgen, nach kurzer Ruhe 40 Minuten spazieren. Dann nochmals eine Viertelstunde Ruhen, Gepäck einladen und Mittagessen.
Nach dem Mittagessen Abfahrt, wobei ich auf dem Heimweg Fischli noch die Wege und Strässchen zeige, auf welchen ich die letzten 20 Tage meinen Marsch über 2 bis 2 1/2 Stunden pro Tag „gelaufen“ bin!                          
Ankunft zuhause ca. 15:00 Uhr. Auspacken, Ruhen, Zusammen Kochen: Fischli macht Habersüppli, HR schält Spargeln.
Erster gemeinsamer Apéro zuhause, jetzt wieder mit See­sicht: Sooooo Schöööööön!

17.06.2011            Guter Tag, zusammen Posten, abends kommen Bosshards mit Catering: Fischli muss nur Spaghetti und Sugo bereitstellen, der ganze Rest für Apéro und Essen bringt Lexi: "So könne sie unser Catering von jeweils montags beim Kinderhüten etwas kompensieren". Fischli übertreibt wahrscheinlich mengenmässig etwas beim Essen und muss ein bisschen Büssen mit Durchfall! Sie hat aber danach eine gute Nacht.
 
18.06.2011            Fischli geht es recht gut: Ich mache Cornflakes und unser gewohntes Müesli zum Z’Morge, Z’Mittag macht Fischli Süppli und Salat, dann gehen wir ca. 30 Minuten Spazieren und abends gibt es Fleischsuppe, Siedfleisch und viel Gemüse.

19.06.2011            Fischli hat gut geschlafen, hat heute Morgen zum ersten Mal normalen, festen Stuhlgang. Vormittags gehen wir 50 Minuten Spazieren, schon etwas zügiger!

20.06.2011            Heute Morgen zwischen halb Sieben und halb acht eine gute Stunde spaziert, z.T. schön zügig! Anschliessend Posten und in Uster für die Buben Gemüsesuppe und Würstli „gekocht“. Zum Mittagsschlaf nach Hause. Dann wieder aktiv! Zum zweiten Mal schön fester Stuhlgang! Schön!
Fischli hat sich morgen zu Dr. Aepli und in einer Woche zu Dr. Wehrli angemeldet (wenn etwas schief läuft, selbstverständlich früher!).

27.06.2011            Sprechstunde bei Dr. Wehrli: Er ist sehr zufrieden mit der Situation. Er schätzt den Genesungsbedarf auf 3-6 Monate ab Operation. Wenn alles mehr oder weniger normal verläuft, übergibt Dr. Wehrli die Patientin an den Hausarzt, wobei er jederzeit auch z. V. stehe, wenn es ihn brauche.
19.09.2011            In der Zeit von Ende Juni bis heute ging es immer auf und ab: 1-2 Tage fast normal, dann wieder 1-2 Tage oder Nächte Durchfall, und zwar hie und da so explosionsartig, dass Fischli keine Chance hat, noch aufs WC zu kommen, und schon gar nicht die Hose auszuziehen. Es ist eine sehr unbefriedigende und deprimierende Situation, mit sehr viel Reinigungsarbeit. Die Ärzte versuchen verschiedenes und immer wieder Neues: Quantalon, Opium-Tröpfchen, stärkere Kreon, Immodium weglassen, dann wieder nehmen, usw. Sie sind aber, so denke ich, etwas ratlos. Die unselige Operation im Mai 2010 ist wahrscheinlich dafür verantwortlich, dass die Inkontinenz so dramatisch ist. Jene Operation, in Kombination mit der Whipple-Operation scheint das Genesungspotential von Fischli für ihren Verdauungstrakt zu überfordern!                        
Mit einem Anal-Tampon können wir glücklicherweise noch am 10.08. zusammen mit Hannes Rupp einen Besuch bei meiner Schwester Dorli im Pflegheim in Maienfeld machen, wo sie seit 10 Tagen lebt. Eine Woche später stirbt sie nach der Einlieferung ins Spital Walenstadt sehr plötzlich. Für Dorlis Beerdigung am 23. 08. konnte Fischli mit dem Tampon wieder mit mir nach Bad Ragaz kommen. Nach der Heimkehr war Fischli aber sehr müde und legte sich für ein Schläfchen ins Bett. Dann hatte sie plötzlich derart Drang, dass es den Anal-Tampon im Bett explosionsartig heraus trieb und eine grosse Sauerei entstand: Bett, Spannteppich und WC mussten gewaschen bzw. gereinigt werden.                        
Schlimm sind vor allem die Nächte, in welchen Fischli im Viertelstundentakt aufs WC muss, weil der Bauch sehr laut rumort und sie immer wieder sofort Drang hat. Manchmal muss sie schon wieder, bevor sie sich säubern konnte. Gegen Morgen ist sie dann so müde, dass sie trotzdem kurz einschläft, und dann passiert es jeweils wieder, dass sie nicht mehr rechtzeitig aufs WC kommt...
So wagt sie wegen der Inkontinenz auch nirgends mehr hinzugehen. Und wenn wir uns einmal irgendwo anmelden wie z.B. gestern am 18.09. beim Kulturbrunch der ETH-Alumni mit Peter von Matt zum Max Frisch Jubiläum mit Mittagessen im Dozentenfoyer der ETH, so müssen wir uns wieder abmelden, oder ich gehe allein, wie beispielsweise letzthin ans Konzert in die Tonhalle.
Kontakte mit Dr. Aepli hat Fischli regelmässig, so auch heute, und dieser bespricht sich zwischendurch mit Dr. Wehrli; aber Fortschritte haben wir in letzter Zeit keine gemacht! Im Gegenteil, derzeit ist es eher schlechter als kurz nach unserer Rückkehr.

26.09.2011            Ab diesem Datum führe ich Protokoll über Nachtessen, um allfällige Lebensmittel zu finden, welche besonders störanfällig wirken!

30.09.2011            Hohls kommen zu uns zum Mittagessen. Hansruedi Hohl hatte eine Züstenoperation im Darm. Vorher gleiches Rumpeln und Gaswerk im Bauch wie Fischli. Bringt anschliessend sein Medikament Immogas zum Probieren, da er es ja nicht mehr braucht!

04.10.2011            Bei Dr. Aepli: Immodium wird probehalber durch Immogas ersetzt. Künftig 3-mal je 1 Kreon 40'000, Bioflorin und Immogas, dazu morgens und abends noch je 1 Blutdrucktablette.

11.11.2011            Um 11:30 Uhr bei Dr. Wehrli: Betr. Durchfall sei jetzt ziemlich alles ausgeschöpft! Neu denkt man, dass der kaputte Schliessmuskel eine Spätfolge einer schweren Geburt sein könnte. Das könnte es ja wirklich sein, erlitt Fischli doch bei der sehr schweren Geburt von Andrea sogar einen Dammriss. Solange der Körper jung, kräftig und geschmeidig sei, können scheinbar solche Langzeit-Schäden überspielt werden; im Alter, aber vor allem jetzt, nach dem massiven Eingriff, kämen solche Schadstellen an den Tag!
Wir besprechen das Vorgehen, ob allenfalls ein Analmuskel-Schrittmacher eingesetzt werden sollte. Wir sind dazu eigentlich bereits entschlossen, da die Lebensqualität derzeit schon sehr beeinträchtigt ist. Dazu sind aber noch einige zusätzliche Untersuchungen notwendig, vor allem auch das Ausmessen des Schliessmuskelnervs, ob der noch intakt ist.

15.11.2011            Bei Dr. Müller zur Darmspiegelung: Darmspiegelung am Nachmittag schlimm, da sie seit dem Tag vorher nichts mehr essen darf und abends und morgens den Liter grauenhafter Flüssigkeit trinken muss! Spiegelung ergibt positives Resultat: Nichts Aussergewöhnliches. Wenigstens dies!

22.11.2011            Computertomographie im Zollikerberg zur Bauchkontrolle: Resultat O. K. Nichts Aussergewöhnliches gefunden! Es folgen 3 relativ gute Tage und Nächte. Ab Freitag 25.11. nachts wieder vermehrt Durchfall, allerdings im 60 Minutentakt, d. h. mit etwas grösseren Zeitabständen als früher, als sie alle 30 Minuten hinaus musste.

28.11.2011            2-mal Durchfall in der Nacht, ca. 2 und halb 4, mit Immodium dann aber geschlafen, erwacht aber zwischendurch mit Schmerzen im Oberbauch links und Ausstrahlung bis in die linke Schulter, Schmerz klingt aber wieder ab; am Morgen erwacht sie mit einem hohen Puls (104) und leichtem Fieber (37,4). Zudem finde ich den Puls unregelmässig. Ich rufe Dr. Aepli an, der sie sehen will.
10:00 Uhr bei Dr. Aepli: Kardiogramm zeigt klares Vorhofflimmern und Puls 120. Ruft Dr. Wagdi im Hirslanden an, der sie im Mai bei Vorhofflimmern während ihres Aufenthaltes im Hirslanden schon mit einer Elektro-Konver­sion behandelt hat. Auch Dr. Wagdi will sie sehen.
12:30 Uhr Hirslanden bei Dr. Wagdi: Nach kurzem Untersuch Entscheid für eine sofortige intravenöse Behandlung mit Medikamenten. Wir begeben uns zu dritt in die Notfallstation, wo Fischli abgeholt wird und ich mich verabschiede. Sie ruft an, wenn ich sie holen kann.                          
16:15 Uhr: Fischli ruft mich fürs Abholen an; um 16:35 sind wir wieder Zuhause. Sie muss Medikamente nehmen und morgen früh Dr. Wagdi anrufen, ob sie die Medikamente vertrage. Dr. Aepli will auch wissen, wie es geht. Deshalb orientiert Fischli noch Dr. Aepli.                          

30.11.2011            Bei Dr. Meyer in Zürich zum Ausmessen des Schliessmuskel-Nervs, der vom allfälligen Schrittmacher stimuliert werden müsste. Falls dieser Nerv aber auch beschädigt wäre, würde die Stimulation per Schrittmacher nicht gehen. Nerv ist aber O.K. Man könnte den Versuch wagen!
Einrücken Hirslanden zum Einsetzen einer Elektrode in den Schliessmuskelnerv unter Vollnarkose.
Entlassung an folgenden Tag. Anschliessend Versuchsperiode mit externem Apparätli, das zwischendurch kaputt geht! Wird ersetzt!
Versuch schlussendlich positiv: Entscheid: Schrittmacher einsetzen.

21.03.2012            Schrittmacher wird eingesetzt unter Lokalanästhesie. Entlassung am folgenden Tag. "Leben mit High Tech im A"! Durchfall und notfallmässiger Stuhlgang bleiben aber vorläufig trotz allem!

Nov 2012              Verdauung spinnt plötzlich viel weniger. Das Leben wird fast wieder normal! Gründe dafür gibt es keine. Wir leben und essen wie immer! Wir nehmen das Ganze aber gern als Geschenk an. Ob es doch der Schrittmacher ist?

 

April 2013              2 Jahre nach der Operation: Kontroll-Tomographie und Kontrolle sämtlicher Blutwerte mit dem Resultat: Alles O.K.! Fischli ist also einer der Glückspilze, die eine Pankreas-OP überstanden haben und als gesund entlassen werden.

Damit dachten wir, die Krankheitsgeschichte Pankreas abgeschlossen zu haben!

 

Ich beginne aber leider heute am 10. Juli 2013 die Fortsetzung zu schreiben, wobei wir noch nicht sicher sind, ob es doch eine Pankreas-Fortsetzung oder ein völlig neuartiger Tumor ist.


Juni 2013             Letzte Juniwoche 2013: Fischli klagt über Blähungen und einen grösseren Bauch wie sonst. Auch nimmt sie relativ schnell an Gewicht zu. Wir rekognoszieren zusammen mit Gremlis eine Wanderung im Zürcher Weinland. Dabei erwähnt sie auch wieder die Blähungen. Ich dränge sie, zu Dr Aepli zu gehen. Fischli will noch nicht. Ich vermute, sie hat Angst vor einem schlechten Bescheid!
1. Juli 2013 Am Vorabend meines 80. Geburtstages kocht Rolf Grob vom Rössli Lindau bei uns ein grosses, mehrgängiges Geburtstagsmenü. Als Gäste haben wir: Ghia, Lexi und Philipp, Vrenely und Jack Brunnschweiler, Marianne und Mogge Hohl, Laura und Galan Gremli.
Wunderbares Fest, Apéro auf der Terrasse, Essen drinnen am festlich gedeckten Tisch: Gute Speisen und Getränke, fröhliche Tafelrunde.
Als alle gegangen sind, trinken Fischli und ich, wie üblich, noch gemeinsam ein letztes Glas Wein, und Fischli ist glücklich, dass alles noch gut über die Bühne ging. Sie habe befürchtet, das Fest nicht mehr durchzustehen und meinte gestern schon, es absagen zu müssen! Wir sind aber beide überglücklich, es war ein grossartiges Festessen und ein gelungener, sehr fröhlicher Abend.
 Ich dränge sie anderntags aber stärker, jetzt doch endlich zum Arzt zu gehen. Sie geht aber erst am Freitag.

5.Juli 2013        Besuch bei Dr. Aepli am Freitag. Er diagnostiziert Blähungen und gibt ihr Pillen. Bauchweh wird übers Wochenende stärker. Pillen nützen m.E. gar nichts. Ich dränge sie am Montag wieder, zum Arzt zu gehen. Sie geht aber erst am Dienstag.

9. Juli 2013 Dr. Aepli meldet sie sofort zu einer Ultraschall-Kontrolle im Hirslanden an für Morgen Mittwoch.

10. Juli 2013 10:15 Uhr Ultraschall; ich bringe sie hin; sie will mich per Handy anrufen, wenn ich sie holen kann. Um 11:00 Uhr ruft sie an, man hätte etwas gefunden; sie müsste deshalb noch zusätzlich ein CT machen; sie wäre schon am Kontrastmittel trinken. Es werde deshalb später. Kurz vor 13:00 Uhr kann ich sie endlich holen. Sie weiss aber noch nichts, ausser, dass man wahrscheinlich etwas Bösartiges gefunden habe.
Vorsorglich sagen wir die für heute vorgesehene Geburtstagsfeier zusammen mit Ewald und Margrith Kaufmann einmal ab. Schade, es wäre bei diesem wunderbaren Wetter für uns auf der Storchenterrasse reserviert gewesen…
Ca. 16:00 Uhr ruft Dr. Aepli an, der Arzt, der das CT machte, stellte fest, dass es Luft und Flüssigkeit im Bauch hätte, mit Krebs-Ablegern auf Bauchfell und Leber. Jetzt wäre wieder der Chirurg und der Onkologe am Zug. Wir würden Weiteres von Dr. Wehrli hören.                          
Das ist eine ausserordentlich schlechte Nachricht, die uns sehr betroffen macht. Fischli muss bitterlich weinen: Jetzt komme sie wieder in diese elende Mühle, die sich dann wieder immer weiter und schneller drehe…
Ich versuche sie zu trösten: Wenn wir schon die scheinbar viel schlimmere Pankreasgeschichte glücklich überstanden hätten, werden wir gemeinsam auch diese Tortur überstehen. 
Bis gegen 22:00 Uhr haben wir leider noch nichts von Dr. Wehrli gehört. Dieses dauernde, unsägliche Warten auf Bescheid zehrt an den Nerven!
Wir haben bisher Ghia und Lexi noch nichts gesagt. Als sie sich jetzt aber wieder nach dem Gesundheitszustand von Momi erkundigten, mussten wir es dann sagen, nur ein paar Tage vor ihren Familien-Ferien: Ghia mit den Buben in Südfrankreich am Meer in Narbonne-Plage und Lexi mit der Familie auf Safari in Namibia! Sie sind beide sehr traurig.

11. Juli 2013        Um ca. 08:00 ruft endlich Dr. Wehrli an, unaufgeregt wie immer. Er denkt eher nicht an etwas, das mit der Whipple-Operation zusammenhängt. Hingegen habe er Punktieren in die Wege geleitet für nächsten Dienstag, 16. Juli. Ferner müsse Fischli unbedingt einen Termin bei der Gynäkologin vereinbaren, denn da wären auch Geschwulste in der Gebärmutter, die aber auch Zysten sein könnten. Das tönt schon einmal leicht besser als das, was Dr. Aepli gestern sagte.
Der Termin bei der Gynäkologin wird ebenfalls auf nächsten Dienstag, 16. Juli morgens fixiert.

12. Juli 2013        Termin (zusammen mit Fischli) bei Dr. Aepli, der in der Zwischenzeit mit Dr. Wehrli konferierte. Nun tönt es doch etwas besser:
 Die neuesten Blutwerte zeigen einen Pankreas-Tumor-Marker, der noch leicht besser ist als jener vom April, und der war ja schon gut. Deshalb ist Dr. Wehrli der Ansicht, dass es kaum etwas mit der Bauchspeicheldrüse zu tun hat. Die Ableger auf dem Bauchfell scheiden ein Sekret ab, das im Bauch diesen Druck erzeugt. Dieses Sekret wird am Dienstag abgesogen und untersucht. Dann sollten wir wissen, was es ist. Die Ärzte sind scheinbar auch etwas ratlos!
Dr Aepli gibt Entwässerungspillen, dann etwas gegen Krampferscheinungen im Bauch. Er ist noch bis nächsten Donnertag 18. Juli da, nachher leider in den Ferien. Traurig ist, dass wir nun wieder 4 Tage in der Ungewissheit bis zu den 2 Arztterminen warten müssen.
Um 11:30 kommt Ghia mit den Buben, sich bei Salami-Sandwich und Eistee in die Ferien zu verabschieden. Von hier aus fahren sie bis Annecy, wo sie abends in einem Motel Dominique mit ihren Buben treffen werden, um dann anderntags im Rhonetal abwärts bis ans Meer nach Narbonne-Plage zu fahren, wo sie gemeinsam ein Haus gemietet haben (Es ist allerdings das Wochenende vom 14. Juillet!!!)
Abends sind wir noch bei Lexi und Philipp mit Leni Loki zu einer Wurst vom Grill eingeladen. Dort müssen wir dann aber sehr plötzlich wegen Stuhldrang und Krampferscheinungen fort!
Fischli hat dann wenigstens eine gute Nacht.

13. Juli         Wir machen den grossen Spaziergang, wenn auch mit Mühe, aber wenigstens ohne Krämpfe. Fischli liegt heute dann aber viel.

14. Juli         Um 10:00 Uhr kommen Bosshards zum Abschiedbrunch mit 3 Meersäuli und 3 Wühlmäusen, dem entsprechenden Futter sowie dem Freilandgehege, das sofort in jenem Teil unserer Wiese aufgestellt wird, wo deshalb extra nicht gedüngt wurde. Die Indoor-Gehege und das dazugehörige Streu-Material hatte Lexi schon 1 Woche früher gebracht. Noch vor dem Brunch wird alles hergerichtet. Um 13:00 Uhr verabschieden sie sich. Sie fliegen heute Abend um 22:45 Uhr.

  1. Juli        Fischli hat eine schlechte Nacht mit wenig Schlaf! Schmerzen werden so stark, dass ich am Morgen Dr. Aepli anrufe. Er ruft später dann zurück, und nach dem Gespräch kann ich Novalgin-Tropfen holen.

    16. Juli    Morgens Termin bei der Gynäkologin Dr. Fontana: Rechter Eierstock viel zu gross und allerhand Gewächse. Macht im Inneren der Scheide Ultraschall und einen Abstrich. Bescheid wahrscheinlich nicht vor Ende Woche.
    Nachmittags Punktierung im Hirslanden bei Dr. Batak. Er nimmt aber nur so viel Wasser, wie für die Pathologie notwendig. Restwasserablass wird für Donnerstag vereinbart, da Dr Batak am Freitag in die Ferien geht. Hier weiss man vorläufig auch wieder nichts bis Ende Woche.
    Wir müssen noch in die Praxis zu Dr. Aepli, um Blut zu nehmen. Dort sieht uns Dr. Aepli und fragt, wie es geht: Schmerzen werden heftiger. Nicht dauernd, aber wie Anfälle mit Krampferscheinungen. Schwierigkeiten Wasser und Stuhl zu lösen, verbunden mit heftigen Schmerzen.

    17. Juli        Ich schreibe folgenden Fax:
    Sehr geehrter Herr Dr. Wehrli,
    Ende Woche sollten die Untersuchungsergebnisse von Abstrichen der Gynäkologin sowie der gestrigen Punktierung vorliegen.
    Da dann sowohl der langjährige Hausarzt Herr Dr. Aepli als auch Herr Dr. Batak, der im Hirslanden für Ultraschall, CT und die Punktierung zuständig war, ferienbedingt abwesend sein werden, machen wir uns Sorgen, wer uns die Untersuchungsergebnisse möglichst schnell mitteilt, um die Ungewissheit zu beenden, und mit wem wir die Möglichkeiten der Problemlösung besprechen können.
    Es werden rasch wichtige Entscheide gefällt werden müssen, wobei uns eine Koordination zwischen Gynäkologin und Bauchspezialist, ev. noch zusätzlich mit dem Onkologen notwendig scheint. Rasch deshalb, da Schmerzen und Komplikationen mit Wasserlösen und Stuhlgang leider eher zunehmend sind.
    Unser grosser Wunsch wäre, wenn Sie, Herr Dr. Wehrli, den Lead übernehmen würden, und wenn wir uns vertrauensvoll an Sie halten könnten, wie letztes Mal bei der Whipple Operation. Jene Gespräche sind uns in bester Erinnerung.
    Dürften wir um Ihren Bescheid bitten?
    Mit grossem Dank und freundlichen Grüssen
    Es passiert vorläufig aber gar nichts. Befinden von Fischli wird schlechter mit zunehmenden Schmerzen. Bekommen von Dr. Aepli noch mehr Novalgin-Tropfen, da ab Donnerstag Praxis Aepli ebenfalls in den Ferien.

    18. Juli        Während Fischli im Hirslanden bei Dr. Batak das Wasser entzogen wird, ruft Frau Suter aus der Praxis Dr. Wehrli an, ich hätte ja einen Fax gesandt. Zuerst müsse Fischli aber zur Gynäkologin. Als ich sage, das wäre ja schon Dienstagmorgen gewesen, ist sie einigermassen erstaunt, da sie bisher nichts von Frau Dr. Fontana gehört haben. Wir würden wieder von Dr. Wehrli hören.
    Leider bleibt die erhoffte Erleichterung durch die Punktation aus. Im Gegenteil, die Punktation war teilweise sehr schmerzhaft, da man das Bauchfell nicht betäuben kann. Fischli hat im Anschluss an die Punktation grosse Schmerzen und liegt am Nachmittag meistens. Dann hat sie 7-mal Durchfall, jedes Mal sehr schmerzhaft. Abends geht es etwas besser.

    19. Juli         Fischli hat eine gute Nacht mit viel Schlaf und wenig Weh. Ich fahre sie um 09:45 zur Pédicure. Nach Hause kommt sie zu Fuss, obwohl ich sie holen wollte! Bravo!
    Erwarten heute Freitag ab Morgenessen ein Telefon aus der Praxis Dr. Wehrli für ein "Aufgebot"! Erst gegen Abend ruft Dr. Aepli aus den Ferien an, was für einen Bescheid wir erhalten hätten. Wir müssen sagen, dass wir bisher gar nichts gehört hätten!!!!

    21. Juli          Über das Wochenende herrscht aus der Praxis Dr. Wehrli absolute Funkstille! Alle Leute telefonieren und fragen uns, was los ist; dabei wissen wir am Wenigsten. Fischli geht es von Freitag bis Montag mal besser, mal schlechter. Mag nicht auf unseren Marsch. Liegt viel!

    22. Juli           Als wir am Montagmorgen bis 10:30 Uhr nichts hören, rufe ich Frau Suter in der Praxis Dr. Wehrli an: Sie hätte zwar gesagt, wir würden von IHR hören. Trotzdem würde ich mir heute Morgen jetzt um 10:30 Uhr erlauben, nachzufragen, ob man uns denn eigentlich vergessen hätte.
    Antwort: Sie hätten uns nicht vergessen, aber erst heute den Bericht der Gynäkologin erhalten. Dr. Wehrli sei am Operieren, wolle vor dem Telefonanruf aber noch den Bericht der Gynäkologin lesen…
    Also weiter warten, warten, warten!
    Nachmittags 13:30 kommt Telefon von Frau Suter: Morgen Dienstag 16:15 Uhr Besprechung bei Dr. Wehrli. Also weiter Warten… .

    23. Juli        Dr. Wehrli will zuerst Bauch und After sehen und fühlen. Letzte 15 cm Mastdarm sind O.K. Das ist erfreulich, dann auch, dass die Schmerzen, bzw. die Komplikationen höchstwahrscheinlich nichts mit dem überwundenen Pankreas-Karzinom zu tun haben. Sonst aber Situation nicht sehr erfreulich. Damit hatten wir gerechnet. Er hofft ferner, dass der Enddarm nicht infiziert sei, sonst müsse man einen künstlichen Darmausgang installieren. Vor allem dieser künstliche Darmausgang macht Fischli ganz offensichtlich grossen Kummer.
    Befund: Fischli hat ein Ovarial-Karzinom (Eierstockkrebs).
    Dieser Tumor wächst fast explosionsartig. Deshalb hat man ihn Mitte April beim Kontroll-CT (2 Jahre nach der Pankreas-Operation) nicht gesehen, bzw. man hat die Gewächse als normale Zysten beurteilt. Man hatte damals aber auch keinen Grund, hier etwas Bösartiges zu vermuten. Fischli hatte ja auch keinerlei Beschwerden.
    Dieser Tumor bildet leider auch sofort Ableger. Ableger hat es jetzt bereits auf beiden Leberlappen und auf dem Bauchfell. Jene auf dem Bauchfell produzieren auch das Sekret, das in der Bauchhöhle ist und welches diesen Druck erzeugt.
    Dieser Tumor ist leider nicht heilbar. Man kann ihn höchstens bekämpfen, um dem Patienten nochmals ein paar Jahre mit guter Lebensqualität zu schenken.
                                 
    Dr. Wehrli sieht folgende Therapiemöglichkeiten:
  2. Nichts machen: Schmerzen werden stärker, Komplikationen wie Darmverschluss, Verdauungsstörungen, Wasser auf Lunge etc. können Notoperationen nötig machen. Lebensqualität gering!
  3. Nur Chemotherapie: Man versucht, mittels Chemikalien den Primärtumor sowie die Ableger zu bekämpfen. Wirkung fraglich!
  4. Operation plus Chemotherapie: Bei der Operation werden die Eierstöcke und Eileiter entfernt, sodann so viel Ableger wie möglich herausgeschnitten, auch wenn teilweise etwas Organe geopfert werden müssen, sofern man damit lebensfähig bleibt: Teile des Darms, des Bauchfells; von der Leber könne man leider nichts wegschneiden, da beide Lappen befallen seien.

Erst nach der Operation und Erholung beginnt dann die Chemotherapie
Dr. Wehrli vergleicht den Tumor mit Ableger mit einem Kiesweg mit viel Unkraut. Man könnte zur Wiederherstellung eines schönen Kiesweges sofort nur mit Herbizid spritzen. Würde im Moment helfen, es wächst aber bald wieder viel Unkraut nach. Besser ist, wenn man zuerst jätet und erst dann mit Herbizid spritzt: Hier ist die Unkrautvernichtung viel radikaler. Das Jäten versinnbildlicht die Operation, das Herbizid Spritzen die Chemotherapie.
Er möchte morgen Abend im "Hirslanden Tumor Board" (ca. 15 Spezialisten aus diversen Fachgebieten) unseren Fall noch besprechen und diskutieren, ob seine Kollegen noch eine weitere Therapiemöglichkeit sehen.                          
Wir haben also einen Tag Zeit, die Hiobs-Botschaft zu verdauen. Dr. Wehrli wird morgen Abend nach dem Board anrufen und Bescheid geben, ob noch weitere Therapiemöglichkeiten aufgetaucht sind.
Zuhause machen wir zum Apéritif eine Flasche Champagner auf. Wir sind guten Muts: Wir haben doch den viel schlimmeren Pankreas-Krebs mit einer noch grösseren Operation relativ gut überstanden! So werden wir doch auch diese Prüfung durchstehen, um noch­mals ein paar so wunderbare und glückliche Jahre zusammen verbringen zu können. Unsere Töchter sind in den Ferien; Ghia in Südfrankreich und Lexi in Namibia. Ich bereite eine Mitteilung vor, die ich dann per SMS sende:                          

Von:

SMS Box

An:

Alexa Bosshard , Andrea Heinzelmann

Gesendet:

23.07.2013 19:01

Kommen eben vom Hirslanden bei Dr. Wehrli. Haben eine gute und eine schlechte Nachricht:
Die Gute: Die Schwierigkeiten haben höchstwahrscheinlich nichts mit dem Bauchspeicheldrüsen-Karzinom zu tun. Das scheint nach wie vor überstanden.
Die Schlechte: Momi hat ein bösartiges Eierstockkarzinom mit Ablagerungen auf dem Bauchfell (welche das Sekret in der Bauchhöhle produzieren) und auf der Leber. Es gibt verschiedene Therapien. Die werden morgen Abend im Hirslanden-Tumor-Board diskutiert und dann wird eine empfohlen!
Traurig aber wahr! Trinken Champagner!
Grüsse, Papa

  1. Juli Fischli hatte eine gute Nacht. Wir neigen im Moment eher zu Therapiemöglichkeit Operation Chemo! Was uns aber beschäftigt, ist das "explosionsmässige" Tumorwachstum, wie Dr. Wehrli sagte, sowie, dass auch Dr. Wehrli. am 5. August in die Ferien geht! Falls man bis nach seinen Ferien warten würde, vermehren sich dann die Ableger ins Unermessliche? Müsste man deshalb nicht sofort, d.h. vor Dr. Wehrli's Ferien operieren?                          
    Das fragte ich Dr. Wehrli per folgenden Fax:
    Sehr geehrter Herr Dr. Wehrli,
    Nach längeren Gesprächen neigen wir im Moment eher zu Therapiemöglichkeit Operation Chemotherapie. Wir verstanden Sie gestern so, dass Sie uns diese Variante empfehlen.
    Was uns dabei aber beschäftigt, ist das "explosionsartige" Tumorwachstum, wie Sie uns gestern erklärten, und dass Sie am 5. August in die Ferien gehen.
    Falls man mit der Operation bis nach Ihren Ferien warten würde, vermehren sich dann die Ableger ins Unermessliche? Müsste man deshalb nicht sofort, also vor Ihren Ferien operieren, falls Sie überhaupt noch Zeit dafür hätten?
    Wenn Sie uns heute Abend anrufen, dürften wir auch diesbezüglich um Ihren Bescheid bitten?
    Mit bestem Dank und freundlichen Grüssen,
    bis heute Abend,
    Telefon von Dr. Wehrli um 21.15 Uhr: Board hat seine Empfehlung vollumfänglich bestätigt. Und er würde nicht bis nach seinen Ferien warten! Wir bedingen uns Bedenkzeit aus bis morgen früh.
    Wir sitzen bei Kerzenlicht und einem Quittenschnaps auf der Terrasse und schauen schweigend und nachdenkend auf den See und die vielen so vertrauten Liechtli am anderen Ufer. Es ist Vollmond, eine richtige Sommernacht, ein wunderbares Umfeld für so einen schwerwiegen­den Entscheid.
    Wir schlafen beide nicht sehr gut! Sind zwischendurch hellwach! Halten Händchen.

    25. Juli Donnerstagmorgen um 09:30 Uhr ruft Fischli die Praxis Dr. Wehrli an: Wir wählen Variante Operation Chemo, und zwar vor den Ferien von Dr. Wehrli. Frau Suter meint, sie müsste aber dazu zuerst auch noch ein Bett finden….
    Und wieder einmal müssen wir auf Bescheid warten … .

    26. Juli           Freitagmittag um halb zwei ruft Frau Suter an: Möglich wäre Operation am Montag, 29. Juli, 12:15 Uhr, Eintritt Sonntag 15:00 Uhr. Fischli ist einverstanden. Leider haben wir am Morgen schon fürs Wochenende gepostet, sodass ich ab Sonntagnachmittag mit Speisen reichlich versorgt bin!

    27. Juli           Es ist wie beim Zahnarzt: Wenn man gehen kann, tut's nicht mehr weh: Fischli hatte eine gute Nacht und hat heute Samstag Lust auf unseren Spaziergang! Wir haben heute Abend sogar Gäste: Brunnschweilers kommen zu einem z'Nacht. Wir haben 34 Grad auf der Terrasse, und drinnen 33 Grad! Sehr schöner Abend.

    28. Juli            Wieder hat Fischli eine gute Nacht und wieder machen wir unseren Morgenspaziergang!
    Dann Packen und um 15:00 Uhr Einrücken in der Klinik Hirslanden, Zimmerbezug, Blut geben, Kardiogramm machen;
    Gespräch mit Anästhesist: Ich habe vom letzten Mal Kopien des Formulars bei mir, das schreibt er teilweise ab, er müsse ja davon aber die Originale haben. Sie werden wieder die Kanüle ins Rücken­mark montieren für die Schmerzbekämpfung: Wenn es fest weh tut, kann sie dann auf einen Knopf drücken, dann kommt Schmerzmittel und damit auch die Linderung! Wahrscheinlich komme sie nur in den Aufwachraum, nicht auf die Intensivstation, höchstens bei Komplikationen nach dem Aufwachraum.
    Fischli darf heute nur noch eine Bouillon zu sich nehmen. Also gehe ich heim, den Baudroie kochen! Währen dieser Zeit kommt Dr. Wehrli: Es gibt eine wesentlich kleinere Operation als bei der Pankreas-Operation. Dr. Wehrli wird mich nach der Operation anrufen.
    Ich gehe dann nach dem Essen nochmals für eine Stunde zu ihr. Wir WhatsAppen dann noch intensiv mit Bosshards. Auch die Buben schreiben auf ihren iPhones selbständig gute Wünsche an Tuma!
     Wir beide gehen früh ins Bett. Gut Nacht Telefon um 21:50 Uhr.

    29. Juli            Guten Tag Telefon um 07:30 Uhr. Fischli kriegt noch einen Einlauf. Sie ruft mich an, wenn dieser vorbei. Zwischen 10 und 11 bin ich bei ihr, bis sie die Beruhigungspille kriegt. Die Operation ist etwas früher! Kurz vor 11 Uhr wird sie abtransportiert.
    Dann geht das Warten los.
    Um 15:05 ruft Dr. Wehrli an: Alles sei wie geplant abgelaufen. Vieles herausgeschnitten: Eierstöcke, Eileiter, Teil Bauchfell, Teil des einen Leberlappens etc. Glücklicherweise habe man keinen künstlichen Darmausgang installieren müssen. Jetzt hoffe er, dass sie sich möglichst schnell gut erhole, damit man mit Chemo bald jene infizierten Teile behandeln könne, die man noch belassen musste. Es sei schon deprimierend, wie schnell dieser Eierstockkrebs wachsen könne, von dem man vor 2 Monaten noch nichts gesehen habe und wie verheerend er sich im Bauch ausbreite. Ich könne gegen Abend zu ihr auf die Intensivstation, am gleichen Ort wie letztes Mal.
    Aufschnaufen: Erste Etappe geglückt!
    Telefon an Ghia. Ist auch erleichtert.
    WhatsApp an Lexi in Namibia. Sie reagiert eine halbe Stunde später, als sie nach Okaukuejo ins Camp einfuhren und wieder Netz hatte. Sie ist auch glücklich. Sonst hätte ich angerufen.
    Tel an Vrenely: Nicht da; deshalb E-Mail.
    Krankheitsgeschichte schreiben; zu viel anderem bin ich nicht fähig. Um 18:00 Uhr gehe ich zu ihr auf die neue Intensivstation Enzenbühl (nicht Intensivstation Garten, wie letztes Mal). Sie ist wirklich ein Häufchen Elend. Sie schläft, zeigt zwar Freude, dass ich da bin, als sie kurz aufwacht, schläft aber immer sofort wieder ein. Nach 15 Minuten gehe ich wieder, sie ist zu schwach, und es ist ihr schlecht. Sie darf Wasser trinken.

    30. Juli          Ich gehe um 10:00 Uhr zu ihr. Es geht ihr immer noch nicht gut. Zusammen mit der Schwester und der Physiotherapeutin muss sie ein erstes Mal sich auf den Bettrand drehen und aufsitzen, wobei die beiden tatkräftig helfen. Man bricht aber wieder ab, da es ihr wieder schlecht wird. Sie bekommt etwas Yoghurt. Scheinbar hat man vom ganzen Verdauungsapparat (Magen, Darm etc.) nichts wegschneiden müssen, so dass sie im Gegensatz zu letztem Mal bereits essen und trinken darf. Nach einer halben Stunde gehe ich wieder. Sie schläft immer wieder ein.
    Gegen Mittag wird sie aufs Zimmer verlegt. Am Nachmittag kommt die Physiotherapeutin wieder. Bettrand sitzen! Zuhause mache ich an Ghia und Lexi ein E-Mail mit dem Gesundheitszustand.
    Ich gehe gegen 18:00 wieder zu ihr. Jetzt geht es ihr wesentlich besser. Sie trinkt aus Schnabelbecher Tee und Wasser, richtet sich zum Essen im Spitalbett selbst etwas auf und bekommt zum z'Nacht Bouillon im Schnabelbecher und isst sogar etwas Kartoffelstock mit Fleischsauce! Nachher ist sie aber so matt, dass sie immer wieder einschläft. Beim Gehen lächelt sie und sagt, ich solle den Mädchen Chussi schicken. Was ich auch je mit WhatsApp mache. Nach etwas über 1 Stunde gehe ich nach Hause und koche mir ein Rindsfilet mit Zucchetti-Gemüse und Tomatensalat! Eine halbe Flasche Zahner Pinot Noir mit der goldenen Etikette darf nicht fehlen!

    31. Juli        Ich bin um ca. 08:30 Uhr im Spital: Fischli ist sehr matt; hätte auf die Waage sollen: Ging nicht, es wurde ihr wieder übel: Morgenessen kann sie auch nicht. Schläft immer wieder ein. Ich bleibe deshalb nur kurz!
    War bei Frau Ritter. Ich habe im Zollikerberg einen Strauss für Fischli gekauft. Mache mir rasch ein Müesli und bringe dann die Blumen ins Hirslanden und stelle sie ein: Sie isst zum Z'Mittag wieder fast nichts, schläft immer wieder ein. So bleibe ich wieder nur kurz.
    Auch am Abend ist es nicht viel anders. Ich bin gerade da, als Dr. Wehrli kommt. Er ist mit dem Zustand zufrieden. Sie sollte mehr trinken. Und sich wehren, wenn sie kein Stocki mehr wolle. Es gäbe schon Alternativen wie Kompott, Glace, Milchreis usw. Die Mattheit würde wahrscheinlich bis am Montag anhalten. Nachher würde es dann etwas besser.

    1. Aug             Ich bin zwischen 9 und 10 bei ihr. Sie hat zum z'Morge etwas Zwieback und Joghurt nature gegessen und wenig Tee getrunken. Sonst hat sie heiss, und ich lege ihr nasskalte Waschlappen auf die Stirn. Sie schläft aber immer wieder ein und hat seltsame Träume.
    Lexi verlangt ihre Telefonnummer; es ist aber noch nicht gut zu telefonieren, denn sie müsste sich zu stark anstrengen.

    2. August         Dr. Wehrli kommt sich mit Dr. Peter Schmid verabschieden, Schmid war dieses Mal bei der Operation nicht dabei, da Frau Fontana assistierte. Dr. Schmid wird sie aber hier betreuen. Das ist nicht schlecht, da Fischli ihn vom letzten Mal her kennt und zu ihm Vertrauen hat; umso mehr, als scheinbar ja die Verdauung wieder nicht richtig funktioniert.

  2. August Fischli hatte bereits grosse Gespräche mit Dr. Schmid, über seinen Landwirtschaftsbetrieb im Toggenburg, seine Praxis in Rapperswil etc. Sie hat immer Drang zum Stuhlen, kann aber nicht. Dr. Schmid meint, der Darm sei durch die Operation beleidigt und streike deshalb. Man gibt Abführmittel.
     
    4.-5. Aug.  Situation unverändert. Kein Stuhl. Fischli ist es sehr viel übel. Sie hat das Gefühl, dass sich der Darm eher nach oben entleert als nach unten. Dr. Schmid entscheidet deshalb, eine Magensonde zu legen.

    6. August              Situation unverändert. Zustand eher etwas besser mit Sonde. Ich bin zusammen mit Ghia bei ihr; anschliessend zusammen im Riethof-Garten Mittagessen. Abends geht es Fischli wieder schlech­ter.

    7. August              Dr. Schmid entscheidet, alle Infusionen abzubrechen und die Magensonde zu entfernen: Das beinhalte das Risiko, dass man nochmals alles setzen müsse, aber er wage es. Lexi kommt heute Morgen früh aus den Ferien zurück. Momi ist aber zu schwach für einen Besuch der ganzen Familie. Bis sie so etwas sagt, muss es ihr schon sehr schlecht gehen. So kommt eben nur Lexi mit mir zu Momi. Momi weint vor Freude.

    8. August              Man hat heute Donnerstag das Gefühl, es gehe aufwärts. In der letzten Nacht konnte sie mit der Nachtschwester aufs Klo gehen und hatte scheinbar wunderschönen Stuhlgang.

    9. August              Heute Morgen werden die Fäden der Operationsnaht gezogen. Am Nachmittag hat Fischli dann aber das Gefühl, dass jemand etwas Übelriechendes ausgeleert hat, denn sie bemerkt einen übel riechenden Flecken auf dem eigenen, roten Nachthemd, das sie heute zum ersten Mal angezogen hat. Abends spürt sie noch Nässe: Durch ein Löchlein in der Narbe dringt diese ganz übel riechende Flüssigkeit, bräunlich wie Stuhl. Die Schwester alarmiert sofort Dr. Schmid, der für morgen Samstag ein CT anordnet.

    10. August            CT zeigt verschiedene "Abszesse". Diese und die austretende Flüssigkeit sind Grund für den schwerwiegenden Entscheid von Dr. Schmid, für Sonntagmorgen eine 1. Notoperation anzuordnen: Er wird nochmals öffnen, um die Abszesse zu entfernen. Fischli geht es sonst eigentlich recht gut. Sie hat sogar mehr Appetit als vorher.

    11. August              Kurz vor 10 ist es soweit. Fischli wird hinuntergefahren. Ich war bei ihr, solange ich konnte.
    Um 13:15 Uhr ruft Dr. Schmid an: Man habe leider den mittleren Teil des Dickdarms entfernen müssen, da er nicht mehr durchblutet war und abgestorben sei. Dadurch sei der ganze Darminhalt jeweils in die Bauchhöhle ausgeflossen. Man habe ein sog. Stoma, d.h. einen künstlichen Darmausgang angelegt, der später allenfalls rückoperiert werden könne, was aber im Moment nicht relevant sei. Die Bauchhöhle habe man jetzt gut gespült und desinfiziert, das Bauchfell geschlossen, die Haut jedoch noch nicht definitiv zugenäht, da die Wunde mit Bakterien des Darminhalts verunreinigt sei und man diese Bakterien nie restlos entfernen könne. Im Moment sei ein sog. Vakuumverband angelegt worden, den man immer wieder erneuern müsse, bis man dann schliesslich zunähen könne. Es sei eine grosse Operation geworden, die anschliessend leider grosse Risiken für Infektionen beinhalte. Fischli sei im Moment zwar stabil aber intubiert auf der Intensivstation.

Auf meine Frage, ob ich sie gegen Abend besuchen könne, meinte er, vielleicht besser erst morgen früh. Ca. um 16:00 Uhr ruft Dr. Schmid aber nochmals an, er sei eben bei ihr gewesen und er denke, dass ich sie heute Abend schon rasch besuchen könne.

Eigenartig: Vom ursprünglichen Grund für den Eingriff am 29. Juli, dem Ovarial-Karzinom, spricht heute überhaupt niemand mehr! Nur noch von neuen Schwierigkeiten!

Ca. 18:00 Uhr gehe ich zu ihr: Sie hat neben den vielen anderen Schläuchen jetzt eine Magensonde und ist zudem noch intubiert, d.h. sie hat einen dicken Sauerstoffschlauch bis in die Lunge und kann dadurch nicht reden. Sie zeigt aber immer wieder stumm auf ihren Unterleib. Dann werden in meiner Anwesenheit die Magensonde und der dicke Sauerstoffschlauch gezogen und sie kann endlich sagen, dass sie entsetzliche Schmerzen habe und diese nicht mehr länger aushalte. Das hat Fischli bis heute noch nie gesagt! Also muss es wirklich absolut entsetzlich sein! Man gibt ihr sofort Schmerzmittel, welche glücklicherweise nach ein paar Minuten wirken.
Sie ist aber sehr matt, hält mich aber immer fest und meint, ich müsse etwas Geduld haben, bis sie wieder mit mir auf den Marsch in den Zollikerwald kommen könne… .  Als sie einschläft, gehe ich nach ca. 40 Minuten wieder nach Hause. Es ist furchtbar, Fischli so leiden zu sehen und nichts dagegen tun können!

12. August             Ich gehe am Montagmorgen ca. halb neun zu ihr: Man lässt mich zwar grosszügig eintreten, sagt mir aber klar, dass Besuchszeit auf der Intensivstation nur von 11:00 bis 20:00 Uhr sei.
Fischli ist, für mich sehr überraschend, erstaunlich munter, stellt mich dem diensthabenden Arzt und dem Pfleger vor, trinkt Wasser und ist hell wach. Man habe etwas Schwierigkeiten mit dem Kreislauf; sonst sei aber alles unter Kontrolle und im grünen Bereich.
Dann kommt gerade auch noch Dr. Schmid: Er meint, Fischli sei eine ausserordentlich zähe Person: Eine Italienerin hätte das, was sie die letzten Tage erlitten habe, nie durchgestanden! Die hätte derart geschrien, dass man sicher früher eingegriffen hätte.
Auf Fischlis Frage, wie es denn da drinnen ausgesehen habe, fragte er, ob sie das wirklich wissen wolle! Absolut schlimm! Der mittlere Teil ihres Dickdarms habe sich infolge mangelnder Durchblutung zersetzt und der Darminhalt habe offen in der Bauchhöhle gelegen. Und da wären da noch alle die kleinen, vom Krebs befallenen Teile, die man dann mit der Chemo bekämpfen müsse. Und eines dieser Teile habe die Arterie abgewürgt, welche den mittleren Dickdarm mit Blut versorge, so dass dieser Darm Teil nicht mehr durchblutet war.
Fischli fragt Dr. Schmid, ob sich denn jetzt das Ganze für so ein Grosi wie sie überhaupt noch lohne. Nun wird er sehr direkt: Wenn sie schon vom "Gehen" spreche, so gehe es doch darum, einigermassen gut und in Würde zu gehen. Wenn man jetzt gar nichts mehr gemacht hätte, wäre es sehr schlimm herausgekommen, wahrscheinlich dann eben mit grauenhaften Schmerzen und es hätte dann trotzdem solche Notoperationen etc. gegeben. Ob wir noch Fragen hätten?
Erst viel später fiel mir dann die Frage ein, ob in 10 Tagen so ein kleines Tumorteilchen wieder so stark wachsen könne, um eine weitere Arterie abzuwürgen? Scheinbar hat Herr Wehrli 13 Tage vorher dieses verursachende Krebsteilchen, das die Dickdarm-Arterie abwürgte, noch nicht gesehen, sonst hätte er es ja sicher herausgeschnitten.

Um halb elf kommt Lexi mit Frau Lippuner als Amelia-Ersatz während ihrer Ferien und will dann noch rasch zu Momi. Man lässt sie aber im Moment nicht hinein und sie müssten 30 Minuten warten, was sie aber mit Frau Lippuner nicht kann.
Dafür kommt Ghia mit Finn nach einem Arztbesuch per ÖV zu mir zum Z'Mittag und ich bringe sie dann ins Hirslanden zu einem Besuch. Von dort gehen sie dann wieder per ÖV heim.
Am frühen Nachmittag geht auch Lexi noch rasch zu Momi, und gegen Abend gehe ich dann nochmals zu ihr.
Gegen Mitternacht mache ich Dr. Schmid in die Praxis Dr. Wehrli folgenden Fax:
Sehr geehrter Herr Dr. Schmid,
Sie fragten mich heute Morgen auf der Intensivstation, ob ich noch weitere Fragen hätte. Ich hatte spontan keine, wie in solchen Fällen meistens.
Erst auf dem Heimweg kam in mir die nachstehende Frage auf, und die lässt mich inzwischen nicht mehr los. Sie basiert zwar nur auf der bescheidenen Logik eines Ingenieurs, der leider (oder vielleicht glücklicherweise?) relativ wenig Erfahrung im medizinischen Belangen hat.
Meine Frage:
Wenn Herr Dr. Wehrli anlässlich der Operation am 29. Juli das "Möckli", das scheinbar die Arterie des mittleren Dickdarms abwürgte, noch nicht realisiert hatte, muss es in ca. 10 Tagen derart gewachsen sein, dass es erst zum Würger werden konnte. Sonst hätte er es sicher entfernt.
Müssen wir jetzt in wiederum 10 Tagen "Möckli-Wachstum" damit rechnen, dass dann wieder eine Arterie zu einem anderen Organ abgewürgt wird? Solche Operationen alle 10 Tage würde wohl kein Mensch aushalten. Müsste man deshalb nicht sofort mit Herr Dr. Widmer sprechen, ob nicht bereits jetzt mit Chemotherapie dem Abwürgen von Arterien begegnet werden könnte?
Ich hoffe Sie Morgen wieder zu sehen. Oder Sie könnten die Antwort auch meiner Frau geben, der ich diese verpasste Frage heute Abend mitteilte.
Mit bestem Dank und freundlichen Grüssen

13. August          Ich gehe heute Dienstag ca. 11:10 zuerst aufs Zimmer, da ich dachte, nach dem guten Zustand gestern Abend sei sie bereits verlegt worden. Das Zimmer ist aber leer. Also gehe ich zur Intensivstation und melde mich an. Ein Pfleger kommt und fragt, ob wir uns nicht begegnet wären, diesen Moment wäre sie verlegt worden. Also begebe ich mich wieder aufs Zimmer, wo sie soeben ankommt und die Pfleger die Pumpe für den Vakuumverband und den Christbaum mit all den Infusionen am Einrichten sind.
Fischli geht es den Umständen entsprechend gut. Dr. Schmid schaut dann auch noch herein und klärt meine Frage: Er hätte noch mit Dr. Wehrli telefoniert. Dieser hätte selbstverständlich so viel wie möglich herausgeschnitten; scheinbar sei die Blutzufuhr zum Darm durch den Tumor in Mitleidenschaft gezogen worden und die Darmhaut schlussendlich geplatzt. Er vermute, dass dies bereits geschah, als er mit Dr. Wehrli den Antrittsbesuch machte und dann gleich die Magensonde legen liess. Mit der Chemo könne man leider erst beginnen, wenn die Wunden vollkommen verheilt seien, denn sonst würde die Chemo vor allem die Wunden angreifen!
Fischli müsse künftig aber bitte immer ehrlich sagen, wenn sie Schmerzen habe und diese nicht einfach "schlucken"! Eine Italienerin hätte man sicher schon Tage vorher operiert, weil sie derart geschrien hätte!
Bei meinem Abendbesuch geht es ihr auch noch einigermassen gut!

14. August           Ich gehe relativ früh zu Fischli. Im Gegensatz zu gestern geht es ihr m. E. viel schlechter! Sie atmet auch wieder viel höher!
Im Anschluss an meinen Besuch gehen Ghia und Lexi zu Fischli und kommen nachher auch noch zu mir!
Als ich um ca. 16:00 Uhr wieder zu Fischli komme, war scheinbar gerade Dr. Schmid da. Ihm gefällt die Geschichte gar nicht und er lässt wieder eine Magensonde setzten, da Fischli immer Aufstossen hat. Ich muss draussen warten und merke, dass etwas schief läuft: Schwestern wetzen durch den Gang und Fischli muss sehr leiden. Sie schläft dann ein. Ich gehe nach Hause und komme nach dem z'Nacht wieder.                          

Fischlis Moral ist total im Keller. Sie spricht mit mir das erste Mal über ihren bevorstehenden Tod:
Zuerst, wie sie sich ihr Grab auf dem Zolliker-Friedhof vorstellt! Und anstatt ein Leidmahl in einem Restaurant sähe sie im Kirchgemeindehaus einen Stehapéro mit "Zolliker" und Häppli!
Und sie hätte gerne auf der Todesanzeige den Spruch von Viktor Hugo, der über der Waschmaschine in der Waschküche hängt!
Wir weinen dann kurz miteinander, machen uns dann aber gegenseitig wieder Mut, bevor ich nach Hause gehe. Ich wache um ca. 3 Uhr früh auf und kann nicht mehr schlafen. Ich gehe an den Computer und entwerfe Todesanzeigen!

15. August             Maria Himmelfahrt! Ich bin relativ früh bei ihr. Sie gefällt mir eher etwas besser als gestern Abend. Ich muss dann mit dem BMW in die Garage. Auf dem Rückweg gehe ich wieder bei ihr vorbei: Lexi ist da.
Ca. 12:00 Uhr rufe ich Frau Suter in der Praxis Dr. Wehrli an, wann ich heute Herr Dr. Schmid treffen könne. Sie gibt mir die Nr. von Dr. Schmid, der derzeit im Auto auf dem Heimweg ist und heute nicht mehr kommt. Wir haben in der Folge ein längeres Telefongespräch:
Seiner Ansicht nach gäbe es wieder gewisse negative Anhaltspunkte wie vor der Notoperation: Er vermutet die Durchblutung des Rest-Dickdarms sei ebenfalls kritisch. Daneben habe es aber auch verschiedene beruhigende Anzeichen. Er habe sich ernsthaft gefragt, ob man jetzt nochmals öffnen soll oder nicht. Im Moment will er aber noch warten und von Tag zu Tag sehen und entscheiden! Es stellt sich auch die Frage, was man dem geschwächten Körper überhaupt noch zumuten könne.
Wir kämpften im Moment ja gar nicht gegen den Krebs, sondern um die Verdauung. Die Chemo käme ja dann ja erst noch dazu, denn die Krebs-Möckli arbeiteten in der Zwischenzeit auch munter weiter.
Das führe zwangsweise zur Hauptfrage, ob unter solchen Bedingungen lebenserhaltende Massnahmen noch sinnvoll seien. Der Zustand von ihr sei kritisch. Er möchte heute mit seiner Frage einfach verhindern, dass wir uns ganz unvorbereitet plötzlich vor die Tatsache gestellt sehen würden, dass es mit Fischli dem Ende zugehen kann.
Ich versichere ihm, dass dies uns Angehörigen sehr wohl bewusst sei, übrigens auch ihr selbst. Er ist glücklich darüber, dass wir so offen reden konnten. Ich danke ihm für das Gespräch und gebe diese Info an Ghia und Lexi weiter.
Nachdem ich per E-Mail die Töchter informiert habe, schreibe ich entsprechend den nächtlichen Notizen zwei Entwürfe von Todesanzeigen und schaue schon einmal die Adressliste dafür durch! Da gibt es dann schon noch ein paar Korrekturen!
Andrerseits glaube ich immer noch an ein kleines Wunder…

16. August           Ich bin schon relativ früh bei ihr. Dr. Schmid war schon da. Kommt ca. 15:30-16:00 Uhr wieder. Fischli gefällt mir besser heute! Sie hat auch Mumm und steht auf zum Wägen und etwas Waschen, sodass auch das Bett frisch angezogen werden kann. Gegen Mittag treffen sich Ghia und Lexi bei Momi, und kommen dann zu mir zum z'Mittag! Lexi bringt vom Markt das Essen! Schön! ich bereite noch einen Beerli-Dessert vor und tische ganz schön an!
Nachmittags bin ich um halb vier wieder bei Fischli, als Dr. Schmid kommt. Er ist auch ein bisschen zufriedener als gestern. Der Darm beginnt scheinbar zu arbeiten. Hoffen auf Morgen. Fischli hat Dr. Schmid sehr gern und volles Vertrauen zu ihm. Sie frägt deshalb, ob er dann nicht mehr komme, wenn Dr. Wehrli wieder da sein wird. Er bejaht, tröstet sie aber sofort, dass er zwischendurch schon noch hereinschauen werde. Ich frage ihn noch, ob er auch Weisswein trinke, was er bejaht, worauf ich ihm einen Wein von unserer Landwirtschaft mitzubringen verspreche …
Ich gehe nach dem z'Nacht nochmals zu ihr! Immer noch positiver Eindruck. Es ist schön zu sehen, dass Fischli zu Dr. Schmid viel Vertrauen hat. Hoffen auf eine gute Nacht!

17. August            Ich bin nach dem Marsch früh da, als Dr. Schmid wie angekündigt ca. viertel nach acht kommt. Fischli geht es gut. Auch Dr. Schmid ist zufrieden und meint "weiter so"! Ich bleibe noch; sie isst ein ganzes Joghurt, trinkt Tee und hat die Magensonde über 1 Stunde abgeklemmt, ohne Druck zu verspüren. Eigentlich alles positiv.
Daheim schreibe ich unseren Freunden:
"Es geht im Moment nicht schlecht. Sie wird bereits wieder etwas aufmüpfig!  Das war sie aber leider kurz vor der Notoperation auch schon einmal! Auch hat sie immer noch Schmerzen, die man dann jeweils still legt. Ich traue dem Bauch einfach noch nicht so recht! Und im Moment kämpfen wir ja wirklich „nur“ mit der Verdauung, gar nicht mehr mit dem Krebs! Die Chemotherapie käme dann nachher ja auch noch dazu, wenn alle Wunden verheilt sind! Und die Krebszellen wachsen fröhlich weiter. Es wird sich die Frage stellen, wieviel Fischlis Körper noch aushält!"
Über Mittag war Lexi bei ihr. Ich gehe ca. halb fünf wieder: Da ist sie immer noch gut drauf. Als ich nach dem z'Nacht wieder komme, hat sie starke Schmerzen, Druck auf dem Bauch und Drang, Wasser zu lösen, obwohl ein Katheter gesetzt ist.

Die Moral ist wiederum sehr angeschlagen. Sie ist sich bewusst, dass es ihr wirklich nicht gut geht. Und die Chemotherapie sähe sie dann überhaupt nicht mehr, irgendwann sei doch einfach Schluss.
Ich erschrecke: So rasch kann die Zuversicht von heute Morgen in den Pessimismus von heute Abend wechseln. Und ich, anstatt Zuversicht zu versprühen, habe eine Seele wie die Costa Concordia vor der Insel Giglio: Angeschrammt und in beängstigender Schieflage. Also macht mich das so traurig, dass wir wieder zusammen weinen! Zum Glück kommt dann die Schwester um allerhand Messungen vorzunehmen und Spritzen zu setzen etc., sodass wir uns nicht mehr unserem Leid hingeben können.
Ich gehe dann sehr betroffen heim, zünde mir auf der Terrasse ein Windlicht an, esse noch das vorbereitete Dessert und öffne eine Flasche Rotwein, der mir aber überhaupt nicht schmeckt.
Ich stelle mir vor, wie schön es jetzt hier draussen auf der Terrasse zusammen mit Fischli wäre, an einem so schönen Sommerabend, dazu mit einem guten Gespräch, und wie gut der Wein dann schmecken würde… .
Ich gehe besser Tagebuch schreiben und dann relativ früh ins Bett.

18. August            Heute Sonntagmorgen gehe ich sofort nach meinem Marsch zu ihr und bin sehr enttäuscht: Es geht ihr nicht besser, eher noch schlechter als gestern, also kein Fortschritt! Was dies zu bedeuten hat? Leider treffe ich Dr. Schmid nicht!
Als ich beim Morgenessen bin, kommt Ghia aus dem Spital zu mir, ebenfalls sehr enttäuscht! Dann ruft Lexi an, die ich auch enttäuschen muss!
Ich gehe kurz vor Mittag nochmals zu ihr: Jetzt gefällt sie mir wieder besser. Sie bestellt Haferschleimsuppe, ein Joghurt und Eistee! Schon mal etwas.
Herr Dr. Wehrli ist aus den Bergferien zurück und war scheinbar längere Zeit bei ihr. Sie führten auch Gespräche über wann aufhören mit lebenserhaltenden Massnahmen. Er möchte mit uns zwei ein Dreiergespräch führen.
Bevor ich heute nach 3 Wochen Fischli im Spital zum ersten Mal in den Ausgang zu Lexi zum Grillieren fahre, gehe ich noch rasch zu ihr: Sie habe mich zwar nicht wirklich erwartet; aber gedacht, dass ich nochmals komme, habe sie schon. Es geht ihr ordentlich! Hoffentlich hat sie eine gute Nacht.

  1. August           Heute wieder einmal Regen! Kein Marsch! Nach meinen "Chörnli" gehe ich zu ihr: Es geht ihr nicht schlecht. Ich finde nur, richtige Fortschritte müssten sich doch langsam ankündigen und ersichtlich sein. Und das tun sie leider wirklich nicht!
    Am Abend treffen wir Dr. Wehrli. Zuerst wechselt er in meiner Gegenwart den Vakuumverband. Es scheint, dass dies jetzt recht schmerzhaft ist. Auch gefällt ihm die Wunde gar nicht. Er schneidet zudem noch Verschiedenes heraus und legt dann einen neuen Schaumstoff in den tiefen Spalt im Bauch, der durch eine kleine Maschine permanent mit einem Unterdruck abgesaugt wird.
    Jetzt habe ich mein Fischli auch noch von innen gesehen!

    Anschliessend führen wir das geplante Dreiergespräch. Er findet im Genesungsprozess sei Verschiedenes sehr krumm gelaufen, vor allem natürlich der Darmdurchbruch! Natürlich habe er so viel wie möglich Krebszellen entfernt. Dass der Krebs aber die Darmwand so angreifen würde, hätte er nicht vermutet. Daneben wären derzeit aber auch viele positive Anzeichen festzustellen: Der Darm arbeite, es gebe keine Infektionen, Blutdruck, Tem­peratur und Puls stimmten. Im Moment bestünde also absolut keine Lebensgefahr. Er würde ihr gerne noch etwas Blut geben, da sie derzeit etwas zu wenig habe. Er finde es zu früh, eine Diskussion über das Absetzen lebenserhaltender Massnahmen zu führen. Wichtig sei, dass wir uns in der Familie über den schlimmsten Fall unterhalten, damit allenfalls ein negativer Bescheid nicht so brutal über uns herein fallen würde. Er sei auch jederzeit bereit, einmal mit der ganzen Familie oder mit den Töchtern zu sprechen. Wichtig für Fischli sei auch zu wissen, dass er und Familienmitglieder keine Geheimnisse vor der Patientin hätten. Die Pathologen haben im Übrigen jetzt zweifelsfrei festgehalten, dass bei der neuen Erkrankung der Primärtumor nicht im Eierstock sondern auf dem Bauchfell war. Diese Krebsart ist sehr speziell und kommt äusserst selten vor.
    Fischli bleibt sich damit also auch in der übelsten Krankheit selber treu: Sie hatte Spezielles und Seltenes immer besonders gern …

    20. August          Ich mache zusammen mit Simon Hug am Morgen nach der Fitness die Abschluss-Spritzung im Rebberg. Nachher gehe ich zu ihr. Sie hatte eine gute Nacht und es scheint ihr etwas besser zu gehen. Heute wird auch die Magensonde gezogen und sie muss wieder beginnen, richtige Mahlzeiten zu sich zu nehmen. Auch bekommt sie heute einen ersten Sack Blut. Sie bestellt ein wunderbares Menü, leider wird ihr kurz vor dem Essen übel. Der Grund ist unklar: Entweder aus Überbelastung durch Aufstehen, durch die Physiotherapie etc. oder ev. auch durch die Blutkonserve. So isst sie davon nur relativ wenig.

    21. August           Ich gehe relativ früh zu Fischli, da ich nachher zu Frau Ritter gehen muss. Sie gefällt mir etwas besser. Sie wird heute nochmals einen Sack Blut erhalten, da die Blutmenge immer noch relativ bescheiden ist. Sonst ist allerhand los: Dauernd Programm! Fast zu viel, so dass sie jeweils richtig erschöpft ist und es ihr übel wird. So kann sie auch das Mittagessen nicht einnehmen, nur Zwieback und Tee.Ich gehe gegen halb fünf wieder zu ihr. Gleichzeitig kommt auch Dr. Wehrli. Er scheint auch zufrieden zu sein. Morgen wird der Vakuumverband wieder erneuert. Er hat Dr. Schmid aufgeboten, um es zu dritt zu machen. Fischli bittet, dies in einer kleinen Narkose zu tun, sie hätte letztes Mal so starke Schmerzen gehabt. Mir scheint, sie schnaufe wieder etwas kurz, sage dies aber nicht, um sie nicht zu beunruhigen.
    Am Abend für der Abendtoilette geht sie ins Bad und muss Alarm schlagen, da sie in der Stellung am Brünneli plötzlich keine Luft mehr bekommt. Sie meint, sie sterbe und ist danach etwas durcheinander; sie schläft deshalb auch schlecht. Für den nächsten Morgen wir eine Thorax-Röntgen­aufnahme angeordnet, und je nach Resultat allenfalls Wasserentzug aus der Lunge!

    22. August Ich komme kurz vor 9 zu ihr: Lexi ist auch schon da. Fischli wird bei meiner Ankunft gerade zum Röntgen gefahren. Tschüss, und nachher zur Narkose ins Ops zum Erneuern des Vakuumverbandes und zusätzlich allenfalls zur Wasserentnahme aus der Lunge. Also gehe ich dann erst am frühen Nachmittag wieder zu ihr.
    Lexi hat einen Termin in der Stadt und kommt nachher rasch zu mir! Sie erzählt mir die obige Geschichte vom Vorabend bei der Abendtoilette, die für mich neu war!
    Ich gehe 14:00 Uhr wieder zu ihr. Da kommt sie eben zurück, mit noch einem Schlauch mehr: Jetzt wird also auch noch Flüssigkeit aus der Lunge abgesogen. Sie ist total erschöpft, schläft sofort ein, so dass ich schnell wieder gehe,
    Um 17:00 Uhr geht es ihr etwas besser, aber im grossen Ganzen ist es gegenüber gestern ein klarer Rückschritt.
    Als ich abends um halb neun nochmals komme, regt sie sich über Pfleger Massimo auf: Als sie ihn rief, um den künstlichen Darmausgang zu leeren, habe er gesagt, er käme dann in 10 Minuten, er sei jetzt gerade am Essen! Psychologisch nicht sehr geschickt. Sie hat das Gefühl, dass Massimo nicht sehr belastbar sei…
    onst war sie doch nie so empfindlich! Der künstliche Darm­ausgang macht ihr sehr zu schaffen, davon bin ich überzeugt.
    Dann sagt sie unverhofft, ich müsse jetzt stark sein: So wolle sie absolut nicht mehr weiter leben. Als ich im Moment sprachlos bin, fragt sie, wie ich darüber denke. Ich sage ihr, dass es meiner Meinung etwas früh sei, ihren starken Willen aufzugeben, um gesund zu werden. Bei der Bauchspeicheldrüse vor 2 ½ Jahren habe sie stärkeren Lebenswillen gezeigt und sei dafür doch auch belohnt worden.
    Sie ist gar nicht mit mir einverstanden, das wäre damals ganz anders gewesen! Wir schweigen beide lange zusammen!

    23. August            Ich gehe heute drei Mal, auch Ghia besucht sie. Fortschritte sind leider nicht feststellbar! Die Sache mit dem künstlichen Darmausgang beschäftigt sie mehr als sie zugibt! Sie hat immer das Gefühl, sie stinke, was sie wirklich nicht tut. Sie findet, das sei wirklich das Letzte. Natürlich macht das Stoma zwischendurch Geräusche. Dann sagte sie einmal: "Stell Dir vor wie wären eingeladen und mein Darmausgang macht solche unanständigen Geräusche“! Überhaupt schwindet m. E. ihre Zuversicht zur Genesung immer mehr!

    24. August Ich gehe nach dem Marsch um 08:00 auf den Samstags-Markt und in die Migros, dann zu ihr. Es geht ihr etwas besser als gestern. Nach mir geht Lexi und Philipp sie auch besuchen. Ich gehe kurz bevor ich um 13:00 Uhr nach Uster fahre nochmals zu ihr: Dr. Wehrli hat den Lungenschlauch gezogen, da praktisch nichts mehr abgepumpt wurde.
    In Uster beim Nachtessen läutet plötzlich mein Handy: Ich erschrecke über einen Anruf von Fischlis Handy: Sie hätte nur sehen wollen, ob dieses noch funktioniert. Grosse Freude: Kommt der Lebensmut wieder?
    Ich fahre von Uster direkt zu ihr: Da ist sie aber schon wieder etwas niedergeschlagener, hat Schmerzen und Übelkeit! Ich soll um 10 Uhr morgen kommen für ein Gespräch mit Dr. Wehrli. Schmerzen vergehen nur sehr langsam: Traurig, dass mitansehen zu müssen wie sie stöhnt!

    25. August           Nachdem gestern Nachmittag Momi Dr. Wehrli klar kund tat, dass sie so nicht mehr weitermachen möchte, und der Arzt leider gleich darauf plötzlich zu einem Notfall gerufen wurde (wofür er sich heute in aller Form entschuldigte), konnte er zusammen mit mir nur noch für heute Sonntag-Morgen 10:00 Uhr ein Gespräch vereinbaren.
    Bei diesem Gespräch meinte Dr. Wehrli zuerst, dass er schon erschrocken sei, wie Momi ihm unmiss­verständlich Kund getan habe, dass sie nicht mehr weiterleben wolle. Er hätte sie ja jetzt über 2 ½ Jahre als sehr besonnene Kämpfernatur kennen gelernt und schätze sie als eine Frau ein, die nicht aus einer Laune heraus so etwas sage. Darum nähme er die Sache sehr ernst. Es sei aber nicht so einfach, wie sie sich dies wahrscheinlich vorstelle.                          
    Dr. Wehrli erklärte uns dann die Spannweite, in welcher wir uns bewegen, zwischen Medizin einerseits und Recht andrerseits, noch mit der Ethik dazwischen. Im Zustand, in dem sich Momi heute befindet, würde die Wegnahme der Infusionen und die Beseitigung des Vakuumverbandes etc. nichts bringen, da diese Massnahmen die Genesung noch unterstützen. Es werden derzeit beispielsweise keine Antibiotika mehr abgegeben, und die Entwicklung der Genesung ist, im Gegensatz zur subjektiven Wahrnehmung durch die Patientin, für den Mediziner in Anbetracht der Schwere der zwei Eingriffe recht zufriedenstellend. Bei einem Wegfall der erwähnten Massnahmen würde der Körper zwangsweise übernehmen, vielleicht würde die Genesung etwas langsamer gehen als mit den Infusionen, aber sonst würde gar nichts passieren. Natürlich könnte man gewisse Überdosen von Substanzen spritzen, was aber eigentlich überhaupt nicht zur Diskussion steht. Das wäre dann aktive Sterbehilfe, was in unserer Rechtsprechung als Mord verfolgt würde.
    Wenn Momi uns wirklich verlassen will, so wäre dies derzeit nicht nur durch das Weglassen lebenserhaltender Massnahmen möglich. Wenn sie das tatsächlich will, müsste sie dies mit Exit tun.
    Ich äussere mein Gefühl, dass Fischli neben allen Schmerzen und Übelkeit vor allem das Stoma, d. h. der künstliche Darmausgang bedrücke und damit das Leben nicht mehr lebenswert erscheinen lasse.
    Da zählt Dr. Wehrli ohne Namen zu nennen Politiker, Sportler, Künstler etc. auf, die teilweise ihr gesamtes Leben damit recht gut lebten, damit am Fernsehen aufträten, damit Kinder kriegten, ja damit im Sport selbst Europameister wurden. Für den Umgang damit im Alltag würde Fischli bestens informiert und instruiert; dann gäbe es auch noch die Spitex, und sie könnte sicher auch auf meine Hilfe zählen. Er meine wirklich, dass dies eher eines der kleineren Probleme sei. Er sehe jetzt aber, dass sie enttäuscht sei über seine Ausführungen und die Möglichkeit, nur mit Exit aus der Welt zu gehen. Er würde auch verstehen, wenn wir vielleicht darüber ohne ihn reden wollten.
    Momi entgegnet darauf, wieso ich eigentlich so gar nichts dazu sagen würde! Die Töchter hätten teilweise viel mehr Verständnis für ihren Wunsch als ich! Da sage ich, dass ich die Meinung von Dr. Wehrli teile. Meiner Meinung nach wäre es schon der Wert, noch etwas weiterzukämpfen.
    Dr. Wehrli machte uns dann noch das Angebot, einmal auch in Anwesenheit der Töchter en famille darüber zu sprechen. Vielleicht wäre das ganz gut! Damit überliess uns Dr. Wehrli dem Grübeln, wünschte trotzdem einen schönen Sonntag und sagte, er schaue dann gegen Abend nochmals herein!                          
    Fischli war sehr enttäuscht über das Gespräch, ja zwischendurch schüttelte sie sogar energisch den Kopf. Sie hat sich ihr Ende des Leidens wahrscheinlich viel einfacher vorgestellt. Dann kamen wieder Schmerzen und Übelkeit, sie läutete und dann kam die Pflegerin mit einer Infusion dagegen.
    Ich sass noch lange schweigend neben ihr, ihre Hand haltend…
    Wir haben aber nicht mehr darüber gesprochen; vielleicht auch deshalb, weil sie natürlich seit dem Tod von Schwager Alois Stadlin unsere eher negative Meinung über Exit sehr bewusst war. Wir sahen damals in dieser Art des Sterbens eine menschliche Anmassung, Gott die Verfügungsgewalt über Leben und Tod aus der Hand zu nehmen, sozusagen das Zepter selbst zu ergreifen. (Siehe dazu die Bemerkung ganz am Schluss dieser Notizen!)
    Ich war um 4 Uhr wieder bei ihr. Da hatte sie starke Schmerzen und es war ihr schlecht. Auf meinen Vorschlag, zu läuten, meinte sie, sie könne nicht schon wieder läuten, denn sie kriege im Moment nichts. Dann musste sie Erbrechen und als ich sie noch fragte, warum sie denn jetzt nicht endlich läute, denn Schmerzen müsse man wirklich nicht haben, schickte sie mich ziemlich energisch weg nach Hause. Oder meint sie allenfalls, ich ertrage Erbrochenes nicht? Ich habe immerhin ihr Erbrochenes gehalten und dem Pfleger gereicht!
    Ich bin sehr traurig, nicht nur über ihren Gesundheitszustand, sondern vor allem, dass sie mich weggeschickt hat. Zuhause backe ich mir den Saibling im Ofen, mache Gemüse mit eigenen Zucchetti, dazu Tomatensalat.
     Als ich nach dem Essen wieder zu ihr gehe, ist Lexi da. Fischli sieht mich immer noch richtig abweisend, fast "feindlich" an, worauf ich sage, wahrscheinlich hätte sie mich jetzt nicht mehr gern, weil ich nicht ihrer Meinung wäre, und gehe sofort wieder. Ich denke, dass es jetzt wahrscheinlich besser ist, wenn Lexi mit ihr spricht, als wenn wir wieder stundenlang neben und miteinander schweigen. Dies sollte unsere letzte, kleine Meinungsverschiedenheit sein, nur wusste ich dies damals noch nicht. Es macht mich unendlich traurig, dass Fischli mich nicht verstehen will, oder besser, dass wir über den weiteren Verlauf ihrer Krankheit verschiedener Meinung sind. Ich habe zwar viel Verständnis für ihren Wunsch, Aufzugeben, aber im Moment könnte sie ja nur mit Exit von dieser Welt!
    Nachher kommt Lexi noch zu mir, um mit mir zu reden! Momi sei überhaupt nicht feindlich oder gar böse gegen mich! Aber ich müsse doch jetzt viel Geduld haben!

    26. August           Ich bin kurz vor 9 Uhr bei ihr, mit einem neuen Zweig Rosen mit Knöpfen "Jaqueline Dupré" und einem Schneewittchen aus "ihrem" Garten. Das Frühstück liegt praktisch unberührt da, es ist ihr übel und sie hat Schmerzen. Als sie läutet bekommt sie gegen beides etwas; es nützt nur leider nichts! Sie fragt nach Motilium, das sie Zuhause jeweils nehme. Massimo sagt, das, was er ihr gebe, sei viel stärker als Motilium und sollte besser wirken! Wieso probiert man aber eigentlich das Motilium nicht mindestens einmal aus, das sich bei ihr doch scheinbar so bewährt hatte?
    Lexi ist zwischen 4 und 5 bei ihr. Auf ihrer Rückfahrt telefoniert sie mir, es gehe nicht besser als am Vormittag, vor allem die Übelkeit plage sie jetzt stark. Ich bereite mir deshalb zuerst das Nachtessen und gehe erst nachher zu ihr. Die Situation ist die Gleiche wie am Morgen und bei Lexi: Dr. Wehrli habe zwar am Mittag zwischen zwei Operationen den Vakuumverband gewechselt und den intravenösen Medikamenten-Cocktail verändert. Die Situation ist aber geblieben: Immer wieder Brechreiz; Betten-Kopfteil hochfahren, Abdecktuch bereitlegen, Sack vor den Mund, Erbrechen findet aber nur jedes x.te Mal statt, Betten-Kopfteil wieder hinunterfahren und warten auf den nächsten Brechreiz! Diese Übelkeit ist wirklich nicht lustig! Ob man wohl wieder die Magensonde setzt? Woher kommt die Übelkeit? Woher kommen die Schmerzen? Wenn man das wüsste…

    27. August            Fischli hatte eine gute Nacht und bis zum Morgenessen auch keine Übelkeit. Obwohl sie nur wenig ass, hatte sie wieder einen Brechreiz. Das besserte sich dann wieder etwas, und Dr. Wehrli konnte feststellen, dass die gestrige Umstellung des Medikamenten-Cocktails scheinbar gewirkt hat. Für den Rest der Übelkeit bekam sie um 10 Uhr nochmals eine Infusion. Es scheint aber heute wirklich etwas besser zu gehen als gestern.
     Ich war über Mittag mit den OBH-Kollegen im à L'Opéra zum Essen und fuhr nachher kurz nach zwei Uhr wieder zu ihr. Ihr Zustand war nicht schlecht aber auch noch nicht gut! Als dann der Physiotherapeut kam, sie zu plagen, ging ich mein Nukkerli machen und versprach, abends nochmals hereinzuschauen. Abends geht es ihr eigentlich etwas besser. Ich bleibe etwa 1 Stunde bei ihr, gehe dann zum Fussball Champions Ligue mit Basel gegen den bulgarischen Meister.

    28. August            Heute bin ich schon um 08:00 Uhr bei ihr. Es geht ihr besser. Sie isst wenig vom Frühstück, hat aber auch keine Komplikationen nachher. Ich weiss, dass dann nacheinander Ghia und Lexi zu ihr gehen, verabschiede mich um 9 Uhr und gehe für sie eine Body Lotion in der Import-Parfümerie posten. Um halb 11 kommen die Töchter zu mir zum Kaffee. Lexi bringt Gipfeli mit.
    Ich gehe ca. 13:00 Uhr wieder zu ihr. Lexi ist noch da. Wahrscheinlich hat sie wieder Vorhof-Flimmern mit Puls 140! Als ca. 14:00 Uhr der Physiotherapeut kommt und feststellt, dass der Puls wieder 68 ist, gehe ich, nicht ohne dass sie sich heftig gegen grosse Übungen gewehrt hat. Für ihre Verhältnisse sack-stark!
    Als ich um 17:30 wieder komme, ist eine Tafel "Nüchtern" an ihrer Türe, was mich stutzig macht. Sie klärt mich sofort auf: Der Pulsmessapparat des Physiotherapeuten war defekt und der Puls war immer noch gegen 140! Kurz nachdem der Physiotherapeut weg war, spürte sie, dass etwas aus der Wunde lief: Es war wieder Darminhalt! Dr. Wehrli wurde gesucht, es kam dann aber Dr. Schmid, nach dem Untersuch mit sehr ernstem Gesichtsausdruck. Eigentlich müsste man sofort operieren. Als dann der Chef Dr. Wehrli kam, wurde der Vakuumverband erneuert, und Wehrli sagte, dass man vermutet, dass es dieses Mal wahrscheinlich durch ein Loch im Dünndarm kommt, verursacht wieder durch ein Krebsgeschwulst. Die Darmflüssigkeit aus dem Dünndarm ist anscheinend aber so aggressiv, dass man nochmals operieren müsste, falls es nicht stoppt und nicht durch die Vakuumpumpe des Verbandes abgesaugt werden kann.
     Im Moment verspürt Momi weder Schmerzen, und auch die Übelkeit mit Erbrechen scheint überwunden; dafür kommt unglücklicherweise neues Ungemach mit diesem Loch im Dünndarm! Sie ist wirklich ein armes Geschöpf!
    Durch die neue Geschichte sind auch wieder der Mut und die Zuversicht tief im Keller. Wir haben ein wunderbares Gespräch: Ich sage ihr, dass ich selbstverständlich volles Verständnis dafür hätte, wenn sie unter solchen Umständen lieber ab dieser Welt gehen würde. Andrerseits würde ich jenen Weg suchen, mit welchem sie am wenigsten leiden müsse. Am schönsten wäre wahrscheinlich für sie, wenn sie bei einer neuerlichen Operation einfach nicht mehr erwachen würde. Sie schätzt meine Offenheit und mein Verständnis, lächelt und sagt dann liebevoll:
    "Wenn ich dann nicht mehr da bin, sende ich Dir mit jeder Blume, die im Garten neu erblüht, jeweils einen Gruss aus dem Jenseits".
    Dann weinen wir kurz inniglich miteinander. Sie liebte doch den Heinrich Heine Spruch über alle Masse: "Wenn Du eine Rose siehst, sag ihr, ich lass sie grüssen"!
    Ich gehe dann nach Hause orientiere per E-Mail Töchter, Brunnschweilers und Nelly. Lexi ruft sehr traurig zurück! Dann ruft mich Fischli an: Die Wunde wäre wieder aufgegangen und es laufe Darminhalt heraus. Sie müsse sich jetzt entscheiden, ob man nichts machen wolle oder eine neue Not-Operation. Zum Glück haben wir noch am Abend darüber gesprochen, was das kleinere Übel wäre. Nichts machen mit zusätzlichen Schmerzen und ev. trotzdem noch einer Notoperation, oder erneut Operieren. Dann entscheiden wir uns für eine Operation mit dem Wunschdenken, allenfalls nicht mehr zu Erwachen! Es wird die dritte Operation innerhalb eines Monats sein! Falls sie das notwendige Personal auftreiben können, wird sie noch diese Nacht operiert. Ich bitte Fischli, Dr. Wehrli zu sagen, er soll mich nach der Operation bitte anrufen. Ich orientiere telefonisch Lexi, die sehr traurig ist. Ghia erreiche ich nicht. Ich spreche ihr auf den Beantworter.
    Dann schreibe ich noch Tagebuch und gehe ins Bett.
    Ich schlafe schon, da ruft ca. 23:00 Uhr Ghia an, sie habe mein E-Mail und die Com-Box erst jetzt gesehen bzw. abgehört und ist auch sehr traurig. Ob man sie jetzt noch besuchen könne? Ich denke eher nein, denn wahrscheinlich sei sie jetzt schon unter dem Messer. Ich verspreche aber, zu berichten, sobald ich etwas höre.

    29. August           Kurz nach halb eins weckt mich der Telefonanruf von Dr. Wehrli: Fischli wäre jetzt ein drittes Mal operiert worden. Zwar habe man als Überraschung keine Darmperforation, sondern einen Abszess in der Bauchhöhle gefunden, der von der ersten Darmperforation herrühre. Das Immunsystem sei scheinbar jetzt ebenfalls angeschlagen. Alles sei aber gut verlaufen, man habe die Bauchhöhle wieder gereinigt und man lasse sie nun auf der Intensivstation etwas verzögert aufwachen, damit dann die grössten Schmerzen vorbei seien.
    Ich gebe per SMS diesen Bescheid anschliessend an Ghia, Lexi, Vrenely und Nelly durch. Morgen früh nach 11 Uhr werde ich sie besuchen und dann wieder Bescheid geben.
    Lexi kommt um halb elf zu mir und wir gehen um 11 Uhr in die Intensivstation. Dort läute ich, stelle mich vor. Zuerst passiert gar nichts. Nach 5 Minuten läute ich wieder. Eine Stimme sagt "Moment… ", Es passiert aber wieder gar nichts. Nach einer halben Stunde warten läute ich wieder: Wieder "Moment!" Nach etwa 5 Minuten kommt eine Pflegerin und sagt, Fischli werde gerade aufs Zimmer verlegt. Wenn sie nicht hier vorbei fahren würde, werde sie uns informieren. Gegen 12 Uhr schieben 2 Pflegerinnen Fischli heraus. Ihr Zustand ist ziemlich schlimm: Schmerzen und Übelkeit!
    Wir gehen mit dem Transport nach oben. Es geht ihr sehr schlecht und sie hat Brechreiz. Lexi und ich bleiben etwa eine Stunde bei ihr, Dr. Wehrli kommt auch und ist höchst erstaunt, dass sie schon aus der Intensivabteilung ausquartiert wurde. Gegen 1 Uhr melden wir uns ab und gehen essen. Lexi geht anschliessend nochmals; es ist scheinbar etwas besser! Ich gehe dann gegen Abend wieder.
    Fischli geht es abends tatsächlich etwas besser, sie ist aber sehr matt. Es ist ihr immer noch leicht übel und sie hat sehr heiss. Ich bleibe fast 2 Stunden bei ihr, lege schweigend Waschplätz um Waschplätz auf ihre Stirn! Hoffentlich hat sie eine gute Nacht.

    30. August           Ich bin kurz nach 8 bereits wieder bei ihr. Ich kam heute Morgen wie in den letzten Tagen immer wieder mit einem unguten Gefühl, was wohl heute wieder Neues los wäre! Ich war überglücklich, als heute für einmal nichts Negatives antraf. Heute geht es Momi für einmal wirklich etwas besser als gestern. Sie ist zwar immer noch sehr matt und hat Mühe, wach zu bleiben. Hingegen hat sie heute weder Schmerzen noch Übelkeit. Hoffen wir, dass dies für einmal anhält!
    Auch am Nachmittag geht es ihr immer noch relativ gut. Herr Dr. Wehrli erneuert den Vakuumverband und es scheint alles O.K. Ich gehe deshalb nochmals nach dem Z'Nacht zu ihr und bleibe bis halb 10, auch da geht es ihr recht gut.

    31. August          Als ich kurz nach 8 Uhr fröhlich eintrete, ist Fischli aber schon wieder sehr niedergeschlagen: Der gestern angelegte Vakuumverband rinne schon wieder und es trete Flüssigkeit aus. Man habe Dr. Wehrli alarmiert, der sei aber auf der Autobahn nach Heidelberg. Anstelle von ihm werde Dr. Schmid nach 9 Uhr kommen und den Verband erneuern.
    Dr. Schmid schliesst dann den unteren Teil der Wunde wieder mit einem Vakuumverband, auf den oberen Teil, wo die Flüssigkeit austritt, klebt er einen weiteren Deckel mit Sack ein sog. "Stoma" auf (das heisst einen künstlichen Darmausgang), der die austretende Flüssigkeit aufnimmt.
    Man muss jetzt bei Fischli diese Stomas nummerieren:
    Stoma I = echter Darmausgang für Stuhl,
    Stoma II = Entwässerung des oberen Teils der Wunde mit Verbindung zur Bauchhöhle, und
    Stoma III = künstl. Darmfistel am oberen Ende des jetzt nicht mehr gebrauchten, ersten Drittels des Dickdarms.
    Dazwischen dichtet Dr. Schmid die Wunde mit einem Gel. Und es tritt dann aber bei Stoma II wirklich bald schon wieder Flüssigkeit und Gas aus, was und woher weiss man noch nicht. Es könnte allenfalls wieder von selbst schliessen, d.h. von selbst aufhören zu blubbern, was m. E. die Ärzte auch sehr hoffen. Sonst wird man wohl oder übel noch ein viertes Mal aufmachen müssen. Lexi und Philipp kommen gerade auch noch dazu.
    Am Nachmittag und Abend ist dann alles stabil! Interessant ist noch, dass jetzt vor allem Gase entweichen, denn der Sack ist manchmal wie ein Ballon prall voll Gas! Ich mache die Bemerkung, dass ich sie, wenn ich das nächste Mal komme, dann nicht wie einen Ballon an der Decke antreffen will. So haben wir zwischendurch auch wieder zusammen gelacht! Fischli ist erstaunlicherweise recht guten Mutes.

    1. September        Am Sonntagmorgen um 08.20 Uhr bin ich da. Fischli hat heute schlecht geschlafen, hat auch Schmerzen und ist sehr matt. Sie bekommt gleich eine Schmerzspritze, die sie noch schläfriger macht. Nach 1 Stunde fahre ich heim zum Morgenessen. Nach mir kommt Ghia, da scheint es ihr bereits wieder etwas besser zu gehen. Auch Dr. Wehrli habe hereingeschaut und sei eigentlich zufrieden gewesen.
    Ich fahre um die Mittagszeit wieder hin. Jetzt ist die Magensonde weg, sie ist recht munter und, vor allem, sie darf wieder essen. Man offeriert ihr Entrecôte mit Stocki und Zucchetti-Gemüse. Sie hat aber keine Lust auf Fleisch und nimmt nur Stocki mit Bratensauce und das Gemüse. Und zum Dessert Apfelmus. Sie isst ordentlich, ist dann aber vom Essen ziemlich erschöpft. Sie lächelt herzig, als ich sage, sie wäre viel erschöpfter als früher nach einem 6-Gänger!!! Wichtig ist aber, dass es ihr nicht übel wird!
    Heute vor 5 Wochen um 15:00 Uhr war Einrücken…
    Ich bin dann zwischen halb fünf und halb sechs wieder bei ihr. Es geht ihr im Moment einigermassen gut. Dann gehe ich heim zum Nachtessen und komme um halb acht wieder. Da hat sie seit den Spaghetti zum Nachtessen Druck auf dem Magen, es ist ihr übel und sie bekommt dazu auch noch Schmerzen. Man gibt ihr eine volle Dosis gegen Übelkeit und gegen Schmerzen, dann werden zusätzlich die übrigen Infusionen erneuert. Gegen 9 Uhr bessern die Schmerzen, die Übelkeit bleibt aber leider vorderhand. Ich verabschiede mich dann ca. 21:15 Uhr. Hoffentlich hat sie eine gute Nacht.

    2. September        Nach Fitness und Morgentoilette war ich halb 9 Uhr bei ihr. Sie hatte heute eine einigermassen befriedigende Nacht und es geht es ihr heute Morgen ordentlich, und sie hat nach der Erfahrung mit dem gestrigen Nachtessen nur sehr wenig gefrühstückt, so dass es ihr jetzt noch wohl ist und sie keinen Druck auf dem Magen hat. Ein weiteres, gutes Zeichen: Heute will sie sogar zum ersten Mal seit Spitaleintritt die NZZ durchblättern! Ich reinige ihr dazu wieder einmal die "Milchgläser" ihrer Lesebrille!
    Jetzt kommt dann noch Lexi auf dem Weg nach Basel (Geburtstag von Gottekind Luca) zu ihr. Die Blase macht Schwierigkeiten: Sie hat Drang, obwohl der Blasenkatheter läuft. Dieser wird gespült und 2 Spritzen Urin entzogen. Dann wird es nach ca. 15 Minuten langsam besser. Ich gehe dann nach Uster die Buben verpflegen. Ich komme auf dem Heimweg wieder vorbei!
    Um ca. 14:00 Uhr war Fischli sehr munter, keine Schmerzen, keine Verdauungsstörungen, keine Blasenschwierigkeiten mehr, fast zu ruhig! Ausser dass das zweite Stoma II, das man anlässlich der 2. Notoperation installierte, dass dieses sehr schnell mit Gas gefüllt ist wie ein Ballon, und ich habe Angst es könne platzen. Eine Schwester lässt das Gas ab und leert das Stoma II.
    Ich gehe um ca. halb sechs wieder zu ihr! Das Stoma II ist immer wieder zum Platzen voll. Dann wieder das Gas abgelassen. Zwangsläufig bringe ich die Idee vom Biogaslieferanten für ein kleines Familienkraftwerk wieder auf, worauf sie herzhaft lacht! Sie hat sogar ihren Humor noch nicht verloren!
    Nach Dr. Wehrli, der nach 7 Uhr kommt, und den wir nach dem Grund für das Gas fragen, ist das sehr logisch, denn es wird durch gewisse Zellen gebildet, die man aufgrund der ausgeschiedenen Flüssigkeit identifiziert hat. In diesem Stoma II hat es wechselnd Flüssigkeiten, teilweise auch eitrige, die aus der Bauchhöhle kommen. Dort werden Zellen mit Antibiotikas bekämpft. Es wird für Dr. Wehrli dauernd protokolliert, wann was wieviel zu jedem Stoma herauskommt! Dr. Wehrli ist sogar sehr zufrieden, sie hätte in den letzten 2 Tagen gute Fortschritte erzielt, auch mit dem Physiotherapeuten, den sie so liebt!!!! Sie mag einfach zwischendurch nicht!
    Ich fahre ziemlich glücklich nach Hause und trinke einen grossen Schluck, auf dass dieser Genesungsprozess anhält!

    3. September         Ich gehe um Viertel vor neun zu ihr. Da ist sie recht munter. Nur die Blase macht wieder Schwierigkeiten wie gestern. Der Blasenkatheter wird wieder gespült und. Doch dann wird es wieder nach ca. 15 Minuten langsam besser. Ich bleibe bis gegen 10 Uhr. Anschliessend gehe ich posten und mache mir ein Beeren-Müesli zum Z'Mittag, gehe 1 Std nukkerlen und dann wieder zu ihr. Lexi ist auf dem Heimweg von Bern, wo sie ein Mitarbeitergespräch hatte, auch noch zu Momi gekommen. Leider ist es Fischli jetzt etwas übel, wogegen sie etwas bekommt. Dr. Wehrli war auch da und eigentlich zufrieden.
    Dann gehen wir nach Hause. Ich muss noch Rasen mähen und diverses Schneiden, dann wird der 2012er Zolliker angeliefert, wo nach dem Einkellern unter der Linde bei Oechslis der neue Jahrgang gemeinsam probiert wird. Fischli hat mir beim Spritzen des 2012ers immer geholfen, weil Marteli ihr Hüftgelenk gebrochen hatte. Ich denke, der neue Wein ist nicht schlecht! Riesling-Aroma ist da! Auch etwas spritzig. Fein! Dann koche ich mir die Coquilles St. Jaques auf Zucchetti/Tomaten-Ge­müse, dazu einen Tomatensalat mit Basilikum. Der Rest von gestern Pinot Noir St. Saphorin muss auch dran glauben!
    Dann gehe ich um halb 9 nochmals für eine Stunde zu ihr. Sie ist munter, wird gerade von ihrer Lieblingsschwester Frau Boehme versorgt. Es war einer der besseren Tage. Schlimm ist, dass sie sich kaum auf den Beinen halten oder nicht mehr vom Stuhl im Badezimmer aufstehen kann, so schwach ist sie nach den über 5 Wochen im Bett liegen…. Hoffentlich hat sie eine gute Nacht.

    4. September         Fischli hatte eine einigermassen gute Nacht, bis sie morgens um 6 Uhr starken Drang zum Wasserlösen hat. Da hat man sie scheinbar recht lang bis nach 7 Uhr warten lassen, bis etwas geschah!
    Als ich um halb 9 komme, ist Massimo und eine Schwester dabei, den Blasenkatheter zu spülen; der Katheter läuft zwar, aber trotzdem (bzw. wieder) hat sie stark Drang. Obwohl 3 Spritzen Urin entzogen werden und der Katheter etwas gestossen wird, hört der Drang nicht auf. Zu allem Ende wird es ihr auch noch übel dabei. Dann kommt Ghia und ich verabschiede mich. Ghia sagt mir nachher, dass sie dann je eine Spritze gegen Schmerzen und gegen Übelkeit erhalten habe, was die Sache etwas beruhigte. Heute will Dr. Wehrli zusammen mit Dr. Schmid den Vakuumverband und Stoma Nr. II erneuern.                          
    Ich war vor dem Coiffeur zwischen halb 2 und halb 3 nochmals bei ihr: Ich weckte sie beim Eintreten. Es ist ihr ein bisschen übel, sonst ist alles praktisch normal. Zwischen 5 Uhr und halb 8 war ich wieder da, der Verband wurde am Nach­mittag durch die Dres. Schmid und Wehrli erneuert. Es scheint, dass die Ärzte zufrieden sind, mit Ausnahme von Stoma Nr. II, wo sie scheinbar nicht genau wissen, was da alles herauskommt, und vor allem woher! So kann man jetzt den Bauch weiterhin nicht zunähen…
    Fischli ist aber trotzdem ziemlich aufgestellt, da ihr im Moment tatsächlich nichts fehlt. Hirslanden Guest-Relationship kommt mit einem sehr schönen, weissen Strauss, da Fischli schon solange hier sein müsse. Ob man noch etwas für sie tun könne: Anstatt Fisch antworte ich: Ich würde für meine Besuche pro Tag zwischen 10 und 20 Franken Parkgebühren zahlen. Ob man für Langzeitpatienten nicht ein Abo oder etwas Ähnliches habe? Sie will das mit ihrem Chef prüfen, dieses Problem habe sie noch nie gehabt. Sie kommt aber nach ein paar Minuten bereits wieder und bringt mir vorab einmal 5 Ausfahrtskarten, die ich anstelle meiner gezogenen Parkkarten verwenden soll. Heute Abend brauche ich eine erste solcher Karten, denn ich war über zwei Stunden da und das kostet jeweils CHF 6.00!
    Nach mir kommt noch Lexi mit Fabian zu Besuch; und ich rufe sie versuchshalber auf ihrem Handy einmal an, um Gute Nacht zu sagen. Sie nimmt tatsächlich ab, und hat sogar zum ersten Mal den Fernseher eingeschaltet! Das ist ganz neu und stimmt mich verhalten optimistisch!
    Hoffentlich geht es so weiter und sie hat eine gute Nacht

    5. September           Ich bin nach Fitness und Morgentoilette ca. halb 9 da. Massimo ist gerade dabei, durch den Blasen-Katheter Urin abzupumpen; obwohl der Katheter läuft, hat sie wieder diesen unerträglichen Drang und der geht nicht weg. Dazu kommt heute noch Kopfweh und Übelkeit. Schlussendlich muss er den Katheter ziehen und unter grossen Schmer­zen einen Neuen setzen. Ich muss dann leider gehen, da ich um 10 Uhr einen Termin habe. Über Mittag rufe ich einmal kurz an: Blase ist besser, sonst geht es nicht viel besser und sie ist sehr kurz. Sie muss am frühen Mittag auch noch zum Röntgen der Lunge, da sie sehr kurz atmet und man dort wieder Wasser vermutet. Die Fahrt durch die Spitalgänge zum Röntgen wird wieder zum Höllenritt: Es wird ihr immer schlecht beim Herumfahren des Bettes, dieses Mal muss sie sogar Erbrechen.
    Als ich um ca. 3 Uhr wieder komme, geht es ihr deshalb wieder schlechter: Übelkeit, Kopfweh und tatsächlich Wasser in der Lunge, die Morgen herauspunktiert werden soll. Es ist auch abends um halb 8 noch nicht viel besser, obwohl sie einen neuen Medikamenten-Cocktail verabreicht bekommt.
    Nach 2 guten Tagen, die eigentlich Hoffnung auf eine langsame Besserung gaben, kommt jetzt wieder dieser Rückfall! Damit ist ihre Moral auch wieder stark am Sinken Man kann heute Abend wieder nur eine gute Nacht und gute Besserung wünschen!

    6. September        Ich bin nach meinem Marsch und der Morgentoilette etwas vor halb 9 bei ihr. Sie hatte zwar eine gute Nacht, ist heute aber trotzdem sehr matt und schläft jeden Moment wieder ein. Bis jetzt war ausser dem Mini-Frühstück (Zwieback und Tee, Joghurt lässt sie stehen!) noch niemand da; sie weiss auch noch nicht, wann die Lunge punktiert wird. Gleichzeitig mit der Schwester, die sie aufnehmen und waschen will, kommt auch Ghia zu Besuch, also kann ich im Moment gehen. Ghia kommt anschliessend noch zu mir! Während Ghia da ist, kommt auch noch Lexi.
    Dann will man sie für 11:30 Uhr im Rollstuhl zum Punktieren nach unten fahren, worauf sich die Schwester wehrt: Die arme Frau könne sich ja kaum für ein paar Minuten auf einem Stuhl halten, ganz zu schweigen vom schlecht werden beim Fahren. Schliesslich einigt man sich, dass die Punktierung um 11:30 Uhr im Zimmer stattfindet.
    Mir gefällt der Bauch wieder gar nicht, und zwar schon seit gestern: Einerseits pumpt die Vakuumpumpe vom Wundverband relativ viel und sehr eigenartiges (eitriges?) Material ab, andrerseits kommt auch im Stoma II, also dem oberen Teil der Wunde, dauernd relativ viel Gas und Flüssigkeit! Eigentlich würde ich darüber gerne mit dem Arzt sprechen. Aber Dr. Wehrli ist an einem Kongress. Bis Sonntag ist wieder Dr. Schmid zuständig; wenn ich ihn nicht treffe, werde ich Dr. Schmid anrufen. Er hat ja gesagt, ich dürfe bei Fragen ungeniert anrufen.
    Als ich um halb 2 wieder komme, hat Fischli starke Schmerzen, obwohl man ihr bereits etwas dagegen gegeben hatte. Die Punktierung war mit grossen Schmerzen verbunden. Nach drei Bauchoperationen sich auf einem Stuhl sitzend über einen Tisch mit zwei Kissen zu beugen, dazu noch mit offenem Bauch tut wahrscheinlich schon weh. Dabei hatte sie die Punktierung in Erinnerung nach der ersten Operation: Im Gegensatz zu heute war es damals nicht schlimm! Mit einer zusätzlichen Schmerzspritze konnten die Schmerzen dann etwas gelindert werden, bis ich sie wieder verliess.
    Vorher kam aber noch Dr. Schmid. Er war sehr ehrlich: Ich denke, sie wissen nicht so genau, woher das Gas und die Flüssigkeit im Stoma II kommt: Das Gas weise auf ein Loch im Magen oder im Darm hin, welches sie bei der 3. Operation krampfhaft gesucht hätten. Infolge der vielen Verwachsungen konnten sie aber nicht überall nachsehen und man hoffe, dass sich die Fistel selbst schliesse. Man müsse jetzt etwas Geduld haben und von Tag zu Tag sehen, bevor man nochmals aufmache. Die Vakuumpumpe sauge wahrscheinlich vom oberen Teil der Wunde auch etwas Material an, da oben gegen unten der Wunde nicht 100%ig abgedichtet werden könne. Der Zustand von Fischli sei schon nicht der Beste, vor allem habe sie Null Reserven, das mache den Genesungsprozess so schwierig.
    Fischli sagt, sie wolle definitiv keine neue Operation mehr. Einmal sei doch einfach Schluss. Dr. Schmid fragt, was denn ihr Mann dazu sage. Ich sage, ich würde vorläufig noch an ein kleines Wunder glauben, hätte sonst aber volles Verständnis, wenn sie nicht mehr Kämpfen möchte und lieber ab dieser Welt gehe. Dr. Schmid meint, wahrscheinlich brauche es wirklich ein Wunder…
    Ich bin vor 17:00 Uhr nochmals da, bevor ich zu Lexi zum z'Nacht gehe. Da hat sie etwas weniger Schmerzen, aber es geht ihr nicht gut, vor allem moralisch nicht. Nach dem z'Nacht in Uster gehe ich um 9 Uhr nochmals hin: ich finde sie tief, tief traurig, ohne jede Hoffnung und Zuversicht, was mich auch tief betrübt..
    Heute wieder eher ein trauriger Eintrag!

    7. September        Ich bin nach meinem Marsch und Morgentoilette kurz nach 8 wieder da. Sie hatte eine relativ gute Nacht und es geht ihr ordentlich. Neu hat sie aber scheinbar einen Ausschlag unter dem Stoma I. Und man hat jetzt auch Angst, dass sie vom Liegen wund wird, weil sie sich mit dem offenen Bauch im Bett nicht zur Seite drehen kann. Erstens ist sie zu schwach dazu, und zweitens tut es höllisch weh. Deshalb unterlegen die Pfleger und Pflegerinnen jeweils seitlich die Matratze, um Fischli zum leicht seitwärts liegen richtig zu zwingen, zuerst links, und dann rechts.
    Wieder hat sie diese bei ihr so ungewohnte Traurigkeit in den Augen. Sie öffnet diese plötzlich, schaut mich lange an, und fragt, wie lange das denn noch so weitergehen soll? Es sei doch bei ihr da unten im Bauch weit herum alles kaputt. Als ich die Gegenfrage stelle, ob sie denn nicht mehr an das kleine Wunder glaube, lächelt sie mich traurig an und sagt dazu klar: "Nein!" und beginnt zu weinen. Ich sage ihr, ich würde noch daran glauben, hätte aber viel Verständnis für ihre Haltung in ihrem Zustand. Es ist wieder einer dieser sehr traurigen Momente, und wir weinen miteinander.
    Für mich ist es auch schwer, sie so leiden zu sehen, mit absolut keiner Besserung in Sicht, aber auch keiner Möglichkeit, dem Leiden ein Ende zu bereiten, einem Ende, das ich ihr jetzt eigentlich auch so sehr gönnen möchte, obwohl ich mir ein Leben ganz ohne sie immer noch nicht vorstellen kann.
    Dann verabschiede ich mich zum Morgenessen. Nach mir wird Lexi bald hier zu Besuch und nachher noch zu mir zu kommen. Mir erzählt sie dann, dass Momi zuerst auf dem Bettrand sass, dann auf der Waage und anschliessend etwa eine Viertelstunde auf dem Stuhl, als das Bett gemacht wurde, und das alles ohne Übelkeit. Dann sei auch noch Dr. Schmid gekommen, und eigentlich recht zufrieden mit dem Fortschritt seit gestern gewesen. Er werde heute Nachmittag Stoma I erneuern lassen; und Morgen komme dann der Vakuumverband dran. Scheinbar haben ihr die Anstrengungen doch etwas zugesetzt, sodass sie eine Schmerzspritze haben muss, die dann auch wirkt.
    Ich gehe dann kurz nach 1 auch wieder, und wirklich, sie ist jetzt recht munter, meint, wir könnten der Küche hier noch einen Kurs in Blattspinat-Zubereitung geben. Dieser hier sei unzumutbar gewesen, was ich nach einer Gabel probieren nur bestätigen kann. Sonst erzähle ich ihr von meinem Telefon mit Nunu, die angerufen hat. Ich richte ihr Grüsse und gute Wünsche aus, und dass die Klassenzusammenkunft gut verlaufen sei und sie es zusammen schön gehabt hätten, dass sie aber gefehlt habe. Rolf hätte sie etwas aufdatieren können über sie, da er von mir per E-Mail zwischendurch Bericht bekäme.
    Als dann die Physiotherapeutin kommt, verabschiede ich mich wieder bis am Abend. Nun muss sie nochmals etwas an sich "arbeiten", was sie heute scheinbar akzeptiert. (Auch schon hat sie sich geweigert und klar gesagt, dass sie heute nicht kann und nicht will).
    Ungefähr halb 6 bin ich wieder da, es geht ihr nach wie vor relativ gut. Sie hat heute Morgen mit viel Mut Rösti mit Spiegelei, allerdings kleinste Portion bestellt. Das schmeckt ihr am Abend sogar, und sie isst fast alles. Ich verabschiede mich zum Kochen, komme dann aber nochmals.
    Um 20:15 Uhr geht es ihr nach wie vor nicht schlecht, sie hat das Essen scheinbar ohne Übelkeit ertragen. Wir schauen noch kurz Wawrinka-Djokowitsch an (US Open!), dann kommt aber Massimo für einem grossen Service, wobei er zum Schluss mir gleich auch noch den Blutdruck misst, weil ich gesagt habe, dass, seit Fischli nicht mehr mich mahnt, ich nicht mehr regelmässig die Blutdruckpillen nàhme und auch nie mehr den Druck messe. Es ist aber alles i.O. bei mir. Wir "lölen" sogar noch etwas, bevor ich dann gehe. Hoffentlich hat Fischli wieder eine gute Nacht, damit es nochmals etwas besser geht.

    8. September        Ich bin nach meinem Marsch und der Morgentoilette wieder um halb 9 Uhr bei ihr. Wieder hatte sie eine ordentliche Nacht; trotzdem ist sie wie gestern sehr, sehr müde und schläft immer wieder ein. Woher das kommen mag? Dann hatte Fischli in der Nacht einen grossen Schrecken, als bei Stoma II etwas auslief. Die Nachtschwester musste diesen erneuern. Als Ghia ca. 09:20 Uhr kommt, gehe ich heim zum Morgenessen. Bald nach Ghia's Ankunft kommen auch die Pflegerinnen für Morgentoilette, heute ausnahmsweise sogar inkl. sonntäglichem Haarwaschen, und als dann auch schon Dr. Schmid kommt, um den Vakuumverband zu erneuern, verlässt Andrea Momi auch und kommt noch rasch für einen Kaffee zu mir, aber auch, um mir ihr "neues" Auto zu zeigen: Einen metallfarbenen Citroen Diesel OCC. mit 62'000 km.
    Nachdem ich von Lexi hörte, dass sie erst im späteren Nachmittag zu Momi gehen wird, fahre ich um halb 12 wieder ins Hirslanden, wo ich Fischli frisch geschmückt und parfümiert und mit "phlöphi" Haaren vorfinde. Sie hatte allerdings nach der Morgentoilette und der Verbandserneuerung Kopfweh und starke Schmerzen und bekam deshalb vor ca. 30 Minuten eine Schmerzspritze. Jetzt ist sie aber wie schon gestern wieder viel aufgeräumter als jeweils am Morgen früh. Sie erzählt mir von einem TV-Film, den sie gesehen hat, wir besprechen die Halbfinalniederlage von Stan Wawrinka in New York, und sie bestellt zum Mittagessen Stocki mit Bratensauce und Rüebli-Gemüse. Sie isst dann auch ganz ordentlich. Gegen halb 2 verlasse ich sie wieder, damit sie etwas schlafen kann (was ich zuhause übrigens ebenfalls beabsichtige; vorher wird aber noch gewaschen und Tagebuch geführt).
    Lexi kommt kurz nach 5 nach ihrem Besuch bei Momi noch zu mir zu einem kurzen Apéritiv. Sie freut sich, dass Momi so gut drauf ist heute. Kurz nach 6 bin ich auch wieder bei Fischli. Ich habe im Gang noch die Physiotherapeutin gesehen, von der sie gestern so geschwärmt hat. Fischli ist jetzt aber im Bett, nach der Therapie völlig erschöpft am Ende und es ist ihr sehr, sehr schlecht und sie hat Kopfweh. Ich lege kalte Waschplätze auf die Stirn; sie erhält nochmals eine Infusion gegen die Übelkeit. Sie kann nicht an Essen denken, die Rösti mit Spiegelei, die sie gestern so gerne hatte, wird kalt, und die esse ich dann schliesslich. Hat das heutige Programm sie mit allen Besuchen, der grossen Morgentoilette, dem Verbandswechsel, der Physiotherapie etc. überfordert? Ich bin etwas untröstlich, da ich nur die Hand halten und zwischendurch einmal den Waschplätz kühlen kann, während sie aber immer wieder eindöst und praktisch unansprechbar ist. Ich habe das Gefühl sie könnte schlafen, deshalb gehe ich kurz nach 7 Uhr auch wieder. Ich bitte sie, wenn es ihr besser gehen würde, mich anzurufen. Ob sie das wohl tut? Sie tat es aber nicht! Und es war ihr scheinbar recht lange sehr schlecht!

    9. September       Ich bin nach Fitness und Morgentoilette um 08:40 bei ihr. Heute geht es ihr schon relativ früh recht gut: Keine Übelkeit, keine Schmerzen und keine Überraschungen! Sie hat auch verhältnismässig viel gefrühstückt! Kurz nach 9 Uhr ist sie bereits gewaschen, geschmückt und parfümiert. Schön sie so munter zu sehen. Nach 10 Uhr gehe ich nach Hause, um nach den gestrigen drei Trommeln Waschen die Wäsche zusammenzulegen. Nach einem frühen Müesli zum Z'Mittag und einem Mittagsschläfchen gehe ich wieder zu ihr. Immer ist sie noch munter. Hat sogar wenig "Geschnetzletes mit Rösti" gegessen plus das obligate Apfelmus zum Dessert. Als dann die Physiotherapeutin kommt, lasse ich die Damen allein, nicht ohne vorher noch zu sagen, dass die gestrige Therapie eher kontraproduktiv gewesen sei, und sie heute sehr vorsichtig sein sollten. Und vor allem, dass Fischli nichts forcieren soll, denn eigentlich weiss sie, dass sie die Übungen sehr bewusst und mit voller Pulle durchziehen sollte, dass sie im Moment dafür aber einfach noch zu schwach ist. Hoffentlich geht es heute gut!
    Ich muss noch viel posten und mache mir nachher den z'Nacht von gestern (Spaghetti mit Fischlis Tomaten-Sugo mit Auberginen), da ich gestern ja Fischlis Nachtessen ass! Anschliessend fahre ich wieder zu ihr.
    Es ist höchst erfreulich, dass es ihr immer noch gut geht! Sie hat zwar die Physiotherapie frühzeitig abgebrochen, da sie merkte, dass sie jetzt wieder überfordert würde. Den z'Nacht hat sie heute qualitativ nicht sehr gelobt, aber es geht ihr immer noch erfreulich gut. Schön so, den Tag zu beschliessen. Hoffentlich geht es so weiter!

    10. September      Heute bei starkem Regen habe ich länger geschlafen und bin deshalb erst ca. 08.40 bei ihr: Auch heute geht es ihr recht gut, fast beschwerdefrei, nur etwas Kopfweh. Gegen 10 Uhr erhält sie Morgentoilette im Bett, da die Kräfte zum Aufstehen nicht reichen! Ich lese derweil Zeitung und verabschiede mich dann kurz vor halb elf zu Haushalten und Tagebuch führen.
    Ich bin um halb eins wieder bei ihr, als sie beim Mittagessen ist: Spargelcremesuppe in der Schnabeltasse, Nudeln mit Thymiansauce und Rüebli Gemüse. Als ich eintrete schimpft sie ein bisschen, das Essen wäre nicht gut. Ich probiere: Suppe überhaupt nicht crèmig, praktisch ungewürzt, die Nudeln mit Sauce sind farblos, ebenfalls praktisch ungewürzt; die Rüebli stark al dente, was Fischli ja so noch gerne hätte, aber einfach lieblos aus dem Wasser gezogen. Fischli und ich waren uns hier besseres gewohnt. Und als die Dame beim Abräumen noch fragte, ob es gut gewesen sei, sagen wir klar nein, und dann auch warum!
    Fischli ist nach wie vor fast beschwerdefrei, aber so schwach, dass sie die paar Löffel Essen arg zum Schwitzen bringen, fast wie Wallungen, und ich ihr kalte Waschplätze auf die Stirn lege. Kurz vor halb 2 gehe ich wieder, da Jack den Wein holen kommt!
    Auch kurz nach halb 5 geht es ihr immer noch gleich gut. Lexi war da, die Physiotherapie mit reduziertem Programm war da, Dr. Wehrli war da, und dann bekommt sie schon bald z'Nacht. Ich bin heute Abend bei Bleulers und gehe deshalb schon gegen halb 7 nach Hause, orientiere noch Marteli wieder einmal, versuche auch zum x.ten Mal Alice Weber zu erreichen, ohne Erfolg.
    Hoffentlich hat Fischli wieder eine gute Nacht. Bei Bleulers sage ich noch auf die Frage nach dem Zustand von Fischli, dass es die letzten drei Tage fast zu gut gehe, in Analogie zu Redewendung in Western: "It's quiet, it's too quiet" kurz bevor die Schiesserei losgeht!

    11. September           Ich habe Fischli gesagt, dass ich heute erst später komme, da ich um 08:30 Uhr zur Fitness wollte, um den Arzttermin bei Dr. Steinmann im Medlake Trainings Center für 09:15 wahrnehmen zu können. Kurz bevor ich zum Haus hinaus wollte, rief mich eine Schwester vom Hirslanden an und fragte, ob ich nicht kommen könnte, es gehe Fischli schlecht. Als ich komme, erinnert sie mich stark an meine älteste Schwester Selin, die kurz, bevor sie starb, auch so schwer geatmet hatte, wie dies Fischli jetzt tut. Auf meine Frage nach Dr. Wehrli heisst es, er wäre heute am Operieren, 3 Operationen nacheinander. Aber es wäre ein Arzt dagewesen heute Morgen, und der habe Medikamente und eine Sauerstoffmaske angeordnet. Fischli geht es sehr schlecht. Sie bekommt Medikamente, immer hochkarätigere, bis man beginnt, Morphium zu spritzen, weil sie es kaum noch aushält und sie dieses Atmen so anstrengt, dass sie alle Kissen durchschwitzt. Ghia kommt auch schon relativ früh, und gemeinsam legen wir ihr kalte Waschplätz auf die Stirn, trockenen den kalten Schweiss vom Gesicht, läuten wieder, ob man nicht noch etwas machen kann, und warten noch immer auf Dr. Wehrli. Um ca. 13:10 ruft Lexi an, dass sie jetzt abfahre und komme. Da verabschiedet sich Ghia, die nach Hause zu den Buben muss. Nachdem Fischli nochmals zwei Morphiumspritzen gekriegt hat, und immer noch klagt, ob sie denn nicht etwas Stärkeres gegen die Atemnot hätten, schlägt wahrscheinlich eine Schwester Alarm. Plötzlich kommt Prof. Dr. Reto Stocker, Leiter der Intensivmedizin und der www.hirslanden.ch/global/de/startseite/gesundheit_medizin/themen_beitraege/krankheiten_behandlungsmethoden/fachgebiete_fmh/anaesthesiologie.html">Anästhesiologie der Klinik, begutachtet den Fall, und empfiehlt, die Patientin in die Intensivstation zu nehmen, da man dort besser eingerichtet sei. Ich mache ihn noch auf Fischlis Patientenverfügung aufmerksam. Fischli wird dann kurz vor 3 Uhr weggefahren, dieses Mal sogar, ohne dass es ihr schlecht wird, und Lexi und ich fahren nach Hause, wo ich uns Spaghetti koche.
    Nach 5 Uhr begeben wir uns in die Intensivstation, wo uns ein junger Arzt Dr. Urech orientiert: Fischli habe einen Erguss in der Lunge, d.h. zwischen Lungenhaut und Zwerchfell (?), dieses Mal aber ca. 2 Liter, und jener Teil des Lungenflügels sei praktisch kollabiert. Auf der anderen Seite habe sie eine Lungenentzündung. Das Wasser in der Lunge stamme sehr wahrscheinlich von Metastasen des Bauchfell-Krebs. Natürlich könne man wieder punktieren, aber in ein paar Tagen sei es wieder gleich weit. Man könne das Wasser auch medikamentös etwas bekämpfen, und einfach alles tun, dass sie nicht zu stark an Atemnot leide. Als ich auch ihn auf die Patientenverfügung hinweise, sagt er sehr offen, dass seiner Ansicht nach die Lage, zusammen mit ihrem Hauptproblem, dem Krebs und der offenen Bauchwunde, ziemlich hoffnungslos sei. Man hätte in diesem Fall die Patientin besser nicht auf die Intensivstation genommen, denn dann wäre sie wahrscheinlich innert etwa 2 Stunden gestorben. Das war wirklich sehr offen und ehrlich!
    Wir warten dann, bis Dr. Wehrli kommt, welcher unseres Erachtens eher verwirrende Signale aussendet; schlussendlich sagt er aber, dass sie nichts machen würden, was Fischli oder die Familie nicht wolle. Über Nacht bleibe Fischli auf jeden Fall in der Intensivstation. Lexi fährt mich ca. 20:00 Uhr nach Hause, um dann selbst zu ihren Buben zu fahren.
    Ich setze mich tieftraurig ans Kindertischli am grossen Fenster, wo wir so oft sassen, und träume mit einem Glas Poggio all Sole von wunderbaren, gemeinsamen Zeiten, die jetzt scheinbar unwiderruflich zu Ende gehen. Ich bringe dann noch Tagebuchschreiben hinter mich!

    12. September        Ich rufe um halb 9 in der Intensivstation an, ob ich nicht schon früher als 11 kommen darf, was mir bejaht wurde. Ich werde von Herr Rey abgeholt, der für Fischli zuständig ist. Es gehe ihr den Umständen entsprechend gut, habe immer noch etwas Mühe mit atmen. Er denke aber, mit einer Einrichtung, mit der sie sich selbst Morphin spritzen könne, wenn sie es für nötig finde, wäre es ihr auf der Station wohler als hier, abgesehen, dass hier alle die Messgeräte dauernd angeschlossen sind, die sie im Moment nicht brauche. Er nimmt sich auch Zeit, um uns nochmals den Lungenerguss zu erklären. Ca. 11 Uhr kommt Lexi, und um 12 fahren wir zu mir, wo wir einen Greek Salad machen, zu welchem Lexi alles mitgebracht hat. Ich muss nur noch die Salatsauce machen und den Wein öffnen!
    Als wir gegen drei wieder kommen, sind sie eben dran, Fischli auf die Abteilung zu verlegen. Wir müssen noch eine gute halbe Stunde warten, dann bekommt Fischli ein grösseres Zimmer mit einem Sofa, wo eine Begleitperson schlafen kann, wenn sie will. Wir fragen uns sofort, ob dies nun wohl das Sterbezimmer ist. Zum Zügeln von 254 nach 249 kommt Philipp gerade recht, um auch noch zu helfen. Am neuen Ort hat Fischli grosse Freude an einer neuen Rose "Lucetta", die ich aus "ihrem" Garten mitgebracht habe. Und Lexi und Philipp gehen dann gelegentlich zu ihren Buben, während ich bei Fischli bleibe. Sie hat einen Apparat, der ihr pro Stunde 2 ml Morphin abgibt. Dazu hat sie einen Knopf, welcher beim Drücken max. jede halbe Stunde einen Tropfen zusätzlich abgibt. Fischli hat aber Mühe mit atmen und kriegt immer wieder Not. Frau Böhme (ihre Lieblingspflegerin) erhöht die Grunddosis auf 3 ml. Als Fischli in Atemnot jeweils von halber Stunde zu halber Stunde auf das Knopf drücken wartet, spricht Frau Böhme mit Dr. Wehrli. Zuerst erhöhen sie die Grunddosis auf 4 ml, als das kurzfristig nicht viel bringt, darf sie noch eine zusätzliche Spritze geben, und dann wirkt es. Fischli schläft ein, und ich im Stuhl döse auch vor mich hin, bis etwa halb 8 Lexi auch wieder kommt und wir gemeinsam auf Dr. Wehrli warten, der Stoma II erneuern sollte. Fischli schläft jetzt mit kurzen Unterbrüchen tief und entspannt. Dr. Wehrli war bereits in der Abteilung, als er zu einer Operation musste, und nicht kommt. Kurz vor 10 Uhr entscheidet Frau Böhme, das lecke Stoma für die Nacht provisorisch selbst zu flicken. Lexi verlässt uns bevor sie damit beginnen, und ich etwa halb 11 dann auch, um zuhause noch rasch Tagebuch zu schreiben.

    13. September       Ich fahre schon 07.30 zu Fischli. Sie hat mit dem Morphin gut geschlafen, atmet relativ ruhig und bekommt an Stelle der Maske die Nasendüse. Dann wird sie heute früh gewaschen, und dann kommt Dr. Schmid um Vakuumverband und Stoma II zu wechseln. Er ist in Eile, da er in den OP muss!
    Das ist wahrscheinlich schon der grosse Nachteil eines Privatspitals: Man ist Privatpatient eines einzelnen Arztes, und wenn der keine Zeit hat, gibt es keinen anderen Arzt! Es gibt auch keine Palliativabteilung, in die Fischli in ihrem jetzigem Zustand eigentlich gehören würde. Dass am Mittwoch Professor Stocker persönlich ans Bett kam, ist wahrscheinlich der Praktikantin Jessica Pelosos Verdienst, da sie Alarm schlug, als sie ihre Kompetenzen vollkommen ausgeschöpft hatte.
    Um 10 Uhr kommt Lexi für eine halbe Stunde; ich gehe 11 Uhr posten, kurz vor 12 kommt Ghia, die dann anschliessend zu mir zum Z'Mittag zu Tomaten-Mozzarella-Salat kommt! Ich bin ca. 15:00 Uhr wieder bei ihr. Den ganzen Nachmittag geht es ihr relativ gut, sie schläft viel, atmet ganz ruhig. Ca. um 18:00 Uhr wird sie unruhig, beginnt sehr schwer zu atmen, schwitzt sehr stark. Die Morphin Grunddosierung wird auf 6 ml/h erhöht, und das Intervall, wo sie sich selbst einen Schuss mehr setzen kann, wird von 30 auf 20 Minuten reduziert. Sie beruhigt sich dann wieder etwas, bis Lexi und Philipp kommen. Wir gehen zusammen gegen 8 in den L'Ulivo zum Essen. Nachher gehen ich und Lexi noch Gute Nacht sagen, wobei ich noch etwas länger bleibe. Als ich Frau Böhme frage wegen dem Zuhause schlafen, bespricht sie sich noch mit ihren Kollegen, und sie beide kommen zum Schluss, ich solle besser hier schlafen, wenn ich mir später keine Vorwürfe machen wolle, sie allenfalls alleine gelassen zu haben. Ich wäre jetzt ja so viel hier gewesen. Sie würde mir das Bett bereitstellen. Also gehe ich mein Nachtzeug holen und wache bei ihr am Bett bis nach Mitternacht. Sie schläft friedlich.

    14. September        Dann lege ich mich auch hin. Um 3 Uhr weckt mich die Nachtschwester, da sie denkt, Fischli sterbe. Sie atmet ganz unregelmässig und sehr schwer. Ich ziehe mich an, setze mich ans Bett und schaue sie einfach an: So friedlich schläft sie, aber atmet sehr schwer. Etwa um halb sechs orientiere ich Ghia und Lexi, dass ich hier geschlafen hätte, und dass ich sie seit 3 Uhr beobachte. Wenn sie ihre Mutter noch­mals lebend sehen wollten, müssten sie bald kommen. Sie sagen sofort, sie kämen. Kurz nachdem ich ihnen dies geschrieben habe, öffnet sie die Augen und fragt mich, wieso ich angezogen sei? Also hat sie mitbekommen, dass ich hier geschlafen habe. Ich sage, weil ich bei ihr sitzen wolle. Da gibt sie mir ein Chussi. Ghia und Lexi kommen nacheinander ca. 06:30. Wieder öffnet sie die Augen, und fragt, was wir denn alle hier machen. Ob wir schon gehen müssen? Auf meine Frage, wohin sie denn meine, gehen zu müssen, antwortet sie ohne Zögern: In den Wald? Und dazu macht sie ihr lustiges Gesicht, wie sie das nach einem solchen Spruch immer getan hatte. Schon grossartig: Auch im Sterben behält sie weiterhin ihren Schalk noch bei!
    Zwischendurch schläft sie wieder friedlich, wobei sie aber alles bemerkt, was rundherum läuft. Wir verabreden, dass Ghia bis ca. um 11 Uhr Wache hält, dass ich einmal kurz Schlafen, Duschen und Posten gehe, und dann die Wache bis zum Abend wieder übernehme. Lexi geht auch nach Hause posten und Familie besorgen und kommt dann abends zum hier Schlafen. Wir vereinbaren noch, dass Ghia nachmittags um halb 5 wieder kommt, damit ich nach Uster zum z'Nacht gehen kann. Meine 5 Stunden am Nachmittag vergehen wie im Flug. Dr. Wehrli schaut einmal herein, sie ist sogar ansprechbar, sie hat keine Schmerzen, keinen Durst, alles O.K. Ich lese dazwischen im Buch von Thomas Sprecher über Karl Schmid. Als die Pflegefrau Frau Müller sich für heute verabschiedet, sagt sie zu mir: "Sie haben eine sehr liebe Frau". Fischli hört etwas, hat aber nicht richtig verstanden. Als ich es ihr nochmals lauter sage, macht sie ein Stolz-Gesicht wie eh und je, und erhebt triumphal die Faust mit dem Daumen nach oben!
    Ghia bleibt, bis wir kommen gegen 8, und Momi winkt ihr zum Abschied noch, als sie schon lange ausserhalb des Zimmers ist. Dann übernimmt Lexi die Wache. Wir finden Fischli zwar sehr, sehr müde, sie ist aber guter Dinge, lächelt mir zu, winkt dann, als ich nach Hause zum Schlafen gehe, ähnlich wie bei Ghia noch lange.
    Ich denke, sie hat Freude, dass Lexi bei ihr schläft. Die Schwester Frau Vollenweider findet, Lexi gleiche wahnsinnig ihrer Mutter! Sie übergibt mir noch eine Broschüre mit Wissenswertem beim Ableben von Angehörigen. Die studiere ich auch noch.
    Bemerkenswert ist, wie Fischli vom ganzen Pflegepersonal so geliebt wird: Massimo ist heute zwar nicht bei ihr eingeteilt, er stattet ihr aber einen Besuch ab, so wie auch Frau Böhme, welche sie sogar auf der Intensivstation besuchen ging!
    Zuhause schreibe ich zuerst einmal Tagebuch. Dann schaue ich Post durch und öffne den E-Mail-Briefkasten. Nach einem Glas Wein gehe ich dann aber heute früh ins Bett.

    15. September       Ich erwache um 4 Uhr und kann nicht mehr schlafen. Was mir alles durch den Kopf geht! Und immer fehlt dabei Fischli. Ich träumte, dass ich plötzlich Fischlis Hand in meiner Hand hatte und erwachte daran! Wenn sich früher jeweils nachts zufällig unsere Hände berührten, schliefen wir immer Hand in Hand weiter… .
    Ich stehe dann auf, mache noch eine Wäsche und versuche, die Adressliste für die Todesanzeige zu bereinigen und zu ergänzen etc., als Lexi per WhatsApp guten Morgen wünscht und sagt, Momi habe eine gute Nacht hinter sich, beinahe die bessere als die beiden Apparate Vakuum- und Morphin-Pumpe, die scheinbar immer wieder Alarm schlugen. Nach einem Telefon mit Dr. Wehrli habe man dann die Vakuumpumpe schliesslich abgestellt… Momi hätte auch mehrmals nach mir gefragt. Manchmal wäre sie wach gelegen, dann hätte sich Lexi jeweils zu ihr gesetzt, dann habe sie wieder geschlafen und ruhig geatmet. Absolut erstaunlich, dieses Fischli!
    Als ich um 08.15 Uhr komme, winkt Fischli mir sofort zu und ist hoch erfreut! Was für ein Em­pfang. Ich habe sie seit Dienstag, d. h. vor dem Lungenerguss, nie mehr so munter gesehen. Dabei sind es heute 7 Wochen seit unserem "Einrücken"! Sie hat auch ein gänzlich entspanntes, freundliches Gesicht, praktisch immer mit einem Lächeln drauf! Was für eine Wundertüte, unser Fischli! Lexi geht dann zum z'Morge mit der Familie und ich setze mich händehaltend zu ihr. Ich habe mein Buch und die NZZ am Sonntag zum Lesen. Als sie schläft will ich sie zum Zeitung lesen loslassen. Da erwacht sie sofort und lächelt mich an. Also nicht Zeitung lesen! Später mache ich einen neuen Versuch. Da geht es. Als ich aber einmal über die Zeitung nach ihr schaue, sieht sie mich mit grossen Augen an. Ich lege mit schlechtem Gewissen die Zeitung sofort weg, denn sie wurde doch früher immer etwas wütend, wenn wir diskutierten und ich daneben in die Zeitung oder in den Fernseher schielte.
    Dann kam Dr. Wehrli alle Stoma und den Vakuumverband erneuern. Jetzt, mit dem Morphin, ist das schmerzmässig zum Glück kein Problem mehr! Das war die ersten Male wesentlich schmerzhafter, selbst mit Spritzen eine halbe Stunde vorher. Er war auch erstaunt über die positive, stabile Lage von ihr. Auf meine Frage hin meinte er, die Lunge hätte sich etwas erholt. Damit war sie kein Lungenpfeifer mehr (Zauberberg lässt grüssen!) denn die Atmung geht wieder viel leichter.
    Also kein Vergleich zur vorhergehenden Nacht, wo ihre Lieblings-Schwester, Frau Böhme, sich eigentlich für immer verabschiedete und wo man später auch mich aus dem Bett aufnahm, da es wahrscheinlich dem Ende zugehe. Was für eine Entwicklung! Als ich Dr. Wehrli sage, dass wir heute vor 7 Wochen in den Spital "einrückten", meinte er nur, ja, da hätte er sich das Ganze noch etwas anders, positiver vorgestellt…
    Noch während Dr. Wehrli am Verband wechseln ist, kommt Ghia als meine Ablösung. Ich fahre nach Hause, esse etwas, schreibe Tagebuch, telefoniere, beantworte E-Mails und mache ein Nukkerli, bevor ich wieder ans Spitalbett zurückkehre.
    Ich bin ca. 16:30 Uhr wieder da. Momi schläft viel, bemerkt aber mein Kommen. Hingegen merkt sie scheinbar kaum, wenn ich ihre Hand halte, obwohl ich es hoffe. Später ist sie aber kaum noch ansprechbar. Dann bemerkt (Pflegfachfrau) Frau Vollenweider, dass aus dem kleinen Verband über der künstlichen Fistel zum unnütz gewordenen Teil des Dickdarms Darminhalt austritt. Nun muss sie dort wieder ein Stoma anbringen, und den Stoma II auch erneuern, da auch dort Flüssigkeit austritt. Herr Geiger und ich helfen ihr dabei; dann wird noch das Bett neu angezogen, sie bekommt ein neues Nachthemd, und dann erfrischt Frau Vollenweider sie gerade auch noch, wobei Fischli aber schon ziemlich abwesend wirkt. Ich lese nachher händchenhaltend, während Fischli ganz leicht "jömmerlet" beim Schnaufen. Ich gehe um Mitternacht ins Bett.

    16. September 2013    Ich erwache aber bei jedem Eintreten der Nachtwache, und auch wenn Fischli zu laut jömmerlet! Dann gehe ich jeweils rasch schauen, streichle und beruhige sie. Um 5 Uhr wird das Atmen zur Qual; ich stehe auf und setze mich zu ihr. Sie merkt davon aber scheinbar nichts. Es wird immer heftiger, bis ich läute und sie dann zusätzlich zur Grunddosis Morphin plus dem alle 20 Minuten Knopf-Drücken noch eine zusätzliche Morphin-Spritze erhält.
    Sie will etwas sagen, aber ich verstehe sie nicht. Ich frage Schmerzen? keine Reaktion. Sie sagt etwas mit au, dann mit hei, was immer sie sagen will, ich verstehe sie nicht. Es tut mir so leid! Der Pfleger versucht auch vergeblich, sie zu verstehen! Mit der Spritze beruhigt sie sich wieder etwas. Ich erinnere mich plötzlich an unser gemeinsames, tägliches Gebet beim Zubettgehen. Als der Pfleger gegangen ist, bete ich mit ihr ein "Unser Vater", und sage ihr immer wieder "lass doch los!", sie reagiert aber nicht mehr.
    Um ca. halb 9 kommt Lexi und erschrickt über ihr Aussehen. Sie streichelt sie wie immer, erhält darauf aber keine Reaktion mehr. Wir fragen uns, ob sie wohl eher loslassen könnte, wenn nicht immer jemand von uns bei ihr wäre. Allenfalls wollen wir, wenn Ghia am Mittag kommt, zusammen im Gästerestaurant essen gehen, um sie wirklich einmal allein zu lassen! Andrerseits hat sie es von ihrem Naturell her wahrscheinlich aber auch gern, wenn immer jemand von uns bei ihr ist.
    Ich bereite mich nun vor, heimzugehen, um zu duschen und zu rasieren, gebe ihr einen Kuss und sage ihr nochmals "Lass doch los" und gehe dann zur Tür. Es sollte der letzte Kuss sein!
     Ich bin scheinbar kaum draussen, will Lexi mich auf dem Handy anrufen, dass es wahrschein­lich zu Ende gehe. Ich habe aber unten in der Garage keinen Empfang! Erst auf der Witellikerstrasse bemerke ich, dass ich angerufen werde: Es ist Lexi, die sagt, es sei wahrscheinlich soweit. Ich kehre sofort um und eile ins Zimmer, finde sie aber leider bereits tot, zwar noch ganz warm, jedoch bereits mit der Totenmaske. Lexi sagt, Fischli hätte nach meinem Weggehen um 09:20 Uhr zwei Mal tief ein- und ausgeatmet, dazwischen kurz den Atem ausgesetzt, und dann friedlich ausgeschnauft und sei eingeschlafen, für immer …  .
     
    Mein Fischli, unser Momi, dieser wunderbare, feine, sensible Mensch mit seiner unvergesslichen Ausstrahlung ist nicht mehr, unwiderruflich … .
     
    Ich bin einerseits für sie zufrieden und glücklich, dass dieses unendliche Leiden ein Ende hat, andrerseits aber bin ich so unendlich traurig. Ich kann mir ein Leben ohne sie doch überhaupt noch nicht vorstellen! Sie war doch die Seele unserer Familie, die Seele in unserem Haus, in unserem Garten, in unserem wirklich gemeinsamen Leben. Sie war doch nach meiner "Pensionierung" mein Lebensinhalt überhaupt. Was sollte ich ohne sie allein auf dieser Welt? Wie lange muss ich noch bleiben? Wann kann ich wieder zu ihr?
     
    Peter Ustinow sprach mir in seinem Buch "Ich und Ich, Erinnerungen" voll aus dem Herzen, als er über seine Frau schrieb:
    "Man hat mich einmal gefragt, ob sie "die perfekte Frau" war! Ich denke, eine "perfekte" Frau hätte keine Persönlichkeit.
    Sie aber war eine harmonische Kombination zauberhafter Unvollkommenheiten, und etwas Schmeichelhafteres kann ich über niemanden sonst sagen. Ich kann nur hoffen, dass sie meine Unvollkommenheiten ebenso zauberhaft fand.
    Nehmen fällt so leicht, wenn jemand da ist, der so viel zu geben hat; und Geben fällt so leicht, wenn jemand bereit ist zu nehmen. In erster Linie hat sie mich heimlich, still und leise zu dem Mann gemacht, der ich geworden bin, und dafür werde ich ihr ewig dankbar sein".
     
    Die Hektik um die administrativen Vorkehrungen beim Ableben eines Menschen lässt kaum zu, dass man sich zunächst über den Verlust des liebsten, nächsten Menschen zu viele Gedanken machen kann. Vielleicht ist es gut so. Der intensive Kontakt zu unseren Töchtern Ghia und Lexi lässt mich im Moment weiterleben, Gespräche mit Pfarrer Simon Gebs machen zwar unendlich traurig, sind aber auch sehr hilfreich bei der Bewältigung der Trauer.
     
    Die Todesanzeige sah so aus:
     
    Das Lachen ist die Sonne, die aus dem menschlichen Antlitz den Winter vertreibt!

Victor Hugo

Einen ersten heimtückischen Krebs hast Du mit Mut, Zuversicht und grosser Willenskraft überwunden. Für den zweiten reichten Deine Kräfte leider nicht mehr…

Wir trauern um
Frieda "Fischli" Gadient – Karpf
19.04.1937 – 16.09.2013


Dein wunderbares Strahlen, Deine ansteckende Fröhlichkeit, Dein entwaffnendes Lächeln, Dein ausserordentliches Einfühlungsvermögen, Dein feiner Humor und Deine selbstlose Liebe werden uns für immer fehlen. Du warst bis zu Deinem Ende eine strahlende, grosszügige Geberin.

Hans Ruedi Gadient, Zollikon
Andrea Heinzelmann-Gadient mit Jan, Per und Finn, Uitikon
Alexa und Philipp Bosshard-Gadient mit Fabian und Nils, Uster
Verwandte und Freunde

Die Urnenbeisetzung findet im engsten Familien- und Freundeskreis statt.
Trauergottesdienst: Dienstag, 24. September 2013 um 14:30 Uhr in der reformierten Pfarrkirche Zollikon
24. Seotember 2013 Die Urnenbeisetzung auf dem Friedhof Zollikon und eine der Persönlichkeit von Fischli wirklich würdige Trauerfeier fand in der unwahrscheinlich gut besetzten Pfarrkirche Zollikon mit Pfarrer Simon Gebs statt. Fischli war mit einem permanent an die Kirchenwand projizierten wunderbaren Foto durchgehend anwesend.

Alle meine Musikwünsche wurden erfüllt. Der Organist Oren Kirschenbaum begleitete am Flügel einen Cellisten. Sie spielten:
Eingang:                        Ave-Maria, Gounod:         
Nach dem Lebenslauf:  Der Schwan, Saint Saens
Nach der Lesung:          Zwei Sätze aus Bachs 1. Cellosuite in G (Cello solo)
Nach der Predigt:          Rachmaninov, Vocalise
Ausgangsspiel:              Schumann, Träumerei (Klavier solo)

Mit einem von Fischli ausdrücklich gewünschten, anschliessenden Steh-Apéro im Kirchgemeindehaus mit "Zolliker" Riesling Sylvaner, im eigenen Rebberg zusammen mit mir noch gepflegt, und Häppli von einem Caterer klang ein sehr trauriger Tag mit erstaunlich vielen Freunden, Verwandten und Bekannten aus.
 
Zusammen mit Ghia und Lexi schrieben wir am Sonntag 5. Oktober die letzten Danksagungen, wobei wir bei gut Bekannten zusätzlich das Foto beilegten, das wir in der Kirche an die Wand projiziert hatten.
 
Nachbemerkung zu EXIT
Geprägt von meiner streng katholischen Erziehung in der Jugend, besonders aber seit dem 1999 mit EXIT sehr früh gewählten Tod meines Schwagers Alois, war ich ein vehemen­ter Gegner eines freiwilligen Ausscheidens aus dem Leben mittels einer Sterbehilfeorganisation. Ich sah in dieser Art des Sterbens eine menschliche Anmassung, Gott die Verfügungsgewalt über Leben und Tod aus der Hand zu nehmen, um das Zepter selbst zu ergreifen.
Nachdem ich aber mein geliebtes Fischli von sehr nahe und intensiv ins Sterben und den Tod begleitet und ihr Leiden miterlebt habe, sowie den damals mit ihrem Arzt geführten, eindrücklichen Dreiergesprächen war ich mir diesbezüglich nicht mehr so sicher. Solange Fischli lebte, blieb ich aber leider bei meinem Vorurteil. Ohne dieses hätte ich dem nach 3 Operationen arg geschwächten Fischli wahrscheinlich etwa 2 Wochen grässliche Leiden mit unmenschlichen Schmerzen ersparen können. Heute mache ich mir deswegen Vorwürfe.
Ich fand nach Fischlis Tod auf den Bücherbeigen auf ihrem Tisch im Schlafzimmer einige Bücher über das Sterben. Ob sie wohl eine Vorahnung hatte? In meiner Trauer war dies die passende Lektüre.
Nach dem Durcharbeiten des letzten Buches des Theologen Hans Küng "Erlebte Menschlichkeit, Erinnerungen" (Piper Verlag München, 2013) wurde ich im Kapitel "Am Abend des Lebens" sehr hellhörig: Ich kam zur Überzeugung, dass man auch als glaubender Christ durchaus selbst bestimmen darf, wie und wann man in Würde aus diesem Leben scheiden will. Man muss dies nicht zwangsweise den Angehörigen und den Ärzten überlassen. Bedingung dabei ist, dass keine Hoffnung mehr auf ein humanes Leben besteht und man noch bei vollem Bewusstsein ist.
Im Frühling 2014 trat ich Exit bei.  


November 2018 GA





2014: Celerina, Bettmeralp, Hüft Op rechts, ETH-Alumni-Reise Schottland, Kreta, Provence, Hüft Op links, Femoralis Parese
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8.36.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 2014: Celerina, Bettmeralp, Hüft Op rechts, ETH-Alumni-Reise Schottland, Kreta, Provence, Hüft Op links, Femoralis Parese.

8.36 2014: Skifahren, Bettmeralp, Hüft OP rechts, ETH-Alumni-Reise Schottland, Kreta, Provence, Hüft OP links, Femoralis Parese

Anstelle der traditionellen zwei Engadiner Januarwochen besuchte ich zuerst 2 Tage Brunnschweilers in Davos, die uns früher jeweils 2 Tage im Engadin besucht hatten; dann fuhr ich mit Lexi doch noch ins Engadin zum Skifahren, wo wir 4 Tage im Hotel Cresta Palace wohnten.

Ebenfalls im letzten Sommer hatte Lexi in der Bettmeralp im Wallis für Fischli und mich in der letzten Februarwoche eine 2 Zimmer Wohnung im gleichen Haus ein Stock unter ihrer langjährigen Ferienwohnung gemietet. Diese bezog ich jetzt zwangsläufig alleine, d.h. ich schlief dort, wohnte aber mit Bosshards zusammen im oberen Stock! Ich fuhr in dieser Woche mehr Ski als wahrscheinlich die letzten 5 Jahre zusammen. Fabian und Nils forderten mich! Den ersten Tag verbrachten wir noch an deren letztem Ferientag mit Philipps Eltern, der Familie seines Bruders Christoph und mit Grollés. Ich wanderte mit den Damen den Rundkurs, und Carla Grollé war am Abend meine Tischnachbarin. Ich genoss die Ferien in vollen Zügen, sportlich und familiär! Ich wusste in der Bettmeralp noch nicht, dass ich Carla Grollé nie mehr sehen sollte. Carla litt an Depressionen, was von aussen kaum sichtbar war. Anfangs April nahm sich die strahlende Carla mit 45 Jahren das Leben. Ihre Kinder Robin (3. Sek.) und Lars (1. Sek.) sowie ihr Mann Robert sowie viele Freunde und Verwandte waren sehr traurig!

Nach den Ferien hatte ich das Bedürfnis, etwas mehr Gymnastik zu treiben, um noch etwas beweglicher zu werden und damit Fabian und Nils nicht mehr auf mich warten mussten. Plötz­lich konnte ich kaum mehr gehen. Der Hausarzt diagnostizierte eine Adduktorenzerrung, wahrscheinlich vom Dehnen; eine Ultraschall-kontrolle brachte keine neuen Erkenntnisse. Als es nach 5 Wochen immer noch gleich wehtat, wurde untersucht, ob es allenfalls von der Wirbelsäule her kommen könnte, was aber nicht der Fall war. Eine Röntgenaufnahme zeigte dann aber eine schlimme Hüftnekrose, die ein neues Hüftgelenk bedingte. Der Spezialist im Hirslanden war leider gerade in den Ferien, sodass ich erst am 9. Mai zu ihm in die Sprechstunde konnte. Für ihn war der Fall sofort klar: Wir verabredeten die Operation auf den 23. Mai. Bei der Operation wurde auch klar, wieso der Schmerz so plötzlich gekommen war: Es war wirklich eine "Nekrose", d.h. wenn Teile aus dem Gelenkkopf ausbrechen! Nach der OP brachte mich Lexi am 30. Mai vom Spital Hirslanden zum Umpacken nach Hause und weiter zur Reha in die Klinik Schloss Mammern, wo ich gut aufgehoben bis zum 19. Juni blieb.
Der Genesungsprozess verlief in der Folge absolut problemlos, ja man kann sagen äusserst rasant, wobei ich zuhause wieder mit täglichen Märschen, Physiotherapie und fleissigem Üben ebenfalls meinen Beitrag dazu leistete. Da ich während meiner Beschwerden nichts im Garten arbeiten konnte, sprangen gute Freunde ein: Leni Bosshard kümmerte sich um die Rosen, währen Barbara und Claus Scalabrin einmal tagelang auf den Knien jäteten und frische Erde einbrachten, die sie gleich auch noch mitbrachten. Und dies alles für ein Nachtessen! Im Herbst hatte ich dann einen Tag lang den Gärtner.

Während der Sommerferien von Bosshards hütete ich traditionsgemäss die drei Meerschweinchen und die Wühlmäuse, wobei die Tierchen bei schönem Sommerwetter die Tage meistens im Freiluftgehege verbringen konnten und erst abends wieder hereingenommen werden mussten.

Anfangs August war ich dann gesundheitsmässig bereits wieder soweit, dass ich fast beschwerdefrei mit einer ETH-Alumni Reisegruppe nach Schottland reisen konnte. Höhepunkte warrn das Royal Military Edinburgh Tattoo, ein Besuch in St. An­drews Anciant Golf Course und natürlich die wunderbaren Gegenden mit den vielen Bergen, Inseln und Fjorden. Viele neue Bekanntschaften wurden geknüpft. Ein Paar, Vreni und Peter Jost kam sogar aus Zollikon; die Eltern von Vreni kannte ich von Kulturkreisreisen her und Peter war Kp Kdt einer Leichtflieger-Kompanie. das war der Anfang einer wunderbaren Freundschaft.

Im August konnte ich ein erstes Mal nach der Operation auch wieder in der Wandergruppe mittun, und im September wanderte ich Im Tessin über 4 ½ Stunden von Cardada nach der Gimetta mit 500 m Höhendifferenz hinauf und anschliessend sehr happig wieder hinunter: Man sieht, ich war wieder recht gut "zwäg", bis ich…

... Ende September auf meinem täglichen Marsch wieder diesen stechenden Schmerz in Leiste und Oberschenkel spürte, dieses Mal links. Ich brauchte keinen Arzt, um die neuerliche Diagnose auf Hüft­nekrose zu stellen.

Und wieder einmal waren sowohl der Hausarzt als auch der Operateur im Hirslanden in den Ferien, während es bei mir 3 Tage vor einem geplanten Hapi­mag-Aufenthalt in Damnoni auf Kreta mit Brunnschweilers passierte. Ich reiste deshalb trotzdem mit, war aber mit den Schmerzen die ganze Woche beim Baden und auch im Allgemeinen sehr behindert.

Wieder zuhause hatte ich für die nächste Woche die ganze Familie mit allen Enkeln ins Hotel Cresta Palace in Celerina eingeladen, wo ich natürlich auch nicht wandern, aber wenigstens als Chauffeur behilflich sein konnte. Wir erlebten "en famille" vier wunderbare und noble Tage, etwas, was Fischli sich immer gewünscht hatte, wenn wir jeweils zu zweit im Hotel waren.

Anschliessend ans Engadin fuhr ich mit Andrea noch eine Woche nach Südfrankreich, wo wir natürlich immer wieder auf Orte stiessen, die ich in den vielen Jahren mit Fischli schon besucht hatte. Wie liebte doch Fischli diese Provence! Es scheint, dass diesbezüglich Andrea in Fischlis Fussstapfen treten kann!

Nach diesen 3 intensiven Ferien-Wochen konnte ich dann endlich die Ärzte aufsuchen, die mich für die nächste Hüftoperation anmeldeten. Die Operation fand am 13. November, wieder mit dem gleichen Operateur und im gleichen Spital Hirslanden statt. Ich rechnete mit der gleichen Rekonvaleszenzzeit, sodass ich an Weihnachten bereits wieder fast ein normales Leben führen könnte.
Dem war aber leider nicht so: Bei der Operation wurde der Femoralis-Nerv beschädigt, so dass der Quadrizeps-Muskel nicht mehr funktionierte. Das merkte man erst, als ich bei den ersten Gehversuchen im Knie einknickte. Ein Neurologe konnte dann durch elektrische Messungen diesen Befund bestätigen, und zwar müsse der Nerv erheblich beschädigt sein. Ich bekam eine Stützschiene, die das Knie versteift, die aber mit zwei Hebelchen so gesteuert werden kann, dass man beim Sitzen das Knie biegen kann.
Nach einer Woche Spital brachte mich Lexi wieder zum Umpacken nach Hause und anschliessend wieder wie vor 5 ½ Monaten zur Reha in die Klinik Schloss Mammern, wo man mich wie einen alten Bekannten begrüsste. Nach drei Wochen konnte mich Andrea heim holen, wobei ich dieses Mal mit alleine Haushalten schon wesentlich mehr Mühe hatte, ich konnte mich aber durchschlagen, vor allem dadurch, dass ich mit dem Automaten im BMW sofort Autofahren und damit auch Posten konnte.

Weihnachten feierten wir wie eh und je, als Fischli noch die Seele des Hauses war, alle zusammen bei mir: Lexi mit Familie war vom 23. bis 25. Dezember da, Andrea mit Familie kam am 24. Dezember und blieb bis zum 27. Dezember, wobei am 26. Dezember nochmals alle zur "Sippenweihnacht" im Kleindorf 16 da waren.
Dieses Jahr war eigentlich geprägt von den zwei Hüftoperationen und den anschliessenden Genesungsphasen: Eine erste wie im Bilderbuch, die zweite mit Komplikationen, wie sie halt eben auch sogenannten Routineoperationen immer wieder vorkommen können.

Eine für den Februar 2015 geplante grössere Karibikreise mit Kreuzfahrt, zusammen mit Brunnschweilers, musste ich wohl oder übel noch vor Weihnachten bereits annullieren. Dafür verbrachte ich den Silvesterabend bei ihnen in Wiesendangen

2015: Bettmeralp, Femoralis Nerven Rekonstruktion, Burgund, Meran, Narbonne Plage, Italien mit Ghia.
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8.37.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 2015: Bettmeralp, Femoralis Nerven Rekonstruktion, Burgund, Meran, Narbonne Plage, Italien mit Ghia. .

8.37 2015: Bettmeralp, Femoralis Nerven Rekonstruktion, Burgund, Meran, Narbonne Plage, Italien mit Ghia.

Sylvester/Neujahrsmorgen feierte ich mit Brunnschweilers in Wiesendangen, hinkend wegen dem immer noch lahmen Knie.
Ich hatte das Gefühl, dass Dr. Kather beim Arztbesuch vom 5. Januar nicht mehr weiter wusste, denn er reichte mich an Dr. Dumont weiter, einen Spezialisten für Nervenchirurgie. Dieser untersuchte am 14. Januar mein Bein, machte ein vielsagendes Gesicht und meinte, vor mindestens 4 Monaten nach der Operation mache er gar nichts, denn so lange könne ein Nerv ohne weiteres brauchen, bis er den Muskel wieder stimulieren könne. Also Warten und Hoffen; trotzdem begann ich mit Krafttraining und morgendlichen Spaziergängen mit 2 Walkingstöcken, wobei ich hie und da stürzte. Das neue Hüftgelenk verheilte eigentlich auch dieses Mal wieder sehr gut, nur der streikende Nerv, welcher die Quadrizepsmuskeln steuern sollte, war das Problem.

Ende Februar verbrachte ich 2 Wochen mit Lexis Familie auf der Bettmeralp. Ich hatte wieder die gleiche 2 Zimmer Wohnung im Haus einen Stock unter Bosshards langjähriger Ferienwohnung gemietet. 1 Woche war auch Jan dabei, finanziert durch Lexi und mich. Das Wetter war dieses Jahr eher mässig. Ich marschierte jeden Tag fleissig und fiel zwischendurch auch einmal um, im Schnee zum Glück sehr weich.

Dank Kniepolstern konnte ich im Garten zum grossen Teil die Frühlingsarbeiten (Jäten und Schneiden!) selbst durchführen; einzig das Häckelen kam etwas zu kurz. Ich brachte aber wieder viel Trogerde mit Ton aus. Es sah wieder fast professionnell aus, vor allem deshalb, weil ich schlussendlich den Gärtner für das Schneiden von Glyzine, Buchs und der Hängerose beauftragt hatte,
Dann musste ich eine sehr teure Dachreparatur in Auftrag geben: Auf der West- und Regenseite vom Se her korrodiert das Zink/Titanblech infolge eines Konstruktionsfehlers und muss ersetzt werden.

Mitte März war der neuerliche Besuch bei Dr. Dumont fällig. Vorher wurde aber nochmals durch den Neurologen der Nerv gemessen mit Resultat Null. Dr. Dumont empfahl eine Operation, bei welcher der Nerv freigelegt und defekte Stücke allenfalls ersetzt werden sollten.
Die grössere Operation der Rekonstruktion des Femoralis-Nervs, bei der auch ein Neurologe und ein Gefässchirurg zugegen sein sollten, wurde auf den 14. April in der "Hirslanden Klinik im Park" in Wollishofen festgelegt. Ghia fuhr mich am Sechseläuten-Nachmittag 13. April via Fähre Meilen Horgen ins Spital. Die über vierstündige Operation verlief anderntags plangemäss, hingegen fanden die Operateure keinen mechanischen Defekt, sondern schlimme Verwachsungen, wahrscheinlich von Hämatomen herrührend. Diese Verwachsungen hatten gewisse Nerven von der Blutzufuhr abgeschnitten. Gewisse kleinere Nerven seien unwiderruflich kaputt. Am Hauptstrang des kaputten "Nervus Femoralis" wurden ca. 7 ½ cm durch ein präpariertes Transplantat ersetzt, wovon Fotos existieren!
Ich blieb 10 Tage in der Klinik, um dann von Lexi zur Reha zum dritten Mal innert 11 Monaten nach Mammern gefahren zu werden. Aber es ist schön, wenn man den Ort und die Leute kennt: Die Ärzte, im Restaurant, in der Physiotherapie etc. werde ich mit dem Namen ange­sprochen! Ich habe gefragt, ob ich nicht langsam Rabatt-Prozente verdienen würde!

In Mammern immer Erinnerungen an Fischli! Ein Tagebucheintrag:
"Natürlich denke ich beim Spaziergang zwischendurch an meine Aufenthalte im Juni und November/Dezember letzten Jahres. Aber viel mehr kommen in mir wunderschöne Erinnerungen hoch vom gemeinsamen Aufenthalt im Juni 2011, als ich mit Fischli nach der Bauchspeicheldrüsen-Ope­ra­tion als gesunder Begleiter hier war! Ich denke weniger daran, dass es Fischli damals die erste Woche sehr schlecht ging und sie praktisch bettlägerig war, als vielmehr an nachher, wie Fischli anlässlich der ersten Spaziergänge an meinem Arm jeweils so sehr auf die nächste Sitzbank wartete, weil sie am Anfang so schwach war, und wie es dann aber langsam immer besser ging. Und an all diesen "Bänkli" komme ich jetzt wieder auf meinen Spaziergängen vorbei, und auch an ihrem Lieblingsprunus "Cornus Florida Rubra"! Und an unserem damaligen Zimmer 76 mit Ehebett muss ich bei meinem jetzigen Aufenthalt in Zimmer 181 auch immer vorbei! Fischli ist mir hier in Mammern auf Schritt und Tritt immer sehr nah, fast wie zuhause, und es würgt mich recht oft, wenn ich deshalb jeweils die Tränli unterdrücken muss. Es ist verrückt, aber es gibt halt schon fast nichts in meinem Leben, das mich nicht an mein Fischli erinnert, haben wir doch die letzten 20 Jahre fast in Symbiose gelebt und alles gemeinsam gemacht…".

Ich konnte aber immerhin schon bald wieder Autofahren, wenn auch nur mit dem Automaten, denn ich konnte das linke Bein nicht mehr auf die Kupplung anheben. Ich war inzwischen wieder soweit, dass ich wieder mit Krafttraining (Ohne Beine) und mit den morgendlichen Spaziergängen mit Schiene und 2 Walkingstöcken beginnen konnte, wobei ich leider hie und da stürzte und mir weh tat.

Im Juni konnte ich mit Brunnschweilers eine Woche im Burgund verbringen und danach  fuhr ich mit Gremlis nach Meran, wo die Ars-Amata-Familie Weber mit Stradivari und Amar Quartett auf Schloss Rubein ein Kammermusikfest organisiert hatte. Ich begann mich ans Hinken und an den Stock zu gewöhnen.

Im Juli fuhr ich mit dem eigenen Auto zu Andreas Familie eine Woche nach Narbonne Plage, wo sie ein Häuschen gemietet hatten; ich wohnte allerdings im Hotel. Tagsüber besuchte ich die kulturellen Rosinen der Gegend; zwei Mal kam Andrea auch mit. Die Abende verbrachten wir gemeinsam.
Anschliessend während der Sommerferien von Bosshards in Kroatien hütete ich traditionsgemäss wieder die drei Meerschweinchen, wobei die Tierchen bei schönem Sommerwetter die Tage wieder draussen im Freiluftgehege verbringen und erst abends wieder hereingenommen werden mussten.
Ende Juli hatte ich Arztbesuche beim Neurologen Dr. Studer und bei Dr. Dumont: Beim Nerv tut sich weiter nichts, aber verschiedene Muskeln springen im Unterbewusstsein für den lahmen Muskel ein. Es wäre aber noch zu früh für ein abschliessendes Urteil. Also verbleibe ich weiterhin im Modus "Warten, Hoffen, Beten"!

Im August besuchte ich kurz Bea in Brissago und fuhr anschliessend nach Falera, wo wieder Kammermusik gespielt wurde. Im September hatte ich das verlängerte Wanderwochenende im Engadin mit den AH des KTV organisiert, an welchem ich versuchsweise mitwanderte, und es ging tatsächlich. Allerdings mussten wir wettermässig (Schnee knapp oberhalb St. Moritz) unten in der Ebene bleiben, was mir entgegen kam, denn steil aufwärts und vor allem abwärts geht es auch mit 2 Stöcken nicht gut.

Anfangs Oktober fuhr ich mit Andrea eine Woche nach Italien, wo wir Orte besuchten, an welchen ich in den vielen Jahren mit Fischli gewesen war. Nach Flüela- und Ofenpass waren folgende Stationen auf dem Programm: Mustair, Mantova, Ferrara, Urbino, Monteriggione, Florenz, Siena, San Gimminiano, Pisa und die Cinque Terrae. Für die Toskana wohnten wir wieder einmal im Albergo Casalta in Strove, wo wir früher immer waren. Der Besitzer, Signor Cellerai, ist zwar nicht mehr da, aber er soll noch leben. Wie liebte doch Fischli auch diese Gegend und dieses kleine Hotel!

Ein paar Tage später wollte ich mit Dinah Hinz Mustair und Meran besuchen, wo sie noch nie war. Infolge eines Wintereinbruchs konnten wir aber nicht mehr über Flüela- und Ofenpass ins Südtirol fahren. Wir wichen am 1. Tag über Vereinatunnel und Unterengadin bis Martina und Reschenpass aus und kamen von hinten nach Mustair. Wir hatten eine interessante Führung im Plantaturm, denn die Kirche war durch eine Beerdigung belegt. In Meran wohnten wir im Hotel Juliane, das ich vom Kammermusikfest her kannte. Am 2. Tag bummelten wir durch Meran und seinen grossen Freitagsmarkt und fuhren dann noch nach Bozen, wo wir im Parkhotel Luna Mondschein Zimmer fanden. Bozen ist etwas städtischer als Meran und hat auch eine sehr schöne Altstadt. Die Heimfahrt führte dann doch noch über den Ofenpass; Den Flüelapass umgingen wir aber wieder und fuhren durch den Vereinatunnel.

Anfang November, 6 ½ Monate nach der letzten Operation, wurde mein kaputter Nerv wieder durch den Neurologen gemessen, mit dem Resultat, dass der Nerv zwar ganz minim reagiert, fühlen tut man jedoch aber noch nichts. Das stellte anschliessend auch Dr. Dumont fest. Also weiter im Modus Warten, Hoffen, Beten!

Weihnachten feierten wir wie eh und je, als Fischli noch die Seele des Hauses war, alle zusammen bei mir: Lexi mit Familie war vom 23. bis 25. Dezember da, Andrea mit Familie kam am 24. Dezember und blieb bis zum 27. Dezember, wobei am 26. Dezember nochmals alle zur "Sippenweihnacht" im Kleindorf 16 ohne Essen bei uns da waren.

Sylvester feierte ich allein mit einem 6-Gänger, nachdem ich am Abend vorher bei BR eingeladen war

2016:Bettmeralp mit Lexi, Hamburg zu Dinah Hinz, Meran, Burgund mit Br, Gartenreise Niederlausitz, Air Show Duxford, Stradivarifest Cremona, Provence mit Ghia.
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8.38.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 2016:Bettmeralp mit Lexi, Hamburg zu Dinah Hinz, Meran, Burgund mit Br, Gartenreise Niederlausitz, Air Show Duxford, Stradivarifest Cremona, Provence mit Ghia..

8.38 2016: Bettmeralp mit Lexi, Hamburg zu Dinah Hinz, Meran, Burgund mit Br, Gartenreise Niederlausitz, Air Show Duxford, Stradivarifest Cremona, Provence mit Ghia.

Nach der Rückkehr von Brunnschweilers ging ich schön Posten im Globus Delikatessa und bei Sprüngli! Dabei benutzte ich zum ersten Mal die DeLuxe Parkanlage Opernhaus unter dem Sechseläuteplatz. Sylvester/Neujahrsmorgen feierte ich wieder schön allein zuhause mit einem Sechsgänger, wie früher zusammen mit Fischli.

Ende Januar waren wieder Messungen beim Neurologen Dr. Studer fällig. Resultat: Stabil, eigentlich keine Fortschritte. Ich begann mich darauf einzustellen, dass ich wahrscheinlich damit leben muss. Falls es Verbesserungen geben wird, nehme ich das als positive Beigabe. Kurz vor dem Besuch bei Dr. Studer war ich bös eingeknickt und hatte mir das linke Knie stark überdehnt, was mir für Wochen Mühe bereitete. Anfangs Februar war der neuerliche Besuch bei Dr. Dumont fällig. Resultat: Erstaunliches Resultat: Trotzdem der Muskel nicht richtig stimuliert wird, springen andere Muskeln ein, sodass ich leidlich gehen kann. Vielleicht verbessert sich dies noch mehr! Also weiterhin im Modus Warten, Hoffen, Beten!

Ende Februar verbrachte ich wieder 1 Woche mit Lexis Familie auf der Bettmeralp in der gleichen 2 Zimmer Wohnung wie letztes Jahr unter Bosshards langjähriger Ferienwohnung gemietet. Ich marschierte jeden Tag fleissig, meistens mit Leni Bosshard, Lexis Schwiegermutter. Glücklicherweise fiel ich nie mehr um. Der Verzicht auf das mir so geliebte Skifahren fällt mir aber immer noch nicht leicht!
Ab März konnte ich mit 2 Walking-Stöcken wieder in der Wandergruppe mitmachen. Glücklicherweise gab es keine steilen Auf- und Abstiege.
Dank Scalabrins Kniepolstern konnte ich auch dieses Jahr im Garten zum grossen Teil die Frühlingsarbeiten (Jäten und Schneiden!) selbst durchführen, während das Häckeln auch dieses Jahr zu kurz kam. Ich brachte aber wieder viel Trogerde mit Ton aus. Für das Schneiden von wuchernden Gebüschen, Glyzine und der Hängerose beauftragte ich wieder Gärtner Helbling. Ende April zeigte sich zum ersten Mal Fischlis Lieblings-Hartriegel ganz toll in seiner ganzen Rosa-Blütenpracht bei mir im Garten! Wie hätte sie sich sicher gefreut…

Mai/Juni waren dann ziemlich streng mit Reisen: Zuerst fuhr ich Mitte Mai per Autocar zusammen mit Schreiers nach Meran zum Kammermusikfest auf Schloss Rubein mit der Ars-Amata-Familie Weber, Stradivari- und Amar-Quartett. Wieder hatten wir wie im Vorjahr im Hotel Juliane gebucht, von wo aus wir wunderbare Konzerte und eine herrliche Wanderung mit Schreiers entlang einesWalweges, sog. "Heiligen Wassers" erlebten.
Danach verbrachte ich zwei Tage mit unseren ETH Diplomanden im Raum Kreuzlingen / Schaffhausen, um dann anfangs Juni mit Brunnschweilers und Lisbeth Pelli eine Woche im Burgund zu verbringen, wobei wir wie üblich im Ferienhaus von Tischhausers in Moroges oberhalb Chalon wohnten.

Mitte Juni fuhr ich mit Scalabrins auf eine Gartenreise in die Niederlausitz, wobei wir in einem prächtigen Hotel im Spreewald logierten. Herrliche Gärten und Schlossparks, ein gigantisches Braunkohle-Schürfwerk, eine Spreefahrt im Ruderboot, und vor allem die wunderbare Gesellschaft mit drei ebenfalls Apéritif-hungrigen Arzt-Ehepaaren machten die Reise zu einem echten Erlebnis.

Ende Juni hatte ich das verlängerte Wanderwochenende im Engadin mit den Zürcher Altherren der Studentenverbindung KTV St. Gallen organisiert; zusätzlich hatten wir dieses Jahr noch je eine Führung mit Architektur und Kunst im Würth-Haus in Rorschach und im Landesmuseum sowie durch die Giacometti-Ausstellung im Kunsthaus Zürich. Da leider keine Legate und grössere Spenden mehr flossen, sah ich mich nach 20 Jahren als Präsident der Zürcher Altherren gezwungen, neu einen Jahresbeitrag zu verlangen, damit wir weiterhin Eintritte und Führungen aus der Kasse bezahlen können.

Im Juli flog ich mit meinem Freund Jürg Anderegg für ein verlängertes Wochenende nach England, wo wir zuerst in Duxford eine Air-Show mit alten Militärflugzeugen aus dem 2. Weltkrieg und eine Ausstellung von alten und neueren Flugzeugen besuchten. Als Abschluss der Reise erlebten wir eine Besichtigung von "Bletchley-Park", der britischen Geheim-dienstzentrale im 2. Weltkrieg, wo bestens getarnt auf einem Gutsbetrieb (mit Büros in Scheunen und Ställen wie in unseren Militärbaracken!) während dem 2. Weltkrieg die deutsche Enigma Verschlüsselung geknackt wurde. Ferner wurde hier auch der erste Computer weltweit gebaut und für die Berechnung der Entschlüsselung benutzt.

Während den Sommerferien von Bosshards hütete ich wieder die Meersäuli! Und im August waren die Sommerkonzerte in Falera und ein Besuch bei meiner Schwester im Ferienhaus in Brissago die Highlights.

Im September fuhr ich mit Dinah Hinz zuerst für ein verlängertes Wochenende ins Laveaux in der Westschweiz, das sie praktisch nicht kannte, und später zusammen mit Adrienne und Ueli Borsari mit dem Stradivari-Quartett eine Woche nach Cremona, der Stadt der grossen Geigenbauer Amati, Stradivari und Guarneri. In einer kleinen feinen Reisegesellschaft hatten wir jeden Tag ein Konzert sowie Führungen in der wunderbaren Altstadt mit dem denkwürdigen Dom sowie im Geigenmuseum.

Im Oktober fuhr ich mit Andrea wieder für eine Woche in die Provence, wo wir es miteinander sehr gemütlich und gut hatten. Die Gegend von Les Beaux, St.Cyyr sur Mer sowie der Luberon waren Schwerpunkte unserer Reise.

Kaum wieder zuhause fuhr ich rasch nach Bad Aibling, um Heinrich Fischer zu besuchen. Es geht ihm nicht mehr sehr gut; da muss ich für mich wieder sehr zufrieden sein, bin ich doch noch ein paar Jahre älter.

Ende November, 18 Monate nachdem Ersetzen des defekten Nervenstrangs wurde der kaputte Nerv durch den Neurologen wieder gemessen. Resultat: Es tut sich zwar ein bisschen etwas, aber wirklich immer noch erstaunlich wenig. Eigentlich ein enttäuschender Bescheid. Ich fühle mich aber seit ca. einem halben Jahr wesentlich sicherer, ich bin auch nicht mehr gestürzt, und ich gehe wieder ohne Stock in die Stadt. Falls es andere Muskeln sind, die den kaputten Nerv, bzw. kaputten Muskel kompensieren, kann mir das aber eigentlich egal sein: Wahrscheinlich muss ich mit dem jetzigen Zustand leben. Das Wichtigste ist, dass ich mich besser fühle!

Am 3. Dezember feierten wir en famille traditionell Chlaus, wobei Finn wegen Arbeit und Jan wegen Prüfungsvorbereitung nicht anwesend sein konnten. Es war ein ausserordentlich friedlicher und harmonischer Abend, an welchem, so glaube ich wenigstens, Fischli grosse Freude gehabt hätte. Die Enkel blieben das erste Mal richtig bis zum Aufheben der Tafel am Tisch sitzen und diskutierten lebhaft mit. Per meinte dann dazu, dass sie wahrscheinlich deshalb jetzt wirklich erwachsen geworden seien…

Ende November waren wieder Messungen beim Neurologen Dr. Studer fällig. Resultat: Neu ganz kleine Fortschritte. Ich begann mich darauf einzustellen, Falls dieser Verbesserungs-prozess anhalten würde, nehme ich das gerne als positive Beigabe, umso mehr als ich mich bereits damit abgefunden hatte, dass ich wahrscheinlich damit leben muss. Die Dres Kather und Dumont waren begeistert vom Resultat.

Weihnachten feierten wir wie eh und je, genauso wie früher, als Fischli noch die Seele des Hauses war: Alle zusammen wohnten sie bei mir, Lexi mit Familie vom 23. bis 25. Dezember, Andrea mit Familie vom 24. Dezember bis zum 27. Dezember. Am 26. Dezember feierten wir nochmals alle zusammen "Sippenweihnacht", zuerst mit Christbaum und Singen bei Marteli im Kleindorf 16, dann zum Essen zum ersten Mal nach Fischlis Tod bei mir, wobei mich Andrea und die anwesenden Buben stark unterstützten.

Es bleibt die Hoffnung, dass sich der Femoralis-Nerv doch noch etwas weiter erholt! Eigentlich kann es im neuen Jahr 2017 nur noch aufwärts gehen.

2017: Hotel Waldhaus Sils, Bettmeralp, Kreuzfahrt Südafrika - Seychellen, Cannero mit Hohls, Meran, Burgund mit BR, Gartenreise Yorkshire, Brissago - Narbonne Plage, Lübeck - Hamburg, Provence mit Ghia.
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8.39.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 2017: Hotel Waldhaus Sils, Bettmeralp, Kreuzfahrt Südafrika - Seychellen, Cannero mit Hohls, Meran, Burgund mit BR, Gartenreise Yorkshire, Brissago - Narbonne Plage, Lübeck - Hamburg, Provence mit Ghia..

8.39 2017: Hotel Waldhaus Sils, Bettmeralp, Kreuzfahrt Südafrika - Seychellen, Cannero mit Hohls, Meran, Burgund mit BR, Gartenreise Yorkshire, Brissago - Narbonne Plage, Lübeck - Hamburg, Provence mit Ghia.

Sylvester/Neujahrsmorgen feierte ich wie üblich schön allein zuhause mit einem Sechsgänger, den ich aber nicht mehr bewältigen konnte. Ich hatte mich auch mit einem ganzen "Loup de Mer" etwas überschätzt!

Ich hatte mich für das Stradivari-Fest im Hotel Waldhaus in Sils im Engadin angemeldet, was mehrere Konzerte, eine Winterwanderung, eine Schlittenfahrt ins Fextal etc. beinhaltete. Mehrere Teilnehmer kannte ich von früheren Stradivari-Anlässen, so Gerhard Wyser, Hans Vogt, Elisabeth Hirs von der Goldhaldenstrasse usw. Und über das verlängerte Wochenende vor der Stradivariwoche hatte ich Lexi ins Hotel Waldhaus Sils eingeladen, quasi als Ausgleich zur Provence-Woche mit Ghia. Wir hatten es sehr schön miteinander, machten Winterwanderungen und sie führte mich in der Wellness ein.

Mitte Februar verbrachte ich wieder ein paar Tage mit Lexis Familie auf der Bettmeralp. Ich marschierte jeden Tag fleissig, wiederum meistens mit Leni Bosshard, der Schwiegermutter von Lexi.

Am 23. Februar startete ich mit Brunnschweilers das Projekt "Kreuzfahrt Kapstadt – Mahe Seychellen"! Schon die Flüge mit Emirates in der Business-Class im oberen Stock der A-380 bis Dubai (ich wurde zuhause in einer Limousine abgeholt, und der Chauffeur trug meinen Koffer an den Check-In-Schalter!) und dann Umsteigen nach Kapstadt war ein echtes Erlebnis! Nach 2 ½ Tagen in Kapstadt mit einem ersten Tagesausflug in den Natur-Tierpark "Aquila Private Game Reserve" und einem zweiten Tagesausflug in die Gegend um Stellenbosch mit einem Abstecher zu Raphael Dorniers Weingut (WG-Partner von Lexi in St. Gallen) schifften wir am 27. Februar abends für fast drei Wochen in die Silver Cloud ein, ein kleineres all-inclusive Schiff der italienischen Silversea Reederei.
Aufenthalte hatten wir zunächst immer noch in Südafrika in Port Elisabeth, East London, Durban und Richards Bay, wo wir jeweils Tagesausflüge entweder mit Stadtbesichtigungen oder Ausflügen in Naturparks gebucht hatten.
Nächster Halt war in Maputo in Mozambique, das frühere Laurenço Marques, wohin Mitarbeiter der GROWELA Portuguesa seinerzeit in den Bürgerkrieg einrücken mussten. Verblichene portugiesische Prachtsbauten aus der Kolonialzeit (z.B. der Bahnhof) waren vereinzelt noch zu sehen, die Stadt ist aber sehr heruntergekommen.
Nach 2 Tagen auf See landeten wir dann wieder im Norden der Insel Madagaskar, wo wir auf einer kleinen Insel einen erloschenen Vulkan erklommen und einen farbenfrohen, lokalen Markt besuchen konnten.
Von Madagaskar aus kreuzten wir wieder dem afrikanischen Festland zu und landeten in Sansibar, das wir in einem Tagesausflug erkunden konnten. Nach einer kurzen Fahrt erreichten wir die vorletzte Station Mombasa in Kenia, wo wir einen Tag und eine Nacht blieben. Auch hier machten wir eine interessante Stadtbesichtigung.
Nach 2 weiteren Tagen auf See erreichten wir schliesslich Mahe auf den Seychellen, wo Brunnschweilers noch eine Woche Badeferien geplant hatten. Ich blieb nur noch 1 Tag im gleichen, wunderbaren Tropen – Strand - Hotel. Dann flog ich über Dubai zurück, Dubai – Zürich wieder sehr feudal im oberen Stock einer A – 380 mit Limousinen-Service nach Hause. Alles in allem eine wunderbare Reise in guter Gesellschaft.

Der April war ein richtiger Familienmonat: Am 11. April fuhr ich an die Beerdigung meines Cousins Hansjörg Gadient in Frenkendorf. Es war traurig, dass seine Frau Heidi das Ganze nicht mehr mitbekam, so schlecht ist sie zwäg! Sein Bruder Felix war nicht an seine Beerdigung gekommen, so zerstritten waren die zwei Brüder.
Hingegen besuchten Bea und ich am 28. April unseren Cousin Felix Gadient im Altersheim in Chur und machten ihm damit eine grosse Freude.
Und am 29. April (immer 10 Tage nach Fischli) feierten wir Fischlis Tante und Nachbarin Marteli Oechslis ihren 90. Geburtstag mit einem schönen Fest.

Im Weiteren hatte unser Mieter im Kleindorf 14a, Herr Fingerhut, gekündigt und zog aus. Deshalb hatten wir einen neuen Mieter suchen müssen. Ich denke, wir haben grosses Glück gehabt: Mit RA Adrian Bachmann und seiner philippinischen Frau Nat haben wir sehr sympathische neue Mieter gefunden, mit denen ich sofort Kontakt hatte.

Im Mai und Juni begann jetzt eine eher hektische Reisezeit: Im Mai hatte ich bei Hapimag in Cannero am Lago Maggiore zusammen mit Marianne und Hans Ruedi Hohl eine Woche Ferien gebucht. Hohls waren schon früher mehrmals hier, wovon ich jetzt profitieren konnte. Wir besuchten die wunderbaren Borromäischen Inseln und Stresa, wir fuhren an den idyllischen Ortasee mit der Isola San Giulia und an einem anderen Tag mit der Fähre von Intra über den See nach Lavano und auf der Uferstrasse zur verträumten Eremo di Santa Catherina. Auch der botanische Garten der Villa Taranto in Intra wurde mir gezeigt, der jetzt im Mai in voller Blüte stand.

Anfangs Juni war dann das Kammermusikfest in Meran dran mit Carfahrt Hin- und zurück. Die Konzerte fanden wieder auf Schloss Rubein statt und ich wohnte wieder mit Schreiers und anderen Bekannten wie letztes Jahr im Hotel Juliane. Es spielten neben Elisabeth und Ruedi Weber das Stradivari und das Amar Quartett, sowie das Duo Leonore mit Per Lundberg und Maja Weber An einem freien Tag machte ich mit Schreiers eine wunderbare Wanderung an einem "heiligen Wasser" entlang, hier "Walweg" genannt.

Direkt anschliessend fuhr ich mit Brunnschweilers und Lisbeth Pelli nach Moroges im Burgund. Es war wieder eine sehr vergnügliche Woche, wobei wir altbekannte Stätten besuchten, aber auch wieder meistens zuhause kochten und ich wie üblich am grossen Cheminée einen Mocken Faux Filet grillierte.

Wieder kaum zuhause flog ich ein letztes Mal (?) mit Scalabrins nach Yorkshire England. 2002 waren Fischli und ich ein erstes Mal mit Scalabrins auf einer Gartenreise gewesen, ebenfalls in Yorkshire. Wir besuchten mehrere Orte, wo wir also schon vor 15 Jahren gewesen waren. Ich hatte die Fotos von damals bei mir, und wir waren absolut erstaunt, wie konsequent diese Gärten in ihrer ursprünglichen Form beibehalten werden. Neben Gärten besuchten wir aber auch Kulturelles, wie beispielsweise einen Industriepark "Salt Mill und Saltaire Village" oder in Wakefield ein Kunstmuseum mit einer moderne Künstlerin, die mir es richtig angetan ein, vor allem ihre Skulpturen.

Ende Juni waren wieder Messungen meines Femoralis-Nervs beim Neurologen Dr. Studer fällig. Resultat: Stabil, eigentlich keine Fortschritte. Die anschliessenden Besuche bei Dr. Kather und Dr. Dumont ergaben gegenüber dem letzten Mal ein ganz leicht verbessertes Resultat mit der frohen Aussicht, dass sich dies vielleicht noch mehr verbessern könnte!

Mitte Juli fuhr ich mit Elisabeth und Ruedi Weber zu "Soirées Musicales" in Meursault im Burgund, wo aber auch Per Lundberg und Maja Weber mit dabei waren. Maja hatte sogar ihre Buben bei sich. Wieder war eine Car-Fahrt organisiert. Ich wohnte im Hotel Chateau Citeaux La Cueillette in Meursault selber, während die Konzerte entweder im Chateau Tailly (einem Dorfteil von Meursault jenseits der Bahnlinie) oder einmal im romanischen Kirchlein von Brançion stattfanden. Dort gab es noch eine Führung durch die Burg, sowie einen Grillabend im Freien. An einem anderen Tag hatten wir eine Führung in Schloss Germolles, das erste Schloss der Burgunder-Herzöge, in der Nähe von Chagny, wo wir bisher mit Brunnschweilers immer vorbei fuhren. Sehr interessant! Ebenfalls sehr gelungene Ferientage.

Ende Juli / anfangs August verbrachte ich ein paar Tage mit meinen Béas (meine Schwester Béatrice und ihre gleichnamige Tochter!) in ihrem Ferienhaus ganz oben in Brissago mit traumhafter Aussicht auf den See mit den Brissago-Inseln, Ascona / Locarno und die Magadinoebene.
Von dort wollte ich zu Ghia in Narbonne Plage fahren. So fuhr ich zuerst dem See entlang südwärts und bei Stresa auf die Autobahn, dann über Turin und den Tunnel du Fréjus über Grenoble nach einer kleinen Ortschaft, wo die Autobahn von Lyon – Grenoble auf die Autobahn Grenoble - Valence trifft. Dort hatte ich auf Anraten meiner Schwester und von Ghia ein Hotelzimmer reserviert, weil sie nicht wollten, dass ich in einem Zug von Brissago nach Narbonne fahre. Nun war ich aber schon um 14:00 Uhr bereits im Hotel und konnte eigentlich nur etwas wütend Tagebuch-schreiben und Schlafen, bis es dann endlich Zeit für Apéro und den z'Nacht war.
Nächstes Mal fahre ich aber sicher wieder durch!
Anderntags Abfahrt gegen 10 Uhr, Fahrt mit einmal Tanken und Kaffee trinken ergab eine Ankunft im Hotel de la Clape um halb drei. Hotelbezug und anschliessend Spaziergang zu Ghia, die wieder am gleichen Ort ein ähnliches Haus wie letztes Jahr gemietet hatte. Während die Buben meistens an den Strand und abends in den Ausgang gingen, besuchten Andrea, Jan und ich einmal die Katharerburgen im Hinterland, ein anderes Mal fuhren wir nach Béziers und ein weiteres Mal zur Abtei Fontfroide. Im schattigen Gärtlein von Ghias Haus hatte es ein Aussen-Cheminée, wo herrlich grilliert werden konnte. Zwei Tage kamen Maria und Giuseppe zu Besuch, Freunde von Andrea aus Uitikon.

Anfangs September trafen sich die noch reisefähigen Aspiranten der Flieger Offiziersschule 1957 bei Hugo Strickler in St. Prex zur 60 Jahr Feier, wobei wir in einem Hotel in Morges wohnten. Eine Exkursion in die Gegend um Schloss Wufflens, eine Wein-Degustation und eine Schifffahrt auf einem historischen Segelboot boten einen würdigen Rahmen.

Mitte September hatte ich das Stradivarifest in Hamburg gebucht. Unsere Freunde Schreiers schlugen vor, vorher ein paar Tage Lübeck einzuplanen, was wir dann auch taten. Wir flogen am 11. September nach Hamburg und reisten per Bahn weiter nach Lübeck. Wir erlebten drei wunderbare Tage in Lübeck, das ich das letzte Mal mit einer von mir organisierten Reise des Kulturkreises Zollikon im Jahr 2004 besucht hatte.
Am 14. September fuhren wir dann nach Hamburg zurück und checkten im Ameron-Hotel in der Speicherstadt ein, wo die Teilnehmer des Stradivari-Fests ab Morgen auch wohnen werden.
Das Programm des Stradivarifestes war abwechslungsreich mit Stadtführung, Hafenrundfahrt, Führung in der Elbphilharmonie, ein Konzert mit anschliessendem Nachtessen in der Laeiszhalle (= alte Tonhalle) Hamburg, dann auch ein öffentliches Konzert mit dem Stradivari Quartett im kleinen Saal des Elphi, wobei unsere Gruppe die besten Plätze belegen durften! Eine Führung durch die "Steinway & Son", die Fabrik für Klaviere und Flügel war hochinteressant! Kurzum: Tolle und unvergessliche Tage!

Kaum zuhause fuhr ich ins Hotel Cresta Palace in Celerina, wo ich das Wanderwochenende der Studentenverbindung KTV St. Gallen organisiert hatte. Bei bestem Wanderwetter wanderten wir am Freitag nach Pontresina und zurück, am Samstag wanderten die meisten ins Rosegtal, einige aber von Muottas Muragl nach Alp Languard. Am Sonntag war das Fextal auf dem Programm, und zwar nach hinten und auch wieder nach vorn.

In der ersten Oktoberwoche fuhr ich wieder für eine Woche mit Andrea in die Provence, wo wir es wieder sehr genossen, ohne grosse Pläne zu reisen. Wir fuhren für einmal nicht über das Rohnetal, sondern über Genf, Chambéry, Grenoble und dann über den Col de la Croix haute bis Chateau Arnoux ins Hotel Bonne Etape (die Küche hat einen Michelin Stern!), wo ich mit Fischli mehrmals war. Weitere Etappenorte der Reise waren "Les Deux Garçons" in Aix-en-Provence, dann Hotel Tapis de Sable in St-Cyr sur Mer mit "Chez Henry" und "Les deux Sœurs" sowie der grosse Markt in Bandol. Dann suchten wir im Herbarella-Heft etwas in der Gegend von Le Cannet des Maures, die mir von den Kochferien mit Fischli und Rolf Grob in der Bastide Neuve bekannt ist. Wir einigten uns auf die Chambres d’Hôtes „Les Pierres Sauvages“ in Besse-sur-Issole, welches im Herbarella verheissungsvoll beschrieben ist und dann auch sehr speziell und wunderbar war. Von dort aus besuchten wir die Abtei Le Thoronet, das Château Entrecasteau (leider geschlossen, aber wunderbarer z'Mittag!) und das schöne Städtchen Cotinac. Dann fuhren wir als letzte Station zum obligaten Hotel Beaussenc in Maussane. Viele der Orte kenne ich von der Zeit mit Fischli. Ghia und ich haben jetzt aber auch schon einige schöne neue Orte gefunden. Die Heimfahrt war problemlos!

Als letzte Reise des Jahres fuhr ich Mitte Oktober nochmals für eine Woche mit Dinah Hinz nach Cannero: Ich hatte ihr scheinbar so viel vom Lago Maggiore erzählt, dass sie diese Gegend unbedingt auch kennen lernen wollte. Ich zeigte ihr praktisch alles, was ich im Frühjahr mit Hohls besucht hatte. Ich merkte dabei aber auch, dass nicht alle Frauen so pflegeleicht wie Fischli sind…

Nun kam bis Weihnachten eine etwas ruhigere Zeit, nur unterbrochen durch das Sami-Chlaus-Feiern en famille bei mir in Zollikon, wobei die Töchter stark mithalfen und auch Essen mitbrachten. Im Weiteren war ich im Dezember beim Neurologen Dr. Studer, welcher nach einem weiteren halben Jahr wieder meinen Femoralis-Nerv testete. Mit gutem Willen sei eine ganz leichte Besserung feststellbar! Wichtiger wäre aber mein Gefühl: Das zeigt mir leider keine Fortschritte. Auch Dr. Kather zeigte sich enttäuscht, dass es keine Fortschritte mehr gibt. Zu Dr. Dumont gehe ich erst nach Neujahr!

Über das Jahr verteilt hatte ich für die Altherren der Studentenverbindung KTV St. Gallen neben dem Engadiner Wanderwochenende noch 3 weitere Anlässe organisiert: Im Mai führte uns Mäzig, der ehemalige Zirkus Knie - Tierarzt durch Knies Kinderzoo, im Juni besuchten wir das Landesmuseum und im November hatten wir Führungen im Kunsthaus Zürich. Nach 21 Jahren Zürcher Obmann habe ich für die Organisation solcher Anlässe langsam Routine; hingegen gehen mir langsam die Ideen für weitere Anlässe aus. Die Zürcher Blase wird daneben immer kleiner, da verschiedene regelmässige Stammbesucher starben oder aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr mitmachen können. So sind wir am monatlichen Stamm im Belcanto fast immer nur 2 bis 3 Teilnehmer. Glücklicherweise kommen an die übrigen Anlässe viele Altherren aus anderen Regionen, scheinbar weil bei den Zürcher KTVern sehr viel läuft…
Neu war dieses Jahr, dass ab September die Abonnement-Konzerte in der Tonhalle Maag stattfinden, da die altehrwürdige Tonhalle und das Kongresshaus renoviert und teilweise umgebaut werden. Die Akustik ist prima, und der Weg dorthin mit Bus und S16 zur S-Bahn-Station Hardbrücke fast einfacher als zur Tonhalle an der Beethovenstrasse. Die Lunchkonzerte mit Kammermusik finden im Kaufleutesaal statt, da die Tonhalle Maag keinen kleinen Saal hat. Die Konzerte machen mir immer noch viel Freude. Ich habe Fischlis Abonnement behalten, wobei ich jeweils eine der Töchter oder jemand anders mitnehme.

Weihnachten feierten wir wieder gleich wie früher mit Fischli, genau gleich wie letztes Jahr: Alle zusammen wohnten sie bei mir, Lexi mit Familie vom 23. bis 25. Dezember, Andrea mit Familie vom 24. Dezember bis zum 27. Dezember. Am 26. Dezember feierten wir nochmals alle zusammen "Sippenweihnacht", zuerst mit Christbaum und Singen bei Marteli im Kleindorf 16, dann zum Essen bei mir, wobei mich die Töchter, vor allem Andrea und die anwesenden Buben stark unterstützten. Glücklicherweise habe ich jetzt die Menüs und die entsprechenden "Poschti-Zettel" auf dem Computer. Jetzt nur nichts mehr ändern! Traditionen soll man beibehalten!

Die Nacht vom 30. auf den 31. Dezember verbrachte ich bei Brunnschweilers in Wiesendangen (wie übrigens schon mehrmals über das Jahr verteilt), um am Sylvester wieder still für mich und in Erinnerungen an Fischli schwelgend bei mir zuhause zu sein.
Nur das  blöde Geklöpfe" um Mitternacht stört mich jedes Jahr mehr…

2018: Stradivarifest Waldhaus Sils, Bettmeralp mit Lexi, Italien mit Ghia und Schreiers, Burgund mit Br, Gartenreise Dresden, KTV Wandern Engadin
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8.40.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 2018: Stradivarifest Waldhaus Sils, Bettmeralp mit Lexi, Italien mit Ghia und Schreiers, Burgund mit Br, Gartenreise Dresden, KTV Wandern Engadin.

8.40 2018: StradivariFest Sils, Bettmeralp, Italien mif Ghia und Schreiers, Burgund, 60 Jahre ETH, Dresden, Wandertage Engadin, 85. Geburtstag, StradivatiFEST Scuol

Neujahr begann mit dem Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker.

Ein letzter Arztbesuch bei Dr. Dumont (Er hatte im Mai 2015 die Nerven-Rekonstruktion gemacht) brachte eigentlich keine neuen Erkenntnisse. Er schloss deshalb die Behandlung ab mit der Bemerkung, dass er eigentlich schon erstaunt sei, wie gut sich der durch den Femoralis-Nerv gesteuerte Quadrizepsmuskel erholt habe. Natürlich sei es nicht optimal und auch nicht wie vor der Hüftoperation. Aber es hätte eben bei der Operation beängstigend ausgesehen, und er hätte damals nie gedacht, dass es noch so gut herauskomme. Immerhin das!

Ich hatte mich wie im Vorjahr für das Stradivari-Fest im Hotel Waldhaus in Sils im Engadin angemeldet, was mehrere Konzerte, eine Winterwanderung, eine Schlittenfahrt ins Fextal etc. beinhaltete. Die meisten Teilnehmer kannte ich von früheren Stradivari-Anlässen her. Mit Hans Vogt wanderte ich fast jeden Tag nach Fex und zurück! Über das verlängerte Wochenende vor der Stradivariwoche hatte ich als Ausgleich zur Provence-Woche mit Ghia wieder Lexi ins Hotel Waldhaus Sils eingeladen. Wieder hatten wir es sehr schön miteinander, machten Winterwanderungen und Wellness.

Vom 10. bis 15. Februar verbringe ich wieder ein paar Tage mit Lexis Familie auf der Bettmeralp. Ab Reisetag Samstag sind wir "Alten" zuerst allein, am Montag kommt dann auch Nils, nur Fabian bleibt zuhause und arbeitet an der Maturaarbeit. Ich bekomme das "Kinderzimmer", bis ich am Donnerstag wieder nach Hause fahre. Dafür kommt dann am Mittwoch Nilsis Cousine Laura für den Rest der Ferien. Wie üblich sind Bosshards den ganzen Tag auf den Skipisten, während ich meistens meinen üblichen Marsch absolviere. Nur einmal bei starkem Schneefall wandern wir alle zusammen auf die Riederalp und wieder zurück! Mittags sehen wir uns bei gutem Wetter meistens zum Essen auf der Terrasse des Bettmerhofs, abends bleiben wir meistens Zuhause. Einmal habe ich die Familie zum Nachtessen ins Restaurant eingeladen. Es waren wunderbar harmonische Tage.

In der zweiten Maiwoche fuhr ich mit Ghia und Schreiers nach Italien in die "Podere Prasiano" in der Nähe von Bologna, bereits etwas im Apennin gelegen, eine wunderbare Agro-Tourismo-Institution mit 6 Gastzimmern. Schreiers kannten die Anlage von einer Familienreise und schwärmten vom guten Essen. Leider hatten die Besitzer infolge von weiteren Projekten, die sie in Angriff genommen hatten, das Angebot auf Bed and Breakfast zurückgeschraubt, so dass wir auf unseren Ausflügen am Mittag die Hauptmahlzeit einnahmen und für den Abend jeweils Picknick einkauften. Wein dazu konnte man wenigstens in der Podere kaufen! Wir fuhren einmal in den Apennin hinein zur Skistation, aus der Alberto Tomba hervorging, ein anderes Mal fuhren wir nach Bologna. Schöne, abwechslungsreiche Ferien.

Ende Mai fuhr ich wie üblich zusammen mit Brunnschweilers und Lisbeth Pelli nach Moroges im Burgund. Neu war eine schöne Sitzgruppe, die man vor das Haus stellen konnte und die wir bei schönstem Wetter zum Lesen und für Aperitifs ausgiebig nutzen. Wir bestiegen aber auch einmal den Mont Avril, allerdings nur zur Hälfte, da uns ein Gewitter zur Umkehr zwang. Dann genossen wir eine Führung im Schloss Germolles, das ich von den letztjährigen Soirées Musicales her kannte, eine sehr imposante, mittelalterliche Anlage der Herzöge von Burgund, an der wir bisher immer nur vorbei gefahren waren.
Dann hatte Jack viel Freude, als er erfuhr, dass sein Sohn Philipp den Architekturwettbewerb für einen Teil des Rieter-Areals gewonnen hatte. Spontan lud uns Jack in die "La Meloise" in Chagny ein, eine der ganz berühmten Edelherbergen mit drei Michelin-Sternen im Burgund. Abends war zwar schon ausverkauft; hingegen hatte es für mittags noch Patz: Wir assen und tranken von 13:00 bis 16:30 Uhr! Herrlich!
Sonst kochten wir wieder meistens zuhause: Feine Plättli als Vorspeise; dann jeweils Feaux Filet, am Stück im riesigen Cheminée grilliert; zum Dessert Käse oder Süsses.

Bosshards hatten letzte Weihnachten bei mir im Haus festgestellt, dass die Schiebetüre im UG nicht mehr funktionierte. Sie hatte Wasser bekommen und war aufgequollen. Die Suche nach der Ursache des Wasserschadens erwies sich im Frühjahr als sehr aufwändig: Der Sanitärmonteur demontierte alle Apparate im Bad und presste die Zuleitungen ab, fand aber kein Leck. Die OBAG spülte alle Leitungen, stellte dann aber fest, dass ein Teil der Sickerleitung nicht zu spülen sei, und zwar genau in der Gegend der Schiebetüre. Sie lasse dort zwar noch ein bisschen Wasser durch, sei aber stark verstopft oder verkalkt. OBAG ging davon aus, dass hier die Ursache für den Wasserschaden liegen könne. Sie schlugen vor, hinter dem Haus einen Schacht zu bauen, von welchem aus dann auch dieses Stück gespült werden könne. Ich war damit einverstanden und vergab die Arbeit.
Ferner gab ich den Auftrag für den Ausbau des Speichers der Photovoltaik-Anlage. Es ist viel rentabler, die bei mir produzierte Energie bei mir zu speichern und dann selbst zu verbrauchen, als sie zu einem Viertel des Kaufpreises ins Netz einzuspeisen.

Am 7. und 8. Juni hatte ich für die ETH Masch. Ing. von 1957 eine zweitägige 60 Jahr Diplomfeier organisiert. Wir wohnten im Hotel Florhof und hatten während zwei Tagen an der ETH Vorlesungen und Demonstrationen ausschliesslich von Sachen, die es 1957 noch nicht gegeben hatte. Meine Tochter Andrea, die nun seit 10 Jahren auf dem Rektorat der ETH arbeitet, hatte mich bei der Organisation tatkräftig unterstützt.

Am 9. Juni flog ich zur Gartenreise nach Dresden, wo ich aber am ersten Abend einen Horrorunfall hatte: Ich rutschte in der Dusche mit dem gesunden Fuss aus und hatte keine Chance, mich mit meinem lädierten linken Bein zu halten und stürzte seitwärts in die Glastür der Dusche, die in tausend Splitter zerbarst. Ich erlitt dabei tiefe Schnittwunden und beim anschliessenden Sturz in die. Ich rief um Hilfe: Blitzartig stand ein Herr der Rezeption mit einem Notfallkoffer im Zimmer, um aber sogleich den Notfallarzt und die Ambulanz anzurufen, die dann erstaunlich schnell da waren und mich mit Blaulicht ins Städtische Klinikum fuhren. Man zog unzählige Glassplitter aus den vielen grösseren und kleineren Wunden und begann lokal zu anästhesieren, die grösseren Wunden wurden genäht, die kleineren mit Steri-Strips verklebt. Dann stellte man fest, dass auch die Sehne des Ringfingers an der rechten Hand leicht angeschnitten war, die zuerst genäht werden musste, bevor dann die Haut auch noch zugenäht wurde. Die rechte Hand wurde dann noch eingegipst!
Ich konnte aber mit Hilfe meiner Mitreisenden die ganze Woche das volle Programm mittun. Das Programm war von Baba Scalabrin wiederum abwechslungsreich gestaltet: Eine Mischung von Stadtbesichtigung und Besuchen in Kunstmuseen, Schlössern mit Parkanlagen und Privatgärten.

Ende Juni fuhr ich ins Engadin, wo ich das KTVer Wanderwochenende im Cresta Palace organisiert hatte. Zum "Einlaufen" wanderten wir bei herrlichem Wetter am Freitag traditionsgemäss nach Pontresina, und am Sonntag vom Bernina-Passhöhe nach Berninahäuser. Im Hotel Cresta Palace waren wir das erste Mal mit dem Service nicht zufrieden. Ich schrieb Herrn Direktor Ulrich einen persönlichen Brief, auf den ich auch auf zweimalige Mahnung hin keine Antwort erhielt. So suche ich für nächstes Jahr eine Alternative, wobei ich das Waldhaus in Sils im Visier habe.

Am 14. Juli spielte aus Anlass meines 85. Geburtstages das Stradivari Quartett nei mir auf dem Sitzplatzt. Bei herrlichem Sommerwetter konnte das Ganze draussen abgehalten werden. Mit grosser Freude und Dankbarkeit nahm ich das Angebot von Finn und Andrea an, mit einem von ihnen zubereiteten "Apèro Riche" für das leibliche Wohl der Gäste zu sorgen. Daneben organisierte Andrea aber auch noch alles andere: Einen zusätzlichen, riesigen Kühlschrank, alle Gläser, dazu schöne Klappstühle, Sonnenschirme, Bänke usw.
Es war ein grossartiges Fest: Das Quartett spielte auf unserem Sitzplatz mit einer absolut erstaunlichen Akustik. Auf wurde der Wiese hatten wir zuerst Konzertbestuhlung unter Sonnenschirmen eingerichtet. Nachher auf Tische und Bänke umgebaut.

Über das Jahr verteilt hatte ich für die Altherren der Studentenverbindung KTV St. Gallen neben dem Engadiner Wanderwochenende (Ende Juni) noch 3 weitere Anlässe organisiert: Eine Führung in den TV Studios Leutschenbach, im Landesmuseum und im Kunsthaus Zürich.
Ab September fanden die Abonnement-Konzerte wieder in der Tonhalle Maag statt, die Lunchkonzerte mit Kammermusik auch wieder im Kaufleutesaal. Die Konzerte machen mir immer noch viel Freude, wobei ich ja Fischlis Abonnement behalten habe und jeweils eine der Töchter oder jemand anders mitnehme.

Vom 17. bis 21. Oktober verreiste ich dann doch noch einmal und besuchte das Stradivari-Fest in Scuol, das von Arnold Giamara, dem ehemaligen Concierge im Waldhaus Sils organisiert wurde. Tagsüber machte ich Wanderungen, zweimal allein, einmal mit Hans Vogt. Kurz nach vier wurden wir jeweils mit dem Hotelbus zu den Konzerten gefahren, einmal in die Kirche Sent, einmal in die Aula der Alpinen Mittelschule Ftan, und einmal in den Rittersaal von Schloss Tarasp. Wir hörten wiederum Musik vom Feinsten, und das immer auf den besten Plätzen. Ein weiteres tolles Musikerlebnis.

Weihnachten feierten wir wie jedes Jahr immer noch gleich wie früher mit Fischli: Alle zusammen wohnten sie bei mi! Lexi mit Familie vom 23. bis 25. Dezember; Andrea mit Familie plus Alex (ein Freund von Per, der seit einem halben Jahr auch bei Andrea wohnt) vom 24. Dezember bis zum 27. Dezember.
Für den Abend des 25. Dezember hatte ich wieder meine Schwester Béatrice und ihre Tochter eingeladen. An diesem Abend kochte Finn für uns das Dessert: Eine wunderbar luftige Mousse au Chocolat und Brownies.
Am 26. Dezember feierten wir ohne die Verreisten, aber mit Leni Bosshard "Sippenweihnacht", zuerst mit Christbaum und Singen bei Marteli im Kleindorf 16, dann zum Essen bei mir, wobei mich die Töchter, vor allem Andrea und Jan stark unterstützten.

Den Abend vom 29. auf den 30. Dezember verbrachte ich bei Brunnschweilers in Wiesen­dangen (wie übrigens schon mehrmals über das Jahr verteilt), um am Sylvester still für mich, in Erinnerungen an Fischli schwelgend und mir ein gutes Essen zubereitend bei mir zuhause zu sein. Nur das Geklöpfe um Mitternacht stört mich jedes Jahr mehr….

2019: Gstaad, StradivariFeste Sils, Giessbach, Gersau, Scuol, Bettmeralp, Burgund, Fertigbau Weltistrasse und Gartenmauer, Ars Amata Disentis, Bruch der Kniescheibe, Wandertage Engadin,
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8.41.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 2019: Gstaad, StradivariFeste Sils, Giessbach, Gersau, Scuol, Bettmeralp, Burgund, Fertigbau Weltistrasse und Gartenmauer, Ars Amata Disentis, Bruch der Kniescheibe, Wandertage Engadin,.

8.41 2019: Gstaad, StradivariFeste Sils, Giessbach, Gersau, Scuol, Bettmeralp, Burgund, Fertigbau Weltistrasse und Gartenmauer, Ars Amata Disentis,  Bruch der Kniescheibe, Wandertage im Engadin.

Sylvester/Neujahr feierte ich wie üblich schön allein zuhause. Wieder habe ich mir einen feinen Mehrgänger gekocht, einen speziell guten Wein getrunken und in Erinnerungen an wunderbare Begebenheiten mit meinem Fischli geschwelgt.

Am 3. Januar fuhr ich zu Ruedi Bleuler nach Gstaad, wobei am Anfang Dodo und Gianni auch noch da waren. Anja war mit ihren Mädchen bereits wieder nach Hause gefahren. Wir hatten es sehr schön miteinander: Wir machten Spaziergänge, u.a. am Rand des Flugplatzes Saanen, wo ich seit der Offiziersschule nie mehr gewesen war. Der Flugplatz wird nicht mehr militärisch genutzt. In der Kommandokaverne scheinen jetzt Banken-Computer zu stehen.

Dann hatte ich mich wie im Vorjahr wieder für das Stradivari-Fest im Hotel Waldhaus in Sils im Engadin (21. – 25. Januar) angemeldet, was wieder jeden Tag ein Konzert, eine Winterwanderung, eine Schlittenfahrt ins Fextal mit Fondueplausch etc. beinhaltete. Die meisten Teilnehmer kennen sich von früheren Stradivari-Anlässen her. Mit Hans Vogt wanderte ich fast jeden Tag nach Fex und zurück! Über das verlängerte Wochenende nach der Stradivariwoche hatte ich als Ausgleich zur Provence-Woche mit Ghia wieder Lexi ins Hotel Waldhaus Sils eingeladen. Wieder hatten wir es sehr schön miteinander, machten Winterwanderungen und viel Wellness.

Da im Sommer Dodo Bleuler mit dem Neubau ihres EFH auf dem Nachbargrundstück beginnen will, begannen Ende Januar die Bauarbeiten an der Verlängerung der Weltistrasse mit dem Kehrplatz unten an meinem Grundstück. Mit der Gemeinde lief es nicht optimal, ja es begann schon denkbar schlecht, indem sie uns eine Rechnung für verjährte Arbeiten an der Quartierplanung in den Jahren 2000 – 2005 präsentierte. Überhaupt bekamen wir im Verkehr mit der Bauabteilung der Gemeinde ein grosses Unbehagen, was wir schlussendlich dem Gemeinderat auch mitteilten.

Vom 9. bis 13. Februar verbrachte ich wieder ein paar Tage mit Lexis Familie auf der Bettmeralp. Nils schlief im Wohnzimmer, denn ich bekam das "Kinderzimmer", bis ich am Mittwoch wieder nach Hause fuhr. Wie üblich sind Bosshards den ganzen Tag auf den Skipisten, während ich meistens auf meinen üblichen Marsch ging. Bei schlechtem Wetter begleitete mich jeweils Lexi. Mittags sahen wir uns bei gutem Wetter zum Essen meistens auf der Terrasse des Bettmerhofs, abends blieben wir meistens zuhause. Einmal habe ich die Familie zum Nachtessen ins Restaurant eingeladen. Einmal mehr waren es wunderbar harmonische Tage.

April und Mai blieb ich ausnahmsweise sehr häuslich, wobei man mir für den Mauerbau meinen Garten bis zum Sitzplatz hin wegbaggerte und dann wieder auffüllte. Einige Pflanzen liess ich durch den Gärtner retten, der die Pflanzen einschlug oder in grossen Töpfen hinter dem Haus lagerte. Diese mussten dann aber immer wieder gewässert werden.

Mitte Juni fuhr ich zusammen mit Brunnschweilers und Lisbeth Pelli nach Moroges im Burgund. Wieder stellten wir die wunderbare Rattan-Sitz-gruppe zum Lesen und für Aperitifs vor das Haus. Wir machten zu Beginn unseres Aufenthaltes eine Weindegustation bei Juillot in Mercurey, wo wir uns für unseren Aufenthalt mit Wein eindeckten. Den Traiteur Moret müssen wir jetzt nicht mehr suchen. Wir kauften dort wunderbare Sachen, weil wir meistens zuhause kochten: Wie gehabt feine Plättli als Vorspeise; dann jeweils Faux Filet am Stück, im riesigen Cheminée von mir grilliert; zum Dessert Käse oder Süsses. Einmal fuhren wir nach Bourg en Bresse, wo wir das Kloster Brou besuchten, und an einem weiteren Tag besuchten wir wieder einmal Dijon. Auf dem Heimweg von Dijon über die Route des Grands Vins de Bourgogne lud ich die Gesellschaft in Meursault ins Hotel Cîteaux "La Cueillette" ein, wo wir an der Bar ein Glas des Meursault vom Rebberg hinter dem Haus tranken und aufs WC gingen. In diesem Hotel hatte ich vor zwei Jahren bei den Soirées Musicales mit dem Ars Amata Quartett gewohnt.

Kaum zuhause galt es schon wieder zu packen für das StradivariFest in Giessbach. Wir hatten ein tolles Zolliker-Grüppli: Baslers, Bidermanns, Schreiers und ich! Wieder genossen wir traumhafte Musik, daneben ein abwechslungsreiches Programm: Eine Schifffahrt auf dem Brienzersee, ein Ausflug aufs Brienzer Rothorn, der aber auf der Mittelstation endete, da oben das Geleise zwar ausgefräst, infolge warmer Witterung die seitlichen Schneemauern aber eingestürzt waren, und eine Führung im Freilichtmuseum Ballenberg. Ein besonderer Leckerbissen waren alle 5 Mozart Violinkonzerte nach dem Frühstück: Xiaoming Wang wird diese als Solist mit grossem Orchester in China demnächst aufführen, und so war es zusammen mit Per Lundberg am Flügel eine Art Vorpremière mit Zuhörer. Es war eine tolle Überraschung, nirgends im Programm. Daneben freute ich mich an den vorbeidonnernden F/A 18 vom nahen Militär-Flugplatz Meiringen; andere hatten daran weniger Freude!

Zuhause wurde danach mein Garten wieder instand gestellt: Der Rasen wurde mit Rollrasen neu bestückt, neben dem Setzen der geretteten Pflanzen hatte ich zusammen mit Gärtner Helbling das Border beim Sitzplatz neu konzipiert, und so wurde es jetzt auch angepflanzt, eigentlich etwas spät! Schwierigkeiten bot anschliessend daran das warme und schöne Wetter; immer wieder musste stark gewässert werden.

Vom 13. bis 29.Juli fuhr ich mit meiner Schwester Béatrice nach Brissago. Wir zerrissen keine grossen Stricke, waren nur ein einziges Mal auswärts essen. Ich nahm die Masse der "Passe-par-Tout" aller Bilder in Wechselrahmen, um sie neu herstellen zu lassen, was ich dann im Lädeli in der Rehalp auch machen liess. Ich offerierte dies als kleines Entgelt für meine Ferientage dort.

Und dann war bereits das nächste StradivariFest Gersau vom 24. – 29.Juli fällig. Wieder war ich fasziniert von der wunderbaren Musik, sei es im Saal des Hotel Waldstätterhof, wo wir wohnten, sei es auf einem Nauen auf dem See, bei der Kapelle am Seeufer bei Kerzenlicht, oder dann auch auf dem Rütli: Dort interpretierte das Quartett nach Rossinis, für Quartett arrangiertem " Willhelm Tell", und einem Mani Matter-Medley in einem zweiten Teil zusammen mit der Schlagersängerin Linda Fäh ein paar Ohrwürmer.
Ganz besonders war das Abschlusskonzert in der Kirche Gersau. Die "Hommage an Rolf Habisreutinger", den Begründer der Stradivari-Stiftung, geschah mit einem Konzert des Stradivari Quartetts plus David Pia, wobei die fünf Musiker wahrscheinlich zum letzten Mal zusammen alle fünf Stradivari Instrumente der Stiftung spielten. Nach dem Verdi ergriff mich das Franz Schubert Streichquintett in C-Dur bis ins Mark! So gefühlvoll gespielt und so wahnsinnig schön: Es lief mir immer wieder kalt den Rücken hinunter und mir kamen dauernd Tränen! Ach, wie hätte Fischli dies geliebt!

Vom 31. Juli bis am 5 August fuhr ich zu Ruedi Bleuler nach Gstaad, wobei teilweise auch Dodo und Gianni mit dabei waren. Höhepunkte waren einerseits das 1. August Nachtessen draussen auf der Terrasse des Grand Chalet mit dem kolossalen Feuerwerk vom Parkhotel, und andrerseits das Konzert im Rahmen des Menuhin Festivals in der Kirche Saanen: Zuerst das Mozart-Konzert für Flöte und Harfe in C – Dur KV 299/297c von Sebastien Jacob Flöte und Agnès Clement Harfe wunderbar gespielt. Nach der Pause spielte die Asiatin Claire Huangci das Chopin Klavierkonzert Nr. 2 in f-Moll Op. 21, etwas eigen, aber virtuos und temperamentvoll. Erwähnenswert wäre noch unser Ausflug auf den Sanetschpass mit der Bergbahn des Kraftwerks.

Vom 9. – 12. August fuhr ich mit der Ars Amata nach Disentis, wo es ebenfalls viel Musik gab: Elisabeth und Ruedi Weber-Erb, die Eltern von Maja Weber vom Stradivari Quartett, haben im Weiler Acletta eine Ferienwohnung, gleich neben dem Kirchlein, in welchem die Konzerte stattfanden. Eine interessante Klosterführung, ein Ausflug mit der Seilbahn in die Höhe und zum Schluss der /verregnete) Besuch der Wallfahrts-Kirche Sontga Gada (Sankt Agatha) mit Erläuterungen und Musik rundeten das Programm ab.

Am 21. August stürzte ich vor dem Restaurant Sinfonia in Erlenbach beim Einsteigen ins Auto nach rückwärts, wobei ich mir das linke, lädierte Knie stark überdehnte: Resultat eine gebrochene Kniescheibe! Anderntags röntgen und ab in die Klinik Hirslanden. Operation dann am 27. August, als es endlich nicht mehr so hoch geschwollen war.
Die beiden geplanten Reisen StradivariFest Berlin und Provence mit Ghia sowie die Wanderung in der Bündner Herrschaft mussten leider alle abgesagt werden. Vom 7. – 21. September war ich in der Reha in Mammern. Zuhause begann dann ein mühsames Herantasten an den Alltag.

Über das Jahr verteilt hatte ich für die Altherren der Studentenverbindung KTV St. Gallen neben den Engadiner Wandertagen noch 3 weitere Anlässe organisiert: Ende März hatten wir eine Führung in der Werft der Zürichsee Schifffahrtsgesellschaft in Zürich Wollishofen, im Juni hatten wir eine Führung in der Sammlung des Kunsthaus Zürich mit dem Thema "Vom Impressionismus in die Moderne", und im November besuchten wir die neue Sammlung im Landesmuseum, immer mit Apero und Mittagessen.

Vom 6.- 9. Oktober fanden die von mir organisierten KTV-Wandertage im Engadin statt. Diese Jahr nicht mehr im Cresta Palace in Celerina, sondern zum ersten Mal im Hotel Waldhaus in Sils Maria. Ich nahm teil, weniger wegen dem Wandern als viel mehr wegen dem Andern! Ich begann aber bereits, jeweils ca. eine halbe Stunde auf dem Fextalsträsschen zu wandern. Wir genossen das wunderbare Hotel und das schöne Wetter.

Ab September fanden wieder wie im Vorjahr die Abonnements-Konzerte in der Tonhalle Maag statt, die Lunchkonzerte mit Kammermusik auch wieder im Kaufleutesaal. Die Konzerte machen mir immer noch viel Freude, wobei ich ja Fischlis Abonnement behalten habe und mich jeweils meistens mit Andrea oder sonst jemandem schon zum Nachtessen treffe.

Vom 16. bis 20. Oktober verreiste ich dann nochmals ins Engadin und besuchte das StradivariFest in Scuol, das von Arnold Giamara aus Tarasp mitorganisiert wurde. Dieses Mal wohnte ich nicht mehr zusammen mit der Gruppe, sondern mit Gerhard Wieser und Hans Vogt im Schlosshotel in Tarasp mit seiner wunderbaren Küche. Zusammen mit Gerhard Wieser machten wir tagsüber kleinere Wanderungen ab Hotel von ca. 30-40 Minuten, während Hans Vogt grössere, ganztägige Wanderungen unternahm. Kurz nach vier wurden wir jeweils wie im Vorjahr mit dem Hotelbus zu den Konzerten gefahren, einmal in den Rittersaal von Schloss Tarasp, einmal in die Kirche Sent, einmal in die Aula der Alpinen Mittelschule Ftan, und einmal in die Kirche Scuol. Wir hörten wiederum Musik vom Feinsten, und das immer auf den besten Plätzen: Ein weiteres wunderbares Musikerlebnis.

Bei herrlichem Herbstwetter durfte ich dieses Jahr im Garten mit meiner Kniescheibe selber nichts tun: Ich sass jeweils mit einem sehr schlechten Gewissen drinnen, hatte aber mit Peter Odermatt einen wunderbaren Gärtner gefunden, dem ich voll vertrauen konnte. Er führte bis Ende 2018 zusammen mit seiner Schwester das Blumengeschäft BLUME Zollikon, und stellt sich jetzt an seine ehemaligen Stammkunden für Gartenarbeit oder sonstige Arbeiten in Haus und Hof zur Verfügung.

Mitte November bekam ich Schmerzen im operierten Knie:  Bei der Röntgenkontrolle in der Klinik Hirslanden stellte man fest, dass eine Klammer der Kniescheiben-Fixierung im Muskel nach oben und aussen wanderte. Diese Klammer musste operativ sofort entfernt werden. Vorher machte man aber noch ein CT um festzustellen, ob allenfalls die Kniescheibe schon genügend zusammengewachsen sei, so dass man jetzt schon bereits die ganze Fixierung entfernen könnte. Für einmal hatte ich dank guten Genen (Meinen Eltern sei Dank!) Glück: man konnte die ganze Fixierung am 27. November heraus operieren. Ich blieb drei Tage im Spital, dann ohne Reha wieder zuhause, mit etwas gesteigerter Physiotherapie.

Weihnachten feierten wir wie früher jedes Jahr mit Fischli immer noch gleich: Alle zusammen wohnten sie wieder bei mir: Lexi mit Familie vom 23. bis 25. Dezember, wobei am 23. 12. auch noch Leni Bosshard eingeladen war. Eine Änderung im Menü am 23.12. gab es: Anstatt wie üblich ein rotes Fleisch mit Rotweinsauce und Gratin gab es nach dem Nüsslisalat Mimosa dieses Jahr Seiblingfilets mit Estragon-Hollandaise, Salzkartoffeln und Rüebli. Zum Dessert hatte ich 3 Mango vorbereitet. Am 24. Dezember reisten Andrea mit Familie plus Alex und Yvonne an. Alex ist ein Freund von Per, der seit zwei Jahren auch bei Andrea wohnt, und Yvonne ist die Freundin von Jan. Während Alex und Finn am frühen Morgen des 25.12. zu Alex Mutter nach Malaga verreisten, fuhren Yvonne und Jan am frühen Nachmittag zu Yvonnes Bruder, um dort mit ihrer Familie auch Weihnachten zu feiern und am 26. Dezember wieder zu kommen. Andrea und Per blieben durchgehend bis zum 27. Dezember. Für den Abend des 25. Dezember hatten wir wieder meine Schwester Béatrice und ihre Tochter eingeladen.
Am 26. Dezember feierten wir die traditionelle "Sippenweihnacht" mit total 24 Personen:
Von unserer Familie waren dabei: Alle Bosshards, Heinzelmanns ohne Finn und Alex, aber dafür mit Jans Freundin Yvonne und zum ersten Mal auch mit Pers Freundin Sophie. Von Oechslis waren anwesend Marteli, Pepsi, alle Hugs mit Simons Freundin Liz, Von Karpfs waren Roland und Fabienne sowie Sandra und Ekkehardt da, dazu noch Ernst Karrer mit Eleonora. Wie jetzt fast schon traditionell feiern wir jetzt seit Jahren zuerst mit Christbaum und Singen bei Fischlis Tante Marteli Oechsli im Nachbarhaus Kleindorf 16, dann dislozieren wir alle zu mir zum Essen, wobei mich die Töchter, dieses Jahr vor allem Andrea Per und Sophie stark unterstützten.

Das Menü vom 26. Dezember war auch wieder wie in den letzten Jahren mit Fischli:
>Nüsslisalat, gewaschen und gestiftet von Ernst Karrer mit Salatsauce Mimosa von mir,
>Bündner Gerstensuppe mit viel Fleisch und Semmeli von mir,
>Fribourger Käse (Gruyere und Vacherin) gestiftet von Pepsi Oechsli,
>Mandarinli gestiftet von Ernst Karrer,
>Kuchen und Guetsli gestiftet von Verschiedenen mit Kaffee von mir,
>getrunken wurde dieses Jahr Chianti Classico Castello di Meleto 2012.

Es war sehr schön mit den vielen Besuchen. Es war ein bisschen wie früher, ausser dass die Seele das Hauses nicht mehr da ist: Der Verlust von Fischli wird in solchen Momenten noch viel offenkundiger! Als dann am 27. Dezember am frühen Nachmittag wieder Ruhe einkehrte, machte ich still für mich eine Flasche auf und liess bei einem guten Glas Wein die Tage nochmals Revue passieren. Ausruhen, Aufräumen, Entsorgen und Waschen war dann angesagt. Dabei wurde mir einmal mehr bewusst, wie alt ich inzwischen geworden bin: Der Elan ist immer noch da, aber ich werde stark daran erinnert, dass die Kräfte langsam etwas schwinden.
Den Abend vom 30. auf den 31. Dezember verbrachte ich bei Brunnschweilers in Wiesen­dangen (wie übrigens schon mehrmals über das Jahr verteilt), um dann den Silvesterabend still für mich bei mir zuhause zu verbringen. Ich besuchte um 17:00 Uhr das Sylvester Konzert in unserer Dorfkirche. Dann bereitete ich mir ein feines Essen zu schwelgte in wunderbaren Erinnerungen an unvergessliche Momente mit Fischli…

2020: StradivariFESTE Sils, Gersau, Lugano und Scuol, Bettmeralp, Wandertage Engadin, Geburtstag in La Punt, Knie OP, Corona-Weihnachten
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8.42.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 2020: StradivariFESTE Sils, Gersau, Lugano und Scuol, Bettmeralp, Wandertage Engadin, Geburtstag in La Punt, Knie OP, Corona-Weihnachten.

8.42 2020: StradivariFest Sils, Bettmeralp mit Bosshards, Teilprothese Knie rechts, Wandertage Engadin, Geburtstag in der Krone La Punt, StradivariFeste Gersau, Lugano und Scuol, Corona-Weihnachten.

Sylvester/Neujahr feierte ich wie üblich schön allein zuhause. Wieder habe ich mir einen feinen Mehrgänger gekocht, einen speziell guten Wein getrunken und in Erinnerungen an mein Fischli geschwelgt.

Wie jetzt fast schon traditionell hatte ich mich wieder für das StradivariFest Sils im Hotel Waldhaus im Engadin (20. – 24. Januar) angemeldet, was wieder jeden Tag ein Konzert und eine Winterwanderung oder eine Schlittenfahrt ins Fextal beinhaltete.
Nachher verbrachte ich noch ein gemeinsames Wochenende mit Lexi im Waldhaus, bis wir am 27. Januar wieder nach Hause fuhren..

Vom 8. bis 12. Februar verbrachte ich wieder ein paar Tage mit Familie Bosshard auf der Bettmeralp. Nils und Fabian schliefen im Wohnzimmer, so dass ich bis am Mittwoch wieder das Kinderzimmer bewohnen durfte und ich dann wieder nach Hause fuhr. Wie üblich sind Bosshards jeweils den ganzen Tag auf den Skipisten, während ich meistens auf meinen üblichen Marsch gehe. Bei schlechtem Wetter begleitet mich jeweils Lexi. Mittags sahen wir uns bei gutem Wetter zum Essen auf der Terrasse des Bettmerhofs, wo ich jeweils für sie reservierte, abends blieben wir meistens zuhause. Einmal habe ich die Familie zum Nachtessen ins Restaurant eingeladen. Es waren wunderbar harmonische Tage.

Durch den Bruch der linken Kniescheibe war mein rechtes Knie noch mehr überbeansprucht worden als es das sowieso schon ist. Es war vorgesehen, nach Ostern im rechten Knie eine Teilprothese einzusetzen. Der Termin nach Ostern erfolgte deshalb, weil ich mit meinem Freund und Nachbar Ruedi Bleuler die drei Wochen vor Ostern
Golfferien in Naples, Florida
geplant hatte. Ruedi Bleuler besitzt dort in einem Golf-Resort eine grosse Wohnung mit Gastzimmern. Geplant waren Hinflug am 21. März, Rückflug am 10. April. Ich war gewillt, nach 20 Jahren Pause nochmals zu versuchen, Golf zu spielen. Ich hatte für den USA Aufenthalt bereits Post und Zeitungen zurückbehalten lassen, das Flugticket gekauft, Reiselektüre bereitgestellt. Ruedi seinerseits liess bereits die Wohnung in Naples herrichten und hatte auch schon ein Auto gemietet. Trotzdem war es uns schon seit Anfang März etwas mulmig, wenn wir an Corona und die bevorstehende USA Reise dachten! Wir befürchteten, allenfalls irgend­wo in den USA in Quarantäne versetzt oder gar hospitalisiert werden zu müssen, und das zu den horrenden US-Gesundheitskosten… 
Am 12. März nahm uns dann aber Herr Trump selbst den Entscheid für die Absage der Reise mit dem Einreiseverbot für Europäer ab! Und ich war nicht einmal sehr unglücklich darüber! Also galt es, sofort Post- und Zeitungsunterbruch wieder rückgängig zu machen, meine Physiotherapie neu zu terminieren, die Rückerstattung für das Flugticket zu beantragen usw.

Meine Tochter Alexa schlug mir in der Folge anlässlich eines kleinen Familienfestes vor, ich könnte doch jetzt versuchen, mit dem jetzt leeren Terminkalender die Knie-Operation vorzuziehen! Das schien mir vernünftig und ich fragte an: Antwort: Ja, das würde gehen, aber die einzige Möglichkeit wäre schon in drei Tagen. Entscheidungsfreudig wie ich bin, entschied ich mich spontan für die OP. Das bedeutete allerdings, dass ich wieder die Abwesenheit von zuhause mit Post, Zeitungen, Haushalthilfe etc. umorganisieren. Schlussendlich hatte ich endlich alles erledigt, als am Nachmittag des 18. März der Chirurg persönlich anrief, dass ab Samstag alle nicht lebensnotwendigen und nicht Corona-bedingten Operationen verboten seien! Also schon wieder alles rückgängig machen…
Ich hatte in der Zwischenzeit einen Corona-Zusatz zu meiner Patientenverfügung verfasst: Ich wünschte, falls ich am Virus erkranken sollte, auf die Aufnahme in die Intensivstation und die Benützung eines Beatmungsgerätes zu Gunsten von jüngeren Kranken zu verzichten. Vielmehr wünschte ich mir eine möglichst wirksame palliative Betreuung, die mir ein Sterben in Würde erlauben würde.
Erst am 22. April erhielt ich dann wieder den Bescheid, die Knie-OP könne am 27. April erfolgen. Alles verlief gut, nach 1 Woche Spital verbrachte ich anschliessend 3 Wochen In der Reha in Mammern.
Dort traf ich auf Ruedi Bleuler mit einer unfallbedingten, lädierten Schulter: Anstatt 3 Wochen Florida genossen wir also 3 gemeinsame Reha-Wochen Klinik Schloss Mammern.

Mitte Juni war ich soweit wieder hergestellt, dass ich ins Engadin fahren konnte, wo ich für die Zürcher Altherren der Studentenverbindung KTV St. Gallen im Hotel Waldhaus Wandertage in Sils im Engadin organisiert hatte. Meine Anwesenheit war wieder einmal nicht wegen dem Wandern, sondern wegen dem andern!

Anfangs Juli wurde ich von Andrea nochmals für drei Tage ins Engadin gefahren: Meine Töchter hatten mich zum Geburtstag in die Krone La Punt eingeladen, wo Alexa und Philipp ein paar Tage in den Ferien waren.

Vom 22. – 27. Juli war ich Teilnehmer am StradivariFest Gersau, wobei wir ein ganz kleines Begleitgrüppchen von nur 7 Personen waren, die das ganze Programm mit den öffentlichen Konzerten mitmachten. Wieder war ich fasziniert von der wunderbaren Musik, sei es im Hotel Waldstätterhof, wo wir auch wohnten, sei es auf einem Nauen auf dem See, bei Kerzenlicht vor der Kapelle am Seeufer oder in der Kirche Gersau.

Bosshards machten Sommerferien auf Korsika, während Andrea mit ihrer Arbeitskollegin Wapu in Finnland Ferien machte. Ich verbrachte Ende August ein paar geruhsame Tage mit Ruedi Bleuler in dessen Haus in Gstaad.

Für Mitte September hatte ich mich ans StradivariFest Lugano angemeldet: Eine wunderbare Woche im 5Stern Grand Hotel Castagnola, bei absolutem Traumwetter, abends mit wunderbaren Konzerten und tagsüber mit Ausflügen auf den Monte Bré, in den Parco Scherrer in Morcote und einer guten Stadtführung in Lugano! Dies alles machte die Woche zum wirklichen Erlebnis.

Vom 13. bis 18. Oktober besuchte ich dann das StradivariFest Scuol im Engadin. Zusammen mit Gerhard Wieser und Hans Vogt bildeten wir wieder das unzertrennliche Trio alter Männer. Wieder wohnten wir im Schlosshotel Chastè in Tarasp mit seiner wunderbaren Küche. Zusammen mit Hans Vogt machte ich tagsüber kleinere Wanderungen. Die täglichen Konzerte waren wieder öffentlich und fanden je einmal im Rittersaal von Schloss Tarasp, in die Kirche Sent, in der Aula der Alpinen Mittelschule Ftan und in der Kirche Scuol statt. Wir hörten wiederum Musik vom Feinsten, und das immer auf den besten Plätzen: Ein weiteres wunderbares Musikerlebnis.

Die obligate Provence-Woche mit Andrea (wie früher mit Fischli!) mussten wir dieses Jahr ausfallen lassen: Wir fanden infolge Ferien und/oder Corona-bedingten Arbeitsanfall bei Ghia einfach keinen Termin, an welchem wir beide für eine Woche gemeinsam wegfahren konnten…

Über das Jahr verteilt hatte ich für die St. Gallen neben den Engadiner Wandertagen noch 3 weitere Anlässe organisiert, die Corona-bedingt bis auf die Führung im Kunsthaus Zürich aber leider alle abgesagt werden mussten.

Wie im Vorjahr fanden bis Ende Februar die Abonnements-Konzerte in der Tonhalle Maag statt, die Lunchkonzerte mit Kammermusik auch wieder im Kaufleutesaal. Die Konzerte wurden Corona-bedingt ab März abgesagt, wobei ich die mir zustehende Abo-Rückerstattung der Tonhalle als Spende stehen liess. Die neue Saison wird erst im Januar beginnen…

Leider musste ich auch dieses Jahr von drei guten Freunden für immer Abschied nehmen: Andreas Oplatka war früher NZZ-Redaktor und Wanderkollege aus Zollikon, Rolf Maron v/o Trott wohnte in Erlenbach und war ein treuer Farbenbruder im KTV. Gerhard Wieser ist ein guter Freund aus dem Stradivari-Freundeskreis, Bratschist und früher bei Musik-Hug für wertvolle Streichinstrumente verantwortlich. Er wohnte wie Hans Vogt in Grüningen. 

Weihnachten feierten wir nun schon das achte Mal ohne Fischli, Corona-bedingt ganz anders als sonst immer: Am 21.12. schmückte ich zusammen mit meinem Enkel Nils Bosshard unseren Christbaum. Am Nachmittag des 23.12. kam Familie Bosshard inkl. Leni, der verwitweten Schwiegermutter von Alexa zu mir. Nach Essen und Weihnachtsfeier blieben alle über Nacht. Nach einem Brunch war dann am 24.12. ein Wechsel von Familie Bosshard zur Familie Heinzelmann: Gemeinsam mit beiden Familien waren wir nur draussen auf dem Sitzplatz bei einem Apéro mit einer wärmenden Feuerschale. Nach dem Apéro verliess uns dann Familie Bosshard. Nach Essen und Weihnachtsfeier übernachteten dann Heinzelmanns auch wieder bei mir. Am 25.12. fuhren dann die Enkel inkl. Freundinnen nach dem Brunch wieder nach Hause, während meine Tochter Andrea noch bis am 27.12. bei mir blieb!

Corona-bedingt war die "Sippenweihnacht" vom 26.12. ganz abgesagt worden. An den Tagen bis Sylvester geniesse ich nun die "Ruhe nach dem Sturm", um mir dann wieder einen feinen Mehrgänger zu kochen.

2021: StradivariFESTE Sils, St. Gallen, Kammermusik Meran, Andrea nach Zollikon, Erbteiilung, Bolgna mit ETH Alumni, KTV Kunsthaus und Wandertage Engadin, Kulturreise Siebenbürgen mit Unfall, REGA, OP im Hirslanden, REHA in Mammern
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8.43.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 2021: StradivariFESTE Sils, St. Gallen, Kammermusik Meran, Andrea nach Zollikon, Erbteiilung, Bolgna mit ETH Alumni, KTV Kunsthaus und Wandertage Engadin, Kulturreise Siebenbürgen mit Unfall, REGA, OP im Hirslanden, REHA in Mammern.

8.43 2021: Stradivarifeste Sils, St. Gallen, Kammermusik Meran, Umzug Andrea nach Zollikon, Erbteilung, ETH-Alumni Bologna, KTV Kunsthaus und Wandertage Engadin, StradivariFEST Scuol, Kulturreise Siebenbürgen mit Unfall: Rega, Hirslanden-OP, Mammern

Sylvester/Neujahr feierte ich wie üblich schön allein zuhause. Wieder habe ich mir einen feinen Mehrgänger gekocht, einen speziell guten Wein getrunken und in Erinnerungen an mein Fischli geschwelgt.
Den Zürcher KTVer Stamm am Dienstag 05.01. wurde bei mir "mit Damen" abgehalten, als ich hörte, dass nur Galan und ich teilnehmen würden. Wir hatten zusammen mit Laura und dem notwendigen - Abstand einen schönen Abend.
 
Wie jetzt fast schon traditionell hatte ich mich wieder für das StradivariFest Sils im Hotel Waldhaus im Engadin (02. – 05. Februar) angemeldet mit gemeinsamen Wochenende mit Lexi: Corona-bedingte Abmeldung von allem, umso mehr, als ich noch hörte, dass man die Konzerte auf seinem Zimmer am TV sehen und hören musste.
Die nächsten Monate verbrachte ich Corona-bedingt schön brav zuhause, unterbrochen nur von den Monats-Wanderungen unserer Gruppe, dem KTVer Stamm bei mir Zuhause, dem KTVer Anlass im Kunsthaus mit anschliessendem Mittagessen im Hotel Florhof, sowie dem einen oder anderen Apéro mit Freunden und Verwandten.
 
Ein grösseres Projekt kam auf, als Andrea den Wunsch äusserte, gelegentlich in Fischlis Elternhaus, Kleindorf 14a in Zollikon zu ziehen, welches seit dem Tod meiner Schwiegermutter im Jahr 1989 vermietet war. Ich teilte die geplante Eigennutzung Ende April dem aktuellen Mieter mit. Dieser fand aber sehr schnell eine Alternative und fragte, ob er schon im Juli ausziehen könne, ohne bis Ende September Miete bezahlen zu müssen. Andrea und ihr Vermieter waren flexibel, so dass man sich auf einen Auszug spätestens Mitte Juli einigte, damit Andrea in der zweiten Julihälfte einziehen konnte. Ich schlug Andrea vor, vorerst einmal einzuziehen und gewisse Renovationen nach Prioritäten später zu tätigen. Ab Ende Juli wohnt Andrea jetzt mit Finn und Alex in meiner Nachbarschaft, was uns viel Freude bereitet.

Aus steuerlichen Gründen sollte Andrea aber nicht in ein Haus einziehen, das beiden Töchtern gehörte. Dese Erfahrung mit dem Steueramt hatte meine neue Nachbarin Dodo Bleuler gemacht, welche auf dem Grundstück gebaut hatte, das sie zusammen mit ihrer Schwester Anja besass. Eine Anwältin hatte sie vor dem Schlimmsten bewahrt. Diese Anwältin mit den Erfahrungen mit dem Steueramt Zollikon empfahl sie mir wärmstens. Zusammen mit dieser Anwältin, basierend auf gewissen Vorarbeiten, welche ich schon früher gemacht hatte, zogen Andrea, Alexa und ich die definitive Erbteilung der eigenen Liegen-schaften innert einigen Wochen in grosser Harmonie durch: Andrea erbt Kleindorf 14a, Alexa erbt Hägnistrasse 19, wobei der Ausgleich durch die ungleiche Aufteilung des 50% Anteils an der Überbauung Hägnistrasse 18,20,22 und Kleindorf 18 bewerkstelligt wurde.

Dann nahm ich vom 14. bis 17. Mai zusammen mit Hans Vogt am StradivariFEST St. Gallen teil, was für mich Nostalgie pur bedeutete. Wir wohnten im Hotel Einstein (gehört Kriemlers, Spatz und Dior sind KTVer!). Die Konzerte fanden in der Tonhalle statt, wo ich in meiner Jugend erste Konzerterfahrungen sammeln konnte und wo ich am Kantonsschul-Konzert mit Kanti-Chor und -Orchester jeweils auch selbst gesungen habe. Den hervorragend geführten Altstadt-Rundgang konnte ich mit einigen lustigen Anekdoten aus meiner Jugendzeit etwas auflockern. Alles in allem ein toller Anlass.

Nach einer nochmals eher ruhigen Phase begann dann von August bis November eher eine etwas hektische Zeit mit vielen Reisen:
Zuerst nahm ich am Kammermusikfest Meran der Ars Amata teil, das jeweils von Elisabeth und Ruedi Weber (Eltern von Maja Weber vom Stradivari Quartett) auf Schloss Rubein organisiert wird. Hier konnte ich viele mir bekannte Musiker wie Fabio di Casola, Per Lundberg etc. und Teilnehmer wie Schreiers, Surens, Reuleauxs etc. treffen. Es war wieder ein toller Anlass.
Anfangs September fuhr ich mit einer Alumni-Gruppe aus ETH und HSG nach Bologna, mit dem gleichen Reiseleiter wie auf der Alumni Reise 2014 mach Schottland. Ich liebe Bologna, das immer im Schatten von Florenz steht, das ich aber von meinen Messebesuchen als Chef BALLY Arola von früher her etwas kenne. Es war eine wunderbare Reise mit echt guten Teilnehmern.
Vom 26. bis 29. September hatte ich die traditionellen Wandertage für die Zürcher KTVer im Hotel Waldhaus in Sils organisiert. Nach dem Einlaufen am Sonntag um die Halbinsel Chasté besuchten wir am Montag bei bestem Wetter den neuen "Diavolezza Glacier Trail", den aber am Schluss nur die Jüngsten richtig absolvierten, alle Übrigen gaben früher auf und kehrten um, denn es ging etwa 250 Höhenmeter hinunter und dann auch wieder hinauf. Die Nichtwanderer versuchten sich auf dem horizontalen Weg Richtung Munt Pers, wobei ich nach ca. 50 m schon umkehrte, da ich feststellen musste, dass ich auf wackligen Steinen nicht mehr trittsicher bin. Wir genossen aber das herrliche Panorama von Piz Palü bis Piz Bernina. Am zweiten Tag schlug Spur vor, von Stampa nach Soglio zu wandern: Es wären ca. 2 Stunden und nur ca. 100 m Höhendifferenz. Als wir aber nach Stampa zuerst immer nur abwärts wanderten, schwante mir Ungutes. Dann begann aber der Weg happiger zu werden, und ich überlege mir, allenfalls umzukehren, steige aber mit meinen Freunden munter weiter. Dann beginnt plötzlich der berüchtigte Steinplatten – Treppenweg, der sich in der Falllinie hinaufwindet und den anscheinend ausser uns viele Leute kennen. Den mache man nur einmal im Leben, höre ich später von meiner Physiotherapeutin! Wir machen nach einer Marschzeit von ca. 90 Minuten bei einer Bank mit prächtiger Aussicht eine Viertelstunde Pause. Dann geht es mit diesen unterschiedlich hohen Treppenstufen weiter, anscheinend wirklich endlos, bis dann endlich der Kirchturm auftaucht und wir nach ca. 3 Stunden mehr oder weniger erschöpft in Soglio ankommen und uns verpflegen. Am dritten Tag folgte nur noch Heimreise.
Am Donnerstag, 7. Oktober reiste ich mit Hans Vogt ins Schlosshotel Chasté in Tarasp, um etwas zu wandern. In der Folgewoche fand dann das StradivariFEST Scuol statt, welches wir von Tarasp aus besuchten. Ich musste allerdings bereits am Mittwoch, 13. Oktober abreisen, da ich am Freitag mit meiner Wandergruppe nach Rumänien fliegen wollte. Mit täglichen Wanderungen von ca. 2 – 3 Stunden wurde ich für die Wanderreise richtig fit!
 
Wir flogen am 15. Oktober um 07:15 Uhr via München nach Klausenburg in Siebenbürgen (Rumänien) für eine Kultur- und Wanderreise, denn einer von unserer Wandergruppe ist dort aufgewachsen, bevor er später als Flüchtling in Deutschland studiert hat und jetzt seit Jahren in der Schweiz wohnt. Das Schwergewicht der Kultur lag auf den mittelalterlichen Kirchenburgen seiner alten Heimat! Wir wollten am 22. 10. wieder nach Hause fliegen.
Am 2. Tag, inzwischen in den Westkarpaten, nach einer Klosterbesichtigung mit anschliessender Wanderung verunfallte ich nach ca. 300m: Trotz Walking-Stöcken rutschte ich mit meinem gesunden, rechten Bein auf dem nassem, unebenem Weg aus. Wieder einmal hatte ich keine Chance, mich mit meinem kaputten, linken Bein zu halten, bzw. es noch nach vorne zu ziehen, und fiel rückwärts auf meinen nach hinten gebogenem Unterschenkel und überdehnte dabei das linke Knie fürchterlich, genau gleich wie vor 2 Jahren beim Bruch der Kniescheibe! Ich merkte sofort, dass wieder etwas gerissen oder gebrochen war, konnte aber immerhin noch selbständig die 300m zum dort wartenden Bus zurückgehen.
Zurück im Hotel nahm mich glücklicherweise mein früherer, jetzt pensionierter Hausarzt und Mitwanderer Bernhard Aepli unter seine Fittiche: Sofort ins Bett, Liegen, Eiswickel und das Problem lösen, wie es weiter gehen soll mit mir, denn ich konnte nicht mehr auf das Bein stehen und nicht mehr allein ins Bad oder aufs WC. Die Lösung war schlussendlich: Am nächsten Tag per Auto auf den Flugplatz Hermannstadt, von dort Repatriierungsflugmit der Rega  nach Kloten und mit der Ambulanz in die Notaufnahme der Klinik Hirslanden.
Nach MRI und CT ergab sich folgende Diagnose: Die Kniescheibe (Patella) hat die Überdehnung ausgehalten, aber die untere Patella-Sehne ist am Schienbein ausgerissen, mit einem Stück Knochen dran, dazu sind noch beide Menisken angerissen.
Operation durch Prof. Dr. Keel am 20.10.: Knochen mit Sehne dran an den ursprünglichen Platz drücken und mit einer Metallplatte am Schienbeinkopf wieder anschrauben. Am 28.10. Verlegung nach Mammern bis 17.11. Ich musste dann bis zur Kontrolle beim Operateur am 01.12. Tag und Nacht mit einer Schiene das Bein absolut gestreckt halten und durfte es aktiv nicht biegen. Ich wurde in dieser schwierigen Zeit allein zuhause von meinen Töchtern grossartig unterstützt, und Freund Peter Jost fuhr mich für jeweils zur Physiotherapie oder zum Arzt.
 
Mit diesem Unfall musste ich leider die mit Brunnschweilers für den 31.10. – 14.11. geplante Reise nach Andalusien mit Aufenthalt im Hapimag Resort Marbella absagen. Brunnschweilers flogen allein.
Den von mir organisierten Anlass der Zürcher KTVer im Landesmuseum vom 12.11. leitete Galan für mich.

Weihnachten konnten wir nach den letzten, Corona-bedingten, reduzierten Feierlichkeiten wieder wie üblich feiern. Alle zusammen wohnten sie wieder bei mir: Lexi mit Familie vom 23. bis 25. Dezember; Andrea mit Familie plus Alex und Freundinnen vom 24. Dezember bis zum 27. Dezember.
Für den Abend des 25. Dezember hatte ich wieder meine Schwester Béatrice und ihre Tochter eingeladen.
Am 26. Dezember feierten wir auch wieder die "Sippenweihnacht", zuerst mit Christbaum und Singen bei Marteli im Kleindorf 16, dann zum Essen bei mir.
Den Abend vom 29. auf den 30. Dezember verbrachte ich bei Brunnschweilers in Wiesen­dangen, um
am Sylvester zuerst das Sylvester Konzert in der Kirche zu besuchen, und dann still für mich zuhause mit Erinnerungen an Fischli ein gutes Essen zuzubereiten.

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2022: StradivariFESTE Luganersee, Freudental und Scuol, Einbau Wärmepumpe, Renovation Kleindorf 14, Wandertage im Engadin, Treffen mit Nichten und neffen Blöchliger
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8.44.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 2022: StradivariFESTE Luganersee, Freudental und Scuol, Einbau Wärmepumpe, Renovation Kleindorf 14, Wandertage im Engadin, Treffen mit Nichten und neffen Blöchliger.

8.44 2022: Einbau Wärmepumpe, Renovation Kleindorf14a, StradivariFEST Luganersee, Engadin, Freudental und Scuol,  Wandertage im Engadin, Treffen mit Nichten und Neffen Blöchliger

Das neue Jahr begann wie üblich am Fernsehen mit dem Neujahrs Konzert der Wiener Symphoniker, das wieder grossartig war.
Am Dienstag 05.01. wurde der Zürcher KTVer Stamm mit Minimal-Besetzung abgehalten.
Wie jetzt fast schon traditionell hatte ich mich wieder für das StradivariFest im Januar im Hotel Waldhaus in Sils im Engadin angemeldet. Geplant war vorher auch wie üblich ein gemeinsames Wochenende mit Lexi. Ich freute mich vor allem auch auf Bernhard Aepli (mein früherer Hausarzt), der sich mit Gemahlin angemeldet hatte. Als er sich aber vorsichtshalber der neuen Corona-Variante Omikron wegen wieder abmeldete, machte ich dies ebenfalls. Schade!
Im Februar waren Bosshards auf der Bettmeralp, wie üblich 2 Wochen zum Skifahren. Infolge Corona verzichtete ich dieses Jahr auf einen Besuch bei ihnen.

Auch die nächsten Monate verbrachte ich Corona-bedingt schön brav zuhause, unterbrochen jeweils nur von den Monats-Wanderungen unserer Wandergruppe, dem Stamm der Zürcher KTVer am ersten Dienstag des Monats im Restaurant Bernadette des Opernhauses, sowie dem KTVer- Anlass vom 24. März mit einer Führung im Sprüngli "House of Chocolate" und Mittagessen bei Prachtswetter draussen auf der Terrasse am See (an diesem Datum!) bei "Chez Fritz" in Kilchberg.

Ende April wurde im Haus Hägnistrasse 19 für die Erdsonden einer Wärmepumpe gebohrt und anschliessend die Gasheizung durch eine Wärmepumpe ersetzt. Zusammen mit der Photovoltaikanlage auf dem Dach besitze ich jetzt ein wunderbares ökologisches Feigenblatt. Ferner begannen Planung und Vorbereitung von Renovationsarbeiten bei Andrea im Haus Kleindorf 14a. Für beide Projekte hatten wir im Vorjahr die Hypotheken beider Häuser um je CHF 100'000 aufgestockt.

Dann nahm ich vom 14. bis 17. Mai zusammen mit Andrea und vielen Stradivari-Freunden am StradivariFEST Lugano teil. Wir wohnten im Hotel Stella d'Italia in Valsolda, der ersten italienischen Ortschaft nach Gandria am Luganer See. Ein abwechslungsreiches Programm liess die Woche wie im Flug verstreichen. Alles in allem ein toller Anlass.

Kaum zuhause fuhr ich ins Engadin nach Sils ins Hotel Waldhaus, wo ich die KTVer Wandertage organisiert hatte. Nach den krankheitsbedingten Absagen von Curry und Spur mit Gemahlinnen waren wir schliesslich eine sehr kleine Gruppe, genossen aber am Montag eine Wanderung ins Val Fex, und am Dienstag wetterbedingt nur eine kurze Wanderung von Celerina an den Staazersee und zurück.

Im Anschluss an diese Wandertage kam mein Freund Jürg Anderegg auch für 2 Nächte ins Waldhaus, um den 90. Geburtstag von Marcel Münch, ebenfalls einem Studien- und Militärkollegen von uns zu feiern. Er lud uns zu einer Kutschenfahrt ins Fextal mit einem feinen Mittagessen ein. Nächstes Jahr werde ich 90, und Jürg ein Jahr später. Diese zwei weiteren 90igsten Geburtstage wollen wir wieder gemeinsam feiern.

Über ihren 92. Geburtstag weilte meine Schwester Beatrice anfangs Juli ein paar Tage bei mir in den Ferien. Ich versuchte, sie ein bisschen zu verwöhnen, was sie mir über den ersten August zurückzahlte, als ich mit Andrea ein paar Tage bei den Beas in Brunnen eingeladen war.

Im September fuhr ich zusammen mit Hans Vogt zum Stradivari-Circle-FEST nach Freudental bei Konstanz. Gute Konzerte und ein gediegenes Tagesprogramm machten dies zu einem gediegenen Anlass im Schlösschen vom Weinhändler Philipp Schwander.

Ebenfalls im September fand mit der Wandergruppe die 2-Tages-Wanderung im Jura, sowie mit den Zürcher KTVern die Führung durch die Sammlung Bührle im neuen Chipperfield-Kunsthaus Zürich statt.
Am Sonntag, den 25. September hatte ich die Blöchliger-Nichten und -Neffen, Kinder meiner früh bei einem Autounfall ums Leben gekommenen Schwester Lisbeth zu Gast. Wir hatten uns in den letzten Jahren etwas aus den Augen verloren. So verbrachten Andrea und ich zusammen mit Ruedi und seiner Frau Hildegard, Marlies, Anita und ihrem Mann Reto Moritzi (Sohne einer guten Freundin meiner Schwester Selin) sowie Suso bei uns im Garten einen fröhlichen Nachmittag. Von Blöchligers fehlte nur Isabelle, von uns ferienbedingt Lexi! Am Abend warfen wir den Grill an und ich servierte als Hauptgang etwas phantasielos zu Ratatouille St. Galler Bratwürste (Fast alle Blöchligers wohnen in der Region St Gallen!). Die Vergangenheit lebte stark auf, mit vielen "Weisch no…"

Die für Ende September geplante Flusskreuzfahrt mit Vreny und Jack Brunnschweiler musste infolge Krankheit von Jack abgesagt werden. Die Reiseversicherung des TCS zahlte zwar noch einmal; hingegen warf man mich infolge von mehreren Versicherungsfällen in den letzten Jahren aus der Reiseversicherung, da ich langsam für die Allgemeinheit der Versicherungsnehmer untragbar würde. Darauf kündigte ich die über 60-jährige Mitgliedschaft im TCS sowie die Haftpflichtversicherungen, die ich dort abgeschlossen hatte.

Ebenfalls im September machten Bosshards Ferien, zuerst 10 Tage in der Nähe von Bordeaux zum Wellen-Surfen mit beiden Söhnen am Antlantik, Während anschliessend die Jungen wieder nach Hause ins Studium mussten, besuchten Lexi und Philipp die Stadt Bordeaux, um anschliessend noch 2 Wochen langsam über Carcassone, St. Cyr sur Mer, die Côte und die italienische Riviera wieder nach Hause zu reisen.

Im Oktober hatte ich ein Treffen der noch lebenden Kollegen aus der Flieger-Bodenklasse der Sommer-Offiziersschule 1957 organisiert: Apero bei mir und Essen im Rössli Zollikon. Von den 18 Offiziersanwärtern der damaligen Klasse 2 nahmen nur noch 8 teil.

Danach fuhr ich mit Hans Vogt ins Schlosshotel Chastè in Tarasp, von wo aus wir das StradivariFEST Scuol besuchten. Wir reisten ein paar Tage vor dem StradivariFEST an und machten zusammen bei prächtigem Herbstwetter einige wunderbare Wanderungen. Mit dabei im Hotel waren unsere Freunde Marianne und Gerhard Schreier.

Dann begann wieder eine ruhigere Zeit bis Weihnachten, mit mehreren Arztbesuchen beim Dermatologen, der an verschiedenen Orten Biopsien durchführte, die leider alle positiv waren. Die eigentlichen Operationen verschob ich aber auf nach dem StradivariFEST Sils im Januar 2023.

Kurz vor Weihnachten riss mich dann aber der plötzliche Tod von Barbara Pichl (Jürg Andereggs Partnerin) und Kurt Eggenberger v/o Gaz (ein Studienkollege seit der Kantonsschule und mein Rottenkamerad in der Rekrutenschule) jäh aus den Vorbereitungsarbeiten und machte mich sehr betroffen.

Die Vorbereitungen von Weihnachten mit allen Jungen im Haus beschäftigten mich im anschliessend voll, bis ich wusste, wer wann bei mir wohnt, bis alle "Food and Beverage" geplant und eingekauft und die Betten angezogen waren usw. Die Weihnachtstage verliefen friedlich und harmonisch im Familienkreis, teilweise waren auch wieder die Freundinnen der Enkel dabei. Und an Fischlis Verwandtschafts-Weihnacht feierten wir zuerst mit 22 Personen bei Marteli Oechsli in Kleindorf 16, um dann zum traditionellen Essen in mein Haus zu wechseln. Das Menü war wie immer: Nüsslisalat gestiftet von Ernst Karrer mit Salat Sauce und Ei von mir, dann Bündner Gerstensuppe, die ich zusammen mit Andrea gekocht hatte, aufgebackene Pürli und dazu feinen Gruyère und Fribourger Vacherin von Betsi. Zum Dessert gab es Mousse au Chocolat von Roland und Mango-Crème von Sandra.
Ich freue mich jeweils immer sehr auf die Festtage mit dem ganzen Rummel. Es ist aber jeweils auch wunderbar, wenn der letzte Gast ausgezogen ist und wieder Ruhe einkehrt!

Nils Bosshard fuhr über Sylvester/Neujahr mit meinem Auto und Kollegen nach Tarasp, während ich Bosshards Zweitwagen, den kleinen, geschalteten Fiat 500 benutzen durfte. Dieser trägt das Verkehrs-Kennzeichen ZH 91667, mit welchem Fischli ein halbes Leben lang herumgefahren ist, und welches ich Lexi übertragen durfte, als ich meinen Zweitwagen verkaufte.
Dass über Neujahr das Auto mit diesem Kennzeichen wieder einmal in meinem Car-Port stand, fand ich sehr schön.

Sylvester verbrachte ich traditionsgemäss zuerst mit dem Sylvesterkonzert in der Kirche, dann allein zuhause mit einem guten Essen und einem guten Wein. Wieder einmal ärgerte ich mich um Mitternacht am Böller- und Raketenlärm! Vor lauter Lärm hört man um Mitternacht leider das Glockengeläute kaum mehr. Das stimmte mich etwas traurig, haben Fischli und ich doch jeweils draussen im Garten zum mitternächtlichen Glockengeläut uns Glück fürs neue Jahr gewünscht und auf die Telefonanrufe der Töchter gewartet!

 

2023 StradivariFESTE Sils und Scuol, VAKI Wochenende in Valsolda, 90. Geburtstag, Bücker-Flug, Wanderwoche Kärnten/Slovenien/Italien, Tod von Marteli Oechsli und Jack Brunnschweiler, Weihnachten wie immer.
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8.45.  Unsere Familie Gadient -Karpf – 2023 StradivariFESTE Sils und Scuol, VAKI Wochenende in Valsolda, 90. Geburtstag, Bücker-Flug, Wanderwoche Kärnten/Slovenien/Italien, Tod von Marteli Oechsli und Jack Brunnschweiler, Weihnachten wie immer..

Das neue Jahr begann wie üblich am Fernsehen mit dem Neujahrs Konzert der Wiener Symphoniker, das wieder grossartig war.
Am Dienstag 02.01. nahm ich am Zürcher KTVer Stamm mit Maximal-Besetzung teil. Es ist mein 27. Jahr als "Obmann" der Zürcher Blase, für welche ich neben dem Stamm jährlich 3 bis 4 Anlässe organisiere.

Wie jetzt fast schon traditionell hatte ich mich im Januar wieder für das StradivariFest im Hotel Waldhaus in Sils im Engadin angemeldet. Geplant war vorher oder nachher auch wie üblich ein gemeinsames Wochenende mit Lexi. Im Waldhaus war aber leider alles ausgebucht, sodass wir vom 13. bis 16. Januar ins Schlosshotel Chastè in Tarasp auswichen. Wir machten Samstag und Sonntag bei mässig schönem Wetter den Spaziergang hinauf an den Schwarzsee, einmal rechts und einmal linksherum. Daneben machten wir auch Wellness, was bei diesem guten Essen dringend nötig war.

Am Montag brachte ich Lexi um 10:30 Uhr nach Scuol auf den Bahnhof, von wo sie per Bahn nach Hause fuhr. Ich behielt eine Tasche mit Gepäck im Auto, so dass sie nicht allzu viel schleppen musste. Analog hatte ich für Hans Vogt das Gepäck für die Stradivariwoche im Auto, da er aus gesundheitlichen Gründen mit der Bahn anreisen wird. Ich machte mich dann auf den Weg ins Oberengadin, wo ich in Celerina beim Parkplatz bei der Holzbrücke über den Inn einen Halt machte und den "Wasseramsel-Spaziergang" in Angriff nahm, den ich so oft mit Fischli gemacht hatte: Linksufrig nach Samedan und rechtsufrig zurück, über das Loipenbeizli zurück zum Parkplatz.

Um 12:45 Uhr war ich bereits im Hotel Waldhaus, wo erstaunlicherweise mein Zimmer schon parat war. Um 16:00 Uhr begann das StradivariFEST mit dem Begrüssungsapero. Eine wunderbare Woche begann mit schönen Konzerten, einer Wanderung in Maloja und die traditionelle Kutschenfahrt zum Fondue ins Fextal. Am Mittwoch ass ich z'Mittag mit Maise und Marcel Münch, die in Ihrer Ferienwohnung waren. Am Freitag fuhr ich mit Hans Vogt wieder glücklich nach Hause, lud ihn samt Gepäck in Grüningen ab und brachte anschliessend auf dem Heimweg noch Lexi ihr mir überlassenes Gepäck.

Im Februar waren Bosshards wie üblich 2 Wochen zum Skifahren auf der Bettmeralp. Ich verzichtete auch dieses Jahr auf einen Besuch bei ihnen. Auch die nächsten Monate verbrachte ich schön brav zuhause, unterbrochen jeweils nur vom Stamm der Zürcher KTVer am ersten Dienstag des Monats im Restaurant Bernadette des Opernhauses. An den Monats-Wan­der­ungen unserer Wandergruppe konnte ich nicht teilnehmen, da man mir ambulant das Metall- Plättchen am linke Knie entfernt hatte, leider vergebens, da die Knieschmerzen nicht abnahmen.

Im März hatte ich infolge Blasenproblemen einen Kurzaufenthalt in der Klinik Hirslanden. Anscheinend vertrage ich die nach der Knie-Operation häufig eingenommenen Voltaren Retard nicht mehr.

Mitte April verbrachten Andrea, Alexa und ich ein verlängertes VAKI (Vater-Kind) Wochenende im Hotel "Stella d'Italia" in Valsolda am Luganersee. Drei wunderbare Tage, die nach Wiederholung rufen.

Mitte Mai hatte ich mich für eine ETH-Alumni-Reise nach Toulouse eingeschrieben. Mit Koffer, Rucksack und Stock wird Reisen langsam schwierig. Dank Josts konnte ich überhaupt mitreisen, da sie mir stark behilflich waren bei Bus/Tram nach Zürich, mit Bahn nach Basel, mit Bus zum Flughafen etc. Toulouse hatten wir seinerzeit auf dem Weg nach Portugal nur einmal durchfahren und als schöne Stadt in Erinnerung, seither aber immer umfahren. Meine Erinnerung täuschte mich nicht, hingegen war der Besuch bei Airbus eher enttäuschend. Die Heimreise mit Hilfe von Josts war dann wieder problemlos

Kaum zuhause reiste ich ins Hotel Paxmontana in Flüeli zum 3-Generationen Projekt von Maja Weber. Eltern Elisabeth (Geige) und Ruedi (Bratsche), Tochter Maja (Cello)und ihre Sohne Zino (Klavier/Orgel), Aurel (Geige) und Bono (Cello) musizierten erstaunlich reif und gut. Zusammen mit der Stradivari – "Familie" (u.a. Hans Vogt, Reuleeuxs etc.) erlebten wir wunderbare vier Tage. Auch Dinners waren dabei, die seinerzeit die 2 Maisonettli Hägnistrasse 20 a und b gekauft hatten.

Mitte Juni reiste ich mit Josts für das Goldener Fisch-Wochenende ins Engadin ins Hotel Chastè in Tarasp mit einem der besten Essen, die ich je hatte. Ich verglich das Menü mit jenem in der La Meloise in Chagny. Am Samstag machten wir bei Prachtswetter die ÖV -Rundfahrt Scuol – Zernez – Ofenpass – Mustair – Mals – Reschenpass – Martina – Scuol.

Am 2. Juli war der Höhepunkt des Jahres: Ich hatte zu meinem 90. Geburtstag 49 Gäste eingeladen, Familie, Verwandte und Freunde. Dank gutem Wetter fand das Ganze im Garten statt: Catering durch Moreira Küsnacht, Musikalische Einlage durch Opernsängerin Andrea Viaricci. Der Tag ist gut dokumentiert in meinem Computer (>GA >z90. Geburi). Ausserhalb meines Festes offerierte ich zu meinem Geburi erstens der Wandergruppe das Mittagessen inkl. Getränke an der Juni-Wanderung und zweitens dem KTV-Stamm Essen und Trinken anfangs Juni, da ich am Juli-Stamm im Engadin war.

Am 4. Juli durfte ich mit Lexi und Philipp als Geburtstagsgeschenk ins Rosatsch nach Celerina fahren, mit Essen im Arthuro, Am 5. Juli brachten sie mich nach Sils, zuerst ins Feriendomizil von Silvia und Roland Mensch, dann ins Hotel Margna, wo ich Jürg Anderegg traf, der mit mir und Marcel Münch meinen 90. Geburtstag feiern wollte. Sie schenkten mir einen Gutschein für einen Bücker-Flug. Abendessen und anderntags Kutschenfahrt ins Val Roseg mit Mittagessen. Da Jürg am 8. Juli Geburtstag hat, wollte seine Tochter Karin mit Mann Christoph uns auch noch einladen, und zwar in die Krone la Punt, wo ein Caminada-Schüler kocht. Leider war im Gourmet-Restaurant eine geschlossene Gesellschaft. So mussten wir im normalen Restaurant essen, wo ich schon am Dienstag mit Lexi und Philipp gegessen hatte. Am Samstag durfte ich Jürg zurückfahren.

Nun wurde es wieder etwas ruhiger, bis ich anfangs September mit Josts für das Goldener Fisch-Wochenende nochmals ins Engadin ins Hotel Homann in Samnaun reiste. Am Samstag machten wir eine kombinierte Bahn- und Wander-Reise über den Berg bis Ischgl: Ich staunte nicht wenig über das kombinierte, riesige Skigebiet, von dem ich bisher schon wusste, das aber meiner irrigen Ansicht wegen gegenüber dem Oberengadin abfiel. Da musste ich meine Meinung aber grundlegend ändern! Das Fischessen am Samstagabend war hervorragend.

Ebenfalls im September durfte ich im Beisein von Jürg Anderegg meinen 1-stündigen Bücker- Flug einziehen: Wunderbares Erlebnis! Da der Pilot das Doppelsteuer einbauen liess, durfte ich wieder einmal selber richtig fliegen, nicht nur im Simulator. Es war ein richtiger Nostalgieflug im gleichen Flugzeug, in welchem ich in der rekrutenschule Fliegen gelernt hatte.

Vom 8.-11. Oktober hatte ich das letzte Mal KTV-Wandertage im Hotel Waldhaus in Sils organisiert. Ich musste aber schon am Dienstag abreisen, um zuhause umzupacken, denn am Donnerstag12.10. fuhr ich mit Wanderkollege Ernst Leonhard per Auto an den Ossiachersee nach Kärnten, wo Ernst eine Wanderwoche für unsere Gruppe organisiert hatte. Die Fahrt über die Grossglockner-Hochalpenstrasse bis auf 2500m war grossartig. Am Sonntag holten wir die Gruppe am Flugplatz Ljubljana in Slowenien ab. Wir erlebten wunderbare Wanderungen, aber auch interessante Kulturfahrten im Dreieck Kärnten – Slowenien – Italien. Ernst und ich wollten eigentlich in seinem Ferienhaus noch etwas länger bleiben, …

… aber ich wollte zur Beerdigung von Martell Oechsli unbedingt nach Hause, denn sie war zugleich meine Verwandte (Tante von Fischli), Nachbarin und Freundin. Fischli und ich hatten seit unseren Anfängen immer engen und guten Kontakt mit Oechslis, vor allem aber natürlich, seit wir in Zollikon Nachbarn wurden.

In meiner Abwesenheit in Kärnten war nicht nur Martelli, sondern auch mein bester Freund Jack Brunnschweiler gestorben, mit dem ich seit der Jugendzeit in St. Gallen immer engen Kontakt hatte. Da sich seine Frau Vreni und Fischli auch gut verstanden und Freundinnen wurden, haben wir jedes Jahr mindestens 1 Woche zusammen verbracht, auf Reisen in England, Spanien, mehrmals Griechenland, sogar Russland, und immer wieder Frankreich, meistens in Moroges im Burgund, wo Vrenis Vater ein Haus gekauft und renoviert hatte. An seiner Abdankung in der Stadtkirche Winterthur hatte ich ihn als Freund in einer Ansprache gewürdigt.

Neben Jack starben in diesem Jahr aber noch weitere, gute Freunde von mir: Die KTVer Eugen und Hugo Knopfli, Ruedi Eckert, Kurt Hohl und Rolf Rohner, mit denen ich immer Kontakt hatte. Dann auch die Frau meines Militärkollegen Hans Näf, sowie Militärkollege Hugo Strickler. Ich erinnere mich an meinen Vater, der sehr unglücklich war, als seine Freunde und Kollegen einer nach dem andern wegstarben. Aber das ist der normale Ablauf im Leben, und jetzt ist unsere Generation dran!

Auf Ende Jahr gebe ich nach 27 Jahren mein Amt als Obmann der KTV Zürcher Blase an meinen Freund Hans Gremli v/o Galan weiter. Die Blase ist intakt und dank einigen jüngeren Pensionierten wieder recht gut bestückt.

Uns dann wurde es Advent und Weihnachten: Wir zogen die Festtage gleich durch, wie wir sie seinerzeit noch mit Fischli erlebten: Familie Bosshard trifft am 23. 12. ein mit einem guten Nachtessen, anderntags kommt Familie Heinzelmann dazu, mit dem Feiern und Singen am Christbaum und einem weiteren, guten Nachtessen. Am 25.12. reisen Bosshards wieder ab, während Heinzelmanns noch bis am 26,12. bleiben und abends kommen Noch meine Schwester Béatrice mit ihrer Tochter dazu. Die Anzahl Personen an den Festivitäten nimmt stetig zu, da jetzt auch die Freundinnen unserer Enkel mit dabei sind.

Am 26.12. ist abends zum Essen bei uns die Verwandtschaft von Fischli mit 20 – 25 Personen zu Gast, nachdem bisher jeweils bei Oechslis am Christbaum gefeiert und gesungen wurde. Nach dem Tod von Martell fand dieses Jahr jetzt aber Alles bei uns statt. Meine Töchter halfen mir dabei massgebend und die Enkel waren für das Herbeischaffen von Tischen und Stühlen aus dem Keller verantwortlich, wie dann auch wieder für das Aufräumen.

Sylvester verbrachte ich wieder mit einem guten Essen, zufrieden allein zuhause, wobei mir in Gedanken Fischli wie immer Gesellschaft leistete.

Zum Jahreswechsel schrieb mir ein Freund:

Es ist der Puls der Zeit, der in uns pocht. Haben wir die Gnade, aus eigenen Fehlern zu lernen, um Gewesenes gewesen lassen zu können. Stellen wir die Weichen für die Zukunft zeitig und richtig, damit wir ihr gelassen ins Auge blicken und die Gegenwart befreit geniessen können. 

Worauf ich ihm antwortete:

recht vielen Dank für Eure sinnige Weihnachtsbotschaft.
Als Ü90er fällt mir der erste Teil der Botschaft: "die Gnade, aus eigenen Fehlern zu lernen, um Gewesenes gewesen zu lassen" weniger schwer als der zweite Teil: "die Weichen für die Zukunft zeitig und richtig zu stellen"! Es gibt leider keine Weichen mehr. Es ist jetzt eine Einbahn - Fahrt Richtung Ewigkeit. Davon zeugen die fast täglichen Todesanzeigen von guten Freunden und Bekannten.
Ich gehe aber sehr fröhlich, gelassen und ohne krumme Umwege diesen Weg, denn es geht mir immer noch ausserordentlich gut, und im dritten Teil Eurer Botschaft: "die Gegenwart befreit geniessen", da bin ich immer noch voll drin!


In diesem Sinne beginne ich das neue Jahr schwungvoll und zuversichtlich, obwohl vieles auf der Welt krumm läuft.

 

SULZER AG Winterthur 03.01.1959-31.03.1960
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9.1.  Beruf 1: SULZER und SWISSAIR – SULZER AG Winterthur 03.01.1959-31.03.1960.

9.1 SULZER AG Winterthur 01.11.1958-31.03.1960

Meine erste Stelle nach dem Studium war in der Forschungsstelle der Dampfkesselabteilung bei Sulzer, deren oberster Chef der spätere ETH-Professor Profos und die im damals neuen SULZER Büro-Hauptgebäude in Winterthur untergebracht war (Das Hochhaus gab es noch nicht!). Ich wohnte wieder bei meinen Eltern in St. Gallen und pendelte per SBB hin und her. Die mir zugewiesene Arbeit war m. E. mässig interessant. Als erste Hauptaufgabe musste ich dauernd Artikel redigieren, in welchem Errungenschaften unserer Forschungsstelle im Vereinsblatt des Dampfkesselvereins publiziert wurden, die nicht zu einem Patent reichten, aber dennoch durch eine Publikation geschützt werden sollten. Und mein Bürochef, Dr. Brunner, liess sie mich immer wieder korrigieren und immer wieder kürzen, da wir die Publikation per Zeile bezahlen mussten. Dabei lernte ich zwar knapp gefasste Berichte schreiben, sonst aber recht wenig. Als ich im Sommer 1959 zum Abverdienen des Leutnantsgrades ins Militär einrücken konnte, war dies eine echt tolle Abwechslung. Zurück vom Abverdienen durfte ich dann aber neben diesen weiterhin zu redigierenden, unseligen Zeitungsartikeln sehr selbständig eine „Einrichtung für die Rauchgasanalyse in grossen, mit Kohlestaub beheizten Einrohr-Dampfkesseln“ für Kraftwerke entwickeln. Diese Arbeit sagte mir wesentlich besser zu, und ich denke, dass ich sie nur bekam, weil Dr. Brunner merkte, dass ich auf dem Absprung war. Es war die einzige interessante Aufgabe bei SULZER. Ich kam hier aber klar zur Überzeugung, dass ich nicht der Forscher-Typ war, da mir praktisches und pragmatisches Arbeiten wesentlich näher lag!
Während dem Leutnant-Abverdienen hatte ich die beiden Flugkapitäne Ernst Hürzeler und Walter Meierhofer kennen gelernt, welche in unserer Verlegung im Wallis bei uns den Flugsicherungsoffizier abverdienen mussten. Vor allem Hürzeler wollte immer wieder mich und meinen Freund Ikarus, ebenfalls ETH-Ingenieur und im Flugzeugwerk Emmen tätig, davon überzeugen, zur SWISSAIR zu kommen, da die schnell wachsende Firma dringend gut ausgebildete Ingenieure bräuchte. Schon kurz nach dem Abverdienen nahm ich mit der SWISSAIR Personalabteilung Kontakt auf und entschloss mich dann für einen Stellenwechsel. Ich kündigte per 31.03 1960, so dass das Gastspiel bei SULZER inklusive der 4 Monate Militärdienst etwas mehr als ein Jahr dauerte.
Wenn ich jeweils Ernst Hürzeler anrief, nahm zuerst immer eine sehr sympathische Sekretärin namens Fräulein Fischli ab, welche mich dann weiterverband oder mir sagte, wann Hü wieder aus dem Ausland zurück war.

SWISSAIR Ing. Abteilung Kloten 01.04.1960 - 31.12.1961
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9.2.  Beruf 1: SULZER und SWISSAIR – SWISSAIR Ing. Abteilung Kloten 01.04.1960 - 31.12.1961.

9.2 SWISSAIR Ing. Abteilung Kloten 01.04.1960 - 31.12.1961

Am 1.April 1960 war es dann soweit: Ich zügelte meinen Wohnsitz wieder zu meiner Schwester Selin und ihrem Mann Fritz Klein nach Erlenbach, um von dort aus nach Kloten arbeiten zu gehen. Dazu kaufte ich mir mein erstes Auto, einen Fiat 1100! Ich begann bei der Swissair als sogenannter Betriebsaspirant in der Ingenieurabteilung des Departement IV, Technik. Als erster Station meiner geplanten, fast zweijährigen Rotation wurde ich im Triebwerk-Engineering eingesetzt, was mir sehr behagte, denn ich liebte ja Motoren über alles. Die Expansion der Swissair war zu jener Zeit derart rasant, dass viele Büros des Flugplatzes Kloten in alten Militär-baracken hinter den Hangars untergebracht werden mussten. Hier wurde mir als Projektleiter schon bald eine Spezialaufgabe anvertraut: Ich sollte versuchen, die Operation der DC-7 zu verbessern, die mit ihren hochgezüchteten, mit Turboladern versehenen Pratt & Wittney Motoren (gleiche Motoren wie bei der Super Constellation!) grosse Schwierigkeiten hatten. Vor allem auf der Südamerikaroute mit den hohen Aussentemperaturen musste viel zu oft einer der Motoren, „gesegelt“ und dreimotorig weitergeflogen werden. Man sprach damals von der DC-7 und der Super-Constel­lation oft etwas geringschätzig von den „besten dreimotorigen Flugzeugen“! Mit einem ausgeklügelten Konzept, um die zu Defekten tendierenden Zylinder möglichst frühzeitig zu erkennen, ging ich die anspruchsvolle Aufgabe an. Unter anderem hatten die Flight-En­gi­neers auf den Langstreckenflügen periodisch bei allen 4 Motoren eine ganze Reihe von Instrumentenablesungen durchzuführen, die dann zu einer Zylinder- bzw. Motorengeschichte zusammengefügt werden konnten. Auch im Flugbetrieb, der damals von Herrn Arnold Schilling geführt wurde, mussten dafür zusätzlich verschiedene Kontrollen durchgeführt werden. Und Mehrarbeit liebt niemand, vor allem dann nicht, wenn jemand von deren Nutzen nicht überzeugt ist.
Bevor ich aber auch nur einen ersten Erfolg mit dem Projekt vorweisen konnte, ereignete sich (nach dem Fluglehrerzwischenfall im Militär, der mich die Piloten-laufbahn gekostet hatte!) ein weiterer Vorfall, der wiederum mein zukünftiges Leben nachhaltig prägen sollte. Ich war mir meiner Sache mit dem Motoren-Überwachungs-Konzept recht sicher und hatte den Bordmechanikern und dem Bodenpersonal dazu meine notwendigen Anweisungen erteilt. Dies wurde erstens wie eine militärische Befehlsausgabe aufgefasst, und zweitens dann noch von jemandem, der nach alter Schule hierarchisch dafür gar nicht zuständig war. Die Ingenieurabteilung war eine Stabsabteilung und Projektmanagement war damals noch ziemlich unbekannt! Als ich nach dieser scheinbaren Befehls­ausgabe in einem Grossraumbüro im alten Hangar mit jemandem noch ein Detail besprach, musste ich nebenan hinter einer Wand mit Ordnergestellen life zuhören, wie der Flugdienstleiter Herr Arnold Schilling über mich lospolterte: Da komme doch so ein hergelaufener, kleiner Ingenieur, frisch von der Hochschule, und wolle ihm, dem „Cholben-Noldi“, der schliesslich schon dem Flugpionier Oskar Bieder den Schwirbel angeworfen habe, sagen, was er zu tun und lassen habe. Soweit werde es aber nicht kommen, er werde dies schon zu verhüten wissen. Er verwünschte mich ins Pfefferland, und mit ein paar Flüchen und Kraftausdrücken verliess darauf Schilling das Grossraumbüro.

Wieder einmal hatte ich mich psychologisch scheinbar höchst ungeschickt verhalten: Ich war von der Sache her wahrscheinlich richtig, vom Menschlichen her aber sicher falsch vorgegangen. Wenn ich Schilling nicht für mein Projekt gewinnen und überzeugen konnte, würde er es sicher zu Fall bringen. Mit meinem Schwager Fritz Klein besprach ich abends den Vorfall. Er riet mir folgendes Rezept: "Wenn Du mit Mitarbeitern ein Ziel erreichen willst, dann musst Du diesen Deine Idee so verkaufen, dass diese am Schluss der Ansicht sind, es sei ihre eigene Idee. Dann werden sie alles daran setzen, diese Idee zu realisieren, um Erfolg zu haben. Wenn sich dann Erfolg einstellt, ist das scheinbar ihr Erfolg. Du kannst aber darauf vertrauen, dass Deine vorgesetzte Stelle schon erkennt, wer eigentlich der Vater des Erfolgs ist".
Dieses Rezept befolgte ich dann, und siehe da, es führte wirklich zum Erfolg: Ich hatte mir viel Zeit genommen, um Cholben-Noldi von der Idee zu überzeugen, was schliesslich gelang. Er war mir später immer sehr wohl gesinnt und SWISSAIR erreichte im internationalen Vergleich weltweit die beste DC-7 Operation aller Luftverkehrsgesellschaften! Man kam zu uns um zu sehen warum! Ich, zusammen mit vielen anderen, waren mächtig stolz darauf.
Inzwischen war aber auch bei der SWISSAIR das Strahlantriebs-Zeitalter angebrochen und es wurden die ersten strahlgetriebenen Flugzeuge in Dienst gestellt: Caravelle (mit den gleichen Triebwerken wie der Hunter im Militär!), Convair Coronado und DC-8. Dies kam mir sehr entgegen, hatte ich doch bei Prof. Traupel auf thermischen Turbomaschinen abgeschlossen. Im Einvernehmen mit meinen Chefs, den Herren Schurter und Benetta, brach ich den Betriebs-Aspi­ranten Parcours ab und wurde per 1.1.1961 zum interimistischen, per 1.7.1961 zum definitiven Leiter der Dienststelle "Triebwerk-Maintenance" und Stellvertreter des Sektionschefs "Triebwerk Engineering" ernannt. Infolge einer Krankheit meines Chefs durfte ich dann während mehreren Monaten in Stellvertretung die Funktion des Sektions-Chef "Triebwerk Engineering" ausüben.

In dieser Funktion wurde ich einmal mitten in der Nacht nach Kloten gerufen, weil ein Convair Coronado mit einer Triebwerkstörung in Bangkok hängen geblieben war. Ich musste einen einsamen Entscheid fällen, was zu tun sei. Die Abwicklung dieses Falles machte mir voll bewusst, dass bei der schnellen Expansion der SWISSAIR viele, absolut unfähige Leute nach oben gespült worden waren, die jetzt nur ihre erreichte Position verteidigten und jeden, der ihrem Posten eventuell gefährlich werden konnte, mit allen Mitteln bekämpften. Infolge meiner Anweisung, die Passagiere umzubuchen und die Maschine dreimotorig, ohne Passagiere, zum Triebwerkwechsel nach Tokio weiter zu fliegen, da dort ein Ersatztriebwerk stationiert war, hörte ich anderntags, dass eine Untersuchung gegen mich eingeleitet worden war, und zwar ohne, dass auch nur jemand mit mir gesprochen hatte. Ich wurde an einer zufällig an diesem Tag stattfindenden halbjährlichen Kaderorientierung für einen Fehlentscheid sogar öffentlich vorverurteilt. Die Untersuchung brachte dann zwar zutage, dass die Entscheidung richtig, weil vor allem kostengünstig gewesen war. Als ich den Departements Chef Franz Roth dann fragte, ob er jetzt dem Kader auch mitteile, dass ich doch nicht so ein Däpp wäre, wie er mich öffentlich gebrandmarkt hatte, meinte er, das könne er doch nicht. Ich war davon derart beleidigt und wütend, dass ich mich im Gespräch spontan entschloss, sofort zu kündigen und eine neue Stelle zu suchen. Schade, die Aufgabe hatte mich voll erfüllt, aber ich blieb dabei, auch wenn die Herren Schurter und Benetta versuchten, mich mit allen Mitteln zu halten.

Aufgrund eines NZZ-Inserates fand ich eine neue Stelle auf den 1.1.1962: Es wurde ein Ingenieur gesucht, der für die Planung eines Neubaus auf der grünen Wiese für einen Industriebetrieb mit Fabrikation, Lager und Administration federführend sein sollte. Bei Eignung sollte der Bewerber nachher im Unternehmen eine leitende Stellung einnehmen. Mein Freund Oskar Blöchlinger als Betriebs-ingenieur überzeugte mich vollends, die Stelle anzunehmen und versorgte mich mit Fachliteratur. Er war der Planer bei Dätwyler Altdorf und schwärmte mir von dieser Aufgabe: Er müsse nur immer um- oder anbauen, und ich könnte hier von Null aus auf der grünen Wiese einen Neubau planen!

Ich war ursprünglich überzeugt, dass es sich um eine Maschinenfabrik handelte. Die Enttäuschung war deshalb zuerst gross, als es eine Schuhfabrik war, und dann noch in der March und im Kanton Schwyz. Neben der Aufgabe beeindruckte mich (und inzwischen auch Fischli!) vor allem die Persönlichkeit des Direktions-präsidenten und späteren Besitzers der Unternehmung, Dr. André Kurz. Ich sagte schliesslich zu, obwohl ich dachte, dass dies nur für die beschränkte Zeit von 2-3 Jahren wäre, bis der Neubaus bezogen werden konnte. Noch war mir damals nicht bewusst, dass ich bis zur Pensionierung in der Schuhbranche bleiben würde.

Also packte ich meine Sachen vor Weihnachten 1961 bei der SWISSAIR zusammen und bereitete mich auf die Arbeit in einer Schuhfabrik vor.

Beruf 2: GROWELA Gruppe, 1962 - 1977
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10.  Beruf 2: GROWELA Gruppe, 1962 - 1977
10.0 Beruf 2: GROWELA Gruppe 1962 - 1977
Planung und Realisierung eines Fabrikneubaus
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10.1.  Beruf 2: GROWELA Gruppe, 1962 - 1977 – Planung und Realisierung eines Fabrikneubaus.

10.1 Planung und Realisierung eines Fabrikneubaus

So nahm ich also am 2. Januar 1962 bei der GROWELA Schuh AG in 8853 Lachen SZ meine Arbeit auf. Es handelte sich um eine kleinere Schuhfabrik, die selbst ca. 800 Paar pro Tag Herren- Damen- und Kinderschuhe (ab Grösse 27) fabrizierte, daneben aber noch Alleinvertreter in der Schweiz für die frühere Bata, jetzt EXICO, die heute staatliche, tschechoslowakische Schuhindustrie war und für ca. 30 kleinere und grössere italienische Schuhfabriken den Verkauf in der Schweiz und teilweise auch in Deutschland sicherstellte. Das Unternehmen, noch in einer alten Hausschuhfabrik mitten im Dorf untergebracht, platzte aus allen Nähten. Aus diesem Grunde sollte neben neuen, später erweiterbarer Räumlichkeiten für die Fabrikation auch ein grosses, ebenfalls erweiterbares Lager sowie die dazu notwendige Administration geplant werden.
Bei meiner Ankunft wurde mir im Musterzimmer unter dem Dach ein Arbeitsplatz eingerichtet. Wenn aber Kunden kamen, musste ich ausziehen. In meiner Planungstätigkeit für die neue Fabrik begann ich sofort mit der Ist-Aufnahme, d.h. die notwendigen Daten für die heutigen Aktivitäten aufzunehmen und die Zukunftspläne zu erfragen. Dazu durfte ich auf einer Terasse des Hauses ein Büro für mich anbauen. André Kurz meinte, ich müsse unbedingt gewisse Bauerfahrungen sammeln.

Deshalb übergab er mir auch die Verantwortung für den Bau eines Wochenendhauses auf einem im Bau­recht am See erworbenen Grundstücks im Lachner Horn, in welchem man künftig Kunden betreuen wollte. Die Skizzen für das Haus am See stammten von einem Architekten Bösiger aus Zürich, einem Corbusier-Schüler, der gerade für André Kurz auf der Richttanne in Grüningen ein wunderbares Haus baute. Das war eine mir sehr liebe Abwechslung zur eher langweiligen Aufnahme von Abläufen und Daten im Betrieb. Nach der Vollendung des Hauses am See durften es die oberen Kader der Firma an Wochenenden und in den Ferien mit ihren Familien auch benützen. Es war sehr einfach eingerichtet: Kein Strom, kein Telefon, aber ein Gaskühlschrank und eine einzige grosse Gaslampe im Wohnraum. Trinkwasser musste man in Kanistern anschleppen und das Wasser für die Lavabos und Toilette mühsam von Hand in einen 200 Liter fassenden Tank im Dach des Hauses pumpen. Nachdem wir uns damals mit dem Kauf unseres Einfamilienhauses und dem späteren Umbau etwas gar viel zugemutet hatten, waren wir jahrelang sehr froh, dass wir jeweils Wochenenden und unsere Sommerferien in diesem Häuschen am See verbringen durften. Dieses Badhüsli hat einen einzigen grossen Raum mit einer relativ bescheidenen Küchen­einrichtung, einem Cheminée und nach Süden und zum See hin auf zwei Seiten grosse Glas-Türen, die man bei schönem Wetter ganz öffnen kann, so dass man wirklich fast im Freien lebt. Dazu kommen WC, Dusche und zwei ganz kleine Schlafzimmerchen, behelfsmässig für ein paar Nächte aber ausreichend gross. Unsere Mädchen lernten im Badhüsli schwim­men und segeln. Sie hatten dort auch ihre ersten Ferienfreundschaften!

Nachdem für die künftige Fabrik die Ziele und der optimale Materialfluss erarbeitet war, begann die Zusammenarbeit mit Architekt und Bauingenieur. Der Architekt war durch einen Freund des damaligen Besitzers André Weill gegeben: Es war das Büro Marcus Diener in Basel, später dann Diener und Diener. Als Bauingenieur arbeitete Fredy Marty in Lachen für uns. Daneben begann ich, als Schuhneuling absolut unkonventionelle Betriebseinrichtungen zu entwerfen, und ich durfte mit aller Narrenfreiheit des jungen Ingenieurs Versuche anstellen, musste aber auch den Betriebsleiter von neuen Transportsystemen und den Lagerchef von ebenfalls in der Schuhbranche neuen Rollgestell-Anlagen überzeugen. Dabei versuchte ich, meine Erfahrung in psychologisch etwas geschickterer Vorgehensweise als bei der SWISSAIR einzusetzen, und ich hatte Erfolg dabei. Für die Planung hatte ich mich an der ETH in der eben neu aufgekommenen Netzplantechnik ausbilden lassen und wendete diese auch auf dem Bau mit viel Erfolg an. Ich war in meiner Arbeit ausserordentlich glücklich und arbeitete deshalb auch überdurchschnittlich viel.

Im Dezember 1963, als der Boden gefroren war und die Lastwagen über die Wiese fahren konnten wurde mit dem Aushub für den Fabrikneubau begonnen, und ich durfte miterleben, wie ein grosses Bauwerk langsam entsteht. Meine Arbeit auf dem Bau war vor allem koordinierend, planend und Entscheide herbeiführend. Daneben war ich jetzt voll mit dem Planen der Einrichtung beschäftigt, Überzeugungsarbeit leistend, vor allem beim Betriebsleiter, vom Typ her ein "Cholben-Noldi", einer der schon alles weiss! Aber es war spannend! Ich lernte das Vergleichen, Abwägen, Rechnen beim Einkauf der Betriebseinrichtungen und ich verstand mich mit Dr. André Kurz, dem Chef der Firma ausgezeichnet.
Beim Fabrikneubau begann ab Herbst 1964 der Innenausbau. Hier konnte ich die Bauleitung mit Netzplantechnik namhaft unterstützen und über Engpässe bei den Handwerkern hinweghelfen, was aber zwangsläufig zu Spannungen mit dem Bauführer des Architekten führte. Es war auch die Zeit, als die eingekauften neuen Betriebseinrichtungen in der alten Fabrik noch getestet werden konnten, die mobilen Lagergestelle montiert und die neuen, technischen Einrichtungen wie Staubabsaugung, Klimaanlage usw. installiert wurden. Für den täglichen Betrieb hatte ich den früheren Chauffeur zum Hauswart ausbilden lassen oder ich bildete ihn an den technischen Anlagen selbst aus. Dieser pflegte dann den Neubau wie sein eigenes Einfamilienhaus. Im Juni wurde an zwei Wochenenden der Umzug von Fabrik, Administration und Lager in den Neubau durchgezogen, so dass am 2. Juli 1965, an meinem 32. Geburtstag, der Neubau eingeweiht werden konnte. Ich war mächtig stolz: Die Fabrik hatte bereits eine Woche Betrieb hinter sich, das Lager war endlich überseh- und kontrollierbar geworden und alle hatten neue, schöne, freundliche Büros und Verkaufsräume. Neu war auch eine Datenverarbeitung eingeführt worden, für deren Planung ich aber nicht zuständig gewesen war. Diese lief nicht nach Wunsch. Alles war jetzt soweit, dass ich nun die Firma nach der Projektvol­lendung wieder verlassen konnte, was ich eigentlich fest im Sinn hatte, vor allem, da ich im Sommer zudem für 4 Monate in den Militärdienst zum Abverdienen des Hauptmannsgrades nach Payerne einrücken musste.

Datenverarbeitung
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10.2.  Beruf 2: GROWELA Gruppe, 1962 - 1977 – Datenverarbeitung.

10.2 Datenverarbeitung

Einige Tage vor dem Ausscheiden aus der Firma fragte mich André Kurz, ob ich nicht Interesse hätte, die schlecht funktionierende Datenverarbeitung der Firma zum Laufen zu bringen. Datenverarbeitung wäre doch für einen jungen Ingenieur interessant und wichtig, eine weitere Herausforderung und Zukunftsmusik. Kurz entschlossen sagte ich zu, nach dem Militärdienst wieder zurückzukommen, um dieses neue Projekt in Angriff zu nehmen.
André Kurz hatte schon bald nach meinem Eintritt begonnen, Fischli und mich, den „Polysüchel“, wie er mich zuweilen neckisch nannte, kulturell zu fördern: Während das musikalische und geschichtliche Interesse bei mir schon von zuhause aus ausgeprägt war, schenkte er uns Platten von moderneren Komponisten, um nicht "bei Mozart und Beethoven stehen zu bleiben", wie er sich ausdrückte.

Er brachte mir zudem schon sehr früh bei, dass ich mir auf jeder Geschäftsreise etwas Zeit nehmen sollte, ein Museum, eine Ausstellung, ein Konzert oder ein besonderes Bauwerk zu besuchen. Ich erinnere mich beispielsweise noch sehr gut, wie wir anlässlich einer „Semaine de Cuir“ in Paris an einem Sonntagmorgen, bevor wir zur Ledermesse fuhren, vom Hotel aus durch die Tuilerien Richtung Grand Palais spazierten, und er mich daran erinnerte, dass hier vor nicht einmal ganz 200 Jahren nur der Hoch-Adel flanieren durfte. Ziel des Spaziergangs war die erste grosse Henri Matisse Ausstellung.

An ein anderes Mal erinnere ich mich ebenfalls sehr gut, nämlich an eine grosse Rouault Ausstellung in Paris mit den vielen bösen Portraits des Künstlers.  Bei einem Bild, das „Les Advocats“ hiess, lächelte er und meinte, dass Rouault von dieser Berufsgattung wahrscheinlich nicht sehr viel gehalten habe. Auch versorgte er uns für Ferienreisen immer mit Hinweisen auf besondere Sehenswürdigkeiten und Restaurants, vor allem aber mit Kunstbüchern. So gab er uns immer wieder Zodiac Kunstbücher über romanische Kirchen und Klöster mit, und wir lernten auch durch ihn die DuMont Kunst­führer kennen.

Er lud uns jeweils auch an Hauskonzerte bei Ihm zuhause ein und machte uns mit interessanten Leuten bekannt. Wir besuchten auf seinen Hinweis Konzerte im Schloss Rapperswil oder im Ritterhaus Bubikon, meistens dann mit unseren Töchtern. So hörten wir beispielsweise Peter Lukas Graf, Heinz Holliger oder Henriette Barbey, usw. Wir hatten oft das Gefühl, dass der kinderlose André Kurz uns wie seine eigenen Kinder behandelte, mich übrigens auch im Geschäft, wie wenn ich sein eigener Sohn wäre. Von daher kam bei mir auch hie und da ein gewisses Kronprinzen Gefühl auf! Fischli und ich nahmen diese Behandlung als Pseudo-Kinder aber auch sehr gerne an, im Gegensatz dann zu Christeli und Paul Holer, die dieses „Bevattern“ später gar nicht schätzten! Fischli und ich waren richtig hungrig nach solchen kulturellen Sachen, die wir beide in unserem Elternhaus nicht mitbekommen hatten.

Ich erinnere mich aber auch, dass ich einmal sehr heftig reagierte, als er von den vielen Vorteilen sprach, wenn man, wie er, im „richtigen“ Milieu aufgewachsen sei. Ich entgegnete ihm, dass das Aufwachsen im richtigen Milieu schon gut sei, aber es sei nicht selbstverständlich, dass man dort zwangsläufig auch die notwendige Nestwärme und Herzensbildung mitkriege, die m.E. ebenso wichtig sei wie Kultur, und die man in einfacheren Verhältnissen vielleicht eher mitbekomme. Er sprach auch manchmal sehr hart und lieblos über seine Eltern, so dass ich ihm sagte, dass ich es lieber so nähme, wie Fischli und ich es zuhause gehabt hätten. Für unsere Weiterentwicklung in kulturellen und unternehmerischen Belangen tat er aber während meiner GROWELA Tätigkeit sehr viel und war uns stets Vorbild. Dafür werden wir ihm auch immer sehr dankbar sein.

Zurück vom Abverdienen, packte ich in der GROWELA die Datenverarbeitung an. 1965 bedeutete dies noch keine EDV, also keine elektronische Datenverarbeitung, sondern nur eine DV, das heisst in erster Linie das Stanzen von Lochkarten, das Beilegen und Zuteilen von Kartenpaketen und deren anschliessende Bearbeitung in verschiedenen mechanischen Maschinen, welche mit kleinen Bürsten die Löcher in den Lochkarten abtasteten, die daraus resultierenden Impulse verarbeiteten und anschliessend ausdruckten. Für die maschinelle Verarbeitung mussten also beispielsweise für die Fakturierung zuerst Kundenstammdaten-Pakete (Adresse, Konditionen, Versandinstruktionen etc.) und Artikelstammdaten-Pakete (Sortiment, Preise etc.) aus Kartentrögen "gezupft" und mit den für diese Faktura beweglichen Daten (Mengen, Sortiment, Versandkosten, etc.) ergänzt werden. Wenn die Faktura ausgedruckt und kontrolliert war, mussten die Kartenpakete wieder auseinander genommen und in den Kartentrögen abgelegt und versorgt werden. Es war also vor allem eine Handling-Angelegenheit. Da das System bei uns vom Verantwortlichen für das Rechnungswesen betreut worden war, war es zwangsläufig vor allem auf die Buchhaltung (Fakturierung und Debitorenbewirtschaftung) ausgerichtet. Ich versuchte von allem Anfang an, das Ganze viel mehr auf den Verkauf und das Marketing auszurichten, denn wir hatten uns doch grundsätzlich am Markt zu orientieren. Auch die Fabrikations- und Lageraspekte gewichtete ich wesentlich stärker, sodass wir das gewählte System grundsätzlich in Frage stellen mussten. Nach etwa einem halben Jahr hatten wir Fakturierung und Debitorenbuchhaltung sowie noch ein paar weitere administrative Applikationen im Griff, hatten dabei aber gelernt, dass sich die Technologie der Datenverarbeitung rasend schnell weiterentwickelte, und wir nur ein Zwischenstadium erreicht hatten, und unser System schon bald hoffnungslos veraltet war. Alles deutete darauf hin, dass wir schon bald auf ein elektronisches und interaktives System wechseln mussten, und wir begaben uns sogar freudig auf diesen langen und mühsamen Weg! Und immer, wenn man sich am Ziel glaubte, kamen wieder neue Erkenntnisse dazu, welche die Basis eines Systems wieder ins Wanken brachte. Analoge Probleme sollten mich aber zeitlebens immer wieder beschäftigen...

Insofern hatte André Kurz sehr recht mit der Bemerkung, Kenntnisse in Datenverarbeitung wären für einen Ingenieur doch zukunftsträchtig....

Betriebsleitung
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10.3.  Beruf 2: GROWELA Gruppe, 1962 - 1977 – Betriebsleitung.

10.3 Betriebsleitung

Etwa in der Zeit, in welcher ich die Datenverarbeitung soweit hatte, dass ich mich wieder mit meiner Zukunft nach dem Verlassen der Schuhbranche beschäftigte, hatten wir ein katastrophales Qualitätsproblem: Jeden Tag wurden hunderte von getragenen und ungetragenen Schuhen an uns zurückgeschickt, weil sich die Sohle vom Oberteil löste, so dass teilweise auch bei neuen Schuhen Sohle und Schuhoberteil separat in der Schuhschachtel lagen. Irgendetwas bei der Sohlenverklebung in unserer Fabrikation stimmte nicht. Es war grauenhaft, ganze Sendungen erst kürzlich spedierter Schuhe aus dem In- und Ausland wieder zurückzuerhalten. Der Betriebsleiter hintersinnte sich, der Verkauf war verzweifelt, und alle suchten nach Lösungen. Und wieder kam André Kurz zu mir und meinte, Verklebung wäre doch eine chemische und physikalische Angelegenheit, welche ein Ingenieur doch eigentlich beherrschen müsste. Wenn ich in der Firma bliebe, wolle er mir die Betriebsleitung anvertrauen, und der derzeitige Betriebsleiter müsse mich dabei mit seinem praktischen Schuh-Knowhow unterstützen. Kurz entschlossen sagte ich wieder mutig zu, schon nicht genau wissend, auf was für eine Reise ich mich da begab!

Ich beschäftigte mich neu also vor allem mit Verklebungsproblemen. Ich lernte, dass bei gleicher Gummiqualität die Qualität und Viskosität des Klebstoffs, sowie als Folge davon die sogenannte Ablüftzeit für die Güte der Verklebung eines bestimmten Leders die wesentlichsten, veränderlichen Faktoren waren. Die BALLY Labors, die ich konsultieren wollte, blieben für uns leider verschlossen. In England fand ich aber SATRA, die "Shoe and Allied Trade Research Association", welche von der Britischen Schuhindustrie finanziert wurde und begonnen hatte, die Schuhfabrikation sehr wissenschaftlich anzupacken. Sie sprach als erste von „engineered shoes“! Das kam mir sehr gelegen! Während eines 2-wöchigen Aufenthaltes bei SATRA in Kettering kam ich an Erkenntnisse heran, welche ich sonst nur im BALLY Prüflabor hätte erwerben können, aber das war uns wie gesagt verwehrt. Wir wurden das einzige schweizerische Mitglied von SATRA, bezahlten unseren Beitrag, hatten dann aber Zugang zu allen Studien und vertraulichen Veröffentlichungen der englischen Schuhindustrie.
Ich richtete zudem bei uns ein kleines Testlabor mit SATRA-Prüfgeräten ein, wo wir Abreissproben und einfache Klebstofftests durchführen konnten. Der ehemalige Betriebsleiter Bähni verhielt sich mir gegenüber leider sehr unkooperativ und war mir keine grosse Hilfe, im Gegenteil, er trieb Spielchen hinter meinem Rücken, so dass er von André Kurz nach mehreren Ermahnungen entlassen werden musste. Jetzt war ich zeitweise schon sehr allein und musste mir von überall her Unterstützung für den Schuh-Knowhow suchen!

Als Betriebsleiter war ich auch für den Einkauf zuständig. Verschiedene chemische Fabriken wollten uns Klebstoff liefern. Mein Wunsch­lieferant für den Klebstoff war dann aber BALLY CTU, bei der ich aber als Gegenleistung für die Klebstoff-lieferung aushandeln wollte, dass ich Zugang zu den BALLY Prüflabors erhielt. Dort wollte ich Testreihen für die Verklebung durchführen. Es gelang mir dies auszuhandeln, allerdings für einen etwas höheren Klebstoffpreis, aber das war es mir wert. Bei der Zusammenarbeit mit BALLY CTU lernte ich den damaligen Leiter Dr. Baumann kennen, mit welchem sich in den folgenden Jahren sogar eine gewisse Freundschaft anbahnte. Herr Dr. Baumann war begeistert, dass man sich in einem kleineren Betrieb nach ein paar seriösen Versuchen und Fabrikationstests ganz unbürokratisch zu zweit sofort entscheiden konnte, einen althergebrachten Fabrikations-vorgang umzustellen, ohne wie im Grossbetrieb auf dem Dienstweg noch unzählige Leute überzeugen zu müssen, die zudem von der Angelegenheit meist wenig verstanden. Er verbrachte in der Folge einmal im Monat einen halben Tag mit mir in der Fabrik in Lachen, wo wir anstehende Probleme diskutieren und notwendige Versuchsreihen beschliessen und anschliessend entscheiden konnten. So konnte ich neben SATRA vor allem bei Dr. Baumann lernen zu unterscheiden, was man in der Schuh-„Industrie“, die ja eigentlich immer noch eher ein Handwerk geblieben war, wissenschaftlich anpacken konnte und wo man eher pragmatisch nach empirischen Lösungen suchen musste.

Ich hatte in der Zwischenzeit überhaupt viel gelernt, und war bereits 1967 neben dem Firmenleiter André Kurz und den Herren Ernst Neukomm (Verkauf), Ruedi Bähni (Technik) und Eduard Barth (Finanzen und Administration) zum Mitglied der Geschäftsleitung ernannt worden. André Kurz legte von allem Anfang an Wert darauf, dass ich nicht wie ein normaler Angestellter, sondern in erster Linie unternehmerisch denken und handeln sollte: Das langfristige Wohl des Unternehmens war im Auge zu behalten und diesem Grundsatz war kurzfristiges Denken und sofortigen Erfolg immer unterordnen. Dazu sollte man sich, wenn irgendwie möglich, nicht mit Durchschnittlichem zufrieden geben, sondern immer anspruchsvolle Ziele und Tätigkeiten anstreben und Mut zu Ausserordentlichem aufbringen.

Als Betriebsleiter hatte ich den Zwickerei-Meister Jakob Schmied schlussendlich entlassen müssen, obwohl ich mir fast ein Jahr lang unheimlich viel Mühe gegeben hatte, ihn in seiner Einstellung zu ändern! Er hatte mir sogar noch gedroht, mich mit dem Sturmgewehr zu erschiessen. André Kurz hatte dies kommen sehen und mir empfohlen, ihn schon sehr früh zu entlassen. Ich dachte aber, ihn überzeugen zu können, allerdings vergeblich. Ich erinnere mich dabei an seinen Vergleich von Menschen mit schlechtem Charakter mit einer Petrolflasche: Wenn einmal Petrol in einer Flasche gewesen sei, könne man das teuerste Parfum hineinleeren, die Flasche werde immer nach Petrol stinken...
Den ehemaligen Hauswart Walter Reichmuth hatte ich an der ETH am "BWI" (Betriebswissenschaftliches Institut) in Arbeits- und Zeitstudien ausbilden lassen und ihn zum Leiter des Betriebsbüros ernannt, damit er mir möglich administrative Arbeiten vom Leib hielt und beim Einsatz neuer Maschinen und für die Kalkulation die notwendigen Unterlagen beschaffen konnte.
Dann hatte ich den Nähereimeister Paul Urben nachgenommen, um als Obermeister über Zuschneiderei und Näherei eingesetzt werden zu können, während ich für die Sohlen-abteilung sowie die Montage bis zum Einschachteln in Giuseppe Larocca einen sehr guten Fachmann besass, der aber führungsmäs­sig und administrativ viel Hilfe brauchte.

Ich hatte mich selbst am BWI der ETH für einen Kurs für Lohnsysteme eingeschrieben, denn ich wollte unser altes, kompliziertes Lohnsystem neu gestalten. Der BWI-Kursleiter/Sachbearbeiter war Martin Studach (zusammen mit Melch Bürgin frisch gebackener Ruderweltmeister). Ich fragte ihn am Schluss des Kurses, ob er nicht Lust hätte, einmal in der Praxis sein Lohnsystem selbst einzuführen. Schliesslich konnte ich ihn davon überzeugen, zu uns zu kommen, einerseits als Betriebsleiter and andrerseits zusätzlich als ständiger Projektleiter für unser DV System, denn wir entwickelten unter meiner Federführung bereits wieder an einem neuen, wesentlich mehr auf Verkaufsbelange ausgerichteten, interaktiven EDV System.

Dann hatten wir in der alten Fabrik in Lachen eine Fertigungsstrasse für die Fertigmontage von aus der Tschechoslovakei importierten, vormontierten und vorzementierten Schuhoberteilen aufgebaut. Dazu war die genaue Definition der Schnittstellen und vor allem die Abstimmung der zwei Klebstoffe mit den Tschechen notwendig, und überhaupt war eine sehr genaue Koordination der Arbeitsgänge sehr wichtig. In Verhandlungen in Böhmen, Mähren und der Slowakei lernte ich dortige Fabriken kennen (meist ehemalige BATA-Fabriken), aber ebenso die dortigen Lebensbedingungen im vielgepriesenen Sozialismus, eine Erfahrung welche ich wirklich nicht missen möchte.

Die Basisidee hinter dieser Fertigmontage war die folgende: Der Gewichtszoll sowie die niedrigere Zollgebühr für importierte Schuhbestandteile machten den zu bezahlenden Zoll so niedrig, dass wir zum gleichen Preis, wie für importierte Fertigschuhe, trotz unseren viel höheren Löhnen eine qualitativ und modisch attraktivere Schweizer Gummisohle auf importierte Schuhobertele montieren konnten. Wenn wir zudem den Preis so ansetzten, dass 51% des Deckungsbeitrages (inkl. Gewinn) in der Schweiz anfiel, durften wir erst noch ganz legal ein EFTA-Zeugnis ausstellen und die Schuhe exportieren!
Mit 6 Personen konnten wir 600 Paar vormontierte Schuhoberteile einleisten, den Klebstoff an Oberteil und vorzementierter Sohle aktivieren, die Sohle aufpressen sowie die Schuhe wieder ausleisten, fertigstellen und ausrüsten. Wenn es Not tat, konnten wir mit je 1 Person mehr den täglichen Ausstoss um je 100 Paar Schuhe steigern. Das war damals ein kleiner Geniestreich.
Der einzige Nachteil war, dass wir nur unsere am besten verkauften Modelle so fabrizieren konnten, denn wir mussten immer eine Mindestbestellung von 10'000 Paar vom gleichen, vormontierten Schuhmodell abgeben. Die eigene Fabrik hätte selbstverständlich von solchen hohen Stückzahlen pro Artikel auch profitieren können. Deshalb mussten wir unsere selbst gefertigten Schuhe mit einer Mischkalkulation subventionieren. Tatsache war, dass GROWELA in den 60er und 70er Jahren damit als einzige Schuhfabrik in der Schweiz die Produktion markant vergrösserte, während die Schuhindustrie gesamthaft gewaltig am Schrumpfen war.

 

Joint Venture in Portugal: Aufbau einer Korksohlenfabrik
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10.4.  Beruf 2: GROWELA Gruppe, 1962 - 1977 – Joint Venture in Portugal: Aufbau einer Korksohlenfabrik.

10.4 Joint Venture in Portugal: Aufbau einer Korksohlenfabrik

Aufgrund einer umfassenden Lagebeurteilung lagen aber damals die grössten Chancen für die erfolgreiche Zukunft einer Schuhfabrik in Portugal. Wir entwickelten folgende Strategie: In Lachen würde man sich längerfristig infolge Arbeitskräftemangel auf die Montage von Fertigschäften beschränken, welche einerseits in Kooperation mit Ostländern, andrerseits in einer eigenen Fabrik in Portugal herzustellen wären. Anlässlich einer kombinierten Ferien- und Geschäftsreise im Sommer 1968 zusammen mit meiner Frau nach Nordportugal (siehe auch unter Familie), wo wir dann auch André Kurz trafen, waren wir nach mehreren Gesprächen ein Joint Venture mit der Firma José Rodrigues eingegangen, einer Zulieferfirma für die portugiesische Schuhindustrie. Eigentlich wollten wir sofort gemeinsam eine Damenschuhfabrik für den Export aufbauen, benutzten aber die Gunst der Stunde mit der aktuellen Korksohlenmode und begannen unsere Zusammenarbeit mit einer Fabrik zur Herstellung von Korksohlen. Damit hatten wir für den Start kein modisches Risiko zu tragen, da dieses bei den Fabriken lag, welche die Sohlen bei uns bestellten. Für dieses junge Unternehmen sollte ich für die Technik verantwortlich sein, obwohl ich im Moment von Kork noch keine Ahnung hatte. Das war sehr mutig. Der portugiesische Partner sollte für Administration, Einkauf und Verkauf verantwortlich zeichnen.
Im Herbst 1968 interessierte sich Werner Martin junior von der gleichnamigen Schuhfabrik in Grabs im Rheintal für eine Anstellung bei uns, da er sich mit seinem Cousin, einem HSG-Absolventen überworfen hatte. Dieser Zufall gab uns die Möglichkeit, dass mich Werner Martin in Lachen rasch ersetzen konnte und ich mich für den Startup vollumfänglich um Portugal kümmern sollte.

Ich war mit André Kurz einig geworden, dass Fischli und ich mit den Kindern für ein paar Jahre nach Portugal zügeln und ich den neu zu eröffnenden Betrieb leiten sollte. Als ich dann Fischli überzeugen konnte, dass für uns jetzt die Gelegenheit günstig wäre, endlich ins Ausland zu ziehen, was wir ja eigentlich schon immer gewollt hatten, bekam sie in Anbetracht der Trennung von Haus, Familie und Freunden zwar schon ein Tränli, trotzdem war sie einverstanden. Ich fuhr ab sofort jeweils per Auto nach Porto und nahm jeweils bereits Umzugsgut mit. In Porto hatte ich inzwischen eine Wohnung gemietet und für die Kinder Informationen über die deutsche Schule eingezogen, die auch einen Kindergarten hatte. Zuhause hatten wir unser Haus in Hombrechtikon für Gastprofessuren an Uni und ETH ausgeschrieben und Fischli zeigte es dauernd potenziellen Mietern. Weil man aber Werner Martin die Aktienmehrheit anbot und ihn so wieder in den elterlichen Betrieb zurückholte (um dann ein paar Jahre später trotzdem Konkurs zu gehen!), musste unser geplanter Portugalaufenthalt sehr abrupt wieder abgeblasen werden. Bei Fischli löste dies wieder ein Tränli aus, so sehr hatten wir uns damit bereits auseinander gesetzt. André Kurz schlug vor, einmal 3 Monate zwischen Portugal und der Schweiz zu pendelnI. n der Folge pendelte ich dann aber während mehr als 8 Jahren hin und her, mit ungefähr je 50% meiner Arbeitszeit in Portugal und in der Schweiz. Meistens benutzte ich die Wochenenden für die Reise und für das wieder Einarbeiten am anderen Ort, damit man am Montagmorgen "voll los lassen" konnte.

Wie bereits oben gesagt hatten wir ursprünglich eine Schuhfabrik geplant. Im Moment waren aber echte Korksohlen von der Mode her sehr gefragt, und Portugal war der Hauptproduzent von Kork auf der Welt. Anstatt Schuhe begannen wir also Korksohlen herzustellen und zwar in Räumlichkeiten unseres Partners und Hauptlieferanten José Rodrigues in Vila Nova da Gaia. Dies war insofern ein kluger Schachzug, als wir bei der Herstellung von Korksohlen ohne modisches Risiko trotzdem industrielle Erfahrung sammeln konnten, denn Portugal war in den 60er Jahren noch ein richtiges Schwellenland und das Armenhaus Europas.

Wir kauften für einen Fabrikneubau Land in Lousada bei Penafiel, ca. 1 Autostunde im Landesinneren östlich von Porto, und ich freute mich sehr auf die Planung und die Realisierung einer zweiten Fabrik. Mit José Bragança hatte Rodrigues einen tüchtigen, lokalen Architekten und Freund zur Hand, mit welchem ich bei der Planung sehr gut zusammenarbeitete. Er war auch von meiner Erfahrung in der Planung eines Industriebaus begeistert und hörte auf mich, ausser in ästhetischen Fragen, wo er eine etwas eigene Auffassung vertrat.

So sehr ich die Freundlichkeit und die handwerkliche Geschicklichkeit der Portugiesen schätzen lernte, litt ich aber von allem Anfang an unter der für mich neuen, eigenartigen, in unseren Augen etwas unzuverlässigen Mentalität. Dies tönt jetzt sehr hart, aber es brachte mich dauernd in Rage, denn ich konnte mich absolut nicht daran gewöhnen. Beispielsweise wurde viel versprochen (vor allem Termine!) und dann nicht eingehalten. Oder um seine Wichtigkeit herauszustreichen, kam man fast grundsätzlich zu spät an Verabredungen. Deshalb zog ich beim Kader Schweizer lokalen Mitarbeitern vor, obwohl dadurch die Unzuverlässigkeit einfach eine Hierarchiestufe nach unten delegiert wurde, aber auszumerzen war sie nur sehr, sehr langsam und mit einem unverhältnismässig grossen Erziehungsaufwand.

In einem leer stehenden, ehemaligen Spital im Dorf Lousada neben einem neu erbauten, modernen Spitalneubau konnten wir bis zur Bauvollendung Räume mieten, welche wir umbauten, unterkellerten und mit einer Absaugung für Staub und Klebstoffdämpfe behelfsmässig herrichteten. Ich hatte aus der Schweiz den jungen Jürg Neukomm mit seiner Frau für die Administration zur Verfügung, beides kaufmännische Angestellte, die aber weder von Führung noch von Schuhen etwas verstanden, und, da von der Modellabteilung her die Unterstützung durch Rodrigues mangelhaft war, engagierte ich für die Technik den jungen Modelleur Ernst Fässler, den ich von Lachen her kannte. Das Knowhow für die Korksohlenfertigung mussten wir uns von Null auf neu erarbeiten, zum Teil als Einkäufer getarnt bei Fabrikbesuchen in Italien.

In einer absolut archaischen, landwirtschaftlichen Umgebung, weit ab von Stadt, Zivilisation und Kultur, begannen wir mit jungen schulentlassenen jungen Frauen ab 14 Jahren zu arbeiten, die bisher nur Feld- und Hausarbeit geleistet hatten. Sie waren bei ihrer Arbeit in der Fabrik so glücklich, dass sie zur Arbeit viel sangen. Die grösste Strafe war damals, indem wir jemanden nach Hause schickten und sie für einen Tag von der Arbeit ausschloss. Wir hatten den Leuten zur Arbeit Ärmelschützen abgegeben. Die jungen Frauen fragten, ob sie die Schürzen zum Waschen mit nach Hause nehmen dürften, was wir selbstverständlich bejahten. Wir hörten erst später, dass viele der Mädchen am Sonntag damit zur Kirche gingen, weil es das beste Stück in ihrer Garderobe war!

Wir arbeiteten mit Maschinen aus Italien, welche Rodrigues dann in seiner Werkstatt kopierte und teilweise in Serie nachbaute und in Portugal weiter verkaufte. Rodrigues hatte begonnen, von Hand gefertigte Sohlen zu verkaufen, bevor wir wussten, wie wir die verschiedenen Probleme mit Stahlgelenken für die Sprengung lösen wollten oder wie das zweidimensionale Fräsen einer Sohle geschehen sollte, die nachher dreidimensional auf einen Leisten passen musste usw. Damit setzte er die Technik und damit vor allem mich sehr unter Druck, und ich erinnere mich daran als eine aussergewöhnlich hektische Zeit. Aufbau einer Modellabteilung, Einrichten einer behelfsmässigen Fabrik, Planung und dann Bau einer neuen Fabrik: Alle diese Arbeiten liefen alle zur gleichen Zeit. Aber irgendwie schafften wir es, nach kurzer Zeit mindestens Break Even zu arbeiten.

Noch eine Anekdote zur behelfsmässigen Fabrik in dem durch einen Neubau ersetzten, alten Spital: Wir konnten nur die eine Hälfte des Spitals mieten, und diese eine Hälfte auch nur ohne die im Hochparterre liegende, noch für Gottesdienste gebrauchte Spitalkappelle, denn eine solche hatte man im Neubau vergessen. Unter dieser, immer noch benutzten Spitalkappelle, hatten wir den Boden um 70 cm abgesenkt, um dadurch die notwendige Raumhöhe für einen kleinen Saal zur Teilefertigung zu erhalten. Irgendwann an einem Morgen nach Arbeitsbeginn kam der Vorarbeiter des Untergeschosses ganz aufgeregt ins Büro und sprach von Blut, das durch die Decke tropfen würde, worauf wir ihn alle auslachten. Es war dann aber tatsächlich so: Während der Nacht hatte es in der Nähe ein Zugsunglück mit mehreren Toten und Verletzten gegeben, und die Toten waren während der Nacht in der Spitalkappelle aufgebahrt worden...

Mit zunehmender Routine und von uns entwickelten, materialsparenden Fabrikationsmethoden hätten wir auch besser und knapper kalkulieren können, aber die rudimentäre Buchhaltung von Rodrigues lieferte uns die dazu notwendigen Daten nicht. Nun zahlte sich aber aus, dass ich mich während meinen Jahren als Betriebsleiter in Lachen von Eduard Barth, dem damaligen Chef des Rechnungswesens, in doppelter Buchhaltung und im Rechnungswesen hatte unterweisen lassen. Ich hatte dazu übungshalber zuhause 3 Jahre lang eine doppelte Privatbuchhaltung mit ein paar wenigen Konten geführt! Und die Betriebsabrechnung war in Lachen mein oberstes Führungsinstrument, denn nur so bekam ich die für die Fabrik notwendigen Daten, wo Geld verdient und wo es verloren wurde. Ich begann daher, in Lousada ebenfalls eine Betriebsabrechnung einzurichten und führte dazu manchmal lange Telefongespräche mit Edi Barth in Lachen, denn ich war ja trotzdem nicht Finänzler! Langsam bekam ich aber die Fabrik auch zahlenmässig in den Griff und musste dabei erkennen, dass Rodrigues als Hauptlieferant mit genauestens abgestimmten Verrechnungspreisen arbeitete und diese so ansetzte, dass die gemeinsame Fabrik ja nicht negativ, damit der Schweizer Partner ja nicht erschreckt werden sollte. Das war der Grund, dass wir dauernd auf Break Even arbeiteten. Für José Rodrigues musste die GROWELA-Portuguesa aber geradezu ein Goldesel gewesen sein. Ich war mir nicht im Klaren, ob es beide Brüder Rodrigues waren, die dies ausgeheckt hatten, oder nur das Schlitzohr Arnaldo Rodrigues, der für die Finanzen zuständig war.

Ich hatte inzwischen auch einen alten Bekannten aus meinen ersten Portugaltagen, Ing. Nuno Romao, überreden können, in Lousada in der neuen Fabrik die Betriebsleitung zu übernehmen. Er war gelernter Hochschulchemiker und damals Direktor der Ausbildungsstätte der portugiesischen Schuhindustrie. Er hatte recht bald auch Schwierigkeiten mit Rodrigues, denn zwei portugiesische Pfauen (Portuguese Peacocks war Fischlis Ausdruck für beide!) vertragen sich schlecht nebeneinander.

Aufbau einer eigenen Growela Portuguesa in Maya bei Porto
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10.5.  Beruf 2: GROWELA Gruppe, 1962 - 1977 – Aufbau einer eigenen Growela Portuguesa in Maya bei Porto.

10.5 Aufbau einer eigenen GROWELA Portuguesa in Maya bei Porto

André Kurz war nicht sehr begeistert, als ich ihm nicht nur sagen musste und es auch beweisen konnte, dass Rodrigues sehr einseitig von unserer Zusammenarbeit profitierte. Mit diesen Erkenntnissen und mehreren Gesprächen mit José Rodrigues stimmte er 1971 zu, das Joint Venture aufzulösen. Es war nach der alten griechischen Regel abgeschlossen worden, dass derjenige, der es beenden wollte, ein Angebot machen muss, und der andere Partner dann frei wählen kann, ob er zu diesem Preis verkaufen oder kaufen will. Romao und ich hatten André Kurz davon überzeugen können, dass wir die Fabrik kaufen sollten und pokerten deshalb mit möglichst hohem Einsatz: Romao und ich rechneten tagelang, was Rodrigues sich leisten könnte und was nicht mehr. Ich meine noch heute, dass wir gut gepokert hatten, denn die Zahl stimmte. Wir hatten nur nicht mit einbezogen, leider auch der einheimische Nuno Romao nicht, dass Rodrigues den alten, markanten portugiesische Seefahrerstolz besass! Ebenfalls zu wenig hatten wir berücksichtigt, dass Rodrigues inzwischen noch Präsident der portugiesischen Schuhindustriellen geworden war. So konnte er doch vor seinen Landsleuten nicht klein beigeben und „seine“ Korksohlenfabrik verkaufen, mit welcher er doch so gerne den modernen, portugiesischen Unternehmer spielte. Rodrigues entschied sich für den Kauf, zu einem Preis, der für ihn eindeutig zu hoch war, und er durfte zudem den Namen GROWELA nicht mehr weiter führen. Der Kauf durch Rodrigues war der eigentliche Beginn einer grossen menschlichen Tragödie um José Rodrigues, die dann kurz nach der Nelkenrevolution mit dem Konkurs des kleinen Rodrigues-Imperiums in der portugiesischen Schuhlandschaft endete.

Wir hatten bei einer Erstinvestition anfangs des Jahres 1969 von CHF 100'000 im Jahre 1972 plötzlich CHF 600‘000 in der Hand. André Kurz meinte, das wäre eine Super-Performance, mit CHF 100'000 in drei Jahren eine halbe Million Franken zu verdienen. Er schlug vor, jetzt in Portugal aufzuhören und das Kapital in etwas anderes zu investieren. Da wehrte ich mich nun mit aller Vehemenz dagegen, denn ich hatte in Lousada oft gelitten, sehr viel Herzblut investiert und wusste jetzt eigentlich, wie man in Portugal eine Fabrikation anfangen müsste, denn ich kannte nun einigermassen Land, Leute, Mentalität und sogar auch schon ein bisschen die Sprache.
Was hatte ich zwischen Porto, Lousada und Granja nicht alles durchgemacht:

  1. Ich hatte in Lousada in der spartanisch eingerichteten, kleinen, unheizbaren Wohnung recht grosse Entbehrungen in Kauf nehmen müssen, vor allem im Winter und bei Krankheit!
  2. Dann hatte ich ziemlich am Anfang meiner Zeit im Land einen Autounfall verletzungsfrei durch- und überstanden, weil ich einem betrunkenen Töfflifahrer mit Anhänger ausgewichen war. Mein Auto blieb nachts um 21 Uhr auf einer Mauer im Wald liegen, bzw. hängen, irgendwo im Niemandsland, mit einer zusammenströmenden, aufgebrachten Menge Leute gegen mich: Ein ausländischer, scheinbar reicher Autobesitzer tötet in dieser abgelegenen, bitterarmen Gegend am Ende der Welt beinahe einen Einheimischen, der zudem der Sprache noch nicht mächtig war! Verhör auf der Polizeistation mit Fast-Analphabeten, niemand sprach eine Fremdsprache!
  3. Arbeiten im Winter in Lammfellmantel und Lammfellstiefeln bei 17 Grad im Büro und zuhause!
  4. Ich hatte viel zwischenmenschliche und Führungs-Erfahrung machen dürfen, positive und negative, nicht nur jene mit den Herren Rodrigues und ihren Kaderleuten, sondern auch mit den jungen Neukomms, oder dem Modelleur Ernst Fässler und seiner Freundin und späteren Frau Irene, mit Herr und Frau Eschmann, Herr und Frau Bragança usw.

Ich hatte das Land aber auch lieben gelernt und kannte damals kein anders Land so gut wie Portugal (ausser der Algarve). Auch konnte ich mich inzwischen auf Portugiesisch bereits durchschlagen. Ich hatte zwar viel Lehrgeld mit „Führung auf Distanz“ zahlen müssen, aber jetzt fühlte ich mich auch in dieser Beziehung viel sicherer.

Ich kannte auch schon Leute, die in einer zukünftigen, neuen GROWELA Schuhfabrik mitarbeiten würden. Deshalb schlug ich André Kurz vor, neu zu beginnen, und zwar nicht mehr mit Korksohlen, sondern jetzt mit einer richtigen Damenschuhfabrik!

André Kurz war bereit, mir das Vertrauen für eine neue Firma zu schenken:

  • Ich durfte über die in Portugal liegenden CHF 600'000 verfügen,
  • die Muttergesellschaft würde für eine weitere Million bürgen,
  • weiter notwendiges Kapital müsste ich aber selbst in Portugal beschaffen.

Und dann sagte er: "Allez-y"!

Was für eine unwahrscheinlich interessante, umfassende Aufgabe und was für eine Chance für einen 40-jährigen, jungen Ingenieur. Ich fühlte mich richtig als Glückspilz!

Mit diesen Zusicherungen im Gepäck flog ich 1972 nach Portugal, und besuchte als erstes meinen Freund Nuno Româo, der immer noch die "COCA" leitete, wie die Korksohlenfabrik von Rodrigues jetzt hiess. Ich war damals der Ansicht, dieses Wort „Freund“ gebrauchen zu dürfen. Ich legte ihm meine Pläne für eine Schuhfabrik vor, die ich in der Nähe von Porto, am liebsten noch auf der Seite des Flugplatzes, haben wollte.

Die Gründe für diese Wünsche lagen beim dort eher verfügbaren Kaderpersonal, bei der wesentlich vereinfachten Import / Export-Abwicklung sowie den kürzeren Transportwegen. Nuno Româo war bereit, die Führung unserer neuen Fabrik zu übernehmen, aber nur unter der Bedingung, dass ich auf GROWELA-Seite weiterhin dafür verantwortlich war.

Wir begannen, seine Cousine Catoucha als zukünftige Leiterin Administration und eine weitere Verwandte von ihm als zukünftige Nähereimeisterin in Lachen auszubilden. Beat Neukomm, ein Bruder von Jürg und ausgebildeter Modelleur, derzeit bei Clarks in England tätig, war vorgesehen, die Verantwortung für die Technik zu übernehmen. Wir fanden in Maya ein Stück Land, das sich für eine Schuhfabrik eignete und in der Nähe davon eine alte grosse Garage, welche wir per sofort mieten und in welcher wir mit einer Schaft­produktion für die Fabrik in Lachen beginnen konnten. Wir suchten lokale Gerbereien und andere alternative Lieferanten zu Rodrigues, welcher uns natürlich gar nicht mehr gern hatte. Wir begannen in einer zweiten Garage mit der von Hand gefertigten Produktion von Clogs, für die neben der Näherei kein Maschinenpark notwendig war. (Die ersten 500 Paar dieser von Hand gefertigten Clogs verkaufte ich übrigens einem gewissen Ewald Kaufmann bei BALLY Arola AG, der dann viel später mein Einkaufsdirektor bei der Arola werden sollte!) Und als wir dann begannen, etwas Geld zu verdienen, kam Nuno Româo als Chef zu uns.

Für den Neubau hatte André Kurz seinen Freund und Architekten Pierre Zoelly gewinnen können, welcher als erstes einmal zusammen mit seiner Frau den Bauplatz in Portugal besuchte. Ich durfte ihnen während einigen Tagen neben dem Bauplatz auch den Norden Portugals zeigen. Er war von dem für die Fabrik vorgesehenen Land begeistert, vor allem vom kleinen Hügel mit dem Mimosenwäldchen.

Wir planten die Fabrik weitgehend in der Schweiz, so dass dann Architekt Bragança nur noch die lokale Bauführung übernehmen musste. Der federführende Architekt im Büro Zoelly war Hans Gremli v/o Galan, ebenfalls ein St. Galler und KTVer, Altherr der gleichen Mittelschul-Stzdentenverbindung wie ich. Die Planung schritt gut voran. Wieder hatte ich so geplant, dass unab­hängig voneinander Bürogebäude und Fabrik individuell erweitert werden konnten, die Fabrik modulweise je nach Bedarf mit je drei gleich grossen Shed-Hallen, wobei Warenannahme und Spedition bei Erweiterungen wenn immer möglich beibehalten werden konnten, mindestens aber jederzeit sichergestellt sein mussten. Es war ein in jeder Hinsicht sehr moderner Fabrikbau, auch mit modernen sozialen Einrichtungen etc.

Der Kauf des Landes, die Grundsteinlegung und der Baubeginn sowie dann der spätere Bezug der neuen Fabrik waren für mich weitere, grossartige, persönliche Erlebnisse. Ich behaupte auch heute noch, die neue GROWELA Fabrik in Maya wäre eine der schönsten Fabriken weltweit, die ich je gesehen habe.

Mitten in die Bauzeit der neuen Fabrik brach in Portugal am 25. April 1974 gänzlich unerwartet die Revolution aus, später etwas verniedlichend „Nelkenrevolution“ genannt. Zu lange hatte sich auch nach dem Tod des Diktators Salazar eine zu sehr konservative Regierung an der Macht gehalten, ohne die im Land dringend not­wendigen sozialen Reformen anzupacken. Wir hatten in Granja das unflätige Beneh­men unseres Nachbarn und Besitzers der Banco Espirito et Santo seinem Personal gegenüber ja erlebt! Die meisten Unternehmen wurden immer noch absolut patriarchalisch geführt, niemand hatte mitzudenken, dafür war nur der Chef da. Ich hatte damit sogar manchmal mit Nuno Romào meine Mühe. Nun hatten also militärische Obersten und Hauptleute um Carvalho geputscht, wobei wir recht gut informiert waren, weil auch ein Schwager von Nuno Româo einer der aufständischen Obersten war. Nuno Romao wusste, dass sein Schwager Mitstreiter hatte, die schon dafür sorgen wollten, dass die neue Regierung nicht allzu weit links abdriftete. Aber jene der äussersten Linken waren scheinbar die Professionelleren unter ihnen und konnten sich dann mit Hilfe der Kommunisten durchsetzen.
Das erste, was die neue Links-Regierung machte, war, die Banken zu verstaatlichen und den Firmen jeden Kredit zu geben, den sie wollten. Damit gehörten die Unternehmen bald zu einem grossen Teil dem Staat, und der sagte dann, wo es lang ging. So war dies auch bei José Rodrigues geschehen. Für uns ging es darum, einmal abzuschätzen, ob man die Zelte abbrechen sollte, wie dies die meisten ausländischen Firmen taten, oder ob man weitermachen konnte. Wir arbeiteten derzeit in zwei Lokalitäten mit Maschinen aus Lachen und zugekauften Occasionsmaschinen und fabrizierten Schuhoberteile für Lachen sowie Holzclogs. Daneben hatten wir eine stattliche Fabrik im Bau, wo im Moment bereits das meiste Geld investiert war. Eine Bauruine war jetzt auch nicht gerade das, was man sich nach einer Revolution wünschte, und so entschieden wir uns, weiter zu produzieren und an der Bauvollendung festzuhalten.
So kam es zur grotesken Situation, dass wir, als eine ausländische Firma, in dieser Gegend praktisch als einziges Unternehmen an einem Neubau weiterarbeiteten, während andere ausländische Firmen schlossen oder wenigstens stark reduzierten. Die einzige Auflage, die mir Lachen machte, und mit welcher ich mich auch voll identifizieren konn­te, war, dass nach dem Ausbruch der Revolution vorläufig weder Kapital noch Materialien oder Maschinen nach Portugal geschickt wurden, bis Klarheit herrschte, wohin die politische Reise gehen sollte.
Das gab zwar Liquiditäts- und Finanzierungsprobleme, vor allem mit den Lieferanten und Handwerkern am Neubau, welche dann aber glücklicherweise alle mit der oben kritisierten Mentalität „à la portuguèse“ umschifft werden konnten, die ich in der Zwischenzeit für den Notfall auch beherrschen gelernt hatte! Der Umzug aus den Provisorien in die neue Fabrik fand schlussendlich planmässig statt. Nun hatten wir also eine grosse Fabrik, arbeiteten aber nur auf einem Fünftel der zur Verfügung stehenden Fläche, da wir die für uns reservierten Maschinen vorläufig nicht nach Portugal bringen wollten…

Dann verliess uns Beat Neukomm als Leiter der Modellabteilung: Er wollte wieder nach England zurückkehren, nicht zuletzt wegen seiner zukünftigen, englischen Frau, welche nicht gern in der doch etwas primitiven, portugiesischen Provinz leben wollte. Als Ersatz holte ich Herrn Eschmann, einen jungen, dynamischen deutschen Schuhmodelleur nach Portugal, welcher von Paul Holer ursprünglich in Lachen für die Bearbeitung des deutschen Marktes engagiert worden war.
Sein Problem in der neuen Fabrik war, dass wir wohl je eine recht gut mit Maschinen bestückte Zuschneidere und Näherei besassen, aber überhaupt keine Montageabteilung, da jene Maschinen zwar reserviert, aber noch nicht definitiv beschafft und geliefert worden waren. Deshalb konnten wir nur Modelle herstellen, welche von Hand montiert und gezwickt werden konnten. Dies schränkte uns selbstverständlich auch im Verkauf und damit in der Beschaffung der notwendigen Finanzen stark ein. Wir durften zwar unsere Produkte an den Messen am GROWELA Stand ausstellen und verkauften auch immer wieder etwas, sodass wir uns finanziell knapp durchwursteln konnten.

Ein für den ganzen Norden ausgerufener, unbefristeter Streik in der Schuhindustrie hätte uns wahrscheinlich das Genick gebrochen, aber oh Wunder! Die GROWELA-Portuguesa wurde als einzige Fabrik nicht bestreikt, und zwar mit ausdrücklicher Genehmigung der Gewerk-schaft. Eine Vorarbeiterin unserer Fabrik war Mitglied im lokalen kommunistischen Parteivorstand und hatte sich für uns stark engagiert, ohne dass wir es wussten. Sie hatte scheinbar drei Argumente vorgebracht: Den Weiterbau an der Fabrik während der Revolution, die guten sozialen Einrichtungen und der gute Ton und mögliche Mitsprache in unserer Fabrik. Ich war darüber mächtig stolz!

Der Bau hatte sich schliesslich bewährt, es war die schönste Fabrik, welche ich geplant hatte, mit wunderbaren Büro-, Besprechungs- und Verkaufsräumlichkeiten, direkt am Mimosenwäldchen. An dieser Stelle seien noch folgende zwei Anekdoten erwähnt:

  • Die Zentralheizung des Bürohauses machte uns im portugiesischen Klima etwas Mühe. Entweder war es zu heiss oder zu kalt, je nach Sonneneinstrahlung, welche hinter Glas auch im Winter ausserordentlich stark mitheizte. Es war praktisch unmöglich, die Heizkörper manuell zu regulieren. Ich schmuggelte deshalb einen Koffer mit thermostatischen Heizkörper-Ventilen nach Portugal, die dort unten ein Vermögen gekostet hätten, und die dann unser Betriebsmechaniker montierte, womit das Problem gelöst war.
  • Niemand, auch der lokale bauleitende Architekt Bragança, konnte anlässlich der Planung begreifen, dass wir die Anzahl WC’s und Duschen praktisch nach schwei­zerischem Arbeitsgesetz ausgelegt hatten. Niemand benutze diese Einrichtungen in den Fabriken in Portugal. Es sagte uns aber auch niemand, dass es in den meisten Fabriken in Portugal kein Warmwasser gab. Nach der Bauvollendung konnte auch wieder niemand begreifen, dass bei uns so viele Leute nach der Arbeit oder auch über Mittag duschten! Kunststück, die wenigsten der Arbeiterinnen und Arbeiter hatten zuhause Badezimmer, geschweige denn Warmwasser und/oder eine Dusche. Portugal war damals halt wirklich immer noch ein Agrarland mit kinderreichen Familien. Mit der jetzt aufkommenden Industrialisierung fanden viele in den Fabriken Arbeit, und es wanderen jetzt auch zunehmend weniger Leute als Saisonniers nach Westeuropa aus.
Vorsitzender der Geschäftsleitung
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10.6.  Beruf 2: GROWELA Gruppe, 1962 - 1977 – Vorsitzender der Geschäftsleitung.

10.6 Vorsitzender der Geschäftsleitung in Lachen

André Kurz hatte mir schon 1972 den Auftrag gegeben, für die GROWELA Gruppe eine junge Geschäftsleitung zu bilden, welche für das Betriebsergebnis verantwortlich sein sollte, während er mit den bisherigen Mitgliedern der Geschäftsleitung Neukomm (Verkauf) und Barth (Finanzen) für die Bilanz zuständig bleiben wollte. So engagierten wir neben dem bereits hier arbeitenden Ingénieur Martin Studach, künftig verantwortlich für die Technik und Projektmanagement Informatik, noch Paul Holer, künftig verantwortlich für Verkauf und Marketing, sowie Emil Steiner, in Zukunft verantwortlich für das Rechnungswesen. Innerhalb dieser jungen Geschäftsleitung war ich verantwortlich für die Belange der Gruppenleitung sowie der Betriebsstätten Lachen und Portugal, Paul Holer hingegen für das Einkaufs-Büro in Civitanova, Italien und die Verkaufsniederlassung in Wesel, Deutsch­land. In Wesel hatten wir eine ehemalige Handschuhleder-Gerberei kaufen können, welche ich in ein Büro- und Lagerhaus umbaute, was planungsmässig wiederum eine hoch interessante Aufgabe bedeutete. Von der Lokalität her hätten wir in Deutschland mit Produkten aus Italien, der Schweiz und Portugal den Umsatz wesentlich steigern können.

Ich war felsenfest überzeugt davon, dass ich in der GROWELA pensioniert werden würde, und machte André Kurz den Vorschlag, mich an der Firma zu beteiligen, wofür er aber kein Gehör hatte. Trotzdem arbeitete ich grundsätzlich immer, wie wenn es meine eigene Firma gewesen wäre, was ich fatalerweise auch von meinen Mitarbeitern erwartete. Ich hätte darum gerne Geschäftsleitungssitzungen an den vielen arbeitsfreien, katholischen Feiertagen abgehalten, die wir in Lachen immer wieder hatten. Das wurde aber je länger, je mehr sabotiert.

Dann hatte ich nicht nur in der Fabrik ein modernes Lohnsystem eingeführt, sondern für das Kader eine Erfolgsbeteiligung. Das System der Erfolgsbeteiligung funktionierte so, dass für ein gewisses festgelegtes Jahresgehalt die Höhe des monatlich ausbezahlten Fixums selbst gewählt werden konnte, während in Anbetracht eines niedriger oder höher gewählten Fixums die Erfolgsbeteiligung indirekt proportional ausgeschüttet wurde. Das heisst, dass jemand mit klein gewähltem Fixum bei einem gewissen Betriebsergebnis mehr verdienen sollte als jemand, der mehr auf Sicherheit bedacht war und einen grösseren fixen Lohnbestandteil gewählt hatte. Weil ich an uns glaubte, hatte ich für mich ein minimales Fixum mit der Chance auf eine grosse Erfolgsbeteiligung gewählt.

Nach der ersten Ölkrise anfangs der 70er Jahre ging es der Firma nicht mehr so gut wie bisher. Zur Budgeterreichung hätte es mehr und meines Erachtens vor allem konzentrierte und koordinierte Anstrengungen aller bedurft, man erreichte das Budget nicht mehr fast automatisch. Auch hatten wir etwas Speck angesetzt, sodass wir uns von ein paar lieb gewordene Luxuslösungen trennen mussten, um unsere Kosten in den Griff und die Firma wieder in den Steig­flug zu bekommen. Der Anteil der Erfolgsbeteiligung am Jahresgehalt brach mit den schlechteren Ergebnissen natürlich ein. Der Firmengründer André Weill hatte einmal gesagt: „Wenn kein Heu mehr in der Krippe ist, dann beissen sich die Rösslein“! So war es auch bei uns: Solange alle von der Erfolgsbeteiligung ausgiebig profitiert hatten, waren alle einverstanden gewesen. Als es jetzt galt, auch eine Misserfolgsbeteiligung durchzustehen, murrten viele gegen das System auf. Natürlich tat es uns weh: 1974 beispielsweise verdiente ich plötzlich nicht mehr rund CHF 100‘000, sondern nur noch CHF 66'000. Und dies ausgerechnet im Jahr, als unser privater Umbau in Hom­brech­tikon eine Kostenüberschreitung von CHF 180‘000 zeigte (Bei Bauten für die Firma hatte ich nie Überschreitungen gehabt!).

In dieser Zeit der „sich beissenden Rösslein“ war leider auch die praktisch völlige Übereinstimmung zwischen André Kurz und mir über den einzuschlagenden Weg der Firma verloren gegangen. Wenn wir bis anhin im Gespräch immer Lösungen gefunden hatten, kam es jetzt häufig zu für mich unerklärlichen, eigenartigen Reaktionen seinerseits.
Anlässlich einer Sitzung über Lohnerhöhungen versuchte ich beispielsweise den Herren zu erklären, man könne bei den Lohnerhöhungen nicht dauernd über die Jahre kneifen: Wir würden immer entweder jammern, das vergangene Jahr sei schlecht gewesen, oder, auch wenn es gut war, jammern, die Aussichten für das kommende Jahr wären schlecht. Unsere Mitarbeiter hätten schon bewiesen, dass sie bei schlechtem Geschäftsgang auch eine Null-Runde akzeptierten. Aber wenn es besser gehe wie jetzt, müsse man sich erkenntlich zeigen, sonst gäbe es Unruhe. André Kurz warf mir daraufhin vor der ganzen Geschäftsleitung vor, ich hätte eine typische „Gewerkschafter-Einstellung“, dabei hatte ich meines Erachtens nur auf eine weitsichtigere, unternehmerische Einstellung gehofft.

Oder ein anderes Beispiel: André Kurz kannte unsere Familie inklusive Kindern sehr gut, denn wir waren öfters zusammen gewesen, früher eindeutig mehr als jetzt. Wenn wir im Sommer die paar Male in Granja im gemieteten Haus am Meer wohnten, kam er ijedes Mal auf Besuch zur portugiesischen Tochtergesellschaft. Während seines Aufenthalts richteten wir ihm jeweils bei uns im Haus ein Zimmer ein, sodass er bei uns wohnen konnte. So kam es öfters vor, wenn die Mädchen am Morgen schon aufgestanden waren und er nicht schlafen konnte, dass er mit ihnen auf der Terrasse spielte. Ich glaube, er hatte sie auch richtig gern. Als ich nun 1974 oder 1975 einmal etwas von Andrea erzählte, prophezeite er, eben­falls vor allen anderen, dass Andrea uns bei meiner Erziehung sowieso davon laufen werde.

Ich bekam das Gefühl, dass er mich manchmal einfach etwas demütigen wollte.

Es war noch etwas passiert, das einen gewissen Unmut bei André Kurz und Ernst Neukomm und seinen Adlaten auslöste: Mit dem von Martin Studach und Emil Steiner neu eingeführten EDV-System war es mir plötzlich möglich, die Deckungsbeiträge der in einer Periode verkauften Produkte nach Kostenträger, nach Pro­dukt, nach einzelnem Verkauf, nach Verkäufer und nach Kunde einzusehen. Plötzlich hatten wir die Verkäufer mit ihren Preisen, Rabatten, Spezialkonditionen und Nachlässen etc. voll unter Kontrolle, und die "Händeler" - Mentalität der Verkäufer kam auf den Prüfstand. Ernst Neukomm hatte beispielsweise immer behauptet, wenn er einmal einen Preis­nachlass gegeben habe, so werde dieser Kunde dies mit Zins und Zinseszinsen wieder zurückbezahlen. Jetzt kam er in Beweisnotstand. Diese Transparenz, welche in der Fabrikation für die Kalkulation des Fabrikpreises schon lange selbstverständlich war, wurde jetzt plötzlich bis zum tatsächlich erzielten Preis Realität, nicht sehr zur Freude der Verkäufer, aber auch bei André Kurz, der begann, die Verkäufer in Schutz zu nehmen. Daraus ergaben sich weitere Spannungen.

Wir waren inzwischen eine richtige GROWELA-Gruppe geworden:
In Lachen im Stammhaus befand sich die Gruppenleitung. Ferner war hier eine voll etablierte Herrenschuhfabrik mit Création, Modellabteilung, Materialprüfung und einem grossen, teilweise auch dem Export dienenden Lager samt Spedition. Neben dem Verkauf aller Produkte kam noch Import und Verkauf von Schuhen aus der Tschechoslowakei und aus Ungarn.
In Civitanova in der Marche in Italien war eine kleine Einkaufsgesellschaft mit einem Créateur als Chef, welche Wünsche der europäischen Kundschaft umsetzen und das Produkt bei einem unserer vielen Stammlieferanten herstellen lassen konnte. Verschiedene dieser Stammlieferanten arbeiteten neben dem Heimmarkt Italien praktisch zu 100% für uns.
In Wesel war eine Verkaufsgesellschaft mit Lager und Spedition.
In Portugal war eine Damenschuhfabrik, ebenfalls mit eigener Création und Modellabteilung, fertig geplant und in Lauerstellung, um so schnell als möglich zuschlagen zu können, sobald die Gruppenleitung die Beschaffung der reservierten Maschinen bewilligen würde.

Wenn wir die Synergien in dieser Gruppe ausnutzen wollten, mussten meines Erachtens die Aktivitäten vor allem in Création und Modellabteilung, aber auch im Einkauf und Verkauf koordiniert werden, denn bisher machte praktisch jeder, was er wollte und was in seinem Gutdünken lag:
Ich mit Lachen und Portugal,
Paul Holer in Italien und Wesel, und
Ernst Neukomm nach wie vor mit den Tschechen und mit Ungarn, sber auch sonst mischte er nochüberall ein bisschen mit.

Alle fuhren wir jeweils an die Préseléctione nach Montecatini in der Toscana. Ich hatte vorgesehen, dort alle Modelleure und Einkäufer zusammenzunehmen, um mit ihnen eine klare Arbeitsteilung und Koordination zu besprechen. Das wurde aber gar nicht geschätzt, vor allem vom Verkauf mit den Herren Neukomm und Holer nicht, denn jeder hätte einen Teil seiner Freiheit zum Wohle des Ganzen aufgeben müssen.

Diese von mir vorbereitete Besprechung in Montecatini war ein totales Fiasko. Ich machte danach noch zwei, drei Anläufe, um die meines Erachtens unbedingt notwendige Koordination durchzusetzen, und um längerfristig zu einer klaren strategischen Ausrichtung der Gruppe zu gelangen. Ich versuchte auch, Paul Holer für die Idee zu gewinnen, mit dem ich ja schon stundenlang über künftige Strategien gerungen hatte, aber leider ergebnislos. Auch er hätte scheinbar zu viel Freiheiten aufgeben müssen, und es war ihm ganz wohl im Gemuschel mit seinem Fachvorgesetzten Ernst Neukomm.

In dieser Situation erwartete ich jetzt ein Machtwort von André Kurz und seine notwendige Unterstützung, auf die ich früher jeweils zählen konnte. Leider erhielt ich dieses Mal weder Machtwort noch die notwendige Unterstützung!
Ich wusste damals noch nicht, dass André Kurz mittlerweile Alleinbesitzer werden sollte, da die wieder verheiratete Frau Weil als Mitbesitzerin aussteigen wollte und André Kurz die damit verbundene Finanzierung des nötigen Kapitals Probleme bereitete.

Das Ende bei GROWELA
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10.7.  Beruf 2: GROWELA Gruppe, 1962 - 1977 – Das Ende bei GROWELA.

10.7 Das Ende bei GROWELA

André Kurz fuhr mich an einem Freitag-Mittag im Sommer 1975 höchst persönlich auf den Flughafen, als ich zur GROWELA-Portuguesa reiste. Auf der Fahrt nach Kloten teilte er mir mit, dass er meinen alle zwei Jahre zu erneuernden Arbeitsvertrag nicht mehr so erneuern wolle, sondern dass er neu eine 6-monatige Kündigungsfrist einführen wolle.
Abgesehen vom Ende unserer bisherigen, wunderbaren Zusammenarbeit ohne Wenn und Aber war dies meines Erachtens etwas vom Schlimmsten, was er mir während den 15 Jahren antat: Es gab noch keine Direktflüge Zürich-Porto, sondern man musste damals noch über Lissabon oder Paris fliegen mit stundenlangen Aufenthalten. Es gab auch noch keine Handy: Zum Telefonieren müsste ich in eine Telefon Kabine! Ich empfand diese Mitteilung auf der Abreise richtiggehend als demütigend und grausam. Er, den ich immer als meinen besten Freund bezeichnet hatte, entzog mir damit klar sein Vertrauen: Die Kündigungsfrist von 2 Jahren reduziert auf 6 Monate! Er wusste auch, dass ich solche Sachen immer mit Fischli ausdiskutierte. Mit dieser Kündigung auf dem Weg zum Flughafen nahm er mir diese Möglichkeit. Ich hätte doch jetzt so gerne mit Fischli gesprochen und etwas Trost gesucht; nun konnte ich aber während Stunden mit niemandem sprechen. Zudem hatte ich dauernd Tränen in den Augen und es würgte mich während Stunden. Erst nach der Ankunft in Maya telefonierte ich sofort mit Fischli.
Dieser Vorfall war für meine Arbeit äusserst demotivierend, aber ich dachte trotzdem noch immer mit keinem Gedanken an eine Kündigung. Ich verteidigte sogar die Ideen von André Kurz weiterhin in der Geschäftsleitung, wenn ich nur konnte, denn meine jüngeren Kollegen waren ihm nicht so ergeben wie ich es war.   

Zwei weitere Vorfälle muss ich noch anführen, die das Bild des Zerwürfnisses in der Geschäftsleitung charakterisieren: Einmal bekam ich einen Telefonanruf von Nuno Româo, dass er verschiedene Punkte in einem Telex an ihn vom Vorabend überhaupt nicht verstehe. Nuno Româo und ich verkehrten in einer Mischung von Französisch und Portugiesisch, womit wir uns auf Distanz hervorragend verstanden. Tatsache war nun, dass am Vortag kurz vor Arbeitsschluss zufällig Frau Mazzega, Sekretärin von André Kurz sah, dass meine Sekretärin einen Telex-Lochstreifen schrieb, den dann jeweils der Hauswart nach Arbeitsschluss zum billigeren Tarif übermittelte. Sie sah den Lochstreifen kurz durch und stellte fest, dass dies nicht das beste Französisch war und korrigierte ihn. Sie wollte mir zeigen, wie man einen richtigen Telex schreibt, allerdings mit dem Resultat, dass Nuno Româo mich dann überhaupt nicht mehr verstand.
Ein anderer Vorfall löste bei mir einen Wutanfall aus, und rückblickend finde ich diesen Wutanfall nach wie vor berechtigt: Während einer meiner Abwesenheiten in Portugal über ein Monatsende hinaus hatte Frau Mazzega ohne mein Wissen und ohne mich zu orientieren auf Geheiss von André Kurz meiner Sekretärin kündigen müssen. Meine Sekretärin orientierte mich dann als Erstes nach meiner Rückkehr.

Wenn André Kurz nun immer öfters nicht mehr hinter mir stand, wie er dies in früheren Jahren jeweils getan hatte, und ich solche Affronts entgegen nehmen musste, wurde ich zunehmend demotivierter und ungehaltener, ja ich begann sogar, mich manchmal etwas passiv zu verhalten. Das Ganze begann sich wie eine Spirale zu drehen. Den Herren Neukomm, Holer und Barth, aber auch dem übrigen Kader blieb dieses gestörte Verhältnis zwischen André Kurz und mir natürlich nicht verborgen und sie begannen, an meinem Stuhl zu sägen, ihre Mitarbeiter begannen, sich teilweise offen um meine Anweisungen zu foutieren (Fall Herr Keller!), bis ich mich schlussendlich nur noch für meine direkten Verantwortungsbereiche Lachen und Portugal voll einsetzte, und die Geschäftsleitung der Gruppe ziemlich fahren liess. Ich machte auch praktisch weder Kommentare zu Monatsabrechnungen noch wie bisher konkrete Vorschläge zu Budget und Abrechnung. Fälschlicherweise dachte ich, André Kurz würde wahrscheinlich bald sehen, wie es abwärts gehe, wenn ich nicht mehr wie bisher die Initiative für den Fortgang des Unternehmens ergriff.

Zur Entlastung von André Kurz muss ich noch anfügen, dass der finanzielle Ausstieg der inzwischen wieder verheirateten Witwe Weill aus dem Unternehmen ihm grosse Refinanzierungsprobleme schuf, welche ihn sehr beschäftigten und anscheinend voll auslasteten. Aber das waren definitionsgemäss „seine“ Probleme. Meine Probleme lagen auf der operativen Ebene, und ich hätte für die Führung des Unternehmens bei dieser von ihm gewollten Führungsstruktur zwangs­weise seine volle Unterstützung gebraucht, während ich ihm bei seinen Problemen nicht gross hätte helfen können.

Ich wusste vor allem nicht, was eigentlich der ursprüngliche Auslöser für das Zerwürfnis mit André Kurz war, obwohl ich immer wieder das Gespräch mit ihm suchte. Um aus dieser unerfreulichen Situation herauszukommen, regte ich an, er solle doch einmal mit Fischli oder mit Jack Brunnschweiler reden, um vielleicht den Grund herauszufinden. Er hatte grosse Bedenken, denn das könne für mich ganz schlecht gehen. Ich entgegnete ihm, das könne er gerne mein Problem sein lassen. Die Gespräche fanden statt: Er äusserte gegenüber Fischli und Jack teilweise völlig absurde Vorwürfe und eigenartige Schuldzuweisungen, wie beispielsweise, ich sei phlegmatisch und überheblich etc. Fischli hatte sich mit ihm zu einem Mittagessen im Hecht in Hurden verabredet, einem Ort mit den besten Erinnerungen an gemeinsame Stunden und animierte Gespräche mit ihm. Sie wurde anlässlich dieses Treffens sehr traurig und brachte keinen Bissen herunter. Jack hatte von mir schon viel von André Kurz gehört, während Jahren ja nur Gutes, hatte aber noch nie mit ihm gesprochen. Er fand das Gespräch mit ihm sehr eigenartig und hatte nachher gar keine grosse Meinung von ihm. So halfen auch diese Gespräche unserer notwendigen Zusammenarbeit nichts.

In Portugal hätten wir jetzt gerne die Maschinen für die Montage gekauft, was aber von der Gruppenleitung nicht bewilligt wurde. Danach griffen wir zu einem Trick: Auf der Suche nach verkäuflichen Schuhen entwickelten Eschmann und ich in Portugal einen einfachen, warm gefütterten, preislich hoch interessanten Damen- Winterstiefel. Die ersten zwei Musterpaare zwickte der Modelleur eigenhändig von Hand mit der Zwickzange, aber trotzdem so, dass man den Schuh am GROWELA Stand der Düsseldorfer Messe GDS durchaus probieren konnte. Wir wollten diesen Schuh verkaufen, um damit den Kauf der notwendigen Occasionsmaschinen zu erzwingen. Und wir hatten Glück. Ein norwegischer Schuhgrosshändler, finanziell zwar nicht über alle Zweifel erhaben, interessierte sich für 20'000 Paar Stiefel in vier Farben. Wir rechneten aus, dass wir allein mit dem Deckungsbeitrag dieses einzigen Auftrages die dazu notwendigen Zwickerei-Maschinen bereits bezahlen konnten. Dies konnte uns niemand mit plausiblen Gründen abschlagen. Dieser Verkauf und die Beschaffung der Maschinen war meine letzte erwähnenswerte Leistung in der GROWELA.

Nach der GDS musste ich in den Wiederholungskurs einrücken. Nach meiner Rückkehr am Samstag, 27. November 1976 rief mich André Kurz an und bestellte mich zu einer Besprechung für Sonntagmorgen um 11’00 Uhr zu sich. Das war an und für sich nichts ungewöhnliches, denn wir hatten solche Besprechungen oft über das Wochenende. An diesem Tag sagte ich aber beim Gehen zu Fischli: „Entweder kommt jetzt alles wieder gut, oder er wirft mich heraus“. Ich hatte eine klare Vorahnung. André Kurz kündigte mir! Er tat dies zwar grosszügig, mit der vertraglichen Kündigungsfrist sowie dem damals noch nicht notwendigerweise voll auszu­be­zah­lenden Firmenbeitrag der Pensionskasse. André Kurz meinte, wahrscheinlich werde er diesen Tag wohl einmal verwünschen, aber er müsse jetzt einfach eine klare Situation haben. Diese unerfreuliche menschliche Atmosphäre könne er nicht weiter ertragen. Er habe sich für die Anderen und gegen mich entschieden.

Ich erwiderte ihm sofort, dass er eines Tages bemerken werde, dass ich wahrscheinlich von allen den Herren und Damen der GROWELA-Führung sein bester Freund gewesen wäre. Um Portugal hätte ich am wenigsten Angst, obwohl Nuno Româo ein grauenhafter Patriarch war. In Lachen sei in meinen Augen ausser ihm aber niemand da, welcher die Gruppe führen könne. Paul Holer sei sicher ein hervorragender zweiter Mann, aber kein Firmenchef. Niemand kenne die GROWELA so wie ich, nicht nur die Abläufe, die Stärken und Schwächen der Mitarbeiter, die Führungsstruktur, Reglemente usw., ja ich würde sogar noch die Eisen-Armierung in den Betonpfeilern und Betonwänden kennen...

Und dann sagte ich ihm eigentlich noch sehr gern, dass er sich während der 6-monatigen Kündigungszeit noch zwei Monate von meinem Gehalt sparen könne, denn ich hätte gestern nochmals einen Vorschlag zur Weiterausbildung zum Abteilungskommandanten erhalten, dem ich jetzt ja ungeniert zustimmen könne: Ich werde deshalb im Frühling für je einen Monat in die Zentralschule IIA und zum Abverdienen einrücken. (Einen ersten Vorschlag hatte ich 1971 in Absprache mit ihm aus Rücksicht auf die Firma abgelehnt), Martin Studach war inzwischen bereits nicht mehr bei der GROWELA. Mir hatte er gesagt, dass er das Gefühl habe, ein Ingenieur in dieser kleinen Firma sei genug. Für André Kurz war ich schuld für seinen Austritt, was meines Erachtens unfair war. Emil Steiner und die Mitarbeiter der Buchhaltung (ohne Eduard Barth!) sowie vor allem die Mitarbeiter in der Fabrikation bedauerten mein Ausscheiden sehr, die verkaufs­ausgerichteten Dienste zwangweise weniger, höchstens noch im Lager und in der Spedition, wo ich ablaufmässig immer noch oft Hand angelegt hatte.

Erstaunt war ich sehr über Nuno Româos Haltung meinem Ausscheiden gegenüber. Ich hatte ihn telefonisch orientiert, denn ich wollte es ihm selber sagen, ihm, den ich immer mehr als Freund, denn als Mitarbeiter und Untergebenen angesehen und auch entsprechend behandelt hatte. Ich hatte in den letzten Jahren mit ihm nicht nur geschäftlich sondern auch privat so viele Stunden gemeinsam verbracht. Aber auch er war ein nüchterner Egoist, denn nun gab es einen weniger zwischen ihm und dem Besitzer. Obwohl er mir eigentlich sehr viel zu verdanken hatte, verhielt er sich anlässlich meines letzten Portugalbesuches äusserst reserviert, was ich damals als grosse, menschliche Enttäuschung empfand.

Ich bereitete nun einerseits meinen Abgang vor: Aktenübergaben, Fertigstellen von Dokumentationen zu eingeführten Systemen, Instruktion von Leuten an Führungs­in­strumenten, welche ich eingeführt hatte, usw.

Andrerseits coachte mich mein Freund Jack Brunnschweiler (als ehemaliger Personalchef von Rieter Winterthur) bei der Evaluation für einen neuen Job. Und zwar reichte das Spektrum der Bewerbungen vom Direktor der Militärflugplätze, Chef Kreis IV der SBB, einen Chef­posten beim Bundesamt für Arbeit, Planungschef bei Geilinger Engineering in Winterthur, bei der Swissair bei meinem früheren Chef, welcher inzwischen Chef Departement Technik geworden war bis zum Marketingplaner bei der C.F. BALLY Holding. Mit Akribie wurden die verschiedenen Stellen evaluiert, und am Schluss blieben Geilinger und BALLY. Bei Geilinger wäre ich aber noch mehr in der Welt unterwegs gewesen als bei GROWELA, und unsere Töchter hatten nach unserer Meinung während der Gymi-Zeit einen Vater  notwen-diger denn je. Ich entschied mich deshalb für BALLY im Marketing in Zürich, obwohl Walter Kinzelbach mich gerne für die Fabrikation in Schönenwerd gehabt hätte. BALLY war daran interessiert, dass ich so schnell als möglich eintreten würde. Dem stand auch André Kurz nicht im Weg. Am Freitag, 13. Februar 1977 trat ich zum Spiessrutenlauf durch die GROWELA an, um mich zu verabschieden. Es war ein schlimmer Nachmittag, mit dem dauernden, gleichen Würgen in der Kehle und den kaum zurückzuhaltenden Tränen in den Augen, ähnlich wie vor einem Jahr auf der Reise nach Portugal. Kunststück, bei so vielen wunderbaren Mitarbeitern, die ich teilweise während 15 Jahren gefordert und gefördert hatte. Alles in allem war es während 12 bis 13 Jahren eine hoch interessante und lehrreiche Zeit gewesen, fast zu schön, um wahr zu sein. Die letzten zwei Jahre musste ich viel leiden, denn ich wäre noch zu gerne bereit und auch fähig gewesen, wesentlich mehr aus dem Unternehmen zu machen, als dann damit tatsächlich geschah. Ist dies allenfalls etwas anmassend?
Ich hatte mich lange als "Kron­­prinz" von André Kurz gefühlt und dementsprechend auch wesentlich überdurchschnittlich hart und kompromisslos gearbeitet; er liess mich aber nicht "König" werden!
Es war damals für ihn die einfachste Lösung, Ruhe zu haben, indem er mich entliess. Da hatte er im Moment eine Baustelle weniger. Damit sollte leider das langsame Ende der GROWELA eingeläutet werden!

In Lachen ging es nach meinem Abgang drunter und drüber:

  • Portugal wurde von Nuno Romao normal weitergeführt.
  • Paul Holer wurde in Lachen mein Nachfolger, war sofort überfordert, kündigte nach einigen Monaten und machte sich als Schuhvertreter selbständig.
  • Ein danach von André Kurz eingesetztes Triumphirat Reichmuth-Ziegler-Küng war auch nicht erfolgreich.
  • André Kurz wollte mich unbedingt wieder zurückholen. Ich sah aber damals als Direktor bei BALLY keinen Anlass, meine Stelle für viel Unsicherheit aufzugeben. Auch dachte ich fest, mich wirft man nur einmal hinaus!
  • Auch die Lösung mit der zwei-jährigen Führung durch seinem Neffen Christoph Zuber scheiterte  kläglich! Die kleine Firma wurde den Ambitionen seines Neffen nicht gerecht, denn er war der Ansicht, die GROWELA jeweils am Wochenende "unter dem Bein hindurch" führen zu können. Er nahm eine Stelle als CEO bei der Papierfabrik Attisholz an. Nach weiteren zwei Jahren liess er die Firma GROWELA in der Schweiz Konkurs gehen, womit das Lebenswerk seines Onkels aufhörte zu existieren.

Rückblickend war André Kurz m.E. ein guter Motivator; er war aber zu wenig Unternehmer, denn er war oft wankelmütig, zaudernd und glaubte zu oft den falschen Leuten!

Schön war es, später dann zu erfahren:

  • dass „meine“ erste portugiesische Korksohlenfabrik in Lousada später der GROWELA Portuguesa vom Staat als derzeitigem Besitzer wieder geschenkt worden war, damit sie nicht geschlossen werden musste und die Leute ihre Beschäftigung behalten konnten,
  • dass „meine“ zweite portugiesische Fabrik später tatsächlich nach meinen ursprüngli-chen Ausbauplänen flächenmässig verdoppelt worden war und dass sogar auch noch die dritte Ausbauphase nach meinen Plänen erfolgte.

Traurig war es, noch später dann zu erfahren,

  • dass GROWELA Portuguesa unter Nuno Româo später ebenfalls Konkurs gegangen war. Der Name GROWELA existiert damit nicht mehr.

Übrigens, als ich 1986 zum Direktionspräsidenten von BALLY Arola AG ernannt wor­den war, sagte mir André Kurz einmal, dass BALLY AROLA AG mit Abstand der grösste GROWELA-Kunde sei. Ich hätte mich jetzt ja etwas rächen können, aber …

Eigenartig: Trotz meinem Rauswurf blieb die gegenseitige Zuneigung mit André Kurz erhalten. Als er schon recht bald nach meinem Ausscheiden wieder den Kontakt mit uns suchte, waren Fischli und ich am Anfang sehr zurückhaltend; zu sehr hatte er uns verletzt. Später wurde die Freundschaft aber wieder intakt wie eh und je. Myrtha und André gehörten ab ca. 1982 zu unseren besten Freunden. Meine Freunde (vor allem Jack Brunnschweiler) konnten Fischli und mich diesbezüglich nie begreifen, nach all dem, was passiert war. Unserer Ansicht nach waren es aber die 12 traumhaft guten Jahre eindeutig wert, die zwei weniger schönen zu vergessen: Er hatte uns neben anderm kulturelle Welten eröffnet, die Fischli und ich im Elternhaus nicht mitbekommen hatten.
War diese Freundschaft zwischen André Kurz und mir allenfalls tatsächlich so etwas wie eine Symbiose, wie sich einmal in einem Gespräch Hans Ruedi Bachmann, Marketingchef von BALLY ausdrückte?

André verbrachte seine letzten Jahre in der Sonnmatt in Wetzikon, einer Station für Demenzkranke. Wir besuchten ihn dort noch hie und da. Es war aber sehr traurig mitansehen zu müssen, wie ein so belesener, hochintelligenter Mann langsam erlosch!

Als Fischli und ich im Jahr 2010 auf unserer grossen Südsee-Kreuzfahrt waren, sandte mir Jack Brunnschweiler per E-Mail die Todesanzeige von André Kurz. Ich verfasste daraufhin folgende Briefe, welche ich per E-Mail Lexi sandte, mit der Bitte, sie auszudrucken und an Myrtha Kurz zu senden:
 
Erster Brief:

Auf hoher See, 7. Oktober 2010 Kurz André, Trauer
 
Liebe Myrtha,
mein Freund Jack Brunnschweiler hat mir heute André’s Todesanzeige aus der NZZ kopiert und per E-Mail aufs Schiff gesandt. Fischli und ich befinden uns seit dem 21. September auf einer Kreuzfahrt von San Francisco über Hawaii, französisch Polynesien (Tahiti etc.), Samoa, den Fidschi-Inseln nach Neu Seeland und Australien. Fischli und ich hätten auch gerne von André Abschied genommen, zählten wir uns doch auch ein bisschen zum Freundeskreis. Ich versuchte Dich vom Schiff aus telefonisch zu erreichen, was aber nicht gelang. Deshalb maile ich diesen Brief Lexi, welche das Mail ausdruckt und Dir sendet.
Gestatte mir auch, dass wir uns aus der Ferne schriftlich von André verabschieden. Ich bin eben lange an der Railing gestanden und habe ins unendlich weite, nächtliche Meer hinaus geschaut und über mein Verhältnis zu André nachgedacht. In Gedanken habe ich dabei den beiliegenden, persönlichen Abschiedsbrief an André entworfen, den ich nun via Lexi Dir sende.
Wir möchten Dir und der Familie herzlich kondolieren und unser tiefstes Beileid aussprechen. Dass wir André in bester Erinnerung behalten werden, muss ich nicht besonders erwähnen, war er doch eine Person, welche unser Leben wesentlich beeinflusste, und der wir sehr viel verdanken.
Liebe Myrtha, wir wünschen Dir viel Mut und Kraft in diesen schweren Tagen. Wir werden uns nach unserer Rückkehr anfangs November bei Dir melden.
Sehr herzlich,
sig. Fischli und Hans Ruedi
 

Zweiter Brief:

Auf hoher See, 10. November 2017 Kurz André Trauer

Lieber André,
wir haben vorgestern von Bora Bora aus Myrtha eine Ansichtskarte dieser exotischen Südseelandschaft gesandt und sie gebeten, Dich grüssen zu lassen. Als wir damals an Euch dachten, warst Du also bereits nicht mehr da. Mein Freund Brunn­schweiler sandte uns heute per E-Mail Deine Todesanzeige, was uns sehr traurig machte. Für Dich, vor allem für Myrtha ist es aber auch eine Erlösung, denn am Schluss war wohl Dein Körper noch da, aber Dein Geist war bereits in einer anderen Welt.
Lieber André, wir möchten Dir nochmals von ganzem Herzen danken für all das, was Du uns während meiner Zeit bei der GROWELA auf unseren Lebensweg mitgegeben hast. Beruflich hast Du mich lange fast wie einen eigenen Sohn gefordert und gefördert, Du hast mir übergrosses Vertrauen geschenkt, welches ich durch übergrossen Einsatz und permanente Weiterbildung zu rechtfertigen suchte. Privat hast Du uns kulturell eine Welt erschlossen, welche Fischli und ich im Elternhaus nicht mitbekommen haben, wobei ich denke, dass es Dir auch etwas Freude bereitete, dass wir Deinen Rat und Deine Empfehlungen so gierig aufgenommen haben.
Du warst allerdings auch für die bitterste Zeit in unserem Leben verantwortlich, als Du mich aus der GROWELA hinausgeworfen hast. Du hattest mich jahrelang gelernt, unternehmerisch zu denken, und plötzlich war ich dank Dir mit der übernommenen Verantwortung vor allem in Portugal gewachsen und flügge geworden und vertrat eine sehr klare, eigene Meinung. Du wolltest damals nicht auf mich hören, die Herren Neukomm, Holer und Barth waren da einfacher zu führen und weniger hartnäckig! Ich weiss, Du hattest damals auch noch arge Finanzsorgen nach dem Ausstieg der wieder verheirateten Yvonne Weill aus der Firma, und da kam dieser Polysüchel, und wollte die Firmen in der Schweiz, in Italien Deutschland und Portugal viel besser koordinieren und straffer führen, um von Synergien zu profitieren. Das hätte für Dich sicher Schwierigkeiten mit den anderen Herren bedeutet. Dieses Problem hast Du kurzfristig sehr einfach gelöst, indem Du mich als Unruheherd entferntest. Langfristig war es leider keine gute Lösung, wie Du es bitter erfahren musstest. Ich habe Dir damals unter Tränen beim Abschied gesagt, dass ich sicher wäre, von allen Deinen Mitarbeitern Dein bester Freund gewesen zu sein.
Ich denke, Du hast relativ bald eingesehen, dass mein Rauswurf eine sehr kurzfristige Problemlösung gewesen war und wieder den Kontakt mit uns gesucht. Wir haben uns glücklicherweise nach einiger Zeit auch wieder gefunden. Daraus entsprang eine wunderbare und tiefe Freundschaft, die bis heute Bestand hatte. Wir haben dann nie mehr über früher gesprochen, und das war gut so! Ich denke, dass es Dir auch Freude bereitete, dass Bally Arola unter meiner Führung in den späten 80er Jahren der grösste Kunde von GROWELA wurde - Ich hätte mich ja auch ein bisschen „rächen“ können… Bekannte von uns konnten nie begreifen, dass, nach all dem was passiert war, wir wieder so engen Kontakt hatten. Ich denke aber, dass das Positive in unserer Beziehung das Negative bei Weitem überwog.
Lieber André, Du hast Deinen Abgang in Raten vollzogen, denn, wie ich einleitend sagte, am Schluss war wohl Dein Körper noch da, aber Dein Geist war bereits in einer anderen Welt. Jetzt ist es einfach endgültig, und es bleibt uns nicht einmal mehr Dein überraschtes Lächeln, wenn wir jeweils kamen.
Du wirst uns fehlen, denn Du warst eine wichtige Person in unserem Leben. Vielleicht auf Wiedersehen im Jenseits, wenn es denn eines gibt?
Adjeu,
 
sehr herzlich,
sig. Fischli und Hans Ruedi

Beruf 3: Erlebnisse in Portugal 1968-1977
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11.  Beruf 3: Erlebnisse in Portugal 1968-1977
  1. Auszug aus einem Bericht über meine berufliche Tätigkeit bei der GROWELA Schuh AG, 8853 Lachen, den ich als Reiseleiter meiner Gruppe des Kulturkreis Zollikon als Einstimmung auf eine Portugalreise abgab!

Einleitung
.... Infolge des nach 1965 in der schweizerischen Schuhindustrie sich abzeichnenden Arbeitskräftemangels hatte mein Arbeitgeber GROWELA Schuh AG (damals ein aufstrebendes, internationales Schuhunternehmen mit Fabrikations- und Handelstätigkeit) als Fabrikationsstrategie beschlossen, sich langfristig in der Schweiz auf Création, Modellentwurf und Modellherstellung, sowie auf die Fertigmontage von Schuhoberteilen zu beschränken. Die Fertigschäfte sollten einerseits weiterhin aus der Tschechoslowakei kommen, andrerseits aber in einer eigenen Fabrik in einem europäischen Schwellenland hergestellt werden. Aufgrund einer im Frühjahr 1968 von uns durchgeführten Studie hatte Portugal als Schwellenland von allen europäischen Ländern die grössten Chancen für den erfolgreichen Betrieb einer Schuhfabrik.
Zur genaueren Abklärung der Verhältnisse in Portugal schickte mich im Sommer 1968 der Besitzer der GROWELA, Dr. André Kurz, zusammen mit meiner Frau auf eine kombinierte Ferien- und Geschäftsreise nach Nordportugal. Ich bekam einige Kontaktadressen von Leuten der dortigen Schuhindustrie mit auf den Weg, und wir sollten dann in Porto gegen Ende der Reise auch mit ihm zusammentreffen.

Erste Reiseerlebnisse
Meine Frau und ich reisten damals mit unserem himmelblauen VW-Käfer mit „ciel ouvert“ am ersten Tag auf der Route über Genf - Lyon – Clermont-Ferrand durch das Massif Central nach Brive. Am zweiten Tag fuhren wir über Bordeaux - San Sebastian - Burgos nach Valladolid, dann aber nicht auf dem „normalen“ Weg über Salamanca – Ciudad Rodrigo – Viseu nach Porto, sondern auf Nebenstrassen von Valladolid nach Nordwesten über Zamora bis nach Bragança, und dann am dritten Tag durch das nordportugiesische Bergland Tras os Montes über Vila Real nach Oporto. Kurz vor Bragança überquerten wir die portugiesische Grenze, und ich muss unbedingt den allerersten Eindruck auf portugiesischem Boden schildern, als wir auf einer zwar guten, aber kaum befahrenen Strasse, mutterseelenallein unterwegs waren, denn dieser erste Eindruck war für unser damaliges Verständnis von Portugal absolut richtungsweisend.
Es war nachmittags gegen 4 Uhr und so gegen 40 Grad heiss. Wiesen und Felder waren von der Sonne braun gebrannt. Nach der Grenzkontrolle erlebten wir auf der menschenleeren Strasse ein unvergessliches Bild: In der brütenden Nachmittagshitze kam uns ein ganz in schwarz gekleideter, älterer Mann entgegen, rittlings auf einem Esel sitzend und den Schlaf des Gerechten schlafend. Wir glaubten, das Schnarchen hören zu müssen. Hinter dem Esel schritt in aufrechter, unerhört stolzer Haltung eine ebenfalls vollkommen in schwarz gekleidete, ältere Frau einher, einen riesigen, vollen Sack auf dem Kopf balancierend, und führte den Esel mit dem schlafenden Mann nach Hause... .
 Wir nahmen damals an, dass es Kartoffeln sein mussten. Wieder Zuhause in der Schweiz drohte ich später öfters sehr patriarchalisch meinen drei Frauen, im Landi ebenfalls einen grossen Sack Kartoffeln für meine Frau, und zwei kleine Säcke für unsere Mädchen zu kaufen, die sie nach Hause tragen müssten, während ich per Auto hinterher fahren würde!

Noch mehr unvergessliche, erste Eindrücke nahmen wir von dieser allerersten Reise in Portugal mit:

  • In Bragança, wo wir nach diesem Hitzetag übernachteten, wollten wir abends nach dem Essen an einem Tisch auf der Strasse noch etwas trinken. Hier wurde uns an der von der Sonne immer noch ganz warmen Hauswand zum ersten Mal ein kühler „Vino verde“ serviert, diese leicht prickelnde portugiesische Weisswein-Speziali­tät, die es sonst meines Wissens nirgends auf der ganzen Welt gibt.
  • Auf der Strecke von Bragança über Vila Real nach Porto kreuzt die Strasse unzählige Male eine Bahnlinie. Darauf fuhren Dampfzüge, die bei uns damals sofort ins Museum gewandert oder unter Schutz gestellt worden wären! An vielen Bahnübergängen sahen wir immer wieder das gleiche Prozedere: Bevor ein Zug kam, trat aus einem Bahnwärterhäuschen ein nicht uniformierter Bähnler oder eine Bähnlerin, wahrscheinlich seine Frau, auf die Strasse, mit einer roten Fahne und einer umgehängten, seltsamen grünen Botanisier-Büchse und hielt den wenigen Verkehr an. Bei der Zugsdurchfahrt schwenkte sie oder er wie zur Begrüssung die Fahne, um dann nachher, ebenfalls per Fahne, die Strasse wieder freizugeben und im Bahnwärter-Kabäuschen zu verschwinden! Wir wollten eigentlich immer wissen, was sich in der umgehängten Dose befand, haben es aber nie herausgefunden.
  • Auf der Fahrt von Vila Real nach Porto, das, wie wir ja wussten, an der Douro­mündung am Meer liegt, dachten wir immer, dass wir nach dem nächsten Hügelzug oder der nächsten Bergkette sicher das Meer sehen müssten. Wenn wir dann aber endlich auf dem Kulminationspunkt ankamen, sahen wir nur eine Hochebene und/oder eine nächste Bergkette, und dann noch eine, und noch eine... , nur nie das Meer. Einen ganzen Tag lang ging das so weiter, auf relativ schmalen Passstrassen, die sich durch eine ausserordentlich gebirgige und waldreiche Landschaft schlängelten. Erst gegen abend waren wir dann plötzlich ohne optische Vorankündigung sehr unerwartet in Porto und am Atlantik.
  • Am Abend des 1. August, den wir in einem Hotel direkt am Meer in Ofir bei Esposende verbrachten, hatten im Speisesaal zwei Tische weiter von uns der damalige Bundesrat Schaffner und seine Frau für das Nachtessen Platz genommen. Beim Hinausgehen stellten wir uns kurz vor und wünschten ihm einen schönen Abend, so ganz ohne Bundesfeierrede! Wir trafen Schaffners am anderen Morgen nochmals bei der Abreise, wobei er uns gute Ratschläge für die Routenwahl der Heimreise gab, da er scheinbar schon mehrmals per Auto nach Portugal in die Ferien gereist war.

Unsere erste Firma in Portugal, 1968 - 1972
Nach dieser ersten Portugalreise von 1968 war GROWELA Schuh AG dann tatsächlich ein Joint Venture mit der Firma José Rodrigues eingegangen, einer Zulieferfirma für die Schuhindustrie, mit Schuhmaschinen und Rohmaterialien im Angebot. Die Firma hatte ihren Sitz in Vila Nova da Gaia, der Nachbarstadt von Porto am anderen Ufer des Douro, mit eleganten, hohen, teilweise zweistöckigen Brücken mit Porto verbunden. Eigentlich wollten wir ursprünglich in diesem Joint Venture gemeinsam eine Damenschuhfabrik für den Export aufbauen, benutzten dann aber die Gunst der Stunde mit der aktuellen Schuhmode, indem wir unsere Zusammenarbeit mit einer Fabrik zur Herstellung von Korksohlen begannen. Damit konnten wir für den Start des Unternehmens jedes modische Risiko vermeiden, da dieses durch die Schuhfabriken getragen wurde, welche jeweils bei uns die Korksohlen bestellten. In diesem jungen Unternehmen sollte ich seitens des schweizerischen Partners für die Technik und die Fabrikation verantwortlich sein, während unser portugiesischer Partner sich um Verkauf, Einkauf und Administration kümmern wollte.
Meine in bisher acht Jahren in der Schuhindustrie gewonnene, industrielle Erfahrung erlitt in Portugal allerdings einen gewaltigen Schock: Das Land war in den 60er Jahren wirklich noch ein richtiges Schwellenland und wurde oft als das Armenhaus Europas bezeichnet. Ich konnte dies nun plötzlich von ganz nah miterleben und musste feststellen, warum man dies sagte: Wenn wir damals in der Schweiz so wie hier bei unserem Partner gearbeitet hätten, wären wir sofort Konkurs gegangen. Dass dies hier nicht der Fall war, hatte damit zu tun, dass die Löhne in Portugal im Vergleich zu uns viel niedriger waren: Ein Arbeiter verdiente damals in Portugal pro Tag etwa so viel wie bei uns ein Arbeiter pro Stunde, also ca. 8 Mal weniger. Dafür war natürlich alles auch viel billiger. Eines habe ich damals eindrücklich gelernt: Wenn man von Schwellenländern spricht, darf man nie nur vom Stundenlohn sprechen (wie dies die Medien bei uns vielfach tun), sondern man muss diesen Lohn immer ins Verhältnis zu beispielsweise einem Kilo Brot einem Liter Milch, oder zur Miete einer kleinen Wohnung setzen. Dann ist nämlich meistens das Verhältnis wieder sehr ähnlich wie bei uns. Der grosse Unterschied lag damals aber in der Produktivität, und die war im Vergleich zu uns wirklich sehr, sehr tief. Besonders erfolgreich konnte man damals erst sein, wenn es gelang, bei den tiefen, lokalen Löhnen mit unseren weit fortschrittlicheren Arbeitsmethoden und mit neuen Technologien zu arbeiten. Das war es, was mir vorschwebte, und was wir das dann auch mit allen Mitteln anstrebten.

Portugal war (und ist es immer noch) der Hauptproduzent von Kork auf der Welt. Niemand von uns allen hatte aber damals schon in der Korkindustrie gearbeitet, ganz zu schweigen in einer Korksohlenfabrik. Wir mussten uns daher mühsam das Know How dazu erwerben. Fabrikbesuche und Reisen nach Italien, zum Teil getarnt als Sohleneinkäufer, brachten uns darin etwas weiter. Irgendwann begannen wir aber einfach einmal mit ersten Versuchen, Korksohlen herzustellen, und zwar in den Räumlichkeiten unseres Joint Venture Partners und Hauptlieferanten José Rodrigues in Vila Nova da Gaia. Das Gebäude, in welchem wir arbeiteten, war ein ehemaliges Portwein-Lagerhaus, wo früher der Portwein hergestellt, gelagert und abgefüllt worden war. Es roch immer noch nach Portwein, und es existierten auch immer noch viele, gemauerte Wein-Tanks, die innen mit Keramikplatten ausgelegt waren. In einigen solcher Tanks hatten wir Öffnungen für Türen gebrochen und daraus fensterlose Büros und Werkstätten für uns gemacht.

Im Herbst dieses gleichen Jahres 1968 interessierte sich zufälligerweise Werner Martin junior von der damaligen, gleichnamigen Schuhfabrik in Grabs im Rheintal für eine Anstellung bei GROWELA in Lachen, da er sich mit seinem Cousin, der mit 51% die Aktienmehrheit der Martin AG besass, überworfen hatte. Dies ergab für GROWELA die Möglichkeit, dass der Schuhfachmann Werner Martin bereits nach kurzer Einarbeitungszeit in Lachen meinen Posten als Betriebsleiter übernehmen konnte, und ich mich in Portugal vollumfänglich um den Startup der GROWELA Portuguesa, wie das neue Kind heissen sollte, kümmern konnte. Ich war mit meinem Chef André Kurz einig geworden, dass meine Frau und ich mit den Kindern für mindestens ein Jahr nach Portugal umziehen wollten, wo ich den neuen Betrieb aufbauen und leiten sollte. Als ich meine Frau davon überzeugt hatte, dass dies für uns jetzt wahrscheinlich die letzte Gelegenheit wäre, endlich ins Ausland zu ziehen, was wir ja eigentlich schon immer gewollt hatten, bekam sie in Anbetracht der Trennung vom eigenen Haus, von der Familie und den Freunden zwar ein kleines Tränli; trotzdem war sie einverstanden.

Ich fuhr ab sofort jeweils per Auto in zwei oder drei Tagen nach Porto und nahm jedesmal Umzugsgut mit. Zwei oder drei Tage dauerte die Reise deshalb, weil es damals ausser von Lausanne nach Genf und im Rhonetal noch keine weiteren Autobahnen gab! In Porto hatte ich inzwischen für die Familie eine Wohnung gemietet und die Kinder an der deutschen Schule angemeldet. Unser Haus in Hombrechtikon, wo wir damals wohnten, hatten wir an der Uni und an der ETH zur Vermietung an Gastprofessoren ausgeschrieben, und meine Frau zeigte es mehreren potenziellen Mietern, die sich glücklicherweise, wie sich später herausstellte, nicht sofort entschliessen konnten.

Weil man Werner Martin nach halbjähriger Abwesenheit die Rückkehr in den Familienbetrieb mit der Aktienmehrheit belohnte, entschloss sich dieser, wieder in den elterlichen Betrieb zurückzukehren. Ich weilte gerade in Portugal, und erinnere mich nur zu gut an den Telefonanruf von André Kurz, wie er mich über den Weggang von Werner Martin orientierte, und mir aber auch mitteilte, dass er mich damit für die Führung des Mutterhauses in der Schweiz bräuchte. Das zu hören war zwar sehr schön, aber unser geplanter Portugalaufenthalt musste deshalb wieder sehr abrupt abgeblasen werden. Bei meiner Frau löste dieser neue Entscheid wieder ein Tränli aus, so sehr hatten wir uns bereits mit dem Auslandaufenthalt auseinander gesetzt, ja wir hatten in Gedanken praktisch bereits in Portugal gelebt.

In der Folge pendelte ich dann während über 8 Jahren zwischen Portugal und der Schweiz hin und her, mit ungefähr 40% meiner Arbeitszeit in Portugal und 60% in der Schweiz. Rückblickend weiss ich nicht, was mich mehr begeisterte, die Aufgabe als Vorsitzender der Geschäftsleitung in der Schweiz, oder die Herausforderung in Portugal. Die Arbeit in der Schweiz war Feinarbeit in einer gut funktionierenden Organisation. Ich verglich es mit Jäten in einem gepflegten Garten. Die Arbeit in Portugal jedoch war etwas, das von Null auf neu geschaffen werden musste, ähnlich wie Wald roden oder mit dem grossen Pflug das Land bearbeiten. Hier konnte ich viel mehr bewegen! Auf alle Fälle machte die Arbeit hier wie dort Spass und ich konnte mich voll mit meinen Aufgaben identifizieren, umso mehr, als mir meine Frau den Rücken frei schaufelte, so dass ich 120% leisten konnte. Es gab übrigens damals noch keine Direktflüge von Zürich nach Porto. Immer musste man müh­sam über Lissabon oder Paris reisen und verlor viel Zeit. Deshalb benutzte ich oft für die Reisen Freitag oder Samstag, um einerseits solange wie möglich im einen Betrieb bleiben zu können und andrerseits, um für den Arbeitsbeginn am anderen Ort am Montagmorgen bereits voll informiert und aufdatiert zu sein. Verwandte und Freunde konnten diesen Einsatz nur schwer verstehen. Mein Freund Jack Brunnschweiler meinte einmal dazu, dass meine Frau als allein erziehende Mutter einen wunderbaren Job mache!

Ich hatte aber neben der erst langsam in den Griff zu bekommenden Technik noch ein weiteres Problem: So sehr ich die Freundlichkeit und die handwerkliche Geschicklichkeit der Portugiesen schätzen lernte, so litt ich anfänglich unter der weit verbreiteten, portugiesischen Mentalität einer gewissen Unzuverlässigkeit. Dies tönt jetzt sehr hart, aber es war für mich damals etwas ganz Neues! Etwas, das man mit jemandem vereinbart hatte, war doch auch zu halten. Diese Unzuverlässigkeit und Unpünktlichkeit brachte mich immer wieder in Rage und ich konnte mich einfach nicht daran gewöhnen. Ich meine, es geschah in den wenigsten Fällen aus bösem Willen, aber man wollte zuvorkommend und freundlich sein, und so wurde meistens viel zu viel versprochen. Oft waren die angegebenen Termine oder das Versprochene gar nicht möglich. Und um seine Wichtigkeit herauszustreichen, kam damals ein Portugiese fast grundsätzlich zu spät zu Sitzungen und Besprechungen, aber leider ohne weiteres auch an private Verabredungen.

Das war der Grund, dass ich mich gezwungen sah, für gewisse Kaderstellen lokalen Mitarbeitern schweizerische Fachleute vorzuziehen, obwohl mir bewusst war, dadurch die Unzuverlässigkeit einfach eine Hierarchiestufe weiter nach unten delegiert zu haben, denn auszumerzen war sie nur sehr langsam und mit einem unverhältnismässig grossen Erziehungsaufwand. So hatte ich aus der Schweiz ein junges Ehepaar Jürg und Vreny Neukomm für die Administration zur Verfügung, beides kaufmännische Angestellte, die aber weder von Führung noch von Schuhen etwas verstanden. Mit der Modellabteilung basierten wir am Anfang auf unserem portugiesischen Partner. Da diese Unterstützung durch die Firma Rodrigues für mich absolut ungenügend und auch qualitativ fraglich war, engagierte ich für die Technik einen jungen Schuhmodelleur, Ernst Fässler, der früher in Lachen gearbeitet hatte.

Zusammen mit einem schweizerischen Textilunternehmer kauften wir für einen Fabrikneubau „Bauland“ im Dorf Lousada in der Nähe von Penafiel, eine gute Autostunde im Landesinneren östlich von Porto, und ich freute mich riesig auf die Planung und die Realisierung dieser neuen Fabrik, denn darin hatte ich ja Erfahrung. Mit José Bragança hatte unser portugiesischer Partner einen tüchtigen, lokalen Architekten und Freund zur Hand, mit welchem ich bei der Planung sehr gut zusammenarbeitete. Er war von meiner Erfahrung in der Planung von Industriebauten begeistert und hörte auf mich, ausser in ästhetischen Fragen, wo er eine eigene, etwas spezielle Auffassung vertrat. Ich sagte oben „Bauland“. Es handelte sich aber beim Grund­stück um einen Mischwald aus Eukalyptus und Pinien, im Unterholz mit viel Buschwerk. Ich rieche immer noch den wunderbaren Duft dieser Bäume und Sträucher in der Mittagshitze des Tages.

Im Dorf Lousada konnten wir bis zur Bauvollendung in einem ehemaligen Spital Räume mieten, welche wir behelfsmässig zu Büros und Arbeitsstätten herrichteten, vor allem für die Einarbeitung von Personal. Im Keller mussten wir den Boden absenken, um auch dort Arbeitsplätze einzurichten. Mit dem Einbau einer Staubabsaugung an den Fräsmaschinen, um den alles durchdringenden Korkstaub in den Griff zu bekommen, und einer Absaugung der gesundheitsschädigenden Klebstoffdämpfe an gewissen Arbeitsplätzen, hatten wir dieses Provisorium fast in eine richtige Fabrik umgewandelt. Der Umzug des noch kleinen Betriebes von Vila Nova da Gaia nach Lousada brachte für mich auch die notwendige Distanz zu unserem portugiesischen Partner. Noch mehr aber brachte es mir zum Bewusstsein, dass wir uns erstens in einem Schwellenland und zweitens jetzt wirklich sehr weit weg von der gewohnten Zivilisation befanden: Wenn man geschäftlich oder privat etwas aus der Stadt brauchte, musste man mindestens einen halben Tag einsetzen, bis man wieder zurück am Arbeitsplatz oder in der Wohnung in Lousada war.

In einer landschaftlich wunderbaren, absolut archaischen Umgebung, mit Einwohnern, die praktisch alle Selbstversorger waren, weit ab von Stadt, Zivilisation und Kultur, begannen wir also mit jungen, schulentlassenen Mädchen ab 14 Jahren zu arbeiten, die bisher nur zur Schule gegangen waren oder nur Feld- und Hausarbeit geleistet hatten. Sie waren bei ihrer Arbeit in der Fabrik unwahrscheinlich glücklich, ja schein­bar so glücklich, dass sie gemeinsam oft stundenlang zur Arbeit Lieder sangen. Ich stellte mir immer vor, was für triste Gesichter die Leute in der Schweizer Fabrik bei der Arbeit als notwendigem Übel jeweils schnitten. Schwerere Sachen trugen die Mädchen auf dem Kopf, immer mit jener aufrechten und stolzen Haltung, die uns schon am ersten Tag in Portugal bei der Frau mit dem schlafenden Mann auf dem Esel und dem Kartoffelsack auf dem Kopf aufgefallen war. Die grösste Strafe für ein Fehlverhalten eines Mädchens war damals, wenn man sie für einen Tag von der Arbeit ausschloss und nach Hause schickte, wo sie ein grosses Donnerwetter erwartete. Eltern und Betriebsleitung halfen sich so gegenseitig bei der Erziehung der Mädchen. Auch hatten wir dem Personal zur Arbeit Ärmelschützen abgegeben. Die jungen Frauen fragten uns, ob sie Ende Woche die Schürzen zum Waschen mit nach Hause nehmen dürften, was wir selbstverständlich bejahten, da sie uns damit auch einen Kostenpunkt abnahmen. Wir hörten dann aber, dass viele der Mädchen am Sonntag mit der frisch gewaschenen und gebügelten Schürze zur Kirche gingen, weil das scheinbar das beste Stück ihrer Garderobe war!

Die Gegensätze in Lousada konnten wirklich nicht grösser sein:
Hier unsere jungen Frauen: Sie wohnten normalerweise mit ihrer Familie in kleinen, alleinstehenden Häuschen, die meistens nur aus einem einzigen Raum mit einer Küchenecke bestanden, ohne Wasser und Strom, aber mit einem grossen Garten und ein paar Reben für den eigenen Wein. Diese Häuschen lagen alle verstreut in Wiesen, Wäldern und Hügelzügen der Gegend, weit ab vom nächsten Dorf mit Schule und Kirche.
Dort, auf dem Dorfplatz, die neue, moderne Bar mit Whisky, Cognac, und Billardtisch und dem wohl einzigen Fernsehapparat in der weiteren Gegend, der den ganzen Tag lang lief und eine Menschentraube vor der Tür generierte. Da liefen die gleichen Werbespots wie bei uns in der Schweiz, einfach auf Portugiesisch übersetzt, für Schönheitsprodukte, Nescafé, Rasierapparate, Autos etc., alles Sachen, die sich die hiesige Landbevölkerung absolut nicht leisten konnte.

Noch ein Wort zu den kleinen Häuschen, die weit über die Landschaft verstreut lagen: Ich schlug einmal fälschlicherweise Feueralarm, weil ich an einem Wintermorgen, sehr früh von Porto zurück nach Lousada fahrend, aus zwei Dächern solcher Häuschen Rauch austreten sah. Die meisten dieser Häuschen hatten gar keinen Kamin! Der Rauch vom Kochherd trat einfach durch die locker verlegten Dachziegel aus, und ich meinte es brenne. Ich bemerkte erst viel später, dass bei weniger Kälte der Rauch normalerweise auch durch die offen stehenden Fenster und die Türe austrat.

Wieviel Leute aber doch in diesen scheinbar wenigen Häuschen der Gegend gesamthaft wohnen, erlebte ich im Zusammenhang mit einem Autounfall, den ich an einem Sonntagabend ziemlich am Anfang der Zeit in Lousada hatte. Ich überstand diesen zwar mit einem kaputten Auto und einer ärgerlichen Polizeibusse, aber glücklicherweise verletzungsfrei. Ich musste in einer sehr einsamen Gegend in extremis einem unverhofft nach links abbiegenden Töfflifahrer mit Anhänger ausweichen, der wie sich später herausstellte betrunken war. Mein Auto mit Schweizer-Kontroll­schildern blieb danach demoliert auf einer halb zerfallenen Trockenmauer am Strassenrand in einem Wald mehr hängen als stehen! Aus den im Wald zerstreuten Häuschen hatte sich blitzartig eine grössere, aufgebrachte Menge zusammengefunden, die sich sehr feindselig gegen mich verhielt, einen scheinbar reichen, fremden Autobesitzer in dieser ärmlichen und einsamen Gegend, und dann auch noch ein Ausländer. Sie hatten auch sofort die Polizei aufgeboten, was mir allerdings recht war. Ich konnte damals noch praktisch kein Wort portugiesisch, und kein Mensch war da, der auch nur ein paar Worte Französisch, englisch oder deutsch sprach. Als die Polizei eintraf, musste ich zum Verhör auf die Polizeistation nach Paços de Ferreira, einem kleinen Nest, wobei auch die Polizisten nur portugiesisch sprachen. Glücklicherweise kam dann zufällig auf dem Weg zur Busstation ein einrückender Rekrut am Polizeiposten vorbei, der vor seinem Militärdienst im Kanton Fribourg in der Landwirtschaft gearbeitet hatte und gebrochen ein wenig französisch sprach. Er amtete als Dolmetscher! Bis das Auto dann abgeschleppt, ich schliesslich spät nach Mitternacht per Taxi in meiner Wohnung in Lousada ankam, und bis das Auto dann schlussendlich auch noch repariert war, wäre Stoff für eine eigene Geschichte.

In der „Fabrik“ arbeiteten wir mit Maschinen aus Italien, welche Rodrigues dann in seiner Werkstatt kopierte und teilweise auch in Serie nachbaute und in Portugal als Eigenmarke (!) verkaufte. Rodrigues hatte begonnen, mit von Hand gefertigten Mustersohlen grössere Mengen zu verkaufen, bevor wir in meinen Augen genügend Knowhow hatten. Damit setzte er uns sehr unter Druck, und ich erinnere mich an diese Periode als eine aussergewöhnlich hektische Zeit. Der Aufbau einer eigenen Modellabteilung, das Einrichten der behelfsmässigen Fabrik, das Anlernen von Personal, daneben die Planung und dann der Bau einer neuen Fabrik, alles gleichzeitig, und ohne permanent voll da zu sein, all dies war eine echte Herausforderung. Aber irgendwie schafften wir es.

In der Zwischenzeit hatten wir dann auch die Technik gut im Griff. Wir entwickelten neue Methoden, damit wir auch kleinere, billigere Korkbrettchen zur Verklebung der Blöcke brauchen konnten, und entwickelten auch die ehemals in Italien kopierten Fräsmaschinen weiter. Wir waren fähig, innert kürzester Zeit auch grössere Aufträge bis zu 10'000 Paar Sohlen zu fabrizieren. Wir nutzten die Zeit in der behelfsmässigen Fabrik im alten Spital gut und waren bei der Planung der neuen Fabrik schon sehr weit. Nach relativ kurzer Zeit erreichten wir mit der Fabrik immerhin Break Even. 
Noch drei Anekdoten zur Arbeit in unserer behelfsmässigen Fabrik im alten Spital:

  • Eines Abends kam der Modelleur sehr kleinlaut zu mir und meldete, dass bei den 10'000 Paar Sohlen, welche letzte Woche nach Südafrika verschifft worden waren, die falschen Stahlgelenke eingebaut worden seien; die richtigen hätte er jetzt am Lager gefunden, als er die Gelenke für einen anderen Auftrag richten wollte. Die Gelenke der beiden Aufträge seien leider verwechselt worden. Das bedeutete, dass die 10'000 Paar Sohlen unbrauchbar waren, was für unseren kleinen Betrieb im Aufbau eine wirkliche Katastrophe bedeutete. Ich wies den Modelleur an, festzustellen, wo sich die Sendung derzeit befand. Dann wollte ich am anderen Morgen entscheiden, was zu tun sei. Am anderen Morgen, kurz nachdem der Modelleur mir die Nachricht brachte, die Sendung sei auf hoher See, kam ein Telex der Speditionsfirma mit der Meldung, das Schiff mit unserer Sendung habe gebrannt und sei anschliessend gesunken. Die Ladung sei verloren, aber ja versichert. - Manchmal hat man auch Glück! Da wir die richtigen Stahlgelenke ja noch besassen, konnten wir dem Kunden in Südafrika telegrafisch anbieten, innert einiger Tage die Bestellung neu zu fabrizieren und zu verschiffen! Die nun das zweite Mal zu fabrizierenden 10'000 Paar Sohlen linderten auch noch das Problem mit einem damals gerade relativ kleinen Arbeitsvorrat!
  • Portugal ist ein südliches Land, das damals praktisch keine Heizungen kannte, obwohl es im Winter hier im Norden nachts meistens unter 0 Grad war, mit oft gefährlich vereisten Strassen. Für uns war es deshalb eine Selbstverständlichkeit, nicht nur unsere Wohnzimmer, sondern auch die Büros mit damals in Portugal gängigen Butagasöfen etwas aufzuheizen, was aber in der Fabrik bei unseren zwei portugiesischen Schreibkräften gar nicht auf Gegenliebe stiess. Sie sagten, sie würden die Heizung nicht aushalten und krank werden, was dann auch tatsächlich der Fall war. Sie hatten zuhause selbstverständlich keine Heizung und waren mit unseren geheizten Räumen sehr anfällig für Erkältungen. Wir einigten uns dann auf eine Temperatur von ca. 15 Grad, was ihnen noch knapp erträglich schien. Wir verwöhnten Schweizer arbeiteten dann einfach im Wintermantel und warmgefütterten Après-Ski-Schuhen, ja ich nahm meinen Lammfellmantel mit nach Portugal.
  • Wir konnten leider nur die eine Hälfte des Spitals mieten (in der anderen Hälfte hatte man ein Altersheim eingerichtet), und diese eine Hälfte selbstverständlich ohne die im Hochparterre liegende Spitalkappelle, denn eine solche hatte man im nahen Spitalneubau nicht erstellt. Unter dieser, immer noch benutzten Spitalkappelle hatten wir den Kellerboden ebenfalls abgesenkt, um dadurch die notwendige Raumhöhe für einen zusätzlichen Raum zur Teilefertigung zu erhalten. Irgendwann an einem Morgen nach Arbeitsbeginn kam der Vorarbeiter des Untergeschosses ganz aufgeregt ins Betriebsbüro und sprach von Blut, das durch die Decke tropfen würde, worauf wir ihn alle auslachten. Es war dann aber tatsächlich so! Während der letzten Nacht hatte es in der Nähe ein Zugsunglück mit mehreren Toten und Verletzten gegeben. Alle Toten waren während der Nacht in der Spitalkappelle aufgebahrt worden...

Inzwischen war mit dem Neubau begonnen worden. Soweit notwendig wurde der Wald gerodet, um Platz zu schaffen für die geplante, grosse Shedhalle mit einem an der Stirnseite angebauten Verwaltungstrakt, in dessen Keller Garderoben, Duschen und Toiletten untergebracht waren. Die Bautechnik hier war hochinteressant und entsprach absolut der archaischen Umgebung. Dazu nur ein einziges Beispiel: Es wurde auch bei einem grösseren Fabrikneubau absolut ohne Kran gearbeitet! Zum Betonieren einer Betonwand oder -säule wurden ganz einfach mehrere Leitern an der Schalung angestellt und junge, der Schule entlassene Buben trugen in geflochtenen Körben den auf dem Platz mit einer kleinen Mischmaschine vorbereiteten Beton auf diesen Leitern hoch und leerten ihn in die Schalung. Vibriert wurde dann allerdings wieder normal mit einer ganz modernen Maschine!

Mit zunehmender Routine und den neu entwickelten, materialsparenden Fabrikations-methoden hätten wir auch besser und knapper kalkulieren können, aber die rudimentäre Buchhaltung von Rodrigues lieferte uns die dazu notwendigen Daten nicht. Nun zahlte sich aber aus, dass ich mich während meinen Jahren als Betriebsleiter in Lachen in Buchhaltung und im Rechnungswesen weitergebildet hatte. Ich begann daher, in Lousada eine eigene Betriebsabrechnung einzurichten, denn nur so bekam ich die notwendigen Daten, um zu sehen, wo in der Fabrik Geld verdient und wo es wieder verloren wurde. So bekam ich die Fabrik langsam auch zahlenmässig in den Griff, musste dabei aber überraschenderweise erkennen, dass unser Partner Rodrigues als Hauptlieferant mit genauestens abgestimmten Verrechnungspreisen arbeitete, und diese scheinbar so ansetzte, dass das Betriebsergebnis der gemeinsamen Fabrik nicht negativ und der Schweizer Partner nicht allzu stark erschreckt wurde. Das war also der Grund, dass wir dauernd „nur“ Break Even erreichten. Für José Rodrigues musste die GROWELA Portuguesa geradezu ein Goldesel ge­wesen sein.

Ich hatte inzwischen auch einen alten Bekannten aus meinen ersten Portugaltagen, den Ingenieur Nuno Romão überreden können, in Lousada in der neuen Fabrik die Betriebsleitung zu übernehmen. Er war zwar gelernter Hochschulchemiker, damals aber Direktor der Ausbildungsstätte der portugiesischen Schuhindustrie. Er hatte nach seinem Eintritt recht bald auch schon Schwierigkeiten mit Rodrigues, denn zwei portugiesische Pfauen vertragen sich nebeneinander eher schlecht! (Meine Frau sprach von den beiden immer wieder von „Portuguese Peacocks“!)

Wie seinerzeit in der Schweiz beim Bezug des Fabrikneubaus führten wir einen „generalstabsmässig“ geplanten Umzug vom alten Spital in die neue Fabrik an zwei Wochenenden durch: Ohne die Fabrikation stillzulegen, wurde über ein erstes Wochenende die Hälfte der Fabrik gezügelt, und diese Hälfte arbeitete ab Montagmorgen bereits am neuen Ort. Die zweite Hälfte kam am nächsten Wochenende dran, so dass nach einer Woche wieder alle beisammen waren. Es war ein grosses Aufatmen: Endlich hatten wir genügend Platz, eine bessere Staubabsaugung und im Winter eine Zentralheizung und das ganze Jahr hindurch Warmwasser für die Duschen. Für Nuno Romão war der Umzug das eigentliche Gesellenstück, das er unter meiner Leitung durchzog.

André Kurz in Lachen war selbstverständlich nicht sehr begeistert, als ich ihm mitteilte, dass unser portugiesischer Partner sehr einseitig von unserer Zusammenarbeit profitierte, und dies, obwohl wir die Hauptlast für das gemeinsame Unternehmen trugen. Nach mehreren Gesprächen mit José Rodrigues stimmte er aber Ende 1971 zu, das Joint Venture aufzulösen. Es war seinerzeit nach der alten griechischen Regel abgeschlossen worden, dass derjenige, der das Ende der Zusammenarbeit will, ein Angebot machen muss, und der andere Partner dann wählen kann, ob er zu diesem angebotenen Preis kaufen oder verkaufen will. Ich hatte André Kurz davon überzeugen können, dass wir die Fabrik kaufen sollten, und so rechneten Romão und ich tagelang, welchen Preis sich Rodrigues leisten könnte und welchen nicht mehr. Ich meine noch heute, dass wir gut gerechnet hatten. Nur hatten wir leider nicht mit einbezogen, dass Rodrigues den traditionellen, angeborenen, portugiesischen Seefahrer­stolz besass! Zudem war er inzwischen noch Präsident der Portugiesischen Schuhindustriellen geworden, und konnte doch seinen Freunden und Landsleuten nicht erklären, er habe „seine“ Korksohlenfabrik verkauft, mit welcher er in Portugal doch so gerne den modernen Unternehmer spielte. Rodrigues entschied sich für den Kauf, zu einem Preis, der für ihn, wie sich später herausstellte, eindeutig zu hoch war. Er durfte zudem den Namen „GROWELA Portuguesa“ nicht mehr weiter führen. Romão und ich waren unglücklich. Wir hatten „unsere“ Fabrik verloren. Dieser Kauf durch unseren Partner war auch der eigentliche Beginn einer grossen menschlichen Tragödie um José Rodrigues, die dann leider kurz nach der Nelkenrevolution in der portugiesischen Schuh­landschaft mit dem Konkurs des kleinen Rodrigues-Imperiums endete.

Mit dem Erlös aus der Auflösung des Joint Ventures begannen wir, ohne einen portugiesischen Partner, eine zweite „GROWELA Portuguesa“.

Wir hatten bei einer Erstinvestition anfangs des Jahres 1969 von CHF 100'000 im Jahre 1972 plötzlich CHF 600‘000 in der Hand. André Kurz meinte, das wäre eine Super-Performance, mit CHF 100'000 in drei Jahren eine halbe Million Schweizerfranken zu verdienen. Er schlug vor, jetzt in Portugal aufzuhören und das Kapital in etwas anderes zu investieren. Da wehrte ich mich mit aller Vehemenz dagegen, denn ich hatte in Lousade oft sehr gelitten beim mühsamen Lernen, wie man in Portugal eine Fabrikation anfangen müsste und ich kannte nun Land, Leute und Mentalität einigermassen sowie bereits ein bisschen die Sprache. 
Was hatte ich zwischen Porto, Lousada und Granja nicht alles durchgemacht:

  • Einen Autounfall verletzungsfrei durch- und überstanden, weil ich ziemlich am Anfang meiner Zeit im Land einem betrunkenen Töfflifahrer mit Anhänger ausgewichen war. Mein Auto blieb nachts um 21 Uhr auf einer Mauer im Wald hängen, irgendwo im Niemandsland, mit einer aufgebrachte Menge Leute gegen mich, einen ausländischen, quasi reichen Autobesitzer, in dieser armen Gegend am Ende der Welt, der Sprache noch nicht mächtig! Verhör auf der Polizeistation mit beinahe Analphabeten, niemand spricht eine Fremdsprache!
  • Entbehrungen, die in Kauf genommen werden mussten, vor allem im Winter! Und Krankheiten und Strapazen in der mies eingerichteten, kleinen, unheizbaren Wohnung.
  • Im Büro und zuhause In Lammfellmantel und Lammfellstiefeln arbeiten müssen!
  • Und die vielen menschlichen Erfahrungen, positive wie negative, die ich machte, nicht nur jene mit den Herren Rodrigues und seinen Kaderleuten, sondern auch mit den jungen Neukomms, oder mit dem Modelleur Ernst Fässler und seiner Freundin und späteren Frau Irene, mit Herr und Frau Bragança, mit ... usw.

Ich hatte das Land aber auch lieben gelernt und kannte damals kein anders Land so gut wie Portugal (ausser dem äussersten Süden). Auch konnte ich mich inzwischen auf Portugiesisch bereits durchschlagen. Ich hatte zwar viel Lehrgeld mit „Führung auf Distanz“ zahlen müssen, aber jetzt fühlte ich mich auch in dieser Beziehung viel sicherer. Ich kannte auch schon Leute, die in einer zukünftigen GROWELA Schuhfabrik mitarbeiten würden. Deshalb schlug ich André Kurz vor, neu zu beginnen, und zwar nicht mehr mit Korksohlen sondern jetzt mit einer richtigen Damenschuhfabrik!
 
André Kurz war bereit, mir das Vertrauen für eine neue Firma zu schenken. Ich durfte über die CHF 600'000 verfügen, die in Portugal lagen und die Muttergesellschaft wollte für eine weitere Million bürgen. Weiter notwendiges Kapital müsste ich aber selbst lokal beschaffen. Damit musste ich auskommen.
Mit einem "Allez-y"! schickte er mich los!

Was für eine umfassende Aufgabe und was für eine Chance für einen 40 jährigen, vor Unternehmergeist strotzenden jungen Ingenieur! Ich fühlte mich als Glückspilz! Und mit diesen Zusicherungen im Gepäck flog ich nach Portugal, und besuchte als erstes meinen Freund Nuno Româo. Ich war damals der Ansicht, dieses Wort „Freund“ gebrauchen zu dürfen. Ich legte ihm meine Pläne für eine Schuhfabrik vor, ich wollte diese aus Gründen bezüglich verfügbaren Kaderpersonals, vereinfachter Import / Export-Abwicklung sowie kürzeren Transportwegen in der Nähe von Porto haben, am liebsten in der Nähe  des Flughafens. Româo war zwar noch Chef der "Coca", wie die Korksohlenfabrik von José Rodrigues in Lousada jetzt neu hiess, war aber bereit, sobald wir genügend Geld verdienten, die Führung der neuen Fabrik zu übernehmen, aber nur unter der Bedingung, dass ich auf GROWELA-Seite weiterhin dafür verantwortlich war und er wieder mir unterstellt würde. Wir begannen seine Cousine Catoucha als zukünftige Leiterin Administration, und eine weitere Verwandte von ihm als zukünftige Nähereimeisterin in der Schweiz in der Fabrik in Lachen auszubilden. Beat Neukomm, ein ausgebildeter Modelleur, war vorgesehen, die Verantwortung für die Technik zu übernehmen. Er war der zweite Sohn des Verkaufsleiters Ernst Neukomm und Bruder von Jürg, derzeit als Modelleur bei Clarks in England tätig, Wir fanden in Maya ein Stück Land, das sich für eine Schuhfabrik eignete. In der Nähe davon mieteten wir eine grosse, leer stehende Garage, in welcher wir möglichst bald mit einer Schaft­produktion für die Fabrik in Lachen beginnen wollten. Rodrigues kam als Lieferant nicht mehr in Frage. Deshalb suchten wir als alternative Lieferanten Gerbereien, von welchen wir Leder ohne Zwischenhändler direkt kaufen konnten, was Rodrigues gar nicht schätzte. Wir begannen in einer zweiten Garage mit der Produktion von Clogs, für die neben der Näherei kein Maschinenpark notwendig war. Die ersten 500 Paar Clogs verkaufte ich der BALLY Arola AG, einem gewissen Damenschuh-Einkäufer Ewald Kaufmann, meinem späteren Einkaufsdirektor bei der Arola! Und als wir dann begannen, etwas Geld zu verdienen, kam Nuno Româo zu uns.

Für den Neubau hatte André Kurz Architekt Pierre Zoelly gewinnen können, welcher mit seiner Frau und ihm Portugal besuchte. Ich durfte ihnen während einigen Tagen den Norden Portugals zeigen. Er war von dem für die Fabrik vorgesehenen Land begeistert, vor allem vom Hügel mit dem Mimosenwäldchen. Wir planten die Fabrik weitgehend in der Schweiz, so dass dann der portugiesische Architekt Bragança nur noch die lokale Bauführung übernehmen musste. Der federführende Architekt im Büro Zoelly war Hans Gremli v/o Galan, ebenfalls ETH-Absolvent und St. Galler sowie zudem noch aus der gleichen Mittelschulverbindung wie ich. Die Planung schritt gut voran. Wieder hatte ich so geplant, dass unabhängig voneinander Bürogebäude und Fabrik individuell erweitert werden konnten. Die Fabrik war mit je drei gleich grossen Shed-Hallen modulweise geplant. Je nach Bedarf konnten die zwei anderen Module später angebaut werden, wobei Warenannahme und Spedition bei den Erweiterungen beibehalten werden, mindestens aber jederzeit sichergestellt sein sollten. Es war ein in jeder Hinsicht sehr moderner Fabrikbau, auch mit modernen sozialen Einrichtungen. Der Kauf des Landes, die Grundsteinlegung und der Baubeginn sowie dann der spätere Bezug der neuen Fabrik waren für mich grossartige, persönliche Erlebnisse. Ich behaupte immer noch, es wäre eine der schönsten Fabriken, die ich je gesehen habe.

Mitten in die Bauzeit der neuen Fabrik brach in Portugal gänzlich unerwartet die Revolution aus, später etwas verniedlichend „Nelkenrevolution“ genannt. Zu lange hatte sich auch nach dem Tod des Diktators Salazar eine weiterhin sehr konservative Regierung unter Marcelo Caetano an der Macht gehalten, ohne die im Land dringend not­wendigen sozialen Reformen anzupacken. Wir hatten in Granja ja das unflätige Beneh­men unseres Nachbarn und Besitzers der Banco Espirito et Santo seinem Personal gegenüber selbst erlebt! Die Unternehmen wurden immer noch absolut patriarchalisch geführt, niemand hatte zu denken, dafür war der Chef da. Ich hatte damit ja sogar mit Nuno Romào manchmal Mühe. Nun hatten also die Obersten und Hauptleute um Carvalho geputscht, wobei wir recht gut informiert waren, weil auch ein Schwager von Nuno Româo bei den aufständischen Obersten war. Nuno Romao wusste, dass sein Schwager Mitstreiter hatte, die schon dafür sorgen wollten, dass die neue Regierung nicht allzu weit links abdriftete. Aber jene der äussersten Linken waren scheinbar die Professionelleren und konnten sich mit Hilfe der Kommunisten dann durchsetzen. Das erste was sie machten war die Verstaatlichung der Banken,  die ab sofort den Firmen jeden Kredit gaben, den diese wollten. Damit gehörten die Unternehmen bald zu einem grossen Teil den Banken, d. h. dem Staat, und der sagte dann, wo es lang ging. So war dies auch bei José Rodrigues geschehen. Für uns ging es darum, einmal abzuschätzen, ob man die Zelte in Portugal abbrechen sollte, wie dies die meisten ausländischen Firmen taten. Wir arbeiteten derzeit in zwei Lokalitäten mit Maschinen aus Lachen und zugekauften Occasionsmaschinen und fabrizierten Schuhoberteile für Lachen sowie Holzclogs. Daneben hatten wir eine stattliche Fabrik im Bau, wo im Moment bereits das meiste vorhandene Kapital investiert war. Eine Bauruine war jetzt wirklich nicht gerade das, was man sich nach einer Revolution wünschte, und so entschieden wir uns, sowohl weiter zu produzieren, aber auch an der Bauvollendung festzuhalten. So kam es zur grotesken Situation, dass wir in dieser Gegend praktisch als einziges ausländisches Unternehmen an einem Neubau weiterarbeiteten und auch die kleine Produktion von Oberteilen für Lachen sowie von Clogs weiterführten. Die meisten andern ausländischen Firmen produzierten stark reduziert oder schlossen sogar ganz. Die einzige Auflage, die mir Lachen machte, und mit welcher ich mich auch voll identifizieren konnte, war, dass nach dem Ausbruch der Revolution kein Kapital, keine Materialien und keine Maschinen mehr nach Portugal geschickt wurden. Das gab zwar etwas Liquiditäts- und Finanzierungsprobleme, vor allem mit den Lieferanten und Handwerkern am Neubau, welche dann aber glücklicherweise alle mit der oben kritisierten Mentalität „à la portuguèse“ umschifft werden konnten, die ich in der Zwischenzeit für den Notfall auch anzuwenden gelernt hatte!

Der Umzug fand schlussendlich planmässig statt. Nun hatten wir also eine grosse Fabrik und arbeiteten vielleicht auf einem Fünftel der zur Verfügung stehenden Fläche. Dazu gab es neues Ungemach: Der Modelleur Beat Neukomm wollte wieder nach England zurückkehren, primär wegen seiner zukünftigen Frau, welche nicht gern in der doch noch etwas primitiven, portugiesischen Provinz leben wollte. Als Ersatz holte ich Herrn Eschmann, einen jungen, dynamischen deutschen Schuhmodelleur nach Portugal, welcher von Paul Holer eigentlich für die Bearbeitung des deutschen Marktes engagiert worden war. Sein Problem in der neuen Fabrik war, dass wir wohl eine recht gut ausgerüstete Zuschneidere und Näherei besassen, aber überhaupt keine Montageabteilung, da jene Maschinen zwar gekauft, aber noch nicht nach Portugal verschifft waren. Deshalb konnten wir nur Modelle (wie Clogs) herstellen, welche von Hand gezwickt und montiert werden konnten. Dies schränkte uns selbstverständ-lich auch im Verkauf und damit in der Beschaffung der notwendigen Finanzen stark ein. Wir durften unsere Produkte an den Messen am GROWELA Stand ausstellen und verkauften auch immer wieder etwas, sodass wir uns finanziell immer knapp durchwursteln konnten.Dann erlebten wir ein kleines Wunder: Ein für den ganzen Norden ausgerufener Streik in der Schuhindustrie hätte uns wahrscheinlich das Genick gebrochen, aber die GROWELA Portuguesa wurde als einziges Unternehmen nicht bestreikt, und zwar mit ausdrücklicher Genehmigung des Streikkomitees. Eine Vorarbeiterin unserer Fabrik war Mitglied im lokalen kommunistischen Parteivorstand und hatte sich, ohne dass wir es wussten, für uns stark engagiert. Sie hatte scheinbar drei Argumente vorgebracht: 1. Der Weiterbau an der Fabrik während der Revolution, 2. die guten sozialen Einrichtungen und 3. der gute Ton und die mögliche Mitsprache in unserer Fabrik. Ich war mächtig stolz darüber!
 
Der Bau hatte sich schliesslich bewährt, es war die schönste Fabrik, welche ich geplant hatte, mit traumhaften Büro- und Besprechungs- und Verkaufsräumlichkeiten, direkt an einem zauberhaften Mimosenwäldchen. Einzig die Zentralheizung des Bürohauses machte uns im portugiesischen Klima etwas Mühe. Entweder war es zu heiss oder zu kalt, je nach Sonneneinstrahlung, welche hinter Glas schon sehr früh ausserordentlich mitheizte. Also schmuggelte ich einen Koffer voll mit thermostatischen Heizkörper-Ventilen nach Portugal, da diese dort unten ein Vermögen gekostet hätten, und liessen sie durch unseren Betriebsmechaniker montieren. Niemand konnte anlässlich der Planung begreifen, dass wir die Anzahl WCs und Duschen praktisch nach schwei­zerischem Arbeitsgesetz ausgelegt hatten. Auch Architekt Bragança fand uns komplett blöd. Niemand benütze die Duschen in den Fabriken in Portugal. Er sagte uns aber nicht, dass es in den meisten Fabriken in Portugal gar kein Warmwasser gab. Ebenso konnte dann nach Bauvollendung niemand begreifen, dass bei uns so viele Leute nach der Arbeit oder auch über Mittag douschten! Kunststück, die wenigsten der Arbeiterinnen und Arbeiter hatten zuhause Badezimmer, geschweige denn Warmwasser und/oder eine Dusche. Es war damals halt wirklich noch ein Agrar- und Schwellenland mit kinderreichen Familien. Mit der aufkommenden Industrialisierung fanden viele in den Fabriken Arbeit, und es wanderten jetzt auch zunehmend weniger Leute als Saisonniers nach Westeuropa aus!

Wir hätten dann gerne die Maschinen für die Montage nach Portugal gebracht, um mit der Fabrik vorwärtszukommen, was aber von der Gruppenleitung noch nicht bewilligt wurde. Die politische Situation war noch zu instabil. Darum griffen wir zu einem Trick: Auf der Suche nach verkäuflichen Schuhen entwickelten Eschmann und ich in Portugal einen einfachen, warm gefütterten, preislich hoch interessanten Damen Winterstiefel. Die ersten zwei Musterpaare zwickte der Modelleur eigenhändig von Hand mit der Zwickzange, aber trotzdem so, dass man den Schuh am GROWELA Stand der Düsseldorfer Messe GDS durchaus probieren konnte. Wir wollten diesen Schuh verkaufen, um damit den Kauf der notwendigen Occasionsmaschinen zu erzwingen. Und wir hatten Glück. Ein norwegischer Schuhgrosshändler, finanziell zwar nicht über alle Zweifel erhaben, interessierte sich für 20'000 Paar dieses Stiefels in vier Farben. Wir rechneten aus, dass wir allein mit dem Deckungsbeitrag dieses einen Auftrages die dazu notwendigen Zwickerei-Maschinen bereits bezahlen konnten. Und dies konnte uns niemand mit plausiblen Gründen abschlagen.
Der Verkauf dieser 20'000 Paar Stiefel und die Beschaffung der künftigen Maschinen für die Montage waren meine letzten erwähnenswerte Handlungen für GROWELA, denn infolge Differenzen mit Dr. André Kurz über die weitere Marschrichtung des Gesamtunternehmens im Allgemeinen und der GROWELA Portuguesa im Speziellen kündigte er mir und ich verliess GROWELA und wechselte anfangs 1977 zu BALLY.
 
Zusammenfassung
Schön war,
dass ich 10 Jahre später als CEO von BALLY Arola AG von André Kurz erfahren durfte, dass ich mit BALLY eindeutig der grösster GROWELA Kunde sei,
dass „meine“ erste portugiesische Korksohlenfabrik in Lousada später vom Staat zum symbolischen Preis von 1 USD der GROWELA Portuguesa wieder verkauft worden war, damit sie nicht geschlossen wer­den musste und die Leute ihre Beschäftigung behielten, und
dass „meine“ zweite portugiesische Fabrik in Maya später tatsächlich nach meinen ursprünglichen Ausbauplänen zuerst flächenmässig verdoppelt worden war, und dass dann auch noch die dritte Ausbauphase entsprechend meinen ursprünglichen Plänen erfolgte.
Unschön war,
dass in den späten 90er Jahren GROWELA Portuguesa unter Nuno Româo auch noch Konkurs ging.

Beruf 4: BALLY 1977-1993
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12.  Beruf 4: BALLY 1977-1993

1977 - 1986    C.F. BALLY HOLDING AG, ab 1978 BALLY INTERNATIONAL AG, Zürich, die Führungsgesellschaft der Konzerngruppe BALLY im Oerlikon Bührle Konzern:

1977 - 1978    Marketing-Planer im Stabsbereich Marketing, zuerst bei C.F. BALLY Holding AG, dann bei BALLY International AG

1979 - 1986    Leiter Stabsbereich "Strategische Planung, Organisation und Informatik" der Konzerngruppe BALLY, und Mitglied der BALLY Gruppenleitung

1986 - 1992    Direktionspräsident der BALLY AROLA AG Zürich und Mitglied der BALLY Gruppenleitung

1992 - 1993    Abstellglaeis bei BALLY INTERNATIONAL AG Zürich

1977/78: Die Irrungen und Wirrungen der Periode mit Werner K. Rey
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12.1.  Beruf 4: BALLY 1977-1993 – 1977/78: Die Irrungen und Wirrungen der Periode mit Werner K. Rey.

12.1 1977/78: Die Irrungen und Wirrungen der Periode mit Werner K. Rey

Wie schon am Ende des Abschnitts GROWELA erwähnt, wollte ich 1977 bei BALLY ins Marketing und nicht wieder in die Fabrikation und/oder den Engroshandel, was Walter Kinzelbach als Chef in Schönenwerd sehr gerne gehabt hätte. Mein Ruf damals als Fachmann in der Schuhindustrie war scheinbar nicht so schlecht. Ich verdankte ihn meines Erachtens einerseits dem, was ich in Lachen und Portugal in den letzten 15 Jahren geleistet hatte, andrerseits aber zu einem grossen Teil Dr. Baumann von der BALLY Chemie, mit dem ich während einigen Jahren so gut zusammengearbeitet hatte. Via einen Kollegen von Heinz Seiler (Heinz Seiler war ein alter St. Galler Kollege, seine Frau Elfie eine Schulkollegin von Fischli, und wir hatten beide je 2 Töchter im gleichen Alter), der Dr. Hans Ruedi Bachmann als derzeitigen Marketingchef in der BALLY Holding kannte, hatte ich mich persönlich bei Bachmann beworben. Ich schloss unterschrieb meinen Arbeitsvertrag mit BALLY anfangs Dezember 1976, mit Eintrittstermin Mitte Februar 1977.

Im Sommer / Herbst 1976 konnte Werner K. Rey mit Hilfe eines BALLY-Schwiegersohns Abegg die Mehrheit der BALLY Holding AG übernnehmen, und infolge dieser ersten, grösseren „unfreundlichen Firmenübernahme“ in der schweizerischen Wirtschafts­geschichte ging bei der BALLY Holding an der Dreikönigstrasse 12 alles drunter und drüber! Die beiden ehemaligen Direktoren Dr. Temperli im Controlling und Karl Salvisberg im Treasuring waren mit dem ehemaligen Holdingchef Kurt Heiniger nach der Übernahme von Werner K. Rey entlassen worden und es kamen dafür neue Rey-Leute. Einzig Dr. Hans Ruedi Bachmann als Marketingspezialist und HSG-Absolvent war sicherer denn je im Sattel, und man gab ihm als Warenmann Rolf Trüb zum Assistenten, der als Einkaufsdirektor bei der BALLY Arola ebenfalls abgesetzt worden war. Ich war noch von der alten BALLY Führung angestellt worden und diese Umstrukturierung war eigentlich erst kurz vor meinem Eintrittstermin über die Bühne gegangen.

Am 16. Februar 1977, meinem ersten Arbeitstag bei BALLY Holding AG an der Dreikönig-strasse 12 in Zürich, sah ich bei meinem Eintreffen um 09’00 Uhr vom Empfang aus, wie aus jenem Büro, das man mir seinerzeit als Arbeitsplatz gezeigt hatte, die Möbel herausgetragen wurden. Also fragte ich erwartungsvoll die Empfangsdame, Fräulein Pia Leimbacher, ob ich noch neue Büromöbel erhielte. Fräulein Leimbacher, einem Kollaps nahe, schrie mich fast an, wer ich denn sei, und überhaupt, heute ziehe Herr Rey mit einigen Mitarbeitern hier ein. Ich würde auch keine Möbel kriegen, denn es hätte gar kein Büro mehr für mich hier. Sie müsse mir ausrichten, ich solle in die BALLY Arola AG zu Herr Trüb fahren, denn er müsse für einen Arbeitsplatz für mich besorgt sein.
Das war ja wirklich ein vielversprechender Anfang!

Aber auch an der Lerchenstrasse gab es keinen Arbeitsplatz für mich, und ich musste die nächsten drei Monate immer in unbesetzten Sitzungszimmern arbeiten, und zwar an der Dreikönigstrasse, an der Lerchenstrasse und zeitweise sogar in Schönenwerd. Mitten in der Arbeit, wenn ungeplant eine Sitzung angesagt worden war, warf man mich jeweils hinaus und ich musste wieder ein anderes, freies Sitzungs­zimmer suchen, oder, genügend frustriert, fuhr ich jeweils nach Hause und arbeitete dort. Schreibmaterial, Taschenrechner und mein übriges Büromaterial trug ich während dieser Zeit sowieso in einem grossen „Overnighter“ immer mit mir herum, eigentlich eine unmögliche Situation.

Als willkommene Abwechslung durfte ich einen Marketing-Planer Kurs in Bruxelles besuchen. Daneben wurde ich immer wieder damit getröstet, dass man mit Hochdruck zusätzlichen Büroraum in der Nähe der Dreikönigstrasse für das Marketingteam suche. Trotzdem begann ich mich ernsthaft zu fragen, ob ich hier allenfalls in ein Irrenhaus geraten sei und ich nicht bes­ser wieder kündigen sollte. Ich hatte ja noch andere Alternativen evaluiert! Vorläufig blieb ich aber, denn ich hatte mich ja noch im Militär zur Weiterausbil-dung zum Abteilungskommandanten verpflichtet.
Nach der unfreundlichen Übernahme von BALLY durch Werner K. Rey entbrannte in den Medien ein heftiger Streit, wobei sich Wirtschaftsredaktor Abt von der NZZ und VR-Präsident Dr. Schäfer von der SBG als schärfste Widersacher von Werner K. Rey heraus-kristallisierten. So konnte ich dann auch während dem Militärdienst und in den Sommer-ferien immer alle Neuigkeiten bei meinem neuen Arbeitgeberaus der Zeitung erfahren. Unter anderem wollte man Werner K. Rey dazu zwingen, seinen Anteil wieder zu verkaufen, wenn er seine Ehre retten wollte. Rey wurde als "Asset-Stripper" beschrieben, und undichte Stellen innerhalb BALLY lieferten dazu anscheinend Beweise. Die NZZ veröffentlichte Fotokopien von Dokumenten, welche bewiesen, dass Rey mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich-keit mit kriminellen Handlungen BALLY tatsächlich aushöhlen wollte.

Im Frühsommer 1977 wurde für unser kleines Marketingteam (Rolf Trüb, mir und einer Sekretärin) eine sehr schöne Dreizimmer-Wohnung an der Tödistrasse gemietet, und ich erhielt den Auftrag, diese in Büroräumlichkeiten umzubauen und zweckmässig einzurichten. Ich wurde praktisch gezwungen, mit der ganz grossen Kelle anzurichten, denn "Büros des Marketingbereichs müssten möglichst repräsen­tativ sein"! Die Räume wurden komplett renoviert, mit neuen Spannteppichen und neuen Vorhängen versehen, Wände, Türen und Fenster frisch gestrichen und ich durfte mit einem äusserst grosszügigen Budgetbetrag für mich und die Sekretärin neue Büromöbel kaufen. Rolf Trüb blieb vorläufig immer noch in seinem Büro bei der AROLA an der Lerchenstrasse, deshalb blieb sein Büro vorläufig leer. Für mich und die Sekretärin war aber alles eingerichtet (obwohl sie noch gar nicht angestellt worden war), und ich arbeitete dann ca. 3 Wochen lang mutterseelenallein in meinem wunderschönen, neuen Büro mit Südbalkon, als es plötzlich hiess, Herr Rey habe an die Oerlikon-Bührle verkaufen müssen und wir hätten jetzt wieder in der BALLY Holding an der Dreikönigstrasse 12 Platz. Also Abbruch der Übung. Die neuen Möbel wurden gezügelt, Spannteppich, Vorhänge usw. dem nächsten Mieter überlassen. Kosten spielten damals anscheinend keine Rolle! Fast 15 Jahre später sollte ich dann ein zweites Mal eine solche Hau-Ruck-Übung erleben!

Im Sommer 1977 hatte man mir die Prokura erteilt. Lustigerweise musste zur Beglaubigung der Unterschriftenich ausgerechnet zusammen mit Werner K. Rey aufs Notariat . Das war wirklich das einzige Mal, dass ich mit Werner K. Rey zusammentraf. Ich war inzwischen in der schweizerischen Schuhbranche als Geschäftsleiter der GROWELA ziemlich bekannt und war schon sehr erstaunt, dass ich jetzt plötzlich bei BALLY angestellt war. Ich musste in dieser Zeit dann jeweils sehr vorsichtig sein mit der Antwort auf die Frage, ob ich denn etwas mit Werner K. Rey zu tun hätte: Je nach Herkunft des Fragestellers musste ich entweder sehr heftig oder dann eher etwas unverbindlich "Nein" sagen. Man konnte ja nie wissen! Glücklicherweise war dann aber mit der Übernahme von BALLY durch Oerlikon-Bührle diese wilde Zeit der Unsicherheit endgültig vorbei, gerade noch rechtzeitig, bevor ich hätte kündigen wollen.
 
Im CV enthält diese Periode folgende, wesentlichste Tätigkeitsgebiete:

  • Konsolidierte Warenbudgetierung weltweit im Bally-Konzern bzw. nachher in der Konzerngruppe Bally
  • Anpassung marketingseitig der langfristigen, strategischen Planung an die aktuellen Verhältnisse, Verfeinerung des Formularpakets, Fle­xibilisierung und Vereinfachung des Planungs-Systems
1978-1986: Die Zeit als Stabsbereichsleiter der BALLY International AG
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12.2.  Beruf 4: BALLY 1977-1993 – 1978-1986: Die Zeit als Stabsbereichsleiter der BALLY International AG.

12.2 1978-1986: Die Zeit als Stabsbereichsleiter der BALLY International AG

Wie oben bereits angesprochen kaufte der Mischkonzern Oerlikon-Bührle im Spätherbst 1977 BALLY und führte ihn fortab als Konzerngruppe BALLY. In der Folge wurde die ehemalige C.F. BALLY Holding AG zur BALLY International AG umfirmiert, und in den verschiedenen BALLY Gesellschaften wurden jene Führungskräfte entlassen, welche sich stark mit Werner K. Rey solidarisiert hatten.

BALLY International AG, an der Dreikönigstrasse 12 in Zürich domiziliert, wurde als Führungsgesellschaft der Konzerngruppe BALLY ausgestaltet:
Walter Kinzelbach, Dipl. Masch. Ing. ETH,  der ehemalige Leiter der BALLY Schuhfabriken, wurde Gruppenchef, heute würde man sagen CEO der Konzerngruppe BALLY.
Karl Salvisberg wurde als Chef des Stabsbereich Finanzen zurückgeholt, während Dr. Temperli keine Gnade mehr fand (und in der Folge aus Verärgerung in der Schweiz den grössten BALLY-Konkurrenten Magli aufbaute).
Dr. Jürg Heberlein, der ehemalige Sekretär des BALLY Verwaltungsrates, wurde als Jurist Leiter des Stabsbereichs Planung, Organisation und Informatik, dem nach OBH-Muster zuerst auch das Marketing angegliedert war.
Peter Streit wurde der Stabsbereich Produktion übertragen, als einziger mit Arbeitsort Schönenwerd.
Rolf Trüb übernahm eine Doppelfunktion: Er leitete den Stabsbereich Marketing mit mir als Assistenten, und neu als Chef der Detailhandelsfirma BALLY Arola AG, die in der Schweiz 135 Ladengeschäfte besass.
Im BALLY Marketing wurde auf internationaler Ebene vor allem die Warenbudgetierung zuhanden der einzelnen Fabriken und der Beschaffungsorganisation in Italien aufgebaut, damit es möglich wurde, den Einkaufsbedarf der Handelsgesellschaften auf die Verkaufsmög-lichkeiten der Produktionsgesellschaften abzustimmen und zu konsolidieren.

Das eigentliche Produktemarketing wurde von Kinzelbach sofort den einzelnen BALLY Fabriken in Schönenwerd, in Moulins und Lyon für Frankreich und Norwich für England übertragen.

In der BALLY Arola AG mit meinem Chef Rolf Trüb machte man im Managementauch auch Tabula rasa: Die ganze Geschäftsleitung mit Firmenleiter und zwei sehr kompetente HSG-Absolventen wurden entlassen, weil sie aufs falsche Pferd gesetzt und sich menschlich disqualifiziert hatten.

Wie bereits gesagt behielt Rolf Trüb als zweite Aufgabe die Betreuung der internationalen BALLY Kollektion. So arbeitete ich an dieser Aufgabe als Assistent von Rolf Trüb, aber neu mit sehr viel mehr Freiraum, denn Rolf Trüb hatte mit der Führung der BALLY Arola AG mit ihren ca. 1200 Mitarbeitern schon sehr viel am Hals und damit glücklicherweise wenig Zeit für mich.

Wie ebenfalls bereits oben angetönt hatte Dr. Jürg Heberlein die Leitung des Stabsbereichs Planung, Organisation und Informatik übernommen. Ende der 70er / Anfang der 80er Jahr war die langfristige oder strategische Planung in Hochblühte: Prof. Rühle von der Universität Zürich hatte ein ausgeklügeltes Planungssystem entwickelt, das er als Verwaltungsrat der Oerlikon-Bührle AG dort einführte. Planungschef war damals Michael Funk. Für BALLY ging es darum, das eigene, seinerzeit von Dr. Jürg Heberlein entwickelte und auch eingeführte Planungssystem auf jenes der OBH abzustimmen. Im Schuhbereich konnte die Planung aber nicht nur in Geldwerten durchgeführt werden, da die Preisdifferenzen der verschiedenen Produktegruppen und Produkte viel zu gross waren. Man musste parallel dazu vor allem die Paarzahlen in Produktegruppen erfassen, die vom Markt und nicht nur von der Produktion her definiert wurden. Ich erkannte im Gespräch mit Dr. Heberlein, dass für die verlangte paarmässige Warenbudgetierung und Warenkonsolidierung, welche die Fabriken von den Handelsgesellschaften bisher verlangten, dieses OBH-Planungs­system unendlich viel besser geeignet war als das von ihm entwickelte BALLY System. Ich anerbot Dr. Heberlein als einziger Schuhfachmann im Stab von BALLY International AG (neben den Chefs Walter Kinzelbach und Rolf Trüb), zudem noch von der Fabrikation noch vom Handel absolut unabhängig, ihm bei der Anpassung des langfristigen Planungssystems marketingseitig zu helfen. Er war sehr glücklich darüber, vor allem bezüglich Anpassung an die aktuellen Verhältnisse, bei der Verfeinerung des Formularpakets sowie bei der Fle­xibilisierung und Vereinfachung des Systems.
Dass ich bei BALLY als Schuhfachmann akzeptiert wurde, fast ausnahmslos sogar von den „Schuehnigen“ in Schönenwerd, war schon sehr erstaunlich, denn normalerweise musste man dazu BALLY schon mit der Muttermilch eingesogen haben.

Irgendwann im Sommer 1978 rief mich Fräulein Leimbacher vom Empfang an, es wäre Herr Karl Schmid hier und möchte mich kennen lernen und fragte, ob ich Zeit hätte! Und ob ich Zeit hatte! Karl Schmid war der persönliche Personalberater von Dr. Dieter Bührle. Die Besetzung praktisch aller obersten Kader im Konzern weltweit gingen über seinen Schreibtisch. Ich sprach dann etwa 2 Stunden mit Karl Schmid. Er wollte sehr viel wissen von mir; ich musste erzählen, von meiner Arbeit bei GROWELA, vom Umgang mit Mitarbeitern und Vorgesetzten, vom Militär, vom Sport.
Zu Kaarl Schmid: Er war ursprünglich einer der erfolgreichsten Ruderer der Schweiz, dann ein begnadeter Rudertrainer; von dort her kannte ihn Dieter Bührle. Später war er über Jahrzehnte hinweg einer der besten Handballtrainer der Schweiz und betreute lange Jahre die Handballsektion von GC und die schweizerische Nationalmannschaft. Ich hatte das Gerücht gehört, dass man wegen Karl Schmid entweder Rudern oder Handball spielen müsse,um im Bührle Konzern vorwärtszukommen. So stellte mein Fourier Sepp Steger, Schweizermeister über 800 m, einmal klar fest, dass mich nur noch der Tod vor einer ganz steilen Karriere im Konzern retten könne, da ich früher Handball gespielt und heute Rudern würde!

Nach dem Gespräch mit karl Schmid hörte ich ein paar Wochen nichts mehr, bis Walter Kinzelbach mir anbot, den Stabsbereich Marketing der BALLY International AG zu übernehmen, denn Rolf Trüb hätte als Chef der BALLY Arola AG dafür zu wenig  Zeit. Ich entgegnete darauf, dass ich zu BALLY gekommen wäre, um das Marketing zu erlernen. Es wäre meines Erachtens absurd, mir als Anfänger eine Aufgabe zu übergeben, die bei BALLY selbst einen Profi bis an die Grenze fordere. Da ich vom äusserst selbstbewusst auftretenden Dr. Heberlein aus unseren Gesprächen wusste, dass er sich das Marketing absolut zutraute (obwohl er vom eigentlichen Produkt ja keine Ahnung hatte), schlug ich vor, eine Rochade zu machen: Ich würde von Dr. Heberlein den Stabsbereich PO "Strategische Planung, Organisation und Informatik" übernehmen, und er könnte den Stabsbereich Marketing führen. Ich war mir dabei gurchaus bewusst, dass dies Jürg Heberlein gegenüber nicht ganz fair war, denn Dr. Jürg Heberlein war m. E. für diese Aufgabe höchstwahrscheinlich weder vom Temperament, noch von der Mentalität, und schon gar nicht vom Schuhverständnis her geeignet. Ich war mir nach diesem ersten Jahr in der Konzerngruppe der Komplexität der BALLY Marketingaufgabe voll bewusst, denn die Rivalität zwischen Fabrikation und Handel war enorm, besonders gegenüber dem Detailhandel. Die Fabriken als eigentlicher Ursprung von BALLY wollten dem Detailhandel wie früher vorschreiben, was er zu verkaufen habe! Der Handel suchte aber den Erfolg mit einer Kollektion, die optimal auf den jeweiligen Markt in den verschiedenen Ländern abgestimmt war, und das waren leider nicht nur Produkte aus den eigenen Fabriken.

Mein Vorschlag zur Rochade wurde von Karl Schmid und auch von Michael Funk unterstützt, sodass ich 1979 zum Leiter des Stabsbereichs "Strategische Planung, Organisation und Informatik" der Konzerngruppe Bally und gleichzeitig zum Vizedirektor ernannt wurde. Ein Jahr später wurde ich neben den Stabs-Bereichsleitern Produktion, Marketing und Finanzen auch zum Mitglied der Konzergruppenleitung BALLY befördert.

Dr. Jürg Heberlein erarbeitete im stillen Kämmerlein ein Marketingkonzept, welches er dann als Stabsbereichsleiter anstatt mit leider gegen den Handel und die Fabriken relativ stur durchsetzen wollte, und da auch der oberste Chef der Konzerngruppe BALLY, Walter Kinzelbach, das Konzept schliesslich verwarf, kündigte Heberlein desillusioniert und enttäuscht.

An seine Stelle kam dann nach einer eher unglücklichen Zwischenlösung Günter Bally von Schönenwerd nach Zürich, der letzte Namensträger des berühmten Namens in der Firma,ein „Säckinger-Verwandter“ der ehemaligen Gründerfamilie, ein HSG-Absolvent mit ausser-ordent-lich grosser Schuherfahrung, sehr belesen und breit gebildet. Er packte seine Aufgabe wesentlich geschickter und pragmatischer an als Heberlein und sah sich im Stab viel mehr als Mittler und Dienstleister zwischen Fabrik und Handel, denn als oberster Marketing-Chef der Konzerngruppe. Denn die eigentlichen Marketingchefs sind im Handel die Markt­verant­wort­lichen, und die Stabsbereiche sollten in erster Linie diesen Länderchefs "dienen", erfolgreich zu sein

Bei Karl Salvisberg, dem Leiter des Stabsbereiches Finanzen, war dies etwas anders. In diesem Bereich hatte dessen Leiter klare Weisungsbefugnis, denn die finanzielle Führung hatte der Gruppenchef, anders als in den übrigen Stabsbereichen, grösstenteils an diesen delegiert. Das machte auch immer den Unterschied von Karl Salvisberg zu uns anderen Stabsbereichsleitern, und das liess Salvisberg uns auch gut und gern immer wieder merken. Ich habe oft versucht, das Vertrauen von Salvisberg zu gewinnen, nicht zuletzt, als ich ihm meinen Mitarbeiter Hansjürg Keller als Controller auslieh, als er in Nöten war. Aber anscheinend war er nach den unliebsamen Vorkommnissen während der Rey-Zeit so hypervorsichtig geworden, dass er ausser Walter Kinzelbach, der ihn schliesslich wieder geholt hatte, niemandem mehr sein Vertrauen schenkte, auch mir nicht, trotz grossen Bemühungen meinerseits.

Wie ich es oben schon sagte, die Stabsbereiche müssen Dienstleistungen erbringen! Ich versuchte deshalb immer, Dienstleistungsstelle für die Tochterfirmen zu sein, und zwar für Leistungen, die sie wollten und nicht umgekehrt. Meine Schwerpunkts - Tätigkeiten sind aus dem CV am Schluss des Abschnitts ersichtlich, ich möchte sie nicht alle nochmals aufzählen.
Wesentlich war, dass ich mich wieder voll mit meiner Arbeit identifizieren konnte und auch wieder Spass an der Aufgabe und Befriedigung in der Arbeit hatte.

Ich hatte auch Glück mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, allen voran mit:

HJK, wie wir Hansjürg Keller nannten. Er war ein ausserordentlicher Assistent. Er war ursprünglich ETH-Betriebsingenieur und hatte anschliessend in USA noch einen MBA-Titel erworben. Er war blitzgescheit, hatte einen angenehmen Charakter, trat sehr leise auf (ausser stimmlich!), konnte sehr gut zuhören und Leute überzeugen. Bei unseren Planungskursen war er ein gewiegter Lehrer, immer bereit, mit den Leuten zu diskutieren. Er wurde nach einer gewissen Zeit neben seiner Haupttätigkeit bei mir noch von Karl Salvisberg im Stabsbereich Finanzen als Controller für die Firmen BALLY USA und BALLY Kanada eingesetzt. Wohl wissend, dass ich schwerlich einen gleichwertigen Ersatz finden würde, gab ich ihm und seiner Karriere zuliebe meine Zustimmung, dass er 1983 sehr plötzlich zum Finanzchef von BALLY Deutschland in München ernannt wurde. Nach drei Jahren in München wurde er dann Finanzchef bei BALLY USA, und schliesslich 1991 Finanzchef der Gruppe BALLY, wo er 1992 von Hans Widmer zugunsten des Ja-Sagers Urs Gloor fallen gelassen wurde. Nachher war er zusammen mit einem Kollegen Partner und selbständiger Unternehmer bei Peter Kaiser, einer hochwertigen Damenschuhfabrik in Pirmasens. Er war dort verantwortlich für Fabrikation, Administration und Finanzen, eine zwar eigenartige Kombination, ihm aber auf den Leib geschnitten!

Sein Nachfolger bei mir war Dr. Max Haas, charakterlich auch sehr angenehm, behutsam im Umgang mit den Firmen, Mitarbeitern und Vorgesetzten, vielleicht etwas zu unsicher und zu wenig entschlussfreudig, obwohl er auf dem Gebiet der strategischen Planung doktoriert hatte. Ich konnte ihn deshalb später leider auch nicht als meinen Nachfolger vorschlagen.

Als erste Sekretärin konnte ich aus der Rey Zeit Fräulein Bourquin übernehmen, eine reizende Romande, was mir bei der Übernahme des Kommandos der französisch­sprachigen Flugplatzabteilung 4 sehr zustatten kam. Aus Fräulein Bourquin wurde dann sehr schnell Frau Frei! Sie war wahrscheinlich bereits schwanger gewesen, als sie bei mir begann, und ich musste sie leider schon bald ersetzen. Nach etwa 8 Monaten engagierte ich Gina Marcato, die dann etwa drei Jahre bei mir blieb. Frau Marcato hatte in ihrer Jugend eine Lehre abgebrochen und war als Bürohilfe einige Jahre in Neuenburg tätig und heiratete dort sehr jung, wollte jetzt aber ihr Leben nochmals neu anfangen. Sie ging nebenher zur Schule, schloss ihre abgebrochene KV-Lehre erfolgreich ab und absolvierte Weiterbildungskurse. Da sie sich hohe Ziele gesetzt hatte, wurde es ihr in meinem Stabsbereich zu langweilig, was ich durchaus begreifen konnte. Gina Marcato fand für mich als Ersatz Frau Marianne Zehnder, eine sehr liebenswerte aber eher etwas komplizierte Betriebspsychologin. Günter Bally bekam in der Folge einen besseren Draht zu ihr als ich und übernahm sie, sodass ich Frau Rea Dosch anstellen konnte, eine ca. 30-jährige Bündnerin, mit welcher ich mich auch wieder recht gut verstand. Die letzten paar Monate meiner Tätigkeit im Stab engagierte ich jemanden direkt ab Lehre, deren Namen mir leider entfallen ist, die sich aber hervorragend einarbeitete und ihre Arbeit zu meiner vollsten Zufriedenheit erledigte. Frau Frei, meine erste Sekretärin bei BALLY, arbeitete seit der Kündigung von Frau Marcato periodisch immer wieder für französische Übersetzungen für mich.

Für die Informatikverantwortung in der Gruppe hatte ich in Bruno Baumberger einen ausserordentlich tüchtigen, sprachgewandten, aber ebenso schwierigen und ehrgeizigen Mitarbeiter zur Verfügung. Er war eine Diva und charakterlich nicht über alle Zweifel erhaben. Er reizte bei­spielsweise das Spesenreglement bis an die Grenze des Vertretbaren aus, und ich hatte deswegen manchen Strauss mit ihm. So wie ich in all den Jahren nie ein schlechtes Wort über HJK gesagt hätte (Dies ein Zitat von Fischli), so hatte ich immer wieder Probleme mit BPB. Er hatte einen ausgesprochen starken Willen, im Schlechten wie im Guten. Als er beispielsweise mit der Aufgabe betraut wurde, in Rio de Janeiro die Informatik bei der Carioca zu überprüfen und zusammen mit den Verantwortlichen dort einen Vorschlag zu machen, lernte er in einigen Monaten derart gut portugiesisch, dass er selbständig Verhandlungen mit Hard- und Softwarelieferanten führen und auch als Dolmetscher gebraucht werden konnte. BPB war nicht nur intelligent, sondern auch bestens informiert und dokumentiert. Wir hatten bei Investitionsvorhaben der Tochterfirmen jeweils zuhanden des Gruppenchefs Kinzelbach unsere Stellungnahme abzugeben, wobei BPB als Alternative vielfach bessere Lösungen vorschlug. In der Sache meist im Recht, versuchte er dann aber oft, dies auch noch mit Intrigen und Ränkespielen auszunützen und Personen gegeneinander auszuspielen. Leider brachten uns diese Spielchen oft wieder auf die Verliererseite. Ich bin sicher, dass beispielsweise ohne solche Spielchen die Informatikkatastrophe in Schönenwerd hätte vermieden werden können. Klar gegen unsere Empfehlung hatte der Gruppenchef die durch den damaligen EDV-Leiter in Schönenwerd Böhler ganz harmlos beantragte Beschaffung eines Kleinsystems bewilligt. Damit nahm die Informatiktragödie in Schönenwerd ihren Anfang und wurde zum Fass ohne Boden bis zum generellen Aus in Schönenwerd.
Dem früheren Informatik Chef Jo Müller, später bei mir Kollege von BPB, musste ich schon relativ bald kündigen, weil ich mit seiner Leistung im Verhältnis zum hohen Lohn nicht zufrieden war. 

Ich nutzte den mir von Walter Kinzelbach gewährten Freiraum, um in den Firmen Planungskurse, später auch Organisationskurse durchzuführen. Diese Dienstleistungen für die Tochterfirmen ermöglichten mir, jeweils für kurze Zeit der Enge der Stabsarbeit in Zürich zu entfliehen und Frontluft zu schnuppern. Als die Firmen ihre langfristigen Pläne erstellen mussten, offerierte ich den Firmenleitern jeweils, in Planungskursen mit dem oberen Management gerade den neuen Fünfjahresplan zu erarbeiten. Dafür brachte ich sie dazu, zwei bis drei Tage für solche Kurse zu opfern. So führten wir Kurse durch bei

BALLY Arola in Zürich,
BALLY Schuhfabriken in Schönenwerd, 
BALLY Deutschland und BALLY Oesterreich zusammen in München,
BALLY Belgien und BALLY Holland zusammen in Bruxelles,
BALLY France in Paris,
BALLY England: Detailhandel in London, Fabrikation/Engroshandel in Norwich,
BALLY USA und BALLY Canada in der Umgebung von New York
Cortume Carioca in Rio de Janeiro,

Aus meiner persönlichen Sicht war der Kurs in Brasilien die Krone dieser Serie von Planungskursen. Er fand im obersten Stock eines Hotels an der Copacabana (!) statt, und die Referate wurden von einem Ingenieur der Revisionsfirma der Carioca gehalten, mit welchem ich anlässlich zweier Besuche den Kurs relativ aufwendig vorbereitet hatte. Auch konnte ich damals aus der GROWELA-Zeit noch genügend portugiesisch, um alles zu verstehen, um im Notfall auf Englisch sofort eingreifen zu können, wenn ich das Gefühl hatte, es laufe etwas aus dem Ruder. Dies war eine tolle Erfahrung.

Die Firmen hatten nach der Übernahme durch Oerlikon-Bührle auch den Auftrag erhalten, eine klare Aufbau- und Ablauf-Organisation mit den entsprechenden Geschäftsreglementen und Funktionendiagrammen zu erarbeiten. Dazu waren die meisten Firmen ebenfalls überfordert, oder sie fragten, wie beispielsweise John Heim von BALLY USA, von allem Anfang an, ob ich Zeit und Lust hätte, diese Arbeit für sie bei ihnen durchzuführen, selbstverständlich mit ihrer Mitarbeit. Nur zu gerne tat ich dies jeweils, selbst bei Umorganisationen. Nach einem kurzen theoretischen Kursteil wurden diese Reglemente wiederum in Gruppenarbeit gemeinsam mit dem obersten Kader erarbeitet, was für deren Akzeptanz viel besser war, als wenn wir ihnen von Zürich aus diese Reglemente ausgearbeitet und zur Verfügung gestellt hätten.

Anlässlich der Planung und Realisierung des Firmenneubaus mit Warenhaus in New Rochelle, Connecticut, etwas ausserhalb New Yorks, wurde ich dank meiner Erfahrung im Industriebau bei GROWELA zugezogen, zusammen mit der Fabrikplanungsstelle von Schönenwerd. Ebenso arbeitete ich federführend mit bei der späteren Planung und Realisierung eines Neubaus für die Verlegung der Chemiefabrik der Carioca in Rio de Janeiro in einen Industriepark ausserhalb der Stadt.

Langsam aber sicher wurde mit diesen Aufenthalten "an der Front" bei mir auch der Wunsch immer stärker, wieder eine Linienfunktion auszuüben, was ich meinem Chef Walter Kinzelbach signalisierte. Eine erste Möglichkeit ergab sich, als der Leiter der Produktion in Schönenwerd ersetzt werden musste, was ich aber dankend ablehnte. Ich wollte nicht in die Produktion zurück, und schon gar nicht in das etwas pharisäisch an­mutende Schönenwerd. Mein klares Ziel war, eine der Tochterfirmen zu leiten.

Vor allem schielte ich auf die Führung der Cortume Carioca in Rio de Janeiro, eine riesige Gerberei mit angeschlossener Chemischen Fabrik, wo Ernst Gyger mit der Zeit abgelöst werden wollte. So verbrachten Fischli und ich im Anschluss an einen meiner geschäftlichen Aufenthalte längere Ferien in Brasilien. Während ich am Anfang unseres Aufenthaltes einige Tage mit Ernst Gyger und Dr. Roquete im Süden des Landes unterwegs war, durfte Fischli mit Frau Gyger das Leben einer Direktorengattin in Rio de Janeiro kennen lernen. Das Leben einer Direktorengattin in einem „Ghetto“ der Oberklasse aber war überhaupt nicht nach Fischlis Gusto, und sie war froh, als ich aus dem Süden zurückkam und wir dann gemeinsam für zwei Wochen auf eine grosse Reise durch den Norden von Brasilien gingen. Unter anderem lebten wir ein paar Tage auf einem Floss in der Nähe der Stadt Manaus mitten auf einem Nebenfluss des Amazonas. Wir besuchten ausserdem Brasilia, Manaus, Belem, Salvador de Bahia, Reciefe und nochmals ein paar Tage gemeinsam Rio de Janeiro. In Rio hatten wir es mit Kathrin und Ernst Gyger sehr gut und wir lachten viel. Während unserer Ferienreise und dann auch auf dem Heimflug im Flugzeug hatten wir genügend Zeit, die Pro und Contra eines Umzugs nach Rio gegeneinander abzuwägen. Fischli meinte nur, dass sie mit mir ja überall auf der Welt hinkommen würde, aber wenn irgendwie möglich nicht nach Rio de Janeiro: Dies hauptsächlich wegen dem Leben in einem Reichen-Ghetto, das Fischli verabscheute, dann aber auch wegen der Kriminalität, in erster Linie jedoch vor allem der Schule und der Universität der Töchter wegen, die derzeit beide das Gymnasium besuchten, die ältere in der letzten Klasse vor der Matura. Trotz dem elfstündigen Flug hatten wir das Thema bei der Ankunft in Zürich noch nicht ausdiskutiert und die Frage blieb offen.
 
Im CV enthält diese Periode folgende, wesentlichste Tätigkeitsgebiete:

  • Federführung beim Planungsprozess und bei der Erarbeitung und Formulierung der langfristigen Ziele und Strategien der Konzern­gruppe BALLY
    Revision der ersten, unmittelbar nach der Übernahme durch die OBH provisorisch in Kraft gesetzten Führungsinstrumente "Geschäftsregle­ment" und "Funktionendiagramm" (Geschäftsverteilungsplan) für die Konzerngruppe BALLY
  • Federführung und aktive Mithilfe bei der Erarbeitung analoger Füh­rungs­in­strumente "Geschäftsreglement" und "Funktionendia­gramm" auf Stufe BALLY -Tochter-Gesellschaft
  • Weiterentwicklung und Vereinfachung des Planungskonzeptes (Organisation, Prozess, Dokumente) für die Konzerngruppe BALLY und Herausgabe eines dreisprachigen BALLY Planungshandbuches
  • Schulung der oberen Kader weltweit in strategischer Planung, Organisation und Informatik. Mitar­beit bei der Kaderschulung in Führung und Marketing
  • Herausgabe eines Organisationshandbuches für die Konzerngrup­pe BALLY.
  • Persönliche Mitarbeit bei der Aufbau- und Ablauforganisation in verschie­denen Firmen (massgeblich in USA, Belgien und Brasilien)
  • Teilnahme an den monatlichen BALLY Gruppenkonferenzen und OBH Ressortbesprechungen
  • Organisation der jährlichen BALLY Konferenzen im In- und Aus­land
Die Vorbereitungszeit als Firmenchef der BALLY Arola AG
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12.3.  Beruf 4: BALLY 1977-1993 – Die Vorbereitungszeit als Firmenchef der BALLY Arola AG.

12.3 Die Vorbereitungszeit als Firmenchef der BALLY Arola AG

Die Diskussion mit Fischli über eine „Auswanderung“ nach Brasilien war wie gesagt noch nicht abgeschlossen, als man mir am 26.11.1985, dem ersten Tag nach meiner Rück­kehr aus Brasilien die Leitung der BALLY Arola AG antrug, was ich sofort annahm. Tom Oederlin, Leiter der Marktregion II "Europa" bemerkte dazu, ob ich mir bewusst wäre, dass dies bisher innerhalb BALLY der begehrteste Prestigeposten gewesen und früher strikte nur für BALLY Familienmitglieder reserviert war! BALLY Arola AG war damals die sog. Marktregion I und umsatz- und personalmässig die grösste Detailhandels - Gesellschaft der Konzerngruppe BALLY. Sie besass bei meiner Übernahme 136 Ladengeschäfte, hatte gut 1200 Mitarbeiter und erwirtschaftete einen Jahresumsatz von knapp CHF 180 Mio, ohne Engrosverkauf. Ferner gehörte eine Handtaschenfabrik dazu.

Ich hatte in der Schuhbranche bisher fast alles gemacht, ausser, dass ich noch nie im Detailverkauf tätig gewesen war. Rolf Trüb als bisheriger Chef der Arola war gar nicht begeistert, dass er die Firmenleitung abgeben und die Nachfolge des in Pension gehenden Tom Oederlin als Leiter Marktregion II (Alle europäischen BALLY Firmen ausser CH, F, GB) antreten, also die Führung der BALLY Firmen in Deutschland, Oesterreich, Belgien, Holland und Luxemburg übernehmen musste. 

Ich hatte mit Rolf Trüb die Übergabe der Verantwortung auf den Herbst 1986 festgelegt. Wir wollten dann zuerst gemeinsam die Messe Bologna besuchen, wo er mir alle Einkäufer sowie die wichtigsten Lieferanten vorstellen wollte. Dann sollte ich ihn während seinen letzten 2 Wochen begleiten, und in diesen zwei Wochen wollte er mir auch alle wichtigen Dossiers übergeben. Mir schien von allem Anfang an, dass Rolf Trüb nicht kooperativ war, und ich hörte bald, dass auch seine Frau Gwen­dolin aus allen Rohren gegen mich schoss und herumbot, dass man als Firmenleiter Arola bei Karl Schmid wahrscheinlich katholisch sein müsse. 

Da ich wie gesagt keine Erfahrung im Detailhandel hatte, bat ich um die Möglichkeit, die europäischen Detailhandelsgesellschaften besuchen und sie studieren zu dürfen. Auch wollte ich ein paar Wochen in Deutschland inkognito in einem Laden Schuhe verkaufen. Dies wurde mir alles gewährt. Also plante ich mit BALLY France, BALLY England, BALLY Belgien und BALLY Holland zweckmässige Aufenthalte für meine Information und Ausbildung. Mit Herrn Paluch von BALLY Deutschland plante ich die Inkognito-Aus­bil­dung als Praktikant in Münchner Filialen. Nur die zwei involvierten Filialleiter waren über den wahren Grund meines Aufenthaltes orientiert, denn ich wollte genau wie ein ganz normaler Schuhverkäufer behandelt werden.

Mit grossem Schmunzeln denke ich an die Zeit in Deutschland zurück, zuerst 10 Tage im Luxusgeschäft Theatinerstrasse München. Als ich an meinem ersten Arbeitstag den Mitarbeitern als Praktikant vorgestellt wurde, hatte ich schon etwas Hem­mungen und staunte über meinen Mut, biss mich dann aber tapfer durch. Ich bemerkte bald eine Verkäuferin, die mir nicht nur sehr sympathisch, sondern die auch sehr tüchtig war. Ich fragte sie, ob ich mich mit meinen Fragen jeweils etwas an sie halten dürfe, was sie gerne tat. Ich fand dann heraus, dass sie eine Ausbildung als Lehrerin genossen, dann aber keine Arbeit gefunden hatte. Den Job als Schuhverkäuferin, den sie als Übergangs - Job angenommen hatte, gefiel ihr aber so gut, dass sie bei BALLY blieb und sich zur ersten Verkäuferin emporgearbeitet hatte. Von ihr hörte ich viel Wissenswertes, wie es im Schuhverkauf so zu und her geht, über die Hackordnung im Laden, usw. Sie half mir auch am Anfang beim Bedienen, und war so etwas wie eine „Patin“ für mich.

Selbstverständlich gab es in meiner Situation wunderbare Erlebnisse: Am zweiten Tag beispielsweise klopfte mir am Nachmittag, nach einem Gespräch, meine „Patin“ plötzlich auf die Schulter und sagte: „Kommen Sie, ich zahle Ihnen einen Kaffee, einen so alten Praktikanten hatten wir noch nie“! Selbstverständlich liess ich mir den Kaffee bezahlen, und spielte schön bescheiden weiter den Praktikanten.

Oder einmal trat eine Frau ins Geschäft, der ich mich vorbildlich anbot, ob ich sie bedienen dürfe. Ich durfte! Ich hatte nicht bemerkt, dass beim Eintritt dieser Person alle meine Kolleginnen und Kollegen sanft verschwunden waren. Ich bediente diese Dame sicher eine Stunde lang. Sie wollte, sich von den unendlich vielen, probierten Schuhen fünf Paar bis am Abend reservieren lassen, da sie sich im Moment nicht entscheiden könne. Sie wollte noch in einem anderen Geschäft nachsehen, und in ca. 2 Stunden wieder kommen. Als ich die 5 Paar beiseitelegen wollte, lachten alle meine Kolleginnen und halfen mir beim Versorgen auch dieser 5 Paar im Lager. Diese Dame wäre ihnen bestens bekannt. Sie käme immer dann Schuhe probieren, wenn es ihr langweilig sei, sie hätte aber noch nie auch nur ein einziges Paar gekauft! Darum waren sie also alle verschwunden, denn normalerweise gilt im Laden ein klarer Turnus, wer beim Bedienen drankommt. Da die Verkäuferinnen einen Umsatzbonus erhalten, sind sie am Verkaufen sehr interessiert!

Einmal pro Woche trafen sich die drei Filialleiter von BALLY in München im Franziskaner zur Brotzeit, und da war ich jeweils auch eingeladen. Hier wurden während ca. einer halben Stunde in lockerer Atmosphäre alle geschäftlichen und privaten Dinge besprochen, welche anstanden, sowie Gerüchte und lustige Geschichten ausgetauscht usw. 

Horst Paluch als Firmenchef Deutschland hatte dann aber plötzlich das Gefühl, dass ich für die Schweiz in München wahrscheinlich gar nicht optimal vorbereitet werde. Die Münchnerin und der Münchner wären sehr grosszügig, viel grosszügiger als die knauserigeren Schweizer. Ich müsste unbedingt noch eine Woche nach Stuttgart: Die Schwaben dort wären den Schweizern in ihrer Knauserigkeit ähnlicher. Das leuchtete mir ein. Ich kürzte zwar meinen Aufenthalt in München nur ungern ab, denn ich fand München eine grossartige Stadt. Ich traf dort auch HJK (Hansjürg Keller) wieder, und lernte auch seine zukünftige Gemahlin kennen. HJK war aber damals bereits am Einarbeiten seines Nachfolgers und auf dem Sprung zu BALLY USA nach New York. Trotzdem hatten wir zusammen ein paar tolle Abende und auch ein Wochenende. Fischli wollte für ein verlängertes Wochenende nach München kommen, war aber krank geworden und lag zuhause im Bett. So lud ich mit den bereits gekauften Eintrittskarten für Oper, Schauspiel und Konzert dann halt HJK oder Daniel Reinhard aus der Zentrale ein. Jammerschade!
Die Woche in Stuttgart war dann aber auch ein Erlebnis und wirklich so, wie Horst Paluch gesagt hatte: Geizige Schwaben! Der Unterschied der Kunden zu München war frappant. Und Fischli holte das in München verpasste gemeinsame Wochenende dann in Stuttgart nach.

Bei meinem Besuch in England zeigte mir Philipp Watson alles, was ich sehen wollte. Er fuhr mit mir sogar nach Schottland, um mir seine Lieblingsgeschäfte in Glasgow und Edinborough zu zeigen. Er fuhr wie ein Spitzbub und wand seinen grossen Rover auf der Autobahn vollkommen aus, aber immer bei Einfahrten reduzierte er das Tempo und überwachte aufmerksam im Rückspiegel den Verkehr. Auf meine Frage auf das „Warum“ erklärte er mir, dass die Polizei jeweils bei Einfahrten stehe und jemanden, der zu schnell fahre, verfolge. Auf meine weitere Frage nach dem „Warum denn dies“ informierte er mich, dass in England ein Temposünder für eine Busse nur dann verzeigt werden könne, wenn ein Polizeifahrzeug mit zwei Polizisten als Zeugen das Fahrzeug mindestens über eine Meile verfolgt habe. Als ich ihm erzählte, dass bei uns versteckte Radarfallen, teilweise auch mobil aufgestellt werden, wo Temposünder automatisch gemessen und fotografiert würden, meinte er mit tief empfundener, echt englischer Empörung: „But this is not fair“! Englische Fairness im Strassenverkehr im Frühjahr 1986! Ob es wohl heute immer noch so ist?

In Frankreich besuchte ich im Herbst verschiedene Geschäfte, nicht nur in Paris, sondern auch in Clermont Ferrand und Montpellier. In Paris lernte ich auch noch die Informatik besser kennen, speziell den auf den Detailhandel ausgerichteten Teil, sowie die Probleme der Verkaufsleitung. Jean André als Chef BALLY France versprach mir sehr kollegial jede Hilfe, die er mir geben könne. Ich hatte seit zwei in Paris durchgeführten Planungskursen immer einen sehr guten Draht zu ihm gehabt.

Die Zeit als Firmenchef der BALLY Arola AG, Okt. 86 bis Mai 92
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12.4.  Beruf 4: BALLY 1977-1993 – Die Zeit als Firmenchef der BALLY Arola AG, Okt. 86 bis Mai 92.

12.4 Die Zeit als Firmenchef der BALLY Arola AG, Oktober 1986 bis Mai 1992

Die Zeit der Firmenübergabe von Rolf Trüb zu mir rückte nun näher. Abmachungsgemäss wollte er mich im September 1986 an der Messe in Bologna zum ersten Mal den wichtigsten BALLY-Lieferanten vorstellen, und 1 Woche nach Bologna sollten die zwei Einführungs-wochen bei der Arola beginnen, wo er mich in die Aufgabe einführen wollte.

Ich reiste von Paris direkt nach Bologna, erfuhr aber bei meiner Ankunft im Hotel, dass Rolf Trüb krank im Hotelbett liege, und er mich nicht einführen könne. Obwohl ich in Bologna war, hatte Rolf Trüb keine Minute Zeit für mich, auch als er nicht mehr krank im Hotelzimmer war. Ich sah ihn gar nie. Ich musste deshalb auf eigene Faust an die Messe gehen, und bald einsehen, dass ich - zwar immer noch in der gleichen Branche – aber nach fast 10 Jahren im Stab komplett weg von Produkt und Lieferanten, d.h. wirklich weg vom Fenster war. Ich musste mich wieder echt einarbeiten.
Ich hielt mich in Bologna deshalb ein erstes Mal stark an Ewald Kaufmann, den ich von meiner Zeit bei GROWELA her als BALLY Einkäufer kannte und der mir seinerzeit die ersten handgefertigten, warm gefütterten Winter-Clogs aus Portugal abgekauft hatte. Im Einvernehmen mit Karl Schmid und Alfred Niederer hatte ich ihn bereits als neuen Einkaufsdirektor vorgesehen. Dann war zum Glück auch Georges Renaud in Bologna, der neue Verkaufsdirektor, den ich ebenfalls auf einem Messerundgang besser kennen lernen durfte, und selbstverständlich die Chefs der drei Verkaufslinien sowie alle Einkäufer. Schliesslich nahm ich es als Chance wahr, mich bei Mitarbeitern und Lieferanten selbst persönlich vorzustellen und erste Kontakte zu knüpfen. Verschiedene Lieferanten fanden es befremdend, dass ich nicht durch Rolf Trüb an der Messe vorgestellt wurde. Es war mir in Bologna aber klar geworden, dass ich künftig in Rolf Trüb, der neu nun im Gruppenstab die Nachfolge von Tom Oederlin antrat, nicht nur keinen Freund, sondern einen gewichtigen Gegner hatte.

Auch zurück in Zürich fand dann keine Übergabe der Verantwortung für die BALLY Arola AG statt. Rolf Trüb wollte einfach keine Zeit haben, und ich war absolut machtlos. Ich orientierte darüber wohl Alfred Niederer, den neuen gemeinsamen Chef der Konzerngruppe BALLY, doch dieser sprach leider kein Machtwort, wie er dies in den kommenden Jahren noch so oft nicht tun sollte! Rolf Trüb hatte unter Niederer immer eine ganz spezielle Vorzugsstellung innerhalb der Gruppe inne, speziell noch, wenn es sich um Arola-Belange handelte, wahrscheinlich deshalb, weil der Ingenieur Alfred Niederer in der Schuhbranche absolut neu und dauernd auf das Schuh­wissen von Rolf Trüb angewiesen war.

Einmal gegen Abend hatte er dann ausnahmsweise doch noch eine knappe halbe Stunde Zeit und übergab mir kommentarlos das Dossier mit den Personalakten sowie die Schlüssel zum Schrank mit den vertraulichen Akten. Und das war es dann. Kein Wort über laufende Projekte, kein Wort über den Einkauf, mit welchem er die Firma doch sehr erfolgreich geführt hatte. Wie ich dann bei der Einarbeitung sehen sollte, hatte er alles, was nicht mit dem Produkt und dem Einkauf zu tun hatte, dem Finanzchef Hans Müller delegiert, welcher deshalb mit grosser Sicherheit auch der Ansicht gewesen war, dass er zum neuen Firmenleiter ernannt werde und mich auch nicht gerade mit offenen Armen empfing. Und da war dann auch noch der Linienchef der Linie II, Marcel Dubach, der von Rolf Trüb scheinbar bereits das mündliche Versprechen seiner Nachfolge erhalten hatte. Über­haupt, es sollte bei meiner Einarbeitung noch sehr viele Überraschungen geben. So wie Rolf Trüb dem Finanzchef Hans Müller die halbe Firmenleitung inklusive Expansionspolitik delegiert hatte und ihn dies absolut selbständig und ohne Kontrolle machen liess, hatte Müller seinerseits die Buchhaltung, die Planung und die Organisation komplett an Urs Gloor delegiert. Und Urs Gloor war als mein Nachfolger als Stabsbereichsleiter PO an BALLY International AG transferiert worden, sodass nicht nur im Einkauf, sondern auch bei Hans Müller in der Finanzabteilung ein sehr grosses Loch entstand. Ferner schaltete und waltete Walter Wyser in den Marketingdiensten wie ein kleiner König und machte Werbung und Schaufensterdekoration praktisch im Alleingang. Selbständige Mitarbeiter sind wunderbar, aber nur, wenn sie im Konsens mit der Geschäftsleitung agieren. Und diese Ge­schäftsleitung existierte nur auf dem Papier.
Rolf Trüb nahm schliesslich entgegen allen Abmachungen mit BALLY International AG auch seine Büromöbel mit, das heisst eben nicht ganz alle, denn er bekam an der Dreikönigstrasse ein viel kleineres Büro als er es bei der Arola gehabt hatte. Als ich am ersten Montag im Oktober 1986 zur Arbeitsaufnahme an die Lerchenstrasse fuhr, standen im Büro des Firmenleiters nur noch zwei Aktenschränke und drei Stühle. Das war mir am Schluss sogar recht, so musste ich nicht seine Prunkmöbel übernehmen und konnte eine zweckmässige, auf meine Bedürfnisse abgestimmte mir eher entsprechende Bürokombination kaufen. Aber die Art und Weise, wie dies geschehen war, entsetzte mich. Ich versuchte die Kosten für den Möbelersatz auf BALLY International abzuwälzen, aber auch hier unternahm Alfred Niederer wieder einmal nichts, BALLY AROLA musste die ersetzten Möbel des neuen Firmenchefs selbst bezahlen!

Im Gegensatz zum Mobiliar durfte ich Rolf Trübs Sekretärin Fräulein Agnes Egli übernehmen, eine ca. 60-jährige, unverheiratete und ausgesprochen hilfsbereite Dame. Diese war vom Wechsel zu mir hoch erfreut, denn sie hatte unter Rolf Trüb wahrscheinlich wirklich nichts zu lachen gehabt. Sie erzählte mir später von und mit Rolf Trüb Geschichten, die für das letzte Quartal des 20. Jahrhunderts absolut unglaublich sind. Nur ein einziges Beispiel: Er hätte sie einmal etwas gefragt, worauf sie nicht mit absoluter Sicherheit antworten konnte, und hatte ihre Antwort deshalb mit den Worten begonnen: „Ich denke, dass...“ Da unterbrach sie Rolf Trüb sofort und sagte: „Sie sind nicht fürs Denken bezahlt, das mache ich, Sie müssen nur wissen und ausführen!“

In diesem Sinn ergab sich in vielen Gespräche mit Mitarbeitern des Einkaufs und des Verkaufs, dass sie über den Wechsel in der Firmenleitung nicht unglücklich waren, da Rolf Trüb vor allem im Einkauf diktatorisch alles und jedes selbst bestimmt hatte. Anders im Rechnungswesen, und zum Teil auch im Verkauf, wo ich mehr Einfluss nehmen wollte als dies Rolf Trüb getan hatte. Fairerweise möchte ich aber festhalten, dass Rolf Trüb mit seiner AROLA sehr erfolgreich gewesen war. Drei Monate lang pflegte ich bescheiden „Lose, Luege, Laufe“, lernte meine Leute besser kennen, und konnte dann langsam die Zügel selbst in die Hand nehmen.

Eine der ersten Konfrontationen war selbstverständlich vorprogrammiert, jene mit dem Geschäftsleitungsmitglied und Finanzchef Hans Müller. Er konnte sich als langjähriges Geschäftsleitungsmitglied mit unwahrscheinlich grossen und umfangreichen Kompetenzen kaum damit abfinden, nicht Firmenleiter geworden zu sein, und vor allem, dass er jetzt neu auf verschiedenen Gebieten, welche ich im Gegensatz zu Rolf Trüb selbst in der Hand behalten wollte, nicht mehr selbständig entscheiden konnte und mich fragen musste. Damit musste er vor allem auch gegen aussen Macht abtreten. Ich merkte auch, dass Hans Müller mir gegenüber falsch war, und hinter meinem Rücken gegen mich arbeitete. Eigenartigerweise war man auch bei BALLY International AG immer hervorragend über Arola-Internas orientiert. Praktisch war dies nur über den Kanal Müller - Gloor - Trüb möglich, da sonst niemand ein Interesse daran haben konnte, unsere Internas auszuplaudern und mir zu schaden! Nach ca. einem Jahr musste ich deshalb vom Gruppenchef Alfred Niederer verlangen, Hans Müller als Finanzchef ersetzen dürfen. Niederer hatte aber unter Einfluss von Rolf Trüb zu wenig Vertrauen in mich, fürchtete, dass ich noch zu wenig Rückhalt in der Firma hätte und lehnte ab. Ich musste mich also arrangieren und mich auf einen Kleinkrieg einstellen, was ich doch so sehr hasste. Neben diesen negativen Aspekten, vor allem im Zusammenhang mit BALLY International, gab es aber Arola-intern viel Erfreuliches:

Die Verkaufsabteilung unter dem zweiten Geschäftsleitungsmitglied Georges Renaud stand mit Ausnahme von Marcel Dubach voll hinter mir. Die Leute freuten sich, dass man neu nun plötzlich Verschiedenes in Frage stellen und auch experimentieren durfte. Administrativ und organisatorisch musste ich schon ein Auge auf dem Verkauf haben, denn die Stärken von Herrn Renaud lagen vor allem in der Motivation des Ladenpersonals und im Verkaufen selbst. Die engsten Mitarbeiter von Herrn Renaud waren auch nicht über alle Zweifel erhaben. Von Marcel Dubach war schon die Rede, und der zweite Verkaufsleiter wurde in meinem ersten Jahr pensioniert und dem dritten musste ich kündigen. Auch die Verkaufsadministration musste unter eine neue Führung gestellt werden.

Der dritte Mann in der Geschäftsleitung war der Direktor der Einkaufsabteilung Schuhe
Ewald Kaufmann. Sein Verantwortungsbereich machte mir viel Freude. Ewald Kaufmann war glücklicherweise sowohl im Produkt wie in der Administration sehr gut und ein absoluter Profi, sodass ich viel von ihm lernen und ihn voll machen lassen konnte. Er war bezüglich dem Produkt Schuh mein bester Gesprächspartner. Nur die systemimmanente Auseinandersetzung Einkauf – Verkauf machte ihm etwas Mühe. Er war im Sternzeichen Krebs geboren, war aber viel mehr Krebs als ich, obwohl er nur 4 Tage jünger war! Er hasste jegliche Auseinandersetzungen und ging ihnen möglichst aus dem Weg. Wenn er angegriffen wurde, ging er jeweils zu wie eine Blume und wehrte sich viel zu wenig, auch wenn er im Recht war!

Die Damenoberbekleidung DOB wurde bei meiner Übernahme von Frau Heidi Dierauer geleitet, die zusammen mit Rolf Trüb de DOB-Bereich neu aufgebaut hatte. Frau Dierauer war eine ausserordentlich tüchtige Dame auf ihrem Fachgebiet, aber nicht nur mit Haaren, sondern mit Stahlspänen auf den Zähnen. Sie wollte nach dem Abgang von Rolf Trüb auch aufhören und etwas Neues anfangen, was mir recht war. Sie suchte noch für mich in Frau Kneller eine ebenso tüchtige und kompetente, aber wesentlich liebenswertere und pflegeleichtere Nachfolgerin, in meinen Augen ein absoluter Glücksfall. Frau Kneller war zudem administrativ und führungsmässig absolute Spitze, was bei Modeleuten nicht sehr häufig der Fall ist.

Die Herrenoberbekleidung HAKA und die Accessoires wurden anlässlich meiner Übernahme von Jordi Mäder, einem bereits über 60-jährigen Verwandten von Rolf Trüb geleitet. Herr Mäder hatte einen hervorragenden Geschmack und eine gute Nase für kommende Trends, war aber administrativ unbrauchbar. Scheinbar war er voll von Rolf Trüb abhängig gewesen, was mir aber Rolf Trüb, wie übrigens noch so Vieles, leider vorenthalten hatte. Anlässlich des ersten selbständigen Einkaufs lief Herr Mäder in eine furchtbare Überstockung hinein, sodass hier offensichtlich Handlungsbedarf dringend war. Es ergab sich dann später mit der Bewerbung von Frau Steffani die Möglichkeit einer frühzeitigen Pensionierung. Wir hatten zum Glück da­mals noch einen Fonds für Härtefälle...

Für die Accessoires war die Assistentin von Jordi Mäder, Frau Sonja Wenger zuständig. In ihr hatte ich eine Seele von einer Frau, administrativ aber benötigte auch sie, wie ihr Chef, viel Hilfe. Sie war auch ehrlich genug, mir dies von allem Anfang an zu sagen, sodass man Vorkehren treffen konnte. Deshalb unterstellte ich mir Frau Wenger relativ bald direkt.
Innerhalb der Firma bestand noch eine Handtaschenfabrik Corina. Anfänglich war ich, der ja von der Fabrikation her kam, hoch erfreut, dass ich im Haus auch noch einen kleinen Produktionsbetrieb besass. Frau Wenger hatte die sehr schwierige Aufgabe, für die Aufträge dieser Handtaschenfabrik verantwortlich zu sein, was sie sehr belastete. Der frühere grosse Verkaufsschlager, zu eleganten Schuhen auch die dazu koordinierte Handtasche - mit gleichem Leder und gleicher Farbe - zu verkaufen, lief wesentlich weniger gut als früher. Nur noch selten wurden koordinierte Handtaschen verkauft, man liebte eher frechere Kombinationen. So ergaben sich für die Handtaschenfabrik sowohl ein Créations- wie auch ein Auslastungsproblem. Dieses Auftrags- und Auslastungsproblem für die Handtaschenfabrik und damit der Stress und der Druck für Frau Wenger wurde so gross, dass sie Gefahr lief, daran zu zerbrechen. Zudem fuhr die Fabrik jedes Jahr einen Verlust von zwischen einer halben und einer ganzen Million Franken ein.
Ich beantragte deshalb dem Gruppenchef, die Handtaschenfabrik zu schliessen oder mindestens zur BALLY Produktion nach Schönenwerd zu transferieren. Auf dem Platz Zürich mit den hiesigen horrenden Löhnen eine Handtaschenfabrik zu betreiben war ein Unsinn. Hier kam der Gruppenchef Niederer wieder einmal als Zauderer zum Vorschein: Wahrscheinlich nach Gesprächen mit Rolf Trüb befahl mir Niederer, die Fabrik weiter zu betreiben. Als ich nach einem weiteren Jahr einen Verlust von über 1 Mio Franken ausweisen musste, beantragte ich wieder die Schliessung, und wieder durfte ich nicht. Für die Auslastung werde mir Rolf Trüb für Deutschland, Österreich, Belgien und Holland genügend Aufträge geben. Als ich nach einem weiteren Jahr von Rolf Trüb ausser für eine Vielzahl von Mustern keinen einzigen Auftrag erhalten hatte und eine weitere Mio Franken Verlust ausweisen musste und diesen Verlust auf den Verursacher, die BALLY International abschieben wollte, durfte ich die Fabrik dann endlich schliessen. In der Zwischenzeit hatte ich durch Niederers Zaudern und nicht gehaltenen Versprechen von Rolf Trüb gegen 3 Mio. Franken verloren, die ich anderweitig wettmachen musste.

Kurz vor meinem Eintritt hatte nach Dr. Oppigkofer Herr Heinz Kaufmann die Verantwortung für das Personalwesen übernommen. In ihm, den ich mir als besonders engen Mitarbeiter sofort selbst unterstellte (unter Rolf Trüb war der Personalchef selbstverständlich auch dem „Vizefirmenchef“ Hans Müller unterstellt), hatte ich ein perfektes, soziales Gewissen zur Verfügung. Wir verstanden uns sehr gut, auch wenn er in meinen Augen leider immer etwas darunter litt, dass ich seiner Meinung nach dem Personalwesen nicht die überragende Bedeutung im Unternehmen zuschrieb, wie er es gerne gesehen hätte. Die Zusammenarbeit war aber immer hervorragend.

Als Chef der Marketingdienste hatte ich in Herrn Walter Wyser einen guten Werbe­fachmann als Stabschef. Er leitete auch die Dekorationsabteilung. Herr Wyser war ungeheuer ehrgeizig und wollte unbedingt Marketingchef der Firma und Mitglied der Geschäftsleitung werden, und begriff meiner Meinung nie, dass in einem Detailhandels - Unternehmen der Firmenleiter selbst der Marketingchef ist, dass die Marketingdienste aber als Stabsabteilung analog Verkaufsdienst, Kundendienst, Reklamationswesen usw. sehr wichtig wären. Er preschte auch mit seiner Profilneurose immer wieder vor, leider auch gegen aussen. Einmal hatte er beispielsweise ohne Segen der Geschäftsleitung bereits die mündliche Zusage als Sponsor des CHIO im Hallenstadion gegeben, was er dann zu seinem Leidwesen wieder rückgängig machen musste. Auch musste ich ihm immer wieder klar machen, dass das Wort Dienste von Dienen kommt, und er für diese Dienste verantwortlich war. Er hatte diese Dienste auch wirklich gut im Griff und erntete von mir viel Lob dafür. Das genügte ihm aber nicht, denn er wollte Marketingchef und auch Mitglied der Geschäftsleitung sein. Da dies für ihn so schwer zu akzeptieren war, ergaben sich mit der Zeit zwangsweise Schwierigkeiten, was schlussendlich auch zu seiner Ablösung führte. 

In der Informatik hatte ich in Herr Fritz Surber einen Mann von Hans Müllers Clan, undurchsichtig und schwierig. Ich hatte eigentlich fest im Sinn gehabt, mir die Informatik direkt zu unterstellen, vor allem, um die Warenbewirtschaftung selbst im Griff zu haben. Ich schreckte aber immer wieder davor zurück, weil der Hauptaugenmerk der Informatik bisher klar im Rechnungswesen lag und ich dort direkt hätte in eine Blase von Hans Müller hinein stechen müssen. Bei den vielen laufenden Projekten und Umorganisationen wollte ich mir aber nicht noch eine weitere Baustelle mehr aufreissen.

Bei meinem Eintritt stellte ich in allen Bereichen ein ausgesprochenes Hierarchiedenken mit viel Unselbständigkeit fest. Ausser jenen Mitarbeitern, denen mein Vorgänger meines Erachtens viel zu viele Vollmachten delegiert hatte und die er absolut frei schalten und walten liess, hatte er bei den Übrigen bis weit hinunter in der Hierarchie mit grosser Akribie bis ins kleinste Detail alles selbst bestimmt. Die Leute waren überhaupt nicht gewohnt, mitzudenken (Siehe oben Frau Agnes Egli!). Die Leute kamen jetzt plötz­lich für alles mich fragen. Schon bald sprach sich aber herum, dass meine Reaktion auf solche Fragen immer die Gegenfrage war: „Was schlagen Sie vor? Sie sind ja viel näher am Problem als ich!“ Damit die Mitarbeiter in der Lage waren, selbst zu entscheiden oder wenigstens konkrete Vorschläge zu machen, mussten sie aber auch viel besser informiert sein. Also musste ich dringend das Informationswesen reorganisieren.

Nach meiner Einarbeitung wurde die Firma zwar zu einer riesigen Baustelle, ich fühlte mich aber im Element. Der Erfolg war ja eigentlich da, aber ich glaubte, die Erbringung dieser Dienstleistung optimieren zu können. Wieder einmal hatte ich keinen gepflegten Garten, sondern einen Acker vorgefunden, auf welchem ich mit schweren Maschinen ackern sollte und auch konnte.

Mein Curriculum Vitae enthält für diese Periode folgende, wesentlichste Projekte, welche ich jeweils noch kurz kommentiere:

  • Erarbeitung einer Marktbearbeitungsstrategie für den Markt Schweiz mit nur noch 2 Linien: Aufgrund einer umfassenden Marktstudie durch das Marktforschungsinstitut "Demoscope" Adligenswil, unter Verwendung von "Soziogrammen" und der neuen PKS-Studie ("Psychologisches Klima der Schweiz") wurden zwei verschiedene Kundensegmente mit zwei sich leicht überschneidenden Angebo­tspaletten in drei verschie­denen Ladentypen angesprochen. Jede Linie besass je eine Einkaufs- und Verkaufsorganisation. Die Firma wurde unter meinem Vorgänger in drei unabhängig voneinander einkaufenden und verkaufenden Ladengeschäftsgruppen, sogenannten „Linien“ organisiert:  Eine Linie 1 „Luxus“, eine Linie 2 „Prestige“ und eine Linie 3 mit dem Rest der Ladengeschäfte, alle äusserlich und preislich relativ tief liegend. Wir arbeiteten in der Folge sehr eng mit dem Marktforschungs­institut Demoscope und ihrem Chef Dr. Werner Wyss zusammen! Entsprechend einer umfangreichen Marktstudie mit Demoscope und anschliessenden, intensiven Gesprächen, organisierten wir die Firma auf eine Struktur mit zwei Linien um. Diese Organisationsform, welche vom Marktauftritt her für die Kunden verständlicher sein sollte, war aber auch noch kostengünstiger, da auf eine separate Gruppe Einkäufer samt Warendisponenten verzichtet werden konnte. Zusammen mit dem Verkauf begann ich gleich­zeitig, übrigens sehr entgegen der Meinung von Hans Müller, unrentable, zu nahe beieinander liegende und/oder vom Marktauftritt her als „nicht BALLY-würdig“ taxierte Ladengeschäfte zu schliessen. Bei dieser Umorganisation wurde Marcel Dubach, der bei meiner Ernennung übergangene Firmenleiter und sehr selbstherrlich agierende Verkaufsleiter der Linie 2 überzählig und ich brachte ihn dazu, zu kündigen. 
  • Erarbeitung eines neuen Logistik-Konzeptes für den Warennachschub, Autorefill, d.h. Anpassung der Lagerhaltung an die modernen Möglichkeiten der Informatik. Dies er­möglichte, in den Ladengeschäften bei Umbauten auf Kosten der Lagerfläche mehr Verkaufsfläche zu schaffen.Früher wurde aufgrund von Erfahrungszahlen budgetiert, wieviel Schuhe, Accessoires und Bekleidung ein Ladengeschäft nächste Saison verkaufen sollte. Dem entsprechend erfolgte die Warenzuteilung. Bis auf ein paar Grundartikel, welche ab Zentrallager nachgeliefert werden konnten, bekam ein Ladengeschäft praktisch alle Schuhe an Lager, welche es nach Ansicht von Einkäufer und Disponent pro Saison verkaufen sollte. Für ein Ladengeschäft war der Anteil an Lagerfläche damit ca. 55%. Neben Büro und Aufenthaltsraum blieben als Verkaufsfläche dann meistens nur noch ca. 25 bis 40% übrig. Mit der Einführung der elektronischen Kassenterminals war es möglich, ein verkauftes Paar Schuhe in der bestimmten Grösse, Weite und Farbe innerhalb zwei Tagen im Laden zu ersetzen. Abends nach Arbeitsschluss wurden die Verkaufsdaten ab dem Kassenterminal abgesogen, automatisch die Lieferscheine pro Artikel und Ladengeschäft ausgedruckt, sodass am nächsten Morgen im Zentrallager mit der Zusammenstellung des nächsten Transportes begonnen werden konnte. Damit konnte man dem Laden anfangs Saison eine Erstausstattung an Ware geben, welche dann in der Saison nach einem Verkauf laufend ersetzt wurde, solange es den Artikel am Zentrallager gab.Die Einführung dieses sog. „Refill“-Systems hatte zur Folge, dass anlässlich Umbauten überall die Verkaufsflächen zulasten der ehemaligen Lagerflächen massiv vergrössert werden konnten.
  • Initiierung und Realisierung des Projektes "MAX BALLY" zur Ansprache eines neuen Kundensegmentes und Verjüngung des Bally Markenimage: Erarbeitung (in einer internen Arbeitsgruppe) eines neuen Einkaufs- und Verkaufskonzepts für ein selbständiges, frecheres und jüngeres Schuh- und Bekleidungsangebot mit teilweise eigenem Produkt-Label und eigenem Ladenbaukonzept.Das normalerweise von BALLY angesprochene Kundensegment war altersmässig praktisch "über 40", mit Schwergewicht sogar "über 50" und nach oben unbegrenzt. Wenn wir eine jüngere Kundschaft ansprechen wollten, musste man modischere, jüngere Produkte anbieten, und preislich durften diese ebenfalls nicht nach oben ausreissen!                                Ich stellte 1987 eine Arbeitsgruppe zusammen, in welcher ich die besten jüngeren Kaderleute aus allen Abteilungen des Unternehmens Einkauf und Verkauf Schuhe, Accessoires, Bekleidung und Sport, Rechnungswesen, Informatik sowie Schaufensterdekoration zusammennahm. Ich erteilte der Arbeitsgruppe den Auftrag, ein BALLY Ladengeschäft zu planen, in welchem es ihnen allen vom Produkteangebot und von der Ambiance her wohl sein sollte und sie dort gerne einkaufen würden. Mit dazu gehören sollte auch ein die Einführung begleitendes Werbekonzept. Als Projektleiter setzte ich Herrn Erich Engeli, einen HWV-Absolventen und ehemaligen Textiler ein, welcher nach einer zweijährigen Betriebsaspiranten - Ausbildung in der Firma dann zuerst Einkäufer für Herrenschuhe und anschliessend Verkaufsleiter der Linie 3 gewesen war. Die Geschäftsleitung war in der Arbeitsgruppe bewusst nicht vertreten, denn es sollten keine ausgetrampelten Pfade benutzt, sondern neue Wege gefunden werden, was bei einigen GL-Mitgliedern mindestens Kopfschütteln hervorrief. Ich setzte mich am Anfang als stiller Zuschauer in eine Ecke und schaute dem munteren Treiben zu. Als ich merkte, dass die Leute Schwierigkeiten hatten, miteinander Ideen zu entwickeln, ohne sie gleich sofort wieder zu killen, gab ich der Arbeitsgruppe einen aussenstehenden Betriebspsychlogen als Coach bei, mit dem die Gruppe grosse Fortschritte machte, nicht nur in der Diskussionskultur sondern es kamen auch langsam Resultate zum Vorschein, welche zu grossen Hoffnungen Anlass gaben. Der Projektleiter wurde von der Aufgabe sehr gefordert, wuchs aber auch an ihr, sodass ich ihn später als Leiter dieser neuen Ladenkette, und noch später als Leiter für den gesamten „Nichtschuhbereich“ einsetzen konnte. Für das Ladenbaukonzept wollte zuerst die Arbeitsgruppe ebenfalls selbst unter Federführung des Chefs Schaufensterdekoration verantwortlich zeichnen. Ich überzeugte die Gruppe dann aber, einen Architekturwettbewerb durchzuführen, wobei sie sich selbstverständlich mitbeteiligen konnte.                                                                                              Für das Werbekonzept wurde ebenfalls ein Wettbewerb ausgeschrieben, wobei nicht die normalerweise für BALLY erfolgreich arbeitende Werbeagentur gewann, sondern ein junges Team, welches eine entsprechend freche und im Auftritt aussergewöhnliche Kampagne vorschlug. Auch der Name, die Marke wurde von dieser Agentur vorgeschlagen, welche zuerst „88 by BALLY“, im nächsten Jahr „89 by BALLY“ usw. hiess. Diese Marke war aber mit beträchtlichen, jährlichen Änderungskosten verbunden und es machte Ware, die so gestempelt wurde, nach einer ersten Saison zwangsläufig alt, auch wenn sie modisch noch absolut aktuell war. 1990 wurde dann unter dem Marketing-Guru Mad Max (Max Imgrüth) die Marke auf „Max BALLY“ geändert.                                                                                                 Schlussendlich hatten wir ein Konzept, hinter welches sich nach einer internen Präsentation vorbehaltlos auch die Geschäftsleitung stellte. Wir präsentierten das Projekt dann auch der Gruppenleitung, welche auf Initiative von meinem Vorgänger Rolf Trüb (von wem sonst) noch Änderungen erzwang, dafür dann aber unser Konzept als für „BALLY weltweit“ gültig deklarierte, was uns natürlich hoch erfreute. Dies hinderte Rolf Trüb aber gar nicht, unter diesem Markennamen in München und Stuttgart sofort ein ganz anderes, in unseren Augen absolut profilloses Konzept zu realisieren, wohlverstanden aber ohne sich einem ähnlichen Bewilligungsverfahren bei der Gruppenleitung unterziehen, wie wir dies hatten tun müssen, und in welchem wir alles und jedes zu begründen und zu rechtfertigen hatten. Auch Jean André realisierte in Paris und in Montpellier ohne jede Bewilligung unter dem gleichen Namen ein eigenes BALLY France Konzept, welches ebenfalls auch eine gewisse Eigenständigkeit hatte, aber im Gegensatz zu Deutschland nicht schlecht war. Aber dadurch fehlte bei einem Wachstum später die Einheit gruppenweit. Für mich absolut unverständlich tolerierte Alfred Niederer als ober­ster BALLY Chef diese Faits accomplis und Eigenbrötlereien von Rolf Trüb und Jean André. In einem normalen Bewilligungsverfahren hätte ich als Mitglied der Gruppenleitung die Möglichkeit gehabt, zu intervenieren, so wie es seinerzeit bei unserem Konzept meine lieben Kollegen in der Gruppenleitung Rolf Trüb und Jean André ausgiebig getan hatten, aber dazu liess es Niederer gar nicht kommen. Ich pokerte mit der Umgestaltung des BALLY Rivoli, dem zweitgrössten Zürcher Ladengeschäft in eine erste Max BALLY Filiale sehr hoch, es sollte sich aber als Glücks­fall erweisen, denn wir hatten sofort Erfolg damit. Nach und nach kamen je ein Laden in Bern, Genf und Basel dazu, und wir lagen bei der Realisierung schön auf Budget. Das Verkaufspersonal und die jungen Filialleiter rissen sich um die Jobs in diesen Geschäften, und Erich Engeli leitete diese neue Ladenlinie souverän...             … bis Ende 1991 Hans Widmer als Verwaltungsratspräsident unserer Muttergesellschaft Oerlikon-Bührle Holding nach dem Abgang des Gruppenchefs Alfred Niederer die Konzerngruppe BALLY selbst führte. Mit einigen, zwar noch von der alten Gruppenleitung angestellten neuen Mitarbeitern auf Gruppenstufe, die aber jetzt nur noch auf Hans Widmer hörten (Es waren dies der Designer Erich Biehle, der Logistiker Hans Zängerle und der Werber Urs Jaermann) befahl Hans Widmer als erstes, die Linie Max BALLY zu schliessen. Die unglaubliche Begründung war, dass die normalen BALLY Geschäfte neben diesen jungen Max BALLY Läden noch älter aussähen! Dies tat sehr weh! Der hervorragende Leiter von MAX BALLY, Herr Erich Engeli, kündigte auf der Stelle, als er die Nachricht hörte, und zwar ohne eine andere Stelle in Aussicht zu haben. Der Grundsatz, dass bei unverständlichen Entscheiden des Managements die besten Leute am schnellsten kündigen, sollte sich in den kommenden Monaten sehr bewahrheiten!
  • Lancierung einer eigenen BALLY Sportbekleidungs-Linie und Stos­sen des Bereiches Sportschuhe, bei gleichzeitiger Verstärkung des Sport-Sponsoring mit den beiden Tennis-Assen Jakob Hlasek und Marc Rosset. Ziel war auch hier: Verjüngung und Dynamisierung der Marke BALLY.                                                                     BALLY International hatte noch unter Walter Kinzelbach zur Förderung des Verkaufs von Tennis- und Sportschuhen begonnen, Jakob Hlasek und Marc Rosset zu sponsern, die damals zwei besten Tennisspieler der Schweiz. Thomas Sadecky, ein HSG-Absolvent in Betriebswirtschaft war bei den BALLY Schuhfabriken für die Entwicklung der Sportschuhe und die Betreuung der Spieler angestellt worden. Er nutzte seinen Freiraum optimal, das Angebot der BALLY Sportschuhe auszuweiten, zuerst mit BALLY Sporttaschen, mit BALLY Sportsocken und einem BALLY Tennisleibchen etc. Als es dann Jakob Hlasek bis ans Masters in New York reichte, fanden wir vom Detailhandel, es wäre schade, dass während des Spiels die Marke BALLY trotz den Sponsoring-Geldern praktisch nie zu sehen war. Denn während bei den Tennis-Cracks die Schriftzüge aller übrigen Sponsoren an Leibchen und Schweissbändern immer deutlich zu sehen sind, werden die Kameras selten in Grossaufnahme auf die Schuhe gerichtet. Thomas Sadecky kam zu mir und schlug vor, zusammen mit BALLY Arola eine Sportbekleidungslinie zu kreieren, diese in den Ladengeschäften zu verkaufen und dann als Hauptsponsor aufzutreten. Sein Freund Jakob Hlasek wäre damit einverstan-den, und Marc Rosset würde auch mitmachen; und Thomas Sadecky war bereits auch mit der bereits erfolgreichen Martina Hingis in Verhandlung.                                 Durch die bei Umbauten in den Läden geplante Vergrösserung der Verkaufsflächen konnten wir eine neue Linie mit Sportschuhen und Sportbekleidung sehr gut einsetzen. Nach dem geglückten Max BALLY Projekt arbeitete ich mit den Herren Thomas Sadecky und Erich Engeli dieses neue Projekt „BALLY Sport“ aus, welches dieses Mal erstaunlicherweise sehr schnell durch die Gruppenleitung genehmigt wurde, wobei BALLY Arola federführend war.                                                                        Thomas Sadecky wurde von den BALLY Schuhfabriken zu mir transferiert und dem Nichtschuhbreich unter Erich Engeli einverleibt. Sadecky besorgte auch den Weiterverkauf an die übrigen BALLY Gesellschaften. Und siehe, auch dieses Projekt reussierte! Wir lagen mit den Verkäufen von allem Anfang an über Budget, und wir waren sehr stolz, dass die Marke BALLY ab sofort auf den ATP-Turnierplätzen der Welt präsent war. Ich meine, dass mit diesem starken Auftritt der sonst eher behäbigen Marke BALLY eine echte Verjüngung erreicht wurde. Ich trage auch heute noch, mehr als 20 Jahre nach deren Einführung einen Trainingsanzug und Poloshirts von BALLY Sport, und zum Rudern gehe ich immer noch sehr stolz mit einer gros­sen BALLY Sporttasche.                                                                                                           Aber gleichzeitig mit der Linie „Max BALLY“ wurde auch diese Linie „BALLY Sport“ samt Sportsponsoring von Hans Widmer mit seinen Leuten Erich Biehle, Hans Zängerle und Urs Jaermann geschlossen. Daneben wurden auch noch die von jeher geführten übrigen Sport- und Wanderschuhe im Sortiment aufgegeben, was eine rentable Weiterführung der Filialen in Orten wie Davos, Flims, Arosa, Verbier usw. sehr in Frage stellte. Die Begründung dieses Mal war, dass Sportschuhe und Sportbekleidung nicht zur BALLY Marke passten. BALLY wolle sich in Zukunft als Luxus-Marke profilieren!                                                                                                           Hier bahnte sich in den Augen sowohl von uns eingefleischten „BALLYanern“ wie auch von massgebenden Persönlichkeiten der schweizerischen Schuhbranche grosses Unheil an! BALLY als Luxusmarke! Das war bisher BALLY nur in Japan (wo man aus der Not mit den Importkontingenten eine Tugend gemacht hatte) und noch etwas in USA, aber das waren ja nur etwa 8 % des Umsatzes. Für 92 % des Umsatzes stand aber die Marke BALLY für gute Chaussierung, d.h. hervorragende Passform, edle Materialen, hohe Qualität in der Verarbeitung und für flächendeckende Distribution mit eigenen Ladengeschäften und ausgewählten Engroskunden.                                                   Mit der öffentlichen Ankündigung dieses Luxuskonzepts gleichzeitiger „Rationalisierung des Sortiments“ (sprich Anbieten eines Minisortiments) war der Anfang vom Ende der stolzen Marke BALLY eingeläutet! Dass man in den eigenen Fabriken weiter rationalisieren wollte, konnten wir noch verstehen. Dass aber das vor allem im Handel zugekaufte Angebot an Schuhen und Bekleidung im Detailhandel mit Massstäben einer Fabrik-Ratio­nalisation derart zusammengestrichen wurde, dass praktisch keine Auswahl mehr möglich war, dagegen wehrten wir uns vehement, erfolglos wie wir sehen sollten.
  • Schaffung eines homogenen Verantwortungsbereiches "Nicht- Schuhe" für Bekleidung (DOB und HAKA), Accessoires und Sport. Dadurch Erreichung einer markanten Umsatzsteigerung in diesem Be­reich zur Kompensation des aufgegebenen, niedrigpreisigen Schuhsegmentes.                                                                      BALLY hatte unter meinem Vorgänger Rolf Trüb seit 1979 in der Schweiz Bekleidung ins Angebot aufge­nommen, dies nicht zuletzt deshalb, um im Schaufenster und im Ladeninneren ei­ne klare, modische Aussage machen zu können. Obwohl die Schuhleute dies nicht gerne hören: Schuhe sind und bleiben modische Accessoires, und mit Schuhen allein lässt sich schwer modische Kompetenz kommunizieren. Für Schuhe und Leder-Accessoires traute uns der Kunde modisch und qualitativ ho­he Kompetenz zu. Für die Bekleidung hingegen musste BALLY diese Kom­pe­tenz samt dem entsprechenden Kundenvertrauen erst noch erwerben. Man musste dabei viel Lehrgeld bezahlen, und es klappte erst, als man sehr bewusst zuerst kompetente Mitarbeiter einstellte, die dann Bekleidung mit ausgesuchten Prestigemarken in Kleinstmengen im Boutique-Stil anboten. Dabei wur­de versucht, mit der Bekleidung möglichst den glei­chen Kunden anzusprechen wie bei den Schuhen, um auch in diesem Bereich eine Stammkundschaft aufzubauen. Mit Damenbekleidung wurde begonnen, dann kam auch Herrenbekleidung dazu. Nach 10 Jahren wurde in der Schweiz bereits ein Umsatz von CHF 20 Mio erzielt. Die zur Präsentation der Ware benötigten Ver­kaufsflächen wurden jedes Mal bei einem Ladenumbau gewonnen, da infolge der verbesserten Logistik in den Filialen immer weniger Lagerfläche be­nötigt wurde. Auch diente man sich bei den Bekleidungs-Lieferanten nach oben, indem Exklusivität auf einem Platz angestrebt wurde. Wenn zum Beispiel Basel für eine Marke frei wurde, die bisher schon in anderen Städten geführt wurde, bemühte sich BALLY darum, diese auch für Basel zu bekom­men, möglichst exklusiv. So verkaufte BALLY mit Erfolg Marken wie beispielsweise bei Damen­konfektion AKRIS, Trixi Schober, Strenesse etc. und bei den Herren Corneliani, Cerutti, Allegri usw. Durch den Einkauf von Kleinstmengen konnte die anspruchsvolle Kundschaft davon ausgehen, im Konzert oder im Theater der Stadt nicht noch jemanden mit dem gleichen Kleid zu anzutreffen. Dies wurde dadurch erreicht, dass die verschiedenen Grössen auf die Filialen in verschiedenen Städten verteilt wurden. Da man jederzeit wusste, wo sich welche Grösse be­fand, konnten einzelne Teile verschoben werden, wenn nötig. Solche Verschiebungen bedeuteten keine zusätzlichen Personal-Ko­sten, wie Hans Widmer dies irrtümlicherweise immer behauptete. Denn in einem La­dengeschäft gibt es zwischendurch bei noch so optimiertem Personalbestand immer wieder keine Kundschaft, und in diesen toten Zeiten ist es durchaus möglich, Regruppierungen und Warenverschiebungen vor­zubereiten, denn für die Warenbewirtschaftung kommt ja so oder so der Camion je­den x-ten Tag in jedem Ladengeschäft vorbei. Das Handling im Ladengeschäft und die Optimierung dessen Personalbestandes ist sicher sehr wichtig, hat aber nicht die Bedeutung wie in einem Ersatzteillager oder in einer Fabrikation. Ladenper­sonal ist eben nur begrenzt flexibel erhältlich. Ich kann nicht erst rufen, wenn die Kund­schaft da ist und man Verstärkung haben müsste.                                                                   Wie unter meinem Vorgänger waren Bekleidung und Accessoires immer noch direkt mir unterstellt. 1988 hatte dieser Bereich aber eine Bedeutung erreicht, dass ich zu wenig Zeit hatte, mich mit den Führungskräften einzeln über ihre Budgets, über Probleme mit Präsentation und Verkauf, über Einkaufs- und Markenprobleme für einzelne Standorte usw. zu unterhalten und Entscheide zu fällen. Der DOB-Umsatz 1990 betrug 14 Mio Fr, Leitung Frau Ingrid Kneller, der HAKA Umsatz 1990 8 Mio Fr, Leitung Herr Jordi Mäder und der Accessoires Umsatz 1990 16 Mio Fr, Leitung Frau Sonja Wenger! Also fasste ich das Ganze in eine Einheit zusammen, den sog. „Nichtschuhbereich“ und ergänzte diesen mit dem Max BALLY Bereich, später auch mit dem BALLY Sport Bereich, und ernannte Erich Engeli zum ersten Bereichsleiter. Ich war mir bewusst, dass die Organisation im Moment etwas "ad personam" war, es war aber das kleinere Übel, als wenn ich Max BALLY und den BALLY Sport in diesem Projektstadium auseinandergerissen und je den Schuh- und Bekleidungseinkäufern Damen und Herren zugeordnet hätte. Das konnte ich auch später noch immer tun. Ich pflegte zwar weiterhin einen engen Kontakt mit den ehemaligen Mitarbeitern dieses Bereiches, da ich von dorther jeweils die ersten modischen Tendenzen für eine neue Saison erfahren konnte. Der Bereich wurde aber recht selbständig. Ich institutionalisierte auch Modesitzungen mit den Einkäufern Schuhe und Nichtschuhe, um sicherzustellen, dass mindestens teilweise das Angebot aufeinander abgestimmt war!
  • Miteinbezug des Kaders bei wesentlichen Weichenstellungen durch den Abbau des Hierarchiedenkens sowie durch aktive Mitarbeit in Workshops und interdisziplinären Arbeits­gruppen. Voraussetzung dazu war eine sehr offene Informationspolitik, das Zusammenschweissen des oberen Kaders mit einem Management-Impulsprogramm ("Coaching") sowie die gezielte Kaderschulung be­züglich Kenntnissen in Betriebs-abrechnung, Budgetierung und der Durchführung permanenter Budgetvergleiche.                                                                                                   Ich hörte ab Beginn meiner Tätigkeit als Firmenleiter sofort mit der vorhandenen Geheimniskrämerei mit Betriebszahlen auf und ich bekannte mich zur Überzeugung, dass meine Kaderleute stufengerecht eine möglichst umfassende Information über das Betriebsergebnis bekommen sollten. Ich nahm dabei in Kauf, dass hie und da eine Betriebskennzahl bei der Konkurrenz landete, aber ich zog dies dem „Nicht-Informiert-Sein“ der Kader vor. Nur so konnte man offen und klar mit ihnen sprechen.                Ich legte auch einen Schwerpunkt auf die Kaderschulung, und zwar auf Kader in der Zentrale und in den Filialen. In den Budgets wurden auch die dazu notwendigen Mittel bereitgestellt. Ich sparte eher an der Werbung, als dass ich mir die Schulung zusammenstreichen liess. Das aktive Mitdenken liess auch nicht lange auf sich warten und der Spreu sonderte sich vom Weizen. Auf jene, welche nicht mitdenken und mitgestalten wollten, wurde verzichtet. Das gab den gewünschten, wunderbaren Druck von unten nach oben!
  • Einführung einer Bally Kundenkarte als Marketinginstrument, zur besseren Kundenbindung, zur Gewinnung von Kundendaten, vor allem aber auch zur Vereinfachung von Fakturierung und Debitorenbewirtschaftun
    Dieser Titel ist selbstsprechend. Wir hatten die Möglichkeit, unsere Stammkunden nach den verschiedensten Kriterien zu sortieren, beispielsweise die 50 umsatzmässig grössten Kunden, oder nach Produktbereichen usw. Für die Mitarbeiter ergab sich damit auch die Möglichkeit, den Mitarbeiterrabatt in die Karte einzugeben, wobei man einigermassen unter Kontrolle hatte, wer allenfalls mit dem Mitarbeiterrabatt von immerhin 25% für Dritte übermässig Ware besorgte und sich so etwas dazu zu verdienen versuchte.
  • Durchführung von professionellen Kunden-Modeschauen, auch ausser­halb unserer Ladengeschäfte, sowie von Mode-Flashes und Mode-Apéros in gewissen grösseren Ladengeschäften.                                                                                                  Unter meinem Vorgänger und auch während meiner ersten Jahre hatte man vor allem im Capitol am Rennweg in Zürich grössere Modeschauen durchgeführt. Mit Frau Kneller wagten wir uns nun an etwas grössere Projekte: So führten wir Modeschauen, zum Teil mehrmals am Tag im Museum für konstruktive und konkrete Kunst, in der Mühle Tiefenbrunnen und als Höhepunkt im Kunsthaus­saal durch, wobei wir Eintritt verlangten, der allerdings bei einem Kauf in den nächsten drei Monaten wieder zurückerstattet wurde.
  • Durchführung eines Restrukturierungsprojektes im Jahre 1991 zum Abbau von Overhead und zur Verbesserung der Produktivität in den Filialen (12% Personalabbau und umfangreiches Kostensen­kungsprogramm).                                                   Dieses Jahr war mein schwierigstes als Leiter der BALLY Arola AG. Die BALLY International verlangte zur Finanzierung ihres erheblichen Aufwandes jedes Jahr etwas mehr Prozente an Management Fee, Marketing-Gebühren etc. und wir konnten nicht jedes Jahr einfach die Preise erhöhen. Also kam die Zeit, wo wir lieb gewonnene Fettpölsterchen abspecken mussten, und dies ging nur mit einem Kostenabbau auf allen Ebenen und in allen Bereichen. Hier kam uns jetzt die Kaderschulung sehr entgegen, denn die Leute wussten, dass wir ohne Abspecken in die Verlustzone kämen und dass etwas geschehen musste. Viele brauchbare Vorschläge kamen von den Kadermitarbeitern auf allen Stufen, und von der obersten Führung brauchte wenig Überzeugungsarbeit geleistet zu werden.
  • Schaffung einer klaren Marktbearbeitung für Detail- und Engroshandel in der Schweiz durch die Übernahme und Reorganisation des Engros - Bereiches von den BALLY Schuhfabriken AG.                                                                                     Bei meinem Amtsantritt wusste in der Bearbeitung des Marktes Schweiz die linke Hand nicht was die rechte tat! Dies kannte ich schon von meiner Tätigkeit bei BALLY International her. Beispielsweise war im Jahre 1984 (?) der Engros Verkauf Schweiz der BALLY Schuhfabriken in Rapperswil SG daran, das Schuh­haus XYZ als „klar bestes Schuhgeschäft am Platz “ gegen die Konkurrenz namhaft zu unterstützen und zu fördern, und zwar mit einem speziell guten Sortiment, mit Werbegeldern, mit Verkäuferinnenschulung und ähnlichem mehr. Als plötzlich BALLY Arola unter Rolf Trüb in einer Distanz von ca. 100 m vom Geschäft dieses Engroskunden eine eigene BALLY Filiale eröffnete, war die Enttäuschung und der Zorn des in einer Einkaufsvereinigung organisierten Schuhhändlers gross. Er selbst kaufte von einem Tag auf den andern kein einziges Paar BALLY Schuhe mehr ein und brachte in der Einkaufsvereinigung einen Beschluss zustande, dass die Mitglieder bei BALLY nur noch das absolut Notwendigste einkauften, was eine eigentliche Bestrafung der BALLY Schuhfabriken bedeutete. Niemand wollte glauben, dass sie von der geplanten Filialeröffnung durch Rolf Trüb nichts gewusst hätten. Es war aber tatsächlich so gewesen. Die BALLY Schuhfabriken besassen neben den Musterzimmern in Schönenwerd auch solche in Zürich und in der Westschweiz. Umgekehrt verkauften die BALLY Schuhfabriken kleinen Engroskunden mit einem jährlichen Einkaufsvolumen von 200 bis 300 Paar pro Saison zu Konditionen, welche teilweise wesentlich günstiger waren als jene der BALLY Arola AG mit einem Einkaufsvolumen von ca. 300‘000 Paar. So gab es dauernd Probleme, wenn beim Engroshändler der gleiche oder ein ähnlicher BALLY Schuh billiger im Schaufenster stand als in den eigenen BALLY Filialen.      Ich kämpfte vom ersten Tag als Firmenleiter der BALLY Arola AG dafür, dass die Be-arbeitung des Schweizer-Marktes in einer Hand liegen müsste. Nach etwa dreijährigem Kampf erreichte ich dann endlich dieses Ziel. Die ehemaligen Musterzimmer in Zürich und in der Westschweiz wurden geschlossen, was für den Engrosbereich zu massiven Kosteneinsparungen führte. Die Schuhvertreter der BALLY Schuhfabriken wechselten den Arbeitgeber und waren dann Angestellte der BALLY Arola AG in Zürich. Verkauft wurde danach in den bestehenden Musterzimmern in Schönenwerd, für die wir Miete bezahlten, und in zwei Musterzimmern (mit Mobiliar der geschlossenen Musterzimmer) im eigenen Gebäude in Zürich, mit Separateingang für die Kunden.                          Nun hatten wir Ruhe im Markt, und wir verkauften auf dem Markt Schweiz nach einem ersten kleinen Umsatzeinbruch unmittelbar nach dem Wechsel bald wieder gleichviel, mit steigender Tendenz. Es fiel den Kunden anfänglich sehr schwer, beim grossen Konkurrenten BALLY Arola AG einzukaufen, wie wenn es schlussendlich nicht aufs Gleiche herauskam, ob sie hier oder bei der Fabrik in Schönenwerd kauften. Das änderte sich selbstverständlich schlagartig, als der gesamte Engros Verkauf von den neuen Machthabern um Hans Widmer total aufgehoben wurde.
  • 4 Neueröffnungen, 2 Standortverschiebungen von Filialen, sowie Schliessung von 33 unrentablen Filialen
    Während in der Aera Trüb / Müller hemmungslos expandiert wurde, strebte ich eine optimierte Marktbearbeitung durch eigene Detailgeschäfte und Geschäfte von Engroskunden an, wobei mir selbstverständlich die eigenen Detailgeschäfte näher standen. Wo es mir unsinnig schien, mit einer ungenügend Deckungsbeitrag erwirtschaftenden eigenen Filiale gegen einen grösseren Konkurrenten und BALLY Kunden anzukämpfen, machte ich kurzen Prozess: Einkauf und Verkauf hatten für die Filiale eine Saison Zeit, das Blatt zu wenden und positive Resultate zu erbringen. Andernfalls wurde die Filiale geschlossen. Und wenn beispiels­weise in einer kleineren Stadt wie Chur praktisch an der gleichen Strasse innerhalb von 400 m drei verschiedene BALLY Geschäfte lagen, mit für den Kunden unverständlich verschiedenen Angeboten, und alle lagen so knapp auf Break Even, dann handelte ich auch. Umgekehrt, wenn wir beispielsweise wie in St. Moritz das Schuhgeschäft Heiz übernehmen konnten, einen guten, hervorragenden Engroskunden mit bestem Renommée, der keinen Nachfolger hatte, griffen wir auch herzhaftzu.                                                                               
  • Schliessung der in Zürich unrentabel gewordenen, eigenen Handtaschen­fabrikation "CORINA". Darüber habe ich schon weiter oben geschrieben.
  • Aufstockung und Ausbau der Liegenschaft Lerchenstrasse, (Bauprojekt von CHF 25'000’000), Rück­führung des Zentrallagers nach Zürich, Platz schaffen für die Einmie­tung von BALLY International AG.                                                                          Ein Baugesuch meines Vorgängers für den Ausbau unseres Zentrallagers und vor allem der Rampenanlage war an Einsprachen von Nachbarn hängen geblieben und war seit Jahren am Durchwandern der Instanzen Richtung Bundesgericht. Niemand konnte sagen, wann ein Urteil zu erwarten war. Die Platzverhältnisse waren aber in der Zwischenzeit noch prekärer geworden als zur Zeit des Baugesuches. Wir mussten also andere Lösungen suchen. In Schönenwerd bei den BALLY Schuhfabriken war restrukturiert worden, und dadurch stand die grosse Fabrik Dottikon aus der Jahrhundertwende leer. Dort machten wir Pläne für ein neues Zentrallager. Das Gebäude stand zwar unter Heimatschutz, trotzdem hofften wir und der Architekt, mit dem Baugesuch für eine sehr sanfte Renovation mit einem minimalen Ausbau der Rampenanlage durchzukommen. Die notwendigen Änderungen wurden aber nicht bewilligt. In der Folge offerierten uns die BALLY Schuhfabriken für unser Lager „die obere Fabrik“, in Schönenwerd, welche sich ebenfalls eignete und das wir mieten konnten. Die BALLY Schuhfabriken investierten für uns in Lagergestelle einen grösseren Betrag, da sie die Miete lockte und wir zogen mit dem Lager tatsächlich um. In Zürich ergab sich dadurch die Möglichkeit, die Büros von BALLY International in unserem Gebäude unterzubringen. Wir bauten deshalb einen Stock des ehemaligen Zentrallagers in ein Grossraumbüro für den Nichtschuhbereich um.                       Mitten in diese Situation platzte nun ein Bundesgerichtsentscheid, der alle nachbar-lichen Einsprachen in Zürich vollumfänglich abwies. Wir sassen nun plötzlich da mit einem bewilligten Baugesuch in Zürich und einem neuen Lager in Schönenwerd. In Zürich hatte die Bauzonenordnung in der Zwischenzeit gewechselt, und man hätte nie mehr so gross ausbauen können wie in dem seinerzeit bewilligten Baugesuch. Wir entschieden uns nach allem, was bezüglich Zentrallager geschehen war, das Baugesuch verfallen zu lassen, da uns die Investition im Moment als nicht rentabel genug schien und wir mit der schlussendlich gefundenen Lösung zufrieden waren. Wir hatten aber die Rechnung ohne den Wirt, beziehungsweise ohne unsere Muttergesellschaft, die Oerlikon-Bührle Holding (OBH), gemacht! Zur OBH gehörte als weitere Konzern-gruppe die OBH-Im­mo­bilien AG, u.a. mit einem Generalbau-Unter­neh­men, welche von unserer Baubewilligung gehört, und Lunte gerochen hatte! Die Immobiliengruppe machte eine Offerte an die OBH für den Ausbau unseres Zentrallagers und rechnete vor, wie wir eine grössere Bürofläche für ca. 1000 CHF / m2 vermieten könnten und was für ein tolles Geschäft dies wäre. Wir wurden von der Konzernleitung daher contre coeur und gegen unseren Willen gezwungen, den Ausbau durchzuführen, was uns CHF 28 Mio kostete. Da wir schon früher gezwungen waren, Fremdgeld aufzunehmen, um ausserordentliche Dividenden an die OBH auszuschütten zu können (es ging um die Finanzierung des ADATS Anti Defense for Aircrafts and Tanks), mussten wir uns zur Finanzierung dieses Bauvorhabens noch weiter verschulden. Das Ganze endete in einem grauenhaften Fiasko, da Ende der 80er Jahre die Mietpreise sanken und die neue Bau- und Zonenordnung eine Vermietung als Bürofläche nicht mehr zuliess. In dieser Situation mussten wir uns entschliessen, aus Kostengründen die Liegenschaft nun doch wieder selber zu nutzen und das Lager wieder nach Zürich zu zügeln.
  • Entwicklung und Realisierung eines entsprechenden Ladentypus für die neuen Max BALLY Geschäfte, sowie eines modernen Ladenbaukonzeptes für sogenannte "Prestigefilialen" und dessen erfolgreiche Realisierung in Lausan­ne, Locarno, Chur, Bern, St. Moritz und Luzern, Totalumbau des BALLY Doelker im Haus der Bank Leu (Grieder) in Zürich, Realisierung eines ersten Geschäfts nach dem "Kon­zept International" in Basel, jeweils verbunden mit grös­seren Umbau­ten, sowie
  • Entwicklung und Realisierung eines kostengünstigeren Ladenbau­konzeptes für Shopping-Cen­ters und National-Geschäfte, sowie
  • Konzipierung und Durchführung von "investitionsarmen Face-Lif­tings" in ca. der Hälfte der Filialen zur optischen Neugestal­tung die­ser Geschäfte.                             Mit der BALLY eigenen Architekturabteilung, die bei BALLY International AG in Zürich angesiedelt war, hatten wir in den letzten Jahren eine enge Zusammenarbeit aufgebaut. Wir hatten eine Regel festgelegt, dass nach ca. 7 Jahren der Look eines Ladengeschäftes möglichst kostengünstig verändert werden sollte.                              In enger Zusammenarbeit mit der Architekturabteilung und mit spezialisierten Ladenb-aufirmen erarbeiteten wir Ladenbaukonzepte, die auf die Bedürfnisse unserer ver-schiedenen Ladentypen abgestimmt waren und die mit möglichst einfachen Mitteln verändert werden konnten. So hatten wir schlussendlich Ladenbausysteme, welche man mit dem Schraubenzieher sowie Pinsel und Farbe über ein verlängertes Wochenende umbauen konnte. Für kleinere Filialen führten wir ein sogenanntes „Face-Lifting“ ein, welches einen ähnlichen Effekt hatte wie die Umgestaltung der Gestelle und Verkaufsmöbel in wichtigeren Läden. In dieser Beziehung waren wir echte Meister geworden. Deshalb war es sehr hart akzeptieren zu müssen, dass Hans Widmer mit der französischen Stardesignerin Frau Putman einen komplett neuen BALLY-Ladentypus im Möbelschreinerstil schuf, was für jedes Geschäft einen Totalumbau bedingte und entsprechend teuer war. Alle Läden auf der ganzen Welt sollten im gleichen Luxusstil eingerichtet werden, was schätzungsweise etwa CHF 650 Mio gekostet hätte und deshalb eine Utopie blieb. Immerhin wurde als erstes Geschäft das altehrwürdige Capitol an der Zürcher Bahnhofstrasse für ca. 20 Mio Fr in diesem Stil umgebaut. Als man den Verkaufsdirektor Georges Renaud fragte, wie ihm der Laden jetzt gefalle, antwortete er, der Laden wäre sehr schon fürs Auge; aber für den eigentlichen Hauptzweck, nämlich Schuhe zu verkaufen sei er nicht geeignet. Im diesem Hauptgeschäft der BALLY Arola AG, in welchem als Höchstwert vor dem Umbau knapp CHF 40 Mio Umsatz generiert wurden, erreichte man nach dem Umbau nur noch einen sehr enttäuschenden Bruchteil des früheren Umsatzes, weil zusätzlich zum ungeeigneten Umbau auch noch die komplett neue und gestraffte Kollektion des neuen Managements kam!                                                                                                 Man hörte dann aber schon bald mit dem Putman Stil auf, weil bei BALLY unter Hans Widmer und später auch unter den Herren Ferro und Thomke etc der Erfolg ausblieb und das Unternehmen langsam, aber sicher ins Schlingern geriet. Wie konnte es mit der stolzen, altehrwürdigen BALLY nur soweit kommen?                                                
Der Niedergang der einst so stolzen BALLY
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12.5.  Beruf 4: BALLY 1977-1993 – Der Niedergang der einst so stolzen BALLY.

12.5 Der Niedergang der einst so stolzen BALLY

Im Frühjahr 1991 wurde der oberste Konzernchef und Verwaltungsratspräsident Dr. Dieter Bührle durch seine Schwester Frau Anda-Bührle entmachtet und trat aus dem Verwaltungsrat aus. Der neue Verwaltungsrat bestimmte Dr. Hans Wid­mer zu seinem Nachfolger. Der Sanierer Hans Widmer als CEO der OBH übernahm interimistisch auch die Gruppenleitung BALLY selbst. Es war ja kein High Tech Produkt, mit dem hier gehandelt wurde, so dass sich der ausgebildete Physiker und McKinsey-Mann sich das ohne weiteres das zutraute.
Hans Widmer wollte sich gründlich in die Branche einarbeiten. So nahm er ab Frühjahr 1991 an allen Sitzungen der BALLY Gruppenleitung teil. An jeder Sitzung verlangte er von den Marktverantwortlichen über einen gewissen Geschäftsbereich orientiert zu werden. Meistens musste ich als Chef der Marktregion 1 als erster an den Hellraumprojektor und begann meine Präsentation. Meistens stand ich aber auch noch gegen Mittag am Projektor, da Hans Widmer keiner Präsentation zuhören konnte, ohne dauernd zu unterbrechen, und selbst Schluss-folgerungen zu ziehen, die ohne jede Branchenkenntnisse leider vielfach falsch waren. Aber er wusste einfach alles besser. Immer wieder musste man ihm sagen, ganz so einfach wäre der Detailmarkt oder -handel schon nicht. Aber immer wieder unterbrach er, denn er war zwar ein sehr schneller Denker, aber kein guter Zuhörer. Nur so sind viele seiner Entscheide zu erklären, die er aufgrund von Analysen und Anträgen von Boston-Consulting Leuten fällte, die zwar hoch intelligent, aber noch nie mit dem Produkt Schuhe, Bekleidung oder dem Detailhandel zu tun gehabt hatten. Ich versuchte mit diesen Leuten, vor allem mit dem „Chefideologen“ Josef Ming, ETH-Ingenieur wie ich, zu sprechen. Zufällig an einem Kaderanlass mein Tischnachbar, versuchte ich Herrn Ming zu erklären, dass ich seine Fragestellungen sehr gut verstehen könne. Ich hätte sehr früher ähnlich überlegt, als ich seinerzeit von Flugzeugtriebwerken in die Schuhindustrie gewechselt hätte. Aber ich hätte glücklicherweise etwas mehr Zeit gehabt als er, mich in die Branche einzuarbeiten, die halt schon Eigenheiten besitze, die nicht offensichtlich wären. Ich würde als Ingenieur der Firma BALLY zuliebe sehr gerne näher mit ihnen von Boston Consulting Group zusammenarbeiten. Aber alles nützte nichts! Er lachte nach diesem längeren Gespräch nur und meinte, man würde wie geplant weiterfahren. Ende 1991 nahm dann Alfred Niederer als Chef der Konzerngruppe BALLY als einer der Ersten den Hut, wahrscheinlich in letzter Minute, bevor er durch Hans Widmer "gegangen" worden wäre. Niederer hatte noch den Designer Erich Biehle und den Werber Urs Jaermann zu BALLY geholt. Der Logistiker Hans Zängerle aus der Uhrenindustrie wurde dann bereits von Hans Widmer angestellt. Alle drei beförderte er sofort in die Gruppenleitung. Neben uns Marktverantwortlichen waren jetzt plötzlich lauter branchenfremde Leute da. Hans Widmer holte noch weitere "junge und dynamische" Leute in die BALLY – Länder - Geschäftsleitungen und ersetzte branchenerfahrene Leute praktisch ausnahmslos durch branchenfremde Leute. Und zu allem Unglück hörte Hans Widmer mehr auf diese als auf die bisherigen, erfahreneren Verantwortlichen.

Hans Widmer gab auch gerne Interviews, denn er war damals in der Prexxe ein hochgelobter Sanierer. So durften wir Verantwortliche eines Tages in der Zeitung lesen, dass er auf die Frage eines Journalisten, ob er denn keine Bedenken hätte, dass BALLY bei diesen vielen Ablösungen der oberen Kader allzu viel Knowhow verliere, keck antwortete: "Nein, überhaupt nicht! Das sind alles „gut meinende Dilettanten“!

Wenn sich jemand von uns wehrte und auf Gefahren und Risiken gewisser Ideen der neuen Leute hinwies, fiel jeweils sehr schnell der Satz: Dann könne man ja gehen! In personeller Hinsicht war Hans Widmers Devise. "Cut out dead Wood". Und da laufend immer neue, absolut unverständliche Entscheide weltweit betr. Kollektion, Markt­bearbeitung und Management gefällt wurden, verloren wir relativ schnell die besten Kaderleute, da diese solche Spielchen nicht mehr mittragen konnten und auch nicht wollten. Es bewahrheitete sich der Grundsatz, dass bei einer unfähigen Führung die besten Leute am schnellsten das Boot verlassen und kündigen.

Meine Rückkehr zur BALLY International AG
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12.6.  Beruf 4: BALLY 1977-1993 – Meine Rückkehr zur BALLY International AG.

12.6 Meine Rückkehr zur BALLY International AG

Innerhalb eines Jahres schickte Hans Widmer dann praktisch das gesamte ober­ste Bally-Kader welt­weit in die Wüste. So wurde auch ich als Leiter der Marktregion I und Mitglied der Gruppenleitung Mitte Mai 1992 abgelöst. Ich wurde aber nicht wie die meisten meiner Kollegen fristlos entlassen, sondern wechselte zurück in den Stab der Konzerngruppe BALLY, wo ich auf Wunsch meines ehemaligen Kollegen Geoffrey Marshall sein persön licher Mitarbeiter wurde. Geoffrey Marshall stand im Moment bei Hans Widmer sehr hoch im Kurs: Rolf Trüb war bereits nicht mehr da, und so wurde Geoffrey ein Super-Chef von Gesamt-Europa (neu inkl. England und Frankreich) plus neu USA und Canada. Es gab somit nur noch 3 Marktregionen: Schweiz, Europa/USA/Canada und Fernost.

Ich verlangte einmal bei meinem neuen Chef Geoffrey Marshall einen neuen Arbeitsvertrag, in welchem m. E. enthalten sein sollte, was man mir anlässlich der Ablösung alles versprochen hatte. Das Personal auf Gruppenstufe war im Moment bei den Finanzen angesiedelt. Finanzchef von Hans Widmer war jetzt aber nicht mehr HJK Hansjürg Keller, und der noch unter Niederer als Nachfolger des pensionierten Karl Salvisberg befördert, dem aber auch schon gekündigt worden war. Als Finanzchef der Konzerngruppe wurde der viel pflegeleichtere Urs Gloor ernannt, der mich vor 6 Jahren bei BALLY International ersetzt hatte. Ich erhielt in der Folge anstelle eines neuen Vertrages nur ein schäbiges A4 Blatt, wo in Stichworten kurz das versprochene festgehalten war. Darauf stand u.a., dass mein Gehalt bis zu meiner vorzeitigen Pensionierung als OBH-Kadermann am 31. Juli 1995 eingefroren werde und ich künftig auch keine Gratifikation mehr erhalten würde. Ich war ob diesem „Fresszettel“ derart enttäuscht, dass ich deshalb einen Arbeitsrechtler fragte, ob ich mir das gefallen lassen müsste. Dieser sah darin aber glücklicherweise "einen unkündbaren Vertrag, und zwar wie bei OBH Kaderleuten bis zur ordentlichen Pensionierung normalen Bedingun-gen, nämlich mit 62 Jahren zu Bedingungen wie mit 65 Jahren", und ich war damit wieder sehr zufrieden.

Geoffrey Marschall ereilte dann das Schicksal des Hinauswurfs nur wenig später. Als er eines Tage in Wien weilte und auf Befehl von Hans Widmer de Chef von BALLY Österreich entlassen musste, rief ihn die Sekretärin von Hans Widmer an, ob er anderntags etwas früher in der Zentrale in Zürich sein könne. Dort eröffnete ihm Hans Widmer am Morgen um halb acht, dass auch er gehen könne. Geoffrey Marshall nahm dann bereits das 9 Uhr Flugzeug nach London und kam nie mehr zurück. Um halb neun eröffnete Hans Widmer eine Sitzung der Gruppenleitung. Auf die Bemerkung von meinem Kollegen Godi Renz, damals Chef Fern Ost, Geoffrey Marshall sei noch nicht da, habe Hans Widmer mit einem müden Lächeln geantwortet: „Der kommt nie mehr!“ So ging man bei BALLY damals mit verdienten Mitar-beitern um!

Als ich nun keinen Chef mehr hatte und mich nach ein paar Wochen durchfragte, mit wem ich denn nun das von mir bearbeitete Projekte besprechen könne, wollte niemand etwas damit zu tun haben. Schliesslich sandte man den Finänzler Chris Bau­mann zu mir, um mich zu entlassen. Chris war der frühere Finanzchef von BALLY England, der früher bei mir im Planungskurs war! Ich war mit einem Wagen voll Ordner gekommen, um das Projekt zu besprechen. Diese sahen wir nicht einmal an, sondern er eröffnete mir, dass ich diese gleich schreddern könne. Als ich ihm dann aber erklärte, ich hätte einen unkündbaren Vertrag, meinte er dazu, "dies hätten ja nicht einmal sie", d.h. die Leute, die derzeit bei Hans Widmer hoch im Kurs standen! Nach Prüfung durch den Hofjuristen der OBH bekam ich schliesslich recht! Nicht dass mir dies jemand der BALLY Führung mitgeteilt hätte! Mein Militärkollege und Freund Werner Leuch, damals noch Chef der BALLY Schuhfabriken, rief mich ein paar Wochen an einem Freitagnachmittag an und sagte, Hans Widmer sei eben bei ihm zur Tür hinaus gegangen. Widmer hätte sich bei ihm erkundigt, ob er für mich Arbeit hätte, zahlen müsse man mich ja leider so oder so! Da wusste ich, dass ich gewonnen hatte. Werner Leuch wurde dann kurz nach diesem Telefongespräch mit 35 Dienstjahren im OBH-Konzern und bei BALLY auch entlassen.

Die von mir in der Folge im Jahr 1993 bearbeiteten Projekte verdienen keine Erwähnung, ausser der heimlich für Peter Streit erarbeiteten ISO-Zertifizierung für das BALLY Material-prüf­labor. Ich durfte offiziell ja keine interessanten Aufträge mehr bearbeiten, obwohl ich noch einer der ganz wenigen, übrig gebliebenen höheren Kader war, der Erfahrung in  Schuhen und Bekleidung hatte, und zwar in der Fabrikation, in der Informatik, im Engros- und im Detailhandel, ja praktisch in allen Bereichen der Branche und der Unternehmungs-führung. Ich war aber leider auch einer der alten "gutmütigen Dilettanten". sogenanntes "Dead Wood"! Nur zu gerne wäre ich bei verschiedenen grossen Projekten mit dabei gewesen, um zu retten, was noch zu retten war.

Ich durfte aber praktisch nur noch Leerlauf produzieren und kam mir schlussendlich wirklich vor wie der alte Instruktions - Offizier, von dem ich jeweils abschätzig gesagt hatte, dass er irgendwann eine Schreibmaschine fasse und damit in einem Büro in Bern versenkt werde. Ich war nun analog in ein Büro von BALLY International versenkt worden, hatte glücklicher-weise eine PC gefasst, den ich mir mit viel Energie untertan machte. Ich durfte sogar PC-Kurse besuchen, da ich ja keine Sekretärin mehr besass!
Ich war in jenen Zeiten wahrscheinlich einer der bestinformierten BALLY - Mitarbeiter, denn ich las jeden Tag die NZZ von vorn bis hinten...

Ende meiner BALLY Zeit
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12.7.  Beruf 4: BALLY 1977-1993 – Ende meiner BALLY Zeit.

12.7 Ende meiner BALLY Zeit

Gegenüber vielen Kollegen hatte ich damit aber noch Glück im Unglück. Am 31. Dezember 1993 wurde ich mit einer Freistellung glücklicherweise von dieser traurigsten Zeit meiner ganzen beruflichen Karriere erlöst. Ich war damals 59 ½ Jahre alt, und der Umzug von Hombrechtikon in unser neues Haus in Zollikon stand unmittelbar bevor: Es war eine totale Zäsur für unsere Familie: Die jüngere Tochter zog aus, für meine Frau ging die Bibliotheks-arbeit zu Ende, ich musste nicht mehr ins Büro! Wie sich dann herausstellen sollte, eine sehr glückliche, totale Veränderung! Vorläufig hatte ich ja immer noch mein Gehalt, bis zur ordentlichen Pensionierung gemäss Reglement für oberste Kader des OBH Konzerns mit 62 Jahren am 31.07.1995, bzw. dann endhültig am 31.07.1998.

Ich machte dabei aus heutiger Sicht einen grossen Fehler: Da ich noch mit ansehen musste, wie Hans Widmer das BALLY - Familiensilber in Form des riesigen Immobilienbesitzes weltweit verscherbelte, hatte ich damals grosse Bedenken, dass am Schluss auch noch die Pensionskasse drankäme. Und so liess ich mir das ganze Pensionskassenkapital voll auszahlen. In den Finanzkrisen 2000/01 und 2007/08 verlor ich davon einen rechten Teil an der Börse. Ich würde deshalb heute jedem dringend anraten, sich mindestens einen Teil des Pensionskapitals als Rente auszahlen zu lassen!

Hans Widmer war in den folgenden Jahren imstande, die prestigeträchtige, alteingesessene Firma BALLY, für welche wir ehemaligen Chefs ausnahms­­­los durchs Feuer gegangen wären, innert weniger Jahre zugrunde zu richten. Dies geschah vor allem durch das Verändern des Angebotes Richtung Luxus, das Einsetzen unfähiger, branchenfremder und erst noch dauernd wechselnder Manager, durch unzweckmässige Umstrukturierungen, durch haarsträubende Rationalisierungsmethoden im Detailhandel (der Handel ist keine Fabrik!) sowie durch eine ausgesprochene Beraterhörigkeit. Hans Widmer als ex Mac Kinsey Mann hatte mehr Ver-trauen in die „jungen und dynamischen“ Berater von Boston Consulting Group, als in die gutmeinenden Dilettanten der erfolgreichen BALLY Konzerngruppe!
Erst 1998 wurde dann schlussendlich auch Hans Widmer seiner Machtfülle enthoben und ebenfalls in die Wüste geschickt.

Das, was er von BALLY noch übriggelassen hatte, wurde von Oerlikon-Bührle 1999 ins Ausland an die US-Investment­gesellschaft Texas Pacific Group (TPG) verscherbelt. Seit 2000 befindet sich der Hauptsitz des Unternehmens im schweizerischen Caslano Kt. Tessin, wo BALLY bereits zu guten Zeiten eine kleine Produktionsstätte besass. Die Verlegung des Firmensitzes von Schönenwerd (wo alles aufgegeben wurde) ins Tessin war mit der Nähe zur Modemetropole Milano begründet worden, BALLY blieb aber weiter im freien Fall.

Im April 2008 wurde das Unternehmen für geschätzte € 370 Mio. erneut verkauft. Neue Besitzerin ist die 2007 in Wien gegründete Labelux Group GmbH, die der deutschen Johann A. Benckiser SE gehört. Zur Labelux-Gruppe gehörten mit Stand 2011 ausserdem die Marken Belstaff (Bekleidung), Jimmy Choo, Derek Lam und Solange Azagury-Partridge (Schmuck). 2008 wurden die BALLY-Umsätze mit € 400 Mio. angegeben (zum Vergleich rund CHF 1'200 Mio im Jahre 1991).

Es scheint, dass damit eine neue, junge Generation von Fachleuten versucht, die altehr-würdige Marke BALLY wieder in die Höhe zu bringen, wenn auch in einer ganz anderen Form, als BALLY das früher war, nämlich als Luxusmarke, was BALLY früher nie war und auch nicht sein wollte. BALLY war bekannt für excellente Chaussierung, d.h. man wollte für jeden Fuss einen passenden Schuh anbieten können.

Aber immerhin, die Marke BALLY bekommt wieder einen Platz in der Modewelt, nachdem sie jahrelang nur belächelt wurde…

BALLY 1991-1996, 5 Jahre mit Hans Widmer
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13.  BALLY 1991-1996, 5 Jahre mit Hans Widmer

BALLY 1991-1996: 5 Jahre mit Hans Widmer

Diesen Aufsatz habe ich im Frühjahr 1996 verfasst und seither ausser ein paar redaktionellen Korrekturen und Ergänzungen nicht mehr verändert.

Im April 1996 waren es 5 Jahre her, seit Hans Widmer als Präsident und Delegierter des Verwaltungsrates die Führung des Oerli­kon Bührle Konzerns, sowie nach dem Abgang von Alfred Niederer auch noch die direkte Führung der Konzerngruppe BALLY übernommen hatte. Was sich in diesen fünf turbulenten Jahren bei Bally ereignete, soll aus meiner persönlichen Sicht anhand von Zeitungskommentaren grob zusammen­gefasst wer­den.

Die Darstellung wird da und dort nicht absolut objektiv und sie wird auch nicht voll­stän­dig sein, denn sonst müsste ich zum Buch von Fred J. Klaus „Das BALLY Lehrstück“ einen zweiten Band schreiben, vielleicht unter dem Titel „Das Zerschlagen von BALLY“. Was sich in diesen 5 Jahren aber wirklich ereignete, stellt meines Erachtens das Fiasko der Rey-Aera schlicht in den Schatten.

Ausgangslage im Frühjahr 1991

Der damaligen Leitung der Konzerngruppe BALLY mit Alfred Niederer an der Spitze stand eine 1986/87 mit Demoscope durchgeführte internationale Marktstudie sowie eine mit Mc Kinsey 1989 erar­beitete Studie über Schwachstellen in der Unterneh­mung zur Verfügung. An den Erkenntnissen aus die­sen Dokumenten wurde mit ver­schiedenen Prioritäten gearbeitet, wobei aus heutiger Sicht etwas weniger Zaudern, dafür etwas mehr Druck vom Leiter der Konzerngruppe am ei­nen oder anderen Projekt, sicher von Vorteil gewesen wäre.

So waren im Frühjahr 1991, also bevor Hans Widmer kam, unter anderen zwei gros­se Restrukturierungsprojekte bereits am Laufen: Erstens die Redimen­sio­nierung der Fabrikationskapazität in der Schweiz bei den BALLY Schuhfabriken AG in Schönen­werd mit markantem Personalabbau (Die Fabriken in Frankreich und England waren bereits früher bearbeitet worden). Zweitens, nicht zuletzt als Folge der Kaufunlust nach dem Golfkrieg, die Schliessung von unrentablen Fili­a­len sowie einem Personalabbau im Detailhandel Schweiz bei der damaligen BALLY Arola AG, die ich seit 1986 führte. Die durch den Personalabbau in Schönenwerd sehr grossen Restrukturierungs­ko­sten wollte man im selben Jahr mit dem Ver­kauf von einigen nicht betriebsnotwendigen Aktiven ausgleichen. Diese beiden Restruk-turierungsprojekte wurden später immer wieder als Resultat der Sanierung durch Hans Widmer hinge­stellt, hatten aber mit ihm oder mit der neuen Führung noch überhaupt nichts zu tun!

Auch liefen Vorarbeiten für eine EURO-Kollektion im Schuhbereich. Damit wollte man die Angebotsvielfalt einschränken, und zwar sehr behutsam, möglichst so, dass es der Kunde in den einzelnen Märkten gar nicht bemerken sollte. Diese, vor­erst nur auf die europäischen Länder beschränkte, gemeinsame Kernkollektion aus Eigen- und Vertragsproduktion sollte individuell durch jedes Land durch Kollek­tionsteile ergänzt werden können, welche auf die speziellen Marktbedürfnisse des betref­fen­den Landes ab­ge­stimmt waren. Damit sollte die Beibehaltung von genügend Marktnähe gewähr­lei­stet sein.

Die Konzerngruppe BALLY, seit 1978 im Oerlikon-Bührle-Konzern, hatte erstmalig eine ganz klare Führungsstruktur, was sich außerordentlich positiv auf den BALLY-Auftritt weltweit auswirjkte: Erstmals durfte nicht mehr jede Ländergesellschaft machen wie sie wollte, sondern hatte sich nach den Richtlinien des neu geschaffenen Posten eines Gruppenchefszu richten. Mit der Wahl von Walter Kinzelbach zum Gruppenchef, dem ehemaligen Leiter von BALLY Schönenwerd, hatte Oerlikon Bührle eine sehr gute Wahl getroffen. Ihm mußten nicht nur alle Länderchefs gehorchen, sondern auch Schönenwerd. Nach einigen gu­ten Jahren hatte BALLY in der zweiten Hälfte der 80er Jahre nicht mehr gleich er­folg­reich gearbeitet, gesamthaft wurden aber in der Konzerngruppe nie rote Zahlen geschrieben. Seit 1978 wurden durch BALLY neben der normalen Dividende auch bedeutende ausserordentliche Dividenden an die Oerlikon-Bührle Holding abgeliefert. Aus der BALLY Optik war die Not­wendigkeit einer Sanierung mit der Brechstange, wie sie dann von Hans Widmer durchgezogen wurde, in keiner Weise und zu keiner Zeit gegeben.

 

Das Jahr 1991

Hans Widmer nahm schon bald regelmässig an den monatlichen Führungsan­läs­sen der BALLY Gruppenleitung teil. Dabei wollte er sich von den Linienver­ant­wortlichen jeweils über verschiedene, vorher bekannt gegebene Problemkreise orientieren lassen. Es kam aber selten dazu, da man sich meistens schon bei der ersten Prä­senta­tion in Detailfragen und vorschnellen Schlussfolgerungen von Hans Wid­mer ver­strickte. Der Schreibende als Leiter der Marktregion 1 musste mit der Präsentation beginnen und stand gegen Ende der Sitzung meistens immer noch am Hellraumprojektor. Für die weiteren, durch die Leiter der übrigen 3 Marktregionen vorbereite­ten Präsen­tationen hatte man meistens gar keine Zeit mehr. Diese Führungsanlässe waren für alle ausserordentlich frustrierend und die eigentliche Führungsaktivitäten der Konzerngruppe litten darunter. Schon bald wurde bei BALLY der Witz herum­geboten, Hans Widmer wäre auch der Chef des lieben Gottes: Gott wüs­ste zwar alles, Hans Widmer wüsste aber alles besser!

Noch von der alten BALLY Gruppenleitung war Kontakt zu Boston Consulting Group (im folgenden BCG genannt) aufgenommen worden, um deren Mitarbeit in einigen Projekten zu gewinnen. Man hatte bei BALLY International AG der Firma BCG infolge scheinbar grösserer Erfahrung im Detailhandel gegenüber McKinsey den Vorzug gegeben. Aus meiner Sicht fälschlicherweise, denn mit McKinsey war die Zusammenarbeit zwei Jahre vorher hervorragend gewesen, mit BCG liefen die BAlLY Leute schon bald auf Kollisionskurs. Dies könnte aber auch an Hans Widmer gelegen haben, denn schon bald ging der Kontakt von BCG direkt zu Hans Widmer oder mindestens zu solchen BALLY Leuten, die er für Grösseres ausersehen hatte, die aber BALLY kaum kannten. Es wurde auch begonnen an den verschie­densten Projekten gleichzeitig zu arbeiten, beispielsweise an einem globalen Kollek­tionsrahmen und zwar für Schuhe, Accessoires und Bekleidung, an der Zentrali­sierung des Einkaufs (Elimination des Einkaufs in den einzelnen Märk­ten), an der weiteren Straffung der Ladenketten, an der Produktivitätssteige­rung in den Ladengeschäf­ten, an der Logistikkette, an der Informatik usw. Teil­weise arbei­teten die mittle­ren und oberen Kader Ende 1991 und im ersten Halbjahr 1992 mehr für das Zu­sammentragen von Daten für BCG als an der Bearbeitung der aktuellen Alltags­probleme. Als BALLY aber für gewisse eigene Zwecke die Fülle der zu­sammengetragenen Daten einmal selbst auswerten wollte und diese von BCG zurückver­lang­te, musste mit Entsetzen festgestellt werden, dass BCG das umfangreiche Datenmaterial nicht herausgeben konnte, da sie wohl auf einem PC er­fasst, nach der Erarbei­tung von prächtigen Power-Point-Prä­sen­ta­tions­folien aber ge­löscht worden waren.

Die Ablösung der gesamten obersten BALLY-Führung muss von allem Anfang an geplant gewesen sein. Es war für das oberste BALLY Kader ausserordentlich frustrierend, in den Medien schon bald nach Amtsantritt des neu­en Konzernchefs Hans Widmer und des offensichtlich eben­falls für BALLY zustän­di­gen OBH-Ver­wal­tungs­rats René K. Ruepp ihre ab­schätzigen Kom­mentare über scheinbare Fehler der gegenwärtigen BALLY Führung zu lesen und zu hö­ren. Bereits wussten die beiden neu für BALLY zuständigen Herren sehr genau, was alles falsch gemacht wurde und wie man BALLY mit sehr viel mehr Erfolg führen sollte. (Tex­til-Revue 17.4.1991, Bilanz 7/1991)

Das Endjahres- und Zielsetzungsgespräch 1991/92 vom 26.11.1991 mit Hans Widmer und Alfred Niederer war für den Schreibenden etwas vom Frustrierendsten, das er in seiner beruflichen Laufbahn überhaupt erlebt hatte: Zuerst 45 Minuten Wartezeit über den verab­re­deten Termin hinaus (Widmer sprach vor ihm mit dem für ihn so viel wichtigeren Designer Erich Biehle, den Niederer noch von Givenchy zu BALLY geholt hatte), dann ein von Hans Widmer sehr widerwillig geführtes Gespräch, in welchem er den Schreibenden klar merken liess, dass er eigentlich keine Zeit mehr für ihn hatte. Er konnte oder wollte den Erklärungen auch gar nicht zuhören. Es hagelte Vorwürfe, Anschuldigungen, es wur­den "terrible simplifications" gemacht... . Eigentlich erwartete der Schreibende nach diesem Gespräch spätestens auf Ende Jahr die Kündigung.

Dann platzte am 5.12.1991 die Bombe von der Kündigung des bishe­rigen Leiters der Konzerngruppe BALLY, Alfred Niederer. Wir hatten das Gefühl, dass Niederer nur um weniges seiner Kündigung durch Hans Widmer zuvorgekom­men war. Niederer konnte sich scheinbar mit der Hau Ruck Politik von Hans Widmer nicht mehr identifizieren, für diesen hingegen ging alles immer noch viel zu langsam.

Erich Biehle arbeitete aber schon bald viel weniger mit den bestehenden Marktverantwortlichen als viel­mehr mit dem Chefideologen von BCG, dem dipl. Bauingenieur ETH Josef Ming zusammen. Biehle kam die von Ming vorgesehene absolute Zentralisierung der Kollekti­onsgestaltung und Kollekti­onsverantwortung in Schönenwerd sehr entgegen, denn diese gab ihm freie Hand, seine Ideen über die Köpfe der verantwortlichen Länderchefs hinweg durchzusetzen. Leider hatten aber weder Biehle noch Ming Detailhan­dels- oder Schuherfahrung, Hans Widmer zwar auch nicht, aber er glaubte blind­lings an sie, auch wenn gewisse Vorschläge noch so weltfremd, oder besser gesagt, marktfremd waren. Sie propagierten aber scheinbar genau das, was er hören wollte. Es war tragisch, dass Hans Widmer glaubte, das Geschäft mit Schuhen und Kleidern sei die einfachste und logischste Sache der Welt. Er führte sich auch absolut als Schuhfachmann auf, denn er beschäftigte sich ja schliesslich jeden Morgen und Abend beim An- und Ausziehen damit ... .

Ende Jahr wurde Hans Widmer von den Zürcher Wirtschaftsjournalisten zum Ma­nager des Jahres gewählt. "Wieso eigentlich"? fragten sich die meisten "Noch- BALLY-Manager", die im vergangenen Jahr Gelegenheit gehabt hatten, ihn ken­nen zu lernen. Was war denn eigentlich sein Leistungsausweis, um ein Modeun­ternehmen derart auf den Kopf zu stellen? Sandoz? Wander? Schweiter? Tecan? Wir BALLY Manager wunderten uns schon damals, später wunderten sich dann auch andere. Wir wundern uns aber heu­te noch, wieso sich gewisse Leute damals noch nicht wunderten!

 

Das Jahr 1992

Erstes Quartal 1992

Anfangs Januar sickerten dann die in Arbeitsgruppen unter Josef Ming erarbeite­ten Veränderungen in der Angebotsstruktur bis zu den von dieser Arbeit teilweise ausgeschlossenen obersten BALLY Führungskräfte durch. Für Bran­chenkenner waren dies meist sehr radikale, aber leider auch weltfremde Lö­sungen, die al­lerdings wesentlich höhere Deckungsbeiträge in Aussicht stellten. Was der Kunde wollte, fragte sich niemand. Diesem müsste man zeigen und sagen, was Mode sei, und der würde dann schon kaufen! Bei einem Apé­ritiv der früher berühmten Waldhüttenfeste in Schönenwerd, noch im Dezember 1991, sprach der Schreibende mehr als eine halbe Stunde lang mit Josef Ming und versuchte ihm darzulegen, dass er Mings Art, die Dinge zu sehen, sehr gut verstehen könne, da auch er seinerzeit als Dipl. Ing. ETH direkt von Düsen­triebwerken auf Schuhe gewechselt hatte. Der Schreibende hätte allerdings etwas mehr Zeit gehabt als Ming, sich mit gewissen, unabdingbaren Eigenheiten der Schuhindustrie und Schuhbranche sowie des Detailhandels auseinanderzusetzen. Auch gäbe es frappante Unterschiede zwi­schen Textil- und Schuhhandel, und zwar sowohl im Detail- wie im Engrosbe­reich. Der Schreibende würde sich aber gerne zur Verfügung halten, ihn bei sei­ner schwierigen Aufgabe zu unterstützen, hätte er als einer der wenigen BALLY Leute Schuh-Erfahrung in allen Sparten, nämlich Fabrikation, Engros-und Detailhandel; zudem kenne er die Konzerngruppe sehr gut aus der Zeit als Chef des Stabes „Planung/Organisation/Informatik“ bei BALLY International AG. Der Kommentar von Ming am Schluss des längeren Gesprächs war aber nur, dass trotz meinen gut gemeinten Worten an dem nun einmal eingeschlagenen Weg festgehalten werde. Es sollte mein einziges Gespräch mit Josef Ming bleiben, denn er und Hans Widmer hatten ihre Meinung ja gemacht und brauchten keine Gesprächspartner. Später hatte man, wenn überhaupt, nur noch "Verstan­den" zu sagen zu seinen, von Hans Widmer abgesegneten Neuerungen bezüglich Produkten und Märkten.

BALLY hatte seit 1979 vor allem in der Schweiz Bekleidung ins Angebot aufge­nommen, dies nicht zuletzt deshalb, um im Schaufenster und im Ladeninneren ei­ne klare, modische Aussage machen zu können. Obwohl die Schuhleute dies damals noch nicht gerne hörten, aber Schuhe sind und bleiben modische Accessoires, und mit Schuhen allein lässt sich schwer modische Kompetenz kommunizieren. Für Schuhe und Accessoires aus Leder traute uns der Kunde durchaus modische und qualitative Kompetenz zu. Für die Bekleidung hingegen musste BALLY diese Kom­pe­tenz samt dem entsprechenden Kundenvertrauen erst noch erwerben. Man tat dies vor 1991 sehr bewusst, indem man zuerst kompetente Mitarbeiter einstellte, die dann im Boutique-Stil Bekleidung mit ausgesuchten Prestigemarken in Kleinstmengen anboten. Dabei wurde versucht, mit der Bekleidung den glei­chen Kunden anzusprechen wie bei den Schuhen, um auch in diesem Bereich eine Stammkundschaft aufzubauen. Zuerst wurde mit Damenbekleidung begonnen, dann kam auch Herrenbekleidung dazu. Nach 10 Jahren wurde mit Bekleidung allein in der Schweiz bereits ein Umsatz von CHFr. 20 Mio erzielt. Die zur Präsentation der Ware benötigten Ver­kaufsflächen wurden jedesmal bei einem Ladenumbau neu gewonnen, da infolge der verbesserten Logistik in den Filialen immer weniger Lagerfläche für die Produkte be­nötigt wurde. Auch diente man sich bei den bekleidungs-Lieferanten nach oben, indem wenn immer möglich Exklusivität auf dem Platz angestrebt wurde. Wenn zum Beispiel Basel für eine Marke frei wurde, die bisher schon in anderen Städten geführt wurde, bemühte sich BALLY darum, diese auch für Basel zu bekom­men. So verkaufte BALLY mit Erfolg Prestige-Marken wie beispielsweise bei den Damen AKRIS, Trixi Schober, Strenesse etc. und bei den Herren Corneliani, Cerutti, Allegri usw.

Durch den Einkauf nur von Kleinstmengen konnte der anspruchsvollen Kund­schaft praktisch garantiert werden, dass im Konzert oder im Theater der Stadt nicht noch jemand mit dem gleichen Kleid anzutreffen war. Dies wurde dadurch erreicht, dass die verschiedenen Grössen auf die Filialen in verschiedenen Städten verteilt, und, da man wusste, wo welche Grösse sich be­fand, wenn nötig verschoben wurden. Solche Verschiebungen waren für die neuen, branchenfremden Lo­gistiker ein Greuel und bedeutete für sie klar zusätzliche Personal-Ko­sten. Die Leute konnten nicht begreifen, dass zwischendurch in einem La­dengeschäft bei noch so optimier-tem Personalbestand es immer wieder Momente ohne Kundschaft gibt und hand­kehrum dann wieder zu wenig Personal für zu viele Kunden da ist, mindestens solange man Kunden nicht mit einem Lasso in den Laden zie­hen kann. Und in den toten Zeiten ist es durchaus möglich, Regruppierungen und Warenverschiebungen vor­zubereiten, denn für die Warenbewirtschaftung kommt so oder so der Camion je­den x-ten Tag vorbei. Das Handling im Ladengeschäft ist sicher sehr wichtig, hat aber nicht die Bedeutung wie in einer Fabrik. Ladenper­sonal ist eben nur begrenzt flexibel erhältlich. Ich kann nicht erst rufen, wenn die Kund­schaft da ist und man Verstärkung haben müsste.

Im Bekleidungsbereich sollte nun all das mühsam Erreichte aufgegeben wer­den, da auch hier das Angebot modellmässig drastisch reduziert, dafür in viel grösse­ren Mengen angeboten werden sollte. Erich Biehle wollte eine eige­ne Kollektion mit der Marke BALLY bei GFT in Italien fertigen lassen, was auf dem Papier den Vorteil einer wesentlich höheren Marge bedeutete, aber auch den Nachteil hatte, dass sehr viel früher in viel grösseren Mengen als bisher eingekauft werden musste.

Wie unsinnig die neue Sortimentspoltik daherkam soll an einem einfachen Beispiel, einem Herren-Regenmantel dargestellt werden: Anstatt wie bisher von 3 Lieferan-ten je 3 Modelle à 10 Stück in drei Farben sollten in Zukunft 90 Stück von einem einzigen Mantel und in einer einzigen Farbe bestellt werden, denn GFT brauchte Minimalmengen für die Fabrikation, sonst wurde etwas gar nicht fabriziert. Unser Fachpersonal sagte dazu nur, wenn man Mäntel verkaufen wolle, könne man nicht nur 1 Mantel in 1 Farbe anbieten, sonst nehme man diesen einen Mantel besser aus dem Ange­bot, da er Inkompetenz suggeriere oder beweise. Ohne eine mini-male Auswahl kaufe niemand einen Mantel. Josef Ming, das Gewissen hinter Erich Biehle, sah das nach längeren Gesprächen sogar ein. Es durften grosszügiger-weise jetzt neu sogar 2 Mäntel im Sortiment sein, aber es musste 2 mal die Minimalanzahl eingekauft werden! Und wenn die Fach­leute dann sagten, sie würden in diesem Fall lieber keine Mäntel mehr im Sortiment haben, denn 2 Mäntel in grosser Menge könne man auch nicht anbieten, denn dann sehe das Gestell im hochwertigen BALLY-Laden aus wie bei Vögele oder Schild (Nichts gegen die beiden, denn das ist ihre Ver­kaufs­politik!). Unsere anspruchsvolle Kund­schaft akzeptiere dies nicht! Dann kam ein müdes, überlegenes Lächeln, und die Diskussion war vorbei und es wurde so eingekauft wie befohlen. Wie von den Fachleuten befürchtet  wurden dann aus dem Rumpfangebot leider keine Mäntel mehr verkauft, sehr zur grossen Verwunderung der Biehles und Mings!

Ende Februar 1992 wurde die Orientierung über den wahrscheinlichen Bührle Abschluss von der Presse sehr kontrovers aufgenommen: Die Kommentare schwankten zwischen "Trendwende" (ZSZ) und "Schrecken ohne Ende" (NZZ) Für BALLY ergab sich der von Hans Widmer auch später immer wieder so gern gezeig-te und scheinbar von der alten Führung zu verantwortende 1991er Ver­lust von ca. CHF -51 Mio vor allem dadurch, dass neben andern finanztechni­schen Massnah-men wie Veränderung der Abschreibungsrichtlinien bei der La­gerbe­wertung und ähnlichem riesige Rückstellungen für Restrukturierungskosten gemacht wurden und dafür dann der 1991 getätigte, nicht unerhebliche Verkauf von scheinbar „nicht betriebs­notwen­di­gen Aktiven" ins folgende Jahr verschoben wurde.

Die unter dem Namen "Max Bally" in den letzten vier Jahren in der Schweiz er­folgreich neu aufgebauten und sich an eine jüngere, modisch eher erlebnis­ori­en­tierte Kundschaft ausgerichteten Ladengeschäfte mussten auf Weisung von Erich Biehle aus Image-Gründen geschlossen, beziehungsweise wieder in nor­male BALLY Ladenge­schäfte zurückverwandelt werden. Die Begründung dafür war, dass die normalen BALLY Ladengeschäfte im Vergleich zu Max Bally zu "alt" aussehen würden. Das junge Angebot müsse in den normalen Geschäften inte­griert werden. Damit starb eine erfolgreiche, mit Enthusiasmus von jungen Kader­angehörigen für junge Konsumenten entwickelte Laden- und Produktidee, welche seinerzeit als eine der Antworten auf die grosse Marktstudie von 1986 entstanden war.

Im weiteren wurde weltweit auch sofort auf das gesamte Sport- und Tennisangebot ver­zichtet (Wanderschuhe, Sportschuhe i.w.S., Tennisschuhe und Tennisbeklei­dung), dies ebenfalls auf Weisung von Erich Biehle, scheinbar aus zwin­genden Imagegründen, denn Sport passe nicht zum BALLY Image. Das Ten­nisangebot (Schuhe und Bekleidung) hatte sich innert kürzester Zeit sehr gut entwickelt, vor allem in der Schweiz, nicht zuletzt durch das sinnvolle Ausnüt­zen zusätzlich ge­wonnener Verkaufsflächen, wenn infolge verbesserter Logi­stik in den Filialen weniger Lagerfläche benötigt wurde. Auch das Sponsoring der 2 besten Schweizer Tenniscracks Jakob Hlasek und Marc Rosset wurde damit beendet. Im März unter-suchte der Schreibende als damaliger Markt-Chef Schweiz mit den für den Textil-und Accessoiresbereich zuständigen Führungskräften die Auswir­kungen des neuen Angebotskonzepts für unseren Markt. Es wurde ein im Prinzip auf dieses neue Angebotskonzept ausgerichteter, für uns noch einigermassen ak­zeptabler Gegen-vorschlag erarbeitet und das Gespräch mit den Verantwortlichen Strategen ge-sucht: Das Gespräch fand wohl statt, wir hatten aber gegen Hans Widmers neuen, starken Mann Erich Biehle mit dem Chefideologen Ming im Rücken keine Chance und ern­teten für unsere Arbeit wieder einmal das bereits bekannte, müde Lächeln. Ob diesem weiteren, negativen Entscheid masslos enttäuscht (Max Bally und Sport waren bereits out), kündigten der für den gesamten "Nicht-Schuh-Bereich Schweiz zu­stän­dige Verantwortliche im Range eines Vizedirektors sowie der Sportverant-wortliche spon­tan.

Zweites Quartal 1992

Mit der neu für die ganze Welt in Schönenwerd zentralisierten Kollektionsver­ant­wortung begannen auch die ersten Einkäufer die BALLY Unternehmen in den ver­schiedenen Ländern zu verlassen. Leider waren es die Besten, vor allem jene, welche von der zen­tralen Kollektionserarbeitung ausgeschlossen worden waren. Es versteht sich von selbst, dass man vor allem unbequeme Querdenker mit eigener Meinung davon ausge­schlossen hatte. Die früheren Einkäufer hiessen neu auch nur noch "Selectors", was gegenüber dem in der ganzen Welt klar definierten und in einem gewissen Sinn auch presti­geträchtigen Einkäufertitel ein klarer Abstieg bedeutete. Auch zeigte die vom neuen Management an Mitarbeiter-orientierungen immer wieder verwendete Flos­kel: "Wem es nicht passt, kann ja gehen!" langsam Wirkung. Gute Leute verließen das sinkende Schiff!
 
Zur Ehrenrettung von BCG, welche in diesem Bericht vor allem wegen Josef Mings Sturheit (ich meine, diesen Ausdruck hier wirklich brauchen zu dürfen) so schlecht weg kommt, darf aber auch gesagt werden, dass gewisse BCG-Damen und -Herren uns bei unseren Anstrengungen zur Produk­tivitätsstei­ge­rung in den Filialen eine ausserordentlich grosse Hilfe war. Durch die Erarbei­tung von interessanten Filial-Kennziffern und deren sorg­fältiger Analyse im Fili­alvergleich wurden auch für uns Schuhleute neue und vielversprechende Wege beschritten.
 
In einem "Weltwoche" Interview (14.5.92) konnten dann die BALLY-Mitarbeiter sehr grosse Worte eines äusserst selbstsicheren Hans Widmer mit dem Titel "Dummes Zeug. Von Bally erwartet man Klassisches" lesen. Der Artikel ist in­so­fern lesens-wert, weil er aufzeigt, mit welcher Arroganz sich Hans Widmer schon nach 1 Jahr als ausgewiesener Schuhfachmann in Fabrikation und Han­del ex­ponierte, wie er ein erstes Mal Branchenkenner, Konkurrenten und die frü­heren BALLY Führungs-kräfte Dilettanten schimpfte. Dort verurteilte er auch eine frühere, sehr erfolg-reiche  BALLY-Webekampagne von BALLY Arola mit der weltberühmten Cindy Crawford (welche seinerzeit nur als ausserordentlich glücklicher Zufall für ein ihr befreundetes, krank gewordenes Model ohne jegliche Mehrkosten eingesprungen war): Es sei ja grässlich mit einem Model zu werben, wenn sie auch für Unter-wäsche eines Billig­anbieters geworben hatte. In Werbekreisen löste dieses Statement von Hans Widmer grosses Erstaunen aus­, warb doch in der Schweiz auch beispielsweise Omega mit dem gleichen Fotomodel Cindy Crawford. Hier erklärt er auch, warum man Max Bally schliessen und warum man mit Sport­schuhen und Sportbekleidung aufhören musste. Auf die Frage, ob man die Jungen zum vorneherein aus der BALLY-Zielgruppe fallen lasse, gab Widmer die Ant­wort: "Natürlich würden wir auch den Jungen gerne unsere Schuhe ver­kaufen. Aber man kann nicht gleic­h­zeitig Unterseeboot und Abfangjäger sein. Die jun­gen Leute haben ein anderes Kaufverhalten als die klassischen BALLY-Kun­den: Die Jungen shoppen von ei­nem Laden zum andern und suchen ein lusti­ges (!) Pro­dukt. Markennamen kümmern sie einen Deut (!). Ihnen fehlt neben der Kaufkraft das Bewusstsein, dass ein Schuh etwas Besonderes ist". Hört, hört!!! So ein­fach ist das eben im Bekleidungs- und Schuhhandel.

Der Artikel ist voll von solch grossen Worten und dummen Vereinfachungen und zeugt von einer beängstigenden Marktfremdheit. Die meisten Mitarbeiter konnten nur den Kopf schütteln ob solchem Unsinn. Neben der sichtbaren Entmachtung der ehemaligen Verantwortungsträger war es aber zusätzlich Gift für die Ar­beits­men-talität und es zerstörte das Vertrauen der Mitarbeiter in die neue Führung. Trotz­dem sagte Hans Widmer im Interview wörtlich: "Die Identifikation der Mitarbeiterin-nen und Mitarbeiter ist grossartig". Wie konnte er nur so blind und stumm durch die Betriebe und Ladengeschäfte gehen!

Hans Widmer hat innerhalb der ersten 16 Monate praktisch die gesamte BALLY Führungsmannschaft ausgewechselt, teilweise mit den kompletten Ge­schäftslei­tungen der Ländergesellschaften: Chef Bally Europa (früher Chef Bally Eng­land), Chef Bally France, Chef Bally Arola (Markt Schweiz), Chef Bally Oester­reich, Chef Bally Deutschland, Chef Bally Holland, Chef Bally Belgien, Chef Bally USA / Kanada. Vorläufig störte ihn dieser enorme Know-How-Verlust überhaupt nicht, denn er war ja noch immer in der Sanie­rungs­phase und seine neue Führungs­crew war erst im Entstehen begriffen. In der Bankvereinpublikation "Der Monat" vom Juni 1992 erklärte er auch, warum er sehr gut auf die ehemaligen BALLY Manager verzichten konnte: "Gestandenen Hasen Erfahrungen ausreden und ih­nen neue Bekenntnisse einhämmern zu wollen, ist ein hoffnungsloses Unter­fan­gen."

Entscheidend wird aber die Antwort auf die Frage sein, ob die von Hans Wid­mer und seinen Mannen neu konzipierten "neuen Bekenntnisse" künftig vom Markt ak­zeptiert werden oder nicht. Und an der Akzeptanz von seinen etwas weltfrem­den Konzepten zweifelten nicht nur die BALLY Mitarbeiter auf allen Stufen, sondern bereits damals die ganze Branche, und wie sich heute he­r­ausstellt, scheinbar sehr zu recht.

Drittes und viertes Quartal 1992

Im September erlebte Hans Widmer mit der Präsentation des Halbjahresergeb­nisses einen grossen Triumpf. Er verkündete stolz: "Wir haben den Turnaround geschafft"! Die Zeitungen waren überschwänglich: "Bührle wieder mit Gewinn" (TA 02.09.), "Jetzt können unsere 16'500 Mitarbeiter wieder ruhig schlafen" (Blick 21.9.) Doch schon in der "Bilanz" 10/92 liest man ein erstes Mal wesentlich we­ni­ger Schmeichelhaftes: "Widmers grobschlächtige und von wenig innerem Ge­spür zeugenden Führungsmethoden lassen an den Anfang September verkün­de­ten Erfolgen, aber auch an seiner Selbstsicherheit zweifeln", und weiter un­ten: "Wer hin­ter das von Hans Widmer unlängst präsentierte Zahlenwerk schaut, wer die bei den OBH-Firmen ... ersichtlichen Strategie-Ansätze analy­siert, stellt fest: Der Kon­­zerngewinn ist vor allem das Resultat eines bilanztech­nischen Stemm­schwungs."
 
Am 1. November nahm Ernst Zängerle, von Omega kommend, als sogenannter "Supply-Chain-Manager" in Schönenwerd seine Arbeit auf. Er brachte auch ge­wisse frühere SMH-Mitarbeiter gleich mit. Allen diesen Logistikern gemeinsam war aber, dass sie noch nie in der Schuh- oder Bekleidungsindustrie mit all ihren Eigen­hei­ten von Kollektionen, Sortimenten, Modellen, abgeleiteten Artikeln, Grössen, Wei­ten, Farben, links/rechts usw. gearbeitet hatten und sich deshalb zuerst einarbeiten mussten oder besser gesagt, hätten einarbeiten müssen, denn auch sie stellten sofoert alles auf den Kopf!
 
Ebenfalls anfangs November nahm die von Hans Widmer mit Vorschusslorbee­ren überhäufte "Lichtgestalt aus Italien“, der neue BALLY Chef Stefano Ferro die Arbeit auf. Beim "Einzug" ins Besprechungszimmer an­lässlich der Vorstellung an die Mitarbeiter der BALLY International AG kam er Arm in Arm mit Hans Widmer, dieser den Hochzeitsmarsch von Mendelssohn plärrend. Ferro war nicht zu be­neiden. Neben den Sprachproblemen (er sprach praktisch kein deutsch und nur mässig englisch) hatte sein zukünftiger Chef Hans Widmer anderthalb Jahre mit uneingeschränkter Machtfülle bei BALLY geschaltet und gewaltet, in der Zwi­schen-zeit umgeben von immer mehr Ja-Sagern, Wendehälsen und Branchen­neu­lingen. Ob er sich jetzt plötzlich zurückhalten würde, wenn Ferro allenfalls an­dere Meinungen vertreten würde? Bilanz 11/92 sah die kommen­den Schwie­rig­keiten voraus und schrieb über Ferro. "Wer meinen Kurs ak­zeptiert, der ist dabei. Die anderen müssen sich entscheiden, unkt der neue Bally Chef. Das kann ja heiter werden. Denn schon unter Widmer wies das Bally-Management Zeichen schwerer Verunsicherung auf. Einige Manager, so ein Bally-Mitarbeiter, haben sich gegen-über Widmer keine eigene Meinung geleistet, weil sie Angst hatten, gefeuert zu werden." Dies war doch aber nach dem Rausschmiss eines Gross­teils der obersten Kader ja auch nicht beson­ders verwunderlich. Rück­blickend kann aber heute gesagt werden, dass der Einfluss von Ferro ver­schwin­dend klein blieb. Das Sagen hatte trotz allen gegenteiligen Beteue­run­gen immer Hans Wid­mer, und zwar, bis im Herbst 1995 Ernst Thomke kam (Dies hat dem Schreibenden Jahre später Stefano Ferro auch persönlich bestätigt).
 
Nach der im Jahre 1991 durchgeführten Restrukturierung bei BALLY Arola AG war im Verwaltungsgebäude an der Lerchenstrasse genügend Büroraum vor­han­den, um BALLY International AG aufnehmen zu können, das heisst das, was von der ehemaligen Leitung der Konzerngruppe BALLY noch übrig geblie­ben war. Das ermöglichte auch, die BALLY eigene Liegenschaft an der Gerber­gas­se / Urania-strasse, die erst vier Jahre vorher von BALLY International AG recht auf­wendig umgebaut und bezogen worden war, als „Nicht betriebsnotweniges Aktivum“ zu verkaufen, obwohl im Erd­ge­schoss die zweitgrösste Filiale der Stadt Zürich untergebracht war. Im Ge­gen­satz zu ersten Vorstellungen für die Vorbereitung der Räumlich­keiten auf die Be­dürf­nisse von BALLY International AG, wurde dann aber im Verwal­tungs­gebäude der BALLY Arola AG mit der ganz grossen Kelle angerich-tet: Das Erd­geschoss, der erste und der zweite Stock wurden voll­kommen ausge-höhlt, neue Wände errichtet und Grossraumbüros und Besprechungszimmer mit ni­gel-nagel-neuen USM Haller Möbeln eingerichtet. Auch der Eingang wurde, wie es sich für ein Modeunternehmen von Weltruf ge­bührt, sehr repräsentativ umge­staltet, und die be­stehenden Kunden- und Lieferanten-Park­plätze vor dem Haus gar in eine Gartenanlage umgewandelt. Im November 1992 wurden die neuen Räumlich-keiten bezogen, welche dann aber nach nur ca. einem Jahr wieder aufge­geben wurden, da Ferro (oder Hans Widmer?) alles in Schö­nenwerd konzentrieren wollte. Die neuen prächtigen Büros standen anschlies­send lange, sehr lange leer! Weil man das Geld auf diese Weise ausgab, musste man wahrscheinlich auf Werbung verzichten.

Das Jahr 1993

Erstes Quartal 1993

Trotz eher bescheidenen Erfolgen nimmt die OBH-Pressemitteilung vom 20.1. be­züglich Bally den Mund wiederum sehr voll: ...Die Verbesserung der Markt­lei­stung (Ladenausstattung, Personalschulung, Logistik, Sortiment, kohärenter weltweiter Auftritt etc.) wirken sich erst schrittweise aus. Trotz tiefgreifender Er­neu­er­ungs­programme und trotz widriger Konjunktur wird 1993 eine weitere Er­trags­stei­ge­rung erwartet.
 
Nachdem der hervorragende Chef Bally England von sich aus im November ge­kündigt hatte, um zur Konkurrenz zu gehen, wurden im Verlauf des Winters für Bally England, Bally France und Bally Verkauf Schweiz (ehemals Arola AG) neue Managing Directors ge­funden. Im April musste dann auch der erst im Herbst neu ernannte Chef Bally Deutschland ersetzt werden, der analog dem Chef England gekündigt hatte und auch zur Konkurrenz ging.
 
Per 21. Januar 1993 wurde vom Duo Ferro/Zängerle trotz nur zweimonatiger Ein­arbeitung die bestehende Struktur im Produktions- und Beschaf­fungs­be­reich jäh zerschlagen und durch eine neue Linienorganisation ersetzt. Dies be­scherte vor allem dem Platz Schönenwerd ein Chaos ohnegleichen, war doch noch nicht einmal die Neuorganisation nach der grossen Restrukturierung im Jahre 1991 richtig eingespielt. Dem neuen Leiter Operationen, Ernst Zängerle, wurden die Berei­che Produktion, Informatik, Distributionslogistik, die gesamte Beschaffung (Roh­stoffe, Komponenten und auch die vor allem in Italien zuge­kauften Schuhe für den weltweiten Detail- und Engroshandel !), Planung und Qualitätssicherung di­rekt unterstellt. Diese Unterstellung und -teilung, sowie vor allem auch gewisse personnelle Ernennungen, lösten bei Branchenkennern wiederum einiges Kopf­schütteln aus. Die einzelnen Bereichsleiter waren ausschliesslich von den neuen Herren ausgesucht und bestimmt worden, obwohl sie diese kaum kannten. Der amtierende Personalchef sowie der bisherige Leiter der BALLY Schuhfabriken, welche auf dem Platz Schönenwerd ge­meinsam die letzte grosse Restruk­turierung durchgezogen hatten und deshalb alle die Leute bestens kannten, wur­den bewusst umgangen und vor vollendete Tatsachen gestellt. Die Verun­siche­rung unter den Mitarbeitern war wieder ein­mal auf einem Höhepunkt.
 
Mitte März sorgte dann ein Artikel in der Sonntagszeitung erneut für grosse Un­ruhe, diesmal aber mehr in den Chefetagen. Der Artikel begann: "Bei Bally ist Feuer im Dach. Die Renommiermarke, wichtigstes Standbein der Oerlikon-Bühr­le Holding, kämpft mit gravierenden Problemen. Schlechtverkäufliche Kol­lek­tio­nen, interne Querelen und erstaunli­che Marketingpannen prägen das gegen­wärtige Bild des Unternehmens. Wenn er von seiner Firmentochter BALLY spricht und insbe-sondere von Stefano Ferro, dem neuen Chef, gerät Bührle-Konzernchef Hans Widmer regelrecht ins Schwärmen: Absolut brillant sei des­sen bis­heriges Wirken. Ferro habe dem Unternehmen zu neuer Identität ver­holfen, ha­be die Sortiments-politik im Griff, eine glückliche Hand bei der Be­setzung wich­tiger Ka­derposten und arbeite ausnehmend erfolgreich am neuen Marktauftritt. Widmer, so scheint es, redet nicht von Bally", schreibt die Sonn­tagszeitung. "Denn im Traditionsunter-nehmen ... geht es drunter und drüber."     

Dann wird im Artikel der Flop mit der neuen Schuh- und Bekleidungskollektion erwähnt. Die Kleider passten der anspruchsvollen Kundschaft weder im Stil noch im Schnitt. Verantwortlich für den Marketing-Flop sei Erich Biehle, erst doch von Hans Widmer in einem Interview mit L'HEBDO, (24.9.92) als "direc­teur artistique de génie" in den Himmel gehoben. Aber es sei Erich Bieh­les nicht einziger Flop, schrieb die Zeitung, da er auch für die Bereiche Werbung und Ladengestaltung zuständig sei, und auch dort liege vieles im Argen. Da­rum stehe er jetzt scharfer Kritik ausgesetzt.        

Der Artikel hat noch eine andere bemerkenswerte Stelle, wo er die Auswirkun­gen der Restrukturierung durch das Auscheiden der erfahrenen Länderchefs mit ei­nem grossen Know-How Verlust gleichsetzt. "Damals ... habe die Feigheit des Bally Managements begonnen. Man habe es versäumt, dem reinen Kosten­den­ker und Zentralverwalter Widmer die speziellen Realitäten des Schuh­geschäftes beizu-bringen. Gefördert wurde ab sofort nicht mehr Krea­ti­vität der regional Verantwort-lichen, sondern die zentrale Bewirtschaftung der Abläufe. Es zählte nicht mehr das Gefühl im Magen der Einkäufer, sondern die nüchterne Vereinheitli­chung und Kostenoptimierung des Angebots".        

Die Mitarbeiter waren erstaunt, wie der Artikel dem tatsächlichen BALLY-Alltag sehr nahe kam. Sie bemängelten am Artikel nur, dass der Journalist anschei­nend ungenügend darüber orientiert war, dass die ehemaligen Manager sehr wohl Hans Widmer und seinen neuen Vasallen die Realitäten des Schuhge­schäfts näher zu bringen versucht hätten, dass diese aber gar nicht zuhören woll­ten, denn sie wussten ja immer alles besser!

          Hans Widmer reagierte in der FuW vom 24. 3. heftig auf diesen Artikel und be­stritt, dass das Image von BALLY angekratzt sei. Es sei nur "unter jenen Mitar­bei­tern, die nicht mehr mit von der Partie sind" angektatzt. Man würde konse­quent die Pläne verfolgen, die vor einem Jahr ausgelegt worden waren usw.

 

Zweites Quartal 1993

Im CASH vom 8. April doppelten Widmer und Ferro wiederum mit sehr grossen Worten nach. Der Haupttitel war: "BALLY: Auftritt mit doppeltem Absatz", und "BALLY will wie­der auf grossem Fuss leben". Als Untertitel wurde gewählt: "Der Schweiz gröss­ter Schuhfabrikant marschiert auf dem richtigen Weg: Mit radika­len Sanierungsprogramm und vielen neuen Ideen soll BALLY wieder zum Muster­laden werden". Es ist heute fast etwas peinlich, zurückzuschauen und festzustel­len, wie dumm und läppisch in diesem Artikel Widmer und Ferro das ehemalige BALLY Management hinstellten und dass nun selbstverständlich alles viel in­telli­genter angepackt und in Ordnung gebracht werde. Nur war da­mals alles noch Theorie und Wunschdenken dieser Herren. Realisiert von den hochfliegenden Plänen waren entsprechend dem Artikel erst 20%. Widmer lobt neben den Arbei­ten am neuen Firmenlogo und an der neuen Werbekam­pagne auch die Arbeit am Projekt "Näher zum Kunden" mit Just in Time. Zu diesem ewigen Werk siehe weiter unten.        

Auch der folgende Passus im Artikel ist rückblickend sehr aufschlussreich: "... Die Erfolgsaussichten des ambitionierten Programms stehen und fallen aber mit dem Produkt - und das vermag bis heute nicht zu überzeugen. Auch Hans Widmer ist damit noch nicht zufrieden. Doch er gibt zu bedenken, dass der Design-Chef Erich Biehle ... erst seit der Einführung der neuen Struktur die Möglichkeit hat, seine Ideen durchzusetzen". Weiter schreibt CASH: "Das Tempo, mit dem Wid­mer und Ferro den Umbau des eingesessenen Tradi­ti­onsunternehmens forcie­ren, hat auch Schattenseiten. Die neue Marktstrategie hat zu einem Köpferollen unter den Länderchefs geführt. Bis auf den Fernost-Verantwortlichen wurden alle ausge-tauscht: "Das waren gut meinende Dilet­tanten", sagt Widmer. ..."        

Dies hätte Hans Widmer wahrscheinlich besser nicht gesagt. Eine alte Füh­rungs­regel besagt, man soll nie über Vorgänger den Stab brechen, bevor man alles viel besser gemacht hat als sie! Wird man in einigen Jahren im Gegen­satz zu den "gutmeinenden Dilettanten" von der neuen Führung eventuell von bösar­tigen, ja eventuell sogar von unfähigen Dilettanten sprechen?

Im gleichen CASH-Artikel wird in einem Kasten mit dem Titel "Näher zum Kun­den; BALLY führt ein neues Just-in-Time-Konzept ein" beschrieben, wie BALLY bisher gearbeitet habe. Wieder stellte man dies möglichst dämlich dar und mach­te sich auch über den weltweit üblichen Einkauf nicht nur im oberen Preissegment der Modebran­che lustig. BALLY mache dies künftig selbstverständlich viel besser! Ein Bran­chenkenner meinte dazu: "Wie sich klein Hansli Widmer den Detailhandel vor­stellt"!

Den Logistikern waren dann vor allem die auf der ganzen Welt sonst not­wendigen Ab­schreibungen von Ende Saison ein Dorn im Auge. Für die Logistiker war klar: Man musste einfach nur das richtige Produkt einkaufen, dann würde man Abver­kaufsraten von gegen 90% erreichen und dann wären auch die Abschrei­bungen kein Problem mehr.

Wie wenn bisher nicht jeder Einkäufer nur das ein­gekauft hatte, was er dachte, optimal verkaufen zu können, denn daran wurde er bisher ja auch gemes­sen! Viel wichtiger war für die Logistik, das Handling zu minimieren. Regruppie­rungen im Filialnetz sollte es in Zukunft auch nicht mehr geben. Man hatte mit den geplanten, hohen Abverkaufsraten und minimalsten Lagerbeständen (man wollte ja innert Tagen gut gehende Artikel nachfabrizie­ren!!!!) nur noch sehr kleine Men­gen zum Abschreiben. Also war als Abschreibe­kriterium auch nicht mehr wesent­lich, ob ein Artikel modisch noch in Ordnung war oder nicht. Als das künftige Hauptkriterium für die Abschreibungen Ende Saison wur­de das Alter des Pro­dukts definiert. Und so wurde frisch fröhlich abgeschrieben und verramscht, was älter als zwei Saisons und nicht als "Long-Life" definiert war, obwohl bei­spiels­weise ein Herren Golfer, der in der neuen Saison leicht modifiziert weiter­geführt werden sollte, modisch noch absolut rich­tig lag. Und da Schuhe nicht wie Beklei­dung abgeändert und eine Naht et­was eingenommen oder ausgelassen werden können, die Füsse aber von Per­son zu Person extrem verschieden sind, bieten regruppierte Restsortimente sol­cher Schuhe im Laden die Chance, einem gewis­sen Kunden am Fuss bequemer zu sein als die neuen Modelle. Aber mit der Zeit wurde über solche Belange mit der neuen Führung gar nicht mehr ge­sprochen, da man dann ja gegen das neue Konzept gewesen wäre und die Entlassung ris­kierte. Wichtig war nur noch, dass kein "Sortiments­salat" (Orginal-Zitat mit Zeichnungen von Hans Widmer im CASH 8.4.93) mehr existierte. Jeder Fach­mann war sich im klaren, dass das neue Konzept in dieser extremen Form zum Scheitern verur­teilt war, es wurde da­ran aber frisch fröhlich mit grösstem Auf­wand weiter ge­werkelt und die Kund­schaft im Laden erschreckt. Die Konkurrenz vor allem in der Schweiz schmun­zelte. Ihr sollte es vorläufig recht sein, wenn der Bran­chen­leader seine Kräfte derart verschwen-dete und ein gros­ser Teil der treuen BALLY Kundschaft gezwungen wurde, zu ihr abzuwandern.

Im Frühsommer 1993 wurde dann dem Kader die neue "BALLY - Identität" der neuen Führung für die Zeit bis zum Jahr 2000 eröffnet, mit scheinbar klaren Vorstel­lun­gen über "Mission, Customer, Product, Distribution und Culture" (Alles ge­schah nun ja in Englisch!). Mit dabei war auch das schon aus der Presse für BALLY be­kannte Umsatzziel von CHFr 2’000 Mio, aber hier im internen Papier sollte dies be­reits schon für das Jahr 1996 gelten! Auch wurde in diesem Pa­pier ein erstes Mal die BALLY Leisure Kollektion erwähnt, mit welcher man ei­nen Teil der unge­heuerlichen Umsatzausweitung bewerkstelligen wollte. In zwei weiteren Folien wurde die neue Führungsstruktur vorgestellt: Von den bis­herigen sieben Hierar­chiestufen: "Gruppenchef - Grup­penstab (?) - Markt­re­gionenleiter - Firmenleiter - Verkaufsdirektor - Verkaufslei­ter - Filialleiter" soll­ten nur noch drei übrigblei­ben: Also nur noch "Gruppenchef - Firmenleiter - Fili­alleiter". Wie ein Firmenlei­ter und Länderchef neben den Mit­arbeitern in der Zentrale noch 60 bis 90 Filia­len direkt betreuen sollte, wurde aber nirgends nä­her erläutert. Dafür wurden Vorstellungen über die künftige Kostenstruktur im Detailbereich angegeben, die jeden Branchenkenner den Kopf schütteln und sich fragen liess, ob denn da wirkliche Uto­pisten am Werk wären. Aber vorläufig glaubte wenigstens die neue Führung an solchen Unsinn.

Am 12. Mai wurde das Kader von Ferro orientiert, dass der Chefideologe von BCG, Herr Josef Ming (von den Mitarbeitern liebevoll "Der Würger von Boston" genannt!) als Consultant ein BALLY Sonderprojekt bearbeiten würde. Zwei Wo­chen später teilt Ferro dem Kader dann aber mit, dass Ming auf den 1.8.1993 zum Präsidenten  und CEO von BALLY USA/Kanada ernannt werde und damit Frau Merle Sloss ablöse, die erfolgreiche En­gros-Chefin von BALLY USA, die erst im vergangenen Herbst von Hans Widmer zur Län­der­verant­wortlichen in USA ernannt worden war. (Merle Sloss hatte seinerseits den langjährigen, kurz vor der Pensionierung stehenden Länderverantwortlichen USA, John Heim ersetzt, verliess dann BALLY aber sehr rasch.)

Am 18. Mai schrieb der TA: "Oerlikon Bührle denkt wieder an Expansion. Kaum zu Gewinnen zurückgekehrt, werden grosse Pläne für BALLY und die High-Tech-Tochter Balzers gewälzt. ... Die Schuhfirma BALLY soll mehrere hundert Millionen investieren, um den Umsatz bis 1997 auf 2 Mrd. Fr. zu verdoppeln." Offensichtlich hat man gegenüber dem internen Papier für die Zeitung beim Um­satzziel bereits wieder ein Jahr dazu gegeben.

Drittes Quartal 1993

Ende August wurde in Schönenwerd das "BALLY LAB" mit grossem Presse­emp­fang, geladenen VIP's und eingeladenen Kader-Mitarbeitern ein­geweiht und die neue Corporate Identity von BALLY vorgestellt. Alle Zeitungen waren voll davon. Am 28. August schrieb BLICK: "Sechs Millionen Franken steckte der Schweizer Schuhriese BALLY in eine alte Fabrikhalle. Das Resultat: Ein Mode-Labor, in dem kreative Köpfe Schuhe und Kleider entwerfen, mit denen BALLY die Welt erobern will." (Pikantes Detail: Die Vergabe der aufwendigen Architekturarbeiten war an den Schwager von Hans Widmer gegangen). Für die BALLY Mitarbeiter stellte sich von allem Anfang an die Frage, wieso denn auf alle die bestehenden, erst in den letzten Jahren renovierten Musterräume verzichtet und ein solch grosskotzi­ges LAB gebaut wer­den müsse, umsomehr als der Engros-Verkauf sträflich ver­nachlässigt wurde und da­her dieses Lab praktisch nur noch für BALLY-interne Zwecke gebraucht werden konnte. "Bilanz" und auch die französischsprachige Ausgabe "Bilan" 10/93 schrieb dazu: "Im August wurde in mehrtägigen Festi­vitäten 550 BALLY-Kadern, die aus aller Welt in Schönenwerd zusammen­strömten, mit in Auftrag gegebenen Cinde­rella Ballet, Videowänden, Luxusdrucksachen und viel Champagner die neue Corpo­rate Identity eingeflösst. Nur: Den VIP-Abend ver­brachte man ohne die er­wartete Prominenz - ausser Emil Steinberger als Gast. Trotzdem muss den abge­kämpf­ten Frontmit­ar­beitern, von Ferro als "BALLY-Missionare" angesprochen, Sehen und Hören vergangen sein, als sie im "BALLY-LAB", der neun Millionen teuren kreativen Denkwerkstatt mit gläsernem Laufsteg und den 400 Spots, die zukünf­tige Kultur serviert bekamen. Nicht wenige fragen sich nun, woher die dreistelli­gen Millionenbeträge für sündhaft teure Corporate-Identity-Schikanen und Putman-Lä­den kom­men - während die Zentrale für die dringend nö­tige, konkrete BALLY-Pro­duktwer­bung nichts übrig hat. Zudem sind leitenden Mitarbeitern auch die Stel­lungskäm­pfe rund um Stefano Ferro nicht ent-gangen, und besonders böse Zun­gen spre­chen von realitätsfremden Cüplitrinkern, die BALLYs Geld vertun." So­weit die "Bilanz".
 
BALLY durfte bisher weltweit immer sehr stolz auf seine Schaufenster sein. Es gab so etwas wie eine Rivalität unter den verschiedenen Märkten, wer die be­sten Fenster hatte. In den Dekorationsabteilungen der einzelnen Länder wurde des­halb grossen Wert auf Kreativität und Geschick der Dekorateure gelegt. Neu wur­de jetzt aber die Verantwortung für die weltweite Schaufenstergestaltung eben­falls in Schö­nenwerd zentralisiert. Im Untergeschoss des LAB wurde eine Schaufen­ster­front errichtet, wo die Kommunikationsverantwortlichen genau vorgaben, wie die Schau-fenster weltweit dekoriert werden mussten. Möglich dass mit dem zen­tra­len Einkauf des Deko-Materials etwas Geld eingespart werden konnte, der weltweite Versand verschlang allerdings bereits wieder einen Teil davon. Aber was noch viel schlimmer war: Ein­mal mehr ging Kreativität und Know-How draussen an der Front verloren. Von den Dekorateuren verliessen verschiedene die einzelnen BALLY-Ge­sell­­schaften, und zwar wiederum zuerst die Besten, weil ihre Arbeit nur noch aus-führend und damit uninteressant gewor­den war.
 
Am 1. September beginnt Dieter Feller als neuer Personalchef auf Stufe Kon­zerngruppe, einer Stelle, die es bis zu diesem Datum früher nie gegeben hat. Bis­her hatte jeweils der dienstältere Personalchef der beiden grossen Schwei­zer BALLY Firmen diese Funktion ausgeübt, wobei man sich vor allem auf Ka­derpla­nung und -Koordination beschränkte. Im Normalfall wurden früher Per­sonalpro­bleme dezentral durch den Länderchef, bei direkten Untergebenen gemeinsam mit dem Chef der Konzerngruppe oder der Marktregion gelöst.

Hier wurde einmal mehr deutlich, dass Hans Widmer mit BALLY den umge­kehr­ten Weg der meisten anderen grösseren Unternehmen ging: Während andere Kon-zerne bisher zentralistisch geführte, komplexe Gebilde in kleinere, über­schaubare und besser führbare Einheiten aufteilten, wurde bei BALLY im Gegen­teil immer mehr zentralisiert und die bestehenden, gut eingespielten Strukturen der Länder-gesellschaften mit eigenständigen Firmenkulturen mut­willig zerschla­gen.

Am 23. September bot man dem ehemaligen Firmenleiter Schönenwerd und Lei­ter der BALLY Gesamtproduktion Werner Leuch andere Funktionen an, die er nach 35 Dienstjahren im Oerlikon Bührle Konzern dann aber dankend ab­lehn­te. Es wurde Wert darauf gelegt, dass man nicht von Entlassung sprechen konnte, da man ihm ein Angebot gemacht hatte. Was für ein An­gebot man ge­macht hatte wurde nie publik. Leuch hatte 1991 mit viel Finger­spitzengefühl und ohne jegliche Misstöne in den Medien die noch unter Nie­derer beschlosse­ne Restrukturierung mit markan-tem Stellenabbau in Schö­nenwerd durchgezo­gen. Mit dieser Absetzung musste zudem der Schwei­zerische Schuhindustriel­lenver­band einen neuen Präsidenten suchen. Das Aargauer Tagblatt schrieb am 12.10.: "Den Posten eines Chefs der BALLY Schuhfabriken AG in Schönenwerd gibt es nicht mehr. Die operative Leitung wird neu direkt von der Gruppenleitung wahr­genommen. Neuer starker Mann auf dem Platz Schönenwerd ist Ernst Zän­gerle, Leiter des Bereichs Supply (Logistik) im Gesamtunternehmen. Ihm direkt unter­stellt ist der neue Leiter der gan­zen BALLY-Schuhproduktion im In- und Aus­land, der Engländer Martin Lee. "... Der Produktionschef von BALLY-England, Lee, sprach praktisch kein Deutsch und Französisch.
 
Zudem wurde am 1. Okto­ber ein Ameri­kaner, eben­falls mit mageren Kenntnissen in Deutsch und Franzö­sisch zum Aus­bildungs­chef ernannt. Die Führungsmannschaft auf Stufe Kon­zerngruppe war damit nach dem noch unter Niederer eingeleiteten Schrumpf­prozess wieder auf einem recht ansehnlichen Stand angelangt. Da man mit Fer­ro sowieso eng­lisch sprechen musste, spielten scheinbar mangelnde Sprach­kenntnisse in Deutsch und Französisch auch keine Rolle mehr. Ob dies aber der Kommuni­ka­tion in den Betrieben in der Schweiz und in Frankreich sowie mit den nicht-engli­sch­sprechenden Ländergesellschaften in Europa förderlich war, ist eine andere Frage.
 
Am 24. September berichtete CASH einerseits über die Vergabe des Werbe­bud­gets an DDB Needham. "Damit hat sich die Agentur von Herbert J. Seiler gegen die Konkurrenz von Wirz, Impuls und Advico Young & Rubicam durch­gesetzt und eines der grössten Schweizer Werbebudgets ... geangelt." Dazu zwei inte­res­sante Details: Erstens war Urs Jaermann, der damalige Kommuni­kationsver­ant­wortliche von BALLY nach der vergleichenden Präsentation oben genannter Agen­turen für Advico Young and Rubicam, also hat jemand anders über seinen Kopf hinweg entschieden, und zweitens, die Berner Tochter von DDB Needham, das Atelier Jaquet, wird von Christian Jaquet, einem langjäh­rigen Freund von Hans Widmer, geleitet.  

Im gleichen Artikel wird andrerseits geschrieben: "News auch aus der BALLY Chefetage: Erich Biehle wird künftig nur noch für die Kreation der Produkte ver­antwortlich sein, das Ressort Marketing übernimmt der 37 jährige Tullio Marani, der sich in Italien als Esprit- und Bruno Magli Manager einen Namen gemacht hat." Begann damit der langsame Abstieg von Erich Biehle, des von Hans Widmer so hoch gelobten Design-Genies?

Viertes Quartal 1993

In der "Bilanz" und auch in der französischsprachigen "Bilan" 10/93 wurde dann ein bitterböser Artikel über BALLY unter folgender Zusammenfassung pu­bliziert: "Sturzgefahr, Für Hans Widmer ist BALLY das einzige Paradepferd im Oerlikon-Bührle-Konzern: Anders ist seine erstaunliche Frage, was Bührle ohne BALLY wäre, nicht zu verstehen. Doch die Rosskur, die er anordnete, lässt Kenner um BALLYs Existenz bangen".

Im Innern des Blattes finden wir dann die Ueberschrift über den Artikel: "Stromli­nienform ist angesagt: Die Beteiligung BALLY, seit 1977 als fremdartiges Element dem tech­nisch orientierten Oerlikon-Bührle-Konzern einverleibt, geriet massiv ins Räder­werk der Restrukturierung. Nur: Mode ist ein Business, das Sensibilität und viel Insider-Know-How voraussetzt. Grobe Kurskorrekturen, diktiert von Outsidern, sind Gift. Jetzt ist die von Konzernchef Hans Widmer der BALLY Gruppe ver­ord­nete "eigene Handschrift" da: Die Modemarke trägt die reali­tätsfremden Zü­ge der MATRIX-FETISCHISTEN".

Zuerst wird die Strategie erklärt, mit welcher Hans Widmer das ambitiöse Ziel der Umsatzverdoppelung erreichen will. Dann werden aber schonungslos die Tatsa­chen aufgezählt, was seit der Machtübernahme durch Hans Widmer und seine Crew geschehen ist und wie BALLY heute dran ist. Es ist unmöglich, hier aus­zugsweise daraus zu zitieren, weil man den ganzen Artikel abschreiben müs­ste. Zwei cha­rak­te­ristische Ausschnitte gegen Schluss des Artikels seien aber stellvertretend dafür hier angeführt:

Zitat: "Von Hans Widmer wurde BALLY als zukünftiger Hauptumsatzträger des Bührle-Konzerns ausersehen, aber die offenkundigen Zielkonflikte an allen Ec­ken und Enden lassen seine Milliarden-Frohbotschaft zu einem abenteuer­li­chen Spruch verkommen - genau wie eine seiner Expansionsprognosen vom Juni letz­ten Jahres, als er verkündete, im neuen Segment Freizeitschuhe "wol­len wir 1994 auf Anhieb 100 Millionen Franken erreichen und danach jedes Jahr noch einmal soviel zulegen". So, wie's derzeit aussieht, wird jedoch bei weitem keine Million umge-setzt".

Und weiter unten: "Branchenkenner orten, Widmer habe das Pferd am Schwanz aufgezäumt: mit von oben verordneten Strategie, die fernab von länderspe­zi­fi­scher Kundenkenn­tnis die alten Strukturen mit dem Hammer zerschlägt statt re­formiert und einen "reinen" Marktauftritt in Szene setzt, der, noch völlig un­veran­kert, aber tempo­teufel, eine weitere Umsatzmilliarde in die Kasse brin­gen soll. Das Rezept, wie eine Neustruktur bei BALLY grössere Akzeptanz - nach innen und aussen - ver­sprochen hätte, ist vielen klar: Ein Führungsteam aus "alten Ha­sen" und neuem, jungen Blut. Sach- und fachkundige Beobachter fassen das Flo­p­risiko für BALLY bildhaft zusammen: Eine Gruppe in dieser Grössenordnung lasse sich niemals so schnell kehrtwenden, wie jetzt als Ver­suchsballon an der verunsicherten Pra­xis durchgeboxt. "BALLY ist ein Dam­pfer, kein Schnellboot". Zitatende.

Das waren sehr deutliche Worte, die allenfalls auch zum Nachdenken hätten an­regen können. Aber man lächelte über so viel Unverständnis und ging un­beirrt der einmal eingeschlagenen Marschrichtung folgend weiter.

Ende September war dann BALLY erneut in den Schlagzeilen: Aus Anlass  der Eröffnung des ersten, von der Stardesignerin Andrée Putman aus Paris gestyl­ten Ladens in Köln wurde der "Neue Look von Kopf bis Schuh" (CASH, 22.10.) vor­gestellt. Firmenlogo, Verpackungsdesign, Kataloge und Drucksachen waren wie­der einmal überarbeitet worden, genau wie vor fünf Jahren unter der Aegide des damaligen Marketingmannes Max Imgrüth. Da man andere Berater beauf­tragt hatte, kamen selbstverständlich auch andere Resultate heraus. Die Farben grau und beige sind zwar sehr nobel. Nur hatte man nicht beachtet, dass eine Laden­beschriftung beispielsweise auch Aufmerksamkeit erregen soll, und das tut weder das stille grau noch das beige. Während früher z.B. bei Dunkelheit je­dem auf der N3 nach Zürich fahrenden Autofahrer bei der All­mend Brunau von weitem das rote BALLY vom Verwaltungs- und Lagergebäude der BALLY Arola AG ent­ge­genleuch-tete, sieht man heute das gleich grosse, aber beige leuchtende Logo erst sehr viel später. Das gleiche widerfährt dem Konsu­menten auch bei Laden­anschriften in hell beleuchteten Strassen.

Das neue Ladenkonzept wurde von Leuten beschlossen, welche noch nie ei­nen neuen Schuhladen geplant und eingerichtet, ganz zu schweigen davon, dass sie je ein Paar Schuhe in einem Laden verkauft hätten. Georges Renauld, der Verkaufs-direktor von BALLY Arola AG und Vollblutverkäufer, machte schon ganz am Anfang auf Probleme mit der Warenpräsentation auf­merksam: „Der Laden sei zwar sehr schön, aber, um Schuhe zu verkaufen wenig geeignet“! Seine Bemerkungen wurden mit dem Argument abgetan, dass es ja klar sei, dass er und die andern langjährigen Ballyaner gegen alles Neue seien, an dem sie nicht mitge­arbeitet hätten. Auch im oben erwähnten CASH Artikel war in einem Kasten eine kritische Bemerkung zum neuen Bally Design zu lesen. Aber ein­mal mehr wusste man es doch bes­ser und baute frisch fröhlich weitere BALLY-Läden um, als Krönung davon das ehemali­ge Capitol an der Zürcher Bahnhofstrasse. Nach der pompösen Ein-weihung ist es bedenklich ruhig geworden um dieses Ge­schäft. Gemäss Mitar-beitern ist es nicht nur sehr ruhig, sondern viel zu ruhig, und die Putman-Ein­rich­tung sei zwar sehr schön, aber zum Ver­kaufen sei sie wirklich ungeeignet. Im ehemaligen Capitol hatte man im besten Jahr CHF 40 Mio Umsatz gemacht. Und heute? Stimmt es, dass es nur noch CHF 5 Mio sind?

Gleiches Ladenbaukonzept weltweit? Für eine Investition von CHFr. 300 Mio? Ei­ne Journalistin hatte in den 80er Jahren das Hohelied von BALLY-Läden in aller Welt gesungen, wobei sie genau das Gegenteil rühmte: Es wäre hoch in­teres­sant, schrieb sie, wie die Franzosen, die Amerikaner, die Deutschen, die Schweizer usw., alle unter dem gleichen BALLY-Firmenlogo über den La­denge­schäften, ihre eigene, selbständige BALLY Identität hätten. Dies wäre doch viel aussage­kräftiger als das langweilige, weltweit gleiche Aussehen beispiels­weise der Be­netton- oder Gucci- oder Hermes-Läden. Hier kann man in guten Treuen verschie­dener Mei­nung sein. Gleicher Meinung waren aber Branchenkenner, dass dies niemals eine Investition von CHFr. 300 Mio. wert sein könne.

Dann ist zum Ladenbaukonzept noch ein weiterer Punkt zu berücksichtigen (Ich vereinfache im folgen­den bewusst sehr): Moderner Ladenbau geht mit dem Zeitgeist. Jeder Laden sollte erfahrungs­gemäss nach 5-7 Jahren eine Veränderung erfahren, da die Kunden wieder einmal sehen sollten, dass sich auch äusserlich etwas tut. Ein Ladenbaukonzept hat deshalb ebenfalls einen Lebenszyklus von ca. 5-7 Jahren. Dann muss man sich wieder etwas Neues ein­fallen lassen. Deshalb werden heute Ladenbaukonzepte bevorzugt, welche man mit weni­gen Handgriffen und Schrauben verändern und umbauen kann, wenn möglich über ein verlängertes Wochenende. Diesen Stand hatte die ehemalige BALLY Architekturabteilung zu-sammen mit den Marktverantwortlichen in hohem Masse erreicht!

Unter diesem Aspekt be­trachtet ist der von ehemaligen Ballyaner abschätzig "Möbelschreinerstil" genannte Putman-Laden sehr ungünstig. Es wird jedesmal wieder ein Totalumbau notwendig sein. Also alle 5-7 Jahre wieder ein Auf­trag an Frau Put­man? Und alle 5-7 Jahre eine neue Investition von CHFr. 300 Mio?

Die Sonntagszeitung vom 31.10. schrieb: "Herbststimmung bei BALLY: 180 Stel­len stehen auf dem Spiel". Untertitel waren: "Das Personalkarussell dreht sich immer schneller. Verunsicherung - Mitarbeiter befürchten Salamitaktik". Die Sonntags-zeitung war über einen vertraulichen Workshop orientiert worden, an welchem über weitere Fabrikschliessungen diskutiert wurde. In einer BALLY-in­ternen Mitteilung wurden am Montag die Mitarbeiter beruhigt, dass noch kein Entscheid gefallen sei. Bei diesem Workshop habe es sich lediglich um eine Ar­beitssitzung auf Produk-tionsstufe ohne Beschlussfassung gehan­delt.

Vertrauensbildend sind solche Zeitungsartikel bei einer bereits sehr verun­sicher­ten Belegschaft aber schon gar nicht. Die Stimmung unter den Mitarbei­tern, auch in den Filialen, war wieder einmal auf einem Tiefpunkt.

Dann kam der "Wohlgroth-Auftritt" des Hans Widmer, von den Medien gross her­ausgebracht. TA 27.10.: "Hans Widmer, der emotionslos Grenzen überschreitet...". Auch die Sonntagszeitung vom 14.11. nahm ihn wieder einmal im Visier: "... Schliesslich hatte sich der befehlsgewohnte Manager, wie er selber sagt, in der Sache "willig dem Polit-Profi" unterzogen: Stadträtin Ursula Koch zog die Fäden, und Widmer tanzte - was das Handling der Oeffentlichkeitsar­beit be­traf - nach ihrer Pfeife". Nach dem "Kapitalen Kuss" von NICO im TA vom 20.11., wo Hans Widmer den nackten Hintern eines Wolgrothbesetzers küsst, ging bei den BALLY-Mitar-beitern der Spruch um: "Wenn Du willst, dass Hans Widmer Dich küsst, musst Du nur vermummt zur Arbeit kommen"!

In der Umfrage der "Handelszeitung" bei Mitgliedern des Clubs Zürcher Wirt-schaftsjournalisten wurde Hans Widmer nach 1991 schon wieder zum Manager des Jahres gewählt. Die "Weltwoche" vom 30.12. schrieb dazu unter anderem: "... Die Zahl der Arbeitsplätze (bei Oerlikon Bührle) stimmt nun, sonst stimmen noch nicht alle Zahlen, BALLY zum Beispiel ist noch nicht über dem Berg, im Gegenteil, ... aber wie auch immer ... dieser Preis ist bestimmt auch ein biss­chen Lohn da­für, dass sich Hans Widmer vor laufender Kamera "verarschen" (Hans im Orginal­ton) liess."

In "Bilanz" 1/94 erscheint Ende Jahr wieder ein böser Artikel mit dem Titel "Aus­ser Tritt". Als Reaktion darauf schreibt Stefano Ferro sofort eine Infor­mation an alle BALLY Mitarbeiter in der Schweiz und stellt den als unkorrekt und unwahr bezeich-neten Inhalt des Artikels richtig. Er verbindet diese Rich­tigstellung im Schlusssatz mit den besten Wünschen für frohe Festtage und ein glückliches neues Jahr.

Ende Jahr verliessen wieder verschiedene Kaderleute BALLY, so Max Müller, der die frühere Herren Division geleitet hatte, dann Lothar Landau, sei 1988 Presse­sprecher der Konzerngruppe, John Drucker als Informatik-Projektleiter auf Grup­penstufe sowie Peter Hofmann, der seit 10 Jahren die BALLY eigene Architektur­abteilung geleitet und zahllose BALLY-Läden in Europa umgebaut hatte. Peter Hofmann machte sich selbständig und übernahm auch einen wei­teren langjähri­gen Mitarbeiter.

Der Schreibende wurde seit seiner "Absetzung" als Marktchef Schweiz von Mitte Mai 1992 im Stab der Konzerngruppe für „Projekte und Spezialaufgaben“ zustän-dig. Nach 32 Jah­ren Branchen-Erfahrung in Produktion, Engros- und Detailhandel, in Führung und Organisation, in strategischer Planung und Informatik, bedeuteten die ihm in der Folge zugewiesenen, banalen Stabsarbei­ten eine äusserst bittere Pille; in Tat und Wahrheit war es „geistiges Sändelen“. Interessante und auch dringende Arbeit hätte es für ihn sowohl auf den Stufen Konzerngruppe, Produktion oder Markt Schweiz schon ge­geben, aber die konnte man einem der ehemaligen "gutmeinenden Dilettanten" ja nicht an­ver­trauen. Es war die traurigste Zeit seiner Karriere. Glücklicherweise wurde er dann per En­de 1993 bis zu sei­ner frühzeitigen Pensionierung freigestellt.

Damit endet na­türlich aber auch sein Insider-Wissen. Die nachfolgenden Bemer-kungen und Berichte beruhen deshalb auf "Second-Hand-Informationen".

Das Jahr 1994

Erstes Quartal 1994

In der NZZ vom 22./23.01.94 wird von der  Schliessung der Fabrikation in Aarau unter dem Titel "BALLY konzentriert in Schönenwerd" berichtet. Demnach sollen innert 3 Jahren weitere 200 bis 300 Stellen abgebaut werden. In der Sonntags­zeitung war davon bereits Ende Oktober letzten Jahres die Rede.

Am 03.02.94 schlägt die Weltwoche wieder zu. Mit dem Titel: "Das Unternehmen BALLY oder Stefano Ferro im Auge des Giovanni Widmer". Hier werden ein er­stes Mal ernsthafte Zweifel angebracht, ob "Stefano Ferro der richtige Mann für den risikovollen Weg" sei, den ihm Hans Widmer vorgezeichnet habe.

Dann habe man herausgefunden, wird im Artikel berichtet, dass der neue Perso­nalchef Dieter Feller und der Supply-Chain-Chef Ernst Zängerle just bei Stellen­antritt eigene Personalberatungsfirmen gegründet hatten. Dies nährte bei den BALLY Mitarbeitern den Verdacht, dass die beiden bei BALLY nur als Berater an­gestellt wurden, ... "Mit Mandaten, die auf Erfolgsbasis fussen und ergo am kurz­fristigen Ergebnis, nicht aber an einer längerfristig angelegten Aufbauarbeit inter­essiert wären", schreibt die Zeitung weiter. Und genährt werde der Argwohn noch durch die Tatsache, "dass BALLY seit Monaten im In- und Ausland Immobi­bilien abstosse. ..."

Für die Mitarbeiter war dies wieder einmal etwas viel. Das vielerorts angeschla­gene Vertauen in die neue Führung war wieder einmal das Hauptthema am Ar­beitsplatz. Erstaunlicherweise blieb es aber in den Medien sonst sehr still. We­der die Zweifel an Stefano Ferro, noch die seltsamen Beratungsfirmen der neuen BALLY-Top-Manager, und auch nicht die Verkäufe von BALLY-Immobilien waren es scheinbar wert, näher betrachtet zu werden. Die NZZ hatte seinerzeit noch dem Werner K. Rey ein sogenanntes "Asset Stripping" vorgeworfen. Wieso re­cherchier-te denn jetzt eigentlich niemand, wie "nicht-betriebsnotwendig" die von Widmer und Ferro getätigten Verkäufe von BALLY-Immobilien tatsächlich waren? Wieso reagierte denn heute niemand auf diesen richtiggehenden Immobilien-Ausverkauf bei BALLY? Werner K. Rey war im Vergleich zum derzeitigen "Asset Stripping" ge­radezu ein Anfänger!

Am 11. Februar wird in New York (wieso eigentlich in New York?) nach mehr als einem Jahr ohne jegliche Werbung für die Modemarke (!) die neue Werbekam­pagne "Footsteps" aus dem Hause DDB Needham, Atelier Jaquet, vorgestellt. Die Weltwoche vom 24.2. setzt dazu den Titel: "BALLY-Footsteps: Nicht umwerfend" und zitiert den "Kommentar des Fachblattes "Werbewoche" zur Kreativarbeit der Schönenwerdner Schuhmacher: "Die mit Spannung erwartete Print- und Plakat­kampagne, welche dieser Tage startet, wirft auf den ersten Blick nicht gerade um". Scheinbar auch auf den zweiten Blick nicht, denn zwei Jahre später sagt Ex-Swatch-Mann Franz Sprecher (ein Bekannter des inzwischen zum Nachfolger von Ferro ernannten Ernst Thomke) dazu: "Man kann doch nicht Schuhe verkaufen und Fussabdrücke zeigen. Wer Hüte verkaufen will, zeigt auch nicht Hirn". (Zitat aus CASH 15.9.95)

Im Markt Schweiz wurde eine neue Stelle "Product Manager" geschaffen, und zwar je für Damen und Herren. Diese hatten die Produktpalette Schuhe, Leder­waren, Accessoires und Konfektion zu optimieren. Man hatte aber vergessen, die betrof-fenen Mitarbeiter vorher zu informieren, und so erfuhren sie völlig zufällig, dass ihnen je­mand vor die Nase gesetzt wurde. Dies veranlasste die langjährige, äusserst er­folgreiche Einkäuferin für den Damen-Nichtschuhbereich in der Schweiz die Kündigung einzu­reichen. Damit verliess leider jene Person BALLY, die von kom­merzieller Damenmode im oberen Preisbereich mit Abstand am meisten ver­stand. Ein weiteres Mal: Know-How ade, was dann ab der nächsten Saison sehr offensichtlich wurde!

Zweites Quartal 1994

An der Bilanz-Pressekonferenz vom 12. April sind Hans Widmer und Stefano Ferro wieder im Glück. Die Zeitungen berichten am 13.04.: Im TA: "Bally spürt wie­der Bo­den un­ter den Füssen", in der NZZ etwas bescheidener unter Firmennach­richten: "Markante Gewinnsteigerung bei BALLY", in der ZSZ: „Der Schuh drückt nicht mehr". Einzig die Weltwoche blieb eher skeptisch und berichtete unter dem Titel "Ballys Flucht in die Zukunft".

Zum ersten Mal übrigens durfte BALLY unabhängig von der Mutter­gesellschaft eine eigene Bilanzpressekonferenz führen. Und wieder einmal wurde der von Hans Widmer seinerzeit mit unwahrscheinlichen Abschreibungen und Rückstellungen bewusst hoch getriebene, aber immer wieder als „historisch“ bezeichnete 1991er Verlust herbeigezogen, um die Leistung des neuen Managements herauszustrei-chen. Die Gruppenleitung machte folgende Kommentare: "Er­folgreicher Turn-around, BALLY macht sich auf die Socken, ... Dass 1991 der hi­storisch grösste Verlust und 1993 einer der grös­sten Gewinne ange­fallen ist, weist auf die Dramatik der jüngsten BALLY-Geschichte hin"... . Aber noch immer konnte erst gesagt werden, wie es einmal gehen sollte, denn konkret hatte man immer noch sehr wenig zu zeigen. Wurden in diesem Abschluss nach 1992 allen­falls nochmals "bilanztechnische Stemmschwünge" gezogen?

In den IHA/GFM News 3/94 nimmt Hans Widmer in einem Interview wieder den Mund sehr voll. Den Aufwärtstrend im Image Barometer begründet er wie folgt: "Firmen mit Verlust beeindrucken auch punkto Produkt nicht mehr so recht. Der andere Faktor: Was der Kunde sieht, sind die Schaufenster, und diese sehen schon sehr viel besser aus. Wenn er den Laden betritt, findet er bessere Produk­te vor. Besser strukturiert, modischer." Es muss schön sein, so selbstsicher derart grosse Worte von sich zu geben, wenn sich daneben eine ganze Branche frägt, wie weit der Unfug mit BALLY denn noch gehen könne, bevor er ganz kapputt gehe.

Die NZZ relativiert in seiner Ausgabe vom 26. April dann den Erfolg von BALLY etwas: "Ein verlorenes Jahr für Oerlikon-Bührle". Man könne wohl eine Steige­rung des Konzerngewinns melden, doch sei das Betriebsergebnis schlechter ausgefal-len als 1992. Die vor einem Jahr von der Konzernführung  - durchaus un­verbindlich - geäusserten Hoffnungen auf eine rasche und durchgreifende Wende .... sind - realistischerweise - enttäuscht worden". Und weiter unten: "Im Berichts­jahr erfolg-ten - vor allem in der Konzerngruppe BALLY - bedeutende Verkäufe von nicht betriebsnotwendigen Liegenschaften." Was Hans Widmer als "nichtbetriebsnot-wendige" BALLY Liegenschaften hält, zeigte das Beispiel des Verkaufs der Liegenschaft Gerbergasse in Zürich mit in den unteren Stockwerken einem der grössten Ladenge­schäft der Schweiz.

"Der Organisator" 2-7/8-1994 berichtete: "Peter Hoelzel wechselte nach 27 Jah­ren führender Tätigkeit bei BALLY auf den 1. Mai als Geschäftsleitungsmitglied und Kollektionsverantwortlicher zur Schuhfabrik Elgg AG. Hoelzel prägte wäh­rend Jahren als Produktedesigner und Designverantwortlicher für das Europa-Sor­timent der Herrenschuhe sowie als interner und externer Ausbildner die Pro­duktions- und Angebotspalette von BALLY entscheidend mit". Dies ein weiterer Beitrag zum Thema "Know-How-Drain".

Drittes und Viertes Quartal 1994

Dann war der "Schuhkurier" Nr 33/94, eines der wesentlichsten Fachorgane der deutschsprachigen Schuhbranche Austragungsort eines Schlagabtauschs zwi­schen dem Länderchef Deutschland und einem langjährigen, früheren leitenden BALLY-Mitarbeiter, zuerst von BALLY Schönenwerd und dann von BALLY Deutschland. In einem längeren Artikel  nimmt der neue BALLY Deutschland-Chef Stel­lung zu den aktuellen Problemen in Deutschland mit dem Umsatz­einbruch im Engros- und im Detailhandel. Schuhkurier schreibt: "Noch eine Menge zu tun - Trotz vollmundigen Ankündigungen hat BALLY Deutschland den Turn-Around noch nicht geschafft. Doch der amtierende Deutschland-Ge­schäfts­führer Chri­stoph Keigel glaubt, die hochgesteckten Ziele bis 1998 erreichen zu können". Im Artikel folgen dann Rund-umschläge gegen das alte Management, gegen die Zen­trale in der Schweiz, gegen falsche Ladenkon­zepte (!) usw. Der inzwischen selbständige ehemalige BALLY-Mitarbeiter ent­gegnet Keigel in einem offenen Brief Punkt um Punkt. Der Brief endet wie folgt:" Lieber Herr Keigel, ich habe Sie als jungen, dynamischen Manager ken­nen gelernt. Bei allem Verständnis für Ihre nicht einfache Position sollten Sie doch etwas sorgfältiger mit dem Namen BAL­LY und allem was dazu gehört umgehen, und damit meine ich vor allem Mitar­bei­ter und Kunden. Wenn Sie sich schon als solches Multitalent sehen, haben Sie es doch nicht nötig, auf dem alten Management herumzutrampeln, umso­mehr sich in Ihrem Kreis noch einige führende Mitarbeiter aus dem alten Mana­gement befin­den. Denen ha­ben Sie mit Ihren Aeusserungen wenig geholfen. Die Branche ist voll von Profis und hat nicht auf Sie gewartet, um von Ihnen theore­tische Lektio­nen von mo­dernem Marketing zu erhalten. Dies kann man in jedem Buch nachle­sen. Auch die ehemaligen BALLY Mitarbeiter sind alle in erfolgrei­chen Positionen oder bauen eigene Unternehmen auf. Sie profitieren von dem einmal bei BALLY er­worbenen Know-How. Eignen Sie sich zuerst ein wenig von diesem Know-How an, bevor Sie wie ein Elefant im Por-zellanladen herumtoben. Man wird Sie bald an Ihren eigenen Worten messen!"...

Am 25.08.94 orientierte Ernst Zängerle per Anschlag über den Weggang des Lei­ters "Beschaffung". Dieser hatte bei der Neuorganisation in Schönenwerd im Ja­nuar 1993 die damals neu gebildete Abteilung übernommen, in welcher die gesamte Be­schaffung zusammengefasst wurde, also der Rohmaterialien, der für die Produktion notwendigen Komponenten und völlig unverständlich auch die von Vertragslieferanten zugekauften Fertigprodukte Schuhe und Accessoires.

Zu seinem Verantwortungskreis ge­hörte damit auch das „Büro Florenz“, eine vor Jahren in Italien mit sehr viel Weitsicht aufgebaute, in Florenz domizilierte Ge-schäftseinheit von BALLY International AG. Deren Aufgabe war es, einerseits vor Ort für die früheren Ländergesellschaften technische und administrative Hilfe-stellung im Verkehr mit ihren italienischen Ver­tragslieferanten zu leisten, und andrerseits, durch ihre Schuhtechniker die Akkreditierung dieser Vertraglieferanten durchzuführen sowie permanent deren Qualität unter Kontrolle zu halten. Vertrags-lieferanten waren jene Schuhfabriken, welchen erlaubt wurde, das Label „BALLY, made in Italy“ in die Schuhe zu stempeln. Diese Akkreditierung war bei den italienischen Schuhfabrikanten der oberen Preisklasse sehr begehrt, war es doch wie eine Qualitätsgarantie. Das Büro Florenz hatte noch eine Aussenstelle in der Marche.

Der jetzt BALLY verlassende Leiter Beschaffung hatte wahrscheinlich in Anlehnung an die Prak­tiken im Umgang mit langjährigen Führungskräften bei Bally Inter-national AG den Chef des Büro Florenz entlassen und in Italien von der ihm über-tragenen Macht­fülle wie ein Fürst Gebrauch gemacht und nur noch Lieferanten berücksichtigt, welche ihm huldigten sowie seinem persönlichen Ge­schmack und den weltfremden Anforderungen gemäss Beschaffungskonzept BCG entsprachen. Verschie­dene, langjährige und qualitativ hochwertige Lieferanten haben im Laufe der Zeit freiwillig darauf verzichtet, BALLY weiter zu beliefern, weil die Forderun-gen bezüglich Rabatten und Mate­ri­alvorräten für ev. Nachlieferungen ein­fach zu weit gingen.   

Mit der gleichen Mitarbeiterinformation wurde auch bekannt gegeben, dass die Beschaffung umorganisiert wurde, und zwar wurden neu die Rohmaterialien und Komponenten wieder durch die Produktion eingekauft, mit anderen Wor­ten, man organisierte wieder so, wie es früher die "gutmeinenden Dilettanten" gemacht hatten und auch die meisten Schuhfabriken es heute noch tun. Seiner­zeit im Januar 1993 vom "alten" Management vorgetragene Bedenken gegen die da­malige Neuorganisation waren mit dem üblichen müdem Lächeln vom Tisch ge­wischt worden. Durch die seinerzeitige, äusserst unkluge, organisatorische Massnahme war wäh­rend den letzten drei Saisons (in der Modebranche eine sehr lange Zeit), im Be­schaffungsmarkt viel Geschirr zerschlagen worden und zudem gingen weitere Know-How-Träger ver­loren.    

Ich habe dieses Beispiel etwas ausführlicher geschildert, um drastisch zu zeigen, dass von all den Branchenneulingen in verantwortungsvollen Stellungen oft mut-willig und dauernd umorganisiert wurde, meistens ohne auch nur ein Wort mit erfahreneren Leuten zu sprechen. Der Grundsatz, dass man aktu­el­le Zustände nur verstehen kann, wenn man auch die Geschichte kennt, die dazu führten, wurde mit Füssen getreten, und Hans Widmer wurde auch nicht mü­de, seine neuen Füh-rungskräfte und BCG zu solchem Tun zu ermunten. Er hatte ja auch laut gesagt: "Manager, welche Verluste erwirt­schaf­ten, sind keine guten Manager", also konnten ja auch ihre organisatorischen Lösungen nicht gut sein! Ob ein solches beinahe fahrlässig zu nennendes Füh­rungsverhalten sich länger­fristig nicht sogar zu einer Zeitbombe entwickeln kann wird die Zukunft zeigen.

Die Sonntagszeitung vom 28.08.94 war Hans Widmer und Oerlikon-Bührle wie­der einmal wohl gesinnt und schrieb: "Im ersten Halbjahr konnte der ... Konzern deut­liche operative Fort­schritte erzielen. Erstmals seit 1985 könnte es dieses Jahr gar wieder eine Divi­dende geben". Zu BALLY stand jedoch nur: "Bei ... BALLY allerdings nahm das Betriebsergebnis im ersten Semester um rund fünf auf 30 Millionen ab. Vor allem in Deutschland hat man Umsatz verloren. Doch fürs ganze Jahr 1994 rechnet BALLY doch noch mit einer Steigerung des Be­triebsergebnis­ses".

FUW am 31.08.94: Auf die Frage zum eher mageren Halbjahresergebnis (-14% gegenüber den Vorjahr) erwiderte Hans Widmer: "Bally hat 1994 erstmals wie­der beträchtlich in die Zukunft investiert, einmal in die Werbung, dann in Ausbil­dung und Ladeneröffnungen. Letztere wirken sich wegen der Schliessung wäh­rend des Umbaus negativ auf das Betriebsergebnis aus. Im Ganzen ist der Um­bau von BALLY ausserordentlich aufwendig. Zudem verzichtet BALLY gemäss der neuen Unternehmungsstrategie auf das „Wholesaling" (Im Artikel steht zwar Re­tailing) "Diese klare Ausrichtung führt zunächst zu Umsatzeinbussen." Dazu zwei Bemerkungen: Glaubt Hans Widmer wirklich, Werbung in der Modebran­che sei nur eine Investition in die Zukunft, und, früher hätten Ladenneubauten ohne Schmälerung der Betriebsergebnisse stattgefunden? Im Schlussatz wird Widmer dann aber, man staune, ein erstes Mal etwas vorsichtiger: Für 1995 erwartet er für BALLY "nur milde Ertragsfortschritte".

Das Jahr 1995

Erstes Quartal 1995

Das sehr ausgiebige BALLY Pressejahr 1995 wurde durch die FuW vom 18.01. gestartet. In einem Artikel mit den Titeln: "Oerlikon-Bührle braucht mehr Zeit, Ley­bold war ein Glücksgriff, Gewinnverbesserung im Kurs eskomptiert" wird ein er­stes Mal vom kommenden Umbau des BALLY-Capitol an der Zürcher Bahn­hofstrasse geschrieben: "Das ist keine Renovation, das ist eine Neukon­zep­tion". Und nachdem Hans Widmer erst noch vor kurzem die Umsatzziele von 2 Mia Fr. als realistisch taxiert hatte (Das Potential ist da, FuW 31.08.94), wird er auch hier vor­sichtiger und fordert Geduld: "Die Umstrukturie­rung von BALLY kostet Zeit und Geld - Eine Neubeurteilung ist erst 1996 möglich". Anschliessend wer­den wieder einmal alle Massnahmen erläutert, was zu tun sei, um "wieder zu den klingen­den Namen der Luxusgüterindustrie aufzuschliessen".

War BALLY denn ausser in den USA und im Fernen Osten überhaupt je ein klinge-der Na­me der Luxusgüterin­dustrie? Meines Erachtens wollte man dies früher in dieser allgemeinen Form auch gar nie sein. Weiter unten heisst es in besagtem Artikel bezüglich Putman-Konzept: "Per Ende 1994 sind insgesamt 10 Läden in Deutschland, Frankreich und der Schweiz den neuen Vorstellungen ent­spre­chend  umgestaltet worden. ... Ende 1995 sollen 30% des BALLY Umsatzes in Läden nach dem neuen Kon­zept generiert werden" . Zur finanziellen Seite dieser Ladenumbau-ten meint die Zeitung dann allerdings: "Dieser Investitionsschub hat das Investi-tionsvolumen kräftig steigen lassen. Nach 35 Mio Fr. 1992 sprangen die Investi-tionen 1993 um über 50% auf 54 Mio Fr. 1994 dürfte eine nochmalige Erhöhung um 50% gebracht haben. Damit stösst BALLY mit einem jährlichen Cash-Flow-Aufkom-men von zur­zeit 70 Mio Fr. an die Grenzen des eigenen Investitionsvermögens..." Wie sinnvoll die Investitionen dieser Grössenordnung in die forcierten Ladenum-bauten sind, wurde schon weiter oben in Frage gestellt, und dann erst recht nach Bekanntwerden des 1995er Abschlusses mit dem negativem Cash-Flow!

Dann war wieder die Sonntagszeitung vom 22.01. mit einem ihrer bitterbösen Ar­ti­kel an der Reihe; "Die endlose Sanierung von BALLY: Der Schuh drückt ge­wal­tig. Das Unternehmen spricht von einer rosigen Zukunft, doch im Inneren ru­mort es nach wie vor"... Schonungslos werden Tatsachen wie unzurei­chen­de Lo­gi­stik, die Stellungskämpfe der von Hans Widmer eingesetzten neuen BALLY Ma­nager, Unzufriedenheit mit dem neuen Ladenkonzept, weitere Ab­gänge von Ka­dern etc. angeprangert, Am Schluss wird die Schliessung der Fa­brik Altdorf vom neuen Pressesprecher mit der Memerkung "im Moment kein Thema" abge­tan.

Dann muss von BALLY eine eigentliche PR-Kampagne gestartet worden sein, um verlorenen Good-Will bei diversen Zeitungen zurückzugewinnen. Nur so ist zu erklären, dass nun überall plötzlich relativ positiv über BALLY berichtet wird. Als erstes kam in der Schweizer Illustrierten unter dem Titel "Schuhe und Kravatten machen Männer sexy" ein zwar eher seichtes Interview mit Stefano Ferro, dafür mit umso schöneren Fotos .

Auch in der "Bilanz" 3/95 tönt es nach verhaltenem Anfang: "Nochmals keine Di­vidende bei Oerlikon-Bührle" ... eher positiv: "Seit dem Einstieg des er­prob­ten Sanierers Hans Widmer sind immerhin Perspektiven sichtbar ge­wor­den". Der folgende Passus ist dann aber wieder interessant und typisch für Hans Widmer: ... "Dass ihm in seinen Augen völlig normale Schwankungen stets sofort die Schelte der Boulevard- und Wochenendmedien einbringen, trägt der geübte Sa­nierer mit Gleichmut. Die kommen eben nicht draus, ist sein Befund".

"Die Weltwoche" vom 02.03. ist skeptisch: "BALLYs biedere Schuhe betreten die Haute Couture, Ein mondänes Boutiquenkonzept soll BALLY in die Luxus-Liga bringen - ob Marke und Produkte dort ankommen, scheint nebensächlich" ist die Ueberschrift. In diesem Artikel wird aber viel zu viel Stefano Ferro angelastet, für was meines Erachtens klar Hans Widmer verantwortlich ist.

Am 28.03. meldet die NZZ: "Zähe Fortschritte von Oerlikon-Bührle", ohne aber et­was zu den verschiedenen Konzerngruppen zu sagen, auch nicht zu BALLY.

Am 29.03. kommt Ferro wieder in der FuW zu Wort: "Wir werden erst in einigen Jahren ernten". Ich finde es super, dass man wenigstens mit den Prognosen lang-sam etwas vor­sichtiger wird. Noch vor zwei Jahren sprach man vollmundig von Umsatzver­dop­pelung. Man ist aber immer noch sehr davon überzeugt, dass die be­schlossenen und eingeleiteten Massnahmen richtig sind und in der Zukunft. auch greifen wer­den, nur nicht mehr ganz so schnell wie ursprünglich gedacht und angekündigt. Unten am wiederum sehr wohlwollend formulierten BALLY Artikel war sinniger­weise noch ein Kasten angebracht mit dem Titel: "Oerlikon-Bührle ohne Dampf, Gewinnschub verzögert sich um zwei Jahre".

NZZ 13.04. "Kurzarbeit bei BALLY" in den Fabriken Stabio und Altdorf. Als Be­gründung wird die Höherbewertung des Schweizerfrankens angegeben. Stabio lebte aber schon immer von den günstigen Löhnen von Grenzgängern und der leichteren Beschaffung von Roh­materialien und Komponenten aus dem nahen Italien. Die Sonntags­zei­tung dop­pelte daher am 16.04. nach. "Die Marktbeobachter gehen deshalb nach wie vor davon aus, dass BALLYs Probleme anderswo liegen. Einen wichtigen Grund für den neuerlichen Nachfrageeinbruch sehen die Experten weit eher in der Zu­sam­mensetzung und der modischen Ausrichtung der Kollektion, die bei der Kund­schaft nur wenig Anklang finde" ... .

Die NZZ vom 18.04. widmet BALLY und Ferro auf einer Viertelseite einen aus­ser­ordentlich positiven Artikel: "Der Schuhmacher der Nation, der Italiener Ste­fano Ferro baut BALLY neu auf". Im Artikel wird Ferro äusserst sympathisch und posi­tiv vorgestellt sowie die für den "Wiederaufbau" bereits durchgeführten und noch vorgesehenen Mass­nahmen werden wieder einmal erklärt. In der Ausgabe vom 20.04.wird auch das 1994er Ergebnis erstaunlich positiv vorge­stellt. Dies war zweifelsohne wieder eine PR-Glanzleistung von BALLY.

Zweites Quartal 1995

In internen Mitteilungen von Stefano Ferro, datiert vom 27.04.95, werden einer­seits Projektteams vorgestellt, um einen reibungslosen Ablauf im neuen Supply und Logistikbereich zu gewährleisten. Damit scheint sich zu bestätigen, dass in der Logistik verschiedenes nicht ganz rund läuft. Andrerseits wird wieder einmal die Pro­dukteentwicklung umorganisiert. Eine "Geschäftsleitungsitzung", scheinbar ohne den bisher für die gesamte Produkte-Entwicklung verantwortlichen Erich Biehle, hatte beschlossen, die operative Verantwortung für die Produkte-Ent­wicklung weltweit in zwei Bereiche aufzuteilen, nämlich Damenprodukte und Herrenprodukte. Die Zusammenarbeit und Kontrolle werden durch ein „Ko­mitee Produkte-Entwicklung" sichergestellt. Eigenartigerweise fehlt Erich Biehle gänzlich in der Mit­teilung. Er war weder einer der Bereichsleiter noch Mitglied des Komitees. Dies wird BALLY intern mit einiger Verwunderung zu Kenntnis genom-men und viele Mitarbeiter fragen sich, was denn der von Hans Widmer derart über alles gelobte Erich Biehle denn jetzt noch mache.

Auch die NZZ vom 03.05. war im Kommentar zur Bilanz-Presse-Konferenz von Oerlikon-Bührle ausserordentlich positiv. Erstaunlich war, dass über die Kon­zerngruppe BALLY nur gerade 6 Spaltenzeilen zu finden waren. Sonst hatte Hans Widmer doch jeweils sehr ausführlich über BALLY berichtet.

Die Weltwoche vom 04.05. schoss dann aber eine neue Breitseite mit den Headli­nes: "Der Chef des High-Tech Konzerns entwickelt Sitzleder, Hans Widmer hat das Sterben der Oerlikon-Bührle abgewendet. Seither ist der Patient rekon­va­les­zent - er wird es noch lange bleiben" ... . Und weiter unten:" Der "Firmen­dok­tor" Hans Widmer mag nicht länger Sanierer mit kurzfristigen Erfolgen sein. Oerli­kon-Bührle will er zu nachhaltigen Gewinnen verhelfen. Er versteht sich dabei als Industrieller und denkt langfristig. An seine früheren Resultate konnte er nicht an­knüpfen - ob er es bei Bührle je schafft, ist fraglich".

"Facts" 19/95 veröffentlichte dann ein Interview mit Hans Widmer. Darin wird Stefano Ferro ein erstes Mal öffentlich kritisiert, und zwar faustdick. Der BALLY-Chef könne die Anforderungen an die zwei zentralen Eigenschaften eines Top-Ma­na­gers, nämlich Kommunikation und Motivation, nicht voll er­fül­len. Solche Worte in einem Interview in einer öffentlichen Zeitschrift mussten das frühere oder spätere Ende des Stefano Ferro anzeigen. Ein Top-Manager würde sonst von sei­nem Chef nie der­art boss gestellt. 

Es gab aber noch eine zweite, für Hans Widmer charakteristische Stelle in dem Interview. Auf die Frage, ob es denn Zufall sei, dass in diversen Top-Chargen bei Bührle studierte Physiker plaziert seien, sang der Physiker Widmer das Hohelied der Physiker. Es gipfelte in folgendem Gespräch: Widmer: "... Physiker ... müssen komplexe Zusammenhänge erkennen, denn es geht nicht nur darum, ein paar Bi­lanzzahlen richtig lesen zu können". Facts: "Betriebswirtschaftliche Kenntnisse scheinen Sie nicht besonders zu schätzen"? Widmer: "Fragen Sie einmal den Chemiker und Mediziner Ernst Thomke, der heute die Motor-Kolumbus managt, wie lange er brauchte, um sich das betriebswirtschaftliche Grundwissen anzu­eig­nen. Er sagt, genau eine Woche". Facts: "Weshalb besuchen dann an den Universitäten ganze Generationen von Studenten über Jahre betriebswirtschaft­li­che Vorlesun-gen"? Widmer: "Das ist mir auch ein Rätsel"!

Ich meine, Selbstbe­wusstsein ist eine sehr gute Charaktereigenschaft. Problema-tisch wird es aber dann, wenn Selbstbewusstsein in Arroganz ausartet. Ich bin davon überzeugt, dass Hans Widmer sich mit obiger Anmassung sicher ein paar Freunde mehr ge­schaf­fen hat.

In der NZZ vom 23.06. wird dann offiziell, was die Sonntagszeitung schon im Vor­jahr behauptet hatte: "Der Schuhkonzern BALLY baut Stellen ab. Verlust von 220 Stellen in den Kantonen Uri, Tessin und Solothurn". Die NZZ vermutet den Grund weniger im hohen Schweizer Franken als in der Anstrengung, die Kosten­struktur in einem (weiteren) grösseren Schritt zu verbessern. Sie schreibt: "Eine mögliche Ungeduld in der Konzernzentrale könnte mit dem ho­hen Mittelbedarf für den Aus-bau des Ladennetzes erklärt werden. Der weltweit einheitlich gestal­tete neue Ladentyp scheint nicht in allen Ländern auf die er­hoffte gute Räso­nanz zu stos­sen, wie in den Testmärkten Schweiz und Lon­don..." Dabei war doch der mit grossem Drum und Dran eröffnete erste Test­laden im deutschen Köln! Und wenn, wie dies vom Pressesprecher früher ver­breitet worden war, die neuen Läden mit Mehrum-sätzen von bis zu 20% (!) so erfolg­reich waren, wieso schoss dann aus­gerechnet der von Widmer einge­setzte neue BALLY-Chef Deutschland aus allen Rohren auf die­ses neue Ladenkonzept? Etwas viel Ungereimtes, selbst in der normalerweise sehr vorsichtigen NZZ.

Im Interview mit der Schweizer Illustrierten gibt Hans Widmer nach den Entlassun-gen bei BALLY wieder einmal bekannt, dass die Strukturbereinigung jetzt ab­ge­schlossen sei und es voraussichtlich keine weiteren Entlassungen mehr gebe. Auf die Frage nach den 2 Milliarden Fr. Umsatz antwortet Widmer sehr viel vorsichtiger als bei früheren Gelegenheiten: "Ich habe gesagt, dass BALLY das Potential für die 2 Mia Fr. hat. Wann es soweit sein wird, wage ich heute nicht mehr voraus­zusagen". Auf die Frage nach dem richtigen Sortiment ist Widmer aber immer noch so selbstsicher wie eh und jeh: "Als ich bei BALLY anfing, haben wir das Sortiment bereits um 90% reduziert und klare Strukturen eingeführt. Auch damals gab es viele warnende Stimmen: Die Geschmäcker seien nun mal verschieden und man könne den Amerikanern nicht dieselben Schuhe ver­kaufen wie den Europäern oder Asiaten. Ich bin aber überzeugt, dass BALLY weltweit einen ein­heitlichen Auftritt mit einem einheitlichen Sortiment haben muss. Die Verkaufs­zahlen geben mir recht: Trotz Vereinheitlichung des Sortimentss sind die Ver­käufe nicht zurückge-gangen". Diese Aussage in dieser allgemeinen Form ist sehr riskant und auch nicht richtig. Der wertmässige Umsatz in CHF konnte scheinbar bisher zwar gehalten werden, der Rückgang der tatsächlich verkauften Paar­zah­len, der Stellenabbau und die Kurzarbeit in den Fabriken sprechen aber eine deutlich andere Sprache.

In einer per 30.06.95 datierten Personal-Information wird mitgeteilt, dass Ernst Thom­ke vom Verwaltungsrat angefragt worden sei, diesem Gremium beizutre­ten. Herr Thomke werde in den nächsten zwei Monaten die verschiedenen Markt­re­gionen und Funktionen besuchen und Ende August einen Entscheid treffen.

Drittes Quartal 1995

CASH reagierte darauf bereits am 7. Juli: Auf der Titelseite schrieb das Blatt u.a. "Thomkes Freund und Bewunderer Hans Widmer, selber VR-Präsident von BALLY und Allgewaltiger der BALLY-Mutterfirma Oerlikon-Bührle, will den Sa­nierer vom Jura-Südfuss in den BALLY Verwaltungsrat hieven. Das Engage­ment je­doch soll nichts Grundlegendes verändern: Eine Abweichung vom einge­schla­genen Weg ist das nicht und vor allem keine Vergangenheitsbeschim­pfung". Kenner der Szene orten in der Neuen BALLY-Führungskonstellation ei­nen laten­ten Machtkampf. Der amtierende BALLY-Chef Stefano Ferro ist in den letzten Wochen von Widmer sowohl intern wie öffentlich in Interviews kriti­siert worden. Widmer hatte ihm Mängel in der Kommunikation vorgeworfen. Es würde deshalb nicht überraschen, wenn Thomke dereinst zum starken Mann bei BALLY avan­cierte". Soweit auf der Titelseite.

Im Innern des gleichen Blattes war aber ein weiterer, hochinteressanter Artikel unter dem Titel: "BALLY - kein Fall für Zwei". Zuerst kommt Hans Widmer unter Beschuss. Er habe vor zwei Jahren CASH detailliert und mit eigenen Handskiz­zen das neue BALLY-Konzept und den dazugehörigen Sanierungsplan vorge­legt. CASH schreibt: "Die Welt schien in Ordnung, der Erfolg nur eine Frage von drei, vier Jahren zu sein. 1997 hätte der BALLY Umsatz bereits um 100% hoch­geschraubt sein sollen, und das, wohlvermerkt, ohne fremdes dazutun. Was auf dem Papier so überzeugend wirkte, entpuppte sich im harten Wirt­schaftsalltag als eine Fata Morgana. Die Umsätze stagnieren seit 1990 auf rund 1 Mia Fr, die teuren neuen Läden überzeugen insbesondere die Bran­chen­kollegen nicht. An­gesichts der sich damals haushoch auftürmenden Pro­blemen in der Oerlikon-Bührle-Gruppe... nahmen sich die Lösungsansätze bei der Supermarke BALLY vergleichsweise als Kinderspiel aus. Doch das Spiel­zeug ist offensichtlich nicht einfach zu handhaben. Kein Wunder also, ist dem Speedmanager Widmer nun die Geduld abhanden ge-kommen. BALLY hätte er als VR-Präsident schneller auf Erfolgskurs führen müs-sen. Und da dem Ex-Mc Kinsey-Mann Widmer auch sein McKinsey-Mentor René Ruepp im Nacken ... sitzt, braucht Widmer jetzt drin­gend einen Erfolgsausweis".

Dann meint das Blatt, dass dies wohl das Ende der BALLY-Zeit von Stefano Fer­ro wäre, wenn Thomke tatsächlich einsteigen würde. Schlimm für Bran­chenken­ner war nur, dass Thomke „vom Schiff aus gesehen“ bereits auch schon wieder Ver-schiedenes sehr viel besser wusste als alle Vorgänger zusammen und dies der breiteren Oeffentlichkeit auch frei­mütig kund tat. In der CASH-Talk Sendung von anfangs Juli hatte Thomke ge­sagt, dass er schliesslich 13 Jahre Erfahrung im Kon-sumgüter­mar­keting hätte. Er hätte in den achziger Jahren diversen SMH-Uhren zu neuem Glanz verholfen. Es war nur zu hoffen, dass Thomke das oben erwähnte Spielzeug BALLY nicht auch unter­schätzte wie dies sein Freund Hans Widmer getan hatte. Immerhin hatte er bis­her auch noch nie weder mit der Bekleidungs-branche noch mit dem eigentlichen Detailhandel zu tun gehabt.

Nach Cash spekulierten dann verschiedenste Zeitungen um die Zukunft von Ferro und Thomke, allen voran die Weltwoche vom 13.07., welche einen interessanten Artikel unter den Ueberschriften brachte: "Problemfall BALLY: Warum Ernst Thom­ke ins Sanierungskonzept des Schuhherstellers passt", und "Jetzt braucht der Physiker einen Doktor". Der Schlusssatz des Artikels ist bei­nahe makaber: "Noch bevor Thomke bestätigt hat, dass er bei BALLY in den Verwal­tungsrat ein­zuziehen gedenke, mäkelt ein ehemaliger Weggefährte: Wenn Widmer BALLY schliessen möchte, ist Thomke der beste Mann für den Job".

In der Sonntagszeitung vom 27.08. wurde dann noch schärfer auf Hans Widmer geschossen. Aus Anlass der feierlichen Einweihung des neuen, weltweit gröss­ten BALLY-Ladengeschäftes an der Zürcher Bahnhofstrasse, dem ehemaligen BALLY-Capitol, schrieb sie unter dem Titel: "Alte Probleme hinter neuer Fassa­de. - BALLY entwickelt sich unter Bührle-Konzernchef Hans Widmer immer rät­selhafter: Offiziell ist das Schuhunternehmen auf dem besten Weg zum Erfolg. Doch hinter den Kulis-sen stehen die Zeichen auf Sturm". Im Artikel werden von den Schwierigkeiten in Deutschland, von den Problemen mit der Logistik und de­ren Chef Ernst Zängerle, der BALLY verlassen wolle, und von Vorwürfen Hans Widmers an die alte Garde und sein Verlieren der Beherrschung an der Bührle-Generalversammlung berichtet. Nicht eben erhabene Themen in einer viel gele­senen Zeitung für ein Detailhandels-unternehmen, denn auch Hans Widmer weiss inzwischen, dass es für den Umsatz im Detailhandel Gift ist, wenn über das Un­ternehmen schlecht berichtet wird.

Am 29.08. schiesst sich auch FACTS auf BALLY ein. Neben einer Fotographie ei­nes nachdenklichen Stefano Ferro steht gross der Titel: "Die Zeit des Chefs ist abgelaufen. Fehler in der Modellpolitik, Schwächen in der Logistik, Schwierig­keiten mit der Kommunikation: Bei Bührle steht BALLY-Chef Stefano Ferro im Abseits". Die öffentliche Schelte an Stefano Ferro falle freilich auf Hans Widmer selbst zurück, schreibt das Blatt. ..."der hat mit seinem Holzfällerstil, mit dem er in Schönenwerd zu Werke ging, erheblichen Schaden angerichtet. In­dem er alte BALLY-Kaderleute als "gutmeinende Dilettanten" abkanzelte und "jeden, der nicht spurte" zum Verlassen des Unternehmens aufforderte, löste er einen Exodus lang­jähriger Mitarbeiter aus. Mit dem Resultat, dass Branchen­neuling Ferro plötzlich nur noch von Branchenneulingen umgeben war".

Der 31.08. ist pressemässig ein Unglückstag für Oerlikon-Bührle. Die Zeitungen berichten über den schlechten Halbjahresabschluss. Stellvertretend sei hier nur die NZZ erwähnt, die unter dem Titel: "Herber Rückschlag für Oerlikon-Bührle, Der Konzern schreibt wieder rote Zahlen" schreibt: "Der Mischkonzern ... legt ei­nen alles andere als glanzvollen Halbjahresabschluss vor. Zwar konnte im ersten Semester der Bestellungseingang erhöht werden, aber die Einbussen beim Um­satz und der weit überproportionale Rückgang der Ertragskraft führten dazu, dass ein Konzernverlust ausgewiesen werden muss. Auf das Jahresende wird eine Er­holung von Markterlös und Betriebsgewinn erwartet".Trotz der erstmaligen Inte­gration von BALLY Südafrika weist BALLY einen empfindlichen Umsatzrückgang aus, den man, wieder einmal sehr vereinfa­chend, auf Ladenschliessungen zu­rückführte. Insider wussten aber, dass der Halbjahresabschluss wirklich eine Ka­tastrophe war. Nicht nur der Umsatzrückgang plagte die angeschlagene Konzern­gruppe BALLY, es war sehr viel schlimmer, denn auch das Betriebsergebnis war alarmierend, und der Cash-Flow war sogar negativ, das heisst, dass man nach Aussen wohl noch immer mit grossen Worten um sich warf, tatsächlich aber von der Substanz zehrte.

Dann kommt ebenfalls am 31.08. in der "Bilanz" ein äusserst kritischer Artikel zu Oerlikon-Bührle, der in der Frage gipfelt, wieviel Zeit Widmer noch bleibe, um die Kon­zernrechnung durch veritable unternehmerische Leistung ins Lot zu bringen. Ne­ben dem eigentlichen Artikel ist ein Kasten mit "Widmers Sprüche von gestern" interessant. Hier wird dargestellt, zu was für grossartigen Aussagen sich Hans Widmer jeweils hinreissen lässt, um dann kleinlaut zurückkrebsen zu müssen. Warum glaubt denn eigentlich der Verwaltungsrat so unerschütterlich an ihn? Der letzte Widmer-Spruch im Kasten stammt aus dem  "Bilanz"-Inter­view vom Fe­bruar 1992, in welchem er dozierte: "Ein Manager kann in der Regel die ei­ge­nen fal-schen Entscheidungen nicht korrigieren. Er ist blockiert" Bilanz setzte die­sen Spruch unter den sinnigen Titel: "Ueber sich selbst?"

In den folgenden Tagen taten BALLY die vielen positiven Zeitungsmeldungen über die Wiedereröffnung des ehemaligen BALLY-Capitol wirklich gut. Der La­den sieht fürs Auge auch wirklich gut aus. Wie weit er sich auch für den Ver­kauf der BALLY-Produkte eignet, wird die Erfahrung zeigen, und diese ist, ab­gese­hen vom schlech-ten Konjunkturverlauf, nicht sehr positiv.

Aber schon am 03.09. schlug die Sonntagszeitung wieder hart zu: Ueber einem sehr nachdenklichen Bild von Hans Widmer mit dem Begleittext: "Kein Problem grund­sätzlich gelöst: Oerlikon-Bührle-Chef Hans Widmer" prangte fettgedruckt der Titel: "Oerlikon-Bührle: Das grösste Problem ist der Chef". Und weiter: "Hans Widmer kommt mit dem Krisenkonzern nicht zu Rande - Nach dem mise­rablen Semesterergebnis wankt der Stuhl des forschen Einzelkämpfers". In die­sem Ar­tikel kommen vor allem seine Fähigkeiten unter Beschuss, Top-Mana­ger zu be­urteilen und einzustellen, was eigentlich zwei seiner wichtigsten Auf­gaben wä­ren. Er rede dann diesen Chefs der Konzerngruppen auch immer drein und feuere sie dann schlussendlich wieder nach relativ kurzer Zeit, nach­dem er sie bei Ar­beitsbeginn in der Presse jeweils in den höchsten Tönen ge­lobt habe. Die Li­ste der gefeuerten Top-Manager im Artikel könnte auf der zwei­ten Hierarchiestu­fe beliebig verlängert werden.

Am 08.09 schreibt CASH einen Artikel über "Thomke will zu BALLY und Saurer. - Vor einem Hochseilakt auf zwei Seilen". CASH meint, die Antwort bleibe offen, ob dies ein Mann schafft, selbst wenn er Thomke heisst.

In der NZZ vom 10.09 werden unter dem Titel: "Ernst Thomke in der Zwick­müh­le, Facetten der Neuordnung der Saurer-Spitze" ebenfalls ähnliche Fra­gen auf­geworfen.

Aber schon am 13.09. beschäftigen sich im Wirtschaftsteil alle Zeitungen mit dem bekannt gegebenen Wechsel von Ferro zu Thomke.

Die NZZ berichtet sehr neutral und nimmt eigentlich auch sehr fair von Stefano Ferro Abschied. "Die Wahlbehörde für Thomke war der Verwaltungsrat der Oer­likon-Bührle Holding AG (OBH), ... Thomke löst als BALLY-Präsident OBH-Kon­zernchef Hans Widmer ab, und wächst ergänzend mit seinen Delegier­ten­funktionen in operative Verantwortungen hinein... .In einer kurzen Pressemittei­lung von BALLY wird festgehalten, dass Thomke vorübergehend weitere Ver­pflichtungen erfüllen muss und BALLY einstweilen nicht die volle Zeit zur Ver­fü­gung steht; an­gesprochen ist damit die vor wenigen Tagen erfolgte Wahl zum Konzernchef ad interim in der Saurer-Gruppe. Beruhigend wird festge­stellt, dass die Ablösung an der Spitze von BALLY keine grundlegenden Aen­derungen am strategischen Kurs zur Folge haben werde." Dieser Satz  gab Branchenkennern aber wieder sehr zu denken, denn man hatte ja von allem Anfang an vor allem am strategischen Kurs der neuen BALLY-Führung unter Hans Widmer gezweifelt.

Der Tages-Anzeiger ist zwar auch positiv, wenn auch etwas weniger: "Tanz auf zwei Hochzeiten", ist einer der Untertitel. Interessant ist folgender Passus: "Trotz aller Schwierigkeiten dürfte Ferros Arbeit auch geschätzt worden sein. Nur so lässt sich erklären, dass der Italiener in den BALLY-Verwaltungsrat ge­wählt wor­den ist. In diesem Gremium dürfte das Gespann Thomke/Ferro ohne Probleme funktionie-ren".

Im Gegenteil zu dieser Ansicht hatten die BALLY-Mitarbeiter eher das Gefühl, dass es hier viel mehr darum ging, dass Hans Widmer einigermas­sen das Gesicht wahren und nicht noch mehr von seiner Glaubwürdigkeit verlie­ren wollte. Er hatte doch erst vor drei Jahren Ferro als absoluten Supermann für die Führung von BALLY in die Vorgängerposition von Thomke gehievt und sich für seine Auswahl sehr viel Zeit gelassen.

Am 14.09. schrieb "Facts" unter dem Titel: "Ernst Thomke / Mutig, sehr mutig": "Er habe in seinem Leben bereits genug saniert, hat Ernst Thomke all jenen ins Stammbuch geschrieben, die ihm ein nächstes Engagement in einer kriselnden Firma andichten wollten. "Wie falsch sie und er lagen, zeigt sich jetzt: Thomke saniert nicht nur eine Firma sondern deren zwei (Saurer, BALLY). Die Dop­pel­be­lastung in zwei Konzernen hat in der Schweiz noch keiner geschafft. Schafft es Thomke?" Headhunter Sandro V. Gianella: "Wenn es einem zuzutrauen ist, dann ihm. Aber das Risiko, dass er sich übernimmt, ist gross." Von seinem Kol­legen Björn Johannson, auch er ein Thomke-Fan, stammt der Titel: "Mutig, sehr mu­tig"."

Gleichentags, am 14.09. schreibt die "Weltwoche" von einem "Titanenwerk": "Ernst Thomke: Halbstark". Langezeit hätte BALLY zwei Chefs gehabt, einen of­fiziellen, Stefano Ferro, und einen inoffiziellen, Hans Widmer ... "Der konnte nämlich die Finger nicht mehr vom Schustern lassen, seit er vor rund vier Jah­ren interimisti­sch kurz selber an der operativen Spitze sass. Da mag es als aus­gleichende Gerech-tigkeit scheinen, dass BALLY nunmehr keinen oder allenfalls einen hal­ben Chef hat... Hans Widmer wird es wohl nicht wagen, Freund Thomke ins Schuhwerk zu pfuschen. Obwohl, diesmal wäre er damit nicht schlecht beraten. Thomke will näm-lich neben dem absatzschwachen Schuhkonzern auch noch die angeschlagene Maschinenfabrik Saurer flicken."

Am 15.09. war dann CASH an der Reihe: "Ich bin der Ernst der Lage". dieser Ar­tikel bezieht sich mehr auf Saurer. An einer Stelle wird man aber auch für BALLY hellhörig: ..."Zudem zieht es Thomke mehr zu BALLY als zu Saurer hin; er ist mit­hin darauf aus, die Saurer-Sanierung ohne Umschweife durchzuziehen, um mehr Freiraum für BALLY zu bekommen."... Heisst dies, dass schon wieder einer seine Liebe zu BALLY eingesteht. Wie weit man mit der Verliebtheit in BALLY von Hans Widmers gekommen ist, gibt zu denken. Erträgt BALLY noch einen zweiten, ver-liebten Super-Sanie­rer?

Die nächste kritische Stimme kam vom TA am 16./17.09. unter den Ueberschriften: "Supermann muss Maske fallen lassen. Ist Ernst Thomke wirklich so gut? Was will er? Und: Welche Rolle spielt die Bank am Bellevue?"

Die Sonntagszeitung vom 17.09. schreibt wieder alles andere als Erfreuliches über Oerlikon-Bührle. Hier wird auch verraten dass nach einer langen Beratung im OBH-VR entschieden wurde, dass Ferro gehen und das Präsidium von BALLY schon jetzt von Widmer an Thomke wechseln musste, nicht erst im Früh­ling, wie von Widmer geplant. Die Zeitung ortet einen Machtpoker und schreibt auch schon im Titel: "Im schwer angeschlagenen Mischkonzern wird über Auflösung und Verkauf diskutiert"

Am 21.09. meldete sich auch die "HandelsZeitung" zu Wort und stellt die Dop­pel­aufgabe von Ernst Thomke zur Diskussion. Der Schlusssatz: "Fazit: Der Super­mann aus Hollywood taugt für den Film. Als Firmensanierer wird auch ein "Super­mann Thomke" von den wirtschaftlichen Realitäten eingeholt.

Viertes Quartal 1995

Am 06.10. wird in einer Personalmitteilung auf vier Zeilen überraschend mitge­teilt, dass Josef Ming, Chef BALLY USA und Kanada, Ex Chefideologe von Boston consulting group BCG, per Ende Monat austrete. Neuer Chef USA/Kanada werde der der­zeitige Chef BALLY England, welcher durch einen internen Mann ersetzt werde. Austritte von Manager von Widmers Gnaden mit dem daran anschliessen-den, zyklischen Vertauschen von einigen Übrigen scheint scheinbar die Regel zu werden.

Am 20.10. propagierte (gemäss Sonntagszeitung vom 22.10.9 die FuW "die nicht mehr ganz taufrische Idee", den Oerlikon-Bührle-Konzern in seine Bestandteile aufzuspalten, um ihm wieder neues Leben einzuhauchen“. Die Sonntagszeitung fuhr fort: "Das erstaunliche da­ran:", , "OBH-Chef Hans Widmer scheint die­ser Idee offenbar nicht mehr zu widersprechen. Schon seit einiger Zeit soll er hinter vorge­haltener Hand verraten, dass er die Aufteilung der Gruppe befür­worte. Wä­re da nicht, wie die Zeitung berichtet, OBH-Grossaktionärin Hor­tense Anda-Bühr­le, die sich solchem Ansinnen vehement widersetzt."

Am 25.10. wird in einer Personal-Information kurz mitgeteilt, dass Erich Biehle sich entschlossen habe, BALLY zu verlassen. Dies auf acht Linien, was immer­hin dem Doppelten der Mitteilung über den Abgang von Josef Ming entspricht. Zwei der von Hans Widmer geholten und scheinbar über jeden Zweifel hinaus gehobenen Top-Manager verschwanden durch das Hintertürchen, und zwar ohne Pressemitteilung und ohne jeglichen Dank. Seinerzeit hatten verschiedene der "gutmeinenden Dilettanten" gehen müssen, weil sie die Konzepte aus der Küche Biehle und Ming in Zweifel ge­zogen hatten. Dass man diese jeweils lautlos verabschiedete ist ein-leuchtend. Die ruhmlosen Abgänge von Biehle und Ming, seinerzeit über alles gelobte Koryphäen, gaben Vielen zu denken.

Am 13.11. wird in einer weiteren Personalinformation auf fünf Linien orientiert, dass Philippe Jaquier, der Leiter von BALLY France, BALLY Belgien und BALLY Luxemburg per Ende Monat BALLY verlassen werde und dass er durch Serge Marx, den bisherigen Leiter von Bally Schweiz (gemeint ist mein Nachfolger, der Chef der ehema­ligen BALLY Arola AG, denn inzwischen wurden die meisten BALLY Unterneh­men umgetauft, was offensichtlich auch zu Hans Widmers einheit­lichem Markt­auftritt gehörte) ersetzt werde. Für BALLY Schweiz konnte mit dem amtieren-den Verkaufsdirektor eine interne Lösung gefunden werden. Er hat seither einfach ne­ben der Verkaufsdirektoren-Funktion auch noch die Fir­menleiter-Funktion zu er­füllen. Aber Doppelfunktionen mit unzähligen Untergebenen sind scheinbar in der Aera Ernst Thomke in!

Die Sonntagszeitung vom 19.11. zeichnet dann in einem mehr als eine Seite um­fassenden Artikel wieder ein sehr düsteres Bild von BALLY. Man spricht von Um­satzeinbrüchen in Deutschland und in der Schweiz, hier vor allem im ehe­ma­li­gen BALLY Capitol in Zürich, wo früher ca. 20% des gesamten Schweizer-Um­satzes gemacht wurde. Es wird von anhaltenden logistischen Mängeln im Ge­samt­konzern gesprochen, wo als Folge davon Bestellungen von zehn­tau­sen­den Paar Schuhen annuliert werden mussten. Auch auf der Ebene des Produkts kä­me BALLY nicht vom Fleck, sagt ein grosser deutscher BALLY-Kunde. An­spruch und Wirklichkeit klaffe nach wie vor kraß auseinander. Dazu käme eine zer­stö­reri­sche Markenpoli-tik.Die Zeitung orientiert nun auch die Oef­fent­lichkeit dar­über, dass die von Widmer eingesetzten Länderchefs von Frank­reich und der Verei­nigten Staaten, Philippe Jaquier und Josef Ming, den Hut nehmen mussten. Auch der Stuhl des Chefs von BALLY Deutschland wackle verdächtig. Ueber die Gründe des Abgangs von Josef Ming schweigt man sich aus. Insider berichteten aber, dass Ming bereits einmal von Ferro entlassen wor­den sei, dass diese Entlassung aber von Hans Widmer rückgängig gemacht worden sei. Ernst Thomke habe nun aber definitiv durchgegriffen. Auch Erich Bieh­le, von Widmer seinerzeit ein "Ge­nie von einem Designer" gepriesen, werde sich aus dem Kreativzentrum in Schö­nenwerd verab-schieden, in welchem er al­lerdings im Design-Bereich schon seit längerer Zeit ausgebootet und auf einen neu geschaffenen Posten "Marke & Image" abgescho-ben worden war. Die Zei­tung schreibt dann: "Die ungelösten Probleme bei BALLY zeigen deutlich, wie dringend der 100%ige Einsatz des Sanierers Thomke eigent-lich wäre. Doch der kümmert sich, weil die eingeschla­gene BALLY-Strategie stimmt, nach eige­nen Angaben zuerst schwergewichtig um Saurer". Mit all diesen neuen, ge­wichtigen Abgängen der letzten Wochen zieht Thomke aber doch schon sehr schnell recht tiefe Furchen im BALLY-Acker. Es wäre zu hoffen, dass er einer­seits mit der Neubesetzung der Top-Manager eine etwas glücklichere Hand hat als Hans Widmer, der mit der Ablösung der „gut meinenden Dilettanten“ vor einem Scherbenhaufen steht, und andrerseits nochmals gut überprüft, ob die von Widmer übernom­me­ne BALLY-Strategie tatsächlich stimmt (und welche die ganze Schuh-branche von allem Anfang an kopfschüttelnd zur Kenntnis nahm!).

"Facts" 48/1995 schreibt unter dem Titel: "BALLY-Krise / Schuhmacher Ernst Thomke räumt im Laden auf. - Der neue BALLY-Sanierer Thomke hat eine Er­kenntnis gewonnen: Der alte Sanierer Widmer war ein schlechter Sanierer." Wei­ter  schreibt das Blatt: "Die schwierigste Aufgabe, die er beim Schuhkon­zern zu be-wältigen hat, liegt tief verborgen in der Psyche der Mitarbeiter. Das hat er bei seinem ersten Auftritt vor der Belegschaft konstatieren müssen. An­fangs Oktober war's, als er im Designzentrum von BALLY seine Pläne zur Zu­kunft skizzierte. Als der neue Chef, der das "Management by Provocation" liebt, die Mitarbeiter aufforderte, ihm "aggressive Fragen" zu stellen, senkten sich die Häupter, als gelte es, in Deckung zu gehen. Zugesetzt hatte dem Personal auch Thomkes Ankündi-gung, die Saläre ab nächestem Jahr um bis zu 10% zu kürzen. Einziger Trost: Läuft das Geschäft gut, gibt es einen Bonus."   

Die Einführung eines Erfolgsbeteiligungssystems ist immer sehr schwierig. Aber die Einführung in einem Moment zu bewerkstelligen, wo alle Erfolgs-Indikatoren im Unternehmen derart nach unten zeigen, und die Stimmung der Mitarbei­ter tief unter dem Nullpunkt liegt, grenzt an Ignoranz oder Fahrlässigkeit. Man war doch in den letzten Jahren derartig grosszügig mit den Millionen umgegangen, sodass man mit der Einführung einer Erfolgsbeteiligung auch noch hätte auf et­was mehr Erfolg warten können.   

Thomke hat scheinbar auch das ambitiöse Putman-Konzept des Duos Wid­mer / Ferro zurechtgestutzt. Dieser strategische Entscheid sei durchaus nach­voll­zieh­bar, wenn Thomke intern verkünde: "Der BALLY-Gruppe gehe es nicht gut". Und weiter unten:" Während Thomke beim Ladenkonzept abspeckt, will er in der Fabrik auf-bauen. Der Produktionsstandort Schweiz, so hat er dem Per­sonal in Schönenwerd kundgetan, soll wieder gestärkt werden. Damit bricht er auch hier mit Widmers Plänen...". Dann wird über die Unzulänglichkeiten des Logistik­systems berichtet, an welchem seit Monaten intensiv gebastelt werde, scheinbar ohne sichtbaren Erfolg. Handlungsbedarf sei auch beim Werbe­auf­tritt von BALLY angezeigt. Thomke habe deshalb bereits die Webeagentur ge­wech­selt. Der Schlussabschnitt des Artikels ist bezeichnend für die Situation: "Um all seine ambitiösen Pläne in den Filialen, Fabriken und im Management zu reali­sie­ren, hat Thomke eine weitere Scharte aus der Vergangenheit aus­zuwetzen, jene des geschwundenen Know-How im Unternehmen. In den letz­ten Jahren ha­ben Ferro und Widmer bei der Suche nach scheinbar überflüs­sigen Ausga­ben­posten den Hobel etwas gar tief angesetzt und mitunter auch die falschen Leute aus dem La­den spediert. So mussten unlängst gelernte Schuhmacher, die man bereits in Früh­pension geschickt hatte, requiriert und an ihren Arbeitsplatz zu­rückgerufen werden - nicht Abbruch ist bei BALLY diesmal angesagt, sondern Aufbau".

Die NZZ orientiert am 06.12. sehr trocken über die Erwartungen per Ende Jahr un­ter dem Titel: "Geringere Gewinne im Oerlikon-Bührle-Konzern" und "Stag­nie­rende Umsätze".

Die "Weltwoche" vom 14.12. schmunzelt unter dem Titel: "Ernst Thomke: Nicht PerFekt - Bewegte Klage führt der neue BALLY-Chef Ernst Thomke in seinem er­sten Editorial in der BALLY-Hauszeitschrift "Steps". Der Gruppe gehe es schlecht, die Resultate in den meisten Märkten seien ungenügend und die Qua­lität der Produktion meist schlecht. Um anschliessend in einem flammen­den Ap­pell zu mehr Perfektion aufzurufen. Was offenbar auch bitter nötig ist, konnte doch nicht einmal das Wort "perfekt" in Thomkes Botschaft ohne Druck­fehler ge­schrieben werden. PerFekt mit grossem F, so stellt sich Thomke die von ihm ge­forderte "BALLY-Difference" wohl kaum vor.

CASH vom 22.12. hat die Headlines: "Schuster BALLY lebt auf kleinem Fuss. In Deutschland und Frankreich müssen die Schönenwerder herbe Verluste ein­ste­cken". Dass BALLY in Deutschland mit grossen Problemen kämpfe, gäbe BAL­LY-Sprecher Van der Geest unumwunden zu. Fehler seien vor allem bei der über-hasteten Einführung des neuen Sortiments passiert. Das Produkt BALLY sei in Deutschland  mit den Begriffen Komfort und Gesundheit verknüpft. (Das ist eben wirklich so, aber nicht nur in Deutschland sondern iausser USA und Fernem Osten auf der ganzen Welt! Anm. Verfasser) Die Schuhe hätten vor allem bei einem älteren, gutbürgerlichen (und wohlhabenden) Publikum Anklang ge­funden. Doch ab 1993 schwenkte BALLY in seiner Produktion radikal um und ha­be diese Schuhe nicht mehr hergestellt (und auch nicht mehr zugekauft). "Wir haben die Kunden vor den Kopf gestossen", bestä­tig­te so­gar Van der Geest. Genau dies war aber damals eine der grossen Aus­ein­an­dersetzungen zwischen Hans Widmer und BCG und den "Gutmeinenden Dilettanten" ge­we­sen. Inzwischen habe BALLY unter einem neuen Na­men die Komfortlinie aber wie­der eingeführt. CASH frägt dann allerdings: "Doch ob die verschreckten Kun­den so schnell den Weg wieder zurückfinden werden"? (Abgesehen davon war das entsprechende Know how unwiderruflich verloren!)

In einem Kasten mit dem Titel: "Auch Thomke brachte eine neue Strategie mit" lässt der Schlussabschnitt nochmals aufhorchen: "BALLY-Schuhe seien doch ein Massenprodukt, allerdings mit hohem Niveau. Eleganz, Qualität und Si­cher­heit als Attribute, mit denen auch die Schweiz in Verbindung gebracht wer­de, müss­ten in den Vordergrund rücken, lässt Thomke verlauten. Deshalb soll nun, nach Jahren des Abbaus, plötzlich wieder die Produktion in der Schweiz ver­stärkt wer­den. Da keimt Hoffnung bei den vielen frustrierten BALLY-Mit­arbeitern auf, aber auch Skepsis, denn an grossen Versprechen herrschte bei BALLY in den letzten Jahren kein Mangel".

In der Sylvesterausgabe bringt die Sonntagszeitung einen mehrseitigen Artikel über „Grössen der Schweizer Wirtschaft“, welche im vergangenen Jahr Fehler gemacht, die­se in der Folge aber verharmlost hatten. Hans Widmer kommt darin mit dem Ab­schuss von Stefano Ferro zu Ehren.

Das Jahr 1996

Erstes Quartal 1996

Im ersten Quartal 1996 ist es zuerst in der Presse auffällig ruhig um BALLY. Ob dies ein gutes Zeichen für die Zukunft ist? 

In "Bilanz" 1/96 werden in einem Kasten mit der Ueberschrift "Trauerweiden, die gesunkenen Sterne " glücklose Top-Manager zu einem "1996er Dream-Team" zusammengestellt. In diesem Dream-Team ist Stefano Ferro in illustrer Umgebung zum Mar­keting-Chef erkoren worden.

Die NZZ vom 30.01. berichtet ganz kurz unter Firmennachrichten: "Oerlikon Bühr­le mit tieferem Konzernergebnis". Der Rückgang gegenüber dem Vor­jahreser­gebnis ..."sei vorwiegend auf die Probleme bei BALLY zurück­zu­führen...

Am 02.02. bringt CASH ein grosses, äusserst positives Interview mit Ernst Thom­ke. Darin sagt dieser an einer Stelle: "Ein Sanierer muss ein Generalist sein. Er muss ei­ne Beziehung zum Metier haben, das er sanieren will, und auch etwas davon verstehen." Diese Aussage ist sicher richtig. Umso unverständlicher wa­ren deshalb für Branchenkenner seine Ausführungen ein paar Mi­nuten vor­her, als er sich sehr bestimmt über die für BALLY notwendige Anzahl Modelle an Hand-taschen, Damen- und Herrenschuhen ausliess. Gelten die an­gegebenen Zahlen für einen bestimmten Markt oder für BALLY weltweit? Wer hat ihm diese unsinnigen Zahlen verkauft? Oder hat er sie von Hans Widmer übernommen? Wieso kann er dies bereits heute mit dieser Sicherheit sagen, wo er doch in Kollektionsgestaltung und Sortimentspolitik wahr­scheinlich noch recht wenig sattelfest ist? In dieser allgemeinen Form dürfte er m. E. als oberster BALLY-Chef ein­fach keine solchen Statements abgeben. Das glauben ihm allenfalls die Zeitungsleser. Es ver­un­sichert aber die Mitarbeiter mehr, als dass diese Information der Oeffentlichkeit nützt. Ernst Thomke hätte das doch nicht nötig. Hat er denn von den grossen Worten und der Mediengeilheit des Hans Widmer nichts gelernt?

Am 08.03. brachte "Pictet & Cie, Bankers, Geneva" einen vierseitigen Spezial-bericht über die Oerlikon-Bührle Aktie, davon handelten drei Seiten von BALLY. Traumtitel wie: "Excellent impression from visit to BALLY", "Promising turnaround at BALLY un­der way with exciting potential for positive surprises" (!), "EBIT margin target of 15% for BALLY by 1998 very realistic" (!), Oerlikon-Bührle Group to be driven by a second locomotive" prangten auf der ersten Seite. Hier konnte man auch ein erstes Mal etwas über Ernst Thomkes Ziele und Strategien erfahren, in welchen er abrupt und ohne grossen Kommentar mit Hans Widmers Wachstums-euphorie bricht. Interessant war vor allem, dass sich Thomke gewisse Ziele gesetzt hat, die sich ziemlich ge­nau mit den Zielen der ehemaligen BALLY Führung vor Hans Widmer decken. So soll "BALLY of Switzerland" wieder aufgewertet, BALLY Kompetenz mit Leder i.w.S. dem Kon­sumenten vermittelt und die Prioritäten im Bekleidungsbereich neu gesetzt wer­den, usw. Ob Thomke diese Ziele der früheren BALLY ausgegraben hat oder ob es den Irr- und Um­weg über Hans Widmer, Boston Consulting Group und Stefano Ferro gebraucht hat, um etwas bereits frü­her Be-währtes wieder zu erfinden, spielt eigentlich keine Rolle. Wesentlich war eigentlich nur, dass endlich wieder mit realistischeren Zielen und Strategien gear­beitet wurde.

Hier kommt Thomke wahrscheinlich wirklich seine Erfahrung im Kon­sumgüter-Marketing zugute, die Hans Widmer fehlten. Ein anderer Teil der hier aufgelisteten Ziele war aber nach wie vor unrealistisch, vor allem was er über die anzustreben-den Margen angab. Dies kann relativ einfach unter dem Stichwort "Hockey-Stick-Effekt" abgetan werden: Zuerst geht das Betriebsergeb­nis zwar noch bedenklich abwärts, dann aber plötzlich geht es dramatisch nach oben, nämlich direkt auf (Zitat:) "15% operating margin, feasable by 1998". Die­ses hohe Ziel soll mit Trivialitäten erreicht werden, die jeden Branchenkenner zum Schmunzeln bringen, wie etwa: ... "to cut down the proportion of shoes that have to be sold off at discounted prices" und ... "increasing the output of shoes which do not just cater for a single season of the year" ... Es drängt sich hier die ein­fa­che Frage auf, wie Ernst Thomke den Endverbraucher dazu bewegen wird, dies zu erreichen. Denn ob ein Schuh Ende Saison noch weitergezogen werden kann oder ob er abgeschrie-ben werden muss, entscheidet ganz alleine der Markt. Und ob ein Modell ein "Long-Life" Schuh wird oder nicht, bestimmt ebenfalls weder er noch der Designer noch der Verkäufer, sondern einzig und allein wiederum der Markt. Deshalb kann die Frage nach "Long Life" oder "Keine Abschreiber" erst am Ende der ersten Saison auf Grund der Marktakzeptanz entschieden werden. Und wenn Schuhe hergestellt oder eingekauft werden, die nicht schon von der Zielsetzung her länger als nur eine Saison im Sortiment bleiben sollen, dann han­delt es sich entweder um einzelne "Mode-Gags", an welchem man als Vollanbieter (und dies will BALLY im Detailhandel scheinbar auch weiterhin bleiben) um des Angebotes willen im Laden nicht herumkommt, oder der verant­wortliche Einkäufer ist ein "Neuheits-Neuro-tiker", und die hatten auch früher schon bei BALLY keinen Platz. Bereits weiter oben wurde festgehalten, dass der Erfolg eines Einkäufers früher an der durch-schnittlichen Abverkaufsrate eines Schuhs während der ersten Saison und an der erzielten Marge bis zum Ende des Produkts gemessen wurde. Dies kann man aber nur mit kompetenten Einkäufern tun, welche Verantwortung tragen wollen, ganz nahe am Markt leben und tägli­chen Kontakt mit der Front haben, und zwar nicht nur mit Hilfe der Informatik son­dern auch verbal und emotional mit dem Filialleiter und der Verkäuferin im Ladengeschäft. Diese Einkäufer hat BALLY aber in der Aera Widmer / Ferro vollkommen eliminiert oder die Besten gingen schon am Anfang von selbst. Ich meine, bezüglich Sor­timent müsste Ernst Thomke wahr-scheinlich nochmals über die Bücher, wenn er nicht auch Schiffbruch erleiden will.

Cash vom 29.03. (Ist CASH eigentlich das Leibblatt von Ernst Thomke?) bringt wieder ei­nen grösseren Artikel über BALLY mit den Headlines: "Comeback der Dauerläufer. Mit knallhart reduziertem Sortiment schreitet BALLY der Zukunft entgegen". Ob man im Detailhandel weltweit als Vollanbieter mit den von Thomke vorgeschriebenen 300 Damen- und 200 Herrenmodellen Erfolg haben kann wird die Zukunft weisen. Im Uebrigen werden in diesem Artikel theoretische Erklärun-gen über Langläufer ("Long-Life") und Ein-Saison-Schuhe ("One-Shots") sowie Schnelldreher abge­geben. Ferner wurde, wahrscheinlich für den unmün­digen Zeitungsleser, die tri­viale Rechnung vordemonstriert, dass ein Modell in 12 Grössen und sechs Far­ben bereits ein Lager von 72 Paar Schuhen bedinge. Jede Lehrtochter im Schuh­geschäft weiss dies spätestens dann, wenn sie die ausgestel-ten Schuhe jeweils abstauben oder im Lager holen muss. Dass BALLY früher neben den verschiedenen Größen auch noch verschiedene Weiten im Angebot hatte, wird unterschlagen, da man dieses Angebot eliminiert hatte. Weiter schreibt CASH: "Bei einer Gesamt­kollektion von 1200 Schuhmodellen, Dutzenden von Taschenlinien, dazuge­höri­gen Gürteln und anderen Accessoires fanden sich noch letztes Jahr in den Lager­regalen insgesamt unglaubliche 270'000 ver­schiedene Einzelartikel. Mit der Ein­führung eines rückgekoppelten Bestell-, Auftrags- und Liefersystems erlitt BALLY im Frühjahr/Herbst 1995 deshalb Schiffbruch". Ende Zitat. Schiffbruch also, ob­wohl Hans Widmer immer gerne angab, dass er bereits am Anfang 90% des Sortiments abgeschnitten hatte. Die „gutmeinenden Dilettan-ten“ waren bei BALLY früher in der Lage, selbst eine noch viel grössere Vielfalt scheinbar problemlos zu bewältigen. Damals hatte BALLY aber für die Warenbe-wirtschaftung Informatik-Systeme, welche zusammen mit Schuhprofis entwickelt worden waren, und die einem Rolls-Royce gleich eine Fülle von Zahlenmaterial zur Verfügung stellten, welche auch eine grosse Komplexität im Angebot durchaus führbar machte. Diese Informatik-Systeme wurden dann aber fahrlässig über Bord gekippt, teilweise sogar ohne Parallellauf, um neukonzipierten Syste­men Platz zu machen, eben wahrscheinlich solchen rückgekoppelten Super­sy­stemen, die von Uhrenindustrielogistikern ohne jegliche Branchenerfahrung entwickelt, von uner-fahrenen Branchenneulingen begutachtet und beschlossen wurden, die aber leider auch heute nach fast fünf Jahren nicht funktionieren.     

Der guten Ordnung halber muss gesagt werden, dass beispielsweise das ehe­malige, hervorragende Warenbewirtschaftungssystem der BALLY Arola AG, das im seinerzeitigen Oerlikon-Bührle-Rechenzentrum verarbeitet wurde, leider noch nicht auf einer relationalen Datenbank basierte, da sein Entwicklungsbe­ginn noch in die 70er Jahre zurückreichte, als man noch nicht von solchen Da­ten­banken sprach. Auch dieses System hätte mit der Zeit ersetzt werden müs­sen, wobei 1991 die sehr aufwendigen Arbeiten an einem weltweit zu verwen­denden BALLY Retail-Informatik-System schon recht weit gediehen waren, als das Projekt von Hans Widmer zuerst auf die Sparflamme und dann ganz abgesetzt wurde, um mit den neuen Logistikern aus der Uhrenindustrie um Ernst Zängerle etwas selbstverständ-lich wesentlich besseres zu basteln - Resultat siehe oben!

Zweites Quartal 1996 (Bis 2. April 1996)

Die NZZ vom 02.04.96 berichtete unter den Titeln: "Gewinneinbruch im Oerlikon-Bührle-Konzern. Weiterhin keine Ausschüttung". Weiter unten hiess es: "...Der Konzerngewinn fiel von 75 Mio Fr. auf 4 Mio Fr. In einer Medienmitteilung wer­den dafür die Bereiche BALLY (Schuhe) und Contraves (Wehrtechnik) sowie Kunz & Dietfurt (Textil) verantwortlich gemacht. ... "Für das laufende Jahr gibt sich die Unternehmungsleitung zuversichtlich; straffe Zügel bei BALLY und an­gepasste Strukturen bei Contraves ermöglichten eine Fortsetzung des Ge­winntrends der Vorjahre". Alle Jahre wieder das selbe Lied: Es geht uns zwar schlecht, aber nächstes Jahr wird alles viel besser. Die Leistung auch des Kon­zerns über die Jahre ist alles andere als berauschend, obwohl es seit 1992 heisst, der Turn-Around wäre geschafft.

Am folgenden Tag kam dann sogar in der NZZ nach einer Medienorientierung dicke Post über BALLY. Unter dem Titel: "BALLY in den roten Zahlen, Erneuerung der Produktionsbetriebe" stand für die sonst so nüchterne NZZ ein er­staunlicher, erster Satz: "Der Zeitbedarf für die Repositionierung und Re­struk­turierung des grössten schweizerischen Schuhproduzenten und -händlers ist weit höher, als ursprünglich geschätzt worden war und wohl auch heute noch ange­nommen wird". Und etwas weiter unten: ... "Ernst Thomke strebt eine Bereini­gung in erster Linie über interne Straffungen an; sein Vorgänger Stefano Ferro hatte schwergewichtig den Marktauf-tritt verbessert und den Distributionsapparat neu ausgerichtet. Die Ergänzung der beiden könnte den Durchbruch bringen, doch erwartet auch Thomke - nach einem weiteren Rückgang des Umsatzes auf einen Tiefpunkt von etwa 850 Mio Fr. im nächsten Jahr - erst für 1999 ein Be­triebsergebnis von 15% des Umsatzes" (Der Bank Pictet hatte er erst vor einem Monat dieses Ergebnis noch für 1998 ange-geben). Im weiteren werden von Thomke mehr oder weniger die Erklärungen wie oben im Prospekt der Bank Pictet erwähnt angegeben. Neu beim Medienauftritt scheinen aber die folgenden kon­kreten Aussagen: ... "Das Produkt muss perfekt verarbeitet werden; unter den Lieferanten erfolgt eine strenge Auswahl. Die Posi-tionierung erfolgt in der geho­benen Mittelklasse";  ... "welt­weit werden gleiche Preise angestrebt. Die Marketingausgaben werden bereits im laufenden Jahr etwa auf 45 Mio. Fr. verdop­pelt. Der Vertrieb über Franchising wird ausgebaut und die Ex­pansion in neue Märkte - Italien, Spanien - weiter vorangetrieben" ...

Alle diese Statements von Thomke könnten im Gegensatz zu Widmer / Ferro auch von der ehemaligen BALLY-Führung vor Widmer stammen. Wie zukunftsträchtig die Expansion nach Italien und Spanien sein wird ist m. E. sehr fraglich! Diese ausge-sproche­nen Schuhländer haben jetzt nicht gerade auf BALLY gewartet. Die Marke BALLY ist dort ausser bei Lieferanten praktisch unbekannt. Wer ist denn dort die Zielkundschaft? Mit Touristen allein und ohne lokale Kundschaft kann man einen Laden kaum gewinnbringend führen.

Die NZZ schreibt dann wieder wortwörtlich: "Nach Finanzchef Urs Gloor ist der Rückschlag im Betriebsergebnis überwiegend auf Umsatzeinbussen und Mar­genverengung, auf eine schlechte Kapazitätsauslastung der Produktionsbetrie­be sowie auf die weitere Bereinigung im Distributionsnetz zurückzuführen. Be­son­dere Sorgen bereiten die Ländergesellschaften in der Schweiz, in Deutsch­land und in Frankreich" ...

Dazu einige Fragen:

  • Woher kommt denn der Umsatzrückgang? Etwa von einer doch nicht so gut verkäuflichen Kollektion? Oder waren die 20% Mehrumsatz in den neuen Putman-Geschäften, von denen der Pressesprecher früher berichtet hatte, und in denen doch bereits 1995 ca. 30% des Umsatzes generiert werden sollte, nur das bekannte, kurze Aufflackern an den ersten Tagen jeweils nach der Wiedereröffnung gewesen?
  • Und woher kommt denn die Margenverengung? Widmer/Ferro wollten sich doch nicht mehr mit den früheren, lächerlich kleinen Deckungsbeiträgen begnügen und wesentlich höhere Margen erwirtschaften. Musste eventuell Ende Saison doch viel mehr abgeschrieben werden, trotzdem man ja nur noch Schuhe im Sortiment haben wollte, die Abverkaufsraten von gegen 90% erreichen?
  • Wie hoch ist denn der Lagerbestand in den einzelnen Ländern im Vergleich zu früher?
  • Und wie hoch ist denn heute der Umsatzanteil der drei oben erwähnten, kränkelnden Ländergesellschaften? Früher waren dies ca. 50% des BALLY-Umsatzes weltweit. Falls dies immer noch in etwa der Fall ist, so ist dem­nach heute auch 50% von BALLY krank?


Zusammenfassung

Alle Darstellungen über die Entwicklung von BALLY in der Aera Widmer begin­nen mit dem Jahr 1991, also mit dem schlechtesten Jahr in der Geschichte, wie sich Ferro bei der Präsentation des aufgemotzten 1993er Resultates ausdrück­te. Be-kanntlich war 1991 das Rechnungsjahr, in welches Widmer alles an Restruk­tu­rierungskosten, ausserordentlichen Abschreibungen und  Rückstellungen packte, um seine Ausgangsbasis so komfortabel als möglich zu gestalten. Dass Widmer die Rechnungslegung etwas änderte und im Konzern vereinheitlichte, ist sein gu­tes Recht und hat sich bewährt. Wieso hat sich aber niemand die Mühe genom­men, einmal die Ergebnisse der Konzerngruppe BALLY in den rund 10 Jah­ren Zuge-hörigkeit zu Oerlikon-Bührle vor der Aera Widmer auf die neue Rech­nungslegung umzurechnen? Ich bin überzeugt, dass dies schon lange geschehen wäre, wenn sich damit ein positiver Leistungsausweis für die neue Führung unter Widmer hätte konstruieren lassen. Dass man dies ganz bewusst nie tat, ist höchst verdächtig. BALLY-Finanzchef Urs Gloor hatte doch alle Zahlen, und er weiss sehr gut, wie früher gerechnet wurde, da er bei BALLY groß wurde. Allenfalls wären sogar einige "Gutmeinende Dilettanten" bereit ewesen, ihn dabei sogar in Frohnarbeit gratis zu unterstützen. Auf alle Fälle wäre es höchst interessant gewesen, die ganze Zahlenreihe einmal im Ver­gleich zu sehen.

Beim Vergleich dieser ganzen Zahlenreihe 1979 bis 1995 käme wahrscheinlich heraus, dass die fünf Jahre Aera Widmer für BALLY alles in allem nichts ge­bracht haben,
  • ausser,dass mit einem schlechter verkäuflichen Angebot der Umsatz markant zurückging,
  • dass der Cash-Flow sogar negativ wurde,
  • dass wieder einmal das Corporate Design mit allem drum und dran verändert wurde,
  • dass ein kaum wettzumachender Know-How-Drain in allen Unternehmens­be­reichen stattfand,
  • dass die "Assets" um mindestens CHFr. 500 Mio. kleiner geworden sind, und
  • dass in der Zwischenzeit in allen Märkten die Konkurrenz in aller Ruhe neue Dispositive bezie­hen konnte, da BALLY viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt war.

Falls Ernst Thomke für BALLY aus der Geschichte seine Lehren zieht und es ihm gelingt, das Unternehmen innert nützlicher Frist wenigstens wieder dorthin zu bringen, wo es anfangs der 90er Jahre war, um dann endlich zu den immer angepriesenen, neuen Ufern aufzu­brechen, dann wäre die Durststrecke der Aera Widmer wenigstens nicht ganz vergebens gewesen.

Das grosse menschliche Leid und Ungemach in allen Bereichen und auf allen Hie­rarchiestufen, sowie die vielen zwischenmenschlichen Beziehungen, die in dieser Zeit in die Brüche gingen kann allerdings auch Ernst Thomke nicht ungeschehen machen.

Dies sei jedoch der Preis für einen erfolgreichen Turn-Around, pflegt man in der Wirtschaftspresse zu sagen…

... Wenn es sich in den vergangenen 5 Jahren aber um einen erfolglosen Turn-Around gehandelt, oder, wenn es 1991 allenfalls gar nichts zu "Turn-Aroun­den" gegeben hätte: (BALLY hatte seit der Übernahme durch Oerlikon Bührle 1977 nie rote Zahlen!)

Für was wurde dann dieser hohe Preis bezahlt?

Eventuell, weil Hans Widmer eitel und hemmungslos genug war, sich auf Kosten Dritter profilieren zu wollen? Mit der zweimaligen Wahl zum "Manager des Jahres" hat die Wirtschaftspresse ihn dafür zwar geadelt. Es gibt aber im Titel-Lied eines James Bond-Films einen Refrain: "The higher the Top, the deeper the Drop"... .

 

 

 

Zollikon, 15.4.1996 / BallyWidmer rev 2008 2011 2017

 

 

 

Nachwort (teilweise aus Wikipedia)

 

                 Auch Ernst Thomke war als CEO von BALLY kein Erfolg beschieden! Der Betriebsverlust von BALLY belief sich 1995 auf CHF - 6,7 Mio. Nach 1996 mussten tausende von Angestellten entlassen und bis auf Caslano alle Fabriken geschlossen werden, darunter auch das Stammhaus in de.wikipedia.org/wiki/Sch%C3%B6nenwerd">Schönenwerd.

 

                 Nach gescheiterter Sanierung verkaufte de.wikipedia.org/wiki/Oerlikon-B%C3%BChrle">Oerlikon-Bührle seine Anteile 1999 an die US-Investmentgesellschaft de.wikipedia.org/wiki/Texas_Pacific_Group">Texas Pacific Group (TPG). Seit 2000 befindet sich der Hauptsitz des Unternehmens im schweizerischen de.wikipedia.org/wiki/Caslano">Caslano (de.wikipedia.org/wiki/Kanton_Tessin">Kanton Tessin), wo dem Unternehmen bereits zuvor eine Produktionsstätte gehörte. Die Verlegung des Firmensitzes von Schönenwerd ins Tessin war mit der Nähe zur Modemetropole de.wikipedia.org/wiki/Mailand">Mailand begründet worden.

 

          Im April 2008 wurde das Unternehmen erneut verkauft für geschätzte € 370 Mio.. Die neue Besitzerin, die 2007 in Wien gegründete Labelux Group de.wikipedia.org/wiki/GmbH">GmbH, gehört der deutschen de.wikipedia.org/wiki/Joh._A._Benckiser">Johann A. Benckiser SE. Zur Labelux-Gruppe gehörten zum Stand 2011 außerdem die Marken Belstaff (Bekleidung), de.wikipedia.org/wiki/Jimmy_Choo">Jimmy Choo, de.wikipedia.org/wiki/Derek_Lam">Derek Lam und Solange Azagury-Partridge (Schmuck). 2008 wurden die Bally-de.wikipedia.org/wiki/Erl%C3%B6s">Umsätze mit € 400 Mio. angegeben (zum Vergleich rund CHF 1'200 Mio im Jahre 1991), seither wurden meines Wissene keine Zahlen mehr veröffentlicht.
1949-1953 Alles begann mit Flugmodellen
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14.1.  Militärische Karriere – 1949-1953 Alles begann mit Flugmodellen.

14.1 1949-1953 Alles begann mit Flugmodellen.

Da mich die Fliegerei schon immer sehr interessierte, vor allem aber, nachdem meine 7 Jahre ältere Schwester Lisbeth einen Militärflieger geheiratet hatte, der mich unheimlich beeindruckte (er war zwar "nur" Beobachter und nicht Pilot), begann ich während meiner Kantonsschulzeit ab Frühjahr 1949 in der Modellfluggruppe St. Gallen des Aero Clubs der Schweiz sehr aktiv mitzumachen. Nach dem Bau einiger Segelflugzeug-Modelle mit gekauften Baukasten realisierte ich eine Reihe von Eigenkonstruktionen. Hier konnte ich meine Kenntnisse in Darstellender Geometrie, Konstruieren und Technischem Zeichnen, zusammen mit dem, was ich bereits über die Fliegerei gelesen hatte, eins zu eins umsetzen. Ich beschäftigte mich später praktisch nur noch mit motorgetriebenen Kreisflugmodellen aus Eigenkonstruktion mit den damals neuartigen „Glow-Plug-Motoren“.

Höhepunkt und abruptes Ende meiner Modellbautätigkeit war eine Kreisflugmodell-Vorführung vor einer riesigen Zuschauerkulisse an einem grossen Flugmeeting auf dem Flugplatz Altenrhein. Das sehr fotogene Modell, ebenfalls eine Eigenkonstruktion, stürzte während meiner Vorführung anscheinend infolge eines Steuerfehlers ab und wurde komplett zerstört.  Die Reste des prächtigen Flug-Modells sammelte ich ein und trug sie sehr enttäuscht im Plastiksack nach Hause.
Da ich mir aber keines Steuerfehlers bewusst war, betrieb ich anschliessend akribisch eine persönliche „Flugunfall-Untersuchung“ und fand dabei auch den Grund für den Absturz: Es war tatsächlich kein Steuerfehler, sondern ein ärgerlicher Flüchtigkeitsfehler in meiner Arbeit: Ich hatte eine der Messingmuttern am Steuerbalken nicht verlötet, so dass sich die unverlötete Mutter durch die vom Motor herrührenden Vibrationen lösen konnte und damit eines der zwei Steuerseile nicht mehr griff. Das Flugzeug wurde dadurch unsteuerbar.

Ich denke, dies war eine erste Lektion in Flugsicherheit, mit welcher ich später zivil und militärisch noch zur Genüge konfrontiert werden sollte.

1951 Vorunterrichtskurs - Segelflugbrevet
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14.2.  Militärische Karriere – 1951 Vorunterrichtskurs - Segelflugbrevet.

14.2 1951 Vorunterrichtskurs - Segelflugbrevet

In der Modellbaugruppe hatte ich gehört, dass junge Männer im militärischen Vorunterricht nicht nur "Morsen", sondern auch "Fliegen" lernen können. Nachdem ich schon Morsen gelernt hatte, meldete ich mich Schnell entschlossen an. Ich bestand mit 18 Jahren alle dazu notwendigen fliegerärztlichen und psychologischen Prüfungen im FAI (Fliegerärztliches Institut) in Dübendorf.
In den Sommerferien 1951 wurde ich in den Segelflugkurs nach Frauenfeld aufgeboten. Die Teilnehmer in dieser Fliegerschule hatten während 3 Wochen Unterkunft und Verpflegung in der Kaserne Frauen-feld und bildeten so etwas wie ein Zug einer Kompanie der Artillerie-Rekruten­schu­le. Wir bekamen damit einen guten Vorgeschmack auf unsere eigene, künftige RS.
Jeden Morgen ging es nach dem Frühstück mit den Rekruten per Militärvelo auf die Allmend Frauenfeld, die auch Flugplatz war und wo wir den ganzen Tag verbrachten. Die Starts im  Zweisitzer-Segelflugzeug erfolgten jeweils mit der Seilwinde.
Gleichzeitig zum Fliegen lernten wir gerade auch noch Autofahren, denn das Schleppseil der Seilwinde musste nach jedem Start mit einem noch knapp fahrbaren OPEL-Autowrack wieder eingeholt und neu ausgelegt werden. Eine Allmend ist ein hervorragender Übungsplatz für künftige Autofahrer, da es ausser dem Hangar praktisch keine Hindernisse gab!

Nach der intensiven Schulung auf einer Spalinger S 21, Doppelsitzer  bestand ich etwas nervös zuerst den Prüfungsflug. Anschliessend brachte ich dann auch den ersten Alleinflug auf einem Grunau Baby erfolgreich hinter mich. Zum Ende des Kurses lernten wir noch das Starten mit Schleppflugzeug, was für mich ein weiterer Höhe- und Schlusspunkt im Kurs bedeutete.

Ich war schon mächtig stolz auf mein damit erworbenes Segelflugbrevet, denn mit dem Erwerb dieses Brevets waren bekanntlich die Chancen wesentlich grösser, dass ich nach der Matura dann als Pilotenanwärter in die Rekrutenschule einrücken konnte.
Und wirklich, bei der sogenannten „Militärischen Stellung“ in der Kreuzbleiche-Turnhalle in St. Gallen erhielt ich nach guten, turnerischen Leistungen schlussendlich den so stark herbei gesehnten Stempel „Fliegertruppen – Fliegersoldat“ ins Dienstbüchlein, wobei der Aushebungsoffizier zu meiner grossen Freude noch mit Bleistift „Pilotenanwärter“ dazu geschrieben hatte!

1954 Rekrutenschule erster Teil
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14.3.  Militärische Karriere – 1954 Rekrutenschule erster Teil .

14.3 1954 Rekrutenschule erster Teil: Fliegerkaserne und Flugplatz Payerne

Im bitterkalten Januar 1954 rückte ich mit vier Kollegen meiner Maturaklasse Jürg Anderegg, Fredy Boesch (Vulgo Sutt), Kurt Eggenberger (Vulgo Gaz) und Hansjürg Knaus in die Fliegerrekrutenschule auf den Flugplatz Payerne ein, alle fünf bereits für ein Masch. Ing. Studium an der ETH immatrikuliert. Wir wurden zufällig alle in die gleiche Kompanie eingeteilt, Gaz und ich sogar in den gleichen Zug. So war auch schnell klar, dass Gaz und ich Rottenkameraden wurden. Wir alle fünf waren auch Pilotenanwärter, wobei ich und Jürg Anderegg mit je einem bereits erworbenen Flugbrevet scheinbar die besten Karten hatten. Mich reizte ganz besonders die spätere Piloten-Entschädigung, die ein Pilot für die viel öfteren und längeren Dienstzeiten bekamen. Als Student konnte man mit diesem „Fluggeld“ das Studium praktisch fast sorgenfrei finanzieren. Darauf war ich auch etwas angewiesen, denn mein Vater wurde in meinem 2. Semester mit 65 Jahren pensioniert. Nur schweren Herzens hatte er deswegen als Jüngstem von uns 5 Kindern meinem Studium zugestimmt.
Schulkommandant der Rekrutenschule war Oberstlt. Zuber, unser Kompaniekommandant war sein jüngerer Bruder, und mein Zugführer hiess Lt Feucht. Vom KTV und von der Handball Sektion Pfadi Hospiz her kannte ich Lt Fritz Stutz v/o Wiking, der bei den Romands den Lt-Grad abverdiente. Mein Zugführer Lt Feucht war relativ harm­los, ich kam eigentlich gut mit ihm aus, ausser einmal, als er am Samstagmorgen bei der Inspektion mit seinem Glacé-Handschuh über die Borsten meiner Zahnbürste strich, ein paar Zahnpasta-Resten erblickte und mich fragte: „Ist das hygienisch“, und ich antwortete, „Mindestens so hygienisch, wie wenn Sie mit Ihren von Gewehrfett und Schuhcrème dreckigen Handschuhen über meine Zahnbürste streichen“, denn er hatte vorher eben die Marschschuhe und die Gewehre kontrolliert. Das brachte mir eine Aussprache beim Kompanie - Instruktor Major Racine ein. Diese erste, etwas freche Antwort hatte aber vorerst auf mein Pilotenanwärter-Dasein noch keine Konsequenzen.

Die ersten Tage und Wochen der Rekrutenschule herrschte überaus kaltes und win­diges Wetter. Vor allem die halbstündigen Märsche ins Zeughaus zum Fassen der Ausrüstung und dann mit vollen Händen zurück zur Kaserne waren in der eisigen Kälte eine Tortur. Bis wir dann endlich fast als Letztes auch noch Handschuhe und Kopfpariser fassen durften, hatten viele von uns bereits leicht angefrorene Ohren, die nachts im Bett auf dem steinharten Kissen (Bruder Klaus’ Stein konnte kaum härter gewesen sein!) jeweils sehr schmerzten.

Heute noch bewirkt in Wetterprognosen an Radio und TV der Ausdruck „Bise in der Westschweiz“ bei mir Erinnerungen an den täglichen, frühmorgendlichen, 20-minütigen Marsch mit Stahlhelm zur Halle 3 auf den Flugplatz in Payerne: Eine unangenehm kalte und am Helm eigenartige Töne auslösende Bise durchdrang jeweils unsere Kleider je länger, je mehr und liess die armen Ohren gefühllos werden. Ich sehe auch heute noch den feinen Triebschnee über die schwarz geräumte, schnurgerade Strasse nach Grandcour, sowie über die umliegenden, brachen Tabakfelder und Winterwiesen der unendlich weit scheinenden Broye-Ebene wandern! Wie waren wir glücklich und froh, als es dann endlich Frühling wurde.

Mein Schwager Ruedi Blöchliger, als Beobachter in einer Fliegerstaffel eingeteilt, hatte mir in die RS den Rat mitgegeben, im Militärdienst immer zu versuchen, möglichst lange weder besonders positiv noch besonders negativ aufzufallen, damit der Name möglichst lange unbekannt bliebe. Das beherzigte ich und fuhr damit eigentlich recht gut.

Am Anfang der RS stand die soldatische Ausbildung im Vordergrund. Ich betrachtete diese als notwendiges Übel und Voraussetzung für den Technischen Dienst am Flugzeug, auf den ich mich besonders freute, und vor allem natürlich darauf, als Pilotenanwärter bestehen zu können. Rein physisch war ich vom Handball her recht gut durchtrainiert und hatte nie Schwierigkeiten, im vorderen Drittel mitzuhalten, weder auf der Kampf­bahn, beim Schiessen oder auf längeren Märschen, noch bei Orientierungsläufen.

Im Technischen Dienst wurde ich als Flugzeugwart eingeteilt und es gelang mir, mich bald als Nummer 1 in meiner Wartungsgruppe zu profilieren. Unser Zug wurde als einziger noch auf North American P-51 Mustang ausgebildet, während alle andern Züge bereits an De Havilland DH-110 Vampire arbeiteten. Einerseits waren wir etwas neidisch, weil die andern das modernere Jet-Flugzeug hatten, was wir aber natürlich nicht zugaben und ihre Jets verächtlich „Lötlampen“ nannten. Andrerseits waren wir aber auch sehr stolz, erstens weil wir am wahrscheinlich formschönsten und elegantesten Jagdflugzeug aller Zeiten ausgebildet wurden, und zweitens, weil wir vor allem als Flugzeugwart Nr. 1 viel mehr am Flugzeug betätigen durften als die „Lötlampen-Fritzen“. So musste man neben den normalen Wartungs-arbeiten als Nr 1 im Cockpit sitzend den Motor anlassen und ihn vor­wärmen, bis die vorgeschriebene Temperatur erreicht war. Dazu musste man durch Verstellen des Vierblatt - Propeller einen gewissen Luftstrom erzeugen und den Lufteinlass am Ölkühler entsprechend einstellen. Und am Rolls-Royce-Merlin-Triebwerk instruiert zu werden, diesem tatsächlichen Wunderwerk der Technik, war für einen angehenden Maschineningenieur ein absoluter Leckerbissen, denn es war wahrscheinlich das hochgezüchtetste Flugzeug-Triebwerk mit Kolben-Motor in Reihenbauweise aller Zeiten.

Sonntagsurlaub gab es meistens erst am Samstagnachmittag oder dann sogar erst am Sonntagmorgen nach dem Gottesdienst. Damit war es schon rein zeitlich fast ausgeschlossen, an Wochenenden von Payerne nach Hause nach St. Gallen zu reisen, ganz abgesehen davon, dass der Sold von 1 Fr. und der damalige Militärersatz für Studenten von 2 Fr. pro Tag kaum für das Bahnbillet gereicht hätte. So blieben wir unter Kollegen meistens übers Wochenende in Payerne, oder wir fuhren nach Estavayer am Neuenburgersee zum Baden, oder in die Städte Fribourg, Lausanne oder Neuchâtel, um das Welschland etwas besser kennen zu lernen.

So überstand ich die ersten 12 Wochen RS in Payerne mit Soldatischer Ausbildung, Technischem Dienst, den Spezialtests für Pilotenanwärter in Allgemeinwissen, Sport und auf der Kampfbahn sowie noch weiteren psychologischen und fliegerärztlichen Tests im FAI (Fliegerärztliches Institut) in Dübendorf, ohne grösseren körperlichen oder gar seelischen Schaden zu nehmen

Rekrutenschule zweiter Teil: Fliegerische Vorschulungsperiode VSP Flugplatz Magadino
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14.4.  Militärische Karriere – Rekrutenschule zweiter Teil: Fliegerische Vorschulungsperiode VSP Flugplatz Magadino.

14.4 1954 Rekrutenschule zweiter Teil: Fliegerische Vorschulungsperiode VSP Flugplatz Magadino

"Die Freude war selbstverständlich unbeschreiblich gross, als ich überglücklich mit den Pilotenanwärtern, darunter auch alle vier St. Galler Schulfreunde in den VSP (Vorschulungsperiode der Fliegerschulen) auf dem Militärflugplatz Locarno-Magadino einrücken durfte. Die übrige Rekrutenschule verschob sich für die Verlegung auf den Flugplatz Alpnach.

Nach bestandener Matura war mit dem Pilotenanwärter im VSP bereits ein weiteres, klar gestecktes Ziel halb geschafft. Ich war stolz wie ein Pfau!

Mein Fluglehrer war ein Adjudant Spinnler, ein gelernter Mechaniker, Pilot im Überwachungsgeschwader und jetzt in den VSP als Fluglehrer abkommandiert. Ich fand ihn ein bisschen gewöhnlich und primitiv. Wir wurden durch ihn in alle fliegerischen Belange eingeführt, flogen jeden Tag auf Bücker Jungmann, und es gab nichts, das mich glücklicher machen konnte als Fliegen. Ich hatte mich in meiner Flugbegeisterung vordienstlich entsprechend vorbereitet und den von uns verwendeten Flugzeugtyp Bü 131, dessen Reihenmotor Hirth HM 504 A-2, 105 PS (77 kW), den Fallschirm etc. bis ins Detail studiert, und war wirklich mit Haut und Haaren flugbesessen. Das einzige, was mit jedem Tag schwieriger wurde, war das zwischenmenschliche Ver­hältnis zwischen mir und Adjudant Spinnler. Ich denke, wir waren uns wahrscheinlich gegenseitig von allem Anfang an unsympathisch.

Mitte der zweiten Woche musste unsere Vierergruppe auf dem Platz draussen dem Fluglehrer unsere Aufmerksamkeit schenken, der anhand eines Schemas den Bücker-Motor erklärte, m.E. äusserst umständlich. Über dem Platz flog ein bestandener Pilot ein herrliches Akrobatikprogramm. Während der Fluglehrer seine ausserordentlich langweilige Theorie abspulte, schaute ich im Verstohlenen immer wieder dem großartigen Akrobatikprogramm am Himmel zu. Der Fluglehrer ermahn­te mich ein erstes Mal, aufzupassen. Als er mich wieder ertappte, wie ich zum Akrobatik-Programm am Himmel schielte, fauchte er mich sehr gereizt an, wenn ich denke, seine Theorie nicht nötig zu haben oder alles besser wisse, dann könne ich ja mit der Theorie weiterfahren. Ich weiss noch heute nicht, was für ein Teufel mich damals ritt, dass ich die absolut unverzeihliche, jugendliche Frechheit und Anmassung hatte, sehr trotzig zu antworten: "Ja gerne, mache ich!" Ich übernahm sofort das Wort und fuhr dort weiter, wo er unterbrochen hatte, wobei ich auch heute noch überzeugt bin, es wirklich besser gemacht zu haben als er. Ich bin mir aber auch voll bewusst, weder vorher noch nachher in meinem Leben je so überheblich gewesen zu sein, denn dies war und ist doch normalerweise überhaupt nicht meine Art. Mein Verhalten war unverzeihlich und ich sollte dafür einen sehr, sehr hohen Preis bezahlen…

Von jetzt ab wurde für mich der VSP psychisch zur Hölle, da mir der Fluglehrer meine Überheblichkeit mit Zins und Zinseszinsen zurückzahlte, mich dauernd nicht nur korrigierte, sondern mich vor meinen Kollegen möglichst dumm hinstellte usw. Ich besass ja bereits das Segelflugbrevet und hatte tatsächlich etwas Mühe mit der Umstellung vom gutmütigen Segelflugzeug auf den viel nervöseren Bücker. Das beschäftigte mich schon vor diesem Zwischenfall und hatte mich etwas nervös gemacht. Adjudant Spinnler beurteilte nach diesem Zwischenfall mein fliegerisches Können logischerweise wesentlich strenger als jenes meiner Kollegen und seine Toleranz ging bei mir gegen Null. So wie er ihnen kollegial half, ihre Fehler zu korrigieren, stampfte er mich schonungslos ein. Ab diesem unglücklichen Moment mit meinem lockeren Maul konnte ich praktisch nichts mehr recht machen. Dabei hatte ich sogar für sein Verhalten ein gewisses Verständnis, denn ich hatte ihn ja wirklich beleidigt und versuchte mich zu entschuldigen. Aber alles nützte nichts! Sein Ziel war offensichtlich, mich möglichst schnell auszumustern. Meine Qualifikationen wurden von Flug zu Flug vernichtender und ich wurde von Tag zu Tag nervöser. Ich sah klar kommen, wie sich mein grosser Traum vom Fliegen langsam, aber sicher in Luft auflöste. Zu guter Letzt schickte er mich auch noch als ersten unserer Vierer-Gruppe zum Prüfungsflug, obwohl er meine Kollegen besser qualifiziert hatte als mich. Es war völlig klar, er wollte mich wirklich möglichst schnell zurück in die Verlegung der RS abschieben, mich, der ihn vor der Gruppe derart gedemütigt hatte.

Am Tag meines Prüfungsflugs fand im VSP auch noch der Besuch von Oberst­divisionär Primault, dem Chef Flieger und Flab statt. Ob er bereits von meiner wackligen Situation wusste? Beim Start eines Kollegen kauerte ich am Boden und füllte auf dem Startbrett das Startformular aus, als mich jemand hinter mir fragte, was ich täte. Ich dachte, es sei ein Kollege einer anderen Gruppe und antwortete, ohne aufzusehen in meiner zwangsläufig eher getrübten Stimmung: „Blöde Frage! Startbrett ausfüllen, siehst Du das nicht selbst“? Nach einer kurzen Pause schrie jemand hinter mir: „Können Sie sich auch anmelden?“ Als ich mich umschaute, stand der Oberstdivisionär direkt hinter mir, zusammen mit dem Schulkommandanten und dem Chef-Fluglehrer. Erschrocken fuhr ich sofort auf, schlug, wo ich gerade stand, die Absätze zusammen und meldete in Achtung-Stellung: „Herr Oberstdivisionär, Fliegersoldat Gadient beim Ausfüllen des Startformulars“. Ich stand dabei aber viel zu nahe bei ihm, denn ich hätte ge­mäss Reglement zurücktreten und 3 Meter Abstand nehmen müssen. Nun schrie er mich nochmals an: „Wieso kommen Sie nicht noch etwas näher und klopfen mir auch noch auf den Bauch? Melden Sie sich ab!“ Nach meiner Abmeldung entfernte sich die Gruppe, ohne ein vernünftiges Wort mit mir gesprochen zu haben. Ob der Divisionär wohl schon über meine Qualifikationen im Bild war? Also kam zu allem fliegerischen Ungemach auch noch das!

Und dann kam Mitte der dritten Woche der Prüfungsflug mit dem Cheffluglehrer, der eigentlich positiver verlief als alle Flüge mit dem Fluglehrer davor, aber dann leider kurz vor der Landung beinahe mit einem Crash endete. Nur durch das energische Eingreifen des Fluglehrers mit „Kohle Schaufeln“ flogen wir nicht in das grosse Haus mit Scheune östlich des Flugplatzes hinein. Mein Kollege Anderegg erzählte mir später, dass ich den Anflug aus Richtung Bellinzona viel zu früh eingeleitet und immer weiter an Höhe verloren hätte, bis unser Flugzeug vom Platz aus hinter dem grossen Haus verschwunden sei. Alle hätten sie den Atem angehalten und nur noch auf einen Knall des Aufschlages ge­wartet. Erst das Aufheulen des Motors beim „Jump“ über das Haus mit einer anschliessenden perfekten Landung hätte sie aufschnaufen lassen.

Das Haus steht auch heute noch im Jahr 2023 und ich betrachte es immer mit grosser Ehrfurcht, wenn ich mit dem Auto auf dem Weg nach Locarno dort vorbei fahre! Beim Aussteigen nach dem Prüfungsflug wusste ich bereits, dass damit mein grosser Traum, Militärpilot zu werden endgültig geplatzt war und ich weinte mich auf dem WC aus!

Wie als Entschuldigung flog Adj. Spinnler anderntags zum Abschied mit mir noch ein wunderbares Akrobatikprogramm über den Brissago Inseln, während welchem ich wieder heulte wie ein kleiner Bub, denn der "Rausschmiss" tat so unheimlich weh, wahrscheinlich vor allem, weil er nicht infolge mangelndem fliegerischem Können erfolgte, sondern weil ich ihn selbst provoziert hatte!"

Nach 2 ½ Wochen VSP wurde ich als erster der Pilotenanwärter ausgemustert und mit einem Transportgutschein per Bahn zurück zur Kompanie in die Verlegung auf den Militärflugplatz Alpnach geschickt.

Rekrutenschule dritter Teil: Verlegung Alpnach uns Schluss
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14.5.  Militärische Karriere – Rekrutenschule dritter Teil: Verlegung Alpnach uns Schluss .

14.5 1954 Rekrutenschule dritter Teil: Verlegung Flugplatz Alpnach und Schluss

Nach 2 ½ Wochen VSP wurde ich also zurück zur Kompanie in die Verlegung auf den Militärflugplatz Alpnach geschickt. Obwohl wir als Pilotenanwärter noch immer Rekruten waren, hatten wir wie Offiziere in der Unterkunft des Militärflugplatzes Magadino in Viererzimmern, mit Dusche und allem Komfort gewohnt. In der Kantine wurden wir am Tisch von WK-Soldaten bedient! Ab sofort musste ich mich in der Verlegung wieder möglichst rasch daran gewöhnen, auf die tägliche Dusche zu verzichten und die Morgentoilette bei jedem Wetter draussen im Freien am grossen Trog mit kaltem Wasser zu machen! Dann musste ich wieder mit Gamelle und Feldflasche Essen und Trinken fassen, irgendwo im Freien, am Boden hockend, essen und anschliessend wieder selbst abwaschen! Ich musste wieder in stickigen und stinkenden Baracken auf Stroh mit etwa 30 anderen Kameraden schlafen und täglich im Inneren Dienst die Ausrüstung wieder selbst vom Dreck des Tages reinigen. So mutierte ich vom stolzen Pilotenanwärter wieder zum gewöhnlichen Rekruten! Der Unterschied hätte kaum grösser sein können! Es war für mich auch kein grosser Trost, dass ausser Jürg Anderegg und Kurt Eggenberger in den nächsten Tagen die übrigen St. Galler-Kollegen auch zum gewöhnlichen Fussvolk nach Alpnach zurückkehrten, da auch sie den VSP nicht bestanden hatten.

Zum ersten Mal in meinen bisherigen 21 Jahren erlebte ich nun, dass etwas nicht so lief, wie ich es im Kopf gehabt hatte. Es war neu, absolut ungewohnt, tat weh, und dies ausgerechnet jetzt, beim Anstreben eines für mich so wichtigen Ziels. Man hatte mich hinausgeworfen, und dies erst noch infolge eigenen Verschuldens. Das war eine richtige Zäsur und ich schlitterte damit auch in eine erste, grössere persönliche Krise hinein.

Diese Krise manifestierte sich darin, dass ich mich gegen jede Weiterausbildung zum Unteroffizier vehement zur Wehr setzte, ja praktisch Obstruktion dagegen machte. Das war aber schwierig, da der Unteroffiziers-Vorschlag bereits im Dienstbüchlein eingetragen war, denn dieser Vorschlag war Voraussetzung gewesen, überhaupt für den VSP vorgeschlagen zu werden. Ich wollte jetzt aber nicht mehr. Bewusst provozierte ich deshalb als Rollwart sogar einen Straffall mit dem Kompanie - Instruktor Major Joel Racine, aber alles nützte nichts.

Ich schob dann die Unteroffiziersschule wenigstens um ein Jahr hinaus, denn in meiner Krise konnte und wollte ich wirklich nicht sofort wieder in den Militärdienst einrücken. Mit der Zeit bewirkte dann mein Militärflieger-Schwager Ruedi bei mir einen Gesinnungs­Umschwung: Er überzeugte mich, ein Jahr später doch noch in die Unteroffiziersschule einzurücken, aber "mit dem klaren Ziel, Offizier zu werden, da die Offiziersausbildung praktisch eine unentgeltliche Grundstufe der Managementausbildung wäre"…

Das Verarbeiten dieser ersten, grossen Niederlage im Leben kratzte bei mir schon stark am Lack, denn ich hatte nicht sachlich oder technisch versagt, sondern charakterlich, psychologisch. Ich wurde unsicher! Ein Lichtblick war in der letzten Rekrutenschul-Woche ein mehrseitiger, eng maschinengeschriebener Brief von meiner Schwester Lisbeth, die meinen äusserst trüben Seelenzustand erahnte und mich für die Rückkehr aus der RS und für den Beginn des Maschineningenieurstudiums an der ETH "moralisch aufrüstete". Es war ein grossartiger Brief, von einer menschlich einzigartigen Schwester, den ich dann jahrelang aufbewahrte, der aber trotz aufwändigem Suchen leider verschollen blieb.

1955 Unteroffiziersschule und Abverdienen
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14.6.  Militärische Karriere – 1955 Unteroffiziersschule und Abverdienen.

14.6 1955 Unteroffiziersschule und Abverdienen, Militärflugplätze Payerne und Meiringen

Die Schwierigkeit mit der militärischen Weiterausbildung für uns Studenten lag jeweils darin, dass man ca. 3-4 Wochen vor dem Ende eines Semesters einrücken musste und am Schluss des Militärdienstes erst wieder 3-4 Wochen nach Semesterbeginn zurückkam. Da es damals praktisch noch keine gedruckte Vorlesungen gab, musste jeweils ein Kollege die Vorlesungen mit Kohlepapier durchschreiben. Bei mir tat dies meistens Edwin Somm, der spätere BBC- und ABB-Chef. Prüfungen vorzubereiten mit solchen, handgeschriebenen und kopierten Vorlesungen war dann ausserordentlich problematisch und schwierig. Trotzdem taten dies die meisten von uns und nahmen dies zwangsläufig in Kauf!

Nach dem abgeschlossenen, total 9-monatigen Werkstatt-Praktikum und nachdem ich die ersten 2 Semestern an der ETH hinter mir hatte, rückte ich dann also im Sommer 1955 doch noch in die Unteroffiziersschule und zum Abverdienen nach Payerne ein. Diese 21 Wochen mit Verlegung in Meiringen gingen ohne grössere Turbulenzen über die Bühne, trotz einem sehr schwierigen Zugführer. Unser Schulkommandant war Major Wetter, der Buchautor und spätere Waffenchef. Mein Kompaniekommandant war ein Oblt Hügli. In ihm hatte ich einen hervorragenden Kommandanten, der die Spannungen und Differenzen mit meinem Zugführer verstand und mir oft darüber hinweghalf. Scheinbar hatte ich aus dem Vorfall im VSP die notwendigen Lehren gezogen, denn ich kam trotz dieser nicht sehr glücklichen Konstellation ohne ernsthaftere Konfrontationen über die Runden. Auch erhielt ich anfangs Verlegung vom Schulkommandanten auf einem Flugzeugunterstand des Militärflugplatzes Meiringen den angestrebten Offiziersvorschlag A, um welchen ich allerdings hart hatte kämpfen müssen: Einerseits war die Konkurrenz gross, andrerseits hatte ich meinen Zugführer gegen mich, und dann war auch noch der am Schluss meiner Rekrutenschule von mir provozierte Straffall  ein grosser "Tolggen" im Reinheft.       

Aber dieses Kämpfen musste ja auch einmal gelernt sein, bisher war immer alles so einfach gelaufen, wie ich es mir im Kopf vorgestellt hatte! Für einmal durfte ich auch noch 4 Wochen vor Ende der Rekrutenschule mit dem A-Vorschlag nach Hause und kam damit für einmal ohne Zeitverzug ins Semester.

1957 Offiziersschule
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14.7.  Militärische Karriere – 1957 Offiziersschule.

14.7 1957 Offiziersschule, primär auf dem Militärflugplatz Dübendorf

Im Jahr 1956 hatte ich keinen Militärdienst geleistet, dafür im Frühling das erste, und im Herbst das zweite Vordiplom als Maschineningenieur an der ETH erfolgreich bestanden. Ich war in der Zwischenzeit sicher selbstbewusster, in Anbetracht des Vorfalls im VSP aber auch beherrschter, kontrollierter geworden.

In dieser optimalen mentalen Verfassung rückte ich nach einem wiederum verkürzten Semester im Sommer 1957 in den zusammen 21 Wochen dauernden Spezialkurs und Offiziersschule der Flieger- und Flabtruppen nach Dübendorf ein. Ich wusste nur, dass André Jordi v/o Ikarus mit mir in die Fliegerbodenklasse einrückte, ein ehemaliger Spefux von mir in der Studentenverbindung KTV und jetzt auch Student an der ETH. Meine Freunde und Studienkollegen Jürg Anderegg, Kurt Eggenberger und Marcel Münch rückten in die gleiche Schule ein, diese allerdings in die Pilotenklasse.
In unserer "Boden"-Klasse lernte ich aber neue Leute kennen, mit denen ich mich teilweise zeitlebens verbunden fühlte: So unter anderen ETH-Chemiker Hugo Strickler, ETH-Betriebsingenieur Oskar Blöchlinger und ETH-Bauingenieur Ernst Joos, alle auch noch Studenten, dann Instr Of Urs Bender, später Divisionär, dessem Sohn Markus ich während der OS Götti wurde, dann Masch Ing HTL Heinz Bart, später mein Mitarbeiter und Nachfolger bei der SWISSAIR und Masch Ing HTL Roger Kunz, den ich auf dem Flugplatz in Sion wieder treffen sollte.
In Hptm Hügli, meinem ehemaligen Kompaniekommandanten beim UO-Abverdienen, hatten wir einen wunderbaren und verständnisvollen Klassenlehrer. Dazu kam Adj Nell als technischer Adjudant und Fachvorgesetzter, ein urchiger Urner, technisch versiert und als Mensch ebenfalls untadelig, gerade, offen und ehrlich. Von den 18 Offiziersanwärtern in unserer Klasse waren sechs von uns Studenten in höheren Semestern der ETH, welche von Adj Nell zwar immer despektierlich als „Poly-Brüeder“ betitelt wurden (allerdings mit Augenzwinkern), von denen er immer etwas mehr als von den anderen erwartete aber auch verlangte. Fünf Kameraden waren Romands, davon freundete ich mich neben Roger Kunz vor allem mit Alain Borner an, dem späteren Genfer Regierungsrat, übrigens Sohn von SWISSAIR-Flug­ka­pi­tän Borner.

Wir hatten einen unheimlich guten Klassengeist, und im gruppendynamischen Prozess um die Figur des Leithammels lernte ich hier ausgezeichnet, mein Verhalten der Situation anzupassen, und nur dann vorzupreschen, wenn es die Situation erlaubte und die Konstellation günstig war. Ein Schock für uns alle in der Klasse war, als ein Kamerad wegen ungenügender Leistung nach einigen Wochen nach Hause geschickt wurde.

Wegen der asiatischen Grippe lagen plötzlich mehr als 50% der Schule krank im Bett. Von unserer Klasse waren es aber nur vier, sodass man den gesunden Teil unserer Klasse in eine Baracke bei der Halle 8 auf den Flugplatz in Quarantäne verlegte, ungefähr dort, wo heute das Airforce-Center und -Museum steht. Dort waren wir weitab jeder Zivilisation, absolut nur für uns, niemand konnte uns hören, auch nicht nachts, wenn wir jeweils nach der Polizeistunde noch weiter feierten, oder mit unseren Velos mit grossem Anlauf versuchten, über die Spitze der grossen Kohlehaufen des Flugplatzes zu fahren. Diese Kohlehaufen waren dort seit dem Krieg als Kohlenreserve geblieben! Man kann sich vorstellen, wie wir und unsere Bekleidung danach aussehen.

Der Hilfsarzt der Schule, ein junger Leutnant, hatte uns verständnisvoll geraten, als Prophylaxe gegen die asiatische Grippe jeden Tag abends einen Schnaps zu trinken, was wir natürlich sofort folgsam und sehr gerne in die Tat umsetzten. Wir spezialisierten uns auf Williams, aber meistens blieb es dann leider nicht beim empfohlenen einen Glas! Schlussendlich war praktisch in allen Restaurants von Dübendorf kein Williams mehr zu haben. Wir hatten ihn tatsächlich ausgetrunken.

Nach einem derart ausserordentlich fröhlichen Abend waren wir bereits zu Bett gegangen, als Alarm ausgelöst wurde: Unser Klassenlehrer schickte uns auf einen Einzel-Patrouillenlauf. Am dritten oder vierten Posten bekamen wir ein Azimut und eine Distanz, um den nächsten Poste zu finden. Normalerweise hätte man dies auf der Karte eingezeichnet und so den Posten bestimmt. In meinem duseligen Kopf aber nahm ich den Kompass, suchte das Azimut und lief in Richtung des angegebenen Azimuts davon. Wenig später kam ich in einem Wald an einen Maschendrahtzaun mit etwas Stacheldraht am oberen Ende. Es blieb mir keine Wahl: Da musste ich drüber. Leider kam aber relativ schnell nochmals wieder ein gleicher Zaun: Da leuchtete es mir ein, ich war über den Absperrzaun eines damals noch überall vorzufindenden, militärischen Materialdepot gestiegen und war nun darin gefangen. Inzwischen hatte ich jedoch jegliche Orientierung verloren, und musste jedoch wieder nach aussen klettern. Missmutig suchte ich den Waldrand auf, und bemerkte glücklicherweise eine andere militärische Patrouille und näherte mich ihnen. Es war eine Patrouille einer Flab-Klasse, die mir meinen genauen Standort angeben konnten. Niedergeschlagen begab ich mich von dort zurück in die Aspiranten Kaserne, wo ich das Ziel wusste. Als ich dort ankam, war ich der erste. Zufällig gab es nach dem Posten mit Azimut und Distanz nur noch blinde Posten, die ich jedoch alle nicht abgelaufen hatte. Darum war ich der erste, der zurückkam, und ich gewnn diesen patrouillenlauf. Niemand konnte verstehen, wie ich den Parcours so schnell absolviert haben könnte, umso mehr, als einige mitangesehen hatten, wie ich mit dem Kompass in der Hand in der Azimut-Richtung davon gelaufen war...  

In der Halle 8 durften wir den dort immer noch festgehaltenen, ersten serienmässig hergestellten Düsenjäger des 2. Weltkrieges bewundern, die Messerschmidt Me 262. Es war ein unheimlich elegantes Flugzeug mit dem etwas dreieckigen Rumpf und den zwei Triebwerken an den Flügeln. Das Flugzeug wurde schliesslich viel später dem deutschen Museum in München übergeben, wo ich es später wieder mehrmals gesehen habe.

Der 100 Km Marsch musste seinerzeit wegen der asiatischen Grippe abgesagt werden. Für die Piloten- und Flieger-Boden-Klasse wurde er dann ziemlich am Schluss der Offiziers - Schule doch noch durchgeführt, und zwar als Strafe für „nächtliches unflätiges Verhalten“ bei einem Besuch des Flab-Schiessens in Schanfs, Wir nahmen den Marsch als Strafe aber nicht mehr besonders ernst, da wir physisch recht gut trainiert waren. Nach einer unter uns Fliegern inoffiziellen Rangliste sollte jene Patrouille als interner Sieger gelten, die vom Marsch am meisten Kassabons von Restaurants zurückbrachte. Den Vogel schoss dann aber eine Pilotenpatrouille ab, die neben verschiedenen Kassabons auch noch Bahnbillete für eine Strecke im Tösstal vorlegen konnte, die sie per SBB zurückgelegt hatten. Damit wurden sie die unangefochtenen, moralischen Sieger.

Wir folgten zwischendurch unserer Pilotenklasse durch die Schweiz und stellten für sie den Flugbetrieb sicher, wobei einer immer kommandieren musste. So lernten wir auch die meisten unserer damals noch aktiven Militärflugplätze kennen. Die Klasse bot Gelegenheit, tiefe Freundschaften zu schliessen, welche teilweise ein ganzes Leben lang anhielten, und in welche teilweise später auch unsere Frauen und Familien eingeschlossen wurden. Wir treffen uns auch heute noch regelmässig, seit der Pensionierung sogar jedes Jahr, wobei die Gruppe zwangsläufig langsam kleiner wird!

Gegen Ende der Schule wurden uns die Einteilungen bekannt gegeben: ich wurde in die Fl Kp 20 auf dem Feldflugplatz Mollis eingeteilt, mit welcher ich während des Studiums aber nie Dienst leistete. Mein Kompaniekommandant war ein Hptm Lindenmann, den ich später bei der SWISSAIR kennen lernen sollte, und der viel später im rgt aérod 1 sogar mein Regimentskommandant wurde, als ich Abteilungskommandant der gr aérod 4 in Sion war.             

Die Brevetierung im Hof des Landesmuseums, zu welcher auch meine Eltern angereist waren, sowie der Offiziersball im Grand Hotel Dolder bildeten ein würdiges Schlussbukett der Offiziers­schu­le.

Die 21 Wochen gingen wie im Flug vorbei. Sie forderten mich physisch selten bis zur Leistungsgrenze. Sie waren für mich aber technisch sehr interessant und vor allem führungsmässig sehr lehrreich. Es war alles in allem gesehen eine gute Zeit, streng, aber auch befriedigend und sehr oft ausserordentlich fröhlich.
Als frischgebackener, junger Leutnant bei den Flieger-Bodentruppen war ich aber immer noch nicht so wirklich glücklich, denn wenn ich jeweils meine Piloten-Kollegen Jürg Anderegg, Kurt Eggenberger oder Marcel Münch sah, trauerte ich immer wieder meiner ausgeträumten Pilotenlaufbahn nach!

1959 Abverdienen des Leutnantsgrades
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14.8.  Militärische Karriere – 1959 Abverdienen des Leutnantsgrades.

14.8 1959 Abverdienen des Leutnantsgrades

Inzwischen hatte ich Herbst 1958 mein Studium an der ETH als Maschineningenieur abgeschlossen und arbeitete seit dem 1. November 1958 bei SULZER in Winterthur in der Forschungsstelle der Dampfkesselabteilung unter Dr. Profos (dem späteren ETH Professor für Regelungstechnik).

Mit mir rückten im Juli 1959 in Payerne die Offiziersschulkameraden und ehemaligen „Poly-Brüeder“ Hugo Strickler und André Jordi ein, die anderen zwei Zugführer unserer Kompanie, Jump Bachofner aus Schaffhausen und Michel Fiaux aus Lausanne kannte ich vorher noch nicht. Mit Strickler und Jordi zusammen bildete ich dann von allem Anfang an ein extra „intensives“ Grüppchen, besonders im Ausgang. Strick­ler und ich hatten gegenüber den anderen zudem den grossen Vorteil, bereits über 26 Jahre alt zu sein, während beispielsweise Fiaux in diesem Dienst erst seinen 20.Geburtstag feierte! Es kam bei mir noch dazu, dass ich als einziger ein abgeschlossenes Studium hinter mir hatte und mir damit von meinen Vorgesetzten nicht mehr alles gefallen lassen musste.
Unser Kompanie Kom­mandant war Oblt Walo Krieg, Technischer Kaufmann, verheiratet aus Biel. Er forderte sehr viel von uns, liess uns aber auch sehr viele Freiheiten, solange wir unsere Arbeit zu seiner vollsten Zufriedenheit erledigten. Er war uns die ganze Zeit Vorgesetzter und Freund zu­gleich.
Mit uns verdiente noch ein Arzt den Hauptmannsgrad ab, ein Oblt Adam Schreiber: der spätere Leiter der Universitätsklinik Balgrist in Zürich. Er suchte sehr schnell Anschluss an die „Krieg Bande“, wie sie uns schon bald nannten, denn hier lief meistens etwas.
Neben dem Kommandanten der Reparatur Kompanie, Oblt Breu, und unserem Oblt Krieg rückte der dritte, vorgesehene Kp Kdt, nicht ein, so dass nur eine einzige, riesige Flieger-Kompanie mit gegen 180 Mann unter Oblt Krieg gebildet wurde, die in 5 Zügen organisiert und zweisprachig war. Schulkommandant war Oberstlt. Henchoz,
Kompanie - Instruktor für uns war Major Taminelli, als sein Assistent amtete als Jung-Instruktor Lt Urs Bender, ein weiterer Kollege aus unserer Offiziersschule. 

Die Erlebnisse dieser 15 Wochen in Payerne und dann vor allem der 6 Wochen Verlegung in Turtmann würden einen eigenständigen Bericht rechtfertigen, und zwar aus verschiedenen Gründen:

  • Es war der schöne und warme Jahrhundertsommer, in welchem wir erst in der 8. Woche zum ersten Mal durch Regen nass wurden!
  • Es war die erste Verlegung einer Fliegerrekrutenschule auf einem der neuen, unterirdischen Kavernen­flug­plätze der Flugwaffe.
  • Es war der erste Flugbetrieb überhaupt aus einer Kaverne heraus.
  • Wir hatten in unserer Kompanie ein hervorragend harmonierendes Kader, und eine verschworene Offiziersgruppe, welche nicht nur bei der Arbeit Höchstleistungen anstrebte, sondern auch die Freizeit voll auskostete. Ich muss zugeben, dass für uns der gemütliche Teil neben allem Militärischen eine fast gleich wichtige Rolle spielte.

Vieles aus dem Abschnitt „Abverdienen des Leutnantsgrades“ im Jahrhundertsommer 1959, zusammen mit einigen späteren Episoden auf dem Militärflugplatz Buochs und Sion müssten in einer Biographie eigentlich eher unter „Jugendsünden“ figurieren.
Die Soldatische Ausbildung und der der Technische Dienst bedeutete für uns "currant normal".

Im Folgenden möchte icheinige Anekdoten aus dem Freizeitbereich festhalten:

  • Wenn uns der halbstündige Marsch zur Stadt in den Ausgang zu viel war, blieben wir in der Offiziersmesse der Fliegerkaserne. Sie hatten da einen guten, relativ günstigen Weisswein aus dem Lavaux in Literflaschen, den „Commune de Payerne“. Ferner standen da ein Töggelikasten, ein Billardtisch und ein Grammophonmöbel mit unzähligen Platten und es gab auch eine Bar. Frau Schmutz leitete die Messe souverän und hatte viel Verständnis für uns, zum Glück auch viel Erfahrung im Umgang mit jungen, übermütigen Leutnants, die permanent Flausen im Kopf hatten. Weniger gemütlich und viel empfindlicher war ihre Stellvertreterin, die grosse und hagere Lydia, welche abends die Bar betreute, den Charme eines eiser­nen Kasernenbettes ausstrahlte, absolut keinen Spass verstand und beim kleinsten, unzüchtigen Wort blitzartig das Lokal verliess und uns nicht mehr bedienen wollte. Als sie dann aber merkte, dass uns dies absolut egal war und wir jeweils an der Bar sofort auf Selbstbedienung umstellten, blieb sie dann wieder, telefonierte aber jeweils in ihrer Verzweiflung Frau Schmutz, die aber oftmals auf unserer Seite stand.
  • Als Hugo Strickler, Adam Schreiber und ich einmal nicht wussten, was wir trinken wollten, em­pfahl Lydia uns einen „Cordial“; das sei das Lieblingsgetränk von Herrn Oberstbrigadier XY. Also versuchten wir diesen Likör einmal, der einen sehr speziellen, kaum definierbaren Geschmack hatte. Auf ihre Frage, ob uns der Likör schmecke, leerte Adam Schreiber diesen demonstrativ in den Ausguss der Bar und antwortete, dass bei ihm im Spital der Wurmsirup genauso schmecke, was Lydia sehr kränkte.
  • Eines Abends, bereits sehr fröhlich und zu allerhand Dummheiten aufgelegt, wollten wir in der Messe Musik hören und studierten die Plattensammlung. Man hatte uns gesagt, die stamme noch aus dem Aktivdienst. Es handelte sich praktisch ausschliesslich um Militärmärsche, viele aus Deutschland. Das war nun aber etwas, was wir hier wirklich nicht hören wollten. Also bildeten wir ein "Zerstörungs-Detache­ment", welches sofort die Arbeit aufzunehmen hatte: So legte ich jeweils eine Platte auf, liess sie auf dem Grammophon spielen und fragte in die Runde, ob der Marsch gefalle. Bei einem „Nein“, und es waren in der Folge ausnahmslos „Neins“, nahm ich die Platte sofort vom Teller und reichte sie André Jordi, welcher jede Platte noch sauber reinigte und dann auf dem Boden zügig in Richtung Billardtisch rollte. Dort stand in seiner ganzen Grösse Hugo Strickler, einen Billardstock mit dem dünnen Teil wie einen Baseballschläger in der Hand haltend, holte jeweils kurz aus und zog den Stock mit vollem Swing auf jede der anrollenden Platten durch und zertrümmerte sie in kleinste Teile. Es waren Platten der Sammlung, die so das Zeitliche segneten. Anschliessend ging es ohne Wenn und Aber ans Saubermachen, wie immer nach Dummheiten.
  • Wenn wir jeweils wieder aufräumten und allfällig angerichteten Schaden beglichen, durften wir erstaunlich viel anstellen, solange nur der Schulkommandant davon nichts erfuhr. Im Fall der Plattensammlung hat glücklicherweise nie jemand gemerkt, dass diese eine empfindliche Reduktion erfahren hatte. Das war nicht verwunderlich, da in der Messe ja auch kein Mensch Marschmusik hör­te!
  • Ausser dass wir gelegentlich die Offiziersmesse unsicher machten, gingen wir sehr gern und oft in den Ausgang. Meistens schliefen wir zuerst nach dem Hauptverlesen bis ca. 21’30 Uhr. Dann machten sich meistens alle Zugführer mit unserem Kadi Walo Krieg auf den Marsch in die Stadt. Um diese Zeit waren die Rekruten bereits eingerückt und nur noch hie und da einzelne Uof anzutreffen. Nachts im Städtchen Payerne war unsere Hauptwirkungsstätte ab ca. 23’00 Uhr der 1. Stock des Café Central, damals ein beliebtes Dancing und Bar. Was wir dort alles anstellten, ist unbeschreiblich. Der Wirt hiess Max, wusste scheinbar unsere Konsumationen sehr zu schätzen und brachte uns oft mit seinem grossen Alpha Romeo in die Kaserne zurück. Auch nach Jahren konnte man Im Gästebuch unser unsägliches Wirken nachverfolgen:
  • Adam Schreiber hatte beispielsweise im Ausgang immer eine Klistierspritze mit dabei, um plötzlich, auf grosse Distanz und mit grosser Treffsicherheit, gewisse unsympathische Leute im Lokal mit einem Stoss Bier zu beglücken, was ich mit einer Zeichnung im Gästebuch verewigte.
  • Einmal hatte unsere Intensivgruppe im Central in fröhlicher Stimmung eine StaubsaugerReisende namens Claire kennen gelernt, die nicht nur hübsch, sondern auch noch geistreich war und mit der man wahrscheinlich hätte Pferde stehlen können. Wir neckten uns und lachten viel. Claire wollte sich partout für den nächsten Abend mit mir verabreden. Wieso ausgerechnet mit mir, verstand ich zwar nicht, aber ich sagte schlussendlich zu. Anderntags war es mir gar nicht ums Ausgehen, aber mein Freund Hugo Strickler anerbot sich selbstlos, das "Projekt Claire" zu übernehmen. Er kam dann erst kurz vor Tagesanbruch zurück, schwärmte richtiggehend von Claire, und kreierte das Bonmot: „Was für eine Claire? Eine Strick-laire!“ Aus diesem einen Abend gab es schliesslich für ihn ein Geschleik, welches über das ganze Abverdienen anhielt! Ich traf Claire erst gegen Ende des Abverdienens wieder einmal im Wallis, als sie Hugo besuchen kam. Sie war von Hugo absolut begeistert, vor allem von seiner Unberechenbarkeit. So erzählte sie von einem Wochenende im Berner Oberland, abends im Bett, da wäre Hugo plötzlich aus den Bett geschossen, hätte sich vollständig ausgerüstet mit Hose, Veston, Gurt, Dolch und Mütze, hätte sich in eine Ecke des Zimmers be­geb­en und in Achtungstellung salutiert, hätte sich dann sofort wieder abgezogen und wäre wieder zu ihr ins Bett gekommen. Erst da hätte sie bemerkt, dass in der Ecke des Zimmers ein Foto von General Guisan gehangen hätte…
  • Der Wirt vom Central hatte uns wieder einmal in die Kaserne zurückgebracht, gerade noch rechtzeitig gegen 4 Uhr zu einem Alarm. Mit Schrecken stellten wir nach der Alarmierung fest, dass unser Kollege Lt André Jordi fehlte. Es war glücklicherweise noch dunkel.  Beim Antreten im Kasernenhof in Hauptverlesen-Formation teilten wir unauffällig Jordis Zug auf die übrigen Deutschschweizerzüge auf. Ausser unserem Kadi Oblt Krieg sowie unseren Uof und Saldaten bemerkte im künstlichen Licht des Kasernenhofs vorläufig niemand seine Absenz. Beim anschliessenden Exerzieren in der Morgendämmerung blieb ich mit meinem Zug immer in der Nähe des Eingangs zum Kasernenhof, um bereit zu sein, mich mit dem Zug auf die Strasse hinauszuverschieben, wenn allenfalls Max mit dem Auto André zurückbringen würde. Max hatte nämlich die Gewohnheit, mit quietschenden Pneus in den Kasernenhof hineinzudonnern. Und wirklich, plötzlich hörte ich auf der Strasse den hochtourigen Motor von Max’s Alpha Romeo daher brausen, machte eine Besammlung auf der Strasse draussen, sodass Max uns im Lichtkegel sah und rechtzeitig abbremsen konnte. André stieg in einer Bombenstimmung aus, verabschiedete sich lautstark dankend von Max und verstand selbstverständlich die Welt überhaupt nicht mehr, als er in der Dämmerung meinen Zug sah und ich ihn sofort beim Arm nahm und zur Ruhe mahnte. Er erzählte, dass er uns plötzlich verloren, dann aber nochmals gehörig mit einigen Gästen gefeiert hätte. Ich hatte inzwischen meinen Zug einem Uof übergeben und versuchte, André heimlich ins Zimmer zu befördern, ohne Schulkommandant oder Kompanieinstruktor zu begegnen, die glücklicherweise im Moment gerade hinter der Kaserne bei der anderen Kompanie waren, was auch gelang. Ich half ihm rasch beim Ausziehen, stellte ihn unter die Dusche und fand unbemerkt zu meinem exerzierenden Zug zurück. Der Alarm wurde dann bald aufgehoben und man ging zur normalen Tagesordnung über, wo André wieder ganz normal seinen still lächelnden Zug übernahm.
  • Zwei Jahre vorher, in der Offiziersschule, hatte uns der damalige Klassenlehrer Hptm Hügli von einer Seeschlacht auf dem Brienzersee erzählt, wo sich in einem Doppel TK je eine Staffel der Militärflugplätze Meiringen und Interlaken, verstärkt durch Offiziere der Flugplatzabteilungen, auf zwei Brienzersee-Dampfern mit Feuerwerk eine Seeschlacht geliefert hätten. Dies erzählten wir an einem dieser gloriosen Abende im Central auch unserem Kadi Walo Krieg. Am folgenden Morgen gab er dem Fourier den Befehl, beim Einrücken vom nächsten Wochenendurlaub 100 Feuerwerks-Raketen samt Rechnung in den Dienst mitzubringen. In derselben Sonntagnacht wurden nach dem Einrücken um Mitternacht erste Schiessversuche mit diesen Raketen angestellt, und zwar im Gang vor unseren Zimmern im 2. Stock des Offiziers - Trakt der Fliegerkaserne. Wir öffneten ein kleines Fenster am Ende des Korridors auf der Stirnseite der Kaserne zur Broye hin, stellten uns am anderen Ende des Korridors beim Durchgang zur Mannschaftskaserne auf die erste Treppenstufe und begannen, mit den Raketen das Fensterchen anzuvisieren, wobei wir die Raketen aus der Hand zündeten. Die ersten Raketen trafen das offene Fenster selbstverständlich bei weitem nicht, zisch­ten nach dem Aufprall am geschlossenen Fensterteil unkontrolliert am Boden herum und explodierten dann mit einem Blitz und ohrenbetäubenden Knall. Ich sehe heute noch, wie die Raketen in Bündeln zu 10 Stück verpackt waren, ein weisses Band drum herum mit der Beschriftung: „10 Feuerwerksraketen mit Blitzknall B“, was immer „B“ auch heissen mochte. Mit der Zeit merkten wir, dass wir Handschuhe tragend nach dem Zünden der Raketen diese zum Zielen länger in der Hand behalten konnten. Wenn sie beim Loslassen bereits den vollen Ausstoss hatten, erreichten wir schliesslich eine erstaunlich hohe Treffererwartung. In der Mitte des Korridors war das Gästezimmer der Offizierskaserne mit einer gepolsterten und damit schallschluckenden Tür. Als wir bereits etwa zwei Bund Raketen verschossen hatten und die mitternächtliche Schiessübung immer noch andauerte, sahen wir im Pulverrauch plötzlich jemanden im Pyjama einen Mantel an die Garderobehacken neben dieser gepolsterten Türe hängen. Als wir nachsahen war es ein Ledermantel mit den Gradabzeichen eines Obersten, und wir brachen das Raketenschiessen sofort ab. Wir lernten schnell, dass das Schallschluckelement an der Gästezimmertüre für solche Übungen scheinbar ungenügend war.
  • Am nächsten Morgen begann das Warten auf die Reaktion des Schulkommandanten, der aber gutgelaunt in der Messe neben uns mit besagtem Obersten das Frühstück einnahm, ohne dass etwas passierte. Das Warten auf ev. Strafen dauerte wie üblich ein paar Tage. Wenn bis dann aber nichts passierte, nahmen wir jeweils bereits wieder ein nächstes Projekt in Angriff.
  • Und so war es auch, als eines Abends spät nach unserer Heimkehr, während der Kompaniewache der anderen Kompanie, einer von uns im Korridor vor unseren Zimmern der Offizierskaserne dem Kadi das Wendrohr mit dem Schlauch der Kasernen-Feuerlöschanlage in die Hand drückte, und zu einem anderen Kollegen sagte, er wäre sicher zu feige, das Wasser voll aufzudrehen. Dieser drehte aber sofort voll auf, und unser Kadi konnte mit dem plötzlich voll spritzenden Wendrohr nur noch durch den Korridor zum WC rennen und dort den Wasserstrahl zum offenen Fenster hinaus in die Nacht richten, wo er aber unglücklicherweise gerade einen der wachthabenden Rekruten vollständig durchnässte. Dieser glaubte, eine Alarmübung habe begonnen und schrie, ohne zu zögern, aus Leibeskräften „Wache heraus!“, sodass sofort Alarm ausgelöst wurde. Unser Kadi entschuldigte uns dann bei der anderen Kompanie und brachte alles wieder in Ordnung. Wir aber mussten in der Kaserne etwa 2 Stunden lang mit Kübeln und Putzlappen Wasser aufnehmen, das wasserfallähnlich das Treppenhaus hinunter bis in den Keller geflossen war. Wieder warteten wir auf eine Schelte, und wieder passierte glücklicherweise nichts.
  • Um auf das gezielte Schiessen von Raketen „mit Blitzknall B“ zurückzukommen: Die grösste derartige Übung fand später nachts im Wald oberhalb Morans statt, wo wir bei prächtigstem Wetter eine ganze Woche im Biwak lebten und von wo aus wir uns jeweils zum Flugdienst auf den Flugplatz begaben. Im Wald griffen wir mit unseren Raketen die Offiziere der Kompanie Breu an. Eines Abends traf mich eine explodierende Rakete unglücklicherweise an der Schläfe, sodass ich eine kleine Verletzung davontrug und sichtbare Ver­brennungs­spu­ren erkennbar waren. Gleichzeitig verletzte sich der Feldweibel mit einem explodierenden Rebberg-Kracher an der Hand, mit welchem er uns Zugführern Konkurrenz machen wollte, und verletzte sich ebenso. Unser Tessiner Kompanie-Instruktor Major Taminelli hörte davon via Krankenzimmer, wo man uns verarztet hatte, befahl sofort Offiziere und höhere Unteroffiziere zu sich und sprach uns in die Seele: „Hören Sie auf mit die verdammte Petarde. Jetzt ist genug! Feldweibel verletzt, Leutnant beinahe Auge verloren! Jetzt ixt definitiv Schluss mit die verdammte Petarde, sonst es gibt Disziplinarverfahren“.
  • Und wir nahmen ihn ernst: Ab sofort mussten wir uns ungefährlichere Projekte ausdenken, wie eine nächtliche Spritztour auf dem Heimweg von Payerne mit einer in Gang gesetzten Strassenwalze (die übrigens als Steigerung später einmal von Piloten auf den reservierten Parkplatz des Schulkommandanten im Kasernenhof parkiert wurde), oder das Absolvieren der „Kampfbahn mit Jeep“ im Wald bei Montagny, oder das abendliche freie Fliegenlassen der Kanarienvögel im Restaurant am Pistenende in Turtmann, inklusive die nach Ausrufen der Polizeistunde einsetzenden, stundenlangen Versuche, manchmal sogar zusammen mit der Polizei, die Vögel wieder einzufangen.

Heute kaum zu glauben, dass dies alles ohne Straffälle über die Bühne ging. Mir kam es vor, wie wenn die unbeschwerte Mittelschul-Studentenzeit nochmals für 17 Wochen zurück gekehrt wäre. Ich staune heute noch, mit wie wenig Schlaf wir dannzumal noch auskamen und wie schnell auch die Promille jeweils wieder weg waren …

Ich habe am Anfang bemerkt, wir wären ein sehr gutes Kader und damit auch eine hervorragende Kompanie gewesen. Ich möchte klar festhalten, dass wir nicht nur im gemütlichen Teil vollen Einsatz zeigten, sondern auch bei der Arbeit wirklich unseren Mann stellten. In der Kasernenzeit waren wir sowohl im Technischen Dienst wie in der Soldatischen Ausbildung voll da. Im Soldatischen ist das Exerzieren speziell zu erwähnen, das damals hoch im Kurs stand. Wir übten mit unseren Zügen fast täglich, und mit unserer riesigen Kp war dann das Kompanie-Exer­zieren eine Augenweide. Oftmals war der Kasernenhof für die 180 Mann fast zu klein, um sämtliche Formationswechsel und Marschübungen durchzuspielen. Da Walo Krieg nicht allzu gerne exerzierte, durfte ich als sein Stv oft auch das Kompanieexerzieren leiten, was mir grossen Spass bereitete.

Im Buch von Werner Alex Walser "Feldgrau und SWISSAIR-Blau" wurde ich als Zugführer auf den Seiten 58/59 verewigt: Walser war Rekrut in meinem Zug, später Pilot im Überwachungsgeschwader und noch später SWISSAIR Captain. Beim Beschrieb seiner Rekrutenschule erwähnt er mich mit vollem Namen und gab mir rückblickend erstaunlich gute Qualifikationen…

Weil zur Bildung der Flug­platzabteilung während der Verlegung unserer Rekrutenschule kein abverdienender Stabskompaniekommandant da war und auf einem Kavernenflugplatz nur mit 2 Zügen der Flieger Kp und zwei Flugzeug-Reparatur Zügen gearbeitet werden kann, musste Oblt Krieg gleichzeitig Kdt Stabs Kp und Kdt Flieger Kp spielen. Dazu musste ich meinen Zug abgeben und wurde als vollamtlicher Kp Kdt-Stellvertreter eingesetzt. Dabei erledigte ich primär die organisatorischen Aufgaben eines Stabskompaniekommandanten und wurde daneben zusätzlich noch zum Werk­sicherheitsoffizier ausgebildet.

Unsere Verlegung in Turtmann war der erste Kavernen-Flugbetrieb bei den Fliegertruppen überhaupt. Wir mussten damit wert­volle Erfahrungen im Flugbetrieb und vor allem in organisatorischer Hinsicht bei der Flugzeugbereitstellung sammeln. Mit unserem überdurchschnittlichen Kader durften wir zusammen mit den Profi - Adjutant Unteroffizieren praktische Grundlagen­arbeit leisten, was den Dienst sehr interessant machte. Wir arbeiteten mit provisorischen Reglementen für den Kavernenflugbetrieb und waren gehalten, Verbesserungs- und Änderungs-vorschläge für einen sicheren und effizienten Flugbetrieb zu machen. Viele Änderungen, die wir dort vorschlugen und praktisch erprobten, fanden wir dann später in den definitiven Reglementen wieder.

Folgende kleine Anekdote aus dem Flugbetrieb möchte ich noch festhalten: Gegen Ende der Verlegung wurden einmal 4 Doppelpatrouillen Venom aus den Kavernen gezogen, angelassen und die 16 Flugzeuge rollten hintereinander auf dem Rollweg über die Staatsstrasse auf die Startbahn, wo sie in Doppelstart talaufwärts wegdonnerten. Für uns war dies damals wirklich der letzte Schrei und das Nonplusultra unserer Luftwaffe: 16 bewaffnete Kampfflugzeuge die aus dem Berg heraus innert kürzester Zeit in die Luft gebracht wurden. Es war unser ganzer Stolz und wir versuchten auch, möglichst vielen unserer AdA dieses Schauspiel zu ermöglichen!
Wenn die Flugzeuge jeweils die Staatsstrasse überquerten, wurde die Strasse durch Rollwarte gesperrt, wobei oft eine wartende Autokolonne entstand, denn es war ja immerhin die Hauptstrasse durch das Wallis, die jeweils gesperrt wurde. Vielfach handelte es sich dabei um Touristen, welche oft ausstiegen und dem Treiben zuschauten. Als eben die 16 Venoms gestartet waren, erkundigte sich ein englisch sprechender, wartender  Tourist bei Lt Hugo Strickler, was dies für ein Anlass sei, oder ob es sich um die Swiss Air Force handle. Strickler, beschlagen wie immer, antwortete mit einem müden Lächeln: „No, this isn’t the Swiss Air Force, it's my father with his private team“…

Hier in der Verlegung in Turtmann lernte ich auch die Oblt Ernst Hürzeler und Walter Meierhofer kennen, die bei uns in der Verlegung ihren Flugsicherungsoffizier abverdienten. Beide waren sowohl Militärpiloten als auch SWISSAIR Flugkapitäne, Ernst Hürzeler zudem noch Chef des SWISSAIR Operational Engineering. Er überzeugte mich nach langen Gesprächen zum beruflichen Wechsel von SULZER zur SWISSAIR. Wenn ich in der Forschung nicht absolut glücklich und an der Fliegerei immer noch so interessiert sei, müsste ich doch jetzt einen Wechsel ins Auge fassen, denn SWISSAIR suche gegenwärtig Maschineningenieure. Ich beschloss, mich aus dem Militärdienst heraus um eine Stelle bei der SWISSAIR zu bewerben (wo ich dann bald Ernst Hürzelers Sekretärin, Fischli Karpf, meine spätere Frau kennen lernen sollte).

Eine weitere Bekanntschaft aus der Zeit in Turtmann war Hptm Buchmüller, der spätere Helikopter-Verantwortliche der FF Trp. Er hatte an einem Samstag in der Verlegung im Wallis eine Alouette II von Turtmann nach Dübendorf zu fliegen und konnte neben dem Tech Fw Schenkel als Mechaniker noch einen weiteren Passagier mitnehmen. Aufgrund meiner ausserordentlichen Leistung wurde ich von der Schule dazu auserkoren. Es war ein bis heute unvergesslicher Flug: Bei einem absolut wolkenlosen Himmel und hervorragender Fernsicht flogen wir zuerst das Wallis hinauf, die Viertausender links und rechts auf Augenhöhe, dann über die Grimsel, wo ein erschrecktes Rudel Gämsen fluchtartig Reissaus nahm: Herrlich, die parallel zu unserem Flugweg fliehenden Gämsen aus dem Helikopter heraus zu beobachten, wie sie, kaum die Felsbrocken des Geröllfeldes berührend, förmlich darüber hinweg flogen! Vom Grimselpass aus ging es das Aaretal hinunter, dann über Brünig und Melchseefrutt Richtung Stanserhorn, wo wir landen wollten, weil bei der DMP in Dübendorf noch Mittag und es damit zu früh für die Landung war. Am einzig möglichen Landeplatz auf dem Stanserhorn sassen aber Touristen am Picknick und winkten uns begeistert, aber sehr bemüht, ihre Sachen im Rotorwind zusammenzuhalten, bis Hptm Buchmüller die Achseln zuckend bemerkte: „Dann gehen wir halt ein Haus weiter“ und über den Vierwaldstättersee weiter flog, um auf Rigi Kulm zu landen. Nach einem Süssmost im Restaurant, mit Wache am Helikopter, die ich mit Tech Fw Schenkel teilte, flogen wir dann weiter, so dass wir kurz nach 13‘30 Uhr in Dübendorf landeten, wo mich meine Freundin im Auto abholte. Ein grandioses Erlebnis.

Zurück am Arbeitsplatz bei SULZER musste ich aufs Personalbüro, wo man mir mitteilte, dass mein Monatslohn von 725 auf 750 Franken erhöht worden sei, da ich erfolgreich den Leutnantsgrad abverdient und jetzt Führungserfahrung hätte. So militärfreundlich war die schweizerische Maschinenindustrie damals noch

1960-1965 Wiederholungskurse als Zugführer in der Flugzeug Reparatur Kp 10
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14.9.  Militärische Karriere – 1960-1965 Wiederholungskurse als Zugführer in der Flugzeug Reparatur Kp 10.

14.9 1960-1965 Wiederholungskurse als Zugführer in der Flugzeug Reparatur Kp 10

Ich arbeitete anfangs der 60er Jahre in der Ingenieurabteilung der SWISSAIR als Dienststellenchef Triebwerk-Betrieb. Ich war für das Trouble-Shooting verantwortlich und daneben bereits Stv. Sektionschef Triebwerk-Engineering. Als junger Ingenieur mit vertiefter Ausbildung in Ver­bren­nungsmotoren und mit einer Diplomarbeit in Thermischen Turbomaschinen war ich dazu eigentlich optimal vorbereitet. Als mich Hptm Walo Krieg damals anfragte, ob ich mich in seine neu geschaffene Flugzeug-Reparatur­kom­panie 10 umteilen lassen wolle, sagte ich sofort zu: Hptm Krieg war im letzten Jahr mein Kp Kdt beim Abverdienen des Leutnantsgrades gewesen, wo ich ab der Dislokation in die Verlegung nicht mehr als Zugführer sondern als sein vollamtlicher Kp Kdt Stv eingesetzt worden war. Ich wusste von dort her, dass er mich im Technischen Dienst sehr selbständig schalten und walten liess. Scheinbar war er mit meiner Art, den Betrieb zu organisieren voll zufrieden gewesen. Ich dachte, dass ich in der Flugzeug Reparatur Kp 10 in Buochs meine Flugzeug- und Triebwerk Kenntnisse sowie meine Erfahrungen auf einem Kavernenflugplatz vom Abverdienen her bes­ser anwenden könne als in der Flieger Kompanie 20 auf dem Feldflugplatz in Mollis. Die Aufgabe in der Flz Rep Kp reizte mich zudem, weil vorgesehen war, im nächsten Jahr die Hälfte der Flz Rep Kp 10 von Venom auf Hunter umzuschulen.
Hptm Krieg erklärte mir, dass er mich deshalb frage, weil er mit einer Ausnahme sehr schwache Zugführer habe. Der Grund dafür war, dass in neu geschaffene Kom­panien von anderen Einheiten immer überzählige Zugführer abgegeben werden müssen. Dass man dabei nicht die Besten abgibt, ist auch klar! Zudem war man damals noch der verbreiteten Ansicht, dass die besten Zugführer in den Flieger Kp im Flugbetrieb nötig wären und nicht in der Reparatur Kompanie, da die Rep Kp damals sowieso fast nichts reparieren durfte, weil defekte Flugzeuge dazu jeweils an die DMP (Direktion der Militärflugplätze) zurückgeschoben werden mussten. Das sollte sich dann mit der Einführung der moderneren Flugzeugtypen Hunter und Mirage gewaltig ändern!

Nach meiner Umteilung in die Flz Rep Kp 10 holte ich bereits im Frühjahr 1961 einen während des Studiums infolge Prüfungen verschobenen WK nach: Es war der Hunter- Umschulungskurs (UK) für die Fl Kp 21 sowie die halbe Flz Rep Kp 10 unter dem Kurskommandanten Oberst Hans Giger (Hans Giger war der Götti von Vreny Brunnschweiler, der Frau meines Freundes Jack B!). Der Kurs fand auf dem sehr kalten Militär-Flugplatz Meiringen statt. Ich freute mich, das Hunter Triebwerk bereits bestens zu kennen, denn es war das gleiche wie in der Caravelle der SWISSAIR! Technisch gesehen verlief der Kurs problemlos, wobei aber beim Hunter zum ersten Mal die FEAM (Fernmelde- und Apparate-Mechaniker, wie man die späteren "Elektroniker" damals noch bezeichnete!) gefordert waren.

Als Oberst Giger erfuhr, dass ich Skat spielen würde, formulierte er in den ersten Tagen des UK noch ein zusätzliches Nebenziel des UK: Alle Offiziere sollten am Ende des UK Skat Spielen können! Oberst Giger und ich instruierten jeweils nach dem Mittagessen alle Offiziere des Kurses etwa eine halbe Stunde in diesem Kartenspiel, wobei in der Kantine, vom Volksdienst perfekt organisiert, die Jass-Teppiche bereits an leeren Tischen ausgelegt und die 6er aus dem französischen Kartenspiel entfernt sein mussten!

Alle Offiziere logierten im Hotel Bär in Meiringen. Dort legten wir eines Abends unserem Kurskommandanten, der erst nach Mitternacht von einer Sitzung in Buochs nach Meiringen zurückkehren sollte, den überlebensgrossen, geschnitzten Bär aus dem Hotel-Entrée ins Bett. Wir mussten ihn zu viert tragen, so schwer war er. Als Oberst Giger zu Bett gehen wollte, konnte er dies des Bärs wegen offensichtlich nicht, weckte kurzerhand ein paar Offiziere und befahl ihnen, den Bär wieder an seinen Platz zu stellen, ging dann seelenruhig Schlafen und sprach nie mehr davon! So elegant löste er das Problem.

Den zweiten WK im Herbst desselben Jahres absolvierte ich mit der zweiten Hälfte der Kp im normalen Aufklärer-Venom-WK zusammen mit der Fl Kp 16, wobei mir Walo Krieg das Kommando leider nicht übertragen konnte, da dieses Jahr ein alter, noch in der Kompanie eingeteilter Oberleutnant Buri dienstpflichtig war und seinen letzten WK leistete.
Bei Oblt Buri handelte es sich um einen eigenartiger Offizier alter Schule mit Aktivdienst-Erfahrung. Als wir auf einer Alp im Gefechtsschiessen nicht alle Munition verschossen hatten, liess er zwei Züge auf ein Glied aufstellen, befahl „Laden“ und dann mehrmals „Ein Schuss über das Tal, Feuer frei!“. Männiglich schüttelte den Kopf! Diesem Oblt Buri sprang ich dann auf der Talfahrt von der Alp noch in höchster Angst vom Jeep, da er ohne Gelände-gang, nur mit der Bremse wie wild ein Alpsträsschen hinunter fuhr. Die Leute nannten den Chaoten nach einem aktuellen afrikanischen Stammesfürsten nur noch „Lumum­ba“, und bei seinem Erscheinen in der Flugzeugkaverne klopften sie deshalb sofort auf leeren Flügelend-tanks der Venom die Urwaldtrommel!

Für die Beförderung zum Oberleutnant musste ich noch einen Technischen Kurs 1 bestehen. In diesem Kurs Ende November/Anfang Dezember 1962 in Dübendorf machten mit mir zusammen wieder einmal verschiedene Kollegen von unserer Offiziersschulklasse Dienst. Nostalgisch wiederholten wir eine unserer Williams-Sumpftouren aus der Grippe-OS. Scheinbar waren wir damals aber wesentlich besser geeicht, denn diese neuerliche Williams-Nacht hatte für einige von uns fatale Folgen: Für mich hatte es dann auf der Rechnung der Kaserne einen Posten „ausserordentliche Kasernenreinigung“. Es war mir sehr peinlich, meinem frisch vermählten Fischli dies beichten zu müssen! Ich tat dies schon vor meiner Rückkehr telefonisch…

Wie schon früher erwähnt, liess mir Hptm Krieg im Technischen Dienst absolut freie Hand, was ich ihm durch ausserordentliche Leistungen mit der Kp zu vergelten bestrebt war. In den zwei Wiederholungskursen 1963 und 1964 arbeiteten wir hauptsächlich in der Freizeit einen Netzplan für die grosse Kontrolle des Hunter aus. Ich hatte am Betriebswirtschaftlichen Institut der ETH eben einen der ersten Netzplankurse besucht und kannte deshalb diese neue Technik, die m. E. geradezu prädestiniert war, den Engpass der Arbeiten im Cockpit zu koordinieren (Mein Freund und Pilot Kurt Eggenberger doktorierte bei Prof. Dänzer am BWI ETH in Netzplantechnik oder CPM „Critical Path Method“, wie die Amerikaner die Netzplantechnik nannten). Ich setzte dazu auch den Zugführerkollegen Oblt. Hansjürg Schoch ein, ebenfalls ein ETH-Maschineningenieur, der einige Jahre bei Boeing in Seattle gearbeitet hatte und eben zurück in der Schweiz war. Er kannte CPM von dort her. Dieser Netzplan half uns, in den WK‘s mit dem gleichen Personal nicht nur eine sondern zwei „Grosse Kontrollen“ zu bewältigen. Die DMP wollte uns dafür zuerst nicht zwei Flugzeuge überlassen, da sie von anderen Kompanien oft halbfertige Flugzeuge, die Einzelteile in Körben zurücknehmen mussten. Als wir dann aber tatsächlich zwei Kontrollen schafften, wurde der Betriebsgruppenchef Buochs der DMP (Direktion der Militärflugplätze) auf uns aufmerksam. Wir zeigten ihm unseren Netzplan, hatten dann aber leider das Gefühl, dass man im Staatapparat kein Interesse daran hatte. Es hatte aber mindestens zur Folge, dass ich bei der Vorbereitung der bevorstehenden Mirage Umschulung auf Teilgebieten um Mitarbeit gebeten wurde, worauf ich sehr stolz war. Doch davon später.

Wir versuchten, wie ich dies früher bei der Swissair gelernt hatte, möglichst effizient und kostengünstig Flugstunden zu produzieren. Beim Venom war dies kein Problem. Beim Hunter konnte aber m. E. der Reparaturdienst nicht mehr wie bisher üblich durchgeführt werden. Die Arbeiten vor allem an den elektronischen Systemen waren hier viel zeitaufwändiger und mussten neu in einem 24 Stunden Betrieb sichergestellt werden. Das war aber etwas ganz Neues, denn bis anhin war auch bei der Rep Kp ein geordneter Tagesablauf mit Tagwache, technischem Dienst, Hauptverlesen mit anschliessendem Ausgang normal gewesen. Dieser 24 Stunden Betrieb musste von Null auf durchdacht und entsprechend organisiert werden, nicht nur die Arbeit, sondern auch die Ruhe- und Freizeit. Als nun plötzlich Leute der Rep Kp auch den Tag hindurch in Restaurants der Umgebung aufkreuzten, was bis anhin nur Offizieren (!) vorbehalten gewesen war, wirbelte dies vor allem auf Abteilungs- und Regimentsstufe ziemlich viel Staub auf und ich musste dazu viel Informationsarbeit leisten. Immer wieder musste ich unseren 24-Stunden Betrieb erklären und rechtfertigen, der damit viel effizienter geworden war. So bereitete mir der Militärdienst sichtlich Spass und grosse Befriedigung, denn es war meines Erachtens eine ausserordentlich sinnvolle Arbeit, und wir konnten sogar ausrechnen, wieviel Geld wir dem Bund in einem WK gespart hatten. Davon konnten wir deshalb auch die ganze Mannschaft überzeugen und begeistern. Für mich, inzwischen neu in der Schuhindustrie tätig, bedeutete dies überdies eine willkommene Abwechslung.

Ein wesentliche Voraussetzung zur effizienten Produktion von Flugstunden war aber die Arbeit der Kontrolleure und der Nachschub von Ersatzteilen. Darin waren wir von der DMP abhängig, die natürlich keinen 24 Stunden Betrieb kannte. In der Reparaturkompanie war in jedem Rep Zug ein Profi-Chefmechaniker eingeteilt, der zivil bei der DMP auf dem gleichen Flugzeugtyp arbeitete. Das waren bei uns Adj. von Holzen von der Betriebsgruppe Buochs für den Venom-Zug, und Adj. Wenger von der Betriebsgruppe Interlaken für den Hunter-Zug. Die Chefmechaniker mussten jeweils bei Bedarf den professionellen DMP-Kontrolleur anfordern. Hier konnte ich mit der DMP eine Vereinbarung treffen, dass bei Bedarf der Kontrolleur nicht nur zu jeder Tageszeit, sondern offiziell auch nachts angefordert werden konnte. Seine nächtliche Arbeitszeit wurde durch einen "Schichtzuschlag" abgegolten.

Beim Nachschub war es etwas komplizierter, falls ein Ersatzteil nicht im Ortsmagazin vorhanden war: Neben dem formellen Nachschubweg, der inkl. Papierkrieg aber einfach seine Zeit brauchte, „institutionalisierten“ wir mit unseren Adjudanten / Chefmechanikern einen zweiten, „schwar­zen Nachschubkanal“, über welchen per Telefon unter Kollegen sehr informell während 24 Stunden Ersatzteile bei der zuständigen Betriebsgruppe „organisiert“ werden konnten. Beim ersten Mal (Die Flugplatz Abteilung 10 absolvierte während dem Bau der neuen Piste in Buochs zwei Mal ihren WK in Meiringen!), als wir von diesem informellen Nach­schubweg Gebrauch machten, holte ich als Zugführer, zusammen mit Adj. Wen­ger, den Ersatzteil von Meiringen aus nachts höchst persönlich bei der DMP in Interlaken ab. Ich weiss dies deshalb noch so genau, weil mir Adj. Wenger an jenem Abend auf dem Heim­weg noch den Kursaal Interlaken zeigte, den ich bis anhin nicht gekannt hatte!

Es hatte sich ergeben, dass wir von der Rep Kp oft mit den Offizieren der Stabs Kp in den Ausgang gingen, so dass sich auch im militärischen Betrieb eine wunderbare Zusammenarbeit zwischen Rep Kp und Stabs Kp ergab. Diese Zusammenarbeit hatte ich vor allem mit meinem Zugführer Kollegen von der Stab Kp Hansruedi Strauss aufgebaut, ein ETH-Chemiker, den ich schon vom Studium her kannte, und welcher das Kommando über die Stabs Kp übernehmen sollte, als ich mit dem Kommando der Rep Kp liebäugelte.

Mit dem Einverständnis von Dr. André Kurz, meinem zivilen Chef in der GROWELA, meldete ich mich zur Weiterausbildung zum Kompanie Kommandanten an, wobei ich selbstverständlich das Kommando unserer Rep Kp 10 anstrebte, in die ich doch schon so viel Herzblut gesteckt hatte. Dies funktionierte dann auch. Ich erhielt von Major Kurt Trottmann, dem damaligen Abteilungskommandanten in Buochs, den Vorschlag zur Weiterausbildung.

Die Fliegertruppen hatten damals noch keine eigene Zentralschule (ZS). Deshalb erhielt ich das Aufgebot in die ZS I in wunderbarer Weise von der Grenzdivision 7, alles St. Galler und Appenzeller Truppen. Damit konnte ich mich auf viele ehemalige St. Galler Kollegen vor allem aus der Kantonsschul- Handballzeit freuen.

1963 Zentralschule I-A und Abverdienen des Hauptmannsgrades
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14.10.  Militärische Karriere – 1963 Zentralschule I-A und Abverdienen des Hauptmannsgrades.

14.10 1963 Zentralschule I-A und Abverdienen des Hauptmannsgrades

Die Zentralschule I-A fand vom 1. bis 27. Juli 1963 im Raum Neuenburg statt, für mich etwas ganz Neues: Neben all den Infanteristen und Artilleristen waren ein Sappeur mit schwarzen und ich von Flieger und Flab mit dunkelblauen Patten die Einzigen mit dunklen Patten. Die Übungen im Gelände forderten mich ziemlich, da ich so ad hoc Befehlsausgaben weniger gewohnt war und die Einsatzmöglichkeiten der Infanteriewaffen nur wenig kannte, von der Artillerie ganz zu schweigen. Aber es machte Spass und ich lernte viel. Zusammen mit meinem Bündner Sappeur, beide mit dunklen Patten, nannte man uns ab dem dritten Tag „Nachtoffiziere“, weil wir in einer Theoriestunde ohne Infanteriereglement genau wussten, wann an diesem Tag Morgengrauen war: Wir waren um diese Zeit aus einem Neuenburger „Cercle“ heimgewandert.

Die je zwei Wochen in der Festungswachtkaserne Neuenburg und der Offizierskaserne des Schlosses Collombiers mit Übungen im Jura und um den Mont Vully herum blieben mir in denkbar guter Erinnerung, vor allem auch, weil ich hier viele bekannte Gesichter aus meiner St. Galler Zeit traf, zum Teil Schulkollegen von der Kantonsschule.

Im Dezember absolvierte ich dann noch die Tech. Schule II der Fl Trp, die zur Beförderung zum Hauptmann ebenfalls nötig war.

Das Abverdienen des Hauptmannsgrades mit den 4 Monaten Payerne vom 12. Juli bis 6. November 1965 war ebenfalls wieder ein grossartiges Erlebnis. Ich bekam eine halb deutsch, halb französisch sprechende, grosse Reparatur-Kompanie, was die Führung zwar erschwerte, für meine Sprachkenntnisse aber optimal war.
Mein Kompanie - Instruktor war Oblt Fiaux, mein welscher Zugführerkollege beim Abverdienen des Lt Grades.
Mitabverdienende Kompaniekommandanten waren meine alten ETH-Studienkollegen: Für die Stabs Kp Oblt. Hansruedi Strauss, Kantons-Chemiker in Schaffhausen, für die Flieger Kp Kurt Schmid, Masch Ing. ETH bei Sulzer Webmaschinen, Für die Leicht Flieger Kp rückte Oblt Wädi Peter, ein Instruktionsoffizier und Helikopterpilot ein, den ich vorher noch nicht kannte. Hansruedi Strauss war zudem seit einigen Jahren mein guter Kollege in der Stabskompanie in Buochs, Wir alle hatten es sehr gut miteinander und halfen uns kameradschaftlich gegenseitig aus. 
Mit Oberst i Gst Ranzoni hatte ich einen eher schwierigen Schulkommandanten erwischt. Ich war ihm vorher in meinen militärischen Schulen und Kursen nie begegnet, und so suchte er den Neuen und Unbekannten gleich zu Beginn mit Einschüchterungen pflegeleicht zu striegeln. Nach einer seiner öffentlichen Schelten vor versammelter Kompanie bereits nach zwei Wochen stand ich postwendend in seinem Büro und gab ihm zu verstehen: „So nicht“! Nochmals ein solcher Vorfall und ich würde nach Hause gehen und auf den Hauptmannsgrad verzichten, denn ich hätte es wirklich nicht nötig, mich hier von ihm wie ein Schulbub behandeln zu lassen. Dies brachte ihn zur Vernunft, und abgesehen von ein paar harmlosen Scharmützeln, die er einfach nicht lassen konnte, kamen wir ab diesem Moment recht gut miteinander aus.

In der ersten Hälfte der Dienstzeit erwartete die Frau von Hansruedi Strauss ihr drittes Kind. Bei den bisherigen zwei Kindern war Strauss jedes Mal im Militärdienst gewesen und nicht mehr rechtzeitig zuhause in Schaffhausen eingetroffen, um bei der Geburt dabei zu sein. Dieses Mal wollte er es nicht verpassen. Das Kind war schon längst überfällig, und Strauss sass jeden Abend in der Offiziersmesse oder war im Bett erreichbar. Damals gab es noch kein Handy! Eines Abends hatten wir ein Fest vor mit Nachtessen und anschliessendem gemütlichem Zusammensein. Strauss fand, dass es nach den drei Wochen in der Kaserne wohl nicht gerade heute passiere, und er entschied sich mitzukommen. Und Strauss ist wahrlich kein Kind von Traurigkeit und hielt den ganzen Abend flott mit. Als wir in die Kaserne zurückkamen orientierte ihn die Wache, dass seine Frau um 22’00 Uhr angerufen habe, sie gehe jetzt zur Geburt ins Spital und ob er jetzt kommen könne. Strauss setzte sich sofort ins Auto und fuhr ab Richtung Schaffhausen, wohlverstanden damals noch ohne jede Autobahn. Kurz nach Murten hatte er das Gefühl, am Steuer einzuschlafen, fuhr auf einen Parkplatz und wollte sich ein paar Minuten ausruhen. Er wurde erst wieder durch die Sonne geweckt…. und seine Frau gebar auch das dritte gemeinsame Kind ohne ihn. 

Eine schöne Abwechslung im Dienstbetrieb bedeutete eine Woche Payerne zusammen mit meiner Frau: Als der ledige Kollege Oblt Michel Fiaux in seinen WK einrücken musste, offerierte er mir seine Wohnung in Payerne zur Benutzung durch Fischli. Während dieser Woche wohnte ich dann selbstverständlich ebenfalls dort, und wir verbrachten die Abende zusammen in der Gegend und ich rückte jeweils nach dem Frühstück rechtzeitig zum Dienstbetrieb wieder ein.

Als die Fliegerkompanien in die Verlegung fuhren, rückte auch die „Fach-Rekruten­schule in Payerne ein (das sind 6 Wochen zusätzliche, freiwillige Rekrutenschule, zu der sich angehende Flugzeugmechaniker damals verpflichten mussten!). Der dafür vorgesehene Kompaniekommandant konnte krankheitshalber nicht zum Abverdienen einrücken. So übertrug man mir zusätzlich zu meiner Reparatur Kompanie auch noch das Kommando dieser Fach-RS. Auch diese Einheit war zweisprachig, sodass ich die zwei Einheiten jeweils für das Antreten und Hauptverlesen zusammennehmen konnte. So führte ich also während 6 Wochen plötzlich 2 Einheiten und war als Oberleutnant plötzlich der ranghöchste Offizier auf dem Waffenplatz, und militärisch zusammen mit den Berufs-In­struk­tions-Unter­offi­zie­ren auf dem Flugplatz Payerne allein. Hie und da besuchte uns mehr oder weniger überraschend der Schulkommandant Oberst i Gst Ranzoni, meistens zwar eher „weniger“, weil mich jeweils meine in die Verlegung detachierten Übermittler rechtzeitig alarmierten!

Ebenfalls überraschend und per Helikopter besuchte uns ein anderes Mal unangemeldet zu einer Inspektion der Chef Fl Flab, Korpskommandant Studer, zusammen mit dem Waffenchef, Divisionär Wetter, dem Ausbildungschef Brigadier Troller und dem Stabschef Oberst Zuber. Chefmechaniker Adjudant Bommer rief mich an einem Vormittag aufgeregt im Büro der Kaserne an, ich müsste sofort auf den Flugplatz in die Halle 1 kommen, der KKdt Fl Flab wäre da. Ich fuhr mit meinem Jeep hinunter und wurde ausgedehnt befragt, und anschliessend meine Aussagen bei der Truppe verifiziert. Mit der dazu notwendigen Portion Glück kam ich an diesem Tag gross heraus und bekam nur Komplimente! Einer meiner Foto-Unteroffiziere hat aus dem ersten Stock der Halle 1 ein schönes Foto von dieser Befragung geschossen: Oblt Gadient als Chef mit einer sauberen „Zu mir Formation“ in sehr prominenter Besetzung: Ein Korpskdt, ein Divisionär, ein Brigadier und ein Oberst.

Ich muss noch eine Anekdote betr. meiner Französischkenntnisse anfügen: Am Hauptverlesen orientierte ich jeweils zweisprachig, wobei unsere camarades romands immer viel Verständnis für Sprachfehler von uns Deutschschweizern aufbrachten. Sie waren sehr fair und schon froh, wenn wir nur Französisch zu sprechen versuchten, denn die meisten von ihnen konnten weniger gut Deutsch als wir Französisch. Dementsprechend wollte ich am Hauptverlesen nach der Schluss-Inspektion unbedingt die hervorragende Beurteilung unserer Kompanie durch den Waffenchef an die Truppe weitergeben, denn ich war ausser mir vor Freude über so viel Lorbeeren. Ich orientierte also zuerst auf Deutsch, dass der Waffenchef sich sehr zufrieden über das Gesehene gezeigt hätte. Er habe der Kompanie gratuliert, sie hätte einen guten Ausbildungsstand, einen guten Ton und einen guten Geist. Bei der französischen Übersetzung sagte ich: …“Le Divisionaire nous a gratulé et s’est montré très content de..." usw. Ich hatte schon bemerkt, dass beim Wort „gratulé“ etwas Bewegung in unsere Welschen gekommen war, achtete aber nicht darauf und fuhr mit der Übersetzung weiter. Erst ganz zum Schluss meldete sich von fast zuhinterst nochmals einer, er hätte vorher etwas nicht ganz verstanden, ob ich nochmals wiederholen könne, was der Divisionär gesagt habe. Nachdem ich jetzt zum zweiten Mal das Wort „gratulé“ sagte, waren unsere Welschen nicht mehr zu halten und lachten aus allen Rohren.
Ich werde bis an mein Lebensende das Wort „féliciter“ und „gratuler“ nicht mehr ver-wechseln! 

Am Schluss der Rekrutenschule wollte ich noch mit einem Donnerschlag einen würdigen Schlusspunkt setzen. Während ich beim letzten Hauptverlesen mit meiner Kompanie auf dem Kasernenhof mit Front Fahnenmast in Achtungstellung stand und die Fahne einholen liess, hatte ich den Munitions-Uof beauftragt, in genügend Abstand neben der Kompanie eine Knallpetarde zu zünden. Während der Explosion nahm ich bei der stramm stehenden Truppe ein leichtes, erschrecktes Zucken, aber auch freudig lachende Gesichter zur Kenntnis. Ein unmittelbar an den Knall anschliessendes, heftiges Scheibenklirren zeigte an, dass etwas schief gelaufen sein musste. Und prompt, der Uof hatte die Petarde unmittelbar vor einem Fenster der Offiziersmesse gezündet, was alle Scheiben dieses Fensters in viele Einzelteile zerbersten liess. Aber ausser, dass einigen in der Offiziersmesse Anwesenden ein grosser Schrecken eingejagt wurde und ich, bereits wieder zuhause, eine saftige Rechnung für eine "ausserordentliche Kasernenreparatur" zugeschickt bekam, hatte dieser Vorfall glücklicher-weise keine weiteren Folgen.
Per 01.01.1966 wurde ich zum Hauptmann befördert.

1966 – 1970 Kompaniekommandant der Flz Rep Kp 10
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14.11.  Militärische Karriere – 1966 – 1970 Kompaniekommandant der Flz Rep Kp 10 .

14.11 1966 – 1970 Kompaniekommandant der Flz Rep Kp 10

Rückblickend waren die Wiederholungskurse als Kompaniekommandant in den Jahren 1966 bis 1970 wahrscheinlich die schönsten und befriedigendsten militärischen Dienst­leistun­gen der ganzen Karriere. Während des Technischen Dienstes waren die zwei Wiederholungskurse 1966 und 1967 eigentlich die Weiterführung meiner bisherigen Arbeit als Kommandant - Stellvertreter, dazu kam jetzt einfach noch die Verantwortung für die übrigen Führungs-bereiche, was mich aber nicht allzu sehr forderte.

Auf den Dienst 1968 hin aber kam die Vorbereitung der Mirage Umschulung, bei welcher ich aktiv mitarbeiten durfte. Mehrmals nahm ich an Sitzungen bei der Direktion der Militärflug-plätze in Buochs teil, welche aus Rücksicht auf uns Milizoffiziere oftmals an Samstagen stattfanden. Einmal wurde ich dazu morgens um 07’00 Uhr von Major Buch­mül­ler per Helikopter zuhause am Lützelsee abgeholt und abends hinter unserem Haus in Hombrech-tikon wieder abgesetzt, sehr zur Freude von Fischli, welche mit klein Lexi auf dem Arm aus dem Haus stürzte, um Papa aus dem Helikopter aussteigen zu sehen!

Auch war ich mehrmals auf der Abteilung für Flieger und Flab in Bern, um darüber zu verhandeln, wer denn eigentlich umgeschult werden sollte. Mit der Mirage Einführung wurde die Struktur der Flugzeug Reparatur Kompanie gänzlich neu gestaltet, da jetzt die Elektronik voll auf den Unterhalt und die Bereitstellung der Flugzeuge durchschlug. Nach dem praktischen Nichtvorhandensein von Elektronik im Vampire und Venom und dem Wenigen im Hunter wuchs jetzt deren Bedeutung beim Mirage gewaltig. Elektronik-Mechaniker gab es noch gar nicht so viele, wie man eigentlich dazu nötig gehabt hätte. So teilte man mehr FEAM’s (Fernmelde- und Apparate-Mechaniker), Radiomechaniker, aber auch Maschinen- und Elektro- Ingenieure ETH und HTL in meine Flz Rep Kp 10 um, so dass das zivile Ausbildungsniveau in dieser bisher primär von Mechanikern geprägten Einheit gewaltig angehoben wurde.

Dies wirkte sich auch auf den militärischen Betrieb aus, da die meisten Unteroffiziere und Soldaten vom Sinn ihrer Arbeit überzeugt werden konnten, im Militärdienst möglichst effizient und kostengünstig Flugstunden zu produzieren. Und da ich mit der Erfahrung in der Führung eines Fabrikationsbetriebes im Hintergrund im Normalfall weniger im Befehlston führte sondern jeden AdA mit Achtung und Würde behandelte (Ich sprach beispielsweise im Normalfall alle AdA mit Herr XY an!), war die Ein­satzbereitschaft der Kompanie ausseror-dentlich hoch.
 
Als Oblt Jürg Schoch seinen letzten WK bei uns leistete, übertrug ich ihm die Aufgabe, so wie seinerzeit für den Hunter jetzt auch für die „50 Std Kontrolle“ des Mirage III RS und die „Kriegskontrolle“ des Mirage III S je einen Netzplan zu erarbeiten. Damit gelang uns ähnlich wie seinerzeit beim Hunter eine gewaltige Effizienzsteigerung. Ich weiss nicht, wo die Hunter Unterlagen geblieben sind. Von den Mirage Netzplänen hatte ich je eine Kopie noch bis ins hohe Alter in meinem Ordner „Militär“. Ich habe sie schlussendlich dem MIRAGE-Verein Buochs vermacht!

Daneben kämpfte ich hart um einige Privilegien für unsere Einheit, beispielsweise dafür, dass es beim 24-Stunden-Betrieb auch nachts in der Kaverne eine Vepflegungsmöglichkeit für die Schichtarbeiter gab, oder dass die Rep Kp nach der armeeweiten Ausrüstung aller Mechaniker mit Pistolen nur noch ganz am Rand Gefechtsausbildung treiben musste. Wahrscheinlich hatte man gar nicht daran gedacht, dass es bei den Fliegertruppen ganze Mechaniker - Kompanien gab! Wie sollte man denn Gefechtsausbildung mit einer Kompanie Pistolenträger machen? Bei Verteidigungsübungen stellte die bei uns eingeteilte Gruppe Fallschirmwarte als einzige Nicht – Mechaniker jeweils meine „schwere Waffe“ dar: Sie waren als einzige AdA der Kompanie mit Sturmgewehren ausgerüstet!

Die Mannschaft sah und wusste natürlich sehr zu schätzen, dass ich mich für sie einsetzte und sie beispielsweise nicht sinnlose Gefechtsausbildung betreiben mussten. Die Älteren brachten jeweils die Jungen in ihren ersten WK’s so auf Kurs, damit es keine Schwierigkeiten mit der Disziplin gab. In meinen fünf Jahren als Kp Kdt hatte ich nur einen einzigen Straffall, in welchem ich einem hervorragenden Soldaten einen schriftlichen Verweis aus-sprechen musste, weil er seine persönliche Waffe „verloren“ hatte: Nach dem Abtreten in den Sonntagsurlaub hatte er für das Abziehen des Waffenrockes seine Pistole kurz auf dem Dach seines privaten PWs deponiert und sie dort vergessen. Ein Zivilist hatte sie dann am Dorfausgang von Buochs gefunden und auf den Flugplatz gebracht.

Mit dem Kader hatte ich ein besonderes Verhältnis. Schon aus der Zeit mit Walo Krieg waren alle Offiziere und Unteroffiziere der Rep Kp in den Ferienwohnungen im Haus des Restaurant Café Zimmermann in Buochs untergebracht, und Herr und Frau Zimmermann verwöhnten uns nach Noten. In der Freizeit konsumierten wir allerdings auch entsprechend, denn wir blieben meistens im Restaurant des Hauses oder kehrten im Laufe des Abends wieder dahin zurück. Es galt das ungeschriebene Gesetz, dass auch für Unteroffiziere erst Nachtruhe war, wenn der Kommandant ins Bett ging. Und da ich meistens noch beim „Ufe-stuele“ dabei war, wurde es hie und da nach Mitternacht.

Höhepunkte unseres Tuns in der Freizeit waren unter vielen anderen:

  • ein Sängerwettstreit mit holländischen Touristen in einer der Ferienwohnungen im 2. Stock, leider mit offenen Fenstern morgens um zwei. Er endete erst sehr abrupt beim Erscheinen der Polizei, oder
  • ein Abend, an welchem ich kurz vor der Polizeistunde einen Befehl „Rassemblement des nains de Buochs et environs“ (Gartenzwerge) gab, und zwar in 4er Kolonne auf dem Wirtshaustisch. Alle schwärmten aus. Erst als wir die immer grösser werdende 4er Kolonne sahen, wurden wir uns der gewaltigen Gartenzwerg-Freundlichkeit der Einheimischen bewusst. Am nächsten Morgen sah ich zufällig Frau Zimmermann mit einem grossen Leiterwagen voll von Zwergen beim Versuch, diese möglichst wieder an ihre ursprüngliche Standorte im Dorf zu „vertragen“.
  • Ein anderes Mal wurde im Raum Stans, Buochs, Beckenried und Ennetbürgen in einer Nacht und Nebel Aktion Plakate aufgehängt, einmal mit dem Slogan: „Nicht verzagen – Rep 10er fragen!“, ein anderes Mal das Rabenplakat mit dem Titel „Einer ist anders!“, wobei der weisse Rabe selbstverständlich mit Rep Kp 10 angeschrieben war!
  • Oftmals ging ich bei gewissen Vorkommnissen schon im Voraus in Stans auf die Kantonspolizei, mich zu entschuldigen, um zu verhindern, dass es zu einem Rapport auf dem Dienstweg kam. Auf alle Fälle kannte man mich dort bald recht gut und begrüsste mich jeweils mit Namen...

Früher waren für den Flugbetrieb auf einem Militärflugplatz die Flieger Kp praktisch allein massgebend, während Rep Kp und Stabs Kp ein Statisten-Dasein führten. Mit der anspruchs-volleren Technik der moderneren Flugzeuge änderte sich diese Situation grundlegend. Die Rep Kp musste dauernd Prognosen für die Flugzeugbereitschaft der defekten Flugzeuge stellen. Mit einem geschickten Personaleinsatz und einer Effizienzsteigerung bei den Arbeiten hatten Reparatur- und Stabskompanie die Möglichkeit, die Einsatzbereitschaft der Flugzeuge massgebend zu beeinflussen. Mit der Flieger Kp 16 und den Mirage III RS hatten wir dabei praktisch keine Schwierigkeiten, da wir gemeinsam immer einvernehmliche Lösungen suchten und fanden. Hingegen war das Verhältnis mit der Flieger Kp 21 immer etwas komplizierter und angespannter. Als Kurt Trottmann als ehemaliger Kdt Fl Kp 21 in Buochs Abt Kdt wurde und mein Kollege von der OS Alex Beck die Führung der Fl Kp 21 übernahm, besserte sich das Verhältnis aber merklich.

Während früher die Staffeln praktisch nur Kontakt zu den Flieger Kp gehabt hatten, merkten diese bald, dass jetzt gute Beziehungen zur Rep Kp mindestens so nützlich waren, da sie dort die Information über die voraussichtlichen Reparaturzeiten defekter Flugzeuge erhielten, was wieder für ihre Einsatzplanung wesentlich war. Der einzige, der leider immer noch nicht gemerkt hatte, dass es jetzt nicht mehr gleich lief wie früher mit Mustang, Vampire und Venom, war leider der neue Abt Kdt Major Trottmann!

Im ersten Mirage WK/DTK an einem der ersten Flugtage hatte ich mit ihm eine unliebsame Auseinandersetzung am täglichen Abendrapport von Flugplatzabteilung und Geschwader. Am Anfang waren neben den Kdt und dem Stab von Geschwader und Abteilung oftmals auch die zwei Regimentskommandanten sowie Of des Stabes der Flpl Br 32 dabei, die damals ja alle in der Kaverne in Buochs ihren KP hatten. So auch an diesem Abend. Ich hatte stündlich nachgeführte Zeitprognosen an jedem Flugzeug für die einzelnen Reparaturen eingeführt, die ich zum Rapport mitbrachte und darüber orientierte, Wieso mir Trottmann mangelnden Überblick vorwarf war für mich rätselhaft. Er wollte alles genauer und zeitgerechter wissen! Ich konnte am Rapport aber nur wiederholen, wie die Zeitprognosen für die Reparaturen der defekten Flugzeuge im Moment meines Wegganges aus dem Tech-Büro gewesen waren, was Trottmann nicht akzeptierte. Er wollte genauere, aktuellere Angaben haben. Ich schlug deshalb vor, meinen Chef Mechaniker mit den neuesten Prognosen kommen zu lassen, was bewilligt wurde. Die Prognosen hatten sich in den 50 Minuten, welche der Rapport inzwischen gedauert hatte, zwangläufig etwas verändert, was Trottmann als grossen Sieg über mich auskostete, denn nun wisse man doch wesentlich mehr, und stampfte mich deshalb ein.
Da ergriff der damalige Kommandant des Fliegerregi­ments 3, Oberst Isler das Wort, beendete ultimativ die unmögliche Auseinandersetzung zwischen Trottmann und mir, und stellte hoch erfreut ein absolut professionelles Verhalten für die Prognosen der Flugbereitschaft der Flugzeuge in der Rep Kp fest. Der Leerlauf mit all den Leuten an diesem Rapport, welche die Problematik der heutigen Flugzeugbereitstellung überhaupt noch nicht erfasst hätten, sei ihm hächst zuwider. Von der Flieger Kp gäbe es ja Unterlagen, wie lange man für eine Bereit-stellung oder eine Umrüstung gewisser Waffenkonfigurationen brauche. Geschwader und Fl Rgt brauche künftig diese täglichen Rapporte dazu definitiv nicht mehr. Sie würden an diesem Geschwätz nicht mehr teilnehmen. Die Piloten würden sich daher in Zukunft für die Prognose der Flugbereitschaft der Flugzeuge nur noch auf die Angaben der Rep. Kp. verlassen. Damit verliess er mit seinem gefplge den Raum.

Kurt Trottmann vergass mir den für ihn negativen Ausgang unserer Auseinandersetzung ein Leben lang nie!

Anlässlich der Umschulung der Staffel 16 auf Mirage Aufklärer hatte man mit allen ehemaligen Flieger - Beobachtern eine Auswerter Gruppe gebildet und alle in der Staffel 16 eingeteilt. So kam es, dass ich im DTK der Staffel jeweils immer mit meinem Schwager Ruedi Blöchliger gemeinsam im gleichen Berg drin Militärdienst leistete und wir so mindestens einmal im Jahr mit viel Zeit Familie, Gott und die Welt in Ruhe durchhecheln konnten. Oberst Isler nannte dies einmal unser Verwandtentreffen!

Einmal im WK war früher die Entlassung in den Wochenende - Urlaub erst am Sonntagmor-gen nach einem obligatorischen Feldgottesdienst! Dazu muss ich eine weitere, schöne Geschichte erwähnen: Der Adjudant der Abteilung, Hptm Kurt Hauser, hatte zum Feld­gottes­dienst die Katholiken vor die Kaverne Xaver, die Protestanten vor die Kaverne Yvonne befohlen. Als der Feldweibel am Morgenverlesen dies so weitergab, fügte er noch halblaut an: „Es wird wohl kein Jude dabei sein!“ Und schon meldete sich von hinten Mechaniker XY. Wo­rauf der Feldweibel kurz entschlossen anfügte: „Gut, wir zwei gehen in die Krone!“
Die Geschichte geht aber weiter: Als zu vorgegebener Zeit die Flugplatzabteilung mit ihren über 1000 Mann ssuber aufgeteilt in Katholiken vor der Kaverne Xaver und Protestanten vor der Kaverne Yvonne bereit standen und die Vorstollentore geöffnet wurden, waren die Protestanten vom Adjudanten irrtümlicherweise dorthin befohlen worden, wo der Katholische Feldprediger seinen mobilen Feldaltar aufgebaut hatte, und umgekehrt. Als der Adjudant seinen Fehler bemerkte, versuchte er telefonisch, die beiden Feldprediger zum Wechseln der Standorte zu bewegen, vor allem aber bearbeitete er persönlich den katholischen Feld-prediger, denn er besitze ja wirklich einen "mobilen" Feldaltar. Er wollte ihm sogar eine Transportmöglichkeit organisieren, denn die Distanz der beiden Vorstollen beträgt in Buochs ca. 600 Meter. Der katholische Feldprediger weigerte sich aber kategorisch, seinen scheinbar doch nicht so „mobilen“ Feldaltar wieder abzubrechen und vor dem anderen Stollen wieder neu aufzustellen. Also blieb dem Adjudanten nichts anderes übrig, als der Truppe zu befehlen, den Stolleneingang zu wechseln. Nun bewegten sich also am Sonntagmorgen zwei riesige Menschentrauben von je ungefähr 500 AdA sehr ungeordnet auf dem Rollweg gegeneinander zu und kreuzten sich in der Nähe des KP-Stolleneinganges. In diesem Moment kam der Kdt Flugplatzregiment 3, Oberst i Gst Ranzoni zur Messe daher gefahren und fuchtelte schon von Weitem aus seinem Mercedes wie wild, was denn diese sich absolut nicht militärisch gegeneinander bewegenden Menschenhaufen zu bedeuten hätten und forderte Aufklärung. Hptm Hauser ging ihm entgegen, knallte die Hacken zusammen und meldete für alle deutlich hörbar: „Herr Oberst, melde Flugplatzabteilung 10 im ökumenischen Konter- marsch.“ Das Gelächter war gross, damit war die Episode aber abgeschlossen; nur das Abtreten verzögerte sich leider ebenfalls um fast eine Stunde.

Ein weiterer Höhepunkt im WK der Rep 10 war jedes Jahr jeweils der Kompanieabend, der sich jederzeit mit einer mittelmässigen Veranstaltung eines Dorfvereins messen konnte. Mit Trommelschlag und der Blech-Standarte voraus (Die Standarte mit dem Rep 10er Emblem war in der Freizeit von den Spengler entworfen und hergestellt worden und hing das Jahr hindurch im Kreuzgang der Kaverne Buochs!) ging es dazu jeweils in einer nicht kommandierten 4er Kolonne vom Barackendorf in den grossen Saal der Krone Buochs, wo sich jeweils unglaubliche Szenen abspielten.

Einmal wurde im Laufe des Abends im Saal die Kuckucksuhr gesprengt. Kaum waren gegen Mitternacht die meisten von uns im Bett, traf anscheinend eine kleine Gruppe meiner Leute in der Krone ein, welche die Uhr reparieren wollte, denn man sei schliesslich eine Reparaturkompanie und kein Sprengdetachement. Und tatsächlich, als ich mich am andern Morgen in der Krone entschuldigen und die Uhr bezahlen wollte, zeigte man mir die wieder bestens laufende Uhr im Saal und erzählte mir, wie die Leute Werkzeuge und Material in der Kaverne geholt, einzelne Teile sogar in den Werkstätten im Berg drin neu angefertigt und dazu natürlich ziemlich gefeiert hätten. Als sie mich vorhin kommen sahen, hätten sie eben noch Zeit gehabt, durch den Hintereingang zu verschwinden.

Oft machte man sich am Kompanieabend auch über die Offiziere lustig, einmal ganz speziell über mich. Da ich das Jahr hindurch 50 % meiner Arbeitszeit in unserer Tochtergesellschaft in Portugal verbrachte, erledigte meistens meine Frau die anfallenden, administrativen Arbeiten im Zusammenhang mit der Kompanie. Als meine Büroordonanz, Gfr Hofmann, einmal anrief, um eine Frage betr. Korpskontrolle zu stellen, war ich zufällig anwesend und nahm das Telefongespräch an. Da ich anscheinend etwas kompliziert zurückfragte, sagte Herr Hofmann ziemlich schnell und trocken: "Bitte geben Sie mir Ihre Frau. Sie versteht mich wesentlich schneller"! Im nächsten Wiederholungskurs kam ich dann am Kompanieabend dran: In einem Beitrag wurde klar festgehalten, dass diese Rep Kompanie 10 eigentlich durch Frau Fischli Gadient geführt werde. Nur im Kadervorkurs und im Wiederholungskurs dürfe ich als ihr Mann jeweils kurz übernehmen, da ich meine Frau ja nicht einrücken lasse…

An Kompanieabenden der Rep Kp 10 in der Krone Buochs traten unter der Regie des Kompanieabend-Verant­wortlichen, der immer ein gewählter Soldat oder Gefreiter war, jeweils Ländler Kapellen, Jodler und Jodlerinnen und auch Zauberer auf. Höchstwahrscheinlich ging auch an einem Rep 10 Kompanieabend der erste Striptease im Kanton Nidwalden über die Bühne des altehrwürdigen Kronensaals…


Da ich die von mir auf der grünen Wiese neu aufgebaute Tochtergesellschaft GROWELA Portuguesa in der Nähe von Porto leiten sollte, sah ich mich gezwungen, das Kommando der Kp bereits nach dem fünften Wiederholungskurs abzugeben. Um meine Nachfolge entspann sich ein kleiner Machtkampf zwischen Oblt Franz Betschon aus unserer Kompanie und Oblt Werner Leuch aus der Fliegerkompanie 16. Brigade und Flugplatz - Regiment entschieden sich für Werner Leuch. Ich meine, er war ein hervorragender Nachfolger, der sich voll und ganz in den Dienst der Kompanie stellte und die von mir eingeführten, neuen Arbeitsmetho-den konsequent weiterentwickelte. Vielleicht war für die Rep Kp 10 der sehr praktisch veranlagte und pragmatisch vorgehende Werner Leuch sogar der geeignetere Kommandant als der blitzgescheite, manchmal aber sehr intellektuelle und überhebliche Franz Betschon.

Als unser Umzug nach Portugal dann leider doch nicht zustande kam und ich weiterhin pendelte, musste ich selbstverständlich weiter Militärdienst leisten. In der Funktion als zugeteilter Hauptmann konnte ich das Leben in der Flz Rep Kp 10 noch ein weiteres Jahr mitverfolgen. Als ich dann aber die Weiterausbildung zum Abteilungskommandanten aus beruflichen Gründen ablehnen musste, liess ich mich zu den Romands umteilen, um im Militärdienst wenigstens noch besser Französisch zu lernen.

Ich denke nach wie vor, dass von allen militärischen Funktionen, die ich kennen lernen durfte, Kompaniekommandant wahrscheinlich wirklich die schönste ist, weil eine Kompanie noch überschaubar und die Beziehungen zu einzelnen Offizieren, Unteroffizieren und Soldaten intensiv und sehr persönlich sind. Die Führung der Kompanie war vergleichbar mit der Betriebsleitung der Fabrik in meiner zivilen Tätigkeit. Es war auch relativ einfach, die Leute für Höchstleistungen zu motivieren, denn es galt, dem Land zu helfen, während des WK möglichst billige Flugstunden zu produzieren.

Ich erinnere mich bestens, wie ich zum Schluss vor dem letzten Hauptverlesen mit der Kp am Samstagmorgen mit den Tränen kämpfte und wie es mich beim sich Verabschieden würgte, während ein riesiger, blauer Heissluftballon mit dem Kompanie-Emblem, welches ich seinerzeit selbst entworfen hatte, einem stilisierten Mirage mit goldener 10, sanft und still aus dem Barackendörfli Buochs entschwebte, dem Dörfli, wo ich so viele WKs verbracht und so viel Freud und Leid erlebt hatte. Die Leute der Kompanie waren mir ans Herz gewachsen, und wahrscheinlich habe ich sogar mehr zurück bekommen als ich gegeben habe.
Zuhause angekommen durfte ich mich bei meinem Fischli dann endlich richtig ausheulen, so weh tat der Abschied von „meiner“ Kompanie, in welcher ich seit der Umschulung vom Venom über den Hunter zum Mirage so vieles hatte in Bewegung setzen und umorganisieren dürfen: Hier durfte ich einen unbearbeiteten Acker pflügen, ich musste nicht einen bereits gepflegten Garten jäten…              

Eine „Wappenscheibe“, aber eben nicht mit einem Wappen, sondern mit "meinem" Kompa-nie-Emblem, dem stilisierten Mirage und der Inschrift: „Unserem Kadi H.R. Gadient“ war das Abschiedsgeschenk des Kaders, das mich sehr freute. Die Wappenscheibe hängt auch heute noch bei mir an einem Wohnzimmerfenster!

1971 – 1972 Zuget Hptm Flpl Abt 10
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14.12.  Militärische Karriere – 1971 – 1972 Zuget Hptm Flpl Abt 10 .

14.12 1971 – 1972 Zuget Hptm Flpl Abt 10

Major Trottmann hatte mir in seinem und meinem letzten WK vor meinem geplanten Transfer mit der Familie nach Portugal den Vorschlag zur Weiterausbildung zum Abteilungskomman-danten nicht gegeben, da er scheinbar unsere Auseinandersetzung im ersten Mirage WK noch immer nicht verdaut hatte. Nachdem ich die Kompanie abgegeben und mein ziviler Transfer nach Portugal abgeblasen worden war, funktionierte ich 1971 als Zugeteilter Hauptmann des neuen Abteilungs-Kommandanten in Buochs, einem Major Küpfer, Werkpilot bei der DMP, also ein "Halb – Profi", wie wir jeweils sagten, mit dem ich aber das Heu auch nicht auf der gleichen Bühne hatte. Ausser, dass ich weiterhin von Nahem sehen konnte, wie es mit der Rep Kp 10 weiterging, war es ein absolut unbefriedigender Dienst.

1972 rückte ich deshalb mit einem Arztzeugnis ein und wurde glücklicherweise nach dem Einrücken krank entlassen.

Die Aussicht, den Vorschlag zur Weiterausbildung zum Abt Kdt doch noch zu erhalten war immer noch intakt. Ich wäre sehr gerne Abteilungskommandant geworden, denn diese Führungsaufgabe reizte mich sehr. Eine Flugplatzabteilung mit Kaverne war ein recht komplexer Verband mit fast 1500 Mann Sollbestand und setzte sich damals wie folgt zusammen:

  • 2 Fliegerkompanien,
  • der Stabskompanie,
  • der Reparatur Kompanie,
  • einer übergrossen Flugplatz Flabbatterie mit zwei radargesteuerten 35 mm Einheiten und zwei Zügen 20 mm Flab,
  • einer Flieger Genie Kompanie, sowie
  • 2 schweren Füsilier Kompanien

Mein damaliger ziviler Chef, Dr. André Kurz, hatte dann aber für meine Weiterausbildung kein Verständnis mehr, denn meine zusätzlichen Abwesenheiten wären in seinen Augen für unsere KMU eine zu grosse Belastung gewesen: Ich verbrachte inzwischen als Pendler schon fast 50% meiner Arbeitszeit in unserer Fabrik in Portugal und hatte daneben die Geschäfts-leitung der Muttergesellschaft in Lachen übernommen. Deshalb akzeptierte ich aus Ver-nunftsgründen seinen Entscheid, aber nur mit grossem persönlichem Bedauern.

Ich entschied mich dann spontan, wenn schon nicht Abteilungskommandant zu werden, dann bei den Romands Dienst zu leisten und damit zusätzlich wenigstens anständig französisch zu lernen.

1973 – 1977 Cap adjt gr aérod 4
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14.13.  Militärische Karriere – 1973 – 1977 Cap adjt gr aérod 4.

14.13 1973 – 1977 Cap adjt gr aérod 4

Auf mein Gesuch hin wurde ich per 01.01.1973 als Cap adjt in den Stab der Gr aérod 4 in Sion eingeteilt, wobei mich im Takt Kurs der Regimentskommandant Oberst Kurt Eisenring daran erinnerte, dass ich hier im Rgt 1 nicht mit einem Vorschlag zum Abt Kdt rechnen könne, was ich ja auch nicht tat! Sonst wäre ich lieber in Buochs geblieben.

In der neuen Abteilung kannte ich vom Kader niemanden und ich hatte am Anfang etwas Mühe, mich einzugliedern, umso mehr, als ich Schwierigkeiten hatte, alles zu verstehen, wenn meine neue Umgebung so schnell französisch sprach. Vor allem bei den Witzen verstand ich am Anfang die Pointe praktisch nie auf Anhieb. Glücklicherweise hatte es aber mehrere Bilingues unter meinen neuen Kollegen, welche mir Nachhilfestunden gaben! Das waren zwar richtige Romands, aber oft mit Deutschschweizer - Namen wie der QM Cap Büchi, der Flusi Cap. Bähler, und der Uem Of Cap Tschofen. Nur der Mun/Mat Of, Cap Meuret und der Nof, Cap Beytrisan waren nicht-bilingue Romands. Das Zimmer teilte ich mit dem ebenfalls neuen Arzt, Hptm Hans Scherrer aus Rorschach. Hans sprach hervorragend Französisch, aber mit einem grauenhaften Ostschweizer Accent. Er war ein ausserordentlich begnadeter Instruktor. Seine Theorien für Kameradenhilfe und erste Hilfe waren derart spannend, dass sogar sämtliche Offiziere und höheren Unteroffiziere teilnahmen, die sich doch sonst bei solchen Anlässen gerne drückten. Selbst vom Regimentsstab kamen jeweils Zuhörer!

Der Abteilungskommandant Major Marc Bigler war wie ich auch neu. Er war leider nie Cap adjt gewesen und so hatte ich ihm gegenüber einen beträchtlichen Erfahrungsvorsprung, vor allem bei Stabsarbeit und in der Führung. Marc Bigler konnte bzw. wollte nichts delegieren und machte praktisch alles allein. Damit wurde die Zusammenarbeit für mich sehr schwierig, da mir schien, dass er kein Vertrauen in mich hatte. Der Dienst wurde für mich deshalb auch sehr langweilig! Nur für die Übung „Valaisia“, einer mehrtägigen Übung im Gelände mit sämtlichen Einheiten der Abteilung zu Beginn der Wiederholungskurse, liess er mir erstaun-licherweise jeweils komplett freie Hand. Hier konnte ich meinen Organisationsdrang richtig ausleben, wobei die ausserdienstliche Vorbereitungsarbeit das wichtigste Element für den Erfolg war. So biwakierten wir in diesen Jahren zum Teil bei misslichen Wetterbedingungen einmal im Wald unterhalb Les Collons, ein anderes Mal in der Gegend von Savièse, ein weiters Mal in Arolla. Einmal dislozierten wir für diese Übung mit allem Drum und Dran ins Gantrischgebiet.

Der Hauptzweck meiner Umteilung zu den Romands, meine Französischkenntnisse zu verbessern, erfüllte sich von Jahr zu Jahr besser. Ich hatte Marc Bigler schon sehr früh darauf aufmerksam gemacht, dass ich bei seinem Führungsstil zu wenig ge­fordert sei und drohte ihm, falls er mich nicht mehr einbeziehe und gewisse Dinge an mich delegiere, mich künftig hauptsächlich dem gemütlichen Teil in unserer Freizeit zu widmen. Und das tat ich schliesslich dann auch! Und wie!

So hatten wir dann in Taktischen Kursen und WKs wirklich viel Spass. Beispielsweise organisierte der Arzt Hans Scherrer für das Regiment einmal eine grosse Rettungsübung auf dem Flugplatz. Er sprach in seinem wunderbaren Rorschacher-Fran­zö­sisch nur noch von der „Exercice du siècle“! Der Übermittlungsoffizier Cap Tschofen wollte mit dem Quartier-meister François Büchi versuchen, dieses Jahrhundertereignis etwas zu sabotieren, und so nahm eine Wechselwirkung seinen Anfang, die so weit eskalierte, dass der Abteilungs-kommandant Marc Bigler schlussendlich keinen anderen Ausweg mehr sah, als vier von uns am Freitagvormittag vor dem WK-Ende kurzerhand zu entlassen, um wieder Ruhe einkehren zu lassen:
Aer jetzt von Anfang an: Als es tatsächlich gelungen war, die Übung zu sabotieren, wurde Hans Scherrer sehr wütend und wollte sich rächen. Ich musste Tschofen im Auftrag von Hans Scherrer gegen Abend ein sehr starkes Abführmittel in den Kaffee mischen. Hans Scherrer lud Tschofen anschliessend in ein Dancing ein, wo dieser aber schon bald im Laufschritt von der Tanzfläche verschwinden musste. Damit nahm der Ablauf auch für mich als Hans Scherrers Komplize und Zimmerkamerad dramatische Formen an! Tschofen schlug nun seinerseits zurück, indem er bei einem Schneider an meinen und Hans Scherrers Uniform-hosen an einem Bein den Saum um 5cm heraufnehmen liess. Scherrer füllte darauf als Retourkutsche in Tschofens Zimmer den Duscheschlauch mit Methylblau und klebte die Ausgangsschuhe von Tschofen mit Sekundenkleber auf den Spannteppich. Dann wurde Hans Scherrer von diesen in seinem Hotelzimmer eingesperrt, als er sich umziehen wollte, um zum Regiment zu fahren. Er musste durchs Fenster Passanten bitten, den Hotelier zu benachrich-tigen, um ihn herauszulassen, was Tschofen und Büchi zu verhindern wussten, indem sie, im Restaurant auf die eintretenden Passanten wartend, diesen jeweils sagten, sie würden das Aufschliessen sofort erledigen. Hans Scherrer konnte erst aus dem Zimmer, als ich spät abends vom Dienst nach Hause kam. Danach liess Hans Scherrer unser Zimmer durch Sanitätssoldaten rund um die Uhr bewachen, sodass unser Kommandant Marc Bigler, als er sich seinerseits im Zimmer für den Schlussrapport beim Regiment mit anschliessendem Nachtessen umziehen wollte, gar nicht mehr ins Zimmer gelassen wurde und er schluss-endlich beim Regiment als Einziger im Kampfanzug erschien, während sich alle übrigen in Galauniform gestürzt hatten. Das machte nun Major Bigler derart wütend, dass er uns am Freitagvormittag entliess.

Im November 1976 hatte ich nun schon den vierten Wiederholungskurs als Zuget Hptm ohne jegliche Ambitionen auf eine Weiterausbildung zum Abteilungskommandanten in einer meines Erachtens eher schlecht geführten und deshalb auch technisch und soldatisch etwas "heruntergekommenen" Flugplatzabteilung zugebracht, als mich am Ende des WK Brigadier Walter Dürig, Kdt Flpl Br 32 und Oberst Konrad Lindenmann, cdt rgt aérod 1 kommen liessen und mich fragten, ob ich ab 1978 das Kommando dieser Abteilung übernehmen wolle. Die Defizite und Mängel in der Abteilung 4 wären beträchtlich und niemand kenne heute diese Abteilung so gut wie ich. Brigadier Dürig und der Regimentskommandant (wie doch auch die militärische Welt klein ist: Lindenmann war seinerzeit ein Kollege von mir bei der SWISSAIR Ingenieurabteilung!) sähen dies als optimale Lösung und würden mir zutrauen, diese Abteilung wieder auf Vordermann zu bringen. Auf Regiments- und Brigaden- Stufe war anscheinend nicht verborgen geblieben, dass ich als Cap adj von Marc Bigler nicht richtig eingesetzt wurde und anscheinend einzig „meine“ Übungen Valaisia unserer Flugplatz-Ab­tei­lung jeweils für die wenigen, positiven Schlagzeilen unserer Abteilung im WK des Regimentes sorgten. Ich machte meinen Entscheid von einem Gespräch mit meinem Arbeit-geber abhängig, versprach jedoch eine Antwort spätestens 14 Tage nach dem WK.

1977 Zentralschule II – A und Abverdienen
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14.14.  Militärische Karriere – 1977 Zentralschule II – A und Abverdienen .

14.14 1977 Zentralschule II – A und Abverdienen

Da mir Dr. André Kurz am Sonntag nach meiner Rückkehr aus dem WK 1976 bei der GROWELA Schuh AG kündigte, konnte ich sofort zusagen und ich erhielt postwendend den Vorschlag zur Weiterausbildung zum Abteilungskommandanten. Mein neuer Arbeitgeber BALLY war dann mit der Weiterausbildung auch einverstanden.

Nach einem Taktischen Kurs im Januar 1977 rückte ich im März in die Zentralschule IIA ein. Mit meiner militärisch eher spärlichen Routine der letzten Jahre (die positiven Erfahrungen im gemütlichen Teil nützten mir hier herzlich wenig!) wurde ich in der Zentralschule als mit Abstand ältester Teilnehmer wieder einmal richtig gefordert und ich musste um den Anschluss kämpfen: Gewisse Dinge wusste ich einfach nicht oder nicht mehr, oder sie hatten sich inzwischen geändert.
Fast anschliessend an die Zentralschule IIA rückte ich in meinen letzten WK als Cap adjt gr aérod 4 ein, und im Mai 1977 folgte das Abverdienen des Abt Kdt in der Verlegung der Flieger-Re­kru­tenschule in Buochs, wo inzwischen mein Freund Oberst Urs Bender Schulkommandant war und mit dem ich gut harmonierte.

Die Tech Schule III der Fl Trp im Dezember in Payerne mit Oberst Hügli, meinem ehemaligen Klassenlehrer von der Offiziersschule, war der letzte noch notwendige Dienst für die Beförderung zum Major und die Ernennung zum Abteilungskommandanten der gr aérod 4, welche per 01.01.1978 erfolgte. 

1978 – 1982 Cdt Gr aérod 4
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14.15.  Militärische Karriere – 1978 – 1982 Cdt Gr aérod 4 .

14.15 1978 – 1982 Cdt Gr aérod 4

Für meinen ersten WK im September 1978 als Abteilungskommandant gab es noch als Neuerung bei den Fliegertruppen eine gewisse Erschwerung: Der Kadervorkurs fand zum ersten Mal nicht auf dem angestammten Kriegsflugplatz, sondern auf einem anderen Flugplatz statt, in unserem Fall in Payerne. In einer Kriegsmobilmachungsübung (K Mob Ü) mussten die Kader am Montagmorgen aus dem Kadervorkurs ab Payerne, zeitlich gestaffelt in Funktion der Entfernung ihres Wohnortes von Sion, mit ÖV auf den in den K Mob Akten definierten K Mob Plätzen einrücken, alle übrigen Einrückenden genauso, nur von zuhause aus mit dem ersten Zug. Es war also den Offizieren und Unteroffizieren, aber vor allem den Fourieren und Feldweibeln dieses Mal nicht möglich, zu schummeln, wie sie dies sonst jeweils bei früheren K Mob Übungen immer ausgiebig tun konnten, da sie ja im Kadervorkurs bereits ab Donnerstag der Vorwoche auf dem Kriegsflugplatz Dienst taten. Das hiess auch, dass ich beispielsweise erst um 11’30 Uhr, mein Adjudant Hermann Werdenberg aus Kreuzlingen sogar erst um 13‘30 Uhr in Sion auftauchen durften. Alles sollte sich damit eigentlich so abspielen, wie es für einen Ernstfall in den K Mob Unterlagen unserer Einheiten vor Ort geplant und vorbereitet war. Ich freute mich sehr auf diese Übung in meinem ersten WK als Abt Kdt.

Ich hatte nach dem Einrücken in Payerne keine Zeit, in alten Erinnerungen zu schwelgen, denn im Kadervorkurs KVK ereignete sich ein spezieller Vorfall: Wir hatten bereits am Donnerstagabend, dem Einrückungstag der Offiziere bis gegen 23’00 Uhr gearbeitet, und waren auch am Freitagabend um ca. 22’30 Uhr noch immer in einem Theoriesaal auf dem Flugplatz Payerne an der Arbeit, als plötzlich der Flugsicherungsoffizier Cap François Bähler, in Zivil SWISSAIR Flugkapitän, aufstand mit den Worten: „Tu sais Hans Ruedi, est-ce que tu est devenu complètement fou? Comme ça, ça ne va vraiment pas! Si tu nous laisses travailler comme des idiots, on va faire la grève! Je proteste et propose de finir immédiate-ment nos travaux et de partir“.

Aus diesem Aufschrei ergab sich eine lebhafte Diskussion, in welcher ich meinen ehemaligen Festbrüdern im Stab klar machen musste, dass mein Verhalten in Sion, vor allem im gemütlichen Teil, nur dank dem Nicht-Delegieren von Marc Bigler möglich gewesen sei und sowohl mit meinem Charakter als auch mit meiner neuen Funktion als Kdt unvereinbar sei. Ob sie sich deshalb so gefreut hätten, als ich das Kdo übernehmen durfte, weil sie gemeint hätten, es gehe während meiner Kommandozeit im Ausgang gleich zu und her wie früher? Da hätten sie mich anscheinend vollständig verkannt und ganz falsch eingeschätzt. Mein klares Ziel wäre, diese Abteilung technisch und auch militärisch wieder auf einen Stand zu bringen, den ich für einen Ernstfall verantworten könne.
Wenn dabei jemand von ihnen mit meiner Führung nicht einverstanden sei, könne er jetzt auf der Stelle zusammenpacken und gehen. Ich würde jene, die jetzt gehen würden, in bewusster Kompetenzüberschreitung heute Abend noch aus dem WK entlassen und anschliessend eine Umteilung beantragen.
Jene die da bleiben wollten, müsse ich darauf aufmerksam machen, dass ich in Zukunft sehr viel von ihnen verlangen werde, und zwar immer und überall, und auch wesentlich mehr, als dies mein Vorgänger je getan habe. Das frühere Lotterleben wäre damit leider endgültig vorbei. Ich wäre aber überzeugt davon, dass wir beim Wiederaufrüsten der gr aérod 4 mehr Befriedigung haben würden als an unseren früheren Gelagen.

Als ich meine "Bergpredigt" geschlossen hatte, war es lange mäuschenstill im Raum. Niemand verliess den Saal, auch von den älteren Stabsoffizieren keiner! Damit war für mich die Angelegenheit erledigt. Wir arbeiteten noch ca. eine Stunde weiter und sprachen später nie mehr davon.

Den einen und anderen Stabsoffizier und Kp Kdt musste ich dann in den folgenden Jahren zwar ablösen, weil er ungeeignet war oder zu wenig Leistung brachte. Das Gros des Abteilungsstabes blieb aber zusammen, und wir hatten während meiner Kommandozeit auch in dieser Abteilung einen sehr

Zurück zur K Mob Übung: Nach meiner Ankunft am Montagmittag begab ich mich zuerst auf meinen Kommandoposten in der Kaverne, aber dort war ich ohne jegliche Verbindung zu den Einheiten absolut blind und auch stumm! Ausser da sitzen und warten konnte ich einfach nichts tun. So entschloss ich mich, den KP dem inzwischen eingetroffenen Abt Adj zu übergeben und wenigstens auf dem Platz draussen die Lage zu beobachten und das Chaos eins zu eins zu erleben, Notizen zu machen, um für später Lehren daraus zu ziehen. Auch wollte ich persönlich eingreifen und veranlassen, dass man nicht einfach auf Befehle wartete, sondern dass gehandelt wurde. Die notwendigen Entscheide konnten auch von subalternen Leuten, selbst von verantwortungsvollen Soldaten gefällt wurden.

Draussen auf dem Flugplatz bekam ich sofort  hervorragenden Anschauungsunterricht, vor allem, wie man es nicht machen sollte, Viele Offiziere und Unteroffiziere, die gewusst hätten, wie der Hase läuft, waren erst spät eingetroffen und begannen, wenigstens auf ihren Organisationsplätzen langsam etwas Ordnung in das unbeschreibliches Chaos zu schaffen:

  • Verbindungen gab es noch vorerst noch keine, sie wurden auch nicht so schnell gebaut wie sonst jeweils.
  • Die Flab Batterie war nicht auffindbar, weil sie an anscheinend nicht an Ihrem Mob Platz mobilisierte.
  • Das Fassen der Ausrüstung im Zeughaus ging äusserst schleppend vor sich, die Fahrzeuge trafen sehr spät ein, und wenn endlich eines da war, stritt man sich darum.
  • Und wenn ein Feldweibel einmal ein Fahrzeug ergattert hatte, gab er es nicht mehr her, auch wenn er es eine gewisse Zeit gar nicht brauchte und obwohl andere Kompanien überhaupt noch nichts gefasst hatten.
  • Die Erstausbildung war mangelhaft, usw. usw

Ich zehrte für die spätere Ausbildung noch jahrelang von diesem aussergewöhnlichen Tag mit eindrücklichem Anschauungs - Unterricht!

Der künftige Name dieser noch über Jahre bei den Fliegertruppen durchgeführten Übung: „KVK auf fremden Flugplatz mit anschliessender K Mob“ war eine wunderschöne Erinnerung an dieses totale Chaos: Sie hiess nämlich „Übung SION“ und musste jedes Jahr von je einer Abteilung pro Flugplatz-Regiment durchgeführt werden

Als ich nach den 10 Tagen KVK und WK in meinem ersten WK als Kommandant auf Urlaub nach Hause kam, erschrak meine Frau gewaltig: Sie hätte mich in all den Jahren noch nie so bleich und aschfahl gesehen. Aber dieses Mal war es nicht infolge eines überbordenden Nachtlebens, sondern von der harten Knochenarbeit beim Aufräumen von Altlasten: Tagsüber versuchte ich so viel wie möglich draussen bei der Truppe zu sein, und nachts, meistens erst nach 22 oder 23 Uhr, wenn auf dem Kommandoposten langsam Ruhe einkehrte, begann ich jeweils mit Vorbereitungen für die nächsten Übungen und dem nächsten Tag. Ich schlief dann meistens in der Kaverne im Kommandantenzimmer hinter dem Abt-KP, wohin ich wohlweis-lich einen zweiten Toilettensack mitgebracht hatte. Die Aufgabe als Abteilungskommandant hat mich im ersten WK wirklich gefordert, vor allem auch deshalb, weil ich rückblickend zu viele Ziele gleichzeitig, zu schnell und mit zu grosser Perfektion erreichen wollte.

Als erstes begannen wir, die Kommandounterlagen für K Mob, für die Bewachung, Sicherung und die Verteidigung "meines" Flugplatzes zu überarbeiten, so oft es ging in Stabsarbeit mit dem in der ZS gelernten Führungsrhythmus. Gleiches mussten entsprechend meinen Vorgaben dann auch alle Einheiten der Flugplatz Abteilung bewerkstelligen. Dies war eine zwar sehr befriedigende, aber auch arbeitsintensive Arbeit. Ich verlegte mit dem Einverständnis meiner Frau die Winterferien der Familie nach Les Collons im Gebiet oberhalb Sion, von wo aus ich auf dem Flugplatz jeweils notwendige Rekognoszierungen vornehmen und den Nachrichten Offizier André Beytrisan besuchen konnte, der hier ansässig war.

Ich verlegte mit dem Einverständnis meiner Frau dazu die Winterferien der Familie nach Les Collons im Gebiet oberhalb Sion, von wo aus ich auf dem Flugplatz jeweils notwendige Rekognoszierungen vornehmen und den Nachrichten Offizier André Beytrisan besuchen konnte, der hier ansässig war.
Bis und mit meiner Kommandozeit als Kp Kdt hatte meine Frau Fischli mich bei der Administration der Einheit stark entlastet, d.h. sie hat jeweils alle militärischen Dokumente geschrieben und vervielfältigt, meistens auf Ormig- oder Wachsmatrizen. Sie hat in meiner Abwesenheit auch Fragen beantwortet, wenn ich in Portugal war. Neu musste jetzt in einer französisch sprechenden Abteilung alles auf Französisch geschrieben werden, was Fischli oft überforderte. Inzwischen aber bei BALLY arbeitend, hatte ich glücklicherweise eine bilingue Sekretärin, anders wäre es wohl kaum möglich gewesen.
Die administrative Belastung bei BALLY vom Militär her war enorm, denn nicht nur wir Kommandanten, sondern auch die Sekretariate arbeiteten doch einen ganz schönen Prozentsatz der Arbeitszeit für die Armee: Im Stab von BALLY International AG kommandierte der Finanzchef ein Versorgungs-Regiment, der Marketingchef eine Panzerabteilung, ich als Leiter Strategische Planung, Organisation und Informatik eine Flugplatzabteilung und der Produktionschef war Nachrichtenoffizier in einer Brigade!

Ein unvergessliches Erlebnis während meiner Kommandozeit war die kriegsmässige Dislokation der ganzen Flugplatzabteilung auf den Autobahnstützpunkt in Bex VD. Das war in meiner Militärdienstzeit mein grösstes Manöver-Erlebnis. Wir wollten an einem Abend gerade in den Ausgang, als Alarm ausgelöst wurde: Der Flugplatz wäre zerstört, ab Morgen sei der Flugbetrieb ab der gesperrten Autobahn in Bex aufzunehmen. Jetzt erst wurde uns klar, wieso heute unsere Flugzeuge nach ihrem letzten Einsatz nicht nach Sion zurückkamen sondern auf anderen Flugplätzen gelandet waren.
Zum Glück hatten wir für diesen Fall vorbehaltene Entschlüsse, so dass wir nicht in Panik verfielen, sondern die ganze Dislokation unter Mithilfe der Flugzeug-Park Kp logisch organisieren konnten. Die Park Kp bestand aus den militarisierten "Professionals" der DMP (Direktion der Militärflugplätze).
Wenn ich mich richtig erinnere, landete anderntags das erste Flugzeug um ca. 11:00 Uhr auf der behelfsmässigen Autobahn-Piste in Bex, und nach und nach war die ganze Staffel wieder da. Den ganzen Tag wurden Einsätze ab Bex geflogen, und der Flugbetrieb lief langsam ab wie auf unserem gewohnten Flugplatz. Am nächsten Tag war das Ganze wieder vorbei und es musste wieder der Rücktransport organisiert werden.

Als ich an einer BALLY Ressortbesprechung bei Oerlikon-Bührle teilnehmen sollte, hatte ich ein weiteres grossartiges Erlebnis: Es ergab sich, dass ich am Morgen ganz früh mit einer P3 und einem Piloten unseres Geschwaders von Sion nach Dübendorf fliegen durfte und dort für die Sitzung um 09’00 Uhr per Auto abgeholt wurde. Nach der Sitzung, ca. 15’30 Uhr, wurde ich wieder nach Dübendorf chauffiert, um wieder nach Sion zu fliegen. Jetzt mit einem Piloten, der mich von früher her kannte und der wusste, dass ich sowohl das Segelflugbrevet gehabt hatte als auch im Militär im VSP noch geflogen war. Er sagte mir auf dem Weg zum Flugzeug, einer P2, dass er das Doppelsteuer habe montieren lassen, damit ich wieder einmal etwas fliegen könne. Und so kam ich wirklich zu einem der schönsten Flüge meines Lebens überhaupt: Wunderschönes Wetter, ein Flug von Dübendorf über meinen Wohnort Hombrechtikon, über Lachen nach Buochs, dann über das Berner Oberland und den Sanetschpass ins Wallis, und dort zum Schluss noch etwas Akrobatik, mit Loopings und Rollen, sicher stark geholfen, aber trotzdem, absolut super. Seit dem VSP im Jahre 1954 hatte ich nie mehr einen Steuerknüppel geführt. Landung beim Einnachten in Sion.
In Erinnerung an diesen Flug gehe ich auch heute noch hin und wieder ins Airforce-Center nach Dübendorf, um auf dem P3-Simulator mit dem Instruktor und Freund Heinz Bart diesen Flug zu wiederholen! Mit Fliegen habe ich auch nach all den Jahren wenig Schwierigkeiten. Das grösste Problem wurde langsam das Ein- und Aussteigen mit meinem lädierten Bein!
Ein weiteres besonderes Erlebnis war auch ein sogenannter "Zöllnerflug" bei Traumwetter, an welchem ich als Passagier mitfliegen durfte: Ein Helikopterpilot der Basis Sion flog regelmässig für den Zoll Flüge der Grenze entlang ab Grosser St. Bernhard bis Nufenen Pass. Die zwei mitfliegenden Zöllner beobachteten dabei die Grenze, gaben beispielsweise per Funk festgestellte Spuren im Neuschnee an die Grenzpatrouillen durch und kontrollierten die SAC-Schutzhütten auf Sicht, so auch die Hörnlihütte am Matterhorn. Es war ein einmaliges Erlebnis. Als Passagier konnte man sich in dieser Gletscherwelt kaum satt sehen.

Ein weiteres besonderes Erlebnis war auch ein sogenannter "Zöllnerflug" bei Traumwetter, an welchem ich als Passagier mitfliegen durfte: Ein Helikopterpilot der Basis Sion flog regelmässig für den Zoll Flüge der Grenze entlang ab Grosser St. Bernhard bis Nufenen Pass. Die zwei mitfliegenden Zöllner beobachteten dabei die Grenze, gaben beispielsweise per Funk festgestellte Spuren im Neuschnee an die Grenzpatrouillen durch und kontrollierten die SAC-Schutzhütten auf Sicht, so auch die Hörnlihütte am Matterhorn. Es war ein einmaliges Erlebnis. Als Passagier konnte man sich in dieser Gletscherwelt kaum satt sehen.

Auch diese fünf Kommandojahre vergingen wie im Flug, alles in allem wieder eine sehr gute Zeit. Ich war schon immer der Meinung, dass ich im Militär viel gelernt hatte: Sowohl führ­ungs­mässig als auch im Umgang mit Menschen.
Es hatte sich hier noch einmal mehr bestätigt. Meine Managementausbildung genoss ich zum grössten Teil im Militärdienst.

1983 – 1989 Letzte Dienstleistungen
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14.16.  Militärische Karriere – 1983 – 1989 Letzte Dienstleistungen.

14.16 1983 – 1989 Letzte Dienstleistungen

Die Dienstleistungen nach dem Abteilungskommando können hier summarisch angeführt werden: Ich verbrachte zwei Jahre Regimentsstab Flpl Rgt 1, und nachher leistete ich während fünf Jahren Einsatz im Stab Flieger und Flab, tage- und/oder wochenweise, entweder in Übungsleitungen (einmal noch unter Oberstlt Keckeis, dem späteren Generalstabschef), oder dann als Leiter der Verbindungsstelle des CFE (Chef Führung und Einsatz) im EMD in Bern.

Vielleicht eine letzte Anekdote: Untertags nach dem Einrückens im KP1 Flieger Flab, nach einer Theoriestunde über Geheimhaltung durch Oberstdiv Gurtner, stehe ich mit dem Divisionär in der Cafeteria in der Schlange, spricht mich der Soldat hinter mir an: „Hoi Götti, was machst denn Du hier?“ Es war mein Neffe Michael Stadlin, von dem ich zwar wusste, dass er Fl Uem war, aber ich hatte ihn noch nie im Militärdienst getroffen. Hier im KP1 war er Pöstler. Ich stellte ihn dem Divisionär vor. Dieser hatte mitgehört und sagte: „Ihr wollt doch nicht allen Ernstes sagen, dass Ihr vor Eurem jetzigen Dienst und Eurem gleichen Dienstort nichts voneinander wusstet? Wenn dem aber so wäre, ist dies wirklich gelebte Geheimhaltung, wenn nicht einmal die Grossfamilie davon weiss!“

Ab diesem Tag hatte ich als Onkel des Pöstlers am Morgen in der Kaverne jeweils die NZZ immer als erster! Ein bisschen privilegierte Behandlung innerhalb der Grossfamilie durfte schon sein!

Meinen letzten Diensttag leistete ich im November 1989 an einem Dienstrapport des Kanton Zürich, an welchem ich erfuhr, dass ich mit der Aussicht auf "ewigem Frieden"zusammen mit einem Grossteil der überzähligen Offizieren (Üz Of) in den Stäben  in die Personalreserve umgeteilt wurde.

Mit 1361 Diensttagen, mit also total 3.73 Jahren im Militärdienst, wurde ich per 31.12.1998 aus der Wehrpflicht entlassen. Ich hatte schon bald geglaubt, man hätte mich vergessen. Ich war dann schon etwas enttäuscht, dass Frau Regierungsrätin Rita Fuhrer mir zum Abschied im Albisgüetli, wie sonst üblich, nicht die Hand drückte! Sie meinte aber in ihrer Rede, dass es unzumutbar, ja fast unmenschlich sei, an diesem einen Abend bei der Verabschiedung von über 500 Offizieren jedem einzeln die Hand zu schütteln...

 

Ein würdiges Schlusswort unter diesen Abschnitt sind m. E. folgende Beiträge:

  • Ansprache bei der Fahnenrückgabe beim Abverdienen des Majors-Grades beim Allweg in Stans, sowie
  • Abschiedsbrief an meine Offiziere bei der Weitergabe des Kommandos der gr aérod 4 an meinen Nachfolger

 
Fahnenabgabe der Sommer - RS 1977 Ende verlegung als RS - Flugplatz Abteilung

Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten,


Wir haben eine dreiwöchige Felddienstübung auf dem Kriegsflugplatz Buochs hinter uns. Ich stelle fest, dass wir technisch, soldatisch und taktisch unser gestecktes Ziel erreicht haben, nämlich dem Kriegsgenügen einen wesentlichen Schritt näher zu kommen. Ich werte vor allem das ehrliche Bemühen von Kader und Mannschaft in dieser Beziehung als positiv.
Ich wollte eigentlich 200m weiter oben beim Schlachtdenkmal zu Ihnen sprechen, an jenem Ort, wo beim Untergang der alten Eidgenossenschaft 1798 der letzte Widerstand gegen die Franzosen geleistet wurde. 1200 Nidwaldner und 200 Schwyzer leisteten 5 Tage lang einer Übermacht von 16'000 Mann einen hartnäckigen Widerstand. Sie trugen dazu bei, dass Napoleon den Urkantonen die Souveränität zurückgab.

Wir diskutieren heute viel und gern unsere Gesellschaftsordnung. Es ist Bürgerpflicht von jedem von uns, diese weiterzuentwickeln und zu verbessern, sowohl mit dem Stimmzettel wie auch mit aktiver Politik. Ich habe gelernt, dass unsere schweizerische Verfassung und unsere Gesetze einem Vergleich mit allem standhalten, was ich in Ost und West Gelegenheit hatte zu studieren und zu diskutieren. Es ist meine absolute Überzeugung, dass es sich auch heute noch lohnt, wie einst 1798 für die Nidwaldner und Schwyzer und 1939-45 für unsere Väter, den Eintrittspreis für die Zerstörung unserer Verfassung und für die Beraubung unserer Freiheiten möglichst hoch anzusetzen. Dieser Eintrittspreis ist aber nur dann hoch, wenn wir eine starke, gut ausgerüstete und ausgebildete Armee besitzen.

Um den Beitrag von jedem von uns, diesen Eintrittspreis zu erhöhen, ging es auch in diesen letzten 3 Wochen hier in Buochs, in den vorherigen 14 Wochen in Payerne, und wird es auch in allen künftigen militärischen Schulen und Kursen gehen. Ich wünsche uns allen die dazu notwendige, positive Einstellung, dieses Ziel anzustreben.

Hptm Hans Ruedi Gadient

 

Abschiedbrief als Abteilungskommandant zum Neujahr 1982:

A tous les commandants et officiers du gr aérod 4

Je remettrai le commandement du gr aérod 4 le 1 janvier 1982 et serai ainsi dé­char­gé de la responsabilité de cette fonction. Jetant un regard sur les services effectués au sein du gr aérod 4, j'estime n'avoir fait que mon devoir, spécialement dans les années de comman­dement. Je regrette beaucoup mes connaissances faibles dans la langue de ce groupe parce qu'il m'était souvent et il m'est ainsi impossible de m'exprimer avec toutes les nuan­ces de la langue maternelle des fois nécessaires pour se faire comprendre entièrement.

En faisant le bilan de mes années de commandement, j'arrive à la conclusion que j'ai davantage reçu que je n'ai donné. J'ai avant tout mis l'accent sur deux points:

  • J'ai essayé en premier lieu de créer un ésprit nouveau au point de vue conduite. Je pense que, dans tous les cas où le facteur temps le permet, aussi au service militaire la décision autocratique est morte. Les chefs doivent connaître l'opinion de leurs colla­borateurs. Les collaborateurs sont tenus de défendre ouvertement leurs idées. Et seule­ment après, le chef prend sa décision. Une fois la décision prise, tous les colla­borateurs doivent s'engager sans réserve à la réalisation de celle-ci.
  • Dans le cadre de l'EM du gr, nous avons réussi à atteindre des résultats con-si­dé­rables en travaillant selon le système de con­duite des écoles centrales. L'EM doit travailler en équipe pour obtenir des meilleurs résultats. La manière de penser en facultés (par exemple QM, MUN, SEC VOL etc.) est définitivement passée. La force de l'EM, c'est le travail en team, spécialement dans les deux groupes opérations et logistique. Avec les possibilités de cette collaboration dans l'EM, il m'était possible de faire de grands progrès dans la création des dossiers "mobilisation de guerre" et "engage­ment". Avec un peu de fierté je peux remettre ces dossiers a mon successeur. Je re­mercie les cdt cp et les of EM pour leur éxcéllente collaboration à arriver à tous ces ordres clairs, à la bonne planification de ce qui est planifiable et à la préparation des décisions réservées. Il faut encore trouver le point où la planification cesse et la con­duite commence. Mais ce sera la tâche du nouveau cdt gr, ainsi que le perfection­ne­ment et l'amélioration de ce qui existe aujourd'hui.

Je sais bien qu’il est beaucoup plus facile de tracer des sillons dans un champ pas travaillé que de soigner et perfectionner un jardin en bon état. J'ai eu la grande chance de trouver ici un champ peu travaillé et le travail sur ce champ m' a donné beaucoup de satisfaction.

Ce n’est pas sans un certain pincement au cœur que l’on quitte une troupe avec laquelle on a fait ensemb­le neuf ans de chemin militaire. Malgré la germanisation de notre groupe aérod 4 en cours, c'est spécialement "l'esprit romand" et "la franche camaraderie" régnant au sein du groupe que je vais garder comme excellent sou­venir. Maintenant je vais rentrer  dans le rang.
J'aimerai remercier très sincèrement les gestes d'amitié, mais principalement de votre collaboration, sans laquelle il m'aurait été impossible à attein­dre l'état d'in­struction d'aujourd'hui.

Si dans un avion de passager un pilote remet les commandes à l'autre, il dit "your controls". Dans ce sens, je souhaite à mon successeur, le Major Ruedi Lüthi, ainsi qu’à tous les cadres du groupe aérod 4 plein succès et entière satisfaction dans la tâche commune.

Je vous adresse, ainsi qu’à vos familles, mes meilleurs vœux pour une bonne et heureuse nouvelle année, bonne santé et prospérité.

Cdt gr aérod 4
Sig. Major Hans Ruedi Gadient

Mein Abstecher in die Politik
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15.  Mein Abstecher in die Politik
  1. Mein Abstecher in die Politik

Als ich 1981 im Militär das Kommando der gr aérod 4 abgab, wurde ich angefragt, ob ich im Vorstand der FDP-Ortspartei Hombrechtikon mitmachen würde. Da ich weiterhin sehr gerne etwas für die Allgemeinheit tun wollte, sagte ich zu. Nachdem ich einige chaotische Vorstandssitzungen durchgestanden hatte, stellte ich mich vor die Wahl, entweder wieder auszutreten oder als politischer Quereinsteiger die Ortspartei als Präsident zu übernehmen. Meine Frau riet mir davon ab: Ich wäre doch kein Politiker! Ich entschied mich trotzdem für zweites, da ich dachte, die Ortspartei mit einem Vorstandsteam wie ein Geschäft oder einen Militärflugplatz führen zu können und dabei eher im Hintergrund zu bleiben. Mit meiner Erfahrung aus Industrie und Militär attestierte man mir dazu genügend Führungs- und wirtschaftspolitische Kompetenz.

Ich hatte aber die Aufgabe vollkommen unterschätzt und litt 5 lange Jahre sehr. Das Vorstands-Team existierte vor allem auf dem Papier. Wenn ich nicht selbst "machte", wurde wenig gemacht. Natürlich habe ich einige grössere Projekte wie beispielsweise den Gestaltungsplan "Dörfli" für die Dorfkernplanung in Hombrechtikon durchgebracht, aber nur mit enormem zeitlichem Aufwand und sehr viel Ärger. Es war ein Einzel - Schaulaufen, dazu mit vielen sehr eigenartigen Parteimitgliedern, die meistens nur in der Partei waren, weil sie etwas von der Partei wollten.

Politik war so ganz anders als alles, was ich bisher gemacht hatte. Und meine Frau hatte recht gehabt: Ich war wirklich kein Politiker:

  • Erstens hatte ich zu wenig politisches Gespür, ob etwas locker durchzubringen oder ob dies nur mit überdurchschnittlichem Aufwand möglich war.
  • Zweitens besass ich nicht die rhetorische Eloquenz, um an einer Gemeindeversammlung eine Kirche voller Leute zu überzeugen und hinter mich zu bringen.
  • Drittens war ich im politischen Nahkampf viel zu wenig schlitzohrig, und
  • Viertens war ich ein viel zu wenig "fanatisch freisinniges" Parteimitglied.

Die 1986 erfolgte Beförderung zum Direktionspräsidenten der BALLY Arola AG nahm ich als Vorwand, nach 5 Jahren als Ortsparteipräsident aus zeitlichen Gründen zurückzutreten. Ich wollte auch nicht mehr Partei-Mitglied bleiben, obwohl ich aus Überzeugung lebenslang freisinnig wählte und stimmte!

Kulturkreis Zollikon, Vorstandstätigkeit 1993 - 2004
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16.  Kulturkreis Zollikon, Vorstandstätigkeit 1993 - 2004

Der Kulturkreis Zollikon ist mit ca. 1000 Mitgliedern der grösste Verein in Zollikon. Er organisiert ca. 10 – 15 Anlässe pro Jahr wie Konzerte, Theater, Lesung von Schriftstellern, Ausstellungen, Exkursionen, Cabaret, etc. und immer eine Reise. Meine Schwiegereltern waren Mitglieder, und meine Frau und ich waren es seit den 1970 Jahren auch. Wir besuchten immer wieder die Anlässe. Meine Frau als Bibliothekarin interessierte sich vor allem für die Lesungen. So lernten wir beispielsweise an einem solche Anlass Elias Canetti kennen, lange bevor er den Literatur-Nobelpreis erhielt.
Im Sommer 1992 hatten wir unseren Töchtern den Wunsch erfüllt, einmal im Sommer Strandferien zu verbringen. Da Fischli und ich nicht tagelang am Strand liegen können, wählten wir mit Port Barcarès in Südfrankreich einen Ort, von welchem aus wir in den Pyrenäen die wunderbaren, romanischen Kunstdenkmäler besuchen konnten. Die Romanik in den französischen Pyrenäen hatte uns sehr beeindruckt. Als im Jahr 1993 die Kulturkreisreise auf die spanische Seite der Pyrenäen mit Schwergewicht auf der Romanik führte, reisten wir mit, .
Auf dieser Reise verlief Verschiedenes nicht optimal: Höhepunkt war die Rückreise: Als wir abends im Hotel ausgecheckt und auf den Bahnhof in Barcelona kamen, wo wir im Nachtzug und Schlafwagen in die Schweiz zurückreisen sollten, war kein Mensch zusehen. Ein Bähnler meinte, man wisse doch seit einigen Tagen, dass heute bei der Bahn gestreikt werde! Der Reiseleiter und früherer Kulturkreis-Präsident Hans Werner verlor darauf komplett die Fassung, so dass ich als ehemaliger militärischer Abteilungskommandant einschritt und ihm sagte, dass ich jetzt übernehmen würde. Seine Frau meinte später, dass dies wohl das erste Anzeichen seiner späteren Demenz war!
Ich organisierte zusammen mit dem Hotel für jene, die anderntags Termine hatten, einen Abendflug zurück in die Schweiz. Für den Rest der wartenden Reisegruppe verpflichtete ich einen Bus mit zwei Chauffeuren, die der verordneten Ruhezeiten wegen abwechselnd durchfahren und schlafen konnten, damit wir im Verlaufe des nächsten Vormittags auch zuhause ankommen sollten. Um ca. 21:30 Uhr fuhren wir in Barcelona Bahnhof ab.
Einen ersten Aufreger ergab sich, als die beiden Chauffeure bei der Raststätte Gerona sagten, sie hätten noch nichts z'Nacht gegessen und sich sehr viel Zeit dazu liessen, während im Bus bereits ein Teil der Gruppe schlief. Die beiden Chauffeure waren noch nie in die Schweiz gereist und wussten nicht, dass die Autobahn Lyon – Genf noch nicht fertiggestellt war und man über den Flughafen Lyon, Champéry und Annemasse nach Genf fahren musste.
Als ich gegen 04:00 Uhr einmal erwachte, stellte ich fest, dass sie in Lyon trotzdem auf der Autobahn Richtung Bourg en Bresse und Genf weitergefahren waren. Ich setzte mich auf die Treppenstufe zwischen die zwei vordersten Sitze und zwang den Chauffeur, bei der nächsten Ausfahrt hinaus-, über eine Brücke zurück zur gegenüberliegenden Einfahrt zu fahren und umzukehren. Ich erinnere mich nicht, wie ich mich mit den Chauffeuren verständigte, sprach ich doch nicht Spanisch, nur Deutsch, Englisch, Französisch und Portugiesisch! Wir nahmen dann den Weg, wie ich ihn bei der Abfahrt vorgeschrieben hatte.
Kurz nach 07:00 Uhr machten wir auf der Raststätte bei Nyon einen Halt für Kaffee und Gipfeli und ca. um 10:30 Uhr fuhren wir in Zollikon ein, und der Bus konnte nach Barcelona zurückkehren. Mit den Abendflügen hatte es auch geklappt. Sicher war der Bus weniger bequem als der Schlafwagen im Nachtzug. Hauptsache war aber, dass wir alle wohlbehalten zuhause waren.
Anderntags schrieb ich einen kleinen Bericht über die von mir festgestellten Unstimmigkeiten und Versäumnisse der Reiseleitung zuhanden des Kulturkreisvorstandes. Zwei Tage darauf stand Hans Werner bei uns vor unserer Haustüre in Hombrechtikon und fragte mich, ob ich nicht im Vorstand des Kulturkreises sein Ressort "Reisen" übernehmen würde. Er wäre der Meinung, ich wäre ein guter Reiseleiter. Er hätte dies mit dem neuen Präsidenten Hans Gremli, einem Freund von mir, besprochen. Er würde meine Zusage sehr begrüssen.
Ich nahm das Angebot freudig an: In Zollikon hatte Fischli einen Bauplatz geerbt und wir waren wir seit April am Bau unseres neues Hauses. Im nächsten Januar 1994 wollten wir von Hombrechtikon nach Zollikon umziehen.
An der Hauptversammlung des Kulturkreises im September 1993 wurde ich in den Vorstand gewählt und bekam das Ressort "Reisen".
 
Die Ausland-Bus-Reise 1994 «Durchs Südtirol ins Friaul» war bereits aufgegleist. Ich bestand aber darauf, diese zusätzlich noch kurz selbst zu rekognoszieren. Ich fuhr dazu mit Fischli und den Kunsthistorikerinnen Annette Schindler und Daniela Mondini nochmals die Reise ab, besuchte die vorgesehenen Restaurants, erstellte eine Excell Tabelle für die Distanzen und den Zeitbedarf und machte anschliessend das detaillierte Programm und die Kalkulation für die Reise, womit ich dann die Einladung schreiben und versenden konnte.
Der Anmeldungseingang war überwältigend: Wir mussten zwei Reisen durchführen, eine erste mit 27 und eine zweite Reise mit 32 Teilnehmern, total also mit 59 Teilnehmern.
Damals schrieb der Verantwortliche für das Ressort Reisen die Einladungen noch selbst und bewältigte auch den Versand. Ich schrieb zudem jedem Teilnehmern die Rechnung für die Reise selbst und machte selbständig die Debitorenbewirtschaftung und die Schlussabrechnung der Reise.
 
1995 führte uns die Bus-Reise in die neuen Bundesländer Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Zum ersten Mal machten wir eine Orientierungs-Veranstaltung für die Reise, an welcher uns Dinah Hinz mit einer Auswahl an entsprechenden Texten auf die Reise vorbereitete und die Reiseleiterinnen (die gleichen wie im Vorjahr!) stellten die Reise anhand von Kartenmaterial und Dias die Reise konkretisierten. Rekognoszierung, Vorbereitung und administrativer Vollzug der Reise beschäftigten den verantwortlichen für das Ressort Reisen für einige Zeit voll. Wieder war die Teilnehmerzahl für zwei Reisen é 36 Personen sehr gross.
 
Der Revisor des Kulturkreises, Daniel Schauwecker, stellte fest, dass unser Verein keine Versicherung besitze, wie sie Reiseunternehmer haben müssen. Falls sich auf den von uns organisierten Reisen ein schwerer Unfall ereignete, würde der Verein und damit die Vereinsmitglieder haften. In Zukunft müsste ein Reiseunternehmen einladen, wozu ich mit Kuoni Zürich Kontakt aufnahm. In Zukunft machten wir immer noch die ganze Arbeit; das Reiseunternehmen kassierte aber nur für den Versand der Einladung und das Inkasso 10%, was unsere Reisen in Zukunft sicher verteuern wird.
 
Die Reise 1996 führte uns im Herbst in die Unbekannte Slovakei. Ich rekognoszierte zusammen mit meiner Vorstandskollegin Helen Oplatka, deren Mann als NZZ-Redaktor und gebürtiger Ungare uns viele Türen öffnen konnte. Anders als Böhmen und Mähren in Tschechien ist die Slowakei noch touristisches Randgebiet. Es entsprach meiner Strategie, uns mit unseren Kulturkreis-Reisen auf touristische Nischen zu konzentrieren. Zum ersten Mal hatte jetzt Kuoni eingeladen, und ich erbat mir von ihnen auch das Gruppen-CheckIn in Kloten. Wir flogen nach Wien Schwechat und fuhren von dort per Bus kreuz und quer nach Osten bis nach Kosice, von wo wir per Flugzeug nach Zürich zurückkehrten. Wieder führten wir zwei Reisen mit je 25 und 15 Teilnehmern durch.
 
Im Laufe des Jahres 1996 war Vorstandsmitglied Felix Bernet als Finanzchef zurückgetreten. Ich übernahm zum Ressort Reisen zusätzlich auch das Ressort Finanzen. Die Aktenübergabe erfolgte in ca. 10 Minuten, denn ausser einem «Milchbüchlein» mit Einnahmen und Ausgaben bestand nichts! Also machte ich mich daran, Führungsinstrumente zu schaffen, damit man Budgetieren konnte, einen Budgetvergleich, mit dem ich das Jahr hindurch sehen konnte, wie wir standen.
Mein grösstes Problem war aber das Budget. Unsere Einnahmen bestanden aus einem fixen Beitrag der Gemeinde, einem Jahresbeitrag von CHF 30 für Einzelpersonen und CHF 50 für Paarmitglieder, und dazu kam für jeden Anlass eine Abendkasse, an welcher Eintritt bezahlt werden musste, abgestuft nach dem Aufwand für den Anlass. Also mussten für das Budget die Anzahl Teilnehmer für jeden Anlass geschätzt werden.
Um vernünftiger budgetieren zu können, schlug ich dem Vorstand nun vor, den Eintrittspreis für Mitglieder gänzlich fallen zu lassen, dafür den Jahresbeitrag drastisch auf CHF 100, bzw. CHF 125 zu erhöhen. Ich rechnete deshalb mit 10% Austritten von Mitgliedern und es gelang mir, den Vorstand von dieser Neuerung zu überzeugen.
Und siehe da: Wir hatten praktisch keine Austritte, aber pro Anlass ca. 30% mehr Teilnehmer: Wenn die Leute doch schon bezahlt hatten, mussten sie dies doch auch ausnützen! Und ich konnte endlich ein vernünftiges Budget mit dem zu erwartenden Einnahmen erstellen, und jedes Ressort bekam einen Anteil, der einzuhalten war. Ich machte mir bei meinen Vorstandskolleginnen und -kollegen kein Freunde, wenn ich immer wieder widerholte, man könne nur so viel ausgeben, wie man einnehme!
 
Die Reise 1997 hatte die Steiermark in Österreich zum Ziel und war ein Glücksfall: Die mit meiner Frau befreundete Reise-Journalistin Magda Ganz hatte für die Altherren einer Studentenverbindung diese Reise durchgeführt und war bereit, sie auch für uns zu leiten. Die Reise stand unter dem Motto: «Auf den Spuren von Erzherzog Johann», der die Ehe mit der Postmeisterstochter Anna Plochl dem Leben am Hofe vorgezogen hatte. Es waren wieder zwei hervorragend konzipierten Reisen mit je32 und 27 Teilnehmern.
 
An der Hauptversammlung 1997 hatte ich das erste Mal Gelegenheit, Bilanz und Erfolgsrechnung mit einem Hellraumprojektor zu präsentieren und Erklärungen dazu abzugeben. Im Übrigen ergaben sich bei der Budgetierung interessante Diskussionen über die Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel: Die Verantwortliche für Literatur und Theater fühlte sich gegenüber der Musik benachteiligt, der Kunsthistoriker wollte eine zu aufwändige Ausstellung, die verantwortliche für Musik brauchte für eine Orchesterkonzert gegen 20 % des Jahresbudgets usw. Dies alles unter einen Hut zu bringen, verlangte vor allem vom Präsidenten grosse Überzeugungskraft und von mir als Finanzchef viel Geduld. Mit den Reisen hatte ich keine Probleme: Ich wollte mit dem Preis der Reise für die Kosten aufkommen, so dass ich weder gewinn noch Verlust machte. Mit den eingekauften Reisen war dies überhaupt kein Problem mehr.
 
Die Reise 1998 ging nach Paris mit dem Titel: «Paris einmal anders»! Ich musste mich nach einer neuen Kunsthistorikerin umsehen und hatte mit Irene Müller wieder Glück. Praktisch alle kennen doch das Paris, das wir alle besuchen. An der Rekognoszierung versuchte Irene Müller, unbekanntere und teilweise moderne Rosinen von Paris herauszupicken: Die Abteikirche St. Denis mit den Königsgräbern, den Parc de la Villette mit der Cité de la Musique, den Parc André Citroem, den Parc de Bercy und vis-ä-vis die Bibliothèque de France. Es war auch einmalig, nicht mit der U-Bahn in Paris unterwegs zu sein, sondern mit einem Bus durch die Stadt zu fahren: Viel Unbekanntes war zu sehen.
M.E. war es eine gelungene Reise, aber das passte nicht allen. Wir führten im August mit 29 Teilnehmern nur eine Reise durch.
 
Mit einer «Eingekauften» Reise stellte ich Im Jahr 1997 fest, dass damit für mich eine Riesenarbeit wegfiel, und dass auch noch die Kosten infolge der wegfallenden Rekognoszierungsreise wesentlich tiefer waren. Ich nahm mit der Reise-Hochschule Zürich (rhz) Kontakt auf und wurde fündig: Ja, ich konnte Reisen einkaufen und sie noch leicht auf die Bedürfnisse unserer doch eher etwas verwöhnten Zolliker-Teilnehmer anpassen. Der Versand von Einladung und Rechnung wird künftig von rhz als Reiseveranstalter erledigt. Damit wechselten wir von Kuoni zur rhz.
 
Mit der rhz-Reiseleiterin Dr. Christina Steinhoff führte die erste eingekaufte Busreise 1999 ins Piemont. Das Piemont ist ausser bei Weinliebhabern eine doch eher unbekanntere Gegend, da es von den Nord-Süd-Durchgangsstrassen etwas abseits liegt. Es gibt hier aber eine grosse kulturelle Vielfalt und landschaftliche Reize, die eine Studienreise durchaus sinnvoll machen. Wir verzichteten auf einen Orientierungsanlass, konnten aber zur Vorbereitung der Reise eine umfangreiche RHZ-Dokumentation über den Piemont an die Teilnehmer abgeben. Nach der Fahrt über Martigny (Bon­nard-Ausstellung), den Grossen St. Bernhard und einer Nacht in Aosta war der Ausgangspunkt für die ver­schieden­en und interessanten Exkursionen in der ganzen Woche die Metropole Turin. Eine wichtige Rolle spielte auf dieser Reise auch die Kulinarik. Mit 30 und 29 Teilnehmern waren die 2 Reisen wieder gut besucht.
 
Die letztjährige Reiseleiterin Dr. Christina Steinhoff schlug für das Jahr 2000 eine Busreise «Bayrisch Schwaben, bekannte und unbekannte Schönheiten» vor, mit Ausgangspunkt für die Exkursionen in ihrer Heimatstadt Augsburg. Die zwei Reisen mit 26 und 25 Teilnehmern waren dieses Mal auf 5 Tage beschränkt. Es war eine interessante Reise und gab Anregungen, die eine oder andere Sehenswürdigkeit nochmals und intensiver zu besuchen, liegen sie doch geografisch so nah, dass man sie von uns aus gut an einem Wochenende aufsuchen kann.
 
Wieder mit einer eingekauften Reise der Reisehochschule (rhz) und Frau Dr. Steinhoff als Reiseleiterin fuhren wir per Bus im Jahr 2001 in die Emilia Romagna, um «Verborgene Schönheiten» aufzuspüren. Wir bezogen ein Hotel in Parma. Ausser in Parma machten wir Besichtigungen in Mantua, Modena, Nonantola und Fontanellato. Selbstverständlich kam mit Frau Steinhoff wie im Piemont auch die Kulinarik wieder nicht zu kurz. Anscheinend kennen viel unserer Mitglieder diese Gegend bereits, denn es wurde nur eine Reise mit 26 Teilnehmern durchgeführt.
 
Der Titel der Reise im Jahr 2002 war: «Auf Haydns Spuren im österreichischen Burgenland und in Westungarn; ferner Plattensee und Budapest. Diese Reise wurde von Helen und Andreas Oplatka vorbereitet, der als Mitteleuropa-Korrespondent der NZZ aus dem vollen schöpfen konnte. Mein Beitrag war auf der rekognoszierungsreise minim. Oplatkas verpflichteten auch zwei hochkarätige Führer: Für die Haydn-Oper in Eisenstadt den Dirigenten Adam Fischer, ein Freund der Familie Oplatka, sowie für die ganze Reise einen ungarischen Reiseführer, Herr Lukaschik. Es waren zwei grossartige, abwechslungsreiche Reisen, die erste mit Leitung Andreas Oplatka/Gadient mit 23 Teilnehmern, die zweite mit Leitung Helen und Andreas Oplatka mit 26 Teilnehmern. Ich denke, dass nach den Reisen in die Slowakei und nach Ungarn die Liebe von Helen Oplatka zum Ressort Reisen erwachte.
 
Helen Oplatka machte nach einer Vorstandssitzung zum Präsidenten Hans Gremli einmal die Bemerkung, dass sie sich dann um seine Nachfolge interessieren würde, wenn es so weit sei. Hans Gremli wusste, wie schwierig es in der heutigen Zeit ist, einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für dieses arbeitsreiche, unbezahlte Präsidentenamt zu finden und trat auf die nächste Hauptversammlung zurück, um ihr Platz zu machen, Helen Oplatka wurde dann ungefährdet zur neuen Präsidentin gewählt.
 
Schon lange hatte ich den Wunsch gehegt, eine Kulturkreisreise nach «meinem» Portugal zu planen. Ich hatte von 1968 – 1977 praktisch 50% meiner Arbeitszeit in Portugal verbracht. Was mi Pendeln während 3 Monaten begonnen hatte, währte schlussendlich fast 10 Jahre.
Einkaufen konnte ich leider keine ausgereifte Portugal-Reise, die mir zugesagt hätte. Die Reisehochschule konnte mir aber wenigstens einen Reiseleiter vermitteln, welcher die Sprache beherrschte und früher einmal eine Reise in Portugal geleitet hatte. Ich bestimmte aber das Was und Wo! So konzipierten wir eine wunderbare Reise 2003: Von Porto nach Lissabon! Ich konnte hier wirklich aus dem Vollen schöpfen, und wir besuchten u.a.  Porto, das Douro-Tal mit einer Schifffahrt, Guimaraes, Braga, Coimbra, Bathala, Alcobaça, Obidos, Nazaré, Sintra und dann Lissabon. Zu jedem Ort gäbe es eine Geschichte. Das würde aber den Rahmen dieses Berichts sprengen.
Zur Einstimmung auf die Reise verfasste ich für die Reiseteilnehmer einen Erlebnisbericht über meine Erfahrungen in Portugal, den ich als Kapitel 11 nach dem Kapitel 10, Beruf 2: GROWELA aufgeführt habe.
 
Mein Kollege und Graphiker René Scheidegger, der das Ressort  «Bildende Kunst» geleitet hatte wollte altershalber zurücktreten. Von meinem Cousin Felix wusste ich, dass sein Sohn Diego Gadient vor kurzem im Zollikerberg eine Haus gekauft hatte und dass seine Frau als Kunsthistorikerin nach der Babypause sich wieder nach einer Tätigkeit umsah. Ich orientierte darüber René Scheidegger, der sich mit Sue Naef Gadient in Verbindung setzte. Sue Naef übernahm ab der nächsten Hauptversammlung das Ressort «Bildende Kunst». Oft musste ich in der Folge klären, dass Sue nicht meine Tochter sei!
 
Nun hegte ich noch einen weiteren, lang gehegten Reisewunsch: Ich wäre schon immer gerne einmal in Mecklenburg – Vorpommern gereist. Die Reisehochschule (rhz) offerierte mir, anstatt zu rekognoszieren, mit Timo Goldmann 2003 auf seine Mecklenburg – Vorpommern – Reise mitzugehen und zu sehen, ob wir für das anspruchsvolle Publikum in Zollikon etwas ändern müssten. Meine Frau und ich fuhren also im Herbst 2003 mit Timo Goldmann ein erstes Mal hin und mussten nur ganz wenig ändern: Die eine oder andere Unterkunft verlegten wir in Schlösser, und ein paar allzu deftige Menüs wurden für die KKZ-Reise Mecklenburg – Vorpommern 2004 angepasst. Wieder führten wir 2 Reisen mit Timo Goldmann als Reiseleiter durch, eine erste mit 30 und eine zweite mit 29 Teilnehmern.
Wir flogen nach Hamburg, machten da ein paar Besichtigungen und machten anschliessend eine Rundreise per Bus der besuchten der Reihe nach folgende Orte: Lübeck, Schwerin, Wismar, Bad Doberan, Rostock, Strahlsund, Insel Rügen, Greifswald und wieder zurück nach Hamburg mit Heimflug. Eine wunderbare, erinnerungsreiche Reise. Es sollte meine letzte Reise sein.
 
Unsere Präsidentin frau Helen Oplatka fragte mich eines Tages aus heiterem Himmel, sie hätte jemanden in Küsnacht gefunden, der Reisen organisiere. Ob es mir schwer fallen würde, nur noch für die Finanzen verantwortlich zu sein und das Ressort Reisen abzugeben. Die Reisen waren aber meine Leidenschaft, während ich die Finanzen mehr aus Gefälligkeit machte und trat nach 10 Jahren im Vorstand auf die nächste Hauptversammlung im Herbst 2004 zurück.
 
Es war eine interessante und befriedigende Aufgabe gewesen. Wieder konnte ich sowohl bei den Reisen, vor allem aber bei den Finanzen grundlegende Weichen stellen. Und für mich, der frisch nach Zollikon gekommen war und im Gegensatz zu meiner Frau praktisch niemand kannte, war diese Vorstandstätigkeit im Kulturkreis Zollikon ein Glücksfall: Ich lernte im Vorstand und an unseren Anlässen viele Leute kennen, und war bald am neuen Wohnort heimisch.

Epilog
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17.  Epilog

17. Epilog zu meiner Biographie

Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde. Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; 
Der Prediger Salomo, Kap. 3, 1-2. 

Es sind jetzt ziemlich genau 10 Jahre her, seit wir Abschied von unserem Fischli nehmen mussten. Sie sah relativ früh ihr Ende kommen, während ich immer noch an ein Wunder glaubte. Ich denke, jene wochenlange Auseinandersetzung mit dem Sterben, mit dem Tod hat mich geprägt! Ich denke, ich bin gelassener geworden: Ich verarbeite heute Ungemach wesentlich leichter, Ungemach, welches mich früher - wenigstens innerlich - explodieren liessen, obwohl ich mich nach aussen meistens beherrschen konnte.

Ich bin heute viel allein. Da gehen einem beim Apero, bei der Hausarbeit oder bei meinem Morgenmarsch viele Gedanken durch den Kopf:

Oft schwelge ich in Erinnerungen an unzählige, wunderbar glückliche Stunden, dann allerdings gibt es aber auch Rückblicke auf Lebensabschnitte, die Fragen aufwerfen: Was hätte ich damals besser machen können? Wie würde ich mich aus heutiger Sicht verhalten? War ich meinen Vorgesetzten und Untergebenen gegenüber tolerant genug? War unser Verhalten den Eltern, Grosseltern und Geschwistern gegenüber dankbar genug für alle die Werte, die sie uns mitgaben?

Dann stellen sich aber auch praktische Fragen wie: Wie werden unsere Töchter altern? Was wird aus unseren Enkeln? Werden sie ihr Leben meistern? Bin ich zu egoistisch und zu ängstlich mit meinem Besitz? Unsere Jungen könnten ihr Erbe doch jetzt viel besser brauchen als erst dann, wenn ich nicht mehr da bin!

Altersbedingt stellen sich aber auch philosophischere Fragen im Alltag wie: Wie könnte ich Mitmenschen mehr Freude bereiten? Bin ich eigentlich glücklich? Wie geht es mit mir weiter? Bleibe ich gesund? Und, vor allem immer wieder: Wie wird es mit mir zu Ende gehen?

Dazu habe ich in meiner EXIT – Werteerklärung u. a. Folgendes geschrieben:

"Fischli und ich waren vehemen­te Gegner eines freiwilligen Ausscheidens aus dem Leben mittels einer Sterbehilfeorganisation. Wir sahen in dieser Art des Sterbens die menschliche Anmassung, Gott die Verfügungsgewalt über Leben und Tod aus der Hand zu nehmen und das Zepter selbst zu ergreifen. Seit ich dann aber im Sommer 2013 mein geliebtes Fischli von sehr nahe und intensiv ins Sterben begleitet habe, sowie den damals mit ihrem Arzt Dr. Heinz Wehrli geführten, eindrücklichen Dreiergesprächen, war ich mir diesbezüglich nicht mehr so sicher.

Nach dem Durcharbeiten des Kapitels "Am Abend des Lebens" in einem der letzten (?) Bücher des Theologen Hans Küng "Erlebte Menschlichkeit, Erinnerungen" (Piper Verlag München, 2013) kam ich kurz nach Fischlis Tod zur festen Überzeugung: Falls ich einmal keine Hoffnung mehr auf ein humanes Leben haben kann und noch bei vollem Bewusstsein bin darf ich auch als glaubender Christ durchaus selbst bestimmen, wie und wann ich in Würde aus diesem Leben scheiden will. Ich muss dies nicht zwangsweise meinen Angehörigen und den Ärzten überlassen.

So möchte ich auf keinen Fall meinen Töchtern durch körperliche Gebrechen und/oder schlechte geistige Verfassung zur Last fallen. Ich möchte aber auch, wenn immer möglich, nicht in ein Pflegeheim abgeschoben werden. Mein Sterben soll in unserem Haus in Zollikon geschehen, begleitet von meinen beiden Töchtern und von Pfarrer Simon Gebs.

Hans Küngs oben erwähntes Buch liess mich nach Fischlis Tod überdies Folgendes schreiben:

"Als Christ

  • inspiriert mich die Botschaft von der Auferweckung Jesu Christi; sie hat ungezählten Menschen im Leben und Sterben Hoffnung auf ihr eigenes ewiges Leben gemacht.
  • glaube ich, wenn ich das Allerletzte meines Lebens erreiche, dass mich da wahrscheinlich nicht das Nichts erwartet, sondern jenes Alles, das Gott ist. Tod ist Durchgang zur eigentlichen Heimat, ist Einkehr in Gottes Verborgenheit und des Menschen Herrlichkeit.
  • erfüllt mich die Hoffnung, dass Gott nach den Worten des Propheten Jesaja und der Apokalypse uns jede Träne von den Augen abwischt und der Tod nicht mehr sein wird: kein Leid, kein Geschrei und keine Mühsal mehr.

Dies schreibe ich im klaren Bewusstsein: Sollte ich mich jedoch getäuscht haben und ich nicht in Gottes ewiges Leben, sondern in ein Nichts hineinsterben, dann habe ich mindestens ein besseres und sinnvolleres Leben geführt als ohne diese Hoffnung."

Soweit die Exit – Werteerklärung.
Ich bin heute, im September 2023 hin und her gerissen, als Christ obige Sätze zu glauben oder als Vernunftmensch zu akzeptieren, dass höchst wahrscheinlich kein Jenseits existiert.

Das Vernünftige tut weh, denn damit könnte ich ja nicht mit meinem Fischli zusammen in die Ewigkeit eingehen!

Alle Schritte in meinem Leben waren nicht von langer Hand geplant, sondern haben sich einfach so ergeben! Meistens ergab es sich zu meinem Vorteil. So habe ich auch weiterhin Vertrauen, dass sich auch mein Ende "einfach so ergibt"!

In meinem Lebenslauf "Entwurf für die Abdankung" schrieb ich als Schlussbemerkung:

"Sollte dies heute die letzte Überarbeitung meines Lebenslaufes gewesen sein, so möchte ich hier meine tiefe Befriedigung und grosse Dankbarkeit für ein ausserordentlich glückliches und erfülltes Leben ausdrücken, mindestens bis zum 16. September 2013, dem viel zu frühen Tod von Fischli. Eine gütige, höhere Macht hat es bis dahin in vielen Belangen gut mit mir und mit uns gemeint.
Aber auch für die gute Zeit nach Fischlis Tod bin ich unendlich dankbar. Ich wurde dazu von der Familie getragen, aber auch mein grosser Freundeskreis trug wesentlich dazu bei.

Allen, die mich im Leben begleitet und geprägt haben, gilt mein herzlichster Dank: Vor allem meinem liebsten Fischli, aber auch meinen Eltern, Töchter, Schwiegersohn Philipp, allen 5 Enkeln, Geschwistern, Verwandten, Freunden, Vorgesetzten und Untergebenen.

Ich wünsche allen einen ebenso reich erfüllten Lebensweg, wie ich ihn gehen durfte.

 

Zollikon, 07. September 2023 HRG

 

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